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ZEITSCHRIFT j \

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ALLGEMEINE ERDKUNDE. \

MIT UNTERSTÜTZUNG DER GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN

UND UNTER BESONDERER MITWIRKUNG voN

HB. W. DOVE, C. G. EHRENBERG, H. KIEPERT vs» C. RITTER

IN BERLIN,

K. ANDREE ıx oresopen uno J. E. WAPPÄUS ı aörnıscex.

HERAUSGEGEBEN voN

Dr. K. NEUMANN.

NEUE FOLGE. DRITTER BAND. MIT 7 KARTEN.

BERLIN.

VERLAG VON DIETRICH REIMER.

1857.

EN,

Inhalt des dritten Bandes.

- I. Uebersicht der Thätigkeit der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom April 1856 bis April 1857. Von H. W. Dove. > I. Ueber die physische Beschaffenheit Südgrönlands. Nach H. Rink. Vons Anton) verBtzellieV@ oanlerlarnhnarade Ve nis dar IM. Mittheilungen aus Algerien. Der südliche Höhenzug. Von Dr. L. Ar Buvry. Erster Artikel . . . . EHlk Adhekinehnente Dre VI. Die Torresstrafse, ihre Gefahren a Von Director Mei- nicke in Prenzlau. . { E aan HM ai rada V. Mittheilungen aus Algerien. Der südliche Hohen Von Dr. L. ‚Buvry. Zweiter Artikel . . 2... a. a:

nos Aires. Von Juan Maria Gutierrez. Aus dem Spani- schen, vom Herausgeber, . . ..ı. äle ur VI. Die nordöstlichen Grenzländer von Hlahesh, Yon w. anal ng Ausflug nach Hutscheu und Hangtscheu. Nach einem Bericht von { J. Edkins, mitgetheilt von Dr. Biernatzki . . . ... \ Dix . Reise durch die Pampas. Bruchstück aus der später erscheinenden N Reise durch Süd- Amerika. Von H. Burmeister. Erster Ab- schnitt: Von Rosario bis zum Pueblo Rio Quarto . "X. Ueber die Mineralproducte Süd-Grönlands. Nach H. Rink, Von Er Hitze en... he ee XI. Reise durch die Pampas. Bruchstück aus der später erscheinenden Reise durch Süd-Amerika. Von H. Burmeister. Zweiter Ab- } ‚schnitt. Vom Pueblo Rio Quarto bis Mendoza . ....

Vom Herausgeber . . . . ANuNT 5 Sadeihzz Ueber die Volksstämme Bomene Ron Oder v. Kaaleı bee Zur Kunde der Insel Formosa. Mitgetheilt von Dr. Biernatzki ber Erosionsformen der indischen Flüsse. Von Robert Schlag-

Seite

118 141 177

205

217

281

295 312 377 411

428

IV Inhalt.

XVI. P. Semenow’s Forschungen im Alatau und Thian Schan. Aus einem Schreiben Semenow’s, mitgetheilt durch Carl Ritter

XVII. Die Gold- und Silber-Region im östlichen Honduras. Vom Heraus- geber 5

XVII. Bemerkungen N v. Humboldt’ s zu Bine "Scheiben über den Thian Schan. Mitgetheilt von Carl Ritter

Miscellen und Literatur.

Europa. Eine Besteigung des Grofsglocknerss . . . .». . : eyE Topographie der Herzogthümer Holstein und ae von = von Schröder und H. Biernatzki . . . - SARA “us : Ueber die Religion der heidnischen en im N Kasan

J. Roth, Der Vesuv Br die here von n Neapel een, Census der tschudischen Bevölkerung in Norwegen .

Ueber die Verbreitung des albanesischen Volksstammes . See Maulbeerbaumzucht und Seidenbau im Gouvernement Moskau . . . Die herakleotische Halbinsel hinsichtlich ihres Einflusses auf den Ge-

sundheitszustand - Ueber die Wärme der Flüsse ae Klone. u: Isike) 5; Von: H!: W; Diovieli Mhaa! TE, aaa Riem

Afrika.

Die Regentschaft Tripolis -

Glänzende Zukunft der Wüste Sa To

Ueber Funchal auf Madeira. Von Dr. Schacht Au Ch. J. Andersson’s Reisen in Südwest- Afrika . . . En u Ueber das Klima des Caps der Guten Hoffnung. Von H. w. Dax

Asien,

Californien und das Gebiet am Amur . . RE

Voyage dans la Peninsule arabique de Sinai et Re moyenne. > M. Lottin de Laval ie

Grenze zwischen den russischen Besiiintben and Japan

Ein Blick auf die Küsten von Formosa . . BR); The North Pacific Surveying and Exploring Expedition. By A. W. Habersham. . . . - u. sie:

Die ost-sibirische lien der Kais, Russ. Geographische Gesell- schaft. Von Dr. €. Schirren

Die Reise Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Waldemar ı von | Proud BE Indien. Herausgegeben von Kutzuer . . . . 2 2... 2.

Ostindien und England. Von John Briggs

Seite

432

440

481

50

Lo

\ 4 .

Inhalt. v f { Seite E Russische Expedition zur Erforschung von Khorasan und Herat 360 Die Pratas-Klippen im chinesischen Meere 361 f Tabellarische Zusammenstellung der Routen der Herren Sehlagintweit während ihrer Untersuchungen in Indien und Hoch-Asien 366 2 Sandreczki’s Reise nach Mosul und durch Kurdistan nach Urumia 369 Ä Ungewitter’s „Beschreibung des britischen Indien“ . . . ee! Zur russischen Expedition nach Khorasan. Aus einem Schreiben Binke s 498 Die Reise des Hauptastronomen der ostsibirischen Expedition, L. ' Schwarz, auf dem Witim. Von Dr. C. Schirren. . R 499 Ei Dre AU“ Os EEE TE TLEl HE TER RE RU IE _ Australien und Polynesien. k Borneo’s Wester- Afdeeling. Door P. J. Veth SB MEET Neue Expeditionen in das Innere Australiens. Zwei Briefe aus Süd- Australien . . - IR HeRe s a 271 Ein Schreiben aus Adelaiae ahr die Beschifung He ee 274 Goyder’s Entdeckungen am Lake Torrens . . J 367 Freeling’s Bericht über Goyder’s Entdeckungen am Take ori 3 503 Die südliche Gruppe der Cocos- oder Keelings-nseln . . . . . 505 Amerika. Ueber die Namen der NE in den Vereinigten Staaten von Nord- Amerika a 61 . Cullen und der Isthmus von Dee a ee et Ei die Pampas. Aus einem Schreiben Burmeister’s an Re v. Hum- boldt 2 Grenland enapkiik og "statistik ee af H. Rink, an bindet 82 Documente zur Geschichte der Entdeckung Neu-Mexico’s 157 Die Fortschritte des Unterrichtswesens in Chile . - 1a Die historisch-geographische Gesellschaft in den La Plata- Staaten 161 Die beabsichtigte Erforschung einiger minder bekannten Provinzen Bra- siliens durch eine grolse wissenschaftliche National-Expedition . 164 Bermuda, a Colony, a Fortre/s, and a Prison. By a Field- Officer. Wondon.188% N ».....2. N. une ER EN er Ne 4 Möllhausen’s Reise in den westlichen Theilen ae Vereinigten Staaten 260 Die Honduras-Eisenbahn . . .... RR er 262 Neue Erforschung der Küste der Provinz Chocs 267 Die Cordillere von Copiapb - » 2 2 22... - are Al Aus der Botschaft des Präsidenten der Arsen Conföderation anaden’lepislativen Congrels u am. ee 270 Die Stadt Humboldt in Kansas b aa a 368 Ein Besuch bei den Cherokee- Ten n . 368

z ß Bemerkungen ‚über die Sternwarte von Santiago, die geographische Länge und Breite dieses Ortes, sowie die Länge von Valparaiso,

. . . . * « . . Re w ? % ° ®

515

vI Inhalt,

Explorations and Adventures in Honduras, By William V. Wells .

Walker’s Expedition nach Nicaragua. Von William V. Wells. Aus We en dem Englischen. 1857... - ne Scherzer’s „Wanderungen durch die Ehe larmeriketpanien Freistaaten“, Sa

48544] lan zinda live. dorzus ‚np: Inaokbntanr #

Miscellen allgemeineren Inhalts. Die arabische Geographie des Ahmed Mogadassy Zur Statistik der Eisenbahnen der Erde . . „rn en mono übe Zur Statistik der französischen Colonien . . - er... Ueber die Sondirungen auf dem Telegraphen - Pike ns. ; 5 0 j

Uebersicht der vom Juni bis zum November 1857 auf dem Gebiete der Geographie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Von Wi.Koner wu... rs ae er

Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 4. Juli 1857...

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- - - - - - - 9. Septbr. - :

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- - - - - - - ..2..Novbrss, 2 udn

- - r - - - - 5. Dechr. - ; Karten.

Taf. I. Der Distriet von Julianehaab in Süd-Grönland. Nach der von der Alterthumsgesellschaft im Jahre 1844 herausgegebenen Karte, mit Zusätzen von H. Rink. 1856. ;%.

Taf. U. Karte der Torres-Strafse und des nördlichen Theils des Barriere - Ri. Nach den neuesten englischen Aufnahmen. a »

Taf. II. Der Staat San Salvador und die projectirte Honduras - nz Y den Aufnahmen von W. N. Jeffers.

Taf. IV. Puerto Caballos. Nach der Aufnahme von W. N. Jeffers. Kr Br. v

Taf. V. Tierra del Fuego und die Magalhaens-Strafse. Nach den Aufn nah men von King und Fitzroy. \

Taf. VI. Die Goldregion im östlichen Honduras, _ Redueirt nach ‚de __W. V. Wells. e

Taf. VO. Die Cocos- Keelings-Inseln. Reducirt nach der Aufn

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Juli 1857.

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DER GRSELLSCHANT FÜR ERDKUNDE A BERLIN.

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Inhalt.

I. Uebersicht der Thätigkeit der geographischen Gesellschaft zu Berlin

vom April 1856 bis April 1857. Von H. W. Dove II. ‘Ueber die physische Beschaffenheit Südgrönlands. Nach H. Rink, 2 Von Anton v. Etzel. (Hierzu.eine Karte, Taf. I.) III. Mittheilungen Aus Algerien. ‘Von Dr. L. Buvry

Miscellen. Eine Besteigung des Grofsglocknes . » -.. 2...» PR " Die Regentschaft Tripolis . . . REST ENTER SE Glänzende Zukunft der. Wüste Bahare 2

Californien und das Gebiet dee Amur . . , . rl an eh Ueber die Namen der Küstengebiete in den ‚eteinigten Staaten » von Nord: =

se Nach -Di IE -Kohl 7. RS 8 ER FR Te . Cullen und der Isthmus von Darien. . »-. i aan

er die Pampas. Aus einem ED H. Burmeistör’ san ‚Alex, 5

v. Humboldt can re

- Neuere Literatur.

Topographie dat Herzosthümer Holstein und. a des Fürsten- thums Lübeck und des Gebiets der freien und Hanse- Städte Hamburg

und Lübeck. Von Johannes v. Schröder und H. Biernatzki . Voyage dans la Peninsule arabique du Sinai et V’Egypte moyenne. Histoire,

geographie, epigraphie.. Par M. Lottin de Laval, ancien charge de missions scientifiques, etc. Paris, Gide de Baudon 1856—57. . ‚Grenland geographisk .og statistisk beskrevet af H. Rink, Andet Bind.

Det sondre Inspectorat. Met er, Kaart og naturhistoriske

Tillaeg. Kjobenhavn.. 1857. 8.. - : ‚Borneos Weester Afdeeling geographisch, asnech, RN koprafehden

door eene algemeene schets der ganschen eilands door a P. J. Veth.

D. I. Zaltbommel 1854. 8. Met Platen. . . . Sitzung der en Gesellschaft zu Berlin vom 7 Iuli 1857.

Karte. Taf, I. Der Distriet von Julianehaab in Süd- Grönland, von H. Rink,

_

77.

"Von dieser Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5- 6 Bier, Be mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften,

welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Ser. X Zu beziehen durch alle‘ Buchhandlungen und Post- Anstalten. ° ;

I.

Uebersicht der Thätigkeit der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom April 1856 bis April 1857.

Von H. W. Dove.

Den, welcher innerhalb eines Jahres den Vorsitz in den Sitzun- gen der geographischen Gesellschaft geführt hat, liegt die Verpflichtung ob, am Ende desselben einen Bericht zu erstatten über die Thätigkeit, welche der Verein während desselben entwickelt hat, und über die Ver- änderungen, welche in seinem Innern vorgegangen sind. Ueber diese Thätigkeit geben die Sitzungsberiehte einen umfassenden Aufschlufs, welche in der mit Unterstützung der Gesellschaft herausgegebenen Zeit- schrift enthalten sind. Es bleibt daher für den Jahresbericht streng genommen nur die Aufgabe der Gruppirung des Zusammengehörigen. Als eine wesentliche Veränderung mufs es daher bezeichnet werden, wenn in diesem öffentlichen Organe unserer Thätigkeit selbst eine Aenderung eingetreten. Dr. Gumprecht, der frühere Redacteur un- serer Zeitschrift, ist mitten in vielseitigen literarischen. Arbeiten der Wissenschaft, welche er mit unermüdeter Ausdauer zu fördern strebte, durch den Tod entrissen worden. Die Redaction der bis zum 6. Bande von ihm herausgegebenen Zeitschrift, eine Fortsetzung der von Mahl- mann herausgegebenen Monatsberichte, hat Dr. Neumann übernom- men, und ich glaube dem Gefühle der Gesellschaft nur einen Ausdruck zu geben, wenn ich demselben hier für die Art, in welcher er diese Redaction durchgeführt hat, den lebhaftesten und anerkennendsten Dank ausspreche und in diesen Dank die Verlagsbuchhandlung einschliefse, welche für eine reiche Beigabe von Karten gesorgt hat.

Als die den Dr. Livingston begleitenden Makololos von Lo- anda nach den Ufern des Liambye zurückkehrten, sagten sie ihren Landsleuten: unsere Väter haben uns versichert, die Welt habe kein Ende, aber sie hatten Unrecht, denn auf unserer Reise kamen wir

Zeitschr. f, allg. Erdk, Neue Folge. Bd. IH. 1

+

2 H. W. Dove.

plötzlich an das Ende der Welt, da sagte diese uns, hier bin ich zu Ende, hier ist nichts mehr von mir, nur noch das Meer. Welche Kluft von dieser naiven Anschauung zu der Sicherheit mit welcher Columbus ausschiffte, um jenseits dieses Meeres eine neue Welt zu finden, und welcher Abstand wiederum von diesem Gedanken zu dem jetzt der Verwirklichung entgegenreifenden, diese neue Welt durch ein festes Seil an die alte zu knüpfen, um ein Gespräch mit seinen Bewohnern zu vermitteln.

Wir leben in einer Zeit, wo man den kühnsten geographischen Problemen fest in’s Auge sieht, ihrer Lösung gewils. Die Trennung Asiens von Afrika, Nordamerikas von Südamerika sind nicht mehr Wünsche, sondern die einzige Frage ist, wie dies lange ersehnte Ziel am zweckmälsigsten zu erreichen. Das Bewulstsein, dals die Erde ein zu- sammengehöriges Ganze, hat sich zu dem Gefühle gesteigert, dafs die Menschen, die sie bewohnen, wie verschieden auch ihre Farbe, wie mannigfach ihre Sprachen, eine grofse Familie bilden, deren verstreute Glieder sich desto besser verständigen werden, je lebhafter der gegen- seitige Austausch; dafs auch der dem rohen Naturzustande Nächste be- rechtigt ist, an den Errungenschaften Theil zu nehmen, welche die geistige Arbeit von Jahrtausenden hervorgebracht hat in Gegenden, wo die Natur weniger gewaltig als da, wo sie durch ihre Fülle, wie in der tro- pischen Welt, die geistige Regsamkeit erschlafft, oder wie in der Polar- zone ihre ersten Blüthen im Keim erstickt.

In einer solchen Zeit, wo die Geographie nicht mehr eine Wissen- schaft ist, deren Förderung sich wenige widmen, sondern an der sich Alle praktisch betheiligen wollen, wo die Ergebnisse der Forschung so rasch wie möglich Gemeingut werden sollen, ist eine Gesellschaft wie die unsere an ihrer Stelle. Seit dem Tage ihrer Stiftung ist es ihr stetes Bestreben gewesen, den Sinn für geographische Studien nach vielen Seiten hin zu wecken. Wenn Jemand in sie einzutreten wünscht, hat sie nicht gefragt, vor wie vielen Abhandlungen sein Name gedruckt oder wie viel Karten er gezeichnet, welche Länder er gesehen und wie viel Meere er durchschifft; sie hat blos gefragt: hast du Sinn für das, was wir treiben? und wenn sich drei dafür verbürgt, ist sie zufrieden gewesen; sie ist noch weiter gegangen und hat bei ihrem fünf- undzwanzigjährigen Stiftungsfest beschlossen, ihre Monatsberichte in eine Zeitschrift zu verwandeln, damit auch die mitsprechen können, welche durch räumliche Entfernung verhindert sind es mündlich zu thun.

In dieser ursprünglichen Tendenz unserers Vereins ist es begrün- det, dafs ein Theil der Sitzungen darauf verwendet wird, mündliche Berichte zu geben über den Inhalt neuer literarischer Erscheinungen, von denen uns viele als Geschenk zugehen, oft reiche Kartensammlungen,

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Uebersicht der Thätigkeit der Berliner geogr. Gesellschaft 1856 57. 3

wie im verflossenen Jahre die 26 Karten des Königreichs Spanien und seiner Colonien von Don Franeisco Coello mit statistischen Anlagen von Don Pascuale Madoz, der grofse Atlas des Gouvernements Twer, die Ergebnisse der Küstenaufnahme der Vereinigten Staaten durch Bache von der Smithsonian Institution u. a. Während die Journale der eng- lischen und die Annalen der französischen Gesellschaft vorzugsweise Rei- seberichte enthalten; während die russische Gesellschaft sich in erster

-" Linie zur Aufgabe gestellt, die weiten Räume des Reiches durch be-

sondere Expeditionen zu erforschen, treten in unseren Sitzungen Reise- berichte mehr zurück gegen Untersuchungen, welche das reiche einzeln angehäufte Material zu einem wissenschaftlichen Ganzen zusammen- fassen. Auch erscheint es in der That zweckmäflsiger, die der Gesell- schaft oder Redaktion der Zeitschrift eingesendeten Berichte nicht an- wesender Reisender unmittelbar in der Zeitschrift abzudrucken als die ohnedies beschränkte Zeit der Sitzungen für das Vorlesen derselben allein in Anspruch zu nehmen, während bei dem eigenthümlichen Reiz, welcher in der mündlichen Darstellung des Selbsterlebten liegt, immer solche Gaben, wenn sie unserm Verein geboten wurden, zu den er- wünschtesten gehören. Von den auf diese Weise theils in der Gesell- schaft vorgelesenen, theils in der Zeitschrift abgedruckten Originalbe- richten erwähne ich 9 zum Theil sehr ausführliche Berichte der Ge- brüder Schlagintweit, besonders den aus Leh in Ladakh über ihren Besuch von Eltschi, der Hauptstadt Khotans, da sie die ersten Reisen- den sind, welche über den Kuenluen diese Stadt erreicht, die Go&s im Jahre 1606 von Yarkand aus besucht hatte; die von Herrn Ritter mitgetheilten Arbeiten des Botanikers Kotschy über den Bul- ghar-Dagh und über die Cydnus-Quellen, sowie eine Abhandlung des Dr. Brauns über den geologischen Charakter der Halbinsel Sinope, Mun- zinger’s über die afrikanische Küste des rothen Meeres, einen Abschnitt aus dem Tagebuche des Dr. Bleek über seine Wanderungen im Ge- biete der Zulu-Kaffern, mitgetheilt von Herrn Odebrecht, deren so- eiale Verhältnisse von Herrn Lichtenstein näher erläutert wurden, Dr. Buvry über die Steppen Algiers und seinen Vortrag über einen Ausflug von Biskra nach den Thälern der Beni-Ferrar in dem Au- res-Gebirge im südlichen Theile der Provinz Constantine. Den der Ge- sellschaft durch Herrn Ritter aus einem Schreiben des Missionars Hahn mitgetheilten Tod Wahlbergs erwähne ich kurz, da das vierte Heft des jetzigen Jahrgangs der Zeitschrift einen der Erinnerung dieses ausgezeichneten Reisenden gewidmeten ausführlichen Aufsatz des Frei- ‚herrn von Düben enthält, welchen Herr Peters den deutschen Le- sern durch eine Uebersetzung zugänglich gemacht hat. Ueber die weitern Schicksale des nach Wadai vorgedrungenen Dr. Vogel schwebt

1*

A H. W. Dove.

noch das bisherige nicht aufgehellte Dunkel. In Beziehung auf Zu- sammenstellungen der aus vielfachen Forschungen sich schliefslich er- gebenden Resultate, habe ich besonders Dr. Brandes: zu erwähnen, der die Polar-Expeditionen zur Aufsuchung Franklins einer so um- fassenden Ausarbeitung unterworfen hat, dafs selbst die englische Li- teratur kein dem entsprechendes Werk aufzuweisen hat, ebenso Dr. Neumann’s in der Zeitschrift gegebene Darstellung der amerikani- schen Expedition nach Japan.

Eine ausführliche Uebersicht der von der russischen geographi- schen Gesellschaft zur Erförschung Asiens unternommenen Arbeiten gab Herr Ritter, welcher aufserdem Herrn von Baer’s Bericht über „seine Erforschung des Manytsch- Thales mittheilte; desselben kaspische Studien wurden im Zusammenhange mit den von Abich angestellten Un- tersuchungen über die Salzseen Vorderasiens von dem Vorsitzenden be- sprochen. Hierher gehört ferner die ausführliche durch Karten erläu- terte Discussion des Herrn Kiepert über die verschiedenen Wege, welche durch Central- Amerika hindurch den stillen Ocean mit dem atlantischen verbinden sollen, woran sich ein Vortrag des Herrn du Rieux über die Pacific-Eisenbahn anschlofs, Herrn Kieperts Bericht über die neueren Aufnahmen der Engländer in Assyrien, während Dr. Hei- sing die zur Erforschung Australiens unternommenen Expeditionen, so wie die bei der Colonisirung desselben geltend gemachten verschie- denen Gesichtspunkte in mehreren Mittheilungen besprach. In dem- selben Sinne haben die grolsen geographischen Fragen der Gegen- wart ihren Wiederhall in der Gesellschaft gefunden, so die telegraphi- sche Verbindung Amerikas und Europas durch Ehrenberg’s mikro- skopische Untersuchungen des Meeresgrundes auf dem sogenannten Telegraphenplateau bei Vorlegung des von Herrn von Humboldt mitge- theilten grofsen Profils des durch Sondirungen erhaltenen Querschnittes des Meeresgrundes von Neufundland bis Irland, so das Verhältnifs Grön- lands zu Nordamerika bei der durch Herrn Ritter erfolgten Mittheilung der ersten speciellen Nachricht über den Humboldtgletscher in einem Briefe des so früh verstorbenen Dr. Kane an Herrn v. Humboldt.

Während an die geschlichteten Kämpfe der alten Welt die von Herrn Kiepert gegebene Darstellung der neuen Grenze von Bels- arabien und die von Herrn Koch nach eigener Anschauung gege- bene Beschreibung der Strafsen Mingreliens erinnerten, kam die immer unversöhnlicher in den Vordergrund tretende Sclavenfrage in der neuen Welt in den verschiedenen Ansichten zur Sprache, welche für die Bil- dungsfähigkeit der Neger laut geworden sind, eine Discussion, an welcher sich aufser dem Secretair der Gesellschaft die Herren Ehren- berg, Müller, du Rieux und Pitschner betheiligten.

Uebersicht der 'Thätigkeit der Berliner geogr. Gesellschaft 1856 57. 5

Eine interessante Erweiterung der Kenntnisse der geographischen Leistungen aus der Zeit der grofsen Entdeckungen des Mittelalters giebt die von Herrn Dr. Kohl im britischen Museum aufgefundene Weltkarte mit der Jahreszahl 1489. Sie wurde von Herrn Ritter in einer getreuen Copie vorgelegt und ist in der Zeitschrift herausgegeben. Derselbe berichtete über die Bonin-Inseln nach Commodore Perry’s Untersuchungen.

In das Gebiet der physikalischen Geographie gehört desselben Mit- theilung der Arbeit des Akademikers Brand über die Verbreitung des Tigers und das Vorzeigen eines polirten Blocks der Ceder des Atlas durch Herrn Lichtenstein, woran Herr Braun eine allgemeine Darstel- lung der Verbreitung der verschiedenen Cederarten knüpfte, während der Vorsitzende die Vertheilung der Temperatur und der Regen auf der Oberfläche der Erde zum Gegenstand einzelner Mittheilungen machte, welche unsere Zeitschrift enthält. Derselbe besprach aufserdem Wil- kes’s Windtheorie, Denzler’s Bestimmung der veränderlichen Schnee- grenze und der mitleren Temperatur in der nördlichen Schweiz, und die durch Beobachtungen an der Meklenburgischen Küste festgestellte wenn auch geringe Ebbe und Fluth der Ostsee, so wie den Einflufs der Wärme dieses Meeres auf die Temperatur seiner südlichen Küsten in einem kurzen Bericht über das Klima des preussischen Staates. Für die Geo- graphie des letztern sind specieller zu erwähnen die Darstellung des Mi- neralreichthums desselben nach amtlichen Ergebnissen durch Herrn v. Carnall, die Vertheilung der Dichtigkeit der Bewohner in den Stadttheilen Berlins und eine Karte des Herrn Mahlmann über die Anzahl der Cholerafälle innerhalb der Stadt, abgeleitet aus den Er- mittelungen sämmtlicher einzelnen Epidemien, aus denen der Ein- Alufs der Wassernähe entschieden hervorgeht, welcher auch in den neuer- dings für München publieirten ausführlichen Untersuchungen von Pet- tenkofer besonders auf das Verhalten des Grundwassers zurückge- führt wird, welches Werk nebst den hinzugefügten Karten vorgelegt und besprochen wurde.

Vön geographischen Hilfsmitteln wurde vorgezeigt ein Planetarium des Herrn Richter, in ‘welchem die Bahnen ‘der Planeten dargestellt sind, ein geodätisches bei den Vermessungen in Frankreich angewende- tes Universal-Instrument durch General Baeyer, die amerikanische Sondirungsvorrichtung durch den Vorsitzenden, während Dr. Bruhns über die durch telegraphische Hilfsmittel bestimmte Längendifferenz von Berlin und Königsberg berichtete und zugleich die magnetischen Con- . stanten für Berlin nach den Beobachtungen der Sternwarte mittheilte.

Die Literatur ist’ für den verflossenen Jahrgang wie früher durch Herrn Dr. Koner vollständig gesammelt worden und in umfassenden

6 » H. Rink.

Artikeln am Ende des siebenten und achten Bandes der Zeitschrift niedergelegt. Derselbe hat mit Erfolg für die Vervollständigung un- serer Bibliothek gesorgt.

Bei dieser Gelegenheit glaube ich darauf hinweisen zu können, dafs durch die Munificenz Sr. Majestät des Königs durch Ankauf der grofsen Kartensammlung des General Scharnhornst ein besonderes Institut begründet ist, welches der Wissenschaft gewils wesentlich zu Gute kommen wird.

Durch den Tod verlor die Gesellschaft im verflossenen Jahre fol- gende Mitglieder: v. Klöden, Weils, Slevogt, Gumprecht, Fric- cius, Fiedler, Borkenhagen, Stricker, v. Bernuth, Schmidt, so dafs nach fast 30jährigem Bestehen nur noch wenige unter uns, welche die erste unscheinbare Entwickelung eines Vereins gesehen, der jetzt fast 300 Mitglieder zählt, die auswärtigen und correspondi- renden ungerechnet. Möge mit der wachsenden Zahl seiner Mitglieder seine Thätigkeit auch immer erfolgreicher werden!

I, Ueber die physische Beschaffenheit Südgrönlands.

Nach H. Rink '). Von Anton v. Etzel. (Hierzu eine Karte, Taf. I.)

Die Grenze Südgrönlands pflegt man unter den 67. Grad der nördlichen Breite an den nördlichen Strom-Fjord oder Neksotouk- Fjord zu setzen. Von dort aus zieht sich die Westküste anfangs nach Süden, dann allmählich südöstlich zur Südspitze des Landes, dem Cap Farwell 59° 48’ N. Br. Im Osten desselben leben nur wenige heid- nische Eingeborene, die keinen regelmäfsigen Verkehr mit den däni- schen Etablissements unterhalten. Jene Küstenstrecke beläuft sich längs der äufseren Inseln auf ungefähr 140 Meilen. Unentschieden bleibt hierbei die Frage, wie weit Südgrönland von der Küste aus landeinwärts reicht, wie weit dasselbe nach Osten hin, wenn auch nicht bewohnt, doch bekannt und untersucht ist. Denn hierüber fin- det man selbst bei Personen, die sich lange Zeit in Grönland aufge-

') Nach dem eben erschienenen zweiten Bande seines Werkes: Grenland geo- graphisk og statistisk beskrewet. Kjebenhaun 1857. 8.

Ueber die physische Beschaffenheit Südgrönlands. 2

halten haben, nur ziemlich unklare Vorstellungen. Die alten Skandi- navier, die ihre Wohnsitze soweit landeinwärts ausgedehnt hatten, als es irgend möglich war, die mehrere Jahrhunderte hindurch dort an- sälsig und gewils nicht weniger keck und reisefertig zu Lande als zur See waren, haben sich unstreitig durch Entdeckungsreisen genauere Kenntnisse darüber erworben, als wir in unseren Zeiten. Es ist kaum möglich, die Beschaffenheit des innern Grönlands, wie es sich noch in unseren Tagen zeigt, klarer und kürzer zu schildern, als es in den alten Nachrichten des sogenannten „Königsspiegel* geschieht, der ver- muthlich in den Tagen des gröfsten Wohlstandes der Colonie geschrie- ben wurde. Es heifst in demselben: „Es ist nur ein geringer Theil des Landes, der frei vom Eife bleibt, alles Uebrige ist mit demselben bedeckt und die Leute wissen nicht, ob das Land grofs oder klein ist, weil alle Gebirgszüge und ebenso alle Thäler dermafsen unter dem Eise versteckt sind, dafs man nirgends eine offene Stelle findet. In der Wirklichkeit giebt es aber doch gewifs solche Oeffnungen, entwe- der in den Thälern, die zwischen den Fjelden liegen, oder den Strand entlang, durch welche die Thiere kommen können; denn von anderen Ländern können die Thiere nicht hierher herüberstreifen, noch weni- ger finden sie Oeffnungen in dem Eise und dem Lande gerade vor ihnen. Die Leute haben es oft versucht oben im Lande auf die höch- sten Fjelde zu steigen, um sich umzusehen und zu prüfen, ob sie nicht irgend einen Theil des Landes fänden, der vom Eise frei und bewohn- bar sei, aber nirgends hat man dergleichen entdecken können, aufser den schon jetzt bewohnten Gegenden, die sich in nur geringer Breite längs der Küste ausdehnen.“

Diese Beschreibung scheint zunächst dem Ostbau, als dem wich- tigsten und angebautesten Theile des Landes gegolten zu haben. Da nun durch genaue Untersuchungen das Resultat gewonnen ist, dafs der Ostbau der District von Julianehaab gewesen ist, dürfte es vielleicht auffallend sein, dafs diese südlichste und von der Natur be- günstigtste Gegend in dem Grade mit Eis bedeckt gewesen sein soll, dafs nur geringe Strecken längs der Küste davon frei geblieben, und dafs man von dort aus keinen Eingang in das Innere hätte entdecken können, weil die allgemeine Eisrinde dort von so ungeheurer Stärke gewesen, dafs sie aus Bergen und Thälern eine einförmige Ebene bildete und dafs ihre Beschaffenheit es aufserdem den Thieren unmöglich gemacht, über sie hin zu ziehen. Dies wird um so auffallender, wenn man hin- zufügt, dafs das Eis in den Polarländern stets im Zunehmen begriffen ist, und wenn man aus diesem Grunde schliefst, dafs das Klima sich seit der Zeit der alten Skandinavier verschlechtert haben müsse; nichts- destoweniger soll das Landeis schon zu jener längstvergangenen Zeit

8 H. Rink.

eine ebenso grofse Ausbreitung gehabt haben. Die Sache verhält sich indessen wirklich so; jene Beschreibung ist durchweg richtig, und jeder Reisende kann sich davon noch heutigen Tages mit gröfster Leichtig- keit überzeugen. Zur Zeit der alten Nordbewohner scheinen die Na- turverhältnisse dieselben gewesen zu sein, wie wir sie noch heute fin- den. Die Veränderungen, die mit dem Eise vorgegangen, sind jeden- falls so langsam erfolgt, dafs fünf Jahrhunderte keine sonderliche Aen- derung bewirkt haben, und es ist eben so wenig Grund zu der An- nahme vorhanden, dafs sich das Klima verschlechtert haben sollte. Um es deutlicher zu machen, was dieses Eis, durch welches das Ober- land unzugänglich gemacht wird, zu ‚bedeuten hat, wollen wir densel- ben südlichsten Distriet, oder den „Ostbau“* des alten Grönlands et- was genauer betrachten. -

Diese Küste nimmt eirca 35 Meilen oder ein Viertel des ganzen Südgrönland ein, während es etwa 3 der Bevölkerung umfafst. Der am weitesten in die See hervorragende Theil des Landes ist sehr hoch und bildet Inseln oder Vorgebirge von 4 bis 5000 Fufs Höhe. Von einem gewissen Punkte des Meeres aus, etwa 12 Meilen vom Lande entfernt, kann man den ganzen Distriet von der Gegend.um das Cap Farwell bis zur Insel'Nunarsoit übersehen, doch nur so, dafs das nie- dere Land sich unter den Horizont verliert und die höheren Berge dadurch das Aussehen von Inseln erlangen. Aus demselben Grunde zeigt sich das Land auch aus dieser Entfernung stark mit Eis und Schnee bedeckt, weil man nämlich das Unterland nicht sehen kann. Die stei- len dunklen Abhänge, welche sich gegen das Meer wenden, sind mehr oder minder mit Schnee bedeckt, das flache Hochland darüber ist gewöhnlich ganz weils, nur einzelne spitze scharfe Kegel, welche sich über die Umgegend emporheben, haben ihrer Steilheit wegen nur sporadische Schneeflecke, während alle Klüfte oder Vertiefungen durch Jökul (Gletscher) oder feste Eismassen ausgefüllt sind. Aber diese Eis- oder Schneemassen, ‚welche in solcher Weise die hohen Berge bedecken, sind etwas ganz anderes, als die Masse, welche nach dem oben Angeführten über dem Innern des Landes liegt. Nähert man sich mehr der Küste, so tritt das Unterland hervor, viele Inseln mit dazwischen liegenden Buchten und Sunden werden. allmählich sichtbar, und dieses Unterland ist, wenn auch ziemlich nackt und kahl an den Aufsenküsten, doch im Hochsommer so gut wie schneefrei. Kommt man endlich der Küste auf #4 oder 4 Meile nahe, so wird man hier und dort in den kleineren Vertiefungen mancherlei Grün gewahr, und die ebeneren Striche haben überall von der sie bedeckenden Vege- tation eine bräunliche Färbung. Verfolgt man das Fahrwasser zwi- schen den Inseln hindurch noch weiter, und dringt darauf in die tief-

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sten Fjorde ein, so nimmt das Grün auf dem Lande in überraschen- dem Grade zu, ganz in dem Maalse, in dem man sich von dem offe- nen Meere entfernt; und dieses ist namentlich ungefähr zwei Meilen innerhalb der Mündung des Fjords der Fall. Hier sieht man auch lachende grüne Klüfte oder Thäler, von denen aus sich der Pflanzen- wuchs als eine gleichmäfsige Bedeckung noch über tausend Fufs Höhe fortsetzt, worauf er allmählich abnimmt und endlich an den steilen und unfruchtbaren, mit Schnee und mit Gletschereis bedeckten Berggipfeln aufhört. Man glaubt im ersten Augenblick, dafs dieses Grün von Gras oder ähnlichen niedrigen Kräutern herrühre, dies ist aber ein Irrthum, der durch die Entfernung und den trügerischen Maafsstab verursacht wird, welchen die Gröfse der Fjelde und der losen Steinblöcke dar- bietet. ‚Es rührt diese grüne Färbung von nichts Geringerem als den Wäldern Grönlands her, die man hier in der Form namentlich von Weiden-, aber auch von Birken-Büschen vor sich hat. Die Klüfte und Abhänge der Fjelde sind gewöhnlich mit losen Steinblöcken be- deckt, die aber von einer so bedeutenden Gröfse sind, dafs Büsche von mehr als zwei Ellen Höhe dazu gehören, um sie mit ihren Zweigen so zu verdecken, dafs der ganze Landstrich ein ununterbrochenes grü- nes Colorit erhalten kann. Man wird daher etwas überrascht, wenn man solche grüne Abhänge, die aus der Ferne ganz eben aussahen, besteigt und sie in der Wirklichkeit fast unwegsam finde. An dem innersten Ende der Fjorde finden sich gewöhnlich die meisten solcher Thalstriche, und es .scheint fast, als ob die Bergmassen gegen das Meer hin am höchsten und steilsten sind und sich von den Mündungen der Fjorde aus landeinwärts senken. Und hier im Hintergrunde der Fjorde war es, wo das eigentliche Oberland oder grofse Festland beginnen sollte; das, was ihm nach aufsen vorgelagert ist, wird mehr oder we- niger vom Meere umgeben und bildet entweder Inseln oder Halbin- seln, über welche man durch Thäler hier und dort von dem einen Fjord zum anderen gehen kann. Am innersten Recefs der Fjorde, am Strande des abhängigen Festlandes finden sich auch die flachsten, freund- lichsten und an Pflanzenwuchs reichsten Strecken, aber man stöfst nun auf ein ganz anderes Hindernifs, welches plötzlich das übrige Land unzugänglich macht und alle weitere Untersuchung desselben hemmt. Hier, um die altgrönländischen Stätten Garde und Brattelid herum, war es, wo die Leute, wie es im Königsspiegel am angeführten Orte heist, versucht haben, die hohen Fjelde zu besteigen, um zu sehen, ob keine Oeffnung in dem Eise zu entdecken wäre, welches das ganze innere Festland bedeckt. Aber vergeblich, sie konnten nichts der Art entdecken. Dort sahen sich also die alten Nordländer aufgehalten; nur an der Küste hatten sie ihre Bauten, nur auf den Gebirgsstrichen,

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die zwischen den Fjorden lagen, weideten ihre Heerden, und nur dort hatten sie Verbindungen und Ueberlandwege von der einen Küste zur anderen. Tiefer in das Land einzudringen, als die Fjorde reichten, war ihnen nirgends geglückt, daher konnten sie auch nicht wissen, wie grols das Land war.

Alles, was schon bei der Schilderung Nordgrönlands von der Ausbreitung des Eises über das Land gesagt ist, gilt im Einzelnen und Ganzen auch für das südliche Grönland, wo jedoch die Breite des Aufsenlandes oder des eisfreien Küstensaumes auffallend gering ist. Die sogenannten Eisfjorde zeichneten sich, wie man sich erinnern wird, dadurch aus, dafs man im Hintergrunde derselben auf eine Eismasse stiels, die in einem Thale vom Lande herab kam, und einem grofsen in mehr oder minder jähem Laufe plötzlich gefrorenen und erstarrten Flusse .nicht unähnlich war; ferner, dafs man, von irgend einer Berg- höhe an einem solchen Orte, das ganze Land, aus welchem dieser Flufs her kam, nach innen zu gleichsam mit Eis überschwemmt sah, und zwar bis zu einer solchen Höhe, dafs nur ganz einzelne Berg- gipfel aus der flachen Eisebene hervorragten. Dasselbe ist auch in dem Distriete von Julianehaab der Fall. Selbst der Fjord Tunnud- liorbik, von dem wir annehmen, das er der einst so berühmte Eriks- Fjord gewesen, ist gewissermalsen ein solcher Eisfjord, indem der eine Arm desselben bis zu dem erwähnten festen Landeis hinaufreicht, wel- ches von dort ab weiter nach innen hin das ganze Innere des Landes bedeckt und verbirgt. In diesen Fjordarm soll, wie man sagt, auch das Landeis einen Theil Eisbrocken oder kleine Eisfjelde hinauswer- fen, weshalb er auch nur bis zu einem gewissen Punkte für die Weiberboote zugänglich ist. Diese Stelle ist vermuthlich auch in’s Auge zu fassen, wenn man in der „Pflegebeuder-Sage* liest, dafs Gamle und Grima „abseits, im Innern des Erik-Fjords ganz oben un- ter den Eisbergen wohnten.“ Geht man von dort hinüber zu dem daran stofsenden Igalliko-Fjord, so stöfst man allerdings nicht auf Landeis; man kann nämlich in seinen beiden innersten Armen längs des Uferrandes rundherumrudern, ohne irgendwo zu finden, dafs Eis das Land bedeckt, oder vom Innern herab bis an das Meer reicht. Dieser Fjord schneidet nämlich nicht ganz so tief in das Land, wie Tunnudliorbik. An seinem innersten Arme liegt Kaksiarsuk oder das alte Garde; nicht weit von diesem ergielst sich ein grofser Strom in den Fjord, der aus dem Innern des Landes kommt und ein auffallend lehmiges und unklares Wasser hat, welches auch die Farbe des Fjordes noch auf eine bedeutende Strecke verändert. Aber sobald man die nächsten Hügel um Garde besteigt, kann man sich davon überzeugen, dafs das grolse Festlands-Eis ganz nahe ist, dafs sich dessen äufserer Rand nicht

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weit davon in ein Thal senkt und dort wahrscheinlicherweise jenen grofsen Flufs mit Wasser versieht, denn die dunkle Färbung desselben stimmt ganz mit der Beschaffenheit der Ströme überein, die von Jö- kuln oder Gletschern herabkommen. Diese Stelle scheint auch vor- zugsweise zu den Untersuchungen über die Bewohnbarkeit des innern Landes, die der Königsspiegel erwähnt, benutzt zu sein. Betrachtet man in gleicher Weise die anderen Fjorde im Distriet von Julianehaab, so wird man finden, dafs man von dem südlichsten bis zu dem nörd- liehsten, an 12 bis 16 verschiedenen Stellen zur See bis an den Rand des Landeises gelangen kann, das an einigen dieser Stellen sogar weit- hinaus in die Fjorde reicht, und jährlich Bruchstücke in das Meer hin- aussendet, an einer Stelle sogar kleine Eisfjelde und eine grofse Menge kleineres Kalbeis, wennschon diese Massen im Vergleich mit denjeni- gen, welche aus den grolsen Eisfjelden in Nordgrönland herauskom- men, als unbeträchtlich erscheinen. Endlich kann man von manchen Punkten, auch von den Bergen auf den Inseln, die hohe in der Ent- fernung anscheinend ganz ebene Eisfläche erblicken, welche sich im Hintergrunde um alle Fjorde zieht, und man wird sich leicht davon überzeugen, dals sie ein zusammenhängendes Ganze bildet und dafs schon in geringer Entfernung von den Fjorden eisfreies Land nicht existirt, mit Ausnahme der einzelnen Berggipfel, die aus demselben wie aus einem überschwemmten Lande hervorragen.

Man kann sich nun leicht einen Begriff davon machen, wie breit der Küstenstrich ist. Wir wollen denselben mit dem Worte „Aulsen- land“ bezeichnen. Dieses bildet den einzigen zugänglichen Theil Grön- lands und da es gröfstentheils von Fjorden durchschnitten ist, kann man sich auch leicht über seine Beschaffenheit unterrichten. Die in- neren Theile sind allerdings nur durch die Berichte der Eingeborenen bekannt, die der Renthierjagd wegen sie besucht haben, und aus den spärlichen Angaben europäischer Reisender, aber man kann doch, einige gröfsere oder kleinere Lücken abgerechnet, das Landeis auf der ganzen Strecke bis Nordgrönland verfolgen. Es scheint eine ziemlich gebogene Linie zu bilden, geht jedoch an einer Stelle ganz in das offene Meer hinaus, so dafs sich weder Küstenland noch Aufseninseln davor befinden, und an anderen Stellen reicht es ebenfalls bis zu dem offenen Meere und hat nur wenige kleine Inseln vor sich liegen; wie- der an anderen zieht es sich etwas zurück und berührt nur die inner- sten Fjordarme, und an einigen Punkten weicht es auch vor den am Weitesten einschneidenden Fjordarmen zurück; doch kann man aus einzelnen Reiseberichten schliefsen, dafs man auch hier weiter land- einwärts endlich auf Landeis stöfst und sich durch dasselbe von wei- terem Vordringen zurückgehalten sieht. Im Ganzen scheint es jedoch

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als ob das Aufsenland im südlichsten Theile am schmalsten sei; hier ist das geringste Areal vom Eise frei, ja man könnte auch wohl sa- gen, dals der genannte Küstenstrich in dieser Hinsicht von der Natur weniger begünstigt ist, als die nördlichste Gegend zwischen Upernivik und Omenak. Weiter im Norden zieht sich das Landeis mit einigen Unterbrechungen mehr in das Land zurück, auf der Grenze von Nord- grönland finden sich die tiefsten ‚Fjorde und innerhalb derselben das grölste eisfreie Oberland. Dort, oder in Mittelgrönland halten sich auch die Renthiere in grölster Menge auf, so dafs im’ Vergleich mit der grofsen Anzahl von Thieren, die dort alljährlich geschossen wer- den, die Jagd in den südlichen Distrieten als ganz unbedeutend er- scheint.

Die bisherigen Karten Südgrönlands ') sind noch zu unvollstän- dig, um darnach das Gesammtareal des Aufsenlandes ebenso zu berech- nen, wie es für Nordgrönland geschehen ist. Selbst die vielen grofsen und kleinen Fjorde dieser Küstenstrecke sind noch zu wenig bekannt, und noch weniger die Grenze des festen Landeises. Der Distriet von Julianehaab ist am Genauesten untersucht; und dort beträgt in dem südlichsten Theile, zunächst dem Cap Farwell, die Entfernung von den äufseren Inseln bis zu dem mit Eis bedeckten Inneren 8 bis 10 Mei- len, während in dem nördlichen Theile das Aufsenland nur 4 bis 5 Mei- len breit ist. Darauf verschwindet das Letztere beinahe gänzlich; denn auf der Grenze des Distriets von -Fredrikshaab, bei. Kepisakko, zwi- schen den Inseln Nunnarsoit und Sennerut breitet sich das Eis über das ganze Land bis zu dem Meere hin aus. --Diese Gegend trägt ein sehr wildes und ödes Gepräge, wie auch die’ Inseln, welche vor dem unter Eis begrabenen Lande liegen, sehr hoch, steil und unfruchtbar sind und gröfstentheils auch den Sommer hindurch überall mit Schnee bedeckt bleiben. Nicht ohne Grund nimmt man an, dafs das von Da- vis benannte Cap Desolation hier liege. Auch auf den nächsten 30 Mei- len kann das Küstenland nicht sehr breit sein, vielleicht nur 6 bis 8 Mei- len; denn die Fjorde schneiden nicht tief ein, und mehrere von ihnen reichen dennoch bis an das feste Eis hinauf; auch finden sich hier zwei nicht. unbedeutende Eisfjorde, von denen der eine im Sommer eine Masse Eisfjelde ausschickt, die so dicht aneinander gepackt vor der Mündung desselben liegen, dafs man noch über zwei Meilen weit in die See hinausstechen mufs, um diese gefährliche Stelle mit einem Boote passiren zu können. An der Grenze des Distrietes Fiskernässet (die

!) Die Distriete Südgrönlands sind aufser dem südlichsten, dem von Juliane- haab, von $S. nach N. Fredrikshaab, Fiskernaesset, Godthaab, Sukkertoppen und Holsteensborg. Die Hauptorte derselben liegen beziehungsweise ungefähr unter 62°, 63° 5‘, 64° 10‘, 650.28’ und 66 °55' N. Br.

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Fischernase) unter 62° 30’ N. Br. tritt das Landeis wieder ganz an das Meer heran, und wird von demselben nur durch einen sumpfigen, flachen Strich getrennt, der gröfstentheils bei Hochwasser überschwemmt und ohne Zweifel aus den Lehmtheilen abgesetzt ist, welche die Flüsse aus dem Eise mit sich bringen. Hier liegen denn auch so gut wie gar keine Inseln vor demselben und es kann dieser Punkt von der See aus deutlich in grofser Entfernung gesehen werden, weshalb er auch als eine gute Marke gilt und unter dem Namen des „Eisblink von Fredrikshaab“* bekannt ist. In den ‚beiden folgenden Distrieten Fiskernässet und Godthaab, scheint das Aufsenland eine sehr ver- schiedene Breite zu haben, indem das Landeis auf einer Stelle bis ganz an die Aufsenküste hinausreicht, und sich wieder an anderen, ganz nahe gelegenen, bis hinter die tiefsten Fjorde zurückzieht. Hier findet sich auch ein Eisfjord, welcher ganz kleine Eisfjelde in das Meer hinaus- schickt. Die beiden nördlichsten Distriete Sukkertoppen (Zuckerhut) und Holsteensborg haben, soviel darüber mit Sicherheit bekannt ist, nicht eine einzige Stelle, wo das grofse Landeis Bruchstücke oder Eis- fjelde in das Meer sendet, und man findet auch wohl kaum einen ein- zigen solchen Punkt von Bedeutung, bevor man die Disko-Bucht mit dem grofsen Jakobshavn’er Eisfjord erreicht. Demungeachtet liegen ohne Zweifel in diesem mittelsten Theile von Grönland gerade die am Tiefsten einschneidenden Fjorde, namentlich der nördliche und süd- liche Stromfjord und der nördliche Isertokfjord. Diese Fjorde scheinen der Beschreibung zufolge über 20 Meilen weit in das Land einzu- dringen und sich dort in viele Arme zu verzweigen.. Obschon ihre Mündungen vielleicht über 20 Meilen von einander entfernt liegen, tre- ten die innersten Arme sich doch ziemlich nahe, so dafs zwischen den- selben nur schmale Landzungen liegen, auf denen sich die Grönländer von. Norden und Süden her begegnen, wenn sie Renthiere jagen. Sie benutzen auf diesen Reisen auch die Binnenseen und Ströme für ihre Weiberboote, die sie ab und zu über Land tragen. Hier liegt auch der einzige Theil Südgrönlands mit bedeutenderen eisfreien ‚Landstri- chen, in welchem Reisen von einiger Ausdehnung landeinwärts unter- nommen werden können. Es ist daher von grofsem Interesse, dafs gerade in dieser Gegend ein europäischer Reisender mit Hilfe grön- ländischer Hundeschlitten versucht hat, in östlicher Richtung landein- wärts vorzudringen, um zu sehen, wie weit das feste Landeis ent- fernt und von welcher Beschaffenheit dasselbe ist. Die Reise wurde im Jahre 1830 von dem damaligen Walfischfangsassistenten C. V. Kiel- sen von Holsteensborg unternommen. Diese Colonie liegt mitten un- ter jenen grolsen Fjorden, zwischen denen, wie erwähnt wurde, die Grönländer von Süden und Norden auf ihren Sommerreisen zusam-

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mentreffen. Ueber diese Landzungen mulste auch Kielsen vordrin- gen. Er reiste am 1. März mit drei Schlitten ab, da sowohl die Fjorde, wie die Landseen und Flüsse mit festem Eise bedeckt waren, und hatte sich nur für die ersten paar Tage mit Hundefutter versehen, da er ziemlich sicher darauf rechnen konnte unterwegs Renthiere zu schielsen. Am 3. März verliefs er den letzten von den Grönländern bewohnten Platz und fuhr von dort aus in das Land hinein. Nachdem er in einer Felsenkluft übernachtet hatte, setzte er am folgenden Tage die Reise fort. Das Land wurde hier im Ganzen niedriger und ebener, und der Weg ging meistentheils über Landseen und Ströme. Ebenso wurde es mehr und mehr schneefrei, wodurch die Fahrt sehr erschwert wurde. Er erlegte an diesem Tage ein Renthier, mit dem die Hunde gefüttert wurden. Am Abende übernachtete er auf einem ziemlich schneefreien Fleck, der mit Gestrüpp der Bandweide bewachsen war, das ihm reichliches Brennmaterial lieferte. Den 5. März wendete er zur Jagd auf Rentbiere an; er war so glücklich zwei zu erlegen, die ihm eine reiche Mahlzeit für sich selbst und die Hunde lieferten. An derselben Stelle war schon von einem hohen Punkte aus ein Theil des Binnenlandeises zu übersehen. Am 6. März brach er früh am Morgen auf und gelangte am Vormittag zu einem grolsen ganz ebenen Land- strich; hier senkte sich das Land nach innen zu, und die Reisenden sahen nun die unermelsliche Eismasse sich zu ihren Fülsen ausbreiten. Sie fuhren schnell hinab über kleine Hügel, Landseen und Ströme, und kamen endlich über einen ziemlich grolsen Landsee hinweg an den Rand der festen Eismasse, welche das Ziel der Reise war. Hier ver- suchte Kielsen auch das feste Eis zu besteigen, das wie gewöhnlich tiefe aber doch schmale Rinnen hatte und dessen Oberfläche auch kei- neswegs so eben war, wie sie bei dem ersten Anblick aus der Ferne erschienen war, sondern viel eher der Oberfläche eines von stärkern oder geringern Wellen bewegten Meeres zu vergleichen war. Die Rück- reise war zuletzt sehr beschwerlich, da das Fjordeis inzwischen auf- gebrochen war und die Schlitten einen Umweg über Land nehmen mufsten; am 9. März erreichte er die Colonie wieder. Obgleich die Richtung und die Umwege dieser Reise nicht näher angegeben wer- den, darf man doch wohl annehmen, dafs Kielsen von Holsteensborg 20 Meilen in gerader Linie in das Land gedrungen ist. Es ist aber auch sehr leicht möglich, dafs die anderen grofsen Fjorde im Norden und Süden beinahe ebensoweit in das Land hineinreichen und dafs der gröfseste Theil des Landstriches, über den die Reise ging, eine Halb- insel oder Landzunge zwischen den Fjorden gewesen ist, so dafs man auch hier eigentlich schon in geringer Entfernung von den Fjorden bald auf die angesammelte Eismasse stölst, die das ganze Festland bedeckt.

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Wir sehen also, dafs das Aufsenland einen von Fjorden durchschnit- tenen Landstreifen mit vorliegenden Inseln bildet, dafs es höchstens etwa 30 Meilen breit ist, auf anderen Stellen aber fast vollständig ver- verschwindet; mit andern Worten, dafs es aus lauter Halbinseln und Inseln besteht. Für den Distriet von Julianehaab erhält man, auf einen Küstenstrich von 35 Meilen, wenn man den ungefähren Umfang aller vorhandenen Halbinseln und Inseln zusammen rechnet, ein Areal von etwas über 100 Quadratmeilen. Eine ähnliche Berechnung der übrigen, von einem Labyrinth von Fjorden und Sunden durchschnittenen Küste vorzunehmen, macht die Unvollständigkeit unserer Karten unmöglich. Doch kann man mit Grund bezweifeln, dafs das Gesammt- Areal sich auf mehr als 1000 Quadrat-Meilen beläuft. Die Küste trägt überall das Gepräge eines steilen, unfruchtbaren und öden Klippenlandes, und zwar um so ‚entschiedener, als es vom Meere aus am höchsten er- scheint, und sich erst nach dem Innern der Fjorde und dem dahinter liegenden Festlande zu senkt. Was die äulsere Physionomie der Küste betrifft, so ist auch nicht der geringste Unterschied zwischen der süd- licehsten Gegend und Nordgrönland zu finden. Da im Gegentheil der Regel nach weiter im Süden auch mehr Schnee fällt, und da der Som- mer, der denselben verzehren soll, gerade die Jahreszeit ist, auf welche die nördlichere oder südlichere Lage den geringsten Unterschied aus- übt, sieht man sehr häufig im Monat Juni weit mehr Schnee hier auf dem Lande, als zu derselben Zeit in Upernivik und Omenak. Im Uebrigen ist die Höhe der Berge sehr verschieden; die bedeutendsten liegen zwischen Cap Farwell und der Colonie Julianehaab, in dem südlichen Theile des Distrietes von Fredrikshaab um Godthaab her- um, und endlich im Norden ganz nahe von Sukkertoppen. Auf allen diesen Strichen trifft man Fjelde von 4 bis 5000 Fuls, jedoch kaum über 6000 Fufs Höhe an; aber die wenigen bis jetzt vorgenommenen Messungen erlauben noch nicht, diese Höhenangaben für ganz sicher zu halten. Auch hier zeigen sich also ähnliche Verhältnisse wie in Nordgrönland, und man kann daher wohl die Behauptung aufstellen, dafs die gröfsten Höhen sich den höchsten Punkten auf Island nähern, ohne sie jedoch ganz zu erreichen, und dafs sie noch nicht 4 der be- deutendsten Fjelde auf der skandinavischen Halbinsel an Höhe gleich kommen. Daneben ist das Land im höchsten Grade uneben; längs des Uferrandes sind flache Striche so selten, dafs es immer auffallend ist, eine Ebene oder einen flachen Thalstrich von nur einem oder eini- gen hundert Tonnen Land zu sehen; und selbst noch kleinere Flecke von solcher Beschaffenheit tragen in grönländischer Sprache häufig den ‚Namen „Narsak,* die Ebene, oder „Narsarsoak,*“ die grofse Ebene. Weiter im Innern des Landes trifft man in den Vertiefungen zwischen

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den Bergen gröfstentheils Landseen statt flacher Thalstriche: Selbst die Fjelde sind wieder in einer gewissen Höhe entweder mit Schnee bedeckt, der nur ab und zu ganz verschwindet und alljährlich minde- stens den grölsten Theil des Sommers liegen bleibt, oder es finden sich beständige Eis- und Schneemassen auf ihnen, die nie ganz ver- schwinden. Wo sich nämlich der‘ Schnee in solcher Menge anhäuft, dafs er in Folge der rauheren und kälteren Luft der höheren Regio- nen im Laufe des Sommers nicht aufthauen kann, und wo er folglich im Laufe der Jahre allmählich vermehrt wird, verwandelt sich der alte Schnee nach und nach in festes körniges Eis. Dies ist meistentheils auf den weniger steilen Oberflächen oder in Klüften und trichterför- migen Vertiefungen des hohen Landes der Fall. Ganz in dem Maalse wie der alte Schnee durch abwechselndes Thauen und Frieren in Eis verwandelt wird, gleitet er zugleich auch langsam durch die Klüfte nieder, bis er endlich einer milderen Luft und einer ungehinderteren Einwirkung des Thauwetters ausgesetzt wird. Dabei wird er dann von unten her in demselben Verhältnifs aufgezehrt, wie er von oben her neuen Zuwachs erlangt. Diese Eis- und Schneemasse ist ganz dieselbe, die man auf Island mit dem Namen „Jökul* belegt und darf nicht mit dem schon erwähnten Innenlandeise verwechselt werden, obgleich es an und für sich dieselbe Beschaffenheit hat; denn die Jökuln hal- ten sich gröfstentheils nur auf den hohen Fjeldgipfeln und reichen sel- ten bis in’s Thal oder gar bis zum Uferrand herunter, während das innere Festland gerade ganz mit Eis überschwemmt ist, und auch, wie es im Königsspiegel heilst „alle 'Thäler damit bedeckt sind.* In Betreff Nordgrönlands glaubt der Verfasser zu dem Resultate gelangt zu sein, dafs der Schnee erst in einer Höhe von ungefähr 2000 Fufs liegen bleiben und allmählich in beständiges Eis verwandelt werden kann. In Südgrönland sind in dieser Beziehung keine bestimmten Beobach- tungen angestellt. Das Verhältnifs ist, nach dem Augenschein zu ur- theilen, im Ganzen dasselbe; nur dürfte man vielleicht behaupten, dafs dort die Grenze zwischen dem ewigen Schnee und demjenigen, der sich nur gewisse Sommer hindurch erhält, weniger scharf sei. Dies rührt ohne Zweifel von der gröfseren Menge Schnee, die überhaupt hier fällt, und ferner von dem Unterschiede her, der in Bezug auf Kälte und Schneefall zwischen den einzelnen Wintern herrschen kann.

Wenn wir nun sehen, dafs. das Aufsenland an und für sich nur ein geringes Areal im Verhältnis zur Länge seiner Küste hat, und dafs wieder der gröfste Theil dieses Areals aus hohen und steilen mit Schnee und Eis bedeekten Fjelden besteht, ‘dürfen wir uns nicht dar- über wundern, dafs die alten Nordländer , die Grönland bewohnten, und die zum gröfsten Theil von der Viehzucht lebten, auch nur in hier

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und dort zerstreuten Ausbauten wohnten, die sie stets da anlegten, wo sie flache Stellen, besonders innerhalb der Fjorde fanden; die jetzigen Bewohner, die sich von der Jagd ernähren, mögen allerdings noch zer- streuter wohnen. Wir werden uns deshalb gewils von der Wahrheit nicht sehr entfernen, wenn wir annehmen, dafs jene 120 Quadrat- Mei- len, welche das Areal des alten Ostbau’s (das Aufsenland von Juliane- haab) bilden, nur ein Paar Quadrat-Meilen Flachland und ebenfalls nur ein Paar Quadrat-Meilen niederes Bergland, auf dem man noch zur Viehzucht tauglichen Graswuchs finden kann, in sich schliefsen.

Von Landseen und Strömen darf man in einem Lande, das durch Fjorde und Sunde so durchschnitten und in kleine Theile zerlegt ist, auch nicht viel erwarten. Allerdings giebt es zahlreiche Landseen, aber gewöhnlich sind sie von sehr geringer Gröfse, und diejenigen, deren Länge 1 oder 2 Meilen erreicht, rechnet man schon zu den sehr grolsen. Die bedeutendsten dürften indessen in dem obenerwähnten Striche von Mittelgrönland zu suchen sein, wo sich die gröfsten zu- sammenhängenden Landstriche finden; sie sind jedenfalls dort bedeu- tender als diejenigen der besuchteren Gegenden, aber sie sind eben deswegen auch wenig bekannt. An Strömen fehlt es ebenfalls nicht, aber natürlich sind sie in einem Lande von solcher Beschaffenheit nur klein. Es ist hier nirgends Raum genug, dafs ein Strom eine Strecke von einigen Meilen zurücklegen und dadurch den Zuschufs vieler klei- neren Wasserläufe aufnehmen und zu so beträchtlicher Grölse anwach- sen könnte, die ihn den Namen Strom oder Flufs verdienen lielse. Auf den Halbinseln und Inseln ist das Meer natürlich überall nahe; das Wasser, das von dem aufthauenden Schnee und den Jökuln her- rührt, sucht an unzähligen Stellen, in Form von brausenden Gebirgs- bächen durch die Klüfte, oder als Wasserfälle über steile Klippenwände zum Meere zu gelangen. Wo sich Thalstriche mit Landseen finden, werden die Flüsse allerdings etwas gröfser; solche Stellen sind beliebte Aufenthaltsorte für die Lachsforellen, die zu gewissen Jahreszeiten aus den Binnenseen in das Meer hinaus- und zu andern wieder zurück- treten; aber die Flüsse selbst sind selten so tief und von so gleich- mälsigem Lauf, dafs man sie auch nur auf einer kurzen Strecke mit den flachen leichten grönländischen Weiberbooten befahren könnte. Im Allgemeinen brausen auch sie mehr oder weniger wie Wasserfälle über Felsblöcke dahin, oder stürzen sich über kleine Bergabhänge hin- ab, und können leicht überschritten werden, indem man von Stein zu Stein springt, wenn sie nicht durch länger anhaltenden Regen oder das erste Thauwetter des Frühlings angeschwollen sind. Die grölseren Ströme müssen selbstverständlich im Hintergrunde der Fjorde gesucht werden; denn man darf annehmen, dafs das Wasser, welches auf das

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mehrere Tausend Quadrat-Meilen grofse Innenland von Grönland fällt, sich zum gröfsten Theile in die Fjorde ergielsen muls; man sieht auch an mehreren Stellen Ströme mit trübem oder lehmhaltigem Wasser am Rande des grolsen Festlandeises entspringen, und kann mit Grund ver- muthen, dafs sich die gröfsten dieser Ströme durch tiefe Rinnen und Canäle unter dem Eise selbst ergiefsen, dort wo !dasselbe in das Meer hinaustritt und seine Bruchstücke abwirft. In diesem Falle bleiben natürlich die grölsten Ströme unsichtbar, die Grönländer wollen jedoch in solehen Eisfjorden beobachtet haben, dafs grofse Massen sülsen Wassers scheinbar vom Meeresgrunde wie Quellen oder Springbrunnen aufsprudeln.

Um eine Schilderung der klimatischen Verhältnisse zu geben, dürfte es wohl am zweckmälsigsten sein, die Wetterverhältnisse des südlich- sten Theils oder des Distrietes von Julianehaab zu beschreiben, da die folgenden Colonien im Verhältnifs zu ihrer Lage von Süd nach Nord hinsichtlich der Temperaturabnahme einen Uebergang zu dem Klima von Nordgrönland bilden. Die Verhältnisse beider Endpunkte, des mildesten und kältesten, vermögen daher eine Vorstellung von dem Klima des zwischen beiden liegenden Landstrichs zu geben. Es sollen in dieser Beziehung die einzelnen Monate der beiden Jahre vom Som- mer 1853 bis zum Sommer 1855 besprochen werden, da in ihnen die Witterung, der Thermometer- und Barometerstand bei Julianehaab täg- lich beobachtet wurden, und theilweise auch gleichzeitig an vier ande- ren Stellen desselben Distrietes und darunter auf dem allersüdlichsten Punkt des grönländischen Festlands genaue Observationen angestellt worden sind.

Der Sommer 1853 galt im Ganzen für warm und ziemlich be- ständig. Im August, in welchem man die Aufzeichnungen über die Wetterveränderungen begann, stieg das Thermometer einmal bis auf die gewils seltene Höhe von über 16 Grad Wärme im Schatten !); der niedrigste Stand war 4 Grad Wärme und die durchschnittliche Tem- peratur + 82°, was der Temperatur der ersten Hälfte des Mai in Ko- penhagen entspricht. Die Witterung war zugleich sehr regnerisch; denn es regnete im Durchschnitt einen Tag um den andern. Sowohl diese gewöhnliche Wärme wie auch die Regenmenge standen in Ver- bindung mit dem vorherrschenden sogenannten warmen Südostwind, der bei den Witterungsverhältnissen des ganzen Grönlands, vorzugs- weise aber in der Nähe von Julianehaab eine wichtige Rolle spielt. Er kommt eigentlich nicht aus Süd-Ost, sondern eher direet aus Ost- Nord-Ost, ist also ein Landwind und bläst in die meisten der Fjorde

!) Hier wie überall sind die Grade nach Reaumur berechnet.

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gerade hinein. Alles, was in der Beschreibung von Nord -Grönland über diesen Wind, seine Heftigkeit und Unbeständigkeit angeführt ist, gilt auch für Süd-Grönland. In der Regel führt er viel Regen mit sich, besonders, wenn er nur von kurzer Dauer ist; weht er aber meh- rere Tage hindurch mit voller Stärke, so pflegt er die Luft aufzuklä- ren und ist dann sogar aufserordentlich trocken. Solche Tage sind es, ari welchen das Thermometer zu der aufserordentlichen Höhe von 15 bis 16 Grad steigen kann; aber dieses ist kaum ein höherer Wärme- grad, als er auch in Nord-Grönland an der Diskobüucht beobachtet wurde.

Im Monat September war der höchste Stand des Thermometers + 12°, der niedrigste —44°, der Durchschnitt + 3°, was ein we- nig kälter ist, als der November in Kopenhagen. Gleich mit dem Be- ginn des Monats traten scharfe Nachtfröste ein, das Laub an den Ge- büschen welkte und es war für dieses Jahr mit der Vegetation vor- über. Zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche stellten sich auch heftige Stürme ein, und das Land war längere Zeit ganz mit Schnee bedeckt. Der October war beständiger und milder, die Temperatur wechselte zwischen + 10° und —6°. Der November dagegen zeigte sich un- gewöhnlich stürmisch und kalt; heftige Winde aus Süd und Nord lösten sich unmittelbar ab, doch waren die letzteren entschieden die vorherr- schenden, auch stieg die Kälte bis —16° und der Durchschnitt war —6°, was fast um kälter ist, als der kälteste Monat, der Januar, in Kopenhagen. Ungefähr in der Mitte des November fror der zu- nächst der Colonie gelegene Binnensee, der über eine Meile lang ist, so fest zu, dafs man darüber gehen konnte, und das Eis thaute bis zum letzten Juni des folgenden Jahres nicht wieder auf. Der Decem- ber begann etwas milder, im Durchschnitt mit kaum —4° die stärkste Kälte betrug kaum —16°, und am Schlufs des Jahres fand sich plötz- lich der warme Süd-Ostwind ein und wehte mehrere Tage hindurch. Um die Weihnachtszeit stieg das Thermometer sogar bis auf fast + 8°, und die starken Regenschauer trugen dazu bei in ein Paar Tagen das Land fast ganz vom Schnee zu entblöfsen. Auf diese Milde folgten aber drei so strenge und stürmische Wintermonate, dafs sie selbst in diesem gewils sehr wenig einnehmenden Klima als aufsergewöhnliche angesehen werden müssen. Im Januar betrug die stärkste Kälte aller- dings nur —17°; im Februar erreichte sie aber schon 194° und die- ser Monat war überdiefs auch sehr stürmisch, mit Ausnahme von nur drei Tagen, an denen es einigermalsen still war. Der milde südliche oder östliche Wind konnte sich durchaus nicht behaupten, denn jedes- mal wenn er zu wehen begann, traten gewaltige Schneegestöber ein, _ der Wind drehte sich regelmäfsig nach Nordwest und brachte dann 2%

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eine schneidende Kälte mit sich. Der Monat März war nicht viel besser; die Kälte stieg noch bis auf - -19°; jeden dritten Tag im Durch- schnitt trat Sturm ein und nur fünf Tage im Monat war einigermafsen Windstille. Im April wurde das Wetter plötzlich behaglicher, und an nicht weniger als funfzehn Tagen war es ziemlich still, doch sank das Ther- mometer noch bis unter —14°, und obschon einzelne Tage mit Thau- wetter eintraten und die Wärme selbst über -+ stieg, beganır doch der Monat Mai, ohne dafs die schweren Schneemassen, die sich auf dem Lande aufgehäuft hatten, ein erkennbares Anzeichen ihres Ver- schwindens gegeben hätten. Im Gegentheil schneite es in den ersten Tagen des Mai unaufhörlich, und der Schnee lag in jener Zeit zwi- schen den Häusern der Colonie zuweilen 8 Ellen hoch, so dafs die niederen Hütten der Grönländer ganz unter demselben begraben wa- ren, und man über ihre Dächer hinwegschritt; man mufste Gänge zu den Thüren und Fenstern derselben aufdecken, und auch zwischen den dänischen Häusern wurde die Communication nur mühsam mit Hilfe von schmalen Hohlwegen zwischen Schneewänden von 3 bis 7 Ellen Höhe aufrecht erhalten. Am 5. Mai klärte sich die Luft bei einem nördlichen Sturm und —5° Kälte auf. Der neugefallene Schnee wir- belte über die Fjelde dahin und verhüllte Alles in einen dichten Ne- bel, und die Hohlwege wurden so verweht, dafs sie auf’s Neue ausge- graben werden mufsten. Noch am 6. Mai hatte man des Morgens 65° Kälte. Erst nach diesem Tage nahm der Schnee nicht mehr zu und kurze Zeit darauf trat starkes Thauwetter mit Regenschauern ein, wo- durch die Flüsse in Gang kamen. So endete dieser langanhaltende Winter, der für die grönländische Bevölkerung dieses Distriets viel Noth und Ungemach herbeiführte. Es ist daraus ersichtlich, dafs sich die Strenge des Klimas nicht sowohl in besonders hohen Kältegraden, als in der langen Dauer derselben und der Langsamkeit, mit der die darauf folgende nur geringe Sommerwärme die Spuren des Winters zu vertilgen vermochte, aussprach. Was wir in dieser Hinsicht hier hervorheben wollen, dürfte vielleicht in Betracht der Lage des Ortes, (nicht weit von dem Parallel Christiania’s) als auffallend erschei- nen; aber der Verfasser hatte Gelegenheit die Thatsache mit eige- nen Augen zu beobachten: noch am 18. Mai war der Garten des Missionärs bei Lichtenau mit altem Schnee bedeckt, welcher überdies gerade an diesem Tage gegen Abend unter dem kalten und scharfen Nordwinde fest wie Eis gefroren war; man hatte es vergeblich ver- sucht ihn durch Aufhauen und Ausbreiten in der Sonnenwärme zu schmelzen. Zu derselben Zeit hatten auch ganz kleine Scheeren, die von der Meeresbrandung halb bespült wurden, noch eine Eis- und Schnee- decke, die weder die aushöhlende Brandung, noch die von allen

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Seiten frei einwirkende Atmosphäre, in Verbindung mit den Strahlen der Sonne im Stande gewesen waren, auf eine geringere Dicke, als ein Paar Ellen zu reduciren. Noch am 25. Mai war das Eis auf dem ganzen Landsee von Julianehaab fest und hart genug um darauf zu gehen; es wurde gemessen und noch eine Elle und acht Zoll dick gefunden. Selbst am 8. Juni war derselbe Landsee, nach einem star- ken Nachtfrost, in seiner ganzen Ausdehnung fest und hart genug ge- froren, um begangen zu werden; nur längs des Landes befand sich eine schmale offene Rinne, die mit Leichtigkeit übersprungen werden konnte. Erst nach diesem Tage wurde die Passage über diesen See etwas schwieriger. Am Morgen des 15. Juni stand das Thermometer noch auf —1° und es schneite dicht und ununterbrochen bis zum Nach- mittage. Das ganze Land wurde dadurch wieder weils, der neu ge- fallene Schnee blieb den nächsten Tag über nicht allein auf den Fjel- den, sondern auch in den kleinen Gärten der Colonie und selbst auf den Dächern der Häuser liegen. Die Thiere mufsten wieder in den Stall gebracht werden, mit einem Worte, es war wie mitten im Win- ter in Dänemark. Aber noch viel übler waren die Witterungsver- hältnisse in dem nordwestlichen Theile dieses Distriets, der weiter in das Meer hinausreicht, und in dem vielleicht überhaupt mehr Schnee fällt und andererseits die häufigeren von der See kommenden Eisnebel den Sommer rauher und kälter machen und die Wirkung der Sonnen- strahlen abschwächen. Was hier in den Tagen vom 29. Juni bis zum 1. Juli zu sehen war, lautet fast fabelhaft. Beinahe alle kleineren Meeresbuchten und viele Fahrwasser zwischen den Inseln waren in dieser Zeit noch mit Eis vom vorigen Winter belegt, und an einzel- nen Stellen hatte dasselbe noch nicht einmal längs des Landes, wo es doch sonst häufig von dem Steigen und Fallen des Wassers gehoben und gebrochen wird, wegzuthauen angefangen; der Schnee, der das ganze Uferland bedeckte, dehnte sich auch über das Eis aus und ver- wischte die Grenze zwischen beiden. Von dem langen Sunde Torsu- katek aus, der sonst im Sommer von Schiffen zur Durchfahrt benutzt wird, jetzt aber in seinem engsten Theile kaum einen schmalen Was- serstreifen längs des Landes, breit genug für ein Weiberboot, besafs, unternahm man den Versuch auf der nördlichen Seite eine Tour von ungefähr einer Meile landeinwärts auszuführen. Sobald man das Land betreten hatte, kam man durch tiefen Schnee, darauf über ein paar kleinere Hügel, von denen nur die Gipfel schneefrei waren, während die Abhänge und die dazwischen liegenden Thalstriche in eine dicke Schneedecke gehüllt waren. Von diesen Hügeln stieg man zu einem reichlich # Meile langen Landsee hinab, der ein tiefes von sehr stei- len und düsteren Klippenwänden eingeschlossenes Thal ausfüllt. Auf

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diesem Landsee war buchstäblich gesprochen noch keine Spur von irgend einem Thauwetter zu finden; in der Mitte desselben war das Eis noch fest und hart, und längs der Ufer lag Schnee, der sich wie ein ebener Abhang über das umgebende Land ausbreitete, so dafs man die Scheidung von dem See und dem Lande selbst nieht zuverlässig angeben konnte. Von diesem See aus kam man über eine Strecke Landes, die halb mit Schnee bedeckt, halb entblöfst war, zu einem anderen grölseren See, der ganz in derselben Weise mit festem Eise geschlossen war; nur an dem entgegengesetzten Ende dieses letzten See’s, an welchem derselbe einen Strom in’s Meer absendet, war eine offene Stelle, so dafs man nur auf einem Umwege ungefährdet an die- sem Punkte vorüber kommen konnte. Der Flufs selbst hatte schon eine ziemlich starke Strömung. Weiterhin waren die höheren Berg- abhänge, die man passiren mufste, um über die Halbinsel zu gelan- gen, so mit Schnee bedeckt, dafs man ohne Schneeschuhe nicht gut weiter kommen konnte. Dies zeigte sich am 29. Juni und man darf daher vermuthen, dafs die hier erwähnten Landseen vor dem Ende des Monat August nicht völlig aufgethaut sind.

Der Sommer, oder die Monate Juni, Juli und August des Jahres 1854 hatten eine Mitteltemperatur von + 74°, das Maximum belief sich auf + 16°, das Minimum betrug —1°; der Juli war sehr milde, da die Temperatur nie unter + sank, was eine ungewöhnliche Erscheinung ist. Wohl hauptsächlich der grofsen Schneemasse wegen, die erst so spät verschwand, gedieh die Vegatation im Ganzen nur mälsig; die Beeren reiften nur im Innern der Fjorde. Während man in den Distrieten Omenak und Jakobshavn in Nordgrönland im All- gemeinen reife Beeren in aulserordentlicher Menge findet, konnte man in diesem Sommer zunächst der Colonie Julianehaab nur ganz ver- einzelt dergleichen auftreiben, meistentheils waren sie grün zür eg und nicht einmal ausgewachsen.

Der darauf folgende Winter von 1854—1855, der weiter nach Norden hinauf sehr strenge war, zeichnete sich bei Julianehaab durch seine Beständigkeit und verhältnifsmäfsige Milde aus. Allerdings trat schon im September Frostwetter ein, und das Land wurde unter heftigen Nordstürmen schon bald nach dem 20sten mit Schnee bedeckt; im October hatte man Kälte und ziemlich viel Schnee, derselbe ging im November unter vorherrschenden Südostwinden wieder ganz weg. Im December sank das Thermometer auf —17° und bezeichnete damit die stärkste Kälte, die sich während des ganzen Winters zeigte; in diesem Monat, wie auch im Januar fiel eine ungeheure Menge Schnee. Im Februar trat eine sehr merkwürdige Wetterveränderung ein; der Südostwind fand sich plötzlich ein und führte einen warmen Luftstrom

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mit sich; er klärte die Luft ganz auf, wurde dann schwächer und wehte fortan ganz gleichmälsig 8 bis 14 Tage hindurch, nur hin und wieder mit Windstille abwechselnd. In der ganzen Zeit war der Himmel un- unterbrochen klar, das Thermometer hielt sich ungefähr auf dem Ge- frierpunkte, so dafs sich kein fliefsendes Wasser zeigte. Diese Tage waren schöner und anmuthiger, als es die beste Sommerzeit zu sein pflegt. Der Monat März hielt sich, wie der Februar zwischen Wärme

und 12° Kälte, war aber sehr stürmisch und es fand sich namentlich

um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche der Südostwind mit orkan- artiger Gewalt ein. Im März und April fiel wieder eine aufserordent- liche Menge Schnee, so dafs beim Beginn des Sommers ungefähr eine ebensogrofse Masse desselben vorhanden war, als im vorhergegangenen Jahre. Er begann jedoch etwas zeitiger zu verschwinden und der Som- mer selbst war ungewöhnlich beständig und angenehm. Da es sich in den vorigen Jahren als unnütz erwiesen hatte, vor dem Monat Mai den Schnee aus den Gärten zu schaffen, weil doch wiederholt neuer Schnee- fall eintrat, liefs man ihn in diesem Jahre bis zum 1. Mai liegen und zu dieser Zeit bedeckte er den ganzen Garten noch 2 bis 3 Ellen hoch und war in der untersten Region fest wie Eis. Auf den Landseen war am 25. April das Eis 1 Elle und 8 Zoll dick, also nur einen Zoll dünner, als im vorhergegangenen Jahre. Es zeigte sich also, dafs die Strenge des Winters nicht immer nach der Menge Schnee und Eis, welche man im Frühjahr vorfindet, beurtheilt werden kann, wie auch andererseits weniger der Kältegrad, als das stürmische und rauhe Wet- ter den Winter unbehaglich macht. Anfangs Juni schneite es ununter- brochen einen Tag und zwei Nächte hindurch, so dafs der Weg auch in der allernächsten Umgebung der Häuser fast unpassirbar war. Am 14. Juni lag noch festes Eis auf einem grofsen Theile der Binnenseen, die jedoch eine Woche früher, als im vergangenen Jahre aufthauten. Mit dem Monat Juni hörten die erwähnten bei Julianehaab veranstal- teten Beobachtungen der Witterungsverhältnisse auf.

Es ist möglich, dafs die beiden hier beschriebenen Winter in Be- zug auf ihre Schneemenge und lange Dauer etwas Aufsergewöhnliches waren, denn man hat auch Winter von auffallender Milde und mit früh eintretendem Thauwetter erlebt, aber im Allgemeinen und nament- lich mit Rücksicht auf die Mitteltemperatur des ganzen Jahres dürfen diese Jahre gewils als passender Maafsstab dienen. Man nahm allge- mein an, dafs die Mitteltemperatur des ganzen Jahres für Julianehaab etwas unter dem Gefrierpunkt sei; dies stimmt aber nicht ganz mit den hier angeführten Beobachtungen, nach welchen sie sich auf + °, also etwa höher, stellt. Dieses entspricht der Temperatur in den nördlichen Lappmarken und dem nördlichsten Theil von Island. Der

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rauhe Charakter des Klimas äufsert sich nicht sowohl in einer stren- gen Winterkälte, als in dem Mangel an Sommerwärme. Der Winter ist nicht viel kälter, als in Norwegen und Schweden unter denselben Brei- tegraden und bei weitem nicht so kalt, als in viel südlicher liegenden Gegenden Rufslands; aber die Sommerwärme, auf welcher die Vege- tation allein beruht, fällt so gut wie ganz fort. Die im Vorigen be- schriebenen Sommer bei Julianehaab müssen auch für besonders warm angesehen werden; nach Beobachtungen, die von Herrn Kleinschmidt bei Lichtenau angestellt wurden, erreichte in dem Zeitraum von vier vollen Jahren nur ein einziger Tag eine Wärme von über 15 Grad und nur vier Tage eine Wärme von über 12 Grad. Dies rührt von der Nachbarschaft des kalten Meeres auf der einen und des festen Innenlandeises auf der anderen Seite her. Wenn man die Tage, an denen der warme Landwind weht, ausnimmt, kann das wärmste Son- nenwetter, zu welcher Zeit es auch immer sein möge, durch Seewind mit eiskalten Nebeln unterbrochen werden: nur in der Mitte zwischen diesen beiden erwähnten kalten Regionen, nämlich im Innern der Fjorde, wo die hohen Fjelde Wetterschutz gewähren, ist man einigermafsen gegen die Eisnebel des Meeres geschützt; aber auch dort hat die Sonne kaum im Laufe des Vormittags das Land ein wenig erwärmt, so fin- det sich auch ein regelmäfsiger kalter Seewind ein. Auf den der Küste vorgelagerten Inseln kann das Thermometer zu jeder Zeit des Jahres auf + herabsinken und nur in zwei Monaten des Jahres ist man vor Nachtfrösten einigermaafsen sicher. Es zeigt sich also bei einem Vergleiche mit dem übrigen Grönland, dafs dem grofsen Unterschiede der geographischen Breite Nord- und Südgrönlands der Unterschied der Sommerwärme in den verschiedenen Colonien nicht entspricht, wo- gegen der Unterschied der Winterkälte desto gröfser ist. Fafst man die drei Sommermonate Juni, Juli und August und die drei Winter- monate December, Januar und Februar in’s Auge, so zeigt sich, dafs die nördlichste Colonie Grönlands, Upernivik, eine Sommerwärme von fast + 3°, Julianehaab noch nicht + besitzt, der Unterschied also nur + beträgt. Dagegen hat Upernivik eine Wintertemperatur von fast 17°, Julianehaab aber kaum 54°; in dieser Jahreszeit wächst also der Unterschied auf mehr als 11 Grad an. Die Differenz für das ganze Jahr zwischen beiden Orten beträgt 9 Grad. Für die nördlich- ste Colonie in Südgrönland kann die Mitteltemperatur des ganzen Jah- res auf —3° angenommen werden, woraus man auf das Klima des übrigen Südgrönlands schliefsen kann.

Von den Winden haben wir des warmen Südost erwähnt, der mit dem Sirokko oder ähnlichen localen warmen Laftströmen in anderen Ländern verglichen werden kann. Die Meinung, dafs er ein Zweig

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des zurückkehrenden Passatwindes, oder der Luft ist, die unter dem Aequator aufsteigt und in den höheren Regionen der Atmosphäre ge- gen die Pole zurückströmt, scheint nicht ungegründet. Eine oder die andere Ursache mufs es bewirken, dafs er mit grolser Gewalt und Schnelligkeit herabsinkt, so dafs er keine Zeit findet sich auf der grofsen Eisebene, von der er zunächst zu kommen scheint, abzukühlen. Als Curiosum dürfte es erwähnt werden, dafs man oft die Meinung aus- sprechen hört, seine Wärme stamme von grolsen Vulcanen im Innern des Festlandes. Uebrigens ist dieser Wind nach den Localitäten sehr verschieden; es giebt lange Küstenstriche, auf denen er als eine Sel- tenheit angesehen werden mufs, und dies ist namentlich in dem mitt- leren Grönland der Fall, während er in den südlichsten Theilen des Landes und an der Diskobucht und dem Omenaksfjord ungefähr gleich häufig und mit gleicher Stärke auftritt. Auf der übrigen Landstrecke geht er leicht in einen mehr südlichen, sogenannten Südwestwind über, der eine kältere Luft und die gröfste Menge Schnee und Regen mit sich führt. Auch dort, wo der Südost weht, sieht man häufig Wolken vor Südwest treiben, eine dicke Wolkenbank steigt von Meere aus in dieser Richtung auf und wird wieder zurückgetrieben, so dafs offenbar zwei Luftströmungen gegeneinander ankämpfen. Nach Südost folgt dann gewöhnlich nördlicher oder nordwestlicher Wind, der Kälte und klare Luft mit sich führt. Aufser diesen Winden, die über grofse Strecken herrschen, zeichnen sich die meisten Fjorde durch ziemlich heftige Winde aus, die an ihren Mündungen aus- und einwehen, und ihre Entstehung in dem grofsen Unterschiede haben, der zwischen der Temperatur im Innern des Landes und auf dem Meere herrscht; dort nämlich wird die Oberfläche im Sommer zur Mittagszeit stark erhitzt und die Luft strömt dann vom Meere zu, und andererseits erhält sich auf dem letzteren im Herbst eine gewisse Milde, wenn das Land schon anfängt, sich in jeder Nacht stark abzukühlen, und dadurch heftige Windstöfse veranlafst, die am Morgen und Vormittag aus den Fjorden herauswehen. Dieser letzterwähnte Wind, oder Landwind zeichnet ge- wisse Fjorde in den nördlicheren Distrieten aus und kann bei seiner Heftigkeit die Fahrt in Booten gefährlich machen. Dagegen kann es ganz in der Nähe auf beiden Seiten der Mündung windstill sein, ge- rade als ob der Fjord die Pfeife eines Blasebalgs wäre.

Regen und Schnee fällt in Südgrönland in gröfserer Menge, als in Nordgrönland, worüber man+sich nicht wundern darf, da jenes dem milden atlantischen Meere so viel näher liegt, und da es gerade der Zusammenstofs der milden und feuchten Luft mit der kälteren ist, der Niederschläge veranlafst. Nach der allerdings nur kurzen Beobach- tungszeit giebt es bei Julianehaab im ganzen Jahre 57 Tage an denen

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nur Regen und 75 Tage an denen Schnee fällt, doch so, dals es an 13 der letzterwähnten auch zu gleicher Zeit regnet. Bei Jakobshavn in Nordgrönland gab es dagegen jährlich nur 26 Regen- und 58 Schnee- tage. Regen und Schnee zusammen geben bei Julianehaab für ein Jahr ungefähr 36 Zoll Niederschlag ab. Wenn man berechnet, dafs die Hälfte dieser 36 Zoll vom Schnee herrührt, und dafs dieser im losen Zustande gegen zehnmal so viel Raum ausfüllt, als in flüssiger Gestalt, so sieht man, dafs der im Laufe des Jahres fallende Schnee das ganze Land in eine gleichmäfsige Decke von 7 bis 8 Ellen Tiefe einhüllen kann.

Nach dem Obigen wird man ungefähr das Klima von Südgrön- land beurtheilen können. Wenn man sich in Dänemark die drei wärmsten Monate des Jahres weggenommen und an deren Stelle den Winter um drei Monate vermehrt denkt, die noch dazu kälter als die sonst strengsten Wintermonate sind, so erhält man ungefähr das Klima von Julianehaab. Demohngeachtet kann man nicht sagen, dafs die Kälte an und für sich grofses Unbehagen hervorbringt; aber der Mangel an eigentlichem Sommer hat zur Folge, dafs nur wenige Cul- turpflanzen gedeihen können, dafs der Schnee so lange liegen bleibt, und dafs das Land deshalb, trotz seiner südlichen Lage, ganz das Gepräge eines Polarlandes trägt. Dazu kommt die Unbeständigkeit des Wetters, die hier noch grölser als in Nordgrönland ist. Während die strenge Kälte des beständigen Winters in den nördlichen Gegen- den Eisdecken bildet, über welchen eine schnelle und leichte Com- munication zwischen den Colonien auf Hundeschlitten möglich ist, hat man in Südgrönland Stürme mit Schneetreiben und einem aufgeregten Meere. Das innere Fahrwasser zwischen den Inseln kann man hier zu dieser Jahreszeit dennoch nicht in Booten passiren, weil es auch dann und wann zufriert, und die Passage aufserdem noch in Folge der kurzen Tage gefährlicher wird. Aus diesem Grunde befindet man sich in Südgrönland mehrere Monate des Jahres hindurch in einer Art Gefangenschaft, während im Norden gerade dann die beste Com- munication stattfindet. Das Klima ist, kurz gesagt, ein Mittelding zwischen dem temperirten und dem kalten, man hat zu gleicher Zeit das Ungemach und die Unbequemlichkeiten beider, die Unbeständigkeit des ersten, die Kälte des letztern, ohne dafür auch ihre Vortheile zu ge- niefsen. Aber auch für die eingeborene Bevölkerung müssen die Verhält- nisse Nordgrönlands zweifelsohne als günstigere angesehen werden, weil das feste Eis für den Seehundsfang und die Fischerei grofse Vorzüge darbietet; denn diese Erwerbszweige müssen, wenn sie ausschliefslich in den kleinen und zerbrechlichen Kajakks betrieben werden sollten, um so unsicherer werden, je mehr die See aufgeregt ist. Dazu kommt,

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dafs die nördlichen Gegenden an Seethieren viel reicher sind. Es kann uns also nicht wundern, dafs die alten Nordländer im Frühjahr mit ihren Fahrzeugen nach dem sogenannten „Nordresätur“ zogen, weil sie wulsten, dafs der Seehundsfang dort ergiebiger, als bei den Wohnsitzen ihrer Heimath war.

In: Bezug auf die Phänomene, welche die Luft in den nördlichen Himmelsstrichen so häufig darbietet, nämlich Nordlichter, Ringe um Sonne und Mond nebst Nebensonnen, Luftspiegelungen können wir im Ganzen auf das verweisen, was wir über Nordgrönland gesagt ha- ben. Doch dürfen wir nicht unbemerkt lassen, dafs, sonderbar genug, in dem südlichsten Theile des Landes die Nordlichter häufiger und stärker zu sein scheinen, als in Nordgrönland. Nach den Wintern zu urtheilen, welche dem Verfasser Gelegenheit gegeben haben, Ver- gleichungen anzustellen, war dies so entschieden der Fall, dafs man auch wohl sagen kann, bei Julianehaab sei die Zeit der Nordlichter drei- und viermal länger, als bei der Colonie Omenak in Nordgrön- land. Schon im Monat September sind sie bei Julianehaab sehr stark und tragen viel dazu bei die Nächte zu erhellen. Sehr treffend wer- den sie im oft erwähnten Königsspiegel folgendermaalsen geschildert: „Sie sehen aus wie die Gluth eines heftigen Feuers in weiter Ferne. Aus ihr schiefsen scharfe Spitzen auf, von ungleicher Höhe und so abwechselnd, dafs jetzt die eine, jetzt die andere höher wird, und die- ses Licht schwebt so wie eine flackernde Flamme. So lange die Strah- len am höchsten und klarsten sind, verbreiten sie ein so starkes Licht, dafs die Leute, die im Freien sind, ihren Weg wohl dabei finden und auch auf die Jagd gehen können, wenn es noth thut. In den Häu- sern mit Fenstern wird es so hell, dafs man einander erkennen kann. Doch ist das Licht veränderlich, denn zuweilen scheint es dunkler, als ob davor ein schwarzer Rauch oder eine dicke Finsternils aufwallte, und es sieht dann aus, als ob das Licht von dem Rauch erstickt wer- den sollte, als ob es nahe daran sei zu verlöschen.* Es vergeht bei Julianehaab kaum eine einzige Nacht mit einigermaafsen klarer Luft, in der man kein Nordlicht bemerkte, und mehrmals in jedem Monat, ja zuweilen viele Nächte hintereinander sieht man dasselbe, entweder über den ganzen Himmel sich ausdehnend, so dafs die obenerwähnten Strahlen von’allen Seiten in der Richtung gegen den Zenith aufschielsen, oder in Form eines breiten Bogens, der sich ungefähr wie die Milch- stralse quer über den Himmel zieht. Unter der beschriebenen flam- menden Bewegung geht das weifse Licht häufig in ein purpurrothes über, und dies spielt wieder in das grünliche oder in die Regenbogenfarben. "Es dürfte schliefslich angemessen sein, in diesem Abschnitte noch des Meeres und namentlich der Menge des Treibeises um das südliche

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Grönland herum zu gedenken, Da die Bewohner sowohl jetzt, wie in alter Zeit beständig an der Küste gewohnt haben und nicht allein den gröfseren Theil ihrer Nahrungsmittel und übrigen Lebensbedürfnisse von der See geholt haben müssen, sondern auch nur auf dem Seewege Verbindung mit einander unterhalten haben können,*darf man mit gu- tem Grunde sagen, dafs das Wohnen in diesem Lande stets unmittel- bar von dem Meere abhängig gewesen ist. Es ist daher von der gröfs- ten Wichtigkeit, dafs das Meer nach allen Richtungen hin in das Land eindringt, und dafs die Küste Fjorde und Sunde mit davor liegenden Inseln bildet; denn durch die letztern werden die Gewässer, in denen die Fischerei betrieben und die Reisen unternommen werden, gegen den Seegang vom offenen Meere beschützt. Ein Gürtel von unzähli- gen Inseln und Scheeren findet sich ziemlich gleichmäfsig längs der ganzen Küste vertheilt. Aufserhalb der Inseln, kann man dreist be- haupten, friert die See selbst in den strengsten Wintern und bei stillem Wetter nie zu, auch nicht einmal für ein paar Tage, und selbst inner- halb der Scheeren geschieht es in Folge des unruhigen Wetters und der starken Strömungen bei weitem nicht in dem Grade, wie in Nord- grönland. Nur tiefer in die Fjorde hinein kann man mit Bestimmt- heit auf eine einigermaafsen dicke Eisdecke für einige Monate des Jah- res rechnen; weiter aulsen und zwischen den Inseln ist das Eis so un- beständig und so unterbrochen, dafs kein Nutzen von demselben gezo- gen werden kann, dals es vielmehr nur dazu beiträgt, die Communi- cation zu erschweren oder gar zeitweilig ganz zu hemmen. Bei den Colonien von Südgrönland sieht man im Allgemeinen sogar weniger festes Eis auf dem Meere, als dies im Sunde bei Kopenhagen der Fall ist. Ebenso kennt man hier auch nur wenig von dem Treibeise, welches von dem innern Lande kommt und aus den sogenannten Eis- fjorden hinaustreibt, wie es in Nordgrönland in so hohem Maafse der Fall ist. In Südgrönland giebt es nur vier solcher Eisfjorde, welche Eisfjelde in das Meer hinausstolsen, und sie stehen sämmtlich hinter den fünf grofsen Eisfjorden Nordgrönlands zurück und können nur mit einigen von den acht kleineren desselben verglichen werden. Nichts- destoweniger hört man so viel vom Treibeise an der Küste reden, und gerade die südlichste Colonie wird aus diesem Grunde als die für Schiffe am schwersten zugängliche betrachtet. Woher stammt hier das Eis und wie ist es beschaffen ?

Jn den meisten Wintern sieht man bis zum Februar an der Küste von Julianehaab kein Eis, das Meer ist zu dieser Zeit immer in Be- wegung und erzeugt selbst bei stillem Wetter eine gewaltige Brandung an den äufsern Spitzen und Scheeren. Im Februar und zuweilen auch erst im Anfang im März merkt man dann zu einer gewissen Zeit, dafs

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sich der Seegang plötzlich legt. Zu derselben Zeit pflegt man dann auch zu vernehmen, dafs weiter nach Süden hin zunächst dem Cap Farwell Treibeis gesehen wurde, und wenige Tage darauf, besonders wenn südlicher Wind eintritt, sieht man von den Fjelden bei Juliane- haab aus das Meer weils bedeckt, so weit das Auge reichen kann, und gleichzeitig beginnen auch einzelne abgesprengte Stücke von Treib- eis zwischen die Inseln und selbst bis in den Hafen der Colonie hin- einzukommen. Man erkennt nun, dafs das, was aus einiger Entfer- nung gesehen als ein zusammenhängendes flaches Eisfeld erschien, aus lauter losen Bruckstücken besteht, die selten über 50, gewöhnlich aber nur 10 bis 20 Ellen im Durchmesser haben. Wenn diese Stücke auf das Land treiben und bei niedrigem Wasserstande trocken gelegt wer- den, sieht man, dafs sie eine Dicke von 6 Ellen und darüber haben und rund herum in der Höhelinie des Wasserstandes durch den Wel- lenschlag ausgehöhlt sind, so dafs sie immer aus einem ziemlich brei- ten Fufs bestehen, der oben eine dünne Platte, nämlich den Theil des Stückes trägt, welcher über dem Wasser lag und deshalb nicht so schnell verzehrt werden konnte. Die kleineren abgerundeten Stücke, die man so auf dem Lande stehen sieht, haben daher ihrer Form nach einige Aehnlichkeit mit Tischen, die nur auf einem runden Bein mitten unter der Platte ruhen. Gewöhnlich ereignet es sich aber, dafs eine Kante auf die Seite sinkt, die andere in Folge dessen aus dem Was- ser hervorragt. Dies verursacht es, dafs eine solche Sammlung ur- sprünglich flacher Eisstücke, die nur wenige Fuls über das Wasser hervorragen, mit Bruchstücken gemischt sind, die mehrere Ellen über den anderen emporstehen, und da nun gleichzeitig immer eine Menge Eisfjelde diesem flachen Eise folgen, zeigt sich die ganze Oberfläche des mit Treibeis bedeckten Meeres bei näherer Betrachtung im höch- sten Grade uneben. Man pflegt dieses Treibeis „Grofseis“ zu nennen, und es ist augenscheinlich, dafs es trotz seiner bedeutenden Dicke doch in Wirklichkeit gefrornes Salzwasser ist und aus den Meeresgegenden herrührt, in denen sich dasselbe mehrere Jahre hindurch gefroren er- hält. Denn ein einziger auch noch so strenger Winter würde wohl kaum Eis von 6 Ellen Dicke bilden können. In der Nähe von Spitz- bergen zeigt sich dieses Eis in Form grofser Schollen von meilenlan- ger Ausdehnung; von dort aber braucht es sicherlich lange Zeit, viel- leicht auch mehre Jahre, um nach Julianehaab zu gelangen. Die Strö- mung führt einen Theil desselben beständig längs der Ostküste von Grönland herab, auf diesem Wege zerbricht es, friert vielleicht ab und zu auf mehrere Winter wieder aneinander und zerbricht auf’s Neue, und deshalb besteht derjenige Theil desselben, welcher die Gegend um Cap Farwell erreicht und in die Davis-Strafse treibt, gewöhnlich nur

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aus lauter kleineren Bruchstücken; Schollen von mehr als 1000 Ellen gehören hier jedenfalls zu den Seltenheiten.

Das Treibeis kann sich zu jeder beliebigen Jahreszeit vor der Küste von Julianehaab einfinden. Am häufigsten und regelmäfsigsten erscheint es jedoch nach Beginn des Februar, worauf es langsam nach Norden treibt, während neue und gröfsere Massen besonders im April, Mai und Juni nachfolgen; in dieser Jahreszeit ist es eine grolse Sel- tenheit, die vielleicht nicht einmal in zwanzig Jahren eintrifft, wenn ein Schiff direct aus der See in die Colonie einläuft. Im Juli und August scheint eine Art Stillstand einzutreten; das letzte Eis treibt vorüber, ohne dafs neue Massen hinzukommen; in den letzten Tagen des August pflegt das südlichste Ende des Eises dem offenen Meere und dem Seegang zu weichen, so dafs die Schiffe gewöhnlich in der ersten Hälfte des September gleich in die offene See stechen können. Dann finden sich sehr häufig im Herbste wieder neue Treibeismassen ein, jedoch stets in geringerer Menge, so dafs sie sich sehr bald wie- der verlieren. Diese Regeln gelten indessen nur im Allgemeinen; das Eis kann sich, wie erwähnt, zu jeder Zeit einstellen, sowohl im Som- mer wie im Winter, und es kann ebenso zu jeder Jahreszeit ganz von der Küste verschwinden. Man wird hierbei leicht auf die Frage ge- führt, durch welche Veranlassung das Treibeis an der Ostküste in Be- wegung gesetzt und wodurch es in die Davis-Strafse geführt wird, und weshalb dieses vorzugsweise im Frühjahre geschieht? Wäre die Strömung die einzige Ursache, so mülste sie zu ganz verschiedenen Zeiten eine aufsergewöhnliche Stärke haben; es werden also ohne Zwei- fel auch noch andere Ursachen gleichzeitig mitwirken, und es wird namentlich darauf ankommen, in welchem Zustande sich das Eis an der Ostküste befindet, ob es am Lande fest zusammengefroren liegt, oder ob es schon von dem Seegange zerbrochen ist. Dafls das Auf- thauen in einer milderen Jahreszeit Einflufs darauf haben sollte, scheint weniger anzunehmen, denn das Eis findet sich ja gerade am regel- mälsigsten kurz nach der kältesten Jahreszeit ein, wo man denken sollte, dals es am stärksten zusammengefroren sein müsse. Viel wahr- scheinlicher ist es, dafs hauptsächlich das unruhige Wetter, welches diese Jahreszeit vor den andern auszeichnet, die Massen von einan- der trennt und ihr Treiben nach dem Cap Farwell vorbereitet. Man macht verschiedene Bemerkungen hinsichtlich des Wetters, welches der Ankunft des Eises vorauszugehen pflegt; Einige behaupten, dals es nach starken nördlichen, Andere aber, dafs es nach starken südlichen Winden käme. Diese Bemerkungen beruhen mehr auf individuellen Vorstellungen über die Ursachen der Erscheinung, als auf wirklichen und vieljährigen Beobachtungen. Der Verfasser glaubt erfahren zu

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haben, dafs es vorzugsweise der warme Ostwind, oder der sogenannte Südost ist, der das Treibeis um das Cap Farwell führt; aber in Er- mangelung zuverlässiger Beobachtungen muls der Werth dieser Mei- nung dahin gestellt und die Frage unentschieden bleiben.

Wie die Zeit der Ankunft des Eises keine bestimmte ist, so ist auch die jährliche Menge desselben äufserst verschieden. Wir müssen jedoch hier genau darauf achten, was unter der Menge des Eises ver- standen werden soll. Man hört jährlich zu gewissen Zeiten sagen, dafs sich jetzt das Eis da und dort in grofser Menge gezeigt hat, dals man von den Fjelden aus kein offenes Wasser erblicken kann, wie man auch auf dem Meere zu sagen pflegt, dafs viel Eis vorhanden ist, wenn es vom Top aus so weit zu sehen ist, als das Auge reicht. Das will aber eben noch nichts Grofses sagen, denn das Eis ragt nicht höher empor, als das Wasser, so dafs es von einem Schiffe aus nur auf drei oder vier Meilen Entfernung gesehen werden kann; bleibt doch das, was man von solch einem einzelnen Punkte erblickt, immer nur ein geringer Theil der Ausdehnung des Eises längs der Küste, selbst zu ganz gewöhnlichen Zeiten. Um sich einen Begriff von der Eismasse zu machen, mu/s man entweder in einem Schiffe den gan- zen Aufsenrand derselben umfahren, oder gehört haben, wie weit sie nach Norden hinauf an der Küste gesehen worden ist. Man kann wohl sagen, dafs es sich in den meisten Jahren im Frühjahre längs der ganzen Küste bis zur Colonie Fredrikshaab festlegt, aber abge- sprengt wird und sich verliert, bevor es die Strömung weiter gegen Norden hinauf führen kann; sehr häufig erreicht es jedoch auch die Colonie Fiskernässet, aber in wenigen Jahren Godthaab, und nur sehr selten die Colonie Sukkertoppen, und kaum jemals hat es Holsteens- borg erreicht. Das Eis dagegen, welches im Herbst kommt, geht selten über den Distriet von Julianehaab hinaus; doch ereignete sich im Jahre 1791 der seltene Fall, dafs es sich in dieser Jahreszeit vor der ganzen Küste bis hinauf zur Colonie Sukkertoppen festlegte und den grölsten Theil des Winters liegen blieb, zusammenfror und sowohl jede Communication, als auch den Kajakkfang der Grönländer hemmte. Ein Weiberboot war im Herbste von Godthaab aus nach Sukkertop- pen gegangen und wurde auf dem Rückwege von diesem Eise festge- halten. Die Besatzung beschlofs darauf den Versuch zu wagen, den District von Godthaab über Land zu erreichen. Sie begab sich, 7 Köpfe an der Zahl, am 11. December auf den Weg; unter vielen Leiden und Beschwerden blieben nach und nach vier von diesen Leuten unterwegs liegen und starben an Hunger und Kälte und erst am 25. December erreichten die übrigen drei einen bewohnten Platz am Fjord von Godt- haab. Das Jahr 1817 ist als das grölste Eisjahr in der Davis-Strafse

32 H. Rink: Ueber die physische Beschaffenheit Südgrönlands.

bekannt, über das bestimmte Nachrichten existiren; zwei von den Schiffen der königlichen Handelsgesellschaft gingen in diesen Gewäs- sern verloren. In demselben Jahre hatten die Walfischfänger das Fahr- wasser um Spitzbergen ungewöhnlich frei vom Eise gefunden, was theilweise Anlafs zu den darauf folgenden englischen Entdeckungsrei- sen gab. Im Jahre 1838 ereignete es sich auch, dafs das Eis im Herbste bis hinter die Colonie Fiskernässet reichte.

Wenn es nicht leicht ist sich die erste Ursache von der Bewegung des Grolseises zu erklären, dürfte es vielleicht noch schwieriger sein, nachzuweisen, wo es bleibt. Es legt sich nämlich als ein längerer oder kürzerer Streifen längs der Küste fest, hält sich hier einige Monate, indem es bald von dem Lande zurückweicht, bald auf dasselbe hin- aufgeprefst wird, und verschwindet darauf. Zu gleicher Zeit ist es in einem beständigen Treiben nach Norden begriffen, aber die nördlichen Zipfel erreichen doch immer nur eine gewisse Grenze, und verschwin- den dort. Dafs es ganz nahe der grönländischen Küste in noch kür- zerer Zeit aufthauen sollte, als das Eis auf den kleinen Landseen und der Schnee auf dem Lande, und zwar, obgleich es sechs Ellen und darüber diek ist während das Eis auf den Landseen nur 14 Elle stark ist, davon kann gar nicht die Rede sein. Man sieht auch, dafs ein- zelne Stücke, die sich eingeklemmt haben und die innern Strömungen und Fahrwasser verstopfen, den grölsten Theil des Sommers über lie- gen bleiben, ohne eine sichtliche Veränderung zu erleiden. Es bleibt daher nur übrig anzunehmen, dafs der nördliche Zipfel des langen Streifens sich von der Küste wegwendet, nach Westen hin in das Meer zerstreut wird und dort erst aufthaut. Dagegen scheint allerdings der Umstand zu sprechen, dafs die Schiffe auf ihrem Rückwege von Nord- grönland, wenn sie in 10 bis 20 Meilen oder noch kürzerer Entfernung längs des Landes segeln, selten Eis treffen. Einzelne lose Stücke feh- len jedoch nicht ganz, und bedenkt man, dafs jener Streifen, der sich längs eines Theils der Küste festlegt gewöhnlich nur eine Breite von 5 bis 6 Meilen hat, und dafs er weit davon entfernt ist compact zu sein, wenn er dem Auge auch so erscheint, so wird man es immer für möglich halten, dafs der nördlichste Zipfel sich allmählich im Laufe des Sommers in dem grofsen Meere zerstreut ohne dafs er die Auf- merksamkeit der Seefahrer in besonderem Grade auf sich zieht.

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IH. Mittheilungen aus Algerien.

Von Dr. L. Buvry.

Der südliche Höhenzug.

a) Das Sidi Scheikh-Gebirge.

Die Steppen Algeriens werden im Süden durch einen Höhenzug begrenzt, welcher sich von Marokko bis Tunis ausdehnt und an den einzelnen Stellen verschiedene Namen führt. Da dieser Gebirgszug, obwohl er noch dem Norden Algeriens angehört, doch bisher ebenso wenig: wie seine Bevölkerung bekannt ‘geworden ist, so will ich im Folgenden eine Beschreibung desselben geben.

Im Westen heifst derselbe das Sidi Scheikh-Gebirge und zieht sich durch die ganze Provinz Oran von SW. nach NO. hin; er beginnt auf der marokkanischen Grenze mit dem Massiv des Djebel Sfa, und dehnt, nur hin und wieder von Flufsbetten gewaltsam durchbrochen, seine Kette bis zum Djebel Nuiderat aus. Dieses Bergrevier mit sei- nen vielen Vorsprüngen und steilen Abhängen trägt besonders auf sei- ner Nordseite einen wild romantischen Charakter, der am meisten dort hervortritt, wo dasselbe an die Hochebene grenzt. Fast überall be- decken Waldungen das Gebirge; sie bestehen grofsentheils aus Morus nigra, Juniperus oceicedrus, phoenicea und macrocarpa, Saliz pedi- cellata, Quercus ballota, Iler und coreifera, Pinus halepensis und Pis- tacia atlantica. Obwohl diese Waldungen auf den nördlichen Abhän- gen schon ziemlich dicht erscheinen, so sind sie doch in den Bergein- schnitten und Schlünden noch bedeutend dichter und vielfach mit Ge- büschen, namentlich Spartium scoparium L. nebst verwandten Arten, ‚Rubus fruticosus, und mit wildem Wein untersetzt. Die tiefsten Gründe der Longitudinal-Thäler werden von Gebirgswassern eingenommen, welche alle ohne Ausnahme einen sehr schnellen Lauf haben und von den Bewohnern dieser Gegenden zur Bewässerung der terrassenförmig angelegten Gärten verwendet werden. Diese Gärten sind daher auch überaus fruchtbar und reich an Obstarten, wie denn hier auch ausge- dehnte Palmen-Pflanzungen ihre Früchte zu vollständiger Reife brin- gen. In diesen Thälern concentrirt sich das regste Leben der Bevöl- kerung, die Wohnungen der Stämme sind hier zu Ortschaften gruppirt, und der diese Gegenden besuchende Fremde sieht verwundert das le- bendige geschäftige Treiben der Bewohner, die malerisch gelegenen

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge, Bad. II. 3

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Ortschaften, den frischen Pflanzenwuchs, die üppig strotzenden Frucht- bäume, und glaubt sich in die blühendsten Gegenden des Tell versetzt '). Gegen die Armuth der Steppen, die sich am Nord- und Südabhange dieses Höhenzuges ausbreiten, hebt sich der Contrast um so seltsamer hervor.

Nicht minder interessant als diese anmuthigen Thäler, wenn auch in anderer Weise, sind die Transversalschluchten dieses Gebirges. Meist sind es jähe Bergeinschnitte, welche durch die Gewalt der Wasser aus- gehöhlt worden sind und deren Wände sieh in überaus grotesken For- men darstellen.

Derartige Gebirgspässe werden von den Arabern dab, Thor, oder biban, Thore, genannt, und da die hindurchbrechenden Flüsse selten viel Wasser führen, so werden sie auch von den Bewohnern als Strafsen benutzt und sind deshalb strategisch sehr wichtig. Einer der wichtig- sten Pässe dieser Art ist in der Provinz Constantine der Bab el Kan- tara, dessen ich geeigneten Ortes näher gedenken werde.

Soviel ich weils, ist das Sidi Scheikh-Gebirge bisher von wissen- schaftlichen Reisenden noch gar nicht besucht worden, daher man die darüber veröffentlichten Berichte nur mit Vorsicht benutzen darf ?). Ebensowenig ist über die positive Höhe der Bergkuppen etwas fest- gestellt worden und nur aus den Höhenbestimmungen der Djebel Amur und Sahari, so wie des Djebel Schelia und dem Mangel an bedeu- tenden Flüssen, welche auf denselben entspringen, darf man schliefsen, dafs dieses Gebirge sich nicbt bis zur Schneelinie erhebt, ja wohl nicht einmal die Höhe der Küstenzone erreichen mag.

Die Uled Sidi Scheikh, die Bewohner des Sidi Scheikh- @- birges nehmen unter den Stämmen Algeriens eine sehr hervorragende Stellung ein. Ihre Seelenzahl beträgt nach den statistischen Berichten des Kriegsministeriums vom Jahre 1851: 17,533. Je nach ihrer Le- bensweise, als Bewohner der zahlreichen Ortschaften des Gebirges oder unter Zelten lebend, sind sie Handelsleute oder Hirten, und theilen sich nach dem West- oder Ostbezirk des Gebirges in die (westlichen) Uled Sidi Scheikh Scheraga und die (östlichen) Uled Sidi Scheikh Ra- raba. Die ersteren sind an Zahl die bedeutend schwächeren; beide zusammen genommen bestehen aus siebenzehn Stämmen.

Jede dieser beiden Fractionen hat ein Oberhaupt, unter dessen Befehl gleichzeitig die Ortschaften stehen. Dieselben sind stets Sche- rif und stammen von dem ersten Kalifa des Propheten: Sidi Bu Bekr

!) Die Araber nennen übrigens einzelne Stellen dieser Thäler auch Tell.

2) Das Bemerkenswertheste, was wir über dies Gebirge wissen, ist dem Gene- ral Daumas zu verdanken, welcher seine Berichte aus dem Munde von intelligenten Arabern bekam und deren Aeufserungen nach kritischer Sonderung zusammenstellte.

Mittheilungen aus Algerien. 35

Seddik ab. Bei den Arabern ist die Würde eines Scherif nächst der des Kalifa eines der höchsten Anrechte auf Ansehen, dieselbe ist erblich und wird nur durch directe Abstammung von dem berühm- ten Stamme „Koraische“, zu welchem Mohammed und seine Familie gehörte, bedingt. Eigentlich ist die Bezeichnung Scherif egyptischen Ursprungs, in Algerien werden sonst die Inhaber dieser Würde Du- anda genannt.

Doch nicht blos die Häupter der Uled Sidi Scheikh stehen in hohem Ansehen, sondern der ganze Stamm selbst; besonders sind die Uled Sidi Scheikh wegen ihrer Frömmigkeit und Rechtgläubigkeit weithin berühmt; der gröfsere Theil davon besteht aus Marabut, Prie- stern und Tolba, Gelehrten, die angesehensten und reichen Familien gehören dem militärischen Adel an und sind Djuad (Dschuad), aus denen die oberste Versammlung, Djemäa, oder der Rath der Nota- beln, gewählt wird. :

Seit unendlichen Zeiten haben die Religion und ihre Diener in Krieg und Frieden bei den Arabern einen sehr wichtigen Einflufs aus- geübt, deshalb zählen auch die Uled Sidi Scheikh bei ihren Glaubens- genossen anderer Stämme zahlreiche Anhänger und Verehrer und der Ruf ihrer Heiligkeit ist über ganz Algerien nach Marokko hin und durch die grofse Sahara verbreitet.

Aus diesen Gründen sind eine bedeutende Anzahl von Stämmen des südlichen Algeriens so wie der Sahara mit ihnen ein Defensiv- und Offensiv-Bündnifs eingegangen und nennen sich ihre Kheddam, Diener. In den häufigen Fehden mit den Schamba von Metlili und Go- leah machen sie gemeinschaftliche Sache, wie auch bei Razzia’s; wenn es gilt, einen begangenen Mord zu rächen, stellen sich die Kheddam zur‘ Verfügung der Uled Sidi Scheikh. Zu diesen Kheddam zählen sich: die Schamba, die Bewohner Uargl’a’s, von Mekhadma, Tuat, el Aruat Ksal, die Hälfte der Arba, die Uled Khelif, Uled Schaib, Zenakha, die Stämme des Djebel Amur, die Hälfte der Harat, von Hal Engad, Hassessena, die Beni Am’r, die Hamianen, Dui Menia, Dja’fra und Uled A’iad.

Durch diese Kheddam verstärkt bilden die Uled Sidi Scheikh eine imposante Heeresmacht und hatten bis auf die neueste Zeit ihre Un- abhängigkeit vollständig gewahrt. Erst der Emir Abd-el-Kader unter- nahm es, diesen Stamm sich tributpflichtig zu machen und besteuerte die einzelnen Individuen bei ihrem Erscheinen im Tell, namentlich beim Besuche der Stadt Tlemsen. Die an vollständige Unabhän- gigkeit gewöhnten Uled Sidi Scheikh sträubten sich gegen solches Ver- fahren und zogen es anfangs vur, ihre Vorräthe auf marokkanischem Gebiete einzukaufen. Indessen mulsten sie davon zurückkommen,

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da die 15—20 Tage lange Reise ihnen pecuniär zu viel Schaden brachte; sie besuchten daher wieder den Tell und unterwarfen sich einer jährlichen Abgabe, Aschur genannt. Die jetzigen Beherrscher des Tell, die Franzosen, haben dies Steuerverfahren auf alle südlichen Stämme Algeriens ausgedehnt und so dem arabischen Sprichworte Be- stätigung verschafft, welches sagt: „Der Tell ist die Mutter der Saha- rabewohner, wer sie heirathet ist unser Vater.“

Die Uled Sidi Scheikh sind streng in ihren Sitten und in der Aufrechterhaltung der religiösen Gebräuche; ihre Töchter dürfen keine Ehen mit Männern anderer Stämme eingehen, wenn diese nicht Dschuad, Marabut oder Tobba sind. Der Kaiser von Marokko, Muley Abd-er- Rhaman, verschmähte es nicht, um ein Kind der Uled Sidi Scheikh, die wegen ihrer Schönheit berühmte Tochter des Sidi Hamza, mit dem Beinamen el Jakut, der Rubin, anzuhalten und sie als seine Gemahlin heimzuführen.

Die Uled Sidi Scheikh sind ein sehr schöner Menschenschlag, Ara- ber vom edelsten, reinsten Blute, von hoher kräftiger Statur, schöner Gesichtsform, mit reicher Kleidung prunkend, gastfreundlich bis zum Uebermaalse, vollendete Reiter, ausgezeichnete Krieger und geübte Jäger.

Wie schon erwähnt betreibt ein Theil dieser Bevölkerung Han- delsgeschäfte, die übrigen sind Nomaden. Von den letzteren haben die Uled Sidi Scheikh-Scheraga-Hirten ihre Weideplätze in den Län- dereien, welche südlich von dem Ued Zergun, nördlich von Stitten, östlich von Bu Allam und westlich von Laghuat begrenzt werden. Die Nomaden der Uled Sidi Scheikh Raraba weiden ihre Heerden auf den weiten Strecken el Biod Rarbi im Osten, Figig in Westen und in den nördlichen Gebirgen. Ihre Zelte sind aus Kamelhaar gefertigt und schwarz gefärbt. Je nach dem Reichthum oder der Würde ihres Besitzers sind dieselben mit einem mehr oder minder grofsen Büschel Straussenfedern geschmückt. Diese Eigenthümlichkeit findet sich bei keinem anderen Stamme Algeriens wieder. Obgleich ihr Reichthum an Heerden aufserordentlich ist, so besitzen sie doch weder Rindvieh noch Maulthiere.

Derjenige Theil der Uled Sidi Scheikh, welcher Handel treibt und zu dem sich auch einige Nomaden, Rehhala genannt, gesellen, besucht wie die Hamianen den Tell und vorzugsweise den Markt der Stadt Tlemsen, um die nöthigen Bedürfnisse einzukaufen, dieselben mit Hun- dert vom Hundert Gewinn in den Oasen und Handelsplätzen der Beni M’zab, Metlili, Figig und Timimum zu verwerthen. Aufser Getreide. führen sie als Handelsartikel noch Butter, Käse, Wollenstoffe, Tep- piche (Frasch genannt), Stricke von Palmenfasern, runde mit Straussen- federn besetzte Strohhüte von colossalen Formen. Gegen diese Arti-

Mittheilungen aus Algerien. 37

kel tauschen sie Gewehre, Pistolen, Pulver, Kugeln, Haik’s, Burnu’s, englische Baumwollenstoffe, englische Eisenwaaren, Datteln, Hennah, Taback und Saya, eine Art schwarzen Kattuns, ein, welche Gegen- stände ihnen in ihrem Lande gleich hohen 'Gewinn bringen.

Man kann aus der Schilderung dieser Völkerschaft ermessen, von wie ‚hoher Wichtigkeit die Unterwerfung derselben sein mufste, und die Gefangennehmung Abd-el-Kader’s war für die Franzosen ein um so höherer Gewinn, als sie die Unterwerfung der Uled Sidi Scheikh im Gefolge haben mulste.

Wenn auch bei dem über kurz oder lang bevorstehenden Kampfe

gegen Marokko, die südlichen Stämme vielleicht nicht sollten vermocht werden können, gegen ihre Glaubensgenossen in’s Feld zu ziehen, so dürfte das Beispiel ihrer Unterwerfung und schon ihre passive Hal- tung bei solchem Kriege von starkem moralischen Gewichte zu Gun- sten Frankreichs sein.

Es wird nicht ohne Interesse für den Leser sein, nachstehend einige Bemerkungen über die Flecken und Dörfer (Ksur genannt) der ‚Uled Sidi’ Scheikh zu finden, da aus denselben auch Aufklärung über die soeialen Zustände dieses wichtigen Stammes erlangt wird.

Die Flecken und Dörfer dieses Gebirgsvolkes haben, wie schon oben erwähnt, alle eine höchst romantische Lage in Schluchten und Thälern oder hoch auf den Felsen. Fast alle sind von einer Mauer ‚umgeben und diese, so wie die Häuser des Ortes selbst, ist je nach dem Terrain, auf welchem der Bau steht, entweder aus Stein oder aus Luftziegeln aufgeführt, die von Lehmerde geknetet und an der Sonne getrocknet sind. Selten haben die Häuser Fenster; kleine ein- ander gegenüberstehende Oeffnungen bringen einen heilsamen Luftzug

„hervor, der namentlich im Sommer das Innere der Wohnungen sehr angenehm macht. Die Häuser haben Terrassen und da der Kalk in ganz Algerien nur ein von Frankreich ‚eingeführter Luxusartikel ist, so besteht das Verbindungsmaterial meist aus Erde oder Gips; natür- lich wird dies Material durch die im Winter niederströmenden Sturz- regen fortgeschwemmt und die Terrassen sinken in Folge dessen zu- „sammen, aber der Araber ist daran gewöhnt und ein alljährlicher Um- ‚bau des grölsten Theils seiner Wohnung versteht sich bei ihm so zu sagen von selbst. Die Umgebung der Dörfer oder Städte bilden aus- ‚gedehnte Gärten, die in langer Reihe hinter einander liegen und von „einem Gebirgsbache oder kleinen Flusse mit sehr schmackhaftem Wasser bespült werden.

Auf die Cultur dieser Gärten verwenden die Uled Sidi Scheikh .grolsen Fleils; Birnen, Aepfel; Feigen, Maulbeeren, Johannisbrod, Man- „deln, ‘Oliven, Pfirsiche und Granaten liefern ‘reichen Ertrag.

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An agricolen Erzeugnissen heben sich besonders hervor: Linsen, grofse Bohnen, welche zu Viehfutter verwandt werden, Melonen, Was- serkürbisse, Gurken (dieselben werden roh verzehrt), Rüben, Zwiebeln, Taback, Krapp, Hirse, Erbsen und Mais.

Der Weinstock gedeiht vortrefflich und liefert weifse und blaue Trauben von vorzüglicher Güte. Aufserhalb der Gärten, besonders in Gegenden, welche reich bewässert sind wie z. B. Bu Semghrun sind weite Strecken der Thalgründe mit Palmen besetzt; Getreide, namentlich Waizen und Gerste, wird zwar in diesen Gegenden gebaut, aber bei den nicht seltenen Mifserndten sind die Stämme genöthigt, das Fehlende auf den Märkten des Tell zu kaufen.

Der erste bedeutende Ort der Uled Sidi Scheikh Raraba an der marokkanischen Grenze ist das kleine Dorf Isch, welches am Fufse des hohen Felsens Er Raguba sich erhebt und dem Djebel Sfa ange- hört; es liegt an dem U&d Isch, der in den Uöd Dermel sich ergiefst und auf das Gebiet von Figig übertritt. Der Ksur besteht aus 60 bis 80 Häusern, enthält eine kleine Moschee und wird von den Uled A’zi, el Amur und Uled Fares, Unterabtheilungen der Hamian Raraba zur Niederlage ihres Getreides benutzt. Die Bewohner von Isch treiben eifrig Ackerbau und unterhalten einen ausgedehnten Handelsverkehr mit Figig. Ihre Hauptindustrie besteht in der Bereitung einer Art Theer, dessen Hauptbestandtheil das Harz des Arar oder des phöni- zischen Wachholderbaumes (Juniperus Phoenicia) bildet. Dieser Theer wird von den Arabern besonders zum Dichtmachen der Wasserschläuche und zum Einreiben der Kamele als Schutz gegen die Räude benutzt.

Nordöstlich von Isch auf dem Nordabhange des Gebirges liegt das | kleine Städtchen Sefisifa am U&d gleichen Namens. Dieser letztere entsteht durch den Zusammenfluls mehrerer Quellen, welche auf dem im Norden der Stadt belegenen Djebel Seridjat entspringen. Die Stadt hat ungefähr 350 Häuser und ist von keiner Mauer umgeben. Die Mekhaula und Beni A’gueba, Abtheilungen der Hamian Raraba be- wahren hier ihre Wintervorräthe.

Südwestlich davon auf dem Südabhange liegen zwei Dörfer Mo- | gharFukani (auf der Höhe) undMoghar Tatani (unten). Das erstere | ist ein kleiner Ort mit ungefähr 150 Häusern von schlechter Bauart, | einer Schule, Moscheen und Brunnen und liegt am U&d Moghar, wel- | cher im Gebirge entspringt und in den Uäd Selem mündet, der | nach Süden fliefst und in den Sanddünen versiegt. Dies Dorf wird von | den Khiatra und Akerma Raraba zur Aufbewahrung ihres Getreides | benutzt.

Moghar Tatani besteht aus circa 200 Häusern, welche von keiner | Mauer umgeben sind. In den reichen Gärten, welche rings den Ort

Mittheilungen aus Algerien. 39

einfassen und vom Ued Selem oder Selam bewässert werden, befinden sich an 4 bis 5000 Palmbäume. Die Bewohner treiben einen sehr lebhaften Handel mit Figig und der Ort wird von den zu den Hamian Raraba gehörigen Sendan, el Negagüeza und Uled Serur als Nieder- lage für ihre Getreidevorräthe benutzt.

Weiter im Norden liegt der Flecken Ain Sefra und das Dorf Tyut in einer wasserreichen Gegend, der aber von Südwesten her eine all- mähliche Verschüttung durch Sanddünen droht. Ain Sefra zählt 250 Häu- ser, besitzt eine Moschee und eine Schule, und liegt an dem Flusse gleiches Namens. Der Uöd Sefra entsteht durch den Zusammenflufs mehrerer Quellen, welche gröfstentheils auf dem Djebel Heiresch ent- springen. Er ergiefst sich in den U&d Tyut und nimmt in seinem südlichen Laufe den Namen Ued Selem an. Die Hamian Raraba und von ihnen vorzugsweise die Beni Metteref, Dämescha und Djenba be- wahren in Ain Sefra ihre Vorräthe.

Tyut, am Flusse gleichen Namens hat 100 150 Häuser, eine Mo- schee, eine Schule und ausgebreitete Gärten, in denen sich aufser Frucht- bäumen viele Weinstöcke und Dattelpalmen befinden. Dem Ued Tyut fliefsen hier die beiden Quellen Ain el Murdj und Ain el Messaud zu. Das Dorf wird von den Schafa, Uled Embarek, Sbabh’a und el Megan zur Aufbewahrung ihres Getreides benutzt.

Auf dem Nordabhange des Gebirges liegt nordöstlich auf einem Felsen das kleine Dorf Asla aus 50—60 Häusern bestehend und von allen Seiten offen. Ein kleiner Flufs, Uöd Asla genannt, versorgt die Gärten mit Wasser. Die Uled Sidi Ben Aissa und Uled Sidi el Tadj, den Hamian Raraba angehörig, bewahren in diesem Orte ihre Winter- vorräthe.

In einer Entfernung von 5 Lieues liegt südöstlich das etwa 100 Häu- ser enthaltende Dorf BuSemghrun, welches mit einer schlechten Mauer umgeben ist; drei Thore: Bab el Guebli, Bab el Fortas und Bab el Nuassi führen aus demselben. Aufserhalb der Mauer wird eine reich sprudelnde Quelle, Ain Sidi Scheikh genannt, zur Bewässerung der das Dorf umgebenden ausgedehnten Gärten mit 3—4000 Dattelpal- men benutzt. Die aufserordentliche Fruchtbarkeit der ganzen Umge- bung wird durch die reiche Bewässerung der Uöd Meridia und Gudiat Rschab erzeugt, deren Zusammenflufs den U&öd Bu Semghrun bildet. Dieser führt später in seinem fast südlichen Laufe den Namen Uäd el: Benut und endet in dem Salzsee Daya Musteier.

Der gröfste Theil der Bevölkerung von Bu Semghrun besteht aus Ackerbauern, doch finden sich auch Schmiede, Tischler und Schuhma- ‚cher; Kaufleute giebt es wenige. Die Rzaina, Uled Sidi Abd’ el H’a- kem, Uled Sidi Mohammed Abdallah, Uled Sidi el Hadsch Ahmed,

AO L. Buvry:

el Merasla und el Mada, welche Unterabtheilungen der Hamian Ra- raba sind, verwahren in diesem Dorfe ihre Vorräthe.

In geringer Entfernung von Asla auf dem Nordabhange des Sidi Scheikh-Gebirges sind noch zwei Dörfer zu erwähnen, Schellala Güe- blia und Schellala Dahrania, d. h. das nördliche und das südliche Schellala: Ein kleiner Flufs, der U&d Hadsch Sidi Sliman, der auf dem Berge Hadscherat Sidi Sliman entspringt, fliefst zwischen diesen bei- den Dörfern hindurch und ergielst sich später in den Ued Bu Sem- ghrun.

Das nördliche Schellala ist ein Dorf von ärmlichem Aussehen, mit etwa 100 Häusern die aus Erde aufgeführt sind, ebenso wie die Ringmauer, welche zwei Thore hat: Bab el Askri und Bab en Nua- der. Es enthält eine kleine Moschee und eine Schule; zwei wasser- reiche Quellen Ain Amer und Ain Uled Zian entspringen im Dorfe selbst und speisen die umliegenden schönen Gärten, in denen aufser mancherlei Gemüsen ein sehr starker Taback gebaut wird. Mit dem letzteren, so wie mit dem aus dem Arar (Juniperus Phoenicia) gewonne- nen Theer treiben die Einwohner Handel; die Gewerbe sind nur durch einige schlechte Waffenschmiede, Tischler, Goldschmiede vertreten; die wenigen Juden, welche im Dorfe wohnen, sind vorzugsweise Fär- ber. Obgleich sie von den Arabern geduldet werden, ist ihnen doch, gleich denen in den Oasen der Sahara, verboten, ganz die arabische Kleidung zu tragen, vielmehr muls bei ihnen das den Fefs umgebende Tuch (Schaschia) von schwarzer Farbe sein, sie dürfen keine arabischen Schuhe tragen, kein Pferd besteigen und müssen bei Begegnungen mit Muselmännern denselben stets links ausweichen. Uebrigens besitzen sie eine Synagoge und einen besonderen Kirchhof.

Die arabischen Stämme Schaneb, Deraga, Uled Ma’lla und el Triat, die zu den Hamian Scheraga gehören, bewahren in diesem Dorfe ihre Vorräthe.

Noch unbedeutender als das vorerwähnte ist das Dorf Schellala Güeblia, das nur etwa 50 Häuser von Thonerde, eine Moschee, eine Schule enthält und von einer erbärmlichen Erdmauer umgeben ist, durch die drei Thore: Bab Ain Amer, Bab Taferende, und Bab el Khera- bisch führen. Im Innern des Dorfes entspringt der Quell Ain el Dje- dida, welcher die Gemüse- und Obstgärten speist. Der Krapp gedeiht hier ohne besondere Pflege, aber man sieht keine Palmbäume. Die Bewohner dieser Ksur treiben fast nur Ackerbau, sie leben von dem Ertrage ihrer Gärten, dem Verkaufe von Gemüse und Früchten; die Frauen sind besonders geschickt in der Anfertigung wollener Stoffe, Burnu’s, Haiks, Gürtel u. s. w.

Auf der Südseite des Sidi Scheikh-Gebirges und in einer Ent-

Mittheilungen aus Algerien. 4

fernung von 2— 3 Lieues, in der Ebene liegt eine Gruppe von meh- reren Dörfern, welche unter der Botmälsigkeit der obersten Marabut der Tribu der Uled Sidi Scheikh stehen und el Abiod Sidi Scheikh genannt werden. EI Abiod Sidi Scheikh zerfällt in zwei Abtheilun- gen nämlich el Biod Schergui (die Dörfer des Ostens) und el Biod Rarbi (des Westens) und enthält sechs Dörfer, unter denen das vor- zugsweise el Biod Schergui genannte das bedeutendste ist. EI Biod ‘Schergui ist von einer zehn Fufs hohen crenelirten Mauer umgeben, die von vier kleinen Thürmen flankirt ist und ein Thor hat. Es ent- hält 150—180 Häuser, eine von einem Minarete überragte Moschee, in deren Inneren sich ein Brunnen und zwei Zauja’s befinden. Aufser- dem wird der Ksur durch eine Kasbah, Kasbet Sidi Ben ed Din ge- nannt, vertheidigt. EI Biod Rarbi besitzt nur eine Zauja, welche in dem Dorfe Bu Duaia steht.

In der Mitte der Dörfer steht ein Marabut, Mula el Ferha ge- nannt, welcher mit einer weilsen Kuppel geziert ist und in welchem die Vorfahren der Sidi Scheikh ruhen. Das Innere ist reich ausge- stattet, der Fufsboden mit Teppichen bedeckt, die Wände mit Straufsen- federn, Eiern, seidenen Stoffen, Fahnen und Spiegeln geschmückt. Diese Gegenstände rühren von frommen Pilgern her, welche die heilige Stätte besucht haben.

Aulser diesem Marabut existiren noch sechs andere, ebenso reich ausgestattete. Die milden Gaben und Geschenke der Pilger nimmt ein Ukil in Empfang und dieselben werden zn wohlthätigen Zwecken verwendet.

Die Dörfer sind von Gärten umgeben, welche Fruchtbäume und Palmen enthalten, und zahlreiche aber nicht tiefe Brunnen liefern das nöthige Wasser. Ackerbau bei den Männern und Verfertigung der Wollstoffe bei den Weibern sind die einzigen Beschäftigungen der Be- wohner, alle übrigen Bedürfnisse beziehen sie von Figig und aus den Oasen der Beni M’zab.

Die beiden letzten Ksure der Uled Sidi Scheikh Gharaba sind im Osten Arba el Fukani (das obere) und Arba el Tatani (das untere), sie dienen den Hal el Mahi’, Uled Sidi Ah’med el Medjebud, Aker- man Scheraga und Uled Ziad, welche alle zu den Hamian Scheraga ‘gehören, zur Aufbewahrung ihrer Vorräthe und sind nur kleine Dörfer von 30—40 Häusern.

‘Mit den Djebel Bu Nuela und Djebel Haimer beginnt das Terri- torium der Uled Sidi Scheikh Scheraga (des Ostens) und erstreckt sich

östlich bis zu den Höhen des Djebel Nuiderat. Die Ortschaften, welche das Gebiet der Scheraga enthält, gleichen in allen Stücken den eben beschriebenen Ksuren der westlichen Uled Sidi Scheikh. Von Westen

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ausgehend sind es folgende: Berizina, auf dem Südabhange des Ge- birges gelegen, gleichzeitig der gröfste Flecken dieser Gegenden, hat ungefähr 150 Häuser, und ist mit einer schadhaften crenelirten Mauer umgeben. In der Mitte des Dorfes befindet sich ein Platz, auf wel- chem der Markt abgehalten wird. Die umliegenden Gärten werden durch Brunnen versorgt, oder die Bewohner holen das Wasser dazu aus dem Ued Berizina, welcher unter dem Namen U&äd Següör einen südsüdwestlichen Lauf nimmt, dann im Sande versiegt und in dem Daya el Hamera wieder zu Tage kommt. Die Bewohner treiben vor- zugsweise Ackerbau, einige fabriziren Pulver, wozu ihnen der nöthige Schwefel von den Beni M’zab zugeführt wird. Den Salpeter gewin- nen sie aus dem Boden des in einer Entfernung von # Lieue im Süd- westen belegenen Djebel Kirel Barut (Höhle des Pulvers). Die Frauen verfertigen wollene Gewebe.

Zwölf Lieues nördlich davon liegt Rassul mit 40—50 Häusern von einer hohen Mauer umgeben am U&d Rassul, welcher in den Uäd Berizina mündet. Rassul ist ebenfalls von Gärten umgeben und die Bewohner leben von dem Ertrage derselben; im Dorfe halten einige Kaufleute Läden, und wandernde Juden rauhen die Wollstoffe mit Kar- den und verfertigen Schmucksachen.

Noch unbedeutender sind die Dörfer Mehairia und Stitten auf der Nordseite des Gebirges, welche gar nichts Bemerkenswerthes darbieten.

Westlich in der Nähe des Dorfes Stitten hat die französische Re- gierung einen militärischen Posten Geriville, auch el Biod genannt, am Flusse el Biod gegründet, der im Mai 1853 von den Truppen be- zogen wurde. Derselbe hat den Zweck die von Saida über diesen Punkt so wie über el Kadra und Ain Mahdy führende Strafse zu über- wachen. Dieser Posten besteht aus einem mit Courtinen versehenen Fort, dem zur Seite in einer Entfernung von 360 Fufs ein Wachtge- bäude, der Thurm von Ligez genannt, sich befindet, das mit dem Fort durch eine Erdmauer verbunden ist. Hinter dieser Mauer birgt die Garnison ihre Heerden nebst den nöthigen Heuschobern. Das Fort enthält 150 Mann Besatzung, in el Biod selbst befindet sich aber noch keine europäische Bevölkerung.

Die Ksure, welche den östlichen Ued Sidi Scheikh gehören, bilden den Stapelplatz für den Handel nach dem nördlichen Algerien, mit Marokko und dem Innern und der mächtige Stamm der el Aruat Ksal ist der Vermittler dieses Handels. Dieser Stamm zerfällt in 4 Ab- theilungen, deren jede ein Oberhaupt besitzt. Obgleich an Zahl sehr bedeutend, ist er doch von den Uled Sidi Scheikh abhängig; er besitzt zahlreiche Heerden von Kamelen, Hammeln und Rindvieh und kann für den Fall eines Krieges 400 Reiter stellen,

Mittheilungen aus Algerien 43

Die Aruat Ksal durchziehen die Ebenen von Fareck bis Mehairia und Stitten im Norden und bis zum Djebel Scheria im Süden. Der Letztere ist übrigens auf den neueren Karten nicht verzeichnet.

b) Der Djebel Amur.

Oestlich von dem schroffen Felsen Tuilet Makna und dem klei- nen Dorfe Bu Allem beginnt das Massif des Djebel Amur, der im Grunde nur die fortlaufende Kette des eben besprochenen Sidi Scheikh- Gebirges bildet. Die Längenrichtung desselben ist der Richtung der Salzseebecken entsprechend und erstreckt sich im Osten bis Sidi Bu- zid und den Djebel Güeb el Aschi und Nöf in einer Länge von eirca 15 geographischen Meilen bei 5—6 geographischen Meilen Breite. Als die hervorragendste Kuppe dieses Gebirges bezeichnet man den Dje- bel Gada, dessen Höhe 5100 Fufs beträgt. Von der breiten Plattform des Gada übersieht man die nördlichen wie die südlichen Thäler des Landes. Dieselbe ist schwer zu ersteigen, da nur schmale, krumme, schwierig zu passirende Stege zu derselben hinaufführen.

Theils in den inneren Thälern, theils auf den Nord- und Süd- abhängen des Djebel Amur entspringen eine Menge von Quellen, die eine so üppige Vegetation von Bäumen und Pflanzen unterhalten, dafs alle Abhänge und Thäler des Gebirges in dichtes Grün gekleidet sind. In buntem Gemische erheben Zaneichen, Steineichen und sülse Eicheln tragende Eichen ihre Kronen neben den aleppinischen Fichten, deren Stämme eine aufserordentliche Höhe erreichen, und neben den Mastix- bäumen (Pistacia Lentiscus). Im Vergleiche zu den ersteren erscheint die Höhe des Mastixbaumes nur gering, aber seine dichte Blätterkrone erreicht einen solchen Umfang, dafs, wie die Araber sagen, dreilsig Reiter darunter Platz haben. Zwischen diesen Bäumen blickt aller Orten das freundliche Grün der Ulmen-, Eschen- und Nufsbäume hin- durch. Aufserdem wuchern innerhalb dieser Waldungen und beson- ders in der Nähe der Flufsbetten eine Menge von Myrthen, Lorbeer- sträuchern und Espen, welche sich stellenweise zu herrlichen Gruppen vereinigen.

In den Thälern des Gebirges befinden sich, vom allbefruchtenden Wasser gespeist, herrliche Gartenanlagen, wohlgepflegte Weinberge und Getreidefelder, deren Ertrag gewöhnlich für die Bewohner aus- reicht; nur in dürren Jahren sind sie genöthigt, ihre Datteln aus dem Süden und das Getreide aus dem Tell herbeizuschaffen.

Der Ued Schelif, einer der gröfsten Flüsse Algeriens, welcher in den Annalen der Colonisation eine so bedeutende Rolle spielt, ent- springt auf dem Nordabhange dieses Gebirges in der Nähe des Dor- fes Buzid, er führt aber bei seinem Ursprunge den Namen Ued Mokta.

44 L. Buvry:

Er geht in fast nördlicher Richtung indem er die Namen ‚Ued Beida, Ued Taguin annimmt, durch den sandigen östlichen Theil der 'algeri- schen Sahara, tritt als Nahr el Uassel zwischen Boghar und dem Ksar in das 1509 Fufs hohe Küstenland, durchbricht bei Roman-el-Güebli das Gebirge, und schlägt mit Umgehung der Bergkette des Gontas mit dem 3030 Fufs hohen Djebel Uamri eine westliche Richtung ein, bis er bei Mostaganem in das mittelländische Meer mündet.

Auf der Südseite des Djebel Amur entsteht durch den Zusammen- Aufs des Uöd Merra und des U&öd Grischa der bedeutendste Fluls des südlichen Algeriens der U&d Djeddi, dessen Bette aber im Sommer stellenweis trocken liegt.

Gleich dem Sidi Scheikh-Gebirge hat auch der Djebel Amur eine feste, in Dörfern und Gurbi’s ansäfsige Bevölkerung, der gröfsere Theil aber lebt als Hirten unter Zelten. Sie heifsen Uled Amur und be- stehen aus sieben Fractionen, nämlich: Uled Mimun, Uled Ali Ben Amer, Uled Rahmena, Amaza, Uled Jakub el Raba (vom Walde), die Makna und Hadjalat. Nach den durch die französische Regierung angestellten Ermittelungen macht die feste Bevölkerung etwa 12,800 Seelen aus, und die Zahl zuziehender Nomadenstämme ist wohl ebenso grols. Im Falle eines Krieges können sie eine Macht von 3000 Fuls- soldaten und 600—-650 Reitern stellen; sie besitzen reiche Heerden von Schafen, Rindern und Kamelen, mit denen sie die Weideplätze der Umgebungen von Kadra und Tauiala, sowie im Winter die Gegend südlich von Ain Madhy besuchen.

Die Uled Amur sind rein arabischen Blutes und adliger Abkunft, nennen sich daher Dschuad und sprechen auch unverfälschtes Arabisch. Sie tragen sich sehr reinlich in ihrer Kleidung, lieben Jagd, Pferde, Fantasia’s und halten bei ihren Heirathen sehr auf reines Blut. Ob- wohl sie fast sämmtlich unter Zelten leben, besitzen sie doch in 'den Dörfern des Gebirges Häuser. Diese Dörfer dienen ihnen eigentlich nur zur Aufbewahrung ihres Getreides und sonstiger Vorräthe; die Häuser in denselben werden abwechselnd von den einzelnen Mitglie- dern der Familie bewacht. Gewöhnlich liegen die Dörfer oder Flecken an einem Flusse oder einer Quelle.

Merkwürdigerweise hat sich auf dem Djebel el Gada, dem höch- sten Punkte des Gebirges, ein kleiner Kabylenstamm, Kemamta ge- nannt, angesiedelt, über dessen Einwanderung man nichts Positives weils.

Das erste Dorf auf dem südwestlichen Theile des Djebel Amur ist Bu Allem (wörtlich: der Vater der Fahne); es ist nur von geringer Bedeutung, aber seine Umgebung ist reich mit Getreide bebaut. ‚Auf dem Nordabhange liegt der Ksur Tedmena mit 25—30 Häusern, fer- ner Aaflu an der Quelle gleichen Namens und auf der östlichen Spitze

Mittheilungen aus Algerien. 45

Sidi Buzid mit 50—60 Häusern. Dieses letztere enthält einen Mara- but, der beim Volke in grofsen Ansehen steht; alle Einwohner des Dorfes gehören der Kaste der Marabut an und werden Hal Sidi Bu- zid genannt. Auf dem Südabhange und zwar auf den westlichen Ausläufern liegt das Dorf Ainnuida mit 25—30 Häusern am Flusse gleichen Namens. Vier Lieues nordwestlich vom U&d Roddad zwi- schen zwei Felsblöcken, von denen der eine Djebel el Melch genannt wird, erheben sich die beiden Dörfer el Kadra und Taulala, von denen das erstere 30, das andere 100 Häuser zählt. Zwischen el Kadra und dem Ued Grischa sollen nach Aussage der Araber reiche Gipslager sich befinden. An dem Flusse Ued Grischa, der später als Uöd el Kaischa bei Tadjemut vorbeifliefst und von da ab sich U&d Mzi nennt, liegt noch das gleichnamige Dorf Grischa mit 100 Häusern.

e) Der Djebel Sahari.

Die östliche Fortsetzung der Kette des Djebel Amur auf der Höhe des Djebel Schabet wird Djebel Sahari genannt und erstreckt sich längs den Sebgha Zahrez und Hodna in fast beständig abfallenden Bergketten bis in die Nähe der Stadt Biskra. Obgleich viele bedeu- tende und stark frequentirte Stralsen über dies Gebirge führen, so sind (die Berichte, welche bisher über diesen interessanten Höhenzug zur Oeffentlichkeit gelangten, doch nur äufserst spärlich.

Soviel steht übrigens fest, dafs der Boden dieser Gegend noch 'fruchtbarer ist als der des Djebel Amur. Vorzugsweise gilt dies von dem Theile, durch welchen die von der Regierung angelegte Landstrafse von Boghar nach el Aghuat führt.

Sämmtliche Abhänge, Bergrücken und Thäler sind hier reich und dicht mit Gehölzen bedeckt, unter denen besonders aleppinische Fich- tenwaldungen hervorzuheben sind, welche bereits von der französischen Regierung ausgebeutet werden. Die Hochebenen sind mit Getreide- feldern bedeckt und in den Gärten sieht man viele Feigenbäume. Fünf Kilometer vor Djelfa hat das Geniecorps eine Wassermühle gebaut, welche die Bestimmung hat, die Ländereien der Uled Nayl regelrecht zu bewässern. Unweit derselben theilt sich der Weg und der eine Arm führt zu einer grofsen Waldung aleppinischer Fichten, der andere nach dem Kommandanturgebäude von Djelfa.

Der General Jussuf war es, welcher schon vor geraumer Zeit die- sen Platz zur Errichtung dieses Postens auswählte, und nicht leicht ist eine strategisch glücklichere Lage zu finden. Die späteren Ereignisse und besonders die Einnahme von el Aghuat haben den Beweis dafür geliefert. Der Posten sichert den ruhigen Verkehr der Stralse, beugt

46 L. Buvıy:

mit seiner Besatzung leicht jedem Aufstande der Uled Nayl vor und überwacht den ganzen Süden der Provinz Algier.

Am Eingange des Thales erhebt sich das Wohnhaus des Kalifa Si Scherif Bel Ahheresch und aufserdem befindet sich daselbst auch die Smala der Spahi von el Aghuat. Alle diese Gebäude sind von Gärten umgeben, deren Ertrag für die französische Besatzung eine grolse Annehmlichkeit ist.

Der Charakter des Djebel Sahari ist ebenso pittoresk als der des Djebel Amur und die schroff von einander klaffenden Felswände, die jählings umgestürzten Kegel zeigen, dafs die Natur hier gewaltsame Umwälzungen erfahren hat. Ueberall in den Thälern rauschen wasser- reiche Quellen, die im Winter zu Strömen angeschwollen gewaltsam sich ihre Bahn suchen.

Zahlreiche über das Gebirge hin zerstreut liegende römische Rui- nen beweisen, dals man schon im Alterthume die fruchtbare, zu Han- delsverbindungen mit dem Süden und dem Norden sehr geeignete Lage zu benutzen wulste.

Bewohnt wird der Djebel Sahari von den Uled Nayl, welche in die westlichen, Uled Nayl Raraba, und die östlichen, Uled Nayl Sche- raga, zerfallen. Die Uled Nayl Raraba bestehen aus neun Haupt- stämmen, während die Uled Nayl Scheraga, bedeutend zahlreicher, nach von mir eingezogenen Erkundigungen an 25 Stämme zählen sol- len. Beide zusammen sind circa 20,600 Köpfe stark, und durch gleiche Religion, Sitten, Vortheile eng mit einander verbunden und bilden des- halb eine für jene Gegenden sehr beträchtliche Macht, welche noch durch die von Natur unzugängliche Beschaffenheit des Terrains bedeu- tend gehoben wird.

Dessenungeachtet haben sie die jetzigen Besitzer des Landes als ihre Herren anerkannt und wenn sie auch scheinbar in ihren Gebir- gen in altherkömmlicher Weise unabhängig leben, so gehorchen sie doch den von der französischen Regierung als ihr Haupt eingesetzten Kaids und entrichten die üblichen nicht bedeutenden nach dem Wohl- stande der einzelnen Familien bemessenen jährlichen Abgaben ziemlich regelmälsig.

Der Einflufs eines solchen Kaid ist sehr hedeutend und er wird daher stets nur aus den angesehensten, reichen Familien gewählt, aber er darf nur mit Uebereinstimmung einer Djemäa, eines Rathes von angesehenen Männern, handeln. Um den Anordnungen des Kaid Nach- druck zu verleihen und nöthigen Falls Gehorsam zu verschaffen, ste- ben ihnen die Bureaur Arabes zur Seite und aufserdem hat jeder Kaid noch eine Smala von 50 berittenen Dienern (Spahi), welche die Ara- ber überwachen und die Befehle des Kaid ausführen müssen.

Mittheilangen atıs Algerien. AT

Uebrigens kommt es in diesen Gegenden nicht selten vor, dafs die Kaids, als ächte Araber habsüchtigen Charakters, sich Erpressun- gen zu Schulden kommen lassen, doch dauern derartige Bedrückungen nicht lange; denn kommen sie zur Kenntnils des Bureau Arabe, so werden die betreffenden Individuen schimpflich abgesetzt, oder im an- deren Falle verschaffen die Araber sich selber ihr Recht, indem sie die Kaids ermorden.

Weigert sich ein Stamm, dem Kaid die von der Regierung aus- geschriebenen Abgaben zu entrichten, so sendet das Bureau Arabe eine Abtheilung Spahi, welche durch den Gum des betreffenden Kaid ge- leitet werden, zu der renitenten Tribu und die Spahi führen dann mit Gewalt die Viehheerden derselben fort nach dem Sitze des Bureau Arabe. Ein solches Verfahren wird Razzia genannt und dies Wort stammt von dem arabischen Rhassua, dessen Wurzel rhasa einer Kriegs- expedition gleichbedeutend ist. Das auf diese Weise entführte Vieh, Rinder, Kamele, Pferde, wird, wenn bis zu einem bestimmten Tage der Aschur nicht entrichtet ist, von dem Chef des Bureau Arabe auf öffentlichem Markte versteigert und da die Araber’ besonders auf ihre Kamele nnd Pferde stolz sind und es höchst ungern sehen, wenn die- selben in den Besitz eines fremden Stammes kommen, so werden bei solchen Versteigerungen von ihnen enorme Preise bezahlt, damit sie nur wieder in den Besitz ihrer Thiere kommen !).

!) Eine kurze Erwähnung verdient die Natur der verschiedenen Abgaben, welche die französische Regierung der einheimischen Bevölkerung auferlegt, so wie die Höhe dieser Einkünfte für alle drei Provinzen, da dergleichen verbürgte Thatsachen am besten die ziemlich verbreitete Meinung widerlegen als zöge die französische Regie- rung von der eingeborenen Bevölkerung keine Einkünfte.

Die Abgaben der Araber bestehen

1) in dem Aschur (Zehnten) oder Abgaben auf die Cerealienerndte ;

2) dem Zekkat, Abgabe von den Heerden. An Stelle derselben tritt für die Provinz Constantine der Hokor, eine Geldabgabe, die sich nach der Aus- dehnung der bebauten Ländereien und der Gröfse der Heerden richtet;

3) die Lezma; sie wird allein von den nomadisirenden Saharabewohnern bei ihrem Eintritt in den Tell bezahlt. In der Provinz Constantine findet jedoch seit der Occupation von Tuggurt ein anderes Verfahren statt, in- dem die Oasenbewohner dort von jeder Dattelpalme 40 Centimen (also 3 Sgr. 4 Pf.) entrichten.

Der Betrag für die drei Provinzen stellte sich im Jahre 1853 folgendermalsen:

Provinz. 2 Por t Aschur. Lezma. Summe. Hokor. nn an nn a ne mn m mer mn Algier . . 2... | 580,017 fres.| 1,005,848 38,061 | 1,573,926 fres. erringen ee 3 745,871 37,880 | 1,294,899

"Constantine . . . . 842,799 963,043 | 1,596,423 | 3,402,265

2)

48 L. Buyry:

Da die Araber in der Beobachtung der religiösen Vorschriften sehr gewissenhaft sind, so nehmen die Verkünder des göttlichen Wor- tes unter ihnen auch eine sehr hervorragende Stellung ein und bei allen Gelegenheiten wird ihnen die höchste Achtung gezollt. Deshalb liefs die französische Regierung bei der Besitznahme des Landes es sich angelegen sein, die mohammedanischen Unterthanen von ihrer reli- giösen Toleranz zu überzeugen, und unterliefs Nichts was dazu bei- tragen konnte, die mächtigen Kalifa und Scherif zu gewinnen. Wir sehen daher auch überall wo dies gelang, dafs die Araber die franzö- sische Regierung anerkennen; bei Mifshelligkeiten zwischen den Tribus und ihren Kaids entscheidet häufig die vermittelnde Dazwischenkunft der Kalıfa.

In den oben aufgeführten Haupttribus scheiden sich wieder eine Menge kleinerer Fraetionen ab, deren Mehrzahl Viehzucht betreibt und unter Zelten lebt. Aus den statistischen Berichten des Jahres 1852 ergiebt sich, dafs ihre Heerden sehr bedeutend sind, sie bestehen aus ungefähr 16,150 Stück Kamelen, 1,515 Stück Pferde, 197,500 Ham- mel, 3,280 Stück Rindvieh.

Sie leben in völliger me erhen: von einander und ziehen in den Territorien umher, welche nördlich von Bu Saäda, im Süden durch den Uöd Djeddi, im Westen durch Scherf und el Aghuat und im Osten durch das Gebiet der Uled Djellal begrenzt werden.

Die Uled Nayl haben keinen Dschuad, gehören der arabischen Rasse an, besitzen einen rechtschaffenen Charakter, sind offen und gast- freundlich, sollen aber im Allgemeinen einen liederlichen Lebenswan- del führen; wie sie denn mit der Schönheit ihrer Frauen systematisch Handel treiben. Namentlich ist die Stadt Bu Saäda mit dieser Waare überschwemmt.

Die Frauen sind sehr geschickt in der Anfertigung von wollenen Stoffen und Kamelhaarzelten, welche sie auf ihren alljährlichen Reisen in den Tell gegen Getreide vertauschen. Ihre Getreidevorräthe be- wahren die Uled Nayl in den wenigen Daschera Dörfern des Djebel Sahari, also in Scherf, el Amel, el Allez, Amora und Bu Ferdjun auf, oder sie haben es in Silo’s wie in Ain Rerab, Ain el Medjedel, Ain el Melch, Ain Risch, auch in Sidi Khraled und an anderen Orten.

Von diesen Dörfern, die meist etwa 300 Einwohner zählen und von Gärten umgeben sind, habe ich auf meiner Südexpedition mehrere besucht und werden dieselben, da sie dem Süden Algeriens angehören, später besprechen.

Der einzige näherer Erwähnung werthe Ort des Djebel Sahari ist die Stadt Bu Saäda, der Vater des Glücks genannt. Diese Bezeich- nung deutet schon hinreichend darauf hin, dafs die Stadt unter den

Mittheilungen aus Algerien. 49

günstigsten Auspizien sich zu dem bedeutendsten Handelsorte des östli- chen Algeriens aufgeschwungen hat.

Bu Saäda 35° 13’ nörd. B. 5’ O.L. v. P., 1950 Fufs über dem Meeresspiegel belegen, wurde am 15. November 1849 von den Fran- zosen erobert und es leuchtete sehr bald ein, wie wichtig diese Posi- tion sei, deren Bewohner im steten Verkehr mit den Kabylen, den Uled Nayl, den Bewohnern der Ziban, dem U&d Rir und Suf, so wie mit el Aghuat und den Oasen der Beni M’zab stehen; so dafs auf diese Weise Bu Saäda der Mittelpunkt des Verkehrs der weit umher zer- streutliegenden Stämme und zugleich die Hauptniederlage ihrer Pro- ducte ist.

Die Stadt wurde zu einem bedeutenden französischen Posten er- hoben, in welchem aufser einem arabischen Bureau eine ziemlich starke Besatzung von arabischen (Turcos) und französischen Soldaten, steht, die durch den tapferen und umsichtigen Obersten Pein commandirt wird.

Obgleich in jüngster Zeit einige Neubauten im europäischen Ge- schmacke errichtet worden sind und nicht wenig Beamte und han- deltreibende Europäer die Stadt bewohnen, so hat dieselbe nur wenig von ihrem arabischen Typus eingebüfst. Die Häuser sind fast sämmt- lich aus Erde aufgeführt. Die Stadt enthält acht Quartiere und fünf Moscheen, von denen die in Aschascha die schönste ist, und ist von herrlichen Gärten umgeben, in denen Granaten, Feigen, Aprikosen, Psirsich, Dattel, Mastixbäume auf das Beste gedeihen. Auch werden in den Gärten viele Gemüse gebaut. In der Nähe werden Gipsgru- ben ausgebeutet. Die Zahl der Bewohner beläuft sich auf 3600; sie sind sehr industriell und theils Waffen- oder Grobschmiede, theils Fär- ber und Weber. In zahlreichen Läden werden von den Arabern die Producte des Tell und des Sudan feilgeboten; in neuerer Zeit ist namentlich Wolle ein sehr starker Handelsartikel geworden. An Sei- fenfabriken befinden sich vierzig in der Stadt. Alle Tage findet auf dem Platze Rahbat el Nader ein grofser Markt statt, der stets von Fremden stark besucht wird.

Eine Menge Juden haben sich in Bu Saäda niedergelassen; sie bewohnen ein besonderes Quartier, el Argub genannt, besitzen eine Synagoge, Schulen und einen besonderen Kirchhof. Ihre Kleidung ist ebenso wie im ganzen südlichen Algerien und um den Fels geht eine schwarze Schaschia herum. Im Ganzen stehen sie in gutem Einver- nehmen mit den Arabern, mit denen gleiche Neigungen und Zwecke sie verbinden; sie sind gröfstentheils Goldschmiede, Schneider, Gold- sticker oder Wollkämmer. Einige wenige dienen bei den abzuschliefsen- den Handelsgeschäften als Unterhändler.

Fünf Lieues südöstlich von der Stadt und südlich von Bu Ferdjun

Zeitschr, f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. A

50 Miscellen:

befinden sich römische Ruinen, die nach ihrer Ausdehnung zu schliefsen, einer ansehnlichen Stadt angehört haben müssen. Diese Ruinen, unter denen die Stadtmauer noch Theilweise vorhanden ist, werden von den Arabern el Guscherra genannt.

Den östlichen Theil des Djebel Sahari, dessen Bergstöcke auffal- lend niedrig erscheinen und nur den Uebergang zum Djebel. Aures vermitteln, so wie die zwischen diesen Höhen sich ausbreitenden Ebe- nen bewohnen die Sahari, welche sich in die Uled Mansur, Mzari, Uled Amör, et Tlet, Uled Daud, Rgaiett, el Kantra, und el Uthaja scheiden. Einige davon wohnen in Dörfern, die übrigen als Nomaden. . Während der Winterzeit bewohnen diese den nördlichen Theil der Ebene von Uthaja bis in das Gebirge hinein, ziehen während der wärmeren Jahres- zeit zu den Haraktas von Mäder und verweilen in den Ebenen südlich des Nifensser und Güeriun und des Gebietes der Zmul, als deren südöstliche Grenze der Djebel Azem mit den Ruinen von Maidgh-Azem oder Madragen angenommen wird. Sie zählen ungefähr 3170 Seelen, zu denen die Bevölkerung der Dörfer von el Kantara noch mit 1620 und die von el Uthaja mit 80 noch hinzu kommt, also zusammen 4870 Seelen.

Die Bevölkerung der Sahari entzieht sich gern den der Regierung zu zahlenden Abgaben und wird dann regelmäfsig von Biskra aus durch eine Razzia heimgesucht. Ihre Hammelheerden sind bedeutend und an Kamelen besitzen sie ungefähr 6000 Stück, Pferde aber nur wenig. Auf ihrem Gebiete befinden sich ausgedehnte Gärten, in denen nament- lich die Pflege der Dattelbäume fast ausschliefslich die Thätigkeit der Bewohner in Anspruch nimmt. Die Früchte dieser Bäume sind ziem- lich gut.

Miscellen.

Eine Besteigung des Grolsglockners.

Im Herbst des Jahres 1855 bestieg der österreichische Major Sonklar Edler von Innstädten mit 3 Gefährten und 5 Führern den Grofsglockner, worüber er einen in mancher Beziehung lehrreichen Bericht ') geliefert hat, der einer allge- meinen Verbreitung werth ist und aus dem wir daher in diesen Blättern das Fol- gende mittheilen.

Die Gesellschaft verliefs am 4. September Nachmittags 5 Uhr Heiligenblut,

!) Reiseskizzen aus den Alpen und Karpathen. Wien 1856, 8.

Eine Besteigung des Grofsglockners. 51

von wo aus der Weg eine Strecke abwärts bis zu einer Brücke über die Möll führte, die hier eigentlich noch den Namen des Pasterzenbaches trägt und durch die milchweilse Farbe ihres Wassers die hohe Abkunft, der sie sich rühmen kann, verräth. Die absolute Höhe des Thales beträgt an dieser Stelle etwa 4000 Fufs, dennoch wächst und gedeiht hier noch mit Vortheil Korn, wenngleich es erst vor wenigen Wochen zur Reife kam. Nach drei Viertelstunden erhebt sich der Pfad links auf die felsigen und waldbedeckten Abhänge des Saukopfes, wo bald der schöne Göfsnitzfall zu Gesicht kommt, durch den der weiter oben liegende Göfsnitzgletscher seinen Wassertribut herab in das Thal der Möll schüttet. Schon fing es.an zu dämmern, als die Gesellschaft etwa um 74 Uhr das Leiterthal er- reichte, welches, am südlichen Abhange des Glocknerkammes entspringend, sich in seinem Laufe in einem Bogen gegen Osten wendet und etwa anderthalb Stun- den oberhalb Heiligenblut in das Möllthal mündet. Es liegt demnach mit Rück- sicht auf den Glocknerkamm auf der, der Pasterze entgegengesetzten Seite. Die Besteigung des Grofsglockners ist jedoch nur auf dem Wege durch das Leiterthal möglich, da auf der Pasterzenseite die furchtbare Steilheit und Zerrissenheit der beiden Glocknergletscher jeden Versuch einer weiteren Annäherung an den Gipfel, als etwa der ebene Eisboden der Pasterze reicht, als eine Tollkühnheit erscheinen liefse. Man betritt das Leiterthal weit oberhalb seiner Mündung und hier stellt es sich, besonders in der Richtung nach aufwärts, als eine Art Wolfsschlucht dar, in deren Tiefe der nicht unbeträchtliche Leiterbach mit betäubendem Geräusche dahinbraust. Bald beginnt der verrufene Katzensteig, der wohl zur Nachtzeit etwas gefährlich ist, bei Tage aber einem an Hochgebirgspfade auch nur halb- wegs gewöhnten Bergsteiger keine erheblichen Schwierigkeiten darbietet. Der Pfad windet sich nämlich durch die steilen und rissigen Abhänge der linken Thal- wand empor, ist meistentheils sehr schmal, hie und da höchst steil und uneben, läuft nicht selten über glatte und stark geneigte Schieferblöcke und hat durchweg den oft 100 bis 200 Fufs tiefen Absturz gegen den Leiterbach zur Seite. Nach 44 Stunden erreichte man die Leiterhütte, die, 6240 Fufs über dem Meeres- spiegel gelegen, neben einer steilen Felswand erbaut ist. Wer am folgenden Tage auf den Gipfel des Grofsglockners gelangen und Abends wieder in Heiligenblut eintreffen will, mufs in dieser Hütte übernachten, die aber nur ein dürftiges und allen Winden zugängliches Obdach bietet.

Um 1 Uhr Morgens nahm die Gesellschaft das Frühstück ein und machte sich um 2 Uhr wiederum auf den Weg. Da der, zwar hoch am Himmel stehende Mond die Gegend nicht hinlänglich beleuchtete, so versahen sich die Führer mit Laternen, mit deren Hülfe es schnell über die Fortsetzung des Katzensteigs bergan ging. Die Nacht war empfindlich kalt und Reif bedeckte den Boden. Um 33 Uhr war das obere Ende des Leiterthals erreicht und die Wanderer befanden sich nun am Fufse einer gewaltigen Randmoräne, über die der dahinter liegende Leiter- gletscher, der eisbedeckte Glocknerkamm und der Glocknergipfel selbst, vom Monde bleich beleuchtet, herübersahen. Hier wurde einige Minuten geruht. Nach der ziemlich mühsamen Ueberkletterung der aus lockerem Schutt gebildeten Mo- räne betraten sie sofort den Leitergletscher, der, vom Glocknerkamme herabstei- gend, die ganze obere Thalmulde zwischen der langen Wand rechts und den Abfällen des Kellerberges links in der Breite von einer Drittelmeile bedeckt. Es

A*

52 Miseellen:

ist ein schöner seeundärer Gletscher von nicht unbeträchtlicher Gröfse, der nicht weniger als acht Mittelmoränen besitzt.

Bei der geringen Neigung seiner Oberfläche war das Ueberschreiten selbst in der Firnregion mit nur geringer Mühe verbunden. Der Schnee war fest gefroren und knirschte unter den Füfsen. Klüften begegnete man nur selten, die dann leicht umgangen oder übersprungen wurden. Doch nun begann ein wundervolles Schauspiel. Schon früher beim Betreten des Leitergletschers zeigten sich gegen Sonnenaufgang die Vorboten des nahenden Tages; der Himmel hatte sich in je- ner Gegend zuerst mit einem schwachen Roth überzogen, welches nach und nach immer dunkler ward und später in ein tiefes, zart verlaufendes Gelb überging. Diese Färbung hatte eine bestimmte Grenze, die sie deutlich von dem dunkeln Azur des übrigen Himmelsraumes trennte und die Region des Lichts von der der Finsternifs schied. Diese Grenze, die sich am Himmel als ein grofser Bogen projectirte, schritt nun rasch gegen Westen vor, verbreitete immer mehr Licht über die Erde, nahm aber immer mehr an Deutlichkeit ab, bis sie endlich ganz verschwand, und nun loderte plötzlich der Gipfel des Grofsglockners, von den ersten Strahlen der Morgensonne beleuchtet, in dunkelrother Gluth auf. Vor dem azurnen Hintergrunde stehend, glich dieser Berg einem silbernen Obelisken mit rothglühender Spitze. Man befand sich jetzt in einer Höhe von 9000 Fuls. Gleich nach dem Grofsglockner fing der hohe Schober, der höchste Gipfel des Göfsnitzgletschers, dann die Hohewarte und so nach und nach die näheren und ferneren Spitzen Kärnthens und Tirols zu glühen an. Interessant war der Blick auf dieses Labyrinth von Bergen, aus dem die von rosenrothem Lichte angeflo- genen Spitzen deutlich hervortraten, während die Thaleinschnitte noch dunkel- blaue Nacht bedeckte.

In den höheren Theilen des Leitergletschers wurde, der zunehmenden Steil- heit wegen, das Besteigen etwas mühsamer. Die Bewegung geschah, die Zick- zacks abgerechnet, in der Längenaxe des Gletschers, und um 53 Uhr ward der Fufs des Glocknerkammes unterhalb der hohen Warte erreicht. Dieser, der sich vom gegenwärtigen Standpunkte aus nur in seiner Erstreckung vom Glockner- gipfel bis zum Kellerberge übersehen liefs, stürzt gegen die Leiterseite überall furchtbar steil ab und ist meist mit Eis und Hörnerschnee bedeckt; nur hie und da ragen kahle Klippen und dunkle senkrecht aufsteigende Felswände aus dieser weilsen Decke hervor. Zwei dieser Wände werden durch die hohe Warte und den Kellerberg gebildet, und durch die Kluft zwischen ihnen drängt sich, aus den obersten Firnlagen des Kammes entspringend, -ein schmaler, unter einem Neigungs- winkel von fast 40° herabsteigender Eisstreifen hervor, der zu beiden Seiten von steilen Felsmauern eingeschlossen, einem erstarrten Wasserfalle gleicht und sich zuletzt in dem Firnmeere des Leitergletschers verliert. Dieser Hohlweg, dessen Höhe von dem weitklaffenden Schrunde bei seinem Ausgange bis zur Scharte unge- fähr 300 Fufs betragen mag, bildet die einzige praktikable Verbindung mit dem Glocknerkamme. Es wurden nun die Steigeisen aufgeschnallt und in scharf abge- bogenen Approchen an der Hand eines Führers aufgestiegen. Nicht blofs in der Steilheit sondern noch mehr in der Ebenheit und Glätte lag die Schwierigkeit des Weges. Um 63 Uhr war man am Kamm des Gebirges angelangt. Von der Scharte biegt nun der Weg unter einem rechten Winkel gegen die linke Seite

Eine Besteigung des Grofsglockners. 53

ab und verläfst bis zum Glocknergipfel den mit eompactem Schnee bedeckten Kamm nicht mehr. Nach einigen Minuten war die Höhenwarte, 9813 P. F. erreicht. Bald nachher schärft sich der Kamm zu einem schmalen, felsigen Grat zu, der nach beiden Seiten, sowohl gegen den Leitergletscher, wie gegen die Pasterze, so steil abfällt, dafs hinabgeworfene Steine hier wie dort in gewaltigen Sprüngen bis auf den Boden des Thales hinabsetzen. Wild zerklüftete Eismassen bedecken die Abhänge nach beiden Richtungen und mahnen den eilenden Fufs an die drohende Gefahr. Doch ist der Weg bis zur Adlersruhe weder besonders mühsam, noch gefährlich. Die meist sanft abgedachten Flächen, mittelst welcher sich das Gebirge von Terrasse zu Terrasse erhebt, sind eher geeignet, den Muth des rüstigen Wanderers zu beleben, als ihn zu schwächen. Der Böschungswinkel bewegt sich zwischen 10 und 17 Graden: Hier erhob sich ein eiskalter, schnei- dender Nordost, der bald so heftig wurde, dafs er die festgefrorenen Schnee- flächen aufwühlte und den Schnee in die Luft emporhob. Endlich war die Adlers- ruhe erreicht, ein schmaler, aus Fels bestehender Absatz des Kammes 10,432 P. F. hoch, der letzte Ruhepunkt vor der Besteigung des eigentlichen Glocknergipfels. Dieser lag noch etwa 1800 Fufs hoch gleich einem Zuckerhute vor den Wande- rern und schien seiner Steilheit wegen gar nicht besteigbar.

Von der Adlersruhe aufwärts gewinnt die Neigung des Abhanges sogleich das beträchtliche Maafs von 25 bis 30 Graden und dieser Böschungswinkel wächst sehr schnell, gleichzeitig wird der herabziehende Rücken schmäler, wodurch bald alle ausholenden Zickzacks aufhören und der Weg sich in einer graden Linie gegen die Spitze bewegt. Jetzt wurde auch das Steigen über die steinharte Schnee- fläche, das ihrer grofsen Neigung wegen sehr ermüdete, in hohem Grade be- schwerlich; nach einer halben Stunde ward der Abhang aber so steil und die Gefahr des Ausgleitens so grols, dafs die Art des Aufsteigens geändert werden muls. Jeder Passagier wird nämlich von seinem Führer an das Seil genommen, die Gesellschaft ordnet sich zu einer Reihencolonne, wobei der Führer vorangeht und der letzte ledige Führer sich an die Spitze setzt, um mit der Haue Stufen in die festen Eiswände zu graben. Auf diese Weise ging es nur langsam vorwärts.

Bald nachdem die Erbauung dieses Treppenwerkes ihren Anfang genommen, hatte sich der schmale Rücken über den man aufwärts stieg, zur Breite von eini- gen wenigen Schritten zugeschärft, so dafs man jetzt nach beiden Seiten den Blick in grauenvolle Tiefen frei hatte. Wer jetzt ausglitt oder mit den Füfsen den Boden verlor, würde den zwischen 4 bis 5000 Fufs tiefen Abgrund hinab- gestürzt sein. Freilich war das eine Ende des Strickes fest um den Körper geschlungen, während der Führer das andere um seinen linken Arm gewunden hatte, aber auch einer der Führer konnte ausgleiten und dann etweder mit seinem Seilgefährten allein oder mit noch anderen Personen, die er etwa im Sturze mit sich rifs, hinab in die Tiefe stürzen. Die Grofsartigkeit und Erhabenheit der Umgebung nahm die Aufmerksamkeit der Gesellschaft so in Anspruch, dafs sie für Regungen der Furcht keine Zeit fand. Das Aufklimmen über die Eistreppe geschah ruckweise, in dem Maalse, als 6 bis 8 Stufen fertig wurden.

Jenseits der Mitte zwischen der Adlersruhe und dem Gipfel traf der Stufen- pfad auf eine scharfe Schneekante, die von vorausgegangenen heftigen West-

54 Miscellen:

winden erzeugt, von der Bergspitze gerade herablief, sich dann nach rechts wendete und in der Tiefe verlor. Dieser Kante, die die Linie des geringsten Falles be- zeichnete, folgte jetzt der Weg im Abstande von wenigen Zollen. Interessant war es anzusehen, wie die durch das Einhauen der Stufen losgelösten Schnee- schollen erst mit rasender Geschwindigkeit vorüber fuhren und dann, je nachdem sie rechts oder links ausgeworfen wurden, entweder gegen die Pasterze oder gegen den Leitergletscher das Weite suchten. Hier wuchs die Steilheit des Weges mit jedem Schritte und erreichte endlich sogar das Maals von 49 Graden. Zu den hieraus entspringenden mechanischen Schwierigkeiten des Aufsteigens gesellte sich nun auch in immer steigendem Maafse ein Druck auf die Brust, der das Blut zum Kopfe trieb und Kopfschmerzen erzeugte. Die dünne Luft dieser zwölft- halbtausend Fuls überschreitenden Höhe genügte während der Bewegung dem Bedürfnisse der Lungen nicht mehr und es trat keuchende Respiration ein, dabei Eingenommenheit des Kopfes mit Neigung zum Schlafen und Brechen. Hierzu kam nun jetzt drückende Hitze, indem die von der glänzenden Schneefläche reflec- tirten Sonnenstrahlen mit einer stauenerregenden Kraft wirkten. Nach zweistündigen Mühen seit dem Aufbruche von der Adlersruhe war um 11 Uhr der erste oder niedrigere Gipfel des Grofsglockners betreten, der blofs eine nach der Steilheit der beiden Seitenwände zugespitzte Schneescheide war. “Die Führer gruben hier eine Art Kanapee in den Schnee, auf dem ungefähr eine halbe Stunde lang aus- geruht ward, bis die Führer alles zum Uebergang auf den höheren Gipfel Nöthige vorbereitet hatten, wobei auch sie sich gegenseitig zusammenbanden.

Die Gesellschaft sals mit dem Gesichte gegen die Sonne, die glühende Strah- len herabsandte. Die Schneewand schols zu ihren Fülsen so steil in die Tiefe, dafs die Bergstöcke in den durch die Sonnenwärme unterde(s etwas aufgelocker- ten Boden nur dann sicher eingerammt werden konnten, wenn sie oben vom Leibe entfernt wurden, um ihre Richtung mit der Ebene des Abhangs in den erforder- lichen Winkel zu versetzen. Das Thermometer zeigte in der Sonne nicht weniger als + 23° R., seit der Adlersruhe, wo die Temperatur betrug, hatte also eine Differenz von 26° stattgefunden. Im Schatten sank das Thermometer da- gegen auf 463°, so dafs zwischen der Temperatur in der Sonne und im Schat- ten eine Differenz von 163° stattfand. Die Höhe des Gipfels beträgt 12,088 P. F.

Der Uebergang zum höhern Gipfel geschah einzelweise, da jetzt jeder gegen vorne wie gegen rückwärts in’s Seil genommen wurde und daher zwei Führer bedurfte. Vom Kanapee aus führte der Weg längs der, etwa 50 bis 60 Fufs langen Schneeschneide des Gipfels, auf einem Pfade weiter, dessen Breite die einer Handfläche kaum übertraf und von den Führern mit der Haue in die Schnee- wand eingerissen worden war. Die Gipfelschneide lag zur Rechten, um 3 bis 4 Fuls höher als der Fulssteig und konnte als Geländer dienen; der fest dagegen gestemmte Bergstock durchstiefs diese dünne Schneekante, so dafs man durch die Oeffnung den jenseits in der Tiefe liegenden Pasterzengletscher erblicken konnte. Am jenseitigen Ende des Gipfels .angelangt, setzte der Weg auf die nördliche oder Pasterzenseite über und senkte sich jetzt, immer längs der in ihrer Schärfe sich gleichbleibenden Schneescheide hinführend, in fast senkrechtem Ab- eturze zu jenem Sattel herab, durch welchen beide Gipfel mit einander zusam- menhängen. Hier mulste man sich umkehren, wie beim Herabklettern über eine

Eine Besteigung des Grofsglockners. 55

Leiter, ein Führer schritt einige Stufen voraus hinab, indefs der auf dem Gipfel zurückbleibende zweite sich mit den Füfsen und Knien fest in den Schnee ein- grub, da die Sicherheit des Hinabsteigenden meist von der Festigkeit des oberen Seiles abhing. Mit. dem einen Fufse in der oberen Stufe stehend, mufste man mit. dem anderen die nächste Stufe suchen; da aber bei der grofsen Steilheit des Abhangs die Stufen nur sehr weit von einander entfernt angelegt werden konn- ten, da sie sonst im Schnee leicht durchgetreten worden wären, so war die nächst- tiefere Stufe nur dadurch zu erreichen, dafs der obere Fuls seine Stufe verliefa und der Körper-am Seile hängend, langsam hinabglitt, wobei der untere Führer den Fufs ergriff und ihn vorsichtig in die gesuchte Stufe einsetzte. Solcher Stu- fen: gab es sechs bis acht. Das Absteigen über diese vertikale, lockere und nicht mehr. als Fufsbreite Treppe, die über einem Abgrunde von 5000 Fufs Tiefe hing wird gewils von dem kühnsten Bergbesteiger als ein nicht zu verachtendes Muth- pröbehen willig anerkannt werden und dennoch erschien es lange nicht so grauen- voll,»als die kurze Passage über den Sattel selbst. Hier sah man sich auf einer durch Felsen gebildeten und von etwas Schnee geebneten, 4 bis 6 Zoll breiten Schneide, mit Felswänden von so entsetzlicher Steilheit zu beiden Seiten, dafs sich die Hände, die keinen greifbaren Gegenstand in ihrer Nähe fanden, unwill- kührlich dem Boden näherten, um den Schwerpunkt des Körpers tiefer zu stellen: Zum Glück betrug die Länge dieses Sattels nur höchstens 36 Fuls, er war in wenigen Augenblicken überschritten. Nach solchen Gefahren war das Erklimmen des noch etwa 120 Fufls über dem Sattel sich erhebenden eigentlichen Glockner- gipfels, ungeachtet seiner Steilheit, nur ein Spiel. Nach 14stündigem Marsche von Heiligenblut aus ward derselbe um 12 Uhr Mittags erreicht.

Die Aussicht, die sich hier darbot, gehörte zu den grofsartigsten. Da der Grofsglockner in seiner dominirenden Stellung durch keinen andern nahestehen- den, gleich hohen oder höhern Berg beeinträchtigt wird, so ist die Rundsicht vollkommen und umfalst ein so weites Gebiet, wie es vielleicht in Europa nur von der Spitze des Montblane und Monte Rosa in gleichem oder gröfserem Um- fange überblickt werden kann. Der Tag war rein, wie ein Diamant; nirgends war auch nur das kleinste Wölkchen oder ein Nebel sichtbar und die Luft war so frei von Dünsten, dafs sich die grölsten Fernen, ja selbst die Ebenen des südlichen Deutschland in vollkommener Klarheit übersehen liefsen.

Der Berichterstatter versucht es die Grenzen des übersehbaren natürlichen Horizonts zu bezeichnen, so weit dies mit Hülfe eines nicht sehr guten Fern- rohres möglich gewesen. :

Am nächsten lag diese Grenze gegen Süden, wo der hohe Bergwall der karnischen Alpen die dahinter liegende venetianische Tiefebene den Blicken ent- zog. Vom Terglou sah man den ganzen Bergzug dieser Alpen mit allen ihren Spitzen: den grofsen Mannhart bei Tarvis, den Kreuzberg und die Cima grande im Gailthal u. a. m. Kurz vor der Ankunft auf dem niedrigeren Gipfel des Grofsglockners schien es dem Erzähler, als wenn er durch eine tiefere Einsatt- lung dieses Gebirges, eine oben durch eine horizontale Linie abgeschnittene Wasser- fläche blitzen sähe, die er für den Spiegel des adriatischen Meeres hielt. Auf dem höheren Gipfel war dieser Glanz, selbst mit Hülfe des Fernrohrs nicht zu erkennen, so dals-er die frühere Wahrnehmung für Täuschung hielt. Doch

56 Miscellen:

wollen auch Andere vom Glocknergipfel das adriatische Meer erblickt haben und der Grund des späteren Verschwindens scheint in dem verschiedenen Brechungs- winkel der Luftstrahlen durch die am Horizonte lagernden Dünste zu liegen.

Etwas weiter nach Westen zeigt sich die Vedretta marmolata mit ihrem Gletscher und nebenbei die weilsen Zacken des Schlerns und die übrigen Dolomit- berge bei Botzen. Jenseits dieser Höhen sah man noch andere Gebirgszüge in unbestinnmter Anzahl, von denen der äufserste der des Monte Baldo bei Verona gewesen zu sein scheint. Nun folgte die Gletschergruppe des Monte Adamello und der Vedretta di Caresallo, an der Grenze zwischen Südtyrol und der Dele- gation Brescia und dann in noch mehr westlicher Richtung das System des Ortles mit seinen weit ausgedehnten Eisfeldern. Zwischen dem letztgenannten Gebirgs- zuge und den Gletschern des Oetzthales erblickte man in weiter Entfernung eine langgestreckte Reihe schneebedeckter Berge, die Kette der lepontinischen Alpen mit der Bernina und dem Monte delle Disgrazie.

Das mächtige Gletschersystem des Oetzthales stand mit der Stellung des eben- genannten Alpenzuges verglichen, so nahe, dafs es für die Fernsicht fast wie ein Hindernifs erschien. Nur die hervorragendsten Spitzen: der Similauen, die Weifskugel und die Wildspitze waren leicht zu erkennen. Rechts lag in noch gröfserer Nähe die Gruppe der Stubaier-Fernen.

In der Linie der Stubaigletscher, aber weit jenseits derselben, konnte man mit Hülfe des Fernrohrs noch deutlich jenen mächtigen, eisbedeckten Bergkamm erblicken, längs welches die Grenze zwischen Vorarlberg und Graubündten hin- zieht. Der Albuinkopf, die Rad-, Litzner-, und Strohfettnerspitze und die Scesa- plana sind seine höchsten Gipfel.

In nordwestlicher Richtung verlor sich der Blick endlos in das würtember- gische Hügelland und die bairische Hochebene. Gegen Norden erblickte man den Böhmerwald und das böhmisch-mährische Grenzgebirge und weiter östlich die kleinen Karpathen. Gegen Osten konnte der Blick mit Sicherheit den gan- zen Zug der norischen Alpen verfolgen, dasselbe war der Fall bei den steyrischen Gebirgen, jenseits welcher die Ebene des westlichen Ungarns als eine grade Linie den Gesichtskreis auf dieser Seite abschlofs.

Innerhalb dieses ungeheuren Kreises stand nun Berg an Berg, gleich den Riesenwogen eines inmitten seiner wildesten Empörung plötzlich starrgewordenen Oceans. Ohne grofse Mühe liefsen sich aber die Depressionen des Drau- und Pusterthales, des Vintschgaues, des Wipp-, Inn- und Zillerthales, des Pinzgaues u. A. erkennen. In die naheliegenden kleinen Thäler aber, z. B. das obere Möll- thal, das Leiter-, Kalser-, Isel-, Wiegen- und Teffereggenthal konnte man fast so hineinsehen, wie von einem Kirchthurm in die umliegenden Strafsen der Stadt.

War dieses Rundbild in seiner Totalität von fast sinnverwirrender Grofs- artigkeit, so war dafür manches Detail unendlich schön und reizend. Gegen Nor- den lag in der Tiefe der herrliche Pasterzengletscher, $ deutsche Meilen lang. Ihn überragte hochthronend das Wiesbachhorn und schien von hier aus fast mit. den Händen greifbar. Rechts hin strich die östliche Hälfte der 'Tauernkette; südwärts glänzten unter den blendenden Reflexen des Sonnenlichts die breiten Schneefelder der nachbarlichen Göstnitz. In westlicher Richtung begegnete das Auge zunächst einer weitausgedehnten Eisfläche, aus welcher die schöne weilse

Die Regentschaft Tripolis. 61;

Pyramide des Sulzbacher Venedigers 11,400 Fufs hoch, mächtig emporstieg. Ihr zur Seite doch etwas mehr rückwärts, erhob die Dreiherrenspitze ihren Silber- scheitel, hinter der sich die Gletscherzeilen des Zillerthales grofsentheils verbar- gen. In etwas nach Süden abweichender Richtung hob sich nebenan die kleine Fernergruppe von Antholz in Tyrol klar und kräftig aus der blauumschatteten Masse der übrigen Berge hervor.

Gegen das blendende Weifs der Schneeberge und das düstere Grau der Fel- sen bot das helle Grün der nahen Thäler einen freundlichen Gegensatz.

Je länger die Gesellschaft auf dem Gipfel verweilte, desto mehr veränderte sich das Aussehen des Himmels. Seine schöne dunkle Farbe hatte sich in ein tiefes Schwarzblau verwandelt, dessen Ton mit der Farbe von dunkelangelaufenem Stahl einige Aehnlichkeit zeigte. Noch deutlicher trat dieses unheimliche Colorit hervor, als sie rückkehrend die Adlersruhe wieder erreicht hatten. Der weils- strahlende Gipfel schien vor dem dunklen, fast grünblauen Himmel von einem röthlichen, fremdartigen, magischen Lichte beleuchtet.

Der Gipfel selbst stellt sich von der niedrigeren Spitze angesehen als ein schlankes, etwas gegen Norden geneigtes, scharf zugespitztes Horn dar, auf dessen unebenem, felsigen Rücken höchstens zwölf Personen sichere Ruheplätze finden. Die Felsart, aus der er besteht, ist dunkelgrüner Chloritschiefer. Nach der baro- metrischen Messung der Gebrüder Schlagintveit, beträgt seine absolute Höhe 12,158 P. Fufs.

Nach anderthalbstündigem Aufenthalte wurde der Rückweg angetreten, wobei die Scharte zwischen den beiden Spitzen dieselben Schwierigkeiten, wie bei der Besteigung, darbot, die Abfahrt über die steile Schneefläche bis zur Adlersruhe aber leichter von Statten ging; sie war nach einer Stunde erreicht. Unangenehm war jetzt das Ueberschreiten des Leiterfirns, in den sich die Füse tief eingruben. Um 7 Uhr Abends nach 37stündiger Abwesenheit und einem 25stündigen Marsche traf die Gesellschaft wieder in Heiligenblut ein. H.

Die Regentschaft Tripolis.

Unter dem Titel: „Notice statistique et commerciale sur la Regence de Tripoli de Barbarie. La Haye 1856“ hat Herr E. Testa, niederländischer Consul in Tripolis, eine kleine Abhandlung über die Productionsfähigkeit und die commer- ciellen Verhältnisse dieses Paschaliks veröffentlicht, mit denen ihn ein zehnjähri- ger Aufenthalt im Lande bekannt gemacht hat. Wir heben aus der in mancher Beziehung lehrreichen Schrift folgende Angaben hervor.

Das Paschalik Tripolis zerfällt in die 4 Sandjaks Fezzan, Benghazi, Mesu- rata und Ghadämes, von denen jedes unter einem Kaimakan steht; die von Fez- zan und Ghadämes führen den Titel Pascha. Das Stadtgebiet von Tripolis be- findet sich unter der unmittelbaren Aufsicht des Generalgouverneurs. Bis zum Jahre 1835 herrschten über die Regentschaft erbliche Pascha’s aus dem arabischen Fürstenhause der Caramanli; seitdem hat die hohe Pforte, nicht zum Vortheil

58 Miscellen:

des Landes, nicht weniger als 11 Generalgouverneurs hingeschickt, von denen die ersten nur ein Jahr ihr Amt verwalteten; da sie anfangs nicht einmal ihre Frauen mitnehmen durften diese blieben als Unterpfand der Treue in Constantinopel = betrachteten sie selbst ihre Stellung als eine vorübergehende und suchten das Land zu ihrem eigenen Vortheile möglichst auszubeuten.

Die Einkünfte des Paschaliks genügten nicht blofs zur Bestreitung der Ver- waltungskosten und zur Unterhaltung des etwa 10,000 Mann starken Heeres, son- dern ergaben einen Ueberschufs, von dem man in guten Jahren bis 4000 Börsen (434,780 Fres.) nach Constantinopel senden konnte. Bei dem Beginn des Krie- ges gegen Rufsland hat das Land eine aufserordentliche Abgabe von mehr als 24 Millionen Franes aufgebracht. Diese Einnahmen stammen zum Theil aus directen Abgaben, nämlich dem Zehnten von allen Bodenprodueten, dem Tribut nomadisirender Stämme, der Judensteuer, die en bloc ausgeschrieben und von dem Grofs-Rabbiner auf seine Glaubensgenossen vertheilt wird, endlich einer sehr ceulturschädlichen Abgabe von 2% Piaster Constant. auf jeden Oel- oder Dattel- baum, 20 Piaster auf jedes Stück Hornvieh, und 40 Piaster auf je ein Kameel, 10 Schafe oder 20 Ziegen. Dafls viele Personen, um der letztern Abgabe zu entgehen, ihre Heerden über die Grenze schieken, und andere die ältern, aber noch tragfähigen Fruchtbäume umhauen, ist nicht zu verwundern; damit das Land nicht ganz veröde, haben einige aufgeklärte Pascha’s die jungen Bäume auf 3 bis 4 Jahre für steuerfrei erklärt; aber die Wirkung dieser Abgabe erkennt man deutlich darin, dafs die Umgegend von Tripolis, wo die Steuer nicht existirt, son- dern jeder Garten oder nach dem dortigen Sprachgebrauch jeder Brunnen für kriegerische Zeiten einen vollständig ausgerüsteten Reiter stellen mufs, Garten an Garten aufweist, während andere nicht minder fruchtbare Striche verhältnifs- mäfsig öde sind. Die indireeten Steuern fliefsen aus der Verpachtung der Zölle (5 Proc. für eingehende, 12 Proc. für ausgehende Waaren) und Monopole, Zu den letzteren gehört die Brennerei 'und Destillation, die Fischerei (8 Proc. von den zu Markte gebrachten Fischen), der Tabacksverkauf und einige andere etwas seltsame Monopole. So verpachtet die Regierung die Abgaben von Gold- und Silbergeräthschaften, die nicht verkauft werden dürfen, wenn sie nicht von dem Pächter der Abgabe gestempelt, gewogen und mit einer Gewichtsangabe versehen sind; wer dagegen handelt, empfängt die Bastonnade; für die Stempelung erhält der Pächter 124, und für das Wiegen 20 bis 25 Para’s von der Unze. Ferner müssen alle zum Verkauf bestimmte Waaren öffentlich gewogen werden; ‚der Pächter dieser Waage empfängt für ein Kilogramm einen Para. Auch die Lie- ferung von Fleisch für das Militär wird verpachtet, und der Pächter erhält das Recht, von den einzelnen Schlächtern für jeden Hammel 24% Piaster, für jedes Stück Hornvieh je nach der Gröfse 10 bis 175 Piaster einzuziehen. Endlich wird auch der Strafsenkoth verpachtet. In dem türkischen Jahre von 1851 zu 1852 betrug die Pacht der Zölle 915,000 Piaster, die Fleischpacht 120,000 P., die Pacht der Abgaben von Gold und Silber 105,000 P., die der Brennerei 90,000 P., die des Tabacksverkaufs 60,000 P., die der öffentlichen Wage 50,000 P., die der Fischerei 7000 P., die des Strafsenkoths 5000 P., im Ganzen also 1,352,000 Piaster. Bis zu jenem Jahre war der Ertrag der Pacht fortwährend im Steigen begriffen, seit demselben hat er abgenommen. -

Die Regentschaft Tripolis. 59

Der fruchtbarste Theil des Landes ist derjenige, der westlich vom Golf von Sidra liegt. Hier gedeihen namentlich in der Umgegend von Tripolis sämmtliche Südfrüchte, die Wassermelone, der Krapp, die Baumwollenstaude; der beste Wein wird bei Selin, unweit Mesurata, gewonnen; dagegen degeneriren die Obstarten des mittlern Europa schon nach wenigen Jahren, und nur bei Mesurata sollen Aepfel fortkommen. Selbst für die sogenannten Südfrüchte ist die Verbreitungs- sphäre nach Süden sehr eingeengt: Orangen, Citronen, Pistacien, Johannisbrot- bäume findet man schon jenseits des Ghariän’ nicht mehr; den Oelbaum nur bis zu dem dattelreichen Thal der Beni Olid, den Maulbeerbaum bis Sukna an der Grenze von Fezzan. Bei Murzuk gedeihen noch Granaten, Datteln, Feigen, Man- deln und Wein. Von Getreidearten baut man Weizen und Gerste, die auf gutem Boden staudenartig wachsen, obgleich man nur 2 bis 3 Zoll tief pflügt und nie düngt; nach zwei oder drei Ernten läfst man das Land brach.

Den Werth der Ausfuhr kann man in guten Jahren auf 7 bis 8 Mill., den der Einfuhr auf 3 bis 4 Mill. Frances veranschlagen, von denen fast drei Vier- theile auf den Hafen von Tripolis fallen Für den innerafrikanischen Handel von Bornu und dem Sudan ist Tripolis der natürliche Seehafen. Hauptgegenstände der Ausfuhr und ihr Werth im türkischen Jahre 1851 1852 waren: Weizen 2,700,000 Fres., Oel 700,000 Fres., Gerste 500,000 Fres., Zähne von Elephantern, Rhinoceros, Hippopotamus 450,000 Fres., Sklaven 300,000 Fres., Wolle 280,000 Fres., Goldstaub 240,000 Fres., Vieh 150,000 Fres. Dem Sklavenhandel ist jetzt bekanntlich der Weg über Tripolis abgeschnitten.

Der Nationalität nach sind die in den Hafen von Tripolis einlaufenden Schiffe meistens türkische. So befanden sich unter den 370 im Jahre 1851 eingelaufe- nen Fahrzeugen 271 türkische, nur 41 italiänische, 30 englische, 12 griechische, 8 französische; im Jahre 1852 unter 394 Fahrzeugen 287 türkische, 36 italiäni- sche, 41 englische, 8 griechische, 7 französische; die andern Flaggen sind noch sparsamer vertreten.

“Der Hauptstadt Tripolis giebt Herr Testa nur eine Bevölkerung von 10,000 Einwohnern, von denen die Hälfte aus Muhamedanern besteht; neben ihnen leben 3000 Juden und 2000 Christen. Nächst Tripolis ist Benghazi, welches mit Einschlufs der Bevölkerung der nächsten Umgebung ebenfalls 10,000 Bewohner zählen soll, der wichtigste Hafen; seine Ausfuhr, bei der Wolle und Gerste die Hauptrolle spielen, erreicht in guten Jahren den Werth von 1 Mill. Eranes. Ghadämes (angeblich auch mit 10,000 Einw.) steht in dem Ruf, die reichsten Kaufleute zu besitzen; die dortigen Handelsherrn senden ihre Karavanen _ tief in das Innere Afrika’s, bis Timbuctu. Die Bevölkerung von Murzuk beläuft sich mit Einschlufs einer Garnison von 430 Mann nur auf 2000 Seelen; alljähr- lieh kommt hier eine gro/se‘ Karavane aus Bornu und dem türkischen Sudan an, und Fezzan exportirt Elfenbein, Rindshäute, Ziegenfelle, Straufsenfedern, Wachs und Gummi. Seit einigen Jahren hat die von dem englischen Vice-Consul, Herrn Gagliuffi, eingeführte Cultur des Gummibaumes in Fezzan bedeutende Ausdehnung gewonnen. Tr Be.

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60 Miscellen:

Glänzende Zukunft der Wüste Sahara.

Dafs auch die Wüste Sahara, die „so braun und dürr, so braun und dürr,“ einen enthusiastischen Liebhaber finden könnte, wird sicherlich Niemand glauben wollen. Und dennoch ist das Faetum durch eine Druckschrift: ‚The North Afri- can Colonization Company and Association of Planters, Miners and Merchant Traders‘‘ aufser allen Zweifel gestellt. Ein Sohn Albions, Herr Charles Boyd, Surrey, begeistert sich darin zu einer Apostrophe, die an Gluth nur von der Gluth der Wüste selbst übertroffen werden kann, und zu einem farbenreichen Gemälde, das an Reiz alle Leistungen der Wüstenspiegelung weit hinter sich zu- rückläfst. Er will eine Compagnie begründen, um die 3 Mill. englische Qua- dratmeilen grofse Wüste Sahara zu cultiviren, ein Ländergebiet, das, wie er versichert, in kurzer Frist zu einem der reizendsten Theile des Erdballs umge- schaffen werden und dem Welthandel einen unbegrenzten Zuschufs an Getreide, Baumwolle, Thee, Kaffee, Zucker, Taback, Reis, Gewürzen und Früchten darbieten kann, und das in seinen mineralischen Schätzen an Eisen und Kupfer, an Gold- staub, Natron und Salz eine unerschöpfliche Fundgrube des Wohlstandes enthält. Verdriefslich ist es allerdings, dafs von jenen Herrlichkeiten dort noch Nichts wächst, aber durchaus nicht störend. Denn „es ist klar,“ sagt Herr Boyd, und wer möchte ihm darin widersprechen? „dafs die Sahara, wenn sie mit Flüssen und einer angemessenen Vegetation ausgestattet wäre, nicht länger eine nackte Wüste sein würde.“ Und Nichts ist leichter, als ihre diese Mitgift zu verschaffen und ihr auch, Herrn Dove zum Trotz, zu reichlichen Regengüssen während des ganzen Jahres zu verhelfen. Man darf nämlich nur nach einem vorher festgestellten Plane den Anbau von den Grenzen allmählich nach dem Innern tragen, mit Pflanzungen am Rande der Wüste beginnen, dieselben künst- lich bewässern, sie durch Dämme vor dem Flugsande schützen, und wenn man weiter vorschreitet, durch Cänale und Aquäducte eine genügende Wasserfülle nach dem Innern leiten; mit dem zunehmenden Anbau wird sich auch das Klima bessern, die Luft wird feuchter werden, und statt periodischer Regengüsse, denen eine ertödtende Dürre folgt, werden sich zu allen Jahreszeiten regelmäfsige Nie- derschläge einstellen. „Fragt man, woher man das Wasser ableiten soll, so ant- worte ich: vom See Tschad, durch einen Canal oder Aquäduct; von Bilma, wo eine Quelle von wunderschönem klaren Wasser existirt, die ein Gebiet von 300 Yards im Umkreise bewässert“, wo also schon ein erheblicher Theil der 3 Mill. Quadratmeilen eulturfähig ist; „vom Flusse Senegal; von den Quellen der Oase Tuat und den zahllosen Bächen am Nordrande der Wüste u. s. £.“ Hat man auf diese Weise einen Humusboden geschaffen, das Klima verbessert, Regen und Sonnenschein zur Raison gebracht, so „haben wir ein Reich gegrün- det, das alle jetzt existirenden übertrifft, das durch seine geringe Entfernung von England, wie durch die Mannichfaltigkeit seiner Producte Indien, Amerika, China und Brasilien in den Schatten stellen und England hinsichtlich seines Bedarfs von der übrigen Welt ganz unabhängig machen wird.“

Nichts ist so thöricht, dafs man daraus nicht Etwas lernen könnte. Man sieht, die Forschungen in Central- Afrika finden einen Wiederhall in den Phan- tasien eines Mannes, der am Baumwollenfieber und ähnlichen Krankheiten leidet.

Californien und das Gebiet des Amur. 61

Dals sie in England auch dem gesunden Unternehmungsgeist, dieser rastlos wirkenden Triebfeder nationaler Gröfse, neuen Schwung gegeben haben, zeigt Macgregor Laird’s neue Niger-Expedition, über die wir bereits (N. F. II., S. 185) berichtet haben. Ob wohl auch in Deutschland speculative Köpfe Barth’s Reisewerk in der Absicht lesen mögen, um zu sehen, ob und wie sich die neu erschlossenen Gebiete im Interesse der Cultur und des Handelsverkehrs verwerthen liefsen? Oder regt sich der Deutsche erst dann, wenn ihn die Luft des Hei- mathslandes nicht mehr umweht? —n.

Californien und das Gebiet des Amur.

Californischen Blättern zufolge hat die colonisirende Thätigkeit, welche die russische Regierung den Gebieten am untern Amur widmet, auch den Unter- nehmungsgeist in San Francisco, der sich des pacifischen Handels nach allen Richtungen zu bemeistern sucht, auf jene bisher so wenig beachtete Ländereien gelenkt. Ein Deutscher, Otto Esche, der sich schon seit längerer Zeit über die materiellen Hilfsquellen jener Landschaften zu unterrichten gesucht und auf einer Reise in Europa den Grofsfürsten Constantin für die Herstellung eines regel- mälsigen Handelsverkehrs zwischen Californien und dem Amurlande zu interessiren gewulst hat, ist in diesem Jahre von San Franeisco mit der Clipperbark Oskar in See gegangen, um nicht nur eine Ladung von Producten, sondern auch Ma- schinen (Sägemühlen, Dampfmaschinen u. s. f.) nach Nikolajewsk zu führen und durch einen Colonisations- Versuch die Hilfsquellen jener Gegend flüssig zu machen. Ihn begleitet unter Andern ein erfahrener Kaufmann, Herr Jacobi, hauptsächlich zu dem Zweck, statistisches und geographisches Material und in ethnographischer Hinsicht solche Information zu sammeln, die für die Entwickelung der Cultur- und Verkehrsverhältnisse des wichtigen Flufsgebietes von Belang sein könnte, Diese Männer werden also, wahre Pioniere der Cultur, dem Handel einen neuen Weg eröffnen, und wir zweifeln nicht daran, dafs auch die geographische Wissen- schaft ihnen und dem fortan sich schneller entwickelnden Handelsverkehr viel- seitige Berichte über die physische Beschaffenheit jener Länder und über die Sitten und Bedürfnisse ihrer Einwohner zu danken haben wird. Unsere Theil- nahme und unsere Wünsche für das Gedeihen der Expedition werden wesentlich durch den Umstand erhöht, dafs es Deutsche sind, die in. dem fernen Lande eine Thätigkeit und Umsicht entwickeln, wie sie der Heimath als ein nachahmungs- werthes Beispiel empfohlen zu werden verdient. —n.

Ueber die Namen der Küstengebiete in den vereinigten Staaten von Nordamerika. Nach Dr. J. G. Rohl.

; Die Leser der Zeitschrift haben durch Herm Professor Ritter schon vor einiger Zeit (N. F. Bd. I., S. 444) Nachricht von den umfassenden Forschungen _ erhalten, welche unser geehrter Landsmann, Herr Dr. Kohl, der Entdeckungs-

62 Miscellen:

geschichte und Hydrographie der Vereinigten Staaten gewidmet hat. Es ist dabei hervorgehoben, dafs Dr. Kohl auch die Entstehung und Geschichte der geogra- phischen Namen namentlich der Küstenlandschaften und ihrer Gewässer in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen und bei dieser Gelegenheit ebenso interessante wie schwierige Fragen erörtert hat. Denn „Namen,“ sagt er mit Recht, ,„ent- stehen über Nacht, wie Sitten, Gewohnheiten und Märchen, und ihre Geschichte ist von den Zeitgenossen selten verzeichnet. Nur ganz ausnahmsweise berichten die Annalisten, aus welchem Grunde, bei welcher Gelegenheit und zu welcher Zeit dieser oder jener Name entstand, weshalb er verändert wurde’ oder in Ver- gessenheit gerieth... In vielen Fällen geben uns die historischen Erinnerungen und Documente gar keinen Anhaltspunkt; blofse Vermuthungen müssen Platz greifen und manche Fragen ganz unbeantwortet bleiben. Unwissenheit, Mifsver- ständnifs, zuweilen ein übelangebrachter Scherz, vorzüglich aber die allen Nationen eigene Neigung, die Aussprache fremder Worte ihrer eigenen Zunge zum tägli- chen Gebrauch auf bequeme Weise anzupassen, haben mit den geographischen Namen ein grausames Spiel getrieben und sie oft dermafsen entstellt, dafs ihr Ursprung ebenso schwer aufzufinden ist, wie die verrotteten Wurzeln eines unter einem Haufen von Moos, Staub und Steinen begrabenen Baumstumpfs.‘“ Ueber dieses schwierige Thema hat nun Dr. Kohl in dem zu Washington erscheinenden National-Intelligeneer mehrere Abhandlungen veröffentlicht, die er seinem drei- bändigen, noch nicht publieirten Werke über die Geschichte der Entdeckung und Erforschung und die Hydrographie der Küsten der Vereinigten Staaten entlehnt. Wir versuchen, in Folgenden die Resultate seiner Untersuchungen kurz zusammen zu fassen.

Maine. Sebastian Cabot scheint den von ihm entdeckten Küsten der Ver- einigten Staaten keinen Namen beigelegt zu haben. Von biscayischen Fischern wurde Neufundland, die benachbarten Gegenden und ein gro/ser Theil des Küsten- strichs, speciell auch die Küste von Maine, Baccalaos genannt, d. i. das Stock- fischland; und auch einige alte Karten zeigen diesen Namen. Spanische Karten dagegen benennen diesen Strich Tierra de Gomez, nach dem spanischen Seefahrer Gomez, der im Jahre 1525 die Küste nördlich vom C. Cod untersuchte. Diese Benennung gerieth bald in Vergessenheit; in der zweiten Hälfte des 16ten und am Anfange des folgenden Jahrhunderts heifst das Land auf allen Karten Norumbec (Norubec, Norombec, Arambec, Norumberge, Norumbergue, Norimbequa), nach der Endsilbe, die auch in Quebec, Kennebece u. a. Namen erscheint, zu schlie[sen, ein indianisches Wort, welches ursprünglich der Name eines Flusses, vermuthlich eines Zuflusses des Penobscot-Bay, gewesen sein soll. Dieser Name kommt noch auf den Karten von 1640 und 1650 vor, aber auf französischen waren schon am Anfange dieses Jahrhunderts die Namen Cöte des Etchemins und Cöte des Almouchiquois aufgetaucht, der erstere für den Strich zwischen der Fundy- und Penobscot-Bai, der letztere für die südlichere Küste bis zum C. Cod, beide von Indianerstämmen hergeleitet, die durch französische Geographen schon früher bekannt geworden waren. Auf denselben Karten bildet das jetzige Maine einen Theil von Neu-Frankreich oder Acadia, während die Engländer, nach dem Jahre 1584, den ganzen östlichen Küstenstrich der Vereinigten Staaten Virginia nannten und ihn in Nord- und Süd-Virginia theilten, eine Benennung, die

Ueber die Namen der Küstengebiete inden Verein. Staaten v. Nordamerika. 63

durch ‘das königl. Patent von 1606, über die beiden Virginia-Compagnien, die offizielle wurde. Nord - Virginia erstreckte sich südwärts bis 40° N.Br., und wurde, nach den ersten Ansiedelungsversuchen auch „die nördlichen Pflanzungen,“ die „Zweite‘‘ oder „Plymouth-Colonie‘ genannt. Der Name Neu-England stammt aus dem J. 1616 und rührt von Capt. John Smith her, der ihn wählte, um den Gegensatz zu Neu-Frankreich auszudrücken, ‚und zu dem von Drake benannten Neu-Albion an der Küste des Stillen Oceans, unter derselben Breite, eine analoge Benennung zu gewinnen. Im J. 1636 erhielt der Strich zwischen den Flüssen Piscataqua und Kennebee von Sir F. Gorges nach der Grafschaft, in der er ge- boren, den Namen New Somerseishire, der auf einigen Karten auch neben dem Namen Maine und als identisch mit ihm erscheint; nach dem Namen cines klei- nern. Distriets wurde das ganze Gebiet auch wohl die „Provinz Zocana,‘ von den Ansiedlern selbst schlechtweg auch die „Ostküste‘‘ oder das „Ostland“ ge- nannt. : Der Name Maine tritt zuerst 1639 auf, als Karl I. das Land zwischen Piscataqua und Sagadahoc, welches er Sir F. Gorges garantirte, auf diese Weise umtaufte, „angeblich zu Ehren der Königin, einer französischen Princessin, zu de- ren Privatbesitzungen die Provinz Maine in Frankreich gehörte.‘ Dies ist die verbreitetste Erklärung; und dennoch ist sie sehr zweifelhaft, da es nicht erwie- sen ist, dafs Henriette Marie. überhaupt in Maine besondere Rechte besessen hat. Herr Kohl macht darauf aufmerksam, dafs der Name des Staats in alten Docu- menten sehr gewöhnlich Main oder Mayn geschrieben ist, ganz im Einklang mit der Bemerkung eines alten Schriftstellers, dafs der Name um ein e kürzer sei, als der der französischen Provinz; und er hält es nicht für unwahrscheinlich, dafs Main und Mainland eben nur das Hauptland, den Continent bezeichnen sollte, im Gegensatz zu den zahlreichen Küsteneilanden, auf denen sich die mei- sten Fischerei-Niederlassungen der Engländer befanden. Von hier aus fuhren die Fischer „zo the Main,‘‘ um mit den Indianern zu handeln; in ihren Reiseberichten finden sich viele Anspielungen darauf; und es ist nicht unmöglich, dafs sie die gegenüberliegende Küste schlechtweg Mainland nannten, wie die Bewohner der f Antillen die Nordküste Süd- Amerikas schlechtweg als Costa firma oder 'Tierra firma bezeichnen. Die Ostgrenze von Maine war ursprünglich die Penobscot- ! Bai; später wurde sie bis zum St. Croix hinausgerückt, N New Hampshire. John Mason, einer der ersten hervorragenden Ansied- _ ler in dieser Gegend, war mit F. Gorges übereingekommen, den Piscataqua als die Grenze der beiderseitigen Besitzungen zu betrachten, und liefs sich von der - Plymouth-Compagnie den Landstrich zwischen dem genannten Flufs und dem Mer- _ rimack zusichern; er nannte ihn New Hampshire, da er selbst Gouverneur von Portsmouth, Hampshire, gewesen war. Massachusetts wurde in älterer Zeit unter den Namen begriffen, die all- gemein auch für die Küste von Maine galten; speciell kam ihm der Name (öte des Almouchiquois zu, der von Holländern und Engländern in „Land der Almu- shikosen‘‘ verstümmelt wurde. Man meint, dafs dieser Name eines Indianerstam- mes aus den indianischen Worten mos (Pfeilspitze) und wetuset (Hügel) zusam- mengesetzt und dafs seine richtige Schreibart Moswetuset ist; auf einem Hügel in. der Form einer Pfeilspitze soll ein Indianerhäuptling gewohnt und darnach sei- Stamm benannt haben. John Smith (1616) schreibt bereits Massachuset,

64 Miscellen:

Capt. Dermer (1619) Massachusit, in einem Briefe von Plymouth (1629) ist das Wort Massachusets Bay, in dem Patent von Gorges ‚Massachusiack“ geschrie- ben. Der Name kommt ursprünglich nur der Bai zu, von welcher der Hafen von Boston einen Theil bildet; nach der Bai wurde die erste englische Colonie, seit 1626, die „Colonie der Massachusetts-Bai‘ genannt; allmählich wurde er aber über weitere Landstrecken ausgedehnt und umfafste im 18. Jahrhundert die gröfsere Hälfte von Neu-England; nach 1774 bezeichnete er den Küstenstrich zwischen dem Merrimack und der Naragansett-Bai.

Rhode-Island. Das Land um die Naragansett-Bai heilst in den älte- sten Werken und Karten Naragansets oder Naragansett Country. Roger Wil- liams, der erste Ansiedler, und andere Dissenters und Flüchtlinge aus Massachu- setts gründeten hier die Städte Providence, Newport und Portsmouth, und nann- ten das ganze Gebiet „die vereinigten Providence-Pflanzungen‘“ (Incorporation of Providence Plantations) oder, wie sie vollständig in dem Patent Karls I. von 1643 genannt werden: Incorporations of Providence Plantations in our Naragansetts-Bay in New-England. Im J. 1655 schrieb Cromwell an die Bewohner „von Rhode- Island und den übrigen Providence Plantations;‘“ hier erscheint der Name Rhode- Island zum ersten Mal für die Provinz, während er für die Insel schon früher in Gebrauch war. Die beträchtlichste Insel der Naragansett-Bai hie/s bei den In- dianern Aquiday (Aquednet, Aquetneck), welches „Garten -Insel“ bedeuten soll. Den jetzigen Namen schreiben alte Autoren Island of Rhodes, und bringen ihn mit dem der griechischen Insel in Verbindung, wie auch der alte franzö- sische Seefahrer Verrazano, der erste, der diesen Theil der Küste besucht hat, eine Insel der Naragansett-Bai merkwürdiger Weise mit der Insel Rhodus an Gröfse und Aussehen vergleicht; da der Bericht darüber bei Hackluyt zu lesen war, ist es nicht unmöglich, dafs John Clark und die ersten Ansiedler dadurch veranlafst wurden, ihre Insel nach der griechischen zu benennen. Andere, darun- ter ein alter holländischer Schriftsteller vom J. 1649, leiten den Namen vor® dem holländischen Roode Eylandt, rothe Insel, ab, noch andere schrieben Rod- Island; vielleicht war er Road-Island, die Rhede-Insel. Aber Dr. Kohl macht darauf auf- merksam, dals in der ältesten Geschichte dieses Staates der Familienname R%o- des sehr häufig ist; und da eine befriedigende Erklärung des Namens nirgends geboten wird, darf man es nicht für unmöglich halten, dafs er von einem Per- sonen-Namen herrührt. Der jetzige officielle Name ist Rhode Island and Provi- dence Plantations; nur der Kürze wegen läfst man den letztern Zusatz gewöhn- lich weg.

Der Staat Connecticut hat seinen Namen von dem gleichnamigen Flusse, den der Holländer Adrian Block 1614 entdeckte und de Versche Rivier, den frischen Flufs, nannte, vermuthlich wegen seines klaren Aussehens und seines einladenden Thales. Den ersten holländischen Ansiedlern folgten bald englische (1630) von Plymouth und Boston, und gaben dem einheimischen Namen des Flusses den Vorzug; die ursprüngliche Form desselben soll Quonehtucut sein und so viel als „langer Fluls“ bedeuten, eine von den Indianern mehrmals angewandte Bezeichnung; unter andern hat auch Long Island einen Connecticut. Auf den Karten schwankt die Schreibart; auf einer vom Jahre 1635 steht Conokteook. Als Gebietsname kommt Connecticut schon 1631 vor, für die Umgegend von

Ueber die Namen der Küstengebiete in den Verein. Staaten v. Nordamerika. 65

Hartford, der „Colony of Conneetieut,“ Mit dieser Colonie verband Karl II. im Jahre 1664 New Haven und nannte das Gebiet beider „die Provinz Connecticut“, die damals auch einen beträchtlichen Theil von Long Island umfafste,' welches erst nach 1664 mit New-York verbunden wurde.

Das Gebiet des Staates New-York wurde von den Spaniern als ein Theil von Florida betrachtet und speciell, wie oben bemerkt, als Tierra de Gomez be- zeichnet. , Die Engländer nannten es seit 1585 Virginia, und seit 1606 North- Virginia oder „die nördliche Colonie.“ ‘Von 1616 ab galt es ihnen für einen Theil von New- England, das südlich bis 40° N. Br. reichte. Auf holländischen Documenten heifst das Land Nieuw Nederlandt, zuerst 1614, manchmal auch Niewo Holland oder Nieuw Belgium, dessen Grenzen sich sehr weit, ostwärts bis zum: C. Cod mit Einschlufs der Barnstable-Halbinsel, westwärts bis über den Delaware-Fluls ausdehnten ; die Ostgrenze wurde inde/s allmählich zurückgezogen, anfangs bis zur Nassau-Bai, dann bis zum Flusse Connecticut. Als die Englän- der 1664 das Land eroberten, erhielt es zu Ehren des Herzogs von York, Bru- ders Karls II, den Namen New- York; in demselben Jahre trat der Herzog den Küstenstrich zwischen dem unterm Hudson und dem Delaware an eine Com- pagnie ab, welche hier New-Jersey gründete.

New-Jersey wurde von den Engländern seit 1606 als ein Theil von Nord- Virginia, von den Holländern seit 1621 als ein Theil von Nieuw-Nederlandt be- trachtet. Im Jahre 1648 erhielten Sir Edmund Ploydon und Genossen einen Freibrief über ein ausgedehntes Gebiet „zwischen New-England und Maryland“, dem der Name New Albion gegeben wurde; inde/s blieben die Holländer bis 1664 im Besitz; in diesem Jahre wurde auch dieser Landstrich dem Herzoge von York übergeben, der ihn an George Carteret und, Lord Berkeley verkaufte. Gleichzeitig empfing das Land den Namen New-Jersey, zu Ehren Carteret’s, dessen Vorfahren von der Insel Jersey stammten und der selbst ein Zeitlang Gouver- neur derselben gewesen war. Die Provinz wurde 1676 in Ost- und West-Jersey getheilt und in Folge dessen oft T’he Jerseys genannnt; 1702 wurden beide Theile wieder vereinigt. Lateinisch heilst die Provinz Provincia Nova Caesarea.

Auch Pennsylvania gehörte zu Nord-Virginia und Neu-England. Als W..Penn 1681 das Land zwischen 40° und 42° N. Br. erhielt, wollte er es New-Wales nennen; Karl II. gab ihm aber den Namen Pennsylvania, der zuerst in dem königl. Freibrief vom 4. März 1681 vorkommt. Um dem Lande einen Zugang von der See zu eröffnen, kaufte Penn 1682 von dem Herzoge von York den Landstrich auf der Westseite der Delaware-Bai, die sogenannten drei untern Grafschaften, die bis zum Jahre 1776 mit Pennsylvanien vereinigt blieben. Durch die Lostrennung derselben wurde Pennsylvanien wieder von der Seeküste aus- geschlossen.

Delaware. Die Delaware-Bai wurde von den Spaniern nach Benson’s

R Ansicht „Allerheiligen-Bai“ genannt; Oviedo kennt diesen Namen nicht, erwähnt

}

a

aber unter 39° N. Br. eine Bahia de S. Christoval, unter der er höchst wahr-

scheinlich die Delaware -Bai verstand; Cap Henlopen heifst auf spanischen Karten

Cabo de las Arenas, und im Norden desselben liegt die Christoval’s-Bai; auf

andern erscheinen freilich auch die Namen Bahia de la Buelta (Vuelta), oder

Rio. de S. Antonio. Hudson segelte 1609 an der Bai vorbei und schlofs aus der Zeitschr.f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 5

66 Miscellen:

starken Strömung, dafs ein Flufs in sie münden müsse. Im folgenden Jahre soll Lord Delaware auf seiner Fahrt nach der Chesapeake-Bai in sie verschlagen sein; sicher ist, dafs die Bucht damals unter dem Namen Delaware-Bai in Europa bekannt wurde; er kommt zuerst 1612 in einem Briefe des Capt. Argall vor. Die ersten Karten, die ihn tragen, sind die von Capt. Smith (1621) und die älteste Karte von Maryland (1631). Die Franzosen machten daraus‘ Baie de Laware oder Lavar. Von Holländern kam zuerst Capt. Hendricksen (1616), dann Cornel. May (1623) in die Bucht; der.letztere baute da, wo jetzt Phila- delphia liegt, Fort Nassau, und nannte die Bucht nach sich selbst New Port May; dieser Name fand aber keine weitere Verbreitung. Der Flufs hiefs bei den Hollän- dern, zuerst in der „Neuen Welt‘ von Laet (1624), Zuydt rivier, im Gegensatz zu dem Hudson, dem nördlichen Flufs von Neu-Niederland; darnach wurde auch die Bucht gewöhnlich Zuydt- Bay genannt, zuweilen aber auch Godyn’s' Bay, nach dem Kaufmann Samuel Godyn, der von den Indianern Cap May und den benachbarten Küstenstrich gekauft hatte. Für den Flufs kommen indefs zuwei- len auch die Namen Nassau rivier, Prinz Hendrick’s rivier und Karls- Rivier vor; auch der Italiäner Lucine hat auf seiner Karte nach einem holländischen Origi- nal Rio Carlo. Corn. May hatte 1623 das Land für die Holländer förmlich in Besitz genommen; diese bauten 1629 hier noch das Fort Swanendael, und 1633, als der berühmte de Vries in den Strom hineinfuhr, Fort Upland. Alle diese Ansiedelungen erlagen indefs bald den Indianern, so dafs die Schweden unter Peter Minuit 1638 das Land ohne Colonisten fanden; sie nannten den Flufs den ‚neuen Schwedenland-Strom,‘‘ und die Bucht die „neue Schwedenland- Bucht“, erbauten neue Forts und tauften die alten holländischen um. Sie blie- ben 17 Jahre im Besitz dieses Landstrichs; einer ihrer Ingenieurs, Lindstrom, verfertigte 1654 die erste speeielle Karte desselben. Aber 1655 erschien Stuyve- sandt, der Gouverneur von Neu-Niederland, mit einigen Kriegsschiffen vor der Bucht, nahm wieder von den Ansiedelungen Besitz für die Holländer und stellte auch die holländische Nomenclatur wieder her. Neun Jahre später (1664) eroberten die Engländer das Land und vereinigten es mit der grofsen Provinz New-York, während die Gründer von Maryland es als einen Theil dieser Colonie betrachteten. Seit dieser Zeit ist es unter dem Namen der „drei unteren Grafschaften am Dela- ware“ bekannt. Wie oben bemerkt, kaufte sie Penn 1681 von dem Herzog von York; aber 1776 trennten sie sich wieder von Pennsylvanien, erklärten sich für unabhängig und bildeten einen eigenen Staat unter dem Namen Delaware. Maryland. Das Land um die Chesapeake-Bai, welches Lord Baltimore 1632 von Karl I. empfing, wurde auf Befehl des letztern, zu Ehren der Königin Henriette Marie, Maryland genannt. Aber schon auf den ältern spanischen Kar- ten heifst die Chesapeake-Bai Bahia de Santa Maria, und Lord Baltimore, ein Katholik, mag gerade deshalb dem Könige den Vorschlag zu jener Benen- nung gemacht haben. Die erste Ansiedelung empfing in der That den Namen St. Mary und sie heifst noch bis jetzt so. Das Gebiet von Virginia betrachteten die Spanier (seit 1520) als einen Theil der Tierra de Ayllon und Florida’s, die Franzosen (seit 1563) als einen Theil von Neu-Frankreich. Den gegenwärtigen Namen legten die Engländer (1583) zunächst dem Landstrich zwischen dem Pamlico- und Albemarle-Sund bei, sowohl

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Ueber die Namen der Küstengebiete in den Verein. Staaten v. Nordamerika. 67

zu Ehren ihrer Königin Elisabeth, als auch wegen der jungfräulichen Natur des Bodens; allmählich dehnten sie den Namen auch auf die nördlichere Küste an der Chesapeake-Bai aus, wie es auf der ersten Karte von Virginia (1590) ge- schieht. Bald trugen diese letzten Landschaften vorzugsweise den Namen Vir- ginia, oder auch Neu- Virginia, im Gegensatz zu dem früh verlassenen Alt-Vir- ginia am Albemarle-Sunde. In officiellen Actenstücken wurde aber seit 1606 unter Virginia die ganze Küste von 34° 45° N. Br. verstanden; sie wurde etwa durch den vierzigsten Breitengrad in. Nord- und Süd-Virginia eingetheilt, welches letztere zuweilen auch The First Colony oder Virginia Proper genannt wurde. Persönliche Liebhaberei verlieh dem Lande auch andere Namen; ein Schriftsteller vom Jahre 1609 nennt es Nova Britannia, ein anderer (1612) The Colony in Virginia Britannia, aber diese Namen fanden keinen Anklang. Als für Nord -Virginia (1616) der Name Neu-England eingeführt wurde, nannte man Süd-Virginia schlechtweg Virginia. Durch die Lostrennung von Maryland (1632), Carolana (1629) und Carolina (1663) wurde das ‘Gebiet an der Küste auf den Strich zwischen 38° und 364° N. Br. beschränkt.

Als die. Spanier unter Vasquez Aylion, 1520 und 1526, die Küsten von Carolina berührten, nannten sie das Land nach einem indischen Fürsten und der einheimischen Benennung der Gegend Chicora und Chicoria, oder auch nach dem Entdecker Tierra del’Licenciado Ayllon (kurz Tierra de Ayllon, corrumpirt Terra de Aullon), ohne feste Grenzen. Jenen indischen Namen scheinen auch die Franzosen (1563) gehört zu haben; denn bei ihnen heifst das Land zuerst Chicola oder Chioule, dann aber meist das „französische Florida“; sie bauten an dem Flu[s May (St. Mateo oder St. Johns River) das Fort Caroline, dessen Name von einigen Kartenzeichnern und Geographen als der Name eines Gebiets auf- gefalst wurde.. Cornelius a Judaeis nannte auf seiner Karte (1593) das fran- zösische Florida zu Ehren Karls IX. Carolina. Die Engländer betrachteten es seit 1583 als einen Theil von Virginia, gaben aber zuweilen der Gegend um den Albemarle-Sund auch ihren einheimischen Namen Wigandacoa, oder auch Wea- pemeoc. Der Name Alt-Virginia ist oben schon erwähnt. Der südlichere Land- strich wurde von Robert Heath, der von Karl I. das Land zwischen 38° und dem Flusse St. Mateo erhalten hatte, zu Ehren des englischen Königs Carolana genannt. Da aber diese Verleihung keine Colonisation zur Folge hatte, gab Karl II. im Jahre 1663 den Landstrich zwischen 36° und 37° N. Br. dem Grafen Clarendon, der das Gebiet Carolina taufte, zu Ehren Karls II. Dieser Fürst setzte später (1667) 29° und 36° 30' N. Br. als Grenzen fest; west- wärts sollte Carolina bis zum Stillen Ocean reichen. Es zerfiel in zwei Graf- schaften: Albemarle County im Norden, und COlarendon County im Süden. Die Eintheilung in Nord- und Süd-Carolina fand 1729 statt; von dem letztern trennte sich 1732 Georgia, das Land südlich vom Savannah.

Diese Trennung erfolgte auf Anordnung des Königs Georg I., nach dessen Namen das neue Gebiet zwischen dem Savannah und Altamaha-River Georgia genannt wurde. Da nun auf den damaligen Karten der St. Marys River als der südlichste Arm des Altamaha dargestellt wurde, dehnte man die Grenzen bis zum Cumberland-Sunde aus.

Das Festland im Norden des Mexicanischen Golfes nannten die Indianer

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68 Miscellen:

der Lucayischen Inseln (autio; sie erzählten den Spaniern auch von einer dort befindlichen verjüngenden Quelle Bimini, nach welcher auch das Land zuweilen benannt wurde. Auf einigen der ersten Karten’ des 16ten Jahrhunderts heifst das Festland an diesem Theile Terra de Cuba. Den Namen Florida erhielt es 1512 durch Ponce de Leon, erstens seines blühenden Ansehens wegen, zweitens weil es am Feste Pascua Florida, Palmsonntag, entdeckt wurde. Als man fand, dals diese Küste nicht einer Insel, sondern dem Festlande angehörte, dehnten die Spanier den Namen Florida westwärts bis zur Grenze von Mexico, und nord- wärts in’s Unbestimmte aus; die Halbinsel erschien dann als das eigentliche Flo- rida oder auch als das Promontorium Flcridae. Der Name Provincia de Tegesta, den die Halbinsel auf einigen Karten und in geographischen Werken (z. B. bei Laöt) führt, rührt von dem indianischen Dorfe Tegesta (Teguesta, Tequesta) her, das die Spanier 1566 unweit des Caps Florida entdeckten. Die Franzosen be- trachteten nach der Colonisation von Louisiana die Halbinsel als einen Theil ihres Gebiets: auf der französischen Karte von Nie. de Fer (1713) heifst sie also Peninsule de Louisiane. Factisch dehnte sich das spanische Gouvernement Flo- rida im Jahre 1763, als das Gebiet an England abgetreten wurde, im W. nur bis zur Mobile-Bai, im N. bis zum Marys River aus. Zu gleicher Zeit erhielt England aber auch von den Franzosen das Land östlich vom Mississippi, welches nun auch unter dem Namen Florida begriffen und 1783 zu gleicher Zeit mit der Halbinsel und dem französischen Louisiana westlich vom Mississippi wieder an Spanien abgetreten wurde. Spanien behielt die engliche Eintheilung in Ost- und West-Florida bei. Der westliche Theil, bis zum R. Perdido, fiel 1811 den Ver- einigten Staaten zu, die ihn mit dem Mississippi-Territorium vereinigten. Durch diese Lostrennung erhielt Florida seine gegenwärtigen Grenzen, mit denen es 1821 im Territorium der Vereinigten Staaten, 1845 ein Staat dieses Bundes wurde. i

Der Name Alabama scheint durch Biedma (1544) in die Geographie ein- geführt zu sein. Ihm zufolge traf de Soto (1540) nordöstlich von dem jetzigen Mobile einen Indianer-Chef und Stamm Namens Alidamu; ein portugiesischer Autor schreibt Alimamu. Die Historiker der Expedition des Generals de Luna (1560) haben’ dagegen für Land, Flufs und Volk den Namen Cora, und erwähnen zuweilen auch einen Indianerstamm Olibahali. Da in den nächsten hundert Jah- ren kein Europäer dieses Gebiet betrat, findet man auf den Karten dieses Zeit- raums’ meistens einen dieser Namen. Im Jahre 1701 siedelten sich die Franzo: sen an der Mobile-Bai an und fanden in der Nähe ebenfalls Les Allibamous, jenen Indianerstamm de Soto’s; und auf der Karte von De L’Isle (1719) erscheint dieser Name, den Danville und Charlevoix in Alibamons verwandelten, schon als Name des Hauptstroms der Gegend, auf der von Bellin (1744) als Name eines ausgedehnten Gebietes zu beiden Seiten des Flusses. Auch die Engländer hörten diesen Namen; Coxe schrieb Allibalies „derselbe Stamm, sagt er, den die Fran- zosen Alibamous nennen“, eine Form, die merkwürdiger Weise sehr mit der von De Luna überlieferten übereinstimmt. Die Form Alabama ist eine Erfindung der Engländer, ‘die bei mehreren indianischen Namen das Schlus iin a verwandelt haben. Das Wort soll „schönes Land‘ bedeuten. Als Territorium besteht Alabama seit 1817, als Staat seit 1820.

Ueber die Namen der Küstengebiete in.den Verein. Staaten v. Nordamerika. 69

Die Mündungen des Mississippi müssen zuerst von Pinedo auf seiner Fahrt um den Mexicanischen Golf (1519) gesehen worden sein. Die unmittelbar nach seiner Rückkehr gezeichneten spanischen Karten von 1520, 1521 und 1529 haben ungefähr in der Mitte der Nordküste des Golfs eine grofse Bucht, Mar pequeiia, in. die ein mächtiger Strom.mündet, der Rio del Espiritu Santo; und da Diego Ribero (1529) Bai und Flufsmündung unter 29° N. Br. setzt, kann damit schwer- lich die Mobile-Bai und der Alabama gemeint sein. Beide Namen erhalten sich auf allen Karten dieses Jahrhunderts; auf einigen ist das Cap, welches das Mar pequelia im O. einschliefst, als Cabo de Sta‘—+- (de Santa Cruz) ‘bezeichnet, wo- mit wahrscheinlich die weit in das Meer vorgeschobene Mündung des Mississippi gemeint ist, um welche meist eine starke Brandung herrscht. Nach Pinedo mufs zuerst Cabega de Vaca auf seinem Marsch westwärts vom R. Perdido (1530 35) auch zum Mississippi gelangt sein; aber es ist nicht möglich zu sagen, welcher von den in seinem Bericht erwähnten grofsen Flüssen der Mississippi ist. Dann fuhr de Soto 1542 diesen Strom weit aufwärts und starb an seinem Ufer, wohl nicht weit von der Einmündung des Arkansas; Moscoso führte die Expedition zurück und stach aus einer der Mündungen in See. Die Berichte über diese Unternehmungen nennen den Fluls Rio Grande und erwähnen auch, dafs er sich mit mehreren Mündungen in’s Meer ergiefst, und dafs sein indianischer Name ‚Chucagua ist; der oben erwähnte portugiesische Autor nennt ihn den „Grolsen Flufs von Guachoya“, nach einem Lagerplatze De Soto’s; und Gareilasso sagt: „Bei 'Guachoya heifst der grofse Flufs Tamallseu, bei Nileo: Tapala; bei Coca: Mico; an der Mündung: Ri.“ Während der nächsten hundert Jahre erhielt die Kenntnifs dieses Stromes keinen Zuwachs, und man kann sagen, dafs er von dem Franzosen Marquette (1673) und dem Sieur de la Salle (1682) wieder entdeckt wurde. Der Letztere untersuchte namentlich das Delta und nahm für Frank- reich Besitz davon; der erstere führte den Namen Mississippi in die Geographie ein, gab dem Strome aber auch zu gleicher Zeit einen christlichen Namen: Riviöre de Conception. Aber weder dieser Name, noch der Name Riviere de Colbert, den La‘ Salle dem -Flusse beilegte und der einige‘ Kartenzeichner veranlafste, das umliegende Land Za Colbertie zu benennen, konnten sich gegen den indianischen Namen behaupten. Einer der Begleiter La Salle’s, de Tonti, besuchte 1686 den Mississippi zum zweiten Mal, fuhr ihn aufwärts und begab sich nach Canada; in den beiden folgenden Jahren erschienen spanische Expeditionen unter Don Andres de Pes an der Mississippi-Mündung, und wahrscheinlich durch sie erhielt der Flufs den neuen spanischen Namen Rio de la Palicada, vielleicht in Folge des massenhaften Treibholzes, und das Cap den Namen (abo de Lodo oder Cabo _ de Fango, der auch, zuweilen verstümmelt, auf englische und als Cap de Boue auf französische Karten überging. Aber das erste in den französischen Ansie- delungen geschriebene Journal, das des Capt. Sauvol (1699 1700) braucht nur _ den Namen Mississippi, und auch Ludwig’s XIV. Befehl, den Strom Riviere de St. Louis zu nennen (1712), konnte den indianischen Namen nicht mehr ver- _ drängen; der letztere behauptete sich selbst auf Danville's Karten wenigstens _ meben der vorschriftsmälstigen französischen Benennung. Der Name Mississippi ' gehört der-Sprache der Chippeways an, wurde zuerst in der Nähe des Oberen Sees bekannt, und soll nach Einigen 'so viel’als „Grofses Wasser“, nach Anderen

70 Miscellen:

„Wasser von allen Seiten‘ bedeuten. Die Schreibart ist sehr verschieden: Mit- chisipi bei Marquette, Mechasepi oder Mechacebe bei Hennepin, Merchacebe bei Coxe, Missisipi bei französischen, Misisipi bei spanischen Autoren. Die jetzt bei Engländern gebräuchliche Schreibart ist Mississippi. Als andere indianische Namen führt Coxe aufser Chucagua noch Sassagoula und Mala banchia an; der letztere Name ist vielleicht Dumont’s „‚Barbancha“, wofür Du Pratz „Balbancha“ giebt. Erst im Jahre 1798 wurde der Name des Flusses auch auf das Terri- torium übertragen, welches 1817 mit sehr beschränkter Ausdehnung an der Küste in die Reihe der Staaten aufgenommen wurde.

Der Name Louisiane wurde für das Land längs des Mississippi vom Illinois abwärts schon durch de la Salle (1682) zu Ehren seines Königs in die Geographie eingeführt; die Matagorda-Bai nannte er Bay de St. Louis, welcher Name von Iberville (1699) der kleinen Bucht gegenüber Cat Island beigelegt wurde. Louis XIV. genehmigte den Namen Province de Louisiane, der von den Franzosen auf das ganze Gebiet zwischen dem Alleghany-Gebirge, den Canadischen Seen, den Rocky-Mountains und Mexico südwärts bis zum R. Bravo ausgedehnt wurde; ja auf einigen französischen Karten ist, wie oben bemerkt, sogar Florida als La Peninsule de Louisiane bezeichnet. Die Spanier hingegen rechneten alles Land westlich vom Mississippi zu Mexico; sie behielten aber, als Louisiane 1763 von Frankreich an sie abgetreten wurde, den französischen Namen als Zuisiana, ver- stümmelt Zusiana oder Luciana, für ein beschränkteres Gebiet bei, nämlich für den Küstenstrich zwischen der östlichen Mississippi-Mündung und dem Mermentou. Als das Gebiet den Vereinigten Staaten zufiel-(1802), wurde es das „Territorium von New-Orleans‘‘ gennant; erst 1812 wurde ein Theil der alten französischen Colonie als Staat Louisiana in den Bund aufgenommen’ und so der alte Name wieder eingeführt, für ein Gebiet, das sich an der Küste zwischen dem Pearl- River und Sabine-River ausdehnte.. Die gegenwärtige Schreibart ist insofern incorrect, als sie in der Endung spanisch und in der ersten Silbe’ französisch ist.

Das Gebiet von Texas wurde nach Pinedo’s Periplus von Garay, dem Gou- verneur von Jamaica, Provincia de Amichel, von spanischen Geographen aber auch Tierra de Garay genannt; .der erstere Name soll der einheimische indianische gewesen sein. Als der König von Spanien 1521 den Rio de la Palmas als nörd- liche Grenze Mexico’s festsetzte, wurde das Land im Norden auch El. Gobierno del Rio de las Palmas genannt. Aber alle drei Namen verschwanden bald, und es wurde gewöhnlich, die ganze Nordküste des Mexicanischen. Golfs westwärts bis zum Rio de las Palmas unter dem Namen Florida zu begreifen. Moscoso, der 1542 vom Red River in das Innere des heutigen Texas vordrang, nannte das Land von den zahllosen Büffelheerden und ihren Hirten Provincia de los Vaqueros. Die hier wohnenden Indianer wurden von den Spaniern los Indios bravos oder Chichimecas genannt, und nach ‘diesem Volksstamme bezeichnete man zuweilen auch das Gebiet. Die Franzosen dagegen betrachteten seit 1685 Texas als einen Theil von Neu-Frankreich, oder (seit 1699) von Zouisiane, welches sich auf ihren Karten bis zum Rio Bravo erstreckt. Den ersten Versuch, dieses Land zu colo- nisiren, machten (1689) Alonzo de Leon und Domingo Theran von der Mexica- nischen Provinz Quagila (Coahuila): aus, deren Namen auch auf das neucolonisirte Gebiet ausgedehnt wurde; diese Ansiedelungen gingen zwar bald wieder verloren,

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Dr. Cullen und der Isthmus von Darien. 71

aber seit der Zeit kam für. einen von den Franzosen Les Cenis benannten India- nerstamm am R. Trinidad der Name Los Indios Texas in Gebrauch. Nach einem Document vom Jahre 1744 ernannte der König von Spanien sogar schon 1690 einen Governador de Coahuila y Texas; dieser Titel wurde auch nach der zweiten spanischen‘ Colonisation (1718), durch Don Domingo de Ramon, wieder einge- führt. Das Wort Texas halten Einige für indianisch, doch nicht für einen Volks- namen; die. Spanier sollen es nur häufig aus dem Munde eines Indianerstammes als einen Ausdruck der Freundschaft‘ vernommen und. darnach den Stamm be- nannt haben. Der erste Franzose, der das Wort braucht, La Harpe (1719), schreibt Zas Tekas, woraus bei andern Franzosen Za province de -Lastikas ‚wurde. Im Jahre 1727 wurde der erste Gouverneur für Texas allein, ohne Verbindung mit Coahuila, d. h. für das Gebiet südwärts bis zum R. Medina ernannt, und gleichzeitig kam für dasselbe auch ein neuer Name „Zas Nuevas Filipinas“ zu Ehren Philipp’s V. auf, und erhielt sich auf spanischen Karten neben dem Namen Texas bis in dieses Jahrhundert. Texas und Coahuila wurden 1824 wie- der zu einem Staate vereinigt, mit Ausnahme .der südlichsten Spitze des gegen- wärtigen Texas, die zu dem Staate Tamaulipas geschlagen wurde. Der Versuch, den Namen von Austin’s Colonie, Fredonia, auf ganz Texas auszudehnen, fand keinen Anklang. Im Jahre 1836 wurde Texas von Coahuila getrennt und ein besonderer Staat und 1845 den Vereinigten Staaten annexirt, mit einem Küsten- strich von der Mündung des R. Sabina. bis zu der des R.: Bravo.

California. als Name für den Golf wurde schon von Diaz, einem Begleiter von Cortez, gebraucht und bald auf das Land im Norden desselben ausgedehnt. Einige leiten das Wort aus, dem Lateinischen ab, von calida. fornax, weil die Spanier auf der felsigen Halbinsel viel von Hitze gelitten hätten; wahrscheinlich ist das Wort ein corrumpirter indianischer Name. Da man die Halbinsel anfangs für eine Insel hielt und zahlreiche kleinere Eilande in der Nähe lagen, nannte man den vermeintlichen Archipel auch Zas Californias, oder (zu Ehren Karls II.) Islas Carolinas. Das gegenwärtige Ober-Californien hiefs bei Geographen des 16. Jahrhunderts Quivira, angeblich nach einem angesehenen Königreich: dieses Namens. .. Der nördliche Theil desselben und: das jetzige Oregon empfing 1578 von Drake‘ den Namen Nova Albion, der in Europa, mit Ausnahme von Spanien, allgemein und auch auf Ober-Californien ausgedehnt wurde.. Der Name Ober- oder Neu-Californien wurde seit 1764 durch die Franziskaner in Aufnahme ge- bracht, die sich im Norden der Halbinsel ansiedelten; der 42ste Breitengrad bildete nach dem Vertrage von 1819 die nördliche Grenze desselben; was weiter im Norden lag, gehörte zur Oregon Country. Die südliche Grenze wurde 1847, als Californien von den Vereinigten Staaten in Besitz genommen wurde, unter

. 32° 35° N. Br. fixirt. Zum Unterschiede ‘von der Halbinsel wird dieser Staat

auch zuweilen das Continentale Californien genannt. —n.

. Dr. Cullen und der Isthmus von Darien.

" - Nachdem der Druck des vorigen Heftes der Zeitschrift beendigt war, ‘ging uns die Juni-Nummer des Bulletin der französischen geographischen Gesellschaft

72 Miscellen:

zu, in welchem Dr. Cullen das Canalproject durch den Isthmus von Darien, dafs wir an jener Stelle einer eingehenden Kritik unterzogen haben, wieder aufwärmen läfst. Wer sich daran erinnert, wie weit sich die Angaben über jenes Terrain, die Dr. Cullen als Resultate eigener und wiederholter Beobachtungen an Ort und Stelle dem Publicum vorlegte, von den thatsächlichen, durch die Berichte wirklich ortskundiger Personen festgestellten Verhältnissen entfernen, wird sicherlich nicht erwarten, dafs Dr. Cullen vor Wiederaufnahme seines Projects es für nöthig ge- halten haben sollte, neue und gründlichere Untersuchungen auf dem in Rede stehenden Gebiete anzustellen. In der That hat dieser Gentleman den Isthmus nicht wieder besucht; er ist vielmehr während des orientalischen Krieges in der Krim gewesen, wo er als Militärarzt fungirte. Aber zu unserer Freude können wir sagen, dafs Dr. Cullen, dem „inter arma silent artes‘‘ zum Trotz, auf der: tau- rischen Halbinsel eine viel gründlichere Information über den Isthmus von Darien gesammelt hat, als es ihm während eines mehrjährigen Aufenthalts an Ort und Stelle und auf seinen wiederholten Wanderungen quer über den Isthmus in den Jahren 1850 1852 möglich gewesen ist. Im Widerspruch mit dem Natur- gesetz, dafs die Berge, aus gröfserer Ferne gesehen, kleiner erscheinen, kommt die Cordillere an der Caledonia-Bai Herrn Cullen von seinem europäischen Standpunkt viel gröfser vor, als sie ihm an Ort und Stelle erschien; sie war früher nur 350, und ist jetzt 930 Fuls hoch, was doch selbst bei diesem Riesenkinde für die kurze Frist von vier Jahren ein so erstaunliches Wachsthum ist, dafs wir wohl gewünscht hätten von Dr. Cullen eine Erklärung des merk- würdigen Phänomens zu erhalten. Auch auf dem Terrain zwischen der Cordillere und dem Rio Savana, welches noch 1853 eine einföürmige Ebene war, haben ver- schiedene Flu/sgötter, die Dr. Cullen damals grausam zu Tode schweigen wollte, eine fröhliche Auferstehung gefeiert; jetzt ist es nicht mehr möglich, von der Caledonia-Bai einen Canal in gerader Richtung zum R. 'Savana zu leiten, ohne das System des Chucunaque zu berühren; jetzt mufs der Canal im Gegentheil dem Thale des Sueubti folgen und den Chucunaque durchschneiden. Bei dieser entschiedenen Verbesserung in den Kenntnissen des Herrn Dr. Cullen würde es unangemessen sein, den Balsam zu verflüchtigen, den er selbst durch. einige glückliche Wendungen auf die ihm von der harten Wahrheit geschlagenen Wun- den geträufelt hat; wir kritisiren es nicht, wenn er bei einer (Kamm- oder Gipfel-?) Höhe von 930 Fufs nur vielleicht einen Tunnel für nöthig hält, fragen auch nicht, in welchem Niveau das Wasserscheidebecken bei einer Tunnellänge von nur 3 Meilen liegen mü/ste, wenn das Terrain sich von der Quelle des Sueubhti auf den nächsten 3 Meilen ostwärts von 180 Fufs auf 420 Fufs erhebt und dann erst die Cordillere mit jener Höhe von 930 Fufs und einer Breite von ebenfalls drei Meilen folgt. Aber auf Eines möchten wir Herrn Dr. Cullen aufmerksam machen: soll die künstliche Wasserverbindung von der Caledonia-Bai zur Ein- mündung des R. Lara in den R. Savana an der Mündung des Sueubti vorbei- gehen, so wird er die seinem Werke von 1853 beigegebene Karte, auf welcher diese Linie einen rechten Winkel und einen sehr weiten Umweg bildet, förmlich desavouiren müssen, wenn er sich nicht dem ganz ungerechten Verdacht aus- setzen will, dafs er vor geraden Wegen eine entschiedene und hartnäckige Ab- neigung, besitzt. —n.

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Ueber die Pampas. 73

Ueber die Pampas.

Aus einem Schreiben H. Burmeister’s an Herrn A. v. Humboldt, de d. Men- doza 16. April 1857,

Seit meiner Ankunft allhier in Mendoza sind bereits 4 Wochen verflossen und immer noch habe ich keine Gelegenheit finden können, die Beobachtungen auszuführen, welche ich mir vorgesetzt hatte, weil es so ungemein schwer ist, die hiesige Bevölkerung für wissenschaftliche Unternehmungen in Bewegung zu setzen, besonders wenn man mit den Geldmitteln haushälterisch umgehen mufs, welche zu solchen Zwecken in Bereitschaft bleiben. Hier ist Alles ungemein theuer, viel theurer als in Brasilien, die Möglichkeit einer nicht sehr kostspieligen ‚Unternehmung also viel geringer; ich kann darum noch keine Berichte von Werth. oder Bedeutung abstatten und begnüge mich damit, einige allgemeine ‚Gegenstände zur Sprache zu bringen.

Zunächst einiges von den Pampas, von denen ich mir eine durchaus andere Vorstellung gemacht hatte.‘ Ich habe dieselben von Rosario her in 14 Tagen durchschnitten, indem ich der Poststralse nach Mendoza folgte, welche die alle 4 Wochen einmal fahrende Diligence zurückzulegen pflegt, meistens in 10—12 Ta- gen, wenn nicht unvorhergesehene Hindernisse eintreten. Dafs dieser Weg von 250 Leguas in so kurzer Zeit nur in reifsender Schnelle im Galopp zurückgelegt werden kann, versteht sich von selbst; auch mein Wagen fuhr nie anders; da ich mich‘ aber stellenweis länger aufhielt, als nöthig war, so brauchte ich 2—3 Tage mehr als die Post. Indem ich mich auf die bekannte ‘Karte zu "Woodbine Parish Werk beziehe, berichte ich über das Terrain Einiges, was viel- leicht von’Interesse sein mag; schicke indessen meinen Angaben die Bermerkung voraus, dafs die genannte Karte mancherlei Unrichtigkeiten enthält und die viel klei- nere Darstellung von Kiepert in dessen Süd- Amerika im Allgemeinen richtiger ist“' Das» gilt namentlich vom Laufe des Rio Carcaranal, der bei Woodbine Parish ‘zu südlich‘ mit seiner Biegungsstelle bei Esquina gehalten ist, wodurch auch die beiden ihn bildenden Flüsse Rio Terceiro und Rio Quarto verzerrt sind; Esquina und Saladillo liegen nördlicher als-Rosario, nicht südlicher, wie ‚es die Karte angiebt.. Aufserdem ist der Ort Rio Quarto entschieden zu weit nach Osten gesetzt; er gilt bei den Einwohnern für die Hälfte des Weges, mufs also weiter westlicher sein. Nicht blofs bis dahin, sondern noch weiter westlich, bis Rio Quarto, ist das Terrain eine durchaus: gleichförmige Ebene, ohne alle er- heblichen Upgleichheiten, daher man täglich einen sehr weiten Horizont vor ‚Augen hat. , Nirgends ist auch nur ein einziger Gegenstand von Interesse auf dieser unabsehbaren Ebene wahrzunehmen; selbst die engen grabenförmigen Flufs- thäler oder vielmehr Flufsfurchen bemerkt man durchaus nicht aus der Ferne, weilssie. ohne allen Unterschied in den Boden eingegraben sind und sich durch keinerlei eigenthümliche Umgebungen verrathen. Nur der Rio Carcaranal hat bis.in die Gegend von Frayle muerto hinauf und weiter nordwärts, gleich den Bachen Ufern des Rio Paranä, einen ziemlich kräftigen Baumwuchs zur Seite, ‚etwa. wie, bei uns: die Elster- und Elbniederungen bei Leipzig und Dessau; die Bäume sind aber entschieden kleiner als unsere Eichen und. bestehen gröfsten- theils aus feinblättrigen Leguminosen oder einer hier sehr weit verbreiteten Wei-

74 Miscellen:

den- (Salix) Art, diemich am meisten an Sal. Babylonica erinnert. Nordwärts vom Rio Carcaranal sind keine wahren Pampas mehr, weil Baumwuchs in diesen Ge- genden allmählich die Oberhand gewinnt; ja selbst zwischen dem Rio Terceiro und Rio Quarto trifft man stellenweis ziemlich dichtes Gebüsch, selbst Bäume, von der Gröfse und dem Ansehen starker dichter Apfelbäume mit niedrigem Stamm und breiter flacher Krone,. doch ebenfalls ohne Ausnahme Leguminosen. Südlich‘ vom Rio: Quarto und westwärts bis gegen S. Luis hin ist die Ebene baumlos und hier die wahre Pampas-Natur vollständig entwickelt, aber durchaus nicht eine unfruchtbare Einöde, sondern ein mit dichtem kniehohen Grase beklei- detes Blachfeld, zwischen dem allerhand niedrige Pflanzen, z. Th. Stauden, sich erheben. Das Gras dieser Gegenden bildet freilich keinen zusammenhängenden Rasen, wie auf unsern Weiden, sondern es besteht aus ziemlich gleichmäfsig vertheilten Grasbüscheln, zwischen denen der Boden kahl und unbewachsen bleibt. Hauptsächlich sind es zwei Gvasarten, die ich aber beide nicht mit ihren bota- nischen Namen bezeichnen kann; das eine feinere Gras gehört den ganz trockenen Flächen an, ist kniehoch und gelblich glänzend, d. h. der Blumenbüschel, ganz wie feiner Flachs; das andere wird mannshoch, hat eine viel derbere Struc- tur, eine lebhaft grüne Farbe, und prachtvolle seidenweilse, gegen 2 Fuls lange Rispen, die auf hohen graden Schäften noch über die Köpfe der Reiter hervorragen. Dies Gras steht nur an feuchten Stellen, begleitet die Flufs- und Bachfurchen, verbreitet sich in dichten Büscheln über moorartige Gründe, und giebt den Orten, wo es gesehen wird, ein schönes frisches- kräftiges Ansehen. Als Viehfutter taugt ‘es nicht, es ist viel’ zu hart; auch das Gras der trockenen Pampas wird nur, so lang es frisch und jung ist, vom'Vieh genossen und daher kommt es, dafs diese immensen Flächen nur so wenig natürliche Bewohner aus dem Thierreich aufzuweisen haben; eigentlich nur drei Pflanzenfresser, das PViz- cacha, den C'ervus campestris und den Straufs, Rhea americana, der indessen hier viel seltener gesehen wird 'als in der Banda oriental, weil diese bei weitem besseres Viehfutter liefert, als die eigentlichen Pampas. Unter dem trockenen feineren Pampasgras, dessen man sich hauptsächlich zum: Dachdecken bedient, stehen als Decorationsmittel der Flur allerhand kleine Pflanzen, z. Th. Stauden, deren Ansehn vollständig mit ähnlichen verwandten Gewächsen Europas harmo- nirt. Sehr gemein besonders an den Rändern der Fahrwege, deren Gleise wegen der schweren Karren tief eingeschnitten zu sein pflegen, steht ein Salidago ganz wie unser S. virgaurea aussehend; anderenorts, besonders wo der Boden salz- haltig ist, sah ich viel eine Artemisia, der A. Absinthium und A. salina ähnlich; dann besonders auf den höheren Stellen und neben den Ansiedelungen eine Klette (Arctium) oder eine ihr sehr ähnliche Pflanze; aufserdem Melden (Atriplex) und ein langstacheliges Gewächs, welches derselben Familie anzugehören scheint. Unter den Pflanzen mit schönfarbigen Blumen sind besonders zwei rothe häufig, die ich beide nicht botanisch bestimmen kann; die eine sieht wie eine Primula mit gezackten Blättern aus und erinnert an Pr. faminosa; die andere hat eine grofse prachtvoll karminrothe Blume, die unserm grofsen Riesengranium ähnelt, aber die Blätter des Gewächses sind klein, einfach, dick und geben dem Ganzen mehr das Ansehen eines kleinblättrigen Mesembryanthemum, was freilich hier nicht erwartet werden darf. Grofse schöne Blumen sah ich nirgends, dagegen mitunter

Ueber die Pampas. 75

eine kleine hübsche feuerrothe Malwe, vielleicht Altkea, und die bekannte Zier- pflanze unserer Gärten, welche man Ochsenauge zu nennen pflegt; eine Syngene- siste, mit Zagetes verwandt, dessen Name mir leider, wie so mancher andere aus früherer Zeit, entfallen ist. Ganz öde, kahle Stellen kommen nur da vor, wo der Boden so stark mit Salz geschwängert ist, dafs letzteres ihn als weilse Kruste überzieht. ‚Hier fehlt alle Vegetation, nur einzelne Pflanzen, der Salsola nicht unähnlich, vertheilen sich über den mitunter sehr umfangreichen, stets ver- tieften und stellenweis zu grofsen Lachen erweiterten Raum. Es sind das die Reste des ursprünglich in diesen Gründen zurückgebliebenen Meerwassers, die Niederschläge seines Salzgehaltes, als das Wasser verdunstet war; sie bilden den ärmlichsten Theil des hiesigen Landes, werden von den Ansiedlern gemieden und. dienen nur den Sumpfvögeln zu Sammelplätzen. Aber auch diese sind nur dann da, wenn kein sülses Wasser in der Nähe ist; viel häufiger sieht man sie an, den gröfseren oder kleineren mit grünem Schilf bekleideten Seen, welche durch. die ganzen Pampas vertheilt sind’ und 'stets als Lieblingsplätze von den Ansiedlern gewählt‘ werden. Manche dieser Seen haben einen beträchtlichen Umfang.

Das ist, so weit ich ihn kennen gelernt habe, der allgemeine Charakter: der Pampas; mehr nach Süden nehmen die Salzlachen zu und hier wird der Gesammt- Eindruck des Bodens trauriger, öder; gegen Westen dagegen, wo die isolirten granitischen Bergketten von Cordoba und S. Luis dem Pampasboden eine Grenze setzen, nimmt buschiges Terrain die Oberhand und bewirkt eine grofse Ab- wechselung. des Ansehens, wie die zunehmenden Hügelreihen des Bodens eine Unebenheit des Grundes; beide gehen Hand in Hand. Die Gegenden vor 8. Luis, von Rio Quinto an, sind besonders hübsch und erinnerten mich zu- weilen an Brasilien, obgleich der üppige Baumwuchs der Tropen völlig fehlt und dürre, z: Th. wirklich blattlose Bäume nur kärglich zur Decoration der Land- schaft: beitragen können. Hier beginnt der Einflufs der Cordilleren in der Orga- nisation sichtbar‘ zu werden; zwei eigenthümliche Thierformen, ‘der Pampas- Hase (Dolichotis: patagonica), wohl zu unterscheiden von dem Pampas-Ca- ninehen oder Vizcacha (Zagotis Cuvieri), welches den östlichen ganz ebenen Pampas angehört‘— und das Pampas-Huhn (Ortygia magallaniea) traten auf und sind gerade um S. Luis sehr häufig. Eine Station hinter S. Luis fand ich auch die erste Nyctelia, eine Käferform, die ausschliefslich dem Cordilleren - Ge- biet angehört. Zugleich gewinnt der Boden, wegen des gröfseren Reichthums an Wasser, eine höhere Fruchtbarkeit und bald fährt man zwischen Pappel- Alleen und Weinlauben dahin, ganz wie im nördlichen Italien. Der Eindruck ist überraschend sonderbar; man glaubt kaum, in der neuen Welt, nahe dem Fufse der Cordilleren sich ‘zu befinden und doch hat man sie in dieser Gegend schon beständig, wo freie Umsicht möglich ist, vor Augen. Sonnabend, den 7. März, bald nach 7.Uhr Morgens, als ich die Höhen unmittelbar hinter $. Luis erreicht hatte, sah ich die ganze Kette zum ersten Male, ein freudig rührender mir ewig denkwürdiger Augenblick; ich erkannte sogleich das hohe schnee- beladene Haupt des Aconcagua und weiter hinab nach Süden einen kleineren Gipfel von ausnehmend deutlicher Glockenform, welchen die Karte als Tupun- gato auswies; ganz südlich einen dritten, den Maypu. Am Morgen waren nicht

76 Miscellen:

blofs die schneeigen Gipfel deutlich, auch die tieferen Partien der Kette konnte ich erkennen; aber gegen Mittag verbarg sich alles wieder hinter den’ Dünsten des Tages und nur die Gipfel ragten z. Th. über die Wolken hervor. . Fünf Tage hintereinander wiederholte sich mir dieses magische Schauspiel, mit jedem deutlicher und schöner werdend; am Abend des vierten Tages schlief ich im An- gesicht des Aconcagua ein, und am Morgen des fünften zeichnete ich den schö- nen Tupungato von der ersten Station, als die Pferde gewechselt wurden, in meine Mappe. Diese Skizze könnte ich Ihnen senden, aber freilich noch nicht die Ansicht des Aconcagua, weil man von diesem hier in Mendoza nur die äufserste Spitze sieht, der gröfste Theil des Berges steckt hinter der vorliegenden Kette von Uspallata. Indessen habe ich in dem benachbarten Dorfe Luxan die Bekannt- schaft eines Mühlenbesitzers gemacht, von dessen Hause aus man eine vollstän- dige Ansicht der ganzen Binnen-Cordillere vom Aconcagua bis Maypu vor sich hat, und dieser Mann hat mich freundlichst eingeladen, von da aus die ver- sprochene Ansicht für Sie zu entwerfen, was ich ihm auch zusagte. Leider war ich bei meinem ersten Besuche daselbst ohne Zeichenapparate, konnte also nicht sofort an’s Werk gehen; und seitdem ist hier so schnell der Herbst herein- gebrochen mit seinen Nebeln, dafs es jetzt nicht mehr möglich ist, ein gutes Bild zu machen; man sieht nur die Umrisse der Berge, aber durchaus nicht die vielen Grate und Joche, welche diesem Theile der Cordillere einen so überaus schönen Anblick gewähren. Nach Aussage der Hiesigen hält diese Beschaffen- heit der Atmosphäre bis zum Winter an, so dafs ich erst nach einigen Monaten hoffen darf, die versprochene Arbeit in Angriff zu nehmen, die ich dann aber schnell und so bald es thunlich ist, ausführen werde.

Mit meinen physikalischen Beobachtungen sieht es schlecht aus; das schöne Barometer von Pistor, welches ich mitnahm, ist auf der Reise während des be- ständigen Stofsens des Wagens so erschüttert worden, dafs die Luft einen Ein- gang in die Quecksilberröhre gefunden und mein Instrument vor der Hand un- brauchbar gemacht hat. Thermometerbeobachtungen stelle ich täglich an und habe hier eine Bekanntschaft gemacht, welche mir genaue Beobachtungen, seit einem Jahre angestellt, verspricht. Sobald ich im Besitz derselben bin, werde ich ihnen eine Abschrift davon zugehen lassen. Meine weitere Reise von hier ist zur Zeit ganz ungewils; eines Theiles, weil meine Geldmittel schon sehr erschöpft sind, anderen Theils, weil jetzt im Herbst und noch später im Winter sich nirgends auf Erfolg rechnen läfst, wenigstens für einen Entomologen. Kaum ist noch eine Biene an den spärlichen Syngenesisten-Blumen zu sehen, die ich fast allein hier antreffe. Der Boden, wo nicht durch Kultur verändert, ist kahl und öde; am ganzen Fufs der Cordilleren zieht sich eine stellenweis zu 100 Fufs hohen Hügelreihen aufgehäufte Schuttschicht hin, die nur von Cactus- Arten und ärmlichen keinen Leguminosenbüschen bekleidet wird. Ganz dieselbe Vegetation und keine andere herrscht auch auf dem Gebirge selbst; kein Baum, kaum ein Strauch bekleidet die Gehänge der Cordilleren an: dieser östlichen Seite; die Ge- steine stehen nackt und kahl da, wo sie nicht unter Schuttmassen versteckt sind. Dagegen giebt es einen ungemeinen Reichthum an Mineralien aller Art und für Mineralogen wie Geogmosten ein sehr reiches Feld. Das Interessanteste was ich bemerkt habe, ist ein Steinkohlenflötz hier ganz in der Nähe, zwei Stunden von

Ueber die Pampas. 77

der Stadt, auf’ das schon Bau betrieben wird. Da indessen meine Kenntnifs von demselben nur noch sehr oberflächlich ist, so erspare ich Mittheilungen dar- über bis auf einen späteren Brief: es liegt oben im Thale eines kleinen Baches, der aus der Uspallata-Kette hervorbricht und gegen die Stadt hin mit dem Rio de’ Mendoza, der diese ganze Kette umfalst, sich vereinigt. Die Uspallata-Kette, durch Darwin im Allgemeinen untersucht, ist sehr reich an Silber-, Kupfer- und Eisenerzen; einige behaupten auch an Gold, doch habe ich bis jetzt nur Erze der drei genannten Metalle gesehen.

Neuere Literatur.

Topographie der Herzogthümer Holstein und Lauenburg, des Fürstenthums Lübeck und des Gebiets der freien und Hanse -Städte Hamburg und Lübeck. Von Johannes v. Schröder und H. Biernatzki. Zweite neu bear- beitete, durch die Topographie von Lauenburg vermehrte Auflage. 2 Bände. Oldenburg in Holstein 1855. 1856. 8.

Dafls von diesem vor 14 Jahren erschienenen Werke eine neue Auflage erforderlich geworden ist, liefert den Beweis, dafs dasselbe sich durch seine Brauch- barkeit Eingang in die Kreise verschafft hat, für die es bestimmt war. Auch von der vorliegenden, durchgängig berichtigten und vielfach vermehrten Auflage kann man sagen, dafs sie in manchen Beziehungen mehr leistet als der Titel verspricht. Dem alphabetischen Repertorium ist eine 150 Seiten starke „Allge- meine topographische Darstellung“ vorausgeschickt, die in gedrängter Zusammen- fassung eine sehr reichhaltige Information in sich schliefst. Der erste Abschnitt der- selben liefert eine Geschichte der territorialen Entwickelung, die für die gegen- wärtige Eintheilung und die jetzigen Territorial- Verhältnisse von Wichtigkeit ist; er bespricht die älteste Eintheilung des Landes nach Adam v. Bremen, die Aus- breitung und Wohnsitze der wendischen Bevölkerung, die Colonisation und die

Begründung der Städte, die Ständeverhältnisse, soweit sie für die Bildung der

Territorien und die Landescultur von Wichtigkeit sind, die Besitzverhältnisse unter den Schauenburgern, die Aenderung derselben in Folge. der Säcularisation des Kirchenguts, die Landestheilungen unter den Oldenburgern und schliefslich die Heranbildung der gegenwärtigen Verhältnisse. Dann folgen mehrere rein geo- graphische Abschnitte, über Lage, Gröfse und Grenzen des Landes, die einge- schlossenen Enclaven, das Klima, die Bildungsgeschichte des Landes, die Boden- beschaffenheit, die orographischen und hydrographischen Verhältnisse und die

+ Naturproducte. Die Angaben über die Bevölkerung, so weit sie in dieser Ein-

leitung enthalten sind, beziehen sich auf die Zählung von 1845. Dann folgt ein ausführlicher Abschnitt über die Landwirthschaft mit einer tabellarischen Ueber- sicht der jährlichen Production an Cerealien, Oelpflanzen, Futterkräutern, Butter

78 Neuere Literatur:

und Speck, nach fünfjährigem Durchschnitt, einer Tabelle des Viehstandes in den einzelnen Distrieten, und einer Qlassification des Bodens nach der verschiedenen Nutzungsart als Ackerland, Wiese und Wald ebenfalls für die ein- zelnen Distriete. Der nächste Abschnitt handelt von der Industrie und dem Handel, wobei auch die Communicationsmittel eingehende Beachtung finden, die folgenden über die Verwaltungs- und Justizeinrichtungen, das Kirchen- und Schul- wesen, das Forst- und Deichwesen. Dieser allgemeinen Uebersicht folgt eine speeiellere Belchreibung der einzelnen Distriete; sie beginnt überall mit einem historischen Rückblick auf die Bildung des Territoriums und giebt die Unter- abtheilungen nach Gröfse und Bevölkerung an.

Das alphabetische Repertorium enthält in seinen einzelnen Artikeln eine stauenerregende Fülle detaillirter Angaben. Wenn man erwägt, dafs z. B. bei den Dörfern angeführt wird, wie viele Vollhufen, Kathen, Instenstellen sie ent- halten, wie viel Handwerker darin leben, wie grofs das Areal und wie es sich auf Acker, Wiese, Wald, Unland vertheilt, wie die Bodenbeschaffenheit ist, meisten- theils auch, auf welche Summe sich die Grundsteuern belaufen, so kann man sich eine Vorstellung von dem Umfange der Correspondenz bilden, die erforderlich war, um eine solche Fülle des Materials zusammenzubringen. Als eine Eigen- thümlichkeit, welche die vollste Anerkennung verdient, heben wir hervor, dals das Repertorium den gröfsesten Theil der ‚untergegangenen Ortschaften, die in den bis jetzt publieirten Urkunden zur Landesgeschichte erwähnt werden, namhaft macht und ihre Lage erläutert; um der Territorialgeschichte diesen wichtigen Dienst leisten zu können, haben sich die Herausgeber die detaillirtesten Angaben über die noch im Munde des Volks befindlichen Namen von Feldern, Holzungen, Triften u. s. w. verschaffen müssen, und dadurch oft überraschende Aufschlüsse gewonnen. Das Werk hat dadurch auch für den Historiker höhern Werth er- halten, während jeder Vermischung des Alten und Neuen dadurch vorgebeugt ist, dafs die Namen der untergegangenen Ortschaften durchweg durch lateinische Lettern ausgezeichnet sind. Bei vielen Artikeln finden sich auch Angaben über die Alterthümer, die man im Gebiete der betreffenden Ortschaften entdeckt hat. Wir können demnach nur wünschen, dafs diese mit einem bewundernswürdigen Fleifse durchgearbeite Auflage sich eben so wie die erste im Lande einbür- gern möge. u

Voyage dans la Peninsule arabique du Sinui et ’Egypte moyenne. Histoire, geographie, epigraphie. Par M. Lottin de Laval, ancien charge de missions scientifiques, etc. Paris, Gide de Baudon 1856 —57. Bis jetzt Liefer. 1— 16, Text-Bogen 1— 22 (176 S.) und dazu 64 Tafeln mit Inschriften und 10 lithgr. Ansichten in Fol., die Lief. 7 Fr.

Mitglieder des französischen Instituts hatten Recht zu behaupten, dafs die Erforschung der Sinai-Halbinsel unter die wesentlichsten Desiderata der geogra- phischen und. archäologischen Wissenschaft gehöre. Freilich geschah das im Jahre 1849, also drei Jahre früher als durch Lepsius’ Reisebriefe im Allgemeinen

B

Neuere Literatur: 79

bekannt geworden war, welche wissenschaftliche Aufgaben die grofse preufsische Expedition bereits gelöst hatte; aber auch jetzt noch, nachdem das bedeutende Denkmälerwerk seiner Hauptmasse nach, würdig der königlichen Theilnahme daran veröffentlicht worden ist, in welchem selbstverständlich die tiefgreifenden Fragen des ägyptischen Alterthums sich mächtig in den Vordergrund drängen, schie- nen die Ansprüche des Sinai an die engere semitische Wissenschaft noch in vollem Recht zu bestehen. Denn der würde sich irren, welcher meinen wollte, dafs durch 5—600 Reisebeschreibungen, wie sie einem mäfsigen Forscher sich etwa darbieten, das Terrain der Sinai-Halbinsel, welches an Ausdehnung noch nicht der‘ preufsischen Provinz Sachsen gleichkommt, hinlänglich erkannt sei: in solchen Werken mögen sich viele Gefühle offenbaren, desto weniger Gedanken, und die Betrachtung erdrückt die Beobachtung. Im günstigsten Falle wurde auch immer nur den theologischen Fragen, den hierbei allerdings wichtigeren, Genüge gethan. Aber der Sinai ist nicht allein ein Markstein für die Geschichte des hebräischen Volkes, welches in Palästina sefshaft geworden ihn merkwürdig genug fast ganz aus den Augen verliert, und auch in der näher anwohnenden Abzwei- gung des ägyptischen Judenthums sich der ehrwürdigen Lokalität zu erinnern sich nicht ernsthafter bemüht; sondern es lehnen sich an ihn als an eine heilige Stätte die religiösen Anschauungen nordsemitischer und arabischer Heiden. So war noch vieles zu erforschen übergeblieben, und ganz besonders konnte eine französische Akademie die Lücke tief empfinden, indem bei allen sonstigen gro[sen Verdiensten um die Reiseliteratur gerade ihre Nation in der jüngsten Zeit sich von jenem Punkte etwas weggewendet hatte. Ueberhaupt war seit Volney doch nichts für die Charakteristik der Halbinsel (um das Mindeste zu fordern) geschehen. Die grolse ägyptische Expedition unter Napoleon I. klärte manche Beziehungen der- selben zu Aegypten auf; in den phantastischen Schilderungen Chateaubriand’s, des Romantikers des Bourbonismus, Lamartines, des Romantikers des naiven Republikanismus, und Alexander Dumas, des Romantikers der Leihbibliotheken, war der Boden der Wirklichkeit vollständig verlassen. Eine beachtungswerthe Ausnahme machte der Graf Leon de Laborde mit seiner Reise im peträischen Arabien und seiner geographisch-historischen Behandlung des zweiten Buches Moses’, und, wenn man die Einwirkung der einschlagenden englischen und deut- schen Forschungen auf Frankreich mit Recht nicht zu scharf betont, so hat der genannte Graf an der wissenschaftlichen Förderung eines Reisenden gewils dan- kenswerthen Antheil, welcher Reisende bisweilen nun sein Gegner werden mufs, Lottin de Laval’s.

Lottin de Laval ist ursprünglich Künstler, hat sich jedoch mehr und mehr dem Studium der Archäologie zugewendet. In ihrem Interesse hat er bereits früher mannichfache Reisen unternommen. Seit ungefähr 1830 finden wir ihn häufiger in Italien, z. B. in Ravenna, wo er sich für die älteren Bauwerke in- teressirt, in Genua u. s. w. Er beschäftigt sich hauptsächlich damit, ein mecha- nisch-leichtes, aber auch künstlerichen Zwecken genügendes Verfahren zum dauer- haften Nachbilden von Denkmälern und Inschriften zu finden. Nachher geht er im Auftrage der Regierung nach Asien, bereist Kurdistan, Armenien, Persien, die Euphrat- und Tigrisländer, Palästina, Syrien, Nordarabien und Unterägypten während der Jahre 1843—46. Auf Burnonf’s und Letronne’s Anregung be-

s0 Neuere Literatur:

schäftigt er sich damit, Abklatsche von den Keilinschriften am See Van zunehmen, indem die von dem verunglückten Schultz genommenen Kopien nicht genau schienen. Uebrigens entging L. de L. selbst in wunderbarer Fügung des Schick- sals dem Tode durch die Kurden; und da durch die harten Stürme des Winters 1843 —44 seine Sammlungen in Aderbeig'än zerstört wurden, so kam er auf seine in Italien gemachten Versuche zurück, welche er jetzt mit dem glück- lichsten Erfolge wiederholte. Er vermochte in kürzester Zeit die saubersten und dauerhaftesten Kopien von Inschriften und Denkmälern besonders in einer Gyps- mischung herzustellen. Sie sind zu einer stattlichen Sammlung angewachsen, welche sich auf Babylon, Ninive, Persepolis und die säsänidischen und armenischen Städte erstreckt. Damit verband der Reisende weitergreifende gründliche For- schungen, über die Wohnsitze der von Salmanassar weggeführten zehn Stämme, über die Yezidi’s und über den Zug der Zehntausend von Kunaxa aus, das er zweifellos wiedergefunden zu haben glaubt. Die Veröffentlichung aller dieser Arbeiten wird gegenwärtig vorbereitet, während die geschickten Nachbildungen den reichen Sammlungen des Louvre einverleibt sind.

Der Ruf der Ausdauer und Gewissenhaftigkeit, welchen L. de L. sich er- worben, veranlafste die französische Regierung, ihn mit dem Auftrage der Er- forschung Unterägyptens und der Sinai-Halbinsel nach dem Bericht der Akademie zu beehren. Kaum in sein Vaterland zurückgekehrt, begab er sich im Januar 1850 nach Aegypten, um von dort aus das angewiesene Gebiet gründlich zu durchforschen, und genügte mit seiner unermüdlichen Thätigkeit in etwa einem halben Jahre dem Auftrage vollkommen. Ein endgültiges Urtheil läfst sich noch nicht fällen; von den 40 Lieferungen, aus welchen das ganze Werk bestehen wird, liegen erst 16 vor: aber in dem Texte, wie in den beigegebenen lithogra- phischen Darstellungen von Landschaften und Inschriften tritt uns die ganze Sorgsamkeit eines Schritt vor Schritt Forschenden entgegen. Manches mag viel- leicht kleinlich erscheinen, aber wo es sich um eine endgültige Entscheidung handelt, darf nichts zu klein erachtet werden. Er hat die ganze Halbinsel zu Fufs bereist, jede Strecke und Höhe gemessen, jede Inschrift eopirt; eine allen Ansprüchen genügende Karte soll dadurch gewonnen worden sein. Indem ich von dem ägyptischen Theile seiner Forschungen absehe, als deren bemerkenswertheste Resultate vielleicht die Untersuchungen der Grotte von Turah und die Nachbil- dungen zahlreicher, besonders in Memphis noch vorhandener und daher: den europäischen Museen noch fehlender Denkmäler gelten mögen, hebe ich als die drei wichtigsten Punkte heraus: 1) die Stationenreihe der ausziehenden Israeliten; 2) die Lokalität des Berges der mosaischen Gesetzgebung; und 3) die Inschriften der Halbinsel. Die beiden ersten Punkte werden ihre Erledigung erst durch die vollständige Darstellung der Reise finden, und selbst wenn man schon im An- fang geneigt sein sollte, von einigen hier aufgestellten Annahmen der israelitischen Stationen abzugehen, so sind doch alle wissenschaftlichen Momente mit solcher Gewissenhaftigkeit und Ummittelbarkeit zusammengebracht, dafs negative Ent- scheidungen ein für allemal’ ohne Bedenken getroffen werden können. Der Ver- fasser befindet sich häufig im Widerspruch zu des Grafen Leon de Laborde Arbeiten. Schon die Besprechung der Landenge von Su£z bietet dazu Gelegen- heit, welches er mit Ba’al-Zefön identificirt, während de Laborde den Meerbusen

Neuere Literatur: 81

nördlich um zwölf Lieues für die älteren Zeiten länger setzt; auch schliefst sich daran die Canalfrage des Alterthums. Goschen, von wo die Israeliten ausgehen, ist ihm das heutige al-Schargiyyeh. Der bis jetzt veröffentlichte Text schliefst mit dem Anfange des fünften Capitels, in welchem die geographischen Streit- fragen über die Wüste Ethane, Sur, Sin und den Sinai kritisch untersucht werden sollen. Damit hängt die Lösung des zweiten Punktes, der Sinaifrage zusammen; man darf, bei dem Confliet, in welchen an dieser Stelle Ritter’s geographische Tiefe und Lepsius’ glänzender Scharfsinn zu einander gerathen, dieser in Aus- sicht gestellten Untersuchung mit gröfstem Interesse entgegen sehen. Klar ist schon jetzt, dafs L. de L. gegen die Meinung auftreten mul[s, welche im Serbal den Berg der Gesetzgebung sieht. Das freieste und anerkennendste Urtheil dür- fen wir über den dritten Punkt, über die schöne Sammlung von Inschriften aus- sprechen. Gleichgültig mögen uns die in griechischer, lateinischer, syrischer, armenischer und arabischer Sprache abgefafsten sein, weil sie mit wenigen und noch nicht sicheren Ausnahmen der jüngeren christlichen Epoche angehören, welche sich in bestimmter Tradition schon ein Ziel für ihre andächtigen Sinai- wallfahrten fixirt hatte. Die gelegentlich erwähnten palmyrenischen Inschriften - werden sich wohl anders auffassen lassen. Höchstbedeutend treten uns aber die sinaitischen Inschriften entgegen, deren uns auf den bis jetzt veröffentlichten 64 Tafeln bereits 358 gröfsere und kleinere dargeboten und nach der allgemeinen Uebersicht noch mehrere in Aussicht gestellt werden. Wir glauben gern, wenn wir dazu die älteren Sammlungen, besonders die des Engländers Grey, vergleichen, dafs L. de L. keinen beschriebenen Stein übergangen hat. In Lepsius’ gröfseren ägyptischen Werken bringt die sechste Abtheilung uns ebenfalls eine Reihe von etwa 160 musterhaft kopirten sinaischen Inschriften, so dafs die Pälaographie das sicherste Material nun vor sich hat. Die ausgezeichneten Untersuchungen von Tuch, durch welche Beer’s Entzifferungen ihren vorläufigen schönen Abschlufs gefunden hatten, können nun wieder aufgenommen werden und es wird beson- ders an Erweiterungen des bis jetzt erkannten Sprachschatzes nicht fehlen. Die Beweise mehren sich, dafs hier nicht die Aufzeichnung der wandernden Kinder Israels, wie ehedem Kosmas und neuestens die Engländer Forster, geglaubth aben, vorliegen, sondern die Religions- und Sprachdenkmäler nordarabischer Stämme, von ganz gleicher Wichtigkeit wie die himjarischen Inschriften für den Süden Arabiens. Sie sind diese Stralsen nach heiligen Orten, Bergen und Palmenhainen gezogen, wie besonders die gewils künstlich angelegte Serbalstrafse beweisen mag; und die jüngsten dieser Schriftdenkmäler reichen nicht unter das dritte christliche Jahrhundert herab. So sehen wir auch in der heiligen Verehrung dieser Höhen eine Gemeinsamkeit der religiösen Anschauungen der Hebräer und Araber, eine Gemeinsamkeit, die vielleicht uralt und ursprünglich‘ war, und in Zeiten, da man von Palästina aus nicht mehr den Sinai besuchte, galten die Steine dem aber- - gläubischer gewordenen heidnischen Araber noch als heilige Male. Doch noch weiter nach Norden lassen sich die Spuren der Anerkennung dieses semitischen Urheiligthums verfolgen. Für den hebräischen und arabischen Sprachkreis ist die Bedeutung von Sin und Sinai vollständig verdunkelt: es ist lächerlich, wenn alttestamentliche Exegeter. den Berg als den „Kothigen“ aufgefafst haben. Sein Name ‚geht zurück auf Sin, welches im heidnisch-armenischen den Mond und Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd.III. 6

82 Neuere Literatur:

Mondgott bedeutet hat, wie die alten syrischen Lexicographen und altarabischen Nationalliteraten noch recht gut wissen, und den wir aus dem semitischen Sprach- und Religionskreise der Assyrier nachweisen können. Aus der Zeit gemein- samer Cultur der Nord- und Süd-Semiten ist der Name Sin an dieser Stelle haften geblieben, während die aramäischen Völker, aus deren Sprache er hervor- ging, längst nordwärts gerückt sind. Neben den Berg des Mondgottes Sin könnte sich ein Heiligthum des Baal auf dem Serbal stellen. Zu solchen weitergrei- fenden Combinationen in der Geschichte der alten Semiten wird uns L. de L.’s Werk mit seinem reichen Inschriftenschatze und seinen sorgfältigen Beschreibun- gen noch manchen Beitrag liefern; wir wünschen deshalb dem bedeutenden Reisewerke und seinen in Aussicht gestellten Forschungen im Interesse sowohl der Geographie als auch der asiatischen Philologie den besten Fortgang. R. Gosche.

Gronland geographisk og statistisk beskrevet af H. Rink. _Andet Bind. , Det sondre Inspectorat. Met Afbildninger, Kaart og naturhistoriske Tillaeg, Kjebenhavn. 1857. 8.

Unter diesen Titel liegt nun der Schlufsband von dem Werke H. Rink’s über Grönland vor uns, dessen erster Band unter dem Titel: „de danske Han- delsdistrieter i Nordgronland“ bereits 1852 erschienen ist. . Der letztere beschäf- tigte sich nur mit dem sogenannten „nördlichen Inspektorat“ und behandelt, das- selbe erschöpfend, so dafs sich der zweite Band des Werkes über das „südliche Inspektorat“ als ein ebenfalls selbsständiges Ganze demselben anschliefst. Vier Karten und eine Reihe von Darstellungen in farbigem Druck bilden eine werth- volle Zugabe zu dem allgemein interessanten Inhalt. der umfassenden Arbeit. Dem grofsentheils schon besprochenen und bruchstücksweise selbst in der geogra- phischen Zeitung mitgetheilten Inhalte des ersten Theiles ersten Bandes (über die Form und Höhe des Landes; die Ausbreitung des Landeises; den Ursprung. der schwimmenden Eisfjelde; das Klima des Küstenlandes; die Beschaffenheit der Oberfläche in verschiedener Höhe über dem Meere; das Hochlandseis; die Bin- nenseen, das Quell- und fliefsende Wasser; die produktiven Erwerbsquellen und Bedingungen für den Lebensunterhalt der Bewohner; die Produkte des Thier-, Pflanzen- und Mineralreiches) folgt im zweiten Theile ein 43 Bogen starker Ab- schnitt über die Bevölkerung und dann eine umfassende statistische Schilderung der einzelnen Distriete, der als Anhang ein Verzeichnifs einer Sammlung nord- grönländischer Mineralien beigegeben ist.

Nach den Angaben des Verfassers belief sich im Jahre 1850 die Einwoh- nerzahl in ganz Nordgrönland auf eirca 3400 Seelen, nämlich 3299 Eingeborene und etwas über 100 Dänen. Der Distriet, welchen sie bewohnen umfafst 5 Brei- tengrade, zwischen dem 68 und 73° nördlicher Breite. Die Bevölkerung ver- theilt sich nun in runden Zahlen so, dafs auf dem südlichsten Grade, zwischen 68 und 69°, ein Drittel der Gesammtmenge mit etwas über 1000 Seelen wohnt; auf dem zweiten, zwischen 69 und 70° ebenfalls ein Drittel mit 1000 Seelen, auf dem dritten, zwischen 70 und 71° etwa 800 Seelen zerstreut sind, auf. dem vierten, zwischen 71 und 72° gar keine Menschen ansälsig und auf dem letzten,

Neuere Literatur: 83

zwischen 72 und 73° die übrigen 400 Seelen zu finden sind. Ein spezielles Schema giebt die Bevölkerung für das Jahr 1845 nach Geschlecht und Alter an, wonach sie sich damals auf nur 3019 Eingeborene und 131 Dänen belief. Eine Menge höchst werthvoller: statistischer Angaben über Production, deren Werth im Lande und in Europa, Aus- und Einfuhr etc. machen auch diesen Theil zu einem Schatz brauchbaren Materials um .Conjekturen für den Verkehr mit dieser Provinz darauf zu gründen. Von grolsem Interesse ist das Verzeichnils von 46 in grönländischer Sprache gedruckten Büchern meilst religiösen Inhalts, dar- unter die Nachfolge Christi von Thomas a Kempis, doch auch eine Grammatik, 2 Wörterbücher, 2 Rechnen- und einige. geographische und historische Bücher. Der zweite Band beginnt mit einer historischen Einleitung, die ein Auszug aus der von der Gesellschaft für nordische Alterthümer herausgegebenen „Gren- lands historiske Mindesmärker“, ist, aber Bestätigung in vielfachen an Ort und Stelle und- auf den Ruinen des alten „Ostbau“ angestellten Beobachtungen Rink’s fand. Etatsrath Rafn, dem die ersten Untersuchungen über die Länge der altgrönländischen Colonien zu danken sind, hat die Durchsicht dieses Theils des Werkes geleitet und ihm den Stempel seiner Autorität aufgedrückt. Ein zwei- ter Abschnitt behandelt, wie im ersten Bande für den Norden, die Beschaffenheit des südlichen Aufsenlandes, die Wetterverhältnisse, das Meer und das Treibeis. Diesem schliefsen sich die Producte der drei Natur-Reiche an, und behal- ten wir uns Mittheilungen aus den interessanten Details über die vorkommen- den Minerale, wie die interessanten Daten über Jagd und Fischerei vor. Der zunächst folgende Abschnitt über die Bevölkerung giebt nach der Zählung vom 1. October 1855 dieselbe für das südliche Inspectorat auf 6128 Eingeborene und 120 Europäer an. Dieselbe war auf eine Küstenstrecke von 140 Meilen Länge und.an einzelnen Stellen 6 bis 8 Meilen Breite vertheilt. Die bewohnten Plätze hatten mit Ausnahme einer Stelle, wo 15 Meilen und einer, wo 10 Meilen sie trennten, höchstens 6 bis 8 Meilen Zwischenraum untereinander. Die Lebensart der Bewohner, welche auf Jagd und Fischfang hinweist, bedingt diese grofse Ausbreitung und schuf 130 bewohnte Plätze, die eine oder mehrere Meilen von einander entfernt liegen, wobei aber solche Etablissements die nur eine Viertel- meile und weniger weit getrennt sind, als eine Niederlassung betrachtet sind. Die Einwohnerzahl ist in diesen Plätzen natürlich sehr. gering; sie vertheilt sich

wie folgt: 1 Platz mit nahezu 300 Eingeborenen, , _

3 Plätze mit zwischen 201 und 300 Eingeborenen Ad... - - - 101 - 200 - - er 49 = - - 5l - 10 - - En; 36 - - - 26 - 50° - - ne. 60 °- - - —..-.. 23 - -

so dafs die Durchschnittssumme für jeden Platz 48 Eingeborene ist. Die Misch- race, d. h. die Nachkommen der Eingeborenen und Europäer ist mit unter die Eingeborenenzahl aufgenommen. Erwerbszweige, Productionsverhältnisse, Lebensweise sind auch hier, wie im ersten Bande mit Sorgfalt behandelt und ‚ergeben sich jenen ‚sehr ähnlich. Den Gesundheitsverhältnissen, dem Missions- "und Schulwesen und ‘dem Handelsverkehr ist ein gröfserer Raum gewidmet, worauf ' dann auch hier zur Detailschilderung der einzelnen Distriete übergegangen wird.

hemislor 6*

84 Neuere Literatur:

Eine Uebersicht über beide Inspectorate schliefst sich an und giebt detaillirte Tabellen über die Brutto-Production des Handels in Grönland. Es ergiebt sich danach als Totalwerth der in den letzten 10 Jahren nach dem Mutterlande ge- sendeten Waaren, einschliefslich der Emballagen etc. im Werth von 20 bis 24000 Ralr. jährlich:

für das Jahr 1846 . 2... 2.20% 274,508 Rdlr.

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- naeloinsgun 1854) nase Hab most 3A;2alnk-

Hi soynerlsnB5HT ae. vb ah. „MAYER Vom Mutterlande aus wurden dagegen in den letzten 5 Jahren (1851 55) durch- schnittlich jährlich Waaren von einem Werthe von 164,251 Radlr. zugeführt; worin jedoch der Bedarf der Colonial- Beamten und der Unterhalt für die Europäer und deren Oekonomie eingeschlossen ist.

Für die Dezennie 1846 1850 ergiebt sich daher durchschnittlich:

Einnahme 317,175 Rdlr. 19 Sk. Ausgabe 273,215 - 34 - (inel Bestreitungskosten für das a T Miissions- und Medizinal- Wesen.) Ueberschuls 43,959 - 8 -

Eine ganz spezielle Bevölkerungstabelle nach Alter und Geschlecht für das Jahr 1855 giebt die Gesammtseelenzahl beider Inspectorate auf 9644 Eingeborene und 248 Europäer an. Die Zunahme der Einwohnerzahl stellt sich nach den genaueren Volkszählungen heraus, wie folgt:

1820 zählte man 6286 Eingeborene

1824 - - 6331 - - 1830 - - 6997 0 °- - 1835 - - 7356 - - 1840 - - 1877 - - 1845 - - 8501 -- - 1850 - - 9185 - - 1855 - - 9644 - -

Diesen unschätzbaren Detaildaten schliefst sich sodann eine Besprechung des Missions- und Medizinalwesens, der nothwendigen Verbesserungen der lokalen Administration und ein Nachweis der Anseglung von Europa und daraus gezogene Erfahrung über den besten Strich und die Dauer der Reisen nach und von Grön- land an. Ein alphabetisches Sach- und Namenverzeichnifs für alle drei Theile des Werkes erleichtert den Gebrauch desselben für die darauf zu gründenden ferneren Arbeiten, denen eine Basis in naturhistorischen Beilagen unterbreitet ist. Dieselben enthalten ein Verzeichnils der Säugethiere, Vögel und Fische Grönlands vom Professor J. Reinhardt; von demselben eine Aufzählung der grön- ländischen Krebse, Anneliden, und Eingeweidewürmer; ferner eine Uebersicht der grönländischen Land-, Süfswasser- und Ufer-Arthropoden von J. C. Schiedte;

P. J. Veth: Borneos Wester Afdeeling. 85

dann ein Verzeichnifs der grönländischen Weichthiere von O. A. L. Morch; ein Verzeichnifs der grönländischen Echinodermaten vom cand. mag. Docent Lütken und vom Autor selbst ein Verzeichnifs der grönländischen Seebeutel (Tunicata) und Korallenthiere (Anthozoa); eine Uebersicht der grönländischen Pflanzen von Joh. Lange; Bemerkungen über die geognostische und mineralogische Beschaf- fenheit Grönlands und endlich reichhaltige meteorologische Beobachtungen in Tabellenform, sowie die daraus gezogenen Schlüsse und Erfahrungen. Ein Nach- weis über die Ausbreitung des Landeises und des Ursprunges der schwimmenden Eisberge, den eine saubere Karte erläutert, bildet den Schlufs des umfassenden Werkes, mit dem der Wissenschaft der Geographie ein entschiedener Dienst geleistet wurde. A.v.E.

Borneos Weester Afdeeling geographisch, statistisch, historisch, voorafgegaan door eene algemeene schets der ganschen eilands door Prof. P. J. Veth. D. I. Zaltbommel 1854. 8. Met Platen.

Der ausführliche Titel giebt den Inhalt an. Nachdem Veth 1850 das Werk des Generalmajors Ritter J. J. L. de Stuers: „De vestiging en uitbreidning der Nederlanders ter West Kust van Sumatra“ herausgegeben und den Bericht des- selben über seine Expedition gegen die Chinesen von Mandor und Montrado zur Herausgabe erhalten hatte, beschlofs er mit Bewilligung des Verfassers eine Be- schreibung der ganzen Westküste Borneo’s damit zu verbinden. Der vorliegende erste Theil enthält nach einer allgemeinen Einleitung über Borneo im ersten Buche die Topographie der Westküste und im zweiten die Geschichte der frühern Zeit bis 1791. Veth beschreibt sie nicht aus eigener Anschauung, hat aber fleilsig die verschiedenen Reisewerke und besonderen Abhandlungen in den Zeitschriften für Niederländisch-Indien, sowie auch mehrere handschriftliche Abhandlungen von Bloem, Hartmann, Nahuys u. A. benutzt.

Die kurze allgemeine Beschreibung Borneo’s konnte nur dürftig und unge- nügend ausfallen, da Borneo bekanntlich gröfstentheils noch terra incognita ist, und nur an der Küste einzelne Niederlassungen der Holländer, jüngst auch der Engländer im Norden bekannt und einige Hauptströme eine Strecke stromaufwärts befahren sind; obwohl es nach Melville van Carnbee ein Land ist von 12,962 geogr. Quadratmeilen, gröfser als Frankreich mit Corsika und 21 Mal so grols als die Niederlande. Wir können von dem Innern uns noch gar keinen bestimm- _ ten Begriff machen. Wenn Veth z. B. noch wie gewöhnlich von Sarawak eine Bergkette von SW. nach dem äufsersten NO. ausgehen lälst, so ist dieses von Earl bekanntlich bezweifelt, weil alle Bergketten des Archipels, mit Ausnahme der Vulkane Java’s, die Richtung von NW. nach SO. hätten; so auch die, welche er in Borneo gesehen. Ebenso setzt Veth den höchsten Berg Kinibalu, d.i. die chinesische Wittwe, noch 4000 Meter hoch, während ihn ein Ungenannter, der ihn neuerdings bis 8615 engl. Fuls erstieg (Journ. of the Ind. Archip. tom. VI), nirgends über 9500 Fufs hochschätzt. Die Flüsse werden sehr kurz behandelt; Fauna und Flora meist nach Müller, Low, Adams. Die Bevölkerung von ganz Borneo schätzt er mit Melvelle van Carnbee nur auf 810,000 Einwohner, wäh- rend Rienzi früher 4 Millionen und Kessel jüngst noch 23 Millionen annahmen.

86 Neuere Literatur:

Es versteht sich von selbst, dafs alle Angaben gleich unsicher sind. Unter den Einwohnern zählt Veth 50—60,000 chinesische Colonisten; auch die Anzahl die- ser Colonisten wird von verschiedenen Autoren sehr verschieden angegeben, von 200,000 bei Crawfurd bis nur 27,000 bei Tobias. Die Masse der Bevölkerung sind Dajaks, demnächst angesiedelte Malaien, besonders an der Küste, die jene zum Theil unterworfen haben. Die Dajaks werden durch van Lynden n 2-3, durch Kessel in 5 verschiedene Stämme getheilt. Sie möchten sich aber auf die alte Eintheilung in See-Dajaks, die sich mehr oder minder mit Malaien gemischt und ihre Sprache angenommen haben, und Land-Dajaks, ohne solche Mischung, zurückführen lassen.

Das Stromgebiet des Kapuar oder Pontianakflusses mit dem gleichnamigen Reich, Kubu, und am oberen Kapuar die kleinen Reiche, die bisher wenig be- kannt waren, dann Landak am gleichnamigen Flusse mit Mandor und Mampawa an den Flüssen gleiches Namens, weiter Sambas, vom gleichnamigen Flusse ge- nannt, das einst so berühmte Sukkadana, das Reich Matan u. a. werden beschrie- ben. Im zweiten Buche, dem geschichtlichen Theile, bleibt die Herkunft der Dajaks natürlich dunkel; kaum glaublich ist es, wenn Veth angeblichen Ueber- lieferungen der Dajaks zufolge sie hier landen läfst, ehe Borneo aus verschiede- nen Inseln zu der jetzigen Grölse zusammengeschlemmt worden. Einige Spuren der Hindu’s werden bemerkt, ohne dafs man sagen könnte, ob diese nicht viel- mehr von javanischen Colonisten herrühren. Die Zeit der Niederlassung der Ma- laien steht nicht fest; in Bruni, dem malaiischen Reiche im Norden, nach wel- chem die Europäer die ganze Insel benennen, nannte sich im Jahre 1824 der Fürst den 29sten seiner Dynastie; zu 20 Jahren jede Regierung angenommen, würde. die Dynastie bis 1252 hinaufführen. Die Araber haben erst spät eine Herrschaft in Pontianak gegründet. Die Chinesen scheinen früh hingekommen zu sein. Ihre Goldwäschen datiren aber erst aus dem vorigen Jahrhundert. Die Goldausfuhr aus ganz niederländisch Borneo giebt Veth für 1848 nach officiellen Nachrichten, die aber nicht sicher sind, da die Chinesen natürlich ihren Gold- erwerb den Holländern nicht offenbaren werden, auf nur 1,349,510 El. an, von denen 1,289,530 Fl. auf die West- Abtheilung fallen, während Rafflle sie 1812 auf 4,744,000 span. Dollars berechnete. Die Diamanten- Ausfuhr Borneo’s be- trug 1836 nach Java und Madura 5473 Karat im Werthe von 110,601 Fl.; 1848 67,200 Fl.; von 1836 48 zusammen 1,049,683 El. - Zuletzt giebt Veth über die Seeräuber auf Borneo, die hier ebenfalls einen eigenen Staat bilden, Nach- richten, welche die früheren von Horace St. Johns, Brooker, und die im Journ. of the Ind. Archip. tom. III und IV zusammenfassen und ergänzen.

Veth theilt Borneo in die West-Abtheilung und die Südost- Abtheilung, wäh- rend im Norden das unabhängige Bruni liegt und der Nordosten dem Sultan der Sulu-Inseln unterworfen ist. Die West-Abtheilung begreift die Residenzen von Pontianak und Sambas. Er giebt die Bevölkerung im Ganzen nicht an; Tobias rechnete 1825 590,100 Einwohner, 237,720 abhängige, 80,000 unabhängige Da- jaks, 134,946 Malaien und Araber, 36,074 Chinesen und 11,360 Bugis. Die beiden gleichnamigen Oerter sind seit 1833 Freihäfen. In Pontianak mit 19,000 Einw. nach Franeis, aber nur 6000 nach v. Lynden, kamen 1850 466 Fahrzeuge an und fuhren 509 ab. Wie gering die Macht der Holländer hier ist, ergiebt

sich daraus, dafs die Besatzung nach dem Beschlusse von 1833 nur aus. 103 Mann

P. J. Veth: Borneos Wester Afdeeling. 87

mit 4 Offizieren bestehen soll, nach v. Kessel aber nur aus 80 Mann unter 3 Of- fizieren bestand. In Sambas, nach Tobias mit 127,000 Einw., die Stadt nach Franeis mit 10,000 Einw., hielten sie factisch nur 40 Mann. th,

Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 4. Juli 1857..

Der Vorsitzende, Herr Professor Ritter, eröffnete die Sitzung durch Ueber- reichung und Besprechung der eingegangenen Geschenke: 1) Report of the Su- perintendent of the Coast Survey, showing the Progress of the Survey daring the year 1853. Washington 1854. Dasselbe für 1854. 1855. Washington 1855. 1856. 3 vols. 2) The Seventh Census of the United States: 1850. Washing- ton 1853, 3) Observations made at the Magnetical and Meteorological Obser- vatory at Turonto in Canada. Printed under the Superintendence of Major - Gene- ral Edw. Sabine. Vol. III. 1846 1848. London 1857. 4) Tenth Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution. Washington 1856. 5) Report of the Commissioner of Patents for the year 1855. Agriculture. Washing- ton 1856. 6) The American Journal of Education. Edited by Henry Barnard.

’ol. I. Hartford 1856. 7) Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde. N. F. U.,5. Berlin 1857. 8) Mittheilungen über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petenmann. II. Gotha 1857. 9) Der Boden und seine Benutzung im Kaiserstaate Oestreich. Von Freiherrn F. W. von Reden. Wien 1857. 10) Wegweiser für die botanischen Exeur- sionen in der Mark Brandenburg, besonders in der Umgegend Berlins. Von J. H. Schulz. Berlin 1857. 11) Early. Discoveries by Spaniards in New Mexico, containing an Account of the Castles of Cibola and the Present Appearance of their Ruins. By H. M. Brackenridge. Pittsburgh 1857. 12) Proceedings of the Boston Society of Natural History. Taken from the Society’s Records. 1856. 13) Anzeiger geographischer, etheographischer und statistischer Artikel in den Regierungsblättern des Jahres 1854 (russisch). 14) Sulle pis alte e piu basse temperature assolute osservate nell’ emisfero boreale e sulla existenza di un mar polare libero da ghiacci. Memoria di Francesco Nardi. Padova 1857. 15) Memoire sur les produetions minerales de la Confederation Argentine par Alfred M. du Graty. Paris 1855. 16) Bericht über die Durchstechung der Land- enge von Suez an die K. K. geographische Gesellschaft, Berichterstatter: Franz Fötterle. Wien 1857. 17) Catecismo geogräfico politico e historico de la Repüblica Oriental del Uruguay, por D. Juan Manuel de la Sota. Segunda edicion- Montevideo 1855. 18) Historia ‚del. Territorio Oriental del Uruguay. Por D.

Juan: Manuel de la Sota. Montevideo 1841. 1842. 5 Hefte. 19) Memoria

histörica sobre la decadencia y ruina de las Misiones Jesuiticas en el seno.del Plata. Su estado en 1856. Por el D, Martin de Moussy. Paranä 1857. 20) Errores que contiene la memoria sobre la decadencia de las Missiones Jesuiticas, que ha

| publicado en la ciudad del Paranä el Dr, D. Martin de Moussy, en el presente alle .de 1857; impugnados por D. Juan Manuel ‘de la Sota. Cordon de Monte-

video 2857. 21) New York Daily Tribune. June 10. 1857. 22) Vier 4 Blätter: K., K. geographische Gesellschaft, Sitzung vom 21. April 1857; desgl.

88 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.

Sitzung vom 2. Juni 1857; eine ungarische Puszta 1847 und 1857, vom Freiherrn von Reden; Beitrag zur Instruction für die Forschungen und Sammlungen auf der Erdumsegelung der k. k. Fregatte Novara.. Vom Freiherın von Reden. 23) Carta esferica de los Archipelagos de Calamianes, Cuyo y Semerara, publicada en la direccion de Hidrografia por D. Antonio Santa Cruz. Madrid 1856.

Herr Wolfers berichtete über das oben angeführte Werk Report of the Coast Survey, welches mit bedeutendem Kostenaufwande von der Regierung der Vereinigten Staaten herausgegeben und in 10000 Exemplaren abgezogen wird. Der vorliegende Report für 1854 zerfällt in 3 Abschnitte, eine Einleitung, die Beschreibung der Arbeiten und einen Anhang mit Listen und Berichten in Be- zug auf die Aufnahmen. Sechszig Skizzen und Zeichnungen sind ihm beigegeben.

Herr R. Gosche hielt einen Vertrag über Lottin de Lavalle’s Reisen in der Sinai-Halbinsel. Der Vortrag ist in diesem Hefte vollständig mitgetheilt.

Herr Professor Ritter theilte den letzten von Cap Palmas datirten und an einen Freund in London gerichteten Brief des verstorbenen Reisenden Dr. Schön- lein mit. Aus diesem erhellt, dafs die Colonie Palmas keiner glänzenden Zu- kunft entgegen geht, da die schwarzen Einwohner aus Arbeitsscheu sich gröfsten- theis nur soweit mit dem Anbau des Landes beschäftigen, als zur Befriedigung der nothwendigsten Bedürfnisse durchaus erforderlich ist. Trotz der grofsen Fruchtbarkeit des Bodens produeirt die Colonie für den Handel Nichts und wird deshalb auch von Schiffen nicht besucht. Ein erfreulichen Gegensatz zu ihr bildet das zur Republik Liberia gehörende Monrovia; hier leben nämlich viele Neger aus denjenigen Vereinigten Staaten, in denen keine Sclaverei existirt. Die Einwohner, welche aufser den Eingeborenen aus eirca 1000 schwarzen Colonisten bestehen, befassen sich besonders mit dem Handel, und es darf als ein günstiges Zeugnils für ihre Thätigkeit angesehen werden, dafs Aus- und Einfuhr im Zu- nehmen begriffen sind.

Aufserdem machte Herr Professor Ritter einige Mittheilungen über de» Reisbau in Californien, wo sich seit Kurzem Vereine zur Hebung dieser Cultiu gebildet haben. Sie ist für Californien um so wlehtiger, als für einen grolsen Theil der Bevölkerung, namentlich für die zahlreichen chinesischen Einwanderer der Reis das gewöhnlichste Nahrungsmittel bildet. Die Chinesen sind auch die besten Reisbauer und sehr betriebsame Arbeiter. Sie ziehen ihren einheimischen Reis dem Carolina-Reis vor.

Schliefslich besprach Herr von Klöden nach den neuesten Angaben der niederländischen Zeitschriften die Landes- und Volkszustände in Surinam. Der Flächeninhalt der Colonie beläuft sich hiernach auf 2700 geogr. Quadratmeilen 1000 Quadratmeilen mehr als man gewöhnlich annimmt, mit 52000 Einwohnern (für 1853), unter denen sich 32000 Sclaven befinden (Vergl. diese Zeitschrift N. F. IL, S. 271). Nach einer übersichtlichen Beschreibung des Landes und seiner vornehmsten Flüsse wurden die einheimischen Indianerstämme einer nähern Besprechung unterworfen und ihre Cultur und Sitten geschildert. Merkwürdiger- weise sind diese Indianer sehr ceremoniös und reich an Complimenten. Was das Klima und den Einflufs desselben auf den menschlichen Körper betrifft, so wurde darauf hingewiesen, dafs, wenn gewöhnlich nur 5 Procent der dortigen Europäer im Jahre sterben, in einzelnen Fällen die Sterblichkeit furchtbar ist.

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Berlin, bei Dietrich Reimer

BR Ferd, Dümmler’s Berfagsbnchhandfung in Berlin erfcheint:

». Clanfewis: Vom striege,

Zweite Auflage, Unveränvderter Abvrud, 1857. In 12 Lief. B 5—6 Dog.) zu 10 Sgr.; monatlih 2; 1—10 ausgegeben.

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A Aero 38. Westliches Nord- America. A Preis 1 Thlr. 18 Se Be

2 "Britische Eusla, 22. Dänenisrk und Süd. =. Scandinavien, 24. ‚Rufsland. 2. Türkei und Griechenland.

$ TTocl. America. 38, Westliches Nord- Ametios,

x In diesem Jahre ‚sollen noch zwei, und im nächsten Jahre die letzten drei erungen ee so als, der Sagt Atlas gegen Eude des Jahres 1858

Hinterlaffenes Werk des Generals Earl pon Elanfewie.

Inhalt: 2 No, 9. Frankreich. 25. Türkei und Eisskenland 37. ‚Oestliches |

in die Hand u a ehe er Elaufewis von Anfang bis zu Ende ger. r

In demselben Verlage ist erschienen: A RE ER ; Me ‚Dove, H. W., Die Verbreitung der Wärme: u ai Oberfläche” det Erde.

* Erläutert durch Isothermen, Thstnische Isanomalen und-Temperaturouryen. „Mit % Karten und 2 ee gr, 4. 1992: cart. 4 Thlr. Ge

Br ten. hoch 4. 1855. tt BE, 1 Thlr. 20 r ; REEL Klimatologische Beiträge. Erster Theil Mit 2 Karten. gr 8. 1857.’ geh. } Ei Thlr, 20 Sgr.

Ueber das Gesetz der Memen einer Äudruck aus den

Klimatplogischen Beiträgen.) Nur ‚einer aa Er ee 20 Ser.

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Im; Verlage, von "GEORG REIMER in’ Berlin eröchien:

Dove, H. W, Temperaturtafeln nebst Brennen über die Vers der Wärme auf der Oberfläche. ‚der Erde und ihre jährlichen periodischen Ver-

änderungen. Eine in der Akademie der Wissenschaften a in us gr. 4. ‚1848. Ar Thlr. i

lung. anf der Oberfläche der. Erde: in dem Zeitraume von I78 “gr.d. 1840. ee 5 EEG

1841.

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1847,

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und Gershit: Bestimmungen üblichen Aa, 1 Nefsinstrumente a und Mefs

Anlage gr. 8. 1835. _ ren - Ueber Wirkungen aus. der Ferne, . im m Yan fur wi

Prushes Electricität. . Eine am 26. Febiher‘) im. n. Verein. für „wissen- achaftkehe Vorträge gelialtene Vorlesung. _ gr. Br .1848.. Ma eh Mi, 2 DRIN, gr. 8

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4: Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünstrafse 18. = 2

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Inhalt. Et

IV. Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. Von Dir. Meinicke EEE in Prenzlau. (Hierzu eine Karte, Taf...) ... . 2 ....2.89 Ei: V. Mittheilungen aus. Algerien. Von Dr. L. Buvry.. Der Djebel Aures 118. VI. Uebersicht der neueren geographischen Arbeiten in der Provinz Buenos Aires, Von Juan Maria Gutierrez er Sa Ar Miscellen. ae Ueber die Religion der heidnischen. Tscheremissen i im RR ARTER Kasan Grenze zwischen den russischen Besitzungen und Japan. . vu. rn Ein Blick auf die Küsten Fon. BOuNoBa: vn ee a a ee Documente zur Geschichte der Entdeckung Neu- Mezioo’s . 2... 00.1 ‚Die Fortschritte des Unterrichtswesens in Chlleu 2 ee er ‚Die historisch-geographische Gesellschaft in den La Plata-Staaten . eo Die beabsichtigte Erforschung einiger minder bekannten (menos conheeidas) ERBEN . Provinzen Brasiliens durch eine grolse wissenschaftliche National - Ex a pedition EN EEE IE END u ea re ee u

Neuere Literatur.

J. Roth, Der ‚Vesuv und die sehe von Neapel. Eine Mono ren Mit Tafeln und Holzschnitten. Berlin (W. ge: 1857. XLIV md $ 5, ,, 5408. gr. 8 (43 Thir.) .. .... n „465.

; The North Pacific Surveying and Kaslariig Expedition; or, 2 Ton ale ER B Where.We Went and What We. Saw. Being an Account of Visits te

Malay and Loo-Choo Islands, the Coasts of China, Formosa, Japan, I Fa Kamtshatka, Siberia and the Mouth of the Amoor River. ByA.W. ; Habersham, Lieut. U, S. N. Philadelphia 1857 ..... 467. 7 Bermuda a Colony, a Fortress and a Prison; or eightheen Months in the. RE Somers Islands. (With Map and Illustrations.). By a Field. Officer. 2... 4

. London (Longman) 1857? XIu. 2837 8.8 ...... . 173° "Sitzung. der BEOSBIacheN na zu zu Berlin vom 8. August 1857. EL u. 2

Karte. e ne i IE - Taf, I. Karte der Torres-Strafse und des nördlichen Theiles des Barriere-Rilts,.

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Von dieser Zeitschrift eracheint jeden" Monat ein Hoft v von = 6 Bogau a mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, ‚welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr, 20 Ser... e

<= Zu begichen durch. alle BRObbenlungen und Post- ‚Anstalten. Re ee A

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IV. Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln.

Von Dir. Meinicke in Prenzlau.

(Hierzu eine Karte, Taf. II.)

Der Entdecker der Torresstrafse ist der spanische Seemann Luis _ Naz de Torres, welcher Fernando Quiros auf der Reise begleitete, die zur Entdeckung der Insel Espiritu santo führte. Von Quiros ver- lassen oder getrennt, falste Torres den Entschlufs, von da auf dem nächsten Wege Manila zu erreichen und gerieth bei dieser Gelegenheit an die Südküste von Neu-Guinea. Seinem Berichte zufolge, der übri- gens erst durch die neuesten Untersuchungen des Capitain Stanley _ ganz verständfich geworden ist, stiefs er im August des Jahres 1606 in 11° 30’ S. Br. auf das Ost-Cap von Neu-Guinea, unter dem ohne Zweifel das zur Louisiade gehörige Cap Deliverance gemeint ist, und - durch den Ostwind gehindert, dies zu umfahren, folgte er der Südküste _ von Neu-Guinea 300 Meilen lang bis S. Br. und von da weiter auf einer grofsen Bank bis 30’, so dafs er augenscheinlich in die grolse Bai gekommen war, die sich im Osten von der Torresstrafse

ausdehnt. Hier sah er sich gezwungen, nach Südwesten zu steuern, gerieth dabei unter zahllose Inseln und kam bis 11° S. Br., so dafs er die Küste von Australien gesehen haben muls; es kostete ihm nicht weniger als 2 Monate Zeit, die Strafse zu durchfahren und auf ihrer Westseite die Küste von Neu-Guinea wieder zu erreichen, und nach unserer Kenntnifs von den aufserordentlichen Gefahren, welche diese _ Schifffahrt darbietet, wird man über die Ausdauer und Entschlossenheit dieses Seemanns mit Recht staunen müssen. Indessen ging im Laufe der Zeit alle Kunde von dieser wichtigen Unternehmung verloren; man würde vielleicht heute noch nichts davon wissen, wenn nicht zufällig bei der Einnahme von Manila durch die Engländer 1762 eine Copie des Originalberichts des Entdeckers gefunden wäre, welche der bekannte 'Geograph Dalrymple bekannt gemacht hat. Derselbe hat mit vollem

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90 Meinicke:

Rechte der Strafse den Namen ihres Entdeckers beigelegt, den sie noch jetzt trägt.

Indessen hatte bereits im Frühling desselben Jahres 1606 der holländische Seemann, welcher das Schiff Duyfhen befehligte und von Banda aus zur Erforschung der Westküste Neu-Guinea’s abgesandt war, den Westeingang der Torresstrafse erreicht, dann aber durch die ausgedehnten Korallenriffe zurückgeschreckt und in der Meinung, dals die zahlreichen Inseln eine Fortsetzung der Küste von Neu-Guinea bildeten, die Nordspitze von Australien besucht, ohne die Durchfahrt zu ahnen. Andere holländische Seefahrer, die später die Untersuchung dieser Küsten des Australlandes fortsetzten, unterlielsen es ebenfalls, den Raum, in welchem sich die Küste von Neu-Guinea anscheinend gegen Süden wandte, genauer zu erforschen, und es darf das um so weniger Verwunderung erregen, da die Beschiffung der Torresstrafse im Westmonsoon besonders gefährlich erscheint und noch jetzt auf dem Wege nach Osten erst in den letzten Jahren und nur einige Mal ver- sucht worden ist. So bildete sich die Ansicht aus, dafs Neu-Guinea ein Theil des Australlandes sei und mit der Küste von Carpentaria zusammenhänge; dafs man jedoch im holländischen Indien schon da- mals dies nicht für ausgemacht hielt, geht daraus hervor, dafs, als der berühmte Seefahrer M. Tasman sich 1644 zu jener denkwürdigen Reise anschickte, welche die Erforschung des Australlandes zum Zwecke hatte, ihm in den zu Batavia ausgearbeiteten Instructionen ausdrücklich vorgeschrieben wurde, die unter S. Br. liegende sogenannte Vlakke- bogt zu untersuchen und zu sehen, ob nicht bei Hoogeland (worunter ohne Zweifel die Inseln Mua und Badu verstanden sind) oder in dem Flusse Speult (der sich wohl auf die Endeavourstrafse beziehen läfst), eine Durchfahrt in den Stillen Ocean sich fände. Tasman konnte frei- lich Aufträge nicht ausführen, welche die Kräfte jener Zeit weit über- stiegen, und so erhielt sich die Ansicht, dafs Neu-Guinea der nörd- lichste Theil des Australlandes sei, in voller Geltung bis auf die Ent- deckungen von Cook, der einen grofsen Werth darauf legte, die Trennung beider Länder nachgewiesen zu haben. Indessen ist es doch sehr auf- fallend, dafs die Charten, welche Vaugondy zu dem bekannten Werke von des Brosses „Histoire des navigations aux terres australes 1748* lieferte, die Strafse deutlich zeichnen, auch eine Insel Hoogeland an ihrer Südseite etwa in der Gegend, wo die Gruppe des Prinzen von Wales liegt, ansetzen; dafs aber dabei nicht etwa an eine Erinnerung an Torres’ Fahrt zu denken ist, geht aus der ganz falschen Hypothese hervor, wonach jener Geograph die Espiritu santo von Quiros an die damals noch unbekannte Ostküste Australiens dicht südlich von der Torresstrafse verlegte.

Die Torresstralse, ihre Gefahren und Inseln. 91

Die Wiederentdeckung derselben verdankt man dem berühmten Seemann James Cook, der, nachdem er die Ostküste Australiens entdeckt und von Süd nach Nord ganz aufgenommen hatte, 1770 am 21. August nach Umsegelung des Cap York die Strafse auffand und durchfuhr, welche noch heute den Namen seines Schiffes führt. Nach ihm ist die Torresstralse öfter untersucht und erforscht worden, wenn auch noch immer nicht in ihrem ganzen Umfange, namentlich ist der westliche Theil, die Strecke zwischen dem Nordwest-Riff und der Küste von Neu-Guinea, bis jetzt ununtersucht geblieben; doch haben die Ar- beiten englischer Seefahrer, wie die von Flinders, King, Stokes, Black- wood und Stanley uns eine wenigstens im Allgemeinen ausreichende Kenntnifs der Torresstralse, ihrer Gefahren und Inseln ver- schafft.

Dieser Meeresarm, welcher die Insel Neu-Guinea und den austra- lischen Continent trennt und den stillen mit dem indischen Ocean oder das Korallenmeer mit dem Timormeer verbindet, ist von einer Be- schaffenheit, dafs sich kein anderer Meerestheil mit ihm vergleichen läfst, angefüllt nämlich mit Korallenriffen und Klippen, Sandbänken und einzelnen Inseln, so dafs man geradehin behaupten darf, dafs der ganze Raum zwischen Neu-Guinea und Australien und von 141° 50’ bis 145° 40’ O.L. v. Greenw. ganz mit Korallenriffen bedeckt ist, von denen nur einzelne, Seen ähnliche Meeresbecken ohne Bänke umschlos- sen werden, and zwischen denen wenige schmale Fahrstrafsen hindurch- führen. Dafs die Beschiffung einer solchen Strafse ganz besondere Schwierigkeiten und Gefahren haben müsse, leuchtet ein. Bei der leb- haften Verbindung zwischen den australischen Colonien und Indien, einer Verbindung, die schon jetzt von Jahr zu Jahr lebhafter wird, und wenn erst dabei die Kraft des Dampfes angewandt werden wird, - aufserordentlich an Lebhaftigkeit gewinnen mufs, ist die Kenntnifs der Wege, auf denen man die Torresstrafse am besten durchschneidet, (eine Kenntnils, die eben aus der Verbindung zwischen Sidney und Indien hervorgegangen ist), von der gröfsten Wichtigkeit.

So lange es keine europäischen Niederlassungen in Australien gab, konnte eben keine Veranlassung sein, weshalb man von den vielen Wegen, die aus dem Stillen in den Indischen Ocean führen, gerade den- 'jenigen wählte, dessen Gefahren schon den ersten Entdeckern nicht “verborgen geblieben waren, wenn sie gleich die Ausdehnung derselben nicht geahnt hatten. Allein sobald die Colonie an der Ostküste Austra- liens gegründet war, mufsten sich die Blicke der Engländer auf die Torresstrafse richten, da sie den kürzesten Weg bildet, auf dem sich Indien vom östlichen Australien aus erreichen läfst; denn die Strafsen ‚nördlich von Neu-Guinea nöthigen zu übergrofsen Umwegen, und in

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93 Meinicke:

dem Meere südlich von Australien herrschen neun Monate lang im Jahre anhaltende Südwestwinde, welche die Schifffahrt nach Osten hin eben so erleichtern, als sie dieselbe nach Westen hin erschweren. Bei dieser Lage der Sachen ist es sehr natürlich, dafs wir gleich nach der Gründung von Sidney die Versuche, die Torresstrafse zu befahren und mit ihren Gefahren und Durchgängen bekannt zu werden, aufgenom- men und bis auf unsere Tage ununterbrochen fortgesetzt finden.

Der erste Europäer, der nach Cook die Torresstrafse durchfahren hat, war der Capitain Bligh, der, von der meuterischen Mannschaft seines Schiffes Bounty im Tongaarchipel 1789 ausgesetzt, die staunens- werthe Fahrt auf einem offenen Boote quer durch den stillen Ocean unternahm, die Küste Australiens erreichte, und ihr folgend, durch die Strafse auf der Nordseite der Gruppe des Prinzen von Wales in den indischen Ocean gelangte. Capitain Edwards, der gleich nach Bligh’s Rückkehr abgesandt wurde, die aufrührerische Mannschaft der Bounty gefangen zu nehmen und nach Europa zurück zu bringen, erhielt dabei zugleich den Auftrag, auf der Rückkehr nach Europa die Torresstrafse zu erforschen. Er stiels im August 1791 auf das grolse Barrier-Riff nahe an seinem nördlichen Ende, folgte ihm jedoch nach Süden, einen Pafs zu suchen, bei welcher Gelegenheit sein Schiff, die Pandora, auf dem Barrier-Riff scheiterte; die Mannschaft entkam in den Booten auf demselben Wege, auf welchem Bligh die Strafse durchfahren hatte. Auf der zweiten Reise, welche der letzte gleich nach Edwards Rück- kehr mit dem Capitain Portlock nach dem Stillen Ocean unternahm, war er angewiesen, die Aufgabe seines Vorgängers wieder aufzuneh- men; im September 1792 gelangte er in den nördlichen Theil’ der Strafse, umfuhr das Barrier-Riff auf der Nordseite und fand nach neun- zehntägigem Suchen einen Pafs dureh die Riffe der Strafse, der jedoch für die Schifffahrt keine Bedeutung hat, nach ihm auch blofs von Du- mont d’Urville 1840 wieder durchfahren ist. Ein Jahr später erschie- nen die ersten Handelsschiffe in der Torresstrafse auf dem Wege von Sidney nach Indien, den sie bisher durch die nördlicheren Strafsen auf grolsen Umwegen zurückgelegt hatten; es waren die Capitaine Bamp- ton und Alt, die im Juli 1793 erst Neu-Guinea im Osten zu um- schiffen suchten, und da dies nicht gelang, durch den Nordtheil der Stralse einen Weg suchten und fanden, allein unter den gröfsten Be- schwerden und Gefahren und mit aufserordentlichem Zeitverlust: sie brachten nicht weniger als 72 Tage in der Stralse zu. Diese Erfah- rungen bewogen die englische Regierung, den mit der Erforschung und Aufnahme der australischen Küsten beauftragten Capitain Flinders an- zuweisen, auch die Torresstralse zu untersuchen und einen besseren Fahrcanal aufzufinden; dies gelang diesem ausgezeichneten Seemanne

Die Torresstrafse, ihre Gefahren nnd Inseln. 93

im October 1802 vollkommen, und damit beginnen eigentlich zuerst unsere Kenntnisse der Strafse.

Was nun die Gefahren betrifft, mit denen die Schifffahrt hier zu

kämpfen hat, so hat man an der Torresstrafse die östlichen und die westlichen Eingänge und die beide verbindenden Wege zu unter- scheiden.

Bekanntlich ist die Nordostküste Australiens von einer ‚grofsen Menge von Korallenriffen eingefafst, welche man mit dem Namen des grolsen Barrier-Riffes bezeichnet; sie bestehen aus Korallenbänken, die fast bis zum Meeresspiegel reichen, hier und da einzelne über dem Wasser hervorragende Flecke mit Sand oder Felsen auf ihrer Ober- fläche tragen und von vielen, meist jedoch nur schmalen und durch heftige Strömungen gefährdeten Canälen durchbrochen werden; sie stei- ‚gen so steil auf, dafs an ihrer Ostseite nur sehr selten Ankergrund sich findet, und die heftige Brandung, die das Anprallen der Meeres- wellen fortwährend erzeugt, macht ihre Nähe für die Schiffe überaus gefährlich. Diese Riffe beginnen an der australischen Küste nördlich von Cap Sandy in etwa 24° S. Br. und ziehen dem Lande parallel, bis sie sich in 13° S. Br. von ihm entfernen, und indem sie gerade gegen Norden fortziehen, die Torresstrafse im Osten sperren, ohne je- doch die Küste von Neu-Guinea zu erreichen, denn sie enden plötzlich in 30’ S. Br. Begreiflich ist daher die Kenntnifs der Canäle, wel- che durch "liese Riffe führen und die östlichen Eingänge der Torres- stralse bilden, für die Beschiffung derselben durchaus nothwendig. In dieser Beziehung ist zunächst ein Doppeltes zu unterscheiden; entweder

_ kann man das Barrier-Riff an seinem südlichen Ende bei Cap Sandy _ durchschneiden und der australischen Küste bis Cap York folgen oder den Weg durch das Korallenmeer nehmen und einen der Canäle, die in der Nähe der Torresstrafse liegen, benutzen. Man bezeichnet diese Wege jetzt gewöhnlich mit dem Namen der inneren und der äufse- _ ren Passage. h Der erste dieser beiden Wege ist zuerst durch Cook zurückgelegt, der bei seiner Entdeckung der Ostküste Australiens bei Cap Sandy in den Raum zwischen der Küste und dem Barrier-Riff kam, ohne von der Existenz des letztern etwas zu ahnen. Erst in 17° Br., wo es sich der Küste mehr nähert, und die Küstenfahrt besonders gefährlich zu werden beginnt, wurde er der Nähe dieser Riffe inne, und die Be- schwerden und Gefahren in dem ganz von Korallen- und Sandbänken angefüllten Küstenmeere nahmen so zu, dafs er endlich bei der Insel Lizard durch einen Canal, den er Direetions-Canal nannte, das Küstenmeer verliefs und in das Korallenmeer hinausging. Hier aber rachten die anhaltenden und heftigen Ostwinde, welche sein Schiff auf

94 Meinicke:

die Riffe trieben, ihn in solche Gefahr, dafs er es endlich vorzog, durch einen sehr gefährlichen Pafs (Providential Channel) in 12° 35’ Br. die Riffe zu durchschneiden, und so kehrte er in das Küstenmeer zu- rück, in welchem er seine Reise bis zur Endeavourstrafse fortsetzte. Den Theil des Küstenmeeres zwischen den Vorgebirgen Flattery und Weymouth, den Cook nicht durchfahren, haben später der Capitain Cribbs in Cyelops 1812 und Lieutenant Jefferies im Känguru im Mai 1816 erforscht, die ersten, die nach Cook diesen Weg eingeschla- gen haben. Bald danach begann der Capitain King, dem die Auf- nahme der australischen Küsten übertragen war, vom Jahre 1819 an auf drei Reisen seine gründlichen Untersuchungen des von der Nord- ostküste und dem Barrierriff eingeschlossenen Küstenraumes; diese Forschungen sind später durch die Beobachtungen der Capitaine Sto- kes und Blackwood, vor allem aber durch die gründlichen und ge- nauen Aufnahmen des Capitain Stanley 1848 erweitert und vervoll- ständigt, und dadurch ist die Kenntnils von den Gefahren, welche der Küstenweg allerdings in überreichem Mafse darbietet, so gefördert, dafs jetzt Handelsschiffe bei nur gewöhnlicher Vorsicht diesen Weg ohne Mühe zurücklegen können. Er besitzt allerdings nicht unbedeutende Vorzüge, die Niemand mit gröfserer Bestimmtheit hervorzuheben sich bemüht hat als Capitain King, der eifrige Verfechter der inneren Pas- sage; das Wasser ist fast stets stille, gegen heftige Winde und die Wogen des Oceans durch die Riffe geschützt, die Bänke sind durch die verschiedene Farbe des Wassers nicht schwer zu erkennen, Trink- wasser und andere Bedürfnisse allenthalben leicht zu erhalten, zudem ist die innere Passage natürlich viel kürzer als die äulsere. Dennoch haben sich die Seefahrer durch alles dies nicht bewegen lassen, ihr den Vorzug zu geben, und allerdings ist die äufsere Passage lange nicht so gefährlich, und die Nothwendigkeit, bei der Küstenfahrt alle Abend ankern zu müssen, eine Arbeit, die bekanntlich den Kauffarthei- fahrern oft sehr unbequem ist, hebt überdies den Unterschied zwischen der Länge beider Wege in der Art auf, dafs die äufsere Passage we- nigstens nicht mehr Zeit kostet als die innere. Daher wird die letzte jetzt nur selten gewählt, seitdem die Canäle im nördlichen Theile des Riffes so gut bekannt sind; wenn aber einst europäische Colonien auf der Nordostküste Australiens gegründet sein werden, die vor allen Küsten Australiens die entschiedensten Vorzüge besitzt (Vorzüge, die bereits vor den neueren Untersuchungen des Inneren durch Leichhardt und Kennedy in’s Auge fielen), wenn die Dampfschififahrt Indien und das östliche Australien noch enger verbinden wird, dann wird die Be- deutung und Wichtigkeit dieser Küstenstrafse erst recht hervortreten.

Was nun die äufsere Passage betrifft, so sollte man sie frei-

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Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 95

lich nicht für so sicher halten, dafs sie darum einen bedeutenden Vor- zug vor der inneren verdiente; denn sie führt durch ein Meer, das den eharakteristischen Namen des Korallenmeeres führt und seiner zahl- | reichen, aus grundlosen Tiefen aufsteigenden, immer nur erst in der unmittelbaren Nähe erkennbaren Korallenriffe halber mit Recht unter die gefährlichsten und gefürchtetsten Theile des stillen Oceans gerech- net wird. Eine genaue und zuverlässige Aufnahme dieser bis jetzt gröfstentheils durch Schiffbrüche bekannt gewordenen Riffe, an der es noch immer fehlt, ist für die Beschiffung der Torresstrafse ein uner- läfsliches Bedürfnifs geworden. Zum Glück sind jedoch, wie ich an einem anderen Orte ') nachgewiesen habe, die Bänke dieses Meeres nicht regellos und ohne Ordnung vertheilt, sie dehnen sich vielmehr in der Richtung der Nordostküste Australiens nach Nordwest aus und zerfallen in drei grofse Gruppen, von denen zwei im Westen dem Bar- rier-Riff nahe, die dritte östlicher nach Neu-Caledonien zu liegt. Diese Vertheilung ist auch den Seefahrern nicht entgangen, und sie benutzen - dieselbe, das Korallenmeer sicher zu durchschneiden, indem sie in sei- nem südlichen Theile zwischen der östlichen und den beiden westlichen Abtheilungen in 156° bis 157° Länge nach Norden fahren, dann von 20° S. Br. an nördlich von den beiden letzten das, wie es scheint, da- selbst von Riffen freie Meer nach Nordwest und später nach West- nordwest durschschneiden, bis sie auf das Barrier-Riff stolsen.

Besser als das Korallenmeer sind die Canäle jetzt bekannt, welche das Barrier-Riff in seinen nördlichen Theilen durchsetzen. Wie schon _ erwähnt, endet es in 30’ S. Br. und daher bleibt hier an seinem Ende ein Pafs, der von allen in die Strafse führenden der breiteste und sicherste ist. Dieser ist es ohne Zweifel, durch den schon Torres gefahren ist, wie später 1792 Bligh, nach dem er jetzt benannt wird, und 1793 Bampton und Alt. Als aber Flinders auf der Reise nach - Carpentaria das Korallenmeer durchschnitten und das Nordende des Barrier-Riffes erreicht hatte, entdeckte er 1802 den 28. October eine andere Stralse etwas südlicher, die jetzt seinen Namen führt, und bei ‚der Reise nach Europa im Cumberland ein Jahr später ganz nahe süd- lich dabei den Cumberland-Canal; seine genaue Schilderung von diesen Riffen und die Möglichkeit, durch Benutzung derselben innerhalb

onnte man sich doch nicht verhehlen, dafs diese Pässe immer noch zu einem grolsen Umwege nöthigten und durch die hier vor dem Bar- rier-Riff liegenden Riffe und Bänke gefährlich würden; daher suchten

") S. mein „Festland Australien“ I, 212 fi.

96 Meinicke:

einzelne Capitaine von Kauffahrteischiffen andere Pässe auf und fanden in der Gegend von 12° Br. mehrere, die näher und bequemer waren und die Durchschiffung der Strafse wesentlich erleichterten. Die Folge davon war, dafs allmählich Flinders’ Pässe verlassen wurden und die englische Regierung endlich Capitain Blackwood mit der genaueren Erforschung des nördlichen Theils des Barrier-Riffes beauftragte, welche zur Untersuchung der Pässe der Raine-Insel führte, 1843, der besten und brauchbarsten von allen, die nördlich von 14° Br. das Riff durch- schneiden. Dies ist seitdem der Haupteingang in die Torresstrafse von Osten her gewesen und wird es ohne Zweifel bleiben, so lange keine Veranlassung ist, die nordöstliche Küste von Australien oder das süd- liche und östliche Neu-Guinea zu besuchen.

Von 14° S. Br. an erstreckt sich das Barrier-Riff meist Er Nor- den und liegt hier etwa 30 Meilen.') von der Küste entfernt; es be- steht aus einer auffallend schmalen Kette von Riffen, zwischen denen nur sehr enge Pässe hindurchführen, nur zwei derselben sind 3 Meilen breit in 13° 27’ und 13° 3’ Br., werden aber einzig für die nach der Küste Australiens bestimmten Schiffe von Wichtigkeit sein. In 12° 35’ folgt dann der schon erwähnte Providential Channel Cook’s, ein durch die reilsende Strömung sehr gefährlicher Pafs von kaum 4 Mile Breite; nicht weit südlich davon (in 12° 45’) ist ein Pafs, den 1810 das Schiff Hibernia durchfahren hat. Nördlich vom Providential Channel ändert sich die Bildung des Barrier-Riffes sehr auffallend; es . bildet statt der langen, einförmig fortziehenden, leicht gekrümmten Reihen zwei tiefe Baien: mit vorspringenden Spitzen. Die südliche, Wreckbai, hat an der Südseite eine stark vorspringende Spitze, die durch einige selbst bei der Fluth sichtbare. schwarze Felsen (Black- rocks, in 12° 12’ Br.) kenntlich ist; ein anderes scharf vorspringen- des Riff bildet 6 Meilen im Norden davon das nördliche Cap der Bai, deren Breite von Ost nach West 8, deren Länge 12 bis 13 Meilen be- trägt. . In.ihrem Hintergrunde ist das Barrier-Riff auf eine lange Strecke unterbrochen, hier hat es der Nimrod 1322 in 12° 5’ Br. durchfahren; erst an der Nordseite der Bai beginnt das Riff von Neuem und geht ‚hier gegen Osten bis zu dem schon erwähnten Vorsprung. Unmittel- bar nördlich von diesem beginnt die zweite gröfsere Bai, in deren Mün- dung zwei ganz vom Barrierriff- getrennte Lagunenriffe liegen, das süd- liche (Yules detached reef) von 3 Meilen Durchmesser und unzu- gänglich, das nördliche (Great detached reef) 6. Meilen nördlich davon und 12 Meilen lang, das im Westen eine breite Oeffnung hat, die in das Innere der Lagune einzudringen gestattet. Hinter diesen

") Englische Miles, 60 = 1°,

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Riffen, die durch 5 Meilen breite Pässe vom Barrier-Riff getrennt sind, ist das letzte auf weite Strecken leicht zugänglich; so entstehen meh- rere durch kleine Riffe von einander geschiedene Pässe, die bequem- sten und brauchbarsten im ganzen nördlichen Theile, die zuerst durch einzelne Handelsschiffe benutzt und bestimmt sind, der des Capitain Town, der Joseph Winter-Pals, den sein Entdecker, der Capitain Richardson, nach seinem Schiffe 1831 benannte, 11° 58’ Br., der von Capitain Stead in der Asia 1828 entdeckte in 11° 56’ Br., von allen der sicherste und am häufigsten befahrene, der Pafs des Capitain Gro- ves im Schiff Eliza in 11° 53’ Br., endlich der am frühesten 1815 vom Schiffe Indefatigable aufgefundene in 11° 50’ Br. Im nördlichen Theile der Bai wendet sich das Barrier-Riff, indem es wieder eine zu- sammenhängende Kette bildet, gegen Ost, so dafs es über das Great detached reef vorspringt; in dem 9 Meilen breiten Canale zwischen ihm und diesem liegt hier eine kleine Bank und auf ihr die Insel Raine in 11° 35’ Br., eigentlich blofs der erhöhte Theil der Bank, ein mit Gebüschen bedecktes Plateau von kalkigem Sandstein von höch- stens 25 Fuls Höhe. Auf diesem hat Capt. Blackwood 1844 ein Ge- bäude von 70 Fufs Höhe (Beacon) aus Madreporenkalk errichtet, da- mit es die Insel den Schiffern anzeige, daneben Cisternen und einen Garten angelegt, und dadurch die Beschiffung der Canäle in dieser

- Gegend ungemein erleichtert. Nicht viel nördlicher ist in 11° 20’ Br. der Ort, wo Capitain Ed- _ wards 1791 Schiffbruch litt, nahe bei einer grolsen, eine Sandinsel _ umschliefsenden, von dem grolsen Riffe getrennten Bank; hierher rette- _ ten sich die Gescheiterten und fuhren dann auf den Booten durch einen schmalen Pafs in das Küstenmeer. Von hier ändert sich Richtung und - Bildung des Barrier-Riffes. Es wendet sich gerade gegen Norden und von der australischen Küste, die hier gegen Nordnordwest geht, ab, so dafs es bei Cap York schon 80 bis 90 Meilen vom Lande entfernt ist, und nimmt wieder die lineare Form an, die es im Süden der "Wreckbai hatte; während es anfangs auffallend schmal und fast ganz ununterbrochen ist, werden von 10° 40' Br. an bei der gleichen linea-

Die Torresstralse, ihre Gefahren und Inseln. 97

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dafs sie Schiffe kaum hindurchlassen. Erst in der Nähe der Gruppe Mer liegen bessere Canäle, der Flypafs, den Blackwood 1843 befuhr _ und schmal gewunden und gefährlich fand, der Claudinepafs, 1818 von Capitain Welsh in der Claudine und 1822 von Capitain Warring- ton durchfahren, der jedoch mit dem vorigen vielleicht identisch ist, der Cumberlandpa/s, von Flinders 1803 entdeckt, 1 Meile breit, doch nicht ohne Gefahr, endlich der Flinderspafs, von diesem See- fahrer 1802 benutzt in 37’ Br., der breiter ist, grölsere Sicherheit j Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. z

98 Meinicke:

darbietet und zwischen zwei grolsen Riffen gegen Südwesten nach Mer führt. Von ihm aus geht das Barrier-Riff eine kurze Strecke gegen Nord, dann endet es mit zwei getrennten Riffen, auf denen kleine Sandinseln liegen, Eastkey im Osten und Anchorkey im Westen, die letzte in 25’ Br. an der Südseite des schon erwähnten Bligh- Canals, der das Barrier-Riff von der Küste von Neu-Guinea trennt. Die Beschiffung dieses nördlichsten Theiles des Barrier-Riffes er- schweren noch die vor ihm liegenden getrennten Bänke. Es sind deren drei. Das nördlichste, das Portlockriff, von Bligh 1792 entdeckt und nach seinem Begleiter, dem Capitain des Schiffes Assistance be- nannt, scheint aus mehreren einzelnen Riffen zu bestehen. Ein Canal von 12 Meilen Breite, den Flinders nach Edwards Schiffe den Pan- dora-Canal genannt hat, trennt es von einer grofsen Masse Riffe im Süden, deren nördlichstes, eine bei der Ebbe an manchen Stellen trockene Bank, die eine Lagune mit tiefem Wasser umschliefst, Flinders nach der Form Bootriff benannt hat; südlicher liegen noch andere nur sehr unvollkommen bekannte Riffe, wie die Lookout-Bänke mit dem Stoney reef island, die beide von Edwards benannt sind, die vom Capitain Ashmore 1811 gesehenen Riffe, das 24 Meilen lange, ebenfalls eine Lagune umschlielsende Ormondriff, eine Entdeckung des Capitain Welsh 1818. Einen Grad östlicher liegen endlich in 10° 2’ Br. und 145° 45’L. die von Flinders 1802 entdeckten und nach ihrer Lage zur Torresstrafse benannten Easternfields, eine Gruppe

kleiner Lagunenriffe, die durch tiefe, doch gefährliche Pässe getrennt '

werden und an vielen Stellen bereits trockene Inseln mit Gebüschen zeigen.

Was nun die westlichen Eingänge der Stralse betrifft, so sind es zwei, die allein Beachtung verdienen. Die eine ist die Endea- vourstralse, benannt nach dem Schiffe, in welchem Cook sie 1770 zum ersten Male durchfahren hat, zwischen der Nordküste von Austra- lien im Westen von Cap York und der Gruppe des Prinzen von Wa- les; sie hat starke Strömungen und gröfstentheils hinreichende Tiefe, auch steile Küsten, und enthält eine Gruppe von 9 bis 10 kleinen In- seln im engsten Theile des Canals, die bei den Bewohnern Bedanug heifsen (Cook’s Possession-Inseln), sonst einzelne Bänke und bedeckte Klippen, welche ihre Beschiffung gefährden. Am Westende der Stralse endlich liegen die kleinen Inseln, welche Cook Wallis benannt hat, von Sandbänken umgeben, die südlich bis zur Küste Australiens rei- chen; von ihnen geht eine Reihe Sandbänke bis zu dem auf Muralug liegenden Cap Cornwall, welche den westlichen Eingang sperren, und wenn auch der Capitain Stokes, der eifrige Verfechter dieser Fahr- stralse, nähe bei den Wallis-Inseln einen Pafs mit 4 bis 5 Faden Tiefe

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gefunden hat, so kann man von der Endeavourstrafse doch nicht sa- gen, dals sie für grofse Schiffe sicher ist, und sie steht daher an Sicher- heit dem andern Westausgange, dem sogenannten Canal der Prinz von Wales-Inseln, sehr nach. Er führt an der Nordseite dieser Inselgruppe von Ost nach West und hat bei einer Breite von 2 Meilen im Durchschnitt eine Tiefe von 6 bis 9 Faden und keine Gefahr bis auf die Felsen am Nordende der Insel Keiriri und die Sandbänke und Klippen um Maurura. Im Norden wird er von dem Nordwestriff begränzt, einer grofsen 10 bis 11 Meilen lang von Ost nach West sich erstreckenden Korallenbank mit vielen trockenen Stellen. Flinders ver- dankt man die Entdeckung dieser Strafse, die allerdings vor ihm viel- leicht schon Torres durchfahren hat, und die Bligh und Edwards bei ihren Bootfahrten berührt haben, ohne ihre Bedeutung ahnen zu kön- nen; jetzt befahren ihn fast alle Schiffe, welche die Torresstrafse zu durchschneiden haben. Von den nördlicheren Strafsen wird später die Rede sein. Ich wende mich nun, nachdem ich die westlichen und östli- chen Eingänge der Torresstrafse geschildert habe, zu der Beschiffung des Innern, die fast in allen Theilen gleichartige Gefahren darbietet und die Seefahrer zu der äufsersten Vorsicht zwingt. Diejenigen, wel- che von Osten her die innere Passage wählen, folgen (aufser im Süd- theil des Meeres zwischen dem Barrier-Riff und der Küste) dem Lande Ä in einem Canale, der zwischen ihm und zahllosen, gefährlichen Riffen % hinführt; zwischen den letzteren und dem Barrier-Riff scheint in seiner _ ganzen Länge ein breiter Canal entlang zu führen, der nicht so viel und nur kleinere Riffe enthält, allein er wird bis jetzt nur in der _ Strecke des Küstenmeeres südlich vom Whitsunday-Canale benutzt. 3 Auch die Schiffe, welche das Barrier-Riff in dem Passe der Raine-Insel __ durchschneiden, gehen darauf sogleich zur Küste und folgen ihr auf dem wohlbekannten Wege bis zum Cap York. Der ganze Theil des Küstenmeeres von 12° Br. an bis zu den Canälen von Flinders ist, / wie es scheint, mit Korallenriffen angefüllt, übrigens niemals untersucht und ordentlich erforscht. Da wo Flinders bei der Gruppe Mer das Barrier-Riff durchschnitt, ziehen sich zwischen langen = gefährlichen

Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 99

ETF rm ig ot

ders nach ihrer Lage benannte, auch westlich von diesen fehlt es nicht an Riffen, bis man im Westen von der kleinen Gruppe der Schwester- Inseln den offenen und von Gefahren freien Theil der Strafse erreicht, er bis zur Gruppe des Prinzen von Wales reicht. Diese Bänke machen den Weg zwischen der letzten Gruppe und Mer zu einer sehr ährlichen Passage.

ed

100 Meinicke:

Nördlich von den Riffen derselben liegen in einem Raume von 60 Meilen Breite vom Barrier-Riff an gegen Westen eine Menge Ko- rallenriffe und kleiner Inseln (die Gruppen Bourke, Nepean, Mer und die Insel Errub), die ebenfalls von Riffen umgeben sind; tiefe Canäle führen dazwischen hindurch, allein der zahllosen Gefahren halber meiden die Schiffer diesen Theil der Stra/se sorgfältig. An der Westseite dieser Gruppe von Riffen und Inseln führt einer der besten Canäle in der Strafse von Nord gegen Süd entlang; er beginnt mit der Blighstrafse und folgt dem grofsen Warriorriff mit seinen Fortsetzungen, dann geht man zwischen den Riffen der Inseln Bet und Cong in den gefahrlosen Centraltheil der Strafse zu dem Hauptcanale, der nach Westen hinausführt. Dieser Canal ist so bequem und ver- hältnifsmälsig wenigstens sicher, dafs Stokes ihn für die Dampfschiff- fahrt als den geeignetsten empfiehlt, eine Ansicht, die sich aus beher- zigenswerthen Gründen mit Erfolg widerlegen lälst.

Die Westseite dieses Canals bildet eine sehr auffallende Reihe von Korallenbänken, welche bei der nahe an der Küste von Neu-Guinea liegenden Insel Bristow beginnt und nach Süden bis an die Inseln bei Cap York und die Riffe vor der Newecastle-Bai zieht. Sie liegen 60 Meilen westlich vom Barrier-Riff, dem sie in vieler Hinsicht ganz ähnlich sind. Den Nordtheil bildet das grofse, 35 Meilen lange War- riorriff, welches sich von der Bristow -Insel ohne Unterbrechung bis zu der auf ihm liegenden Insel Tud ausdehnt und südlich von dieser an einem breiten, sicheren, öfter befahrenen Canal zwischen Tud und Dscheguey endet; als Dumont d’Urville 1840 diesen zu durchschneiden im Begriff stand, gerieth er durch Versehen in eine Biegung des Riffes nördlich von Tud, wo der Ostwind seine beiden Schiffe auf die Ko- rallenklippen warf; nur durch grofse Anstrengungen und glückliche Umstände gelang es, die Schiffe los zu machen, worauf sie durch einen sehr schmalen und gefährlichen Canal auf der Nordseite von Tud das Riff durchsehnitten. Südlich von Dscheguey geht die Reihe der Bänke fort bis zu den bei der Insel Morilaga (dem Adolphusberge von Bligh), allein sie ist in mehrere Riffe getheilt, auf denen die Schwe- ster-Inseln liegen, und durch die breiten Pässe zwischen diesen führen die von der Blighstrafse und dem Flinderscanale kommenden Wege.

Westlich von den eben geschilderten Bänken liegt der centrale Theil der Strafse, der an 30 Meilen breit von Cap York und der Gruppe des Prinzen von Wales bis zur Küste von Neu- Guinea reicht. In dieser ganzen Strecke ist die Strafse ungewöhnlich sicher und frei von Gefahren; die gefährlichen bedeckten Korallenriffe, welche das ganze Meeresbecken zwischen der Blighstrafse und dem Passe der Raine-Insel anfüllen, fehlen hier ganz, es giebt überhaupt nur schmale

Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Iıseln. 101

Streifen von Korallen, welche die Inseln umgeben; auffallend ist, dafs dieses Becken fast durchweg die gleichförmige Tiefe von 10 Faden mit einem Grunde von Sand und feinem Schlamm besitzt, es ist gewisser- malsen ein einziger colossaler Hafen. Durch den südlichen Theil füh- ren alle zu dem Canale der Prinz von Wales-Inseln gehenden Strafsen; alle Seefahrer, die den nördlichen Theil ohne Mühe durchschnitten haben, Bligh 1792, Bampton und Alt 1793, Orman 1816, Dumont d’Urville 1840, sind westlicher auf neue Riffe gestolsen, die, obschon im Einzelnen noch nicht erforscht und aufgenommen, doch sicher zu den gefährlichsten der Strafse gehören. Sie bilden zuerst eine minde- stens 30 Meilen breite Masse, die von der Küste von Neu-Guinea süd- lich bis zu der Insel Jervis reicht, die sie mit umschliefst; nur Bamp- ton und Alt ist es gelungen, sie nahe an der Küste von Neu-Guinea, allein unter aufserordentlichen Gefahren zu durchschneiden, und wenn sie noch andere Pässe haben, so werden diese niemals für die Schiff- fahrt von Nutzen sein. Südlich zwischen Jervis und Badu fand Bligh 1792 einen Canal, den auch später Dumont d’Urville durchfahren hat, der aber von kleinen Inseln angefüllt und durch reifsende Strömungen erschwert, daher durchaus nicht zu empfehlen ist. Zwischen Badu end- lich und dem Nordwestriff liegen andere grofse Riffe um die Gruppe der Duncan-Inseln; Capitain Young, dessen Schiff, der Governor Ready, bei Halfway 1829 Schiffbruch gelitten hatte, durchfuhr mit sei- nen Booten hier die Strafse, dafs es aber da einen Pals für grolse - Schiffe gäbe, ist nicht wahrscheinlich. Vor diesen Riffen breitet sich nun das offene Timormeer aus, doch liegen in der Gegend vor dem Canal der Prinz von Wales-Inseln noch einige Bänke, von denen aber _ nur eine, die Alertbank, obschon sehr klein, doch gefährlich ist; auf ihr litten 1826 das Schiff Venus, 1849 ein amerikanischer Walfisch- - fänger Schiffbruch.

. Nach dieser Darstellung läfst es sich begreifen, dals die Torres- stralse mit Recht gefürchtet ist, und dafs in den letzten 40 Jahren kaum ein Jahr vergangen ist, in dem nicht Schiffe in ihr gescheitert wären. Dennoch steigt die Zahl der Schiffe, welche sie befahren, mit jedem Jahre in dem Mafse, als die Verbindung zwischen den Colonien in Australien und Indien lebhafter wird. Schon aus dem Obigen geht hervor, dafs die Beschiffung der Stralse bis jetzt fast nur von Ost nach West geschehen ist. Erst in der neuesten Zeit sind einzelne Versuche ‚gemacht worden, den umgekehrten Weg zurückzulegen. Blackwood ist zuerst von Java aus in die Torresstrafse im Februar 1844 von "Westen her eingefahren, und seinem Beispiel sind später einige wenige Schiffe gefolgt; der bei weitem gröfste Theil benuzt aber die Strafse ‚nur, um auf diesem Wege vom östlichen Australien nach Indien zu

102 Meinicke:

gelangen. Der Grund davon lag ursprünglich darin, dafs die Verbin- dung zwischen Australien und Indien ein gröfseres Bedürfnils war als das Umgekehrte, und dafs die im Ganzen leichte und bequeme Fahrt von Indien um die Südküste von Australien der Schifffahrt durch eine so gefährliche Meerenge vorgezogen wurde. Dazu kommt, dafs in der Torresstrafse, wie in den Meeren, welche sie verbindet, die Monsoone Indiens herrschen und zwar in der Sommerhälfte des Jahres (October bis März) westliche, in der Winterhälfte (April bis September) östliche Winde, jedoch mit der Modification, dafs diese anhaltender und stärker, auch längere Zeit wehen, als jene; man kann entschiedene Westwinde nur in den Monaten December bis Februar erwarten. Nun ist in den Molukken und auf der Nordküste Australiens der Südostmonsoon die trockene, der Nordwestmonsoon die regnige Zeit; man hat angenom- men, dafs man während der letztern in der Torresstralse finsteres reg- niges Wetter und häufige Stürme finden würde; und dafs man unter solchen Umständen eine Fahrt von mehreren Tagen durch schmale Canäle zwischen gefährlichen Riffen und Bänken für bedenklich hielt, darf nicht auffallen. Indessen scheint diese Ansicht, aus der sich haupt- sächlich erklärt, weshalb bis jetzt die Befahrung der Strafse nur von Ost nach West unternommen ist, nicht richtig zu sein. Denn neuere Untersuchungen haben ergeben, dafs, wie sich das Aehnliche schon an der Westküste von Neu-Guinea und am westlichen Ufer des Carpen- taria-Golfes findet, an der Südküste Neu-Guinea’s und ohne Zweifel auch wenigstens in einem Theile der Torresstrafse der Ostmonsoon die Regen-, der Westmonsoon grade die Trockenzeit ist. Dies würde die Beschiffung der Torresstrafse nach Osten hin sogar begünstigen; es ist das ein Punkt, der für die Beschiffung der Strafse durch Dampf- schiffe von nicht geringer Bedeutung ist.

Denn seitdem England mit Indien durch regelmälsige Dampfschiff- fahrten in Verbindung gesetzt ist, hat man den Plan schon längst ge- fafst, diese Fahrten auch von Indien über Singapore nach Australien auszudehnen, und namentlich haben die Bewohner der australischen Colonien diese Verbindung mit grolsem Eifer in’s Werk zu setzen sich bemüht. Es ist auch nicht zu bezweifeln, dafs sie in nicht zu langer Zeit hergestellt werden wird. Dafs die Torresstrafse dafür den näch- sten Weg bildet, leuchtet ein, und das Haupthindernifs, das gegen die Benutzung derselben sich anführen liefse, fällt fort, wenn es sich be- stätigt, dafs man in den Monaten December bis Februar in diesem Meerestheile schönes Wetter und Trockenzeit findet. Wie im Einzel- nen diese Fahrten einzurichten sind, darüber läfst sich mit Bestimmt- heit jetzt noch nicht entscheiden, es wird das noch mannigfache Unter- suchungen und Forschungen nöthig machen. Von den westlichen Ein-

Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 103

gängen der Strafse wird jederzeit nur der Canal der Prinz von Wales- Inseln gebraucht werden. Was die östlichen betrifft, so empfiehlt sich die von Stokes vorgeschlagene Blighstrafse schon des grofsen Umweges halber nicht, zu dem sie nöthigt; es scheint fast, als würde es am ge- rathensten sein, bei günstigem Winde den Pafs der Raine-Insel, bei widrigem aber die innere Passage zu benutzen, die dann wohl die ge- sichertere Fahrt darbietet. Die Gründung einer Niederlassung in der Strafse ungefähr in der Nähe des Cap York ist dabei unerläfslich. Ich wende mich nun zu den Inseln, welche von den Bänken und Riffen der Strafse umschlossen werden, und die in mancher Hinsicht interessante Erscheinungen darbieten. Sie sind alle klein bis auf einige wenige (wie Badu und Mua). Ihrer geologischen Bildung nach zer- fallen sie in zwei Theile, die, welche östlich, und die, welche westlich von den grolsen Korallenriffen liegen, welche die Stralse zwischen den Bristow-Inseln und Morilaga durchschneiden. Die westliche Abtheilung besteht mit wenigen Ausnahmen aus gebirgigen Inseln, wenngleich die Berge keine bedeutenden Höhen erreichen; die Gesteine, aus welchen sie zusammengesetzt sind, gleichen noch ganz denen des nördlichen Australiens, namentlich um Cap York, es sind eruptive Gesteine, wie Granit, Syenit, Porphyr, feste Feldspathgesteine oder kieselige Schiefer und ähnliche metamorphische Bildungen. Die östlichen Inseln sind dagegen niedrige Koralleninseln aus Madreporenkalkstein, wie sie in den "tropischen Meeren so häufig sind. Aber da, wo sie im Nordosten an das Barrier-Riff stolsen, erheben sich unter ihnen die hohen Inseln der Gruppe Mer und Errub, die aus vulkanischen Gesteinen gebildet sind. Die drei Inseln der ersten Gruppe bestehen aus einer Art vul- kanischem Sandstein, der aus kleinen Lavabrocken und einzelnen Kalk- körnern zusammengesetzt ist, und einem Conglomerat, das einzelne Stücke schwarzer Lava und weilsen krystallinischen Kalks in einer erdigen hellbraunen Grundmasse enthält; beide Gesteine gehen übri- gens mannigfach in einander über und erscheinen stets regelmäfsig ge- _ sehichtet und unter starken Winkeln von dem Inneren der Inseln nach den Küsten zu geneigt. In Errub ist dieselbe Bildung an einigen _ Stellen und überlagert von dunkler, fester, hornblendiger Lava, die _ überhaupt fast die ganze Insel zusammensetzt und nördlicher sich noch einmal in Kaedha zeigt. Nirgends ist eine Spur von einem Krater, augenscheinlich sind diese alten Vulkane unter der Meeresfläche aus- gebrochen und dort zu vulkanischen Schichten gebildet; erst später sind sie über die Meeresfläche erhoben und wahrscheinlich erst damals _ in Errub von jüngeren vulkanischen Bildungen bedeckt worden. Uebri- gens läfst sich der in den Sandstein- und Conglomeratschichten ent- haltene Kalk von dem Madreporenkalk der Riffe nicht unterscheiden.

104 Meinicke:

Die Vegetation dieser Inseln hat viel Auffallendes. Was sonst auf der Erdoberfläche die Regel ist, dafs die Naturen verschiedener Land- Individuen und die Formen der Vegetationsgebiete allmählich in ein- ander übergehen, das findet hier nicht Statt; vielmehr treten in der Torresstralse die Pflanzengebilde der australischen Flora und der von Neu-Guinea, die mit der der Molukken. und der übrigen indischen In- seln wesentlich übereinstimmt, in unmittelbarer Nähe so schroff und unvermittelt einander gegenüber, wie etwas Aehnliches auf keinem andern Punkte des Erdbodens gefunden wird. Die südlichsten Inseln, die Gruppe des Prinzen von Wales, haben noch durchaus die Vege- tation Australiens; allein gleich nördlich von der Strafse, welche sie im Norden begrenzt, beginnt eine ganz und gar verschiedene Pflanzen- welt, die mit der australischen nicht das Mindeste gemein hat. Die lichten, offenen und heifsen Wälder, die eigenthümlichen Pflanzenfor- men, welche der Vegetation Australiens einen so ernsten und finstern Charakter verleihen, die in so aufserordentlicher Fülle auftretenden Geschlechter, auf denen die grofse Einförmigkeit der australischen Flora beruht, alles das fehlt auf diesen Inseln gänzlich. Sie sind bedeckt mit hohen, ästigen und blätterreichen Bäumen, die allenthalben den in Au- straliens Wäldern so oft vermifsten dichten Schatten geben, und in der kühlen und feuchten Luft unter ihnen gedeihen dicht verwachsene Ge- büsche und Schlingpflanzen auf das Ueppigste. Das Pflanzengeschlecht Eucalyptus, das in Australien so aufserordentlich verbreitet ist und noch in den Inseln des Prinzen von Wales allenthalben sich findet, erscheint nur noch in der diesen zunächst liegenden Insel Nagir in einer kleinen Art, nördlicher ist es mit einem Male ganz verschwunden, seine Stelle vertreten Pflanzengeschlechter, welche für die Flora der indischen In- seln und der Inseln des stillen Oceans charakteristisch sind. Auf den meisten, wenigstens auf allen bewohnten Inseln sieht man denn auch die Culturpflanzen ‚dieses letzten Vegetationsgebietes, die Cocospalme in Menge, die Banane, das Zuckerrohr, Dioskoreen, die sülse Patate, alles Gewächse, die auf den Küsten Australiens vergeblich gesucht wer- den. Die Gründe einer so auffallenden Erscheinung lassen sich nicht angeben. Allerdings nehmen die Inseln der Strafse wohl zum Theil an der grolsen Feuchtigkeit Theil, welche das Klima Neu-Guinea’s auszeichnet, und das erklärt gewifs Manches; doch. ergiebt sich daraus noch keineswegs, weshalb so verschiedene Vegetationen so unvermittelt hier einander nahe treten.

In der Thierwelt der Torresstrafse findet sich Aehnliches, wenig- stens bei einigen Gattungen. Die Korallen sind die in den angren- zenden Meeren sich findenden, deren Gebiet sich gegen Norden über die indischen Inseln, wie gegen Süden über die Küsten Australiens

Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 105

ausdehnt. Aehnliches gilt von den Fischen und den das Meer bewoh- nenden Amphibien und Mammalien; dagegen zeigen sich in den Mol- lusken bedeutende Verschiedenheiten, es treten in der Strafse Ge- schlechter oder doch Arten auf, die auf den Küsten Australiens fehlen, und gröfstentheils übertreffen sie in der Strafse die australischen Arten an Schönheit und Glanz. Was die Landthiere betrifft, so sind die In- seln an Mammalien sehr arm; es giebt eigentlich keins als die auch an der Küste Australiens verbreitete Maus (mus indicus); Hunde, Schweine, das von den Einwohnern in Käfigen gehaltene Beutelthier (eine Art des neuguineischen Geschlechts Cuseus), sind aus Neu-Gui- nea eingeführt. Dagegen sind die Vögel und wahrscheinlich auch die Insekten ganz den australischen ähnlich. Was endlich die Bewohner betrifft, so ist der Unterschied zwischen den Australiern und den Stäm- men, welche die Inseln der Strafse (jedoch mit Ausschlufs der Inseln des Prinzen von Wales) bewohnen, im Aeufseren und in der Sprache, hauptsächlich aber im Charakter und im Zustande der Gesittung nicht

_ geringer als der zwischen den Vegetationsgebieten.

| Es lassen sich die Inseln der Strafse in drei Theile theilen, die australischen, die nordwestlichen bergigen und die nordöst- lichen flachen. '

Die australischen Inseln, zwischen der Endeavourstrafse und dem Haupteingange in die Torresstrafse, bilden die Inselgruppe an der Nordküste Australiens, welche Cook die Inseln des Prinzen von Wales genannt hat. Die früheren Karten zeichneten besonders eine grofse, welche von Edwards Cornwallis, von Stokes überflüssiger

_ Weise Cook benannt worden ist, allein Blackwoods Aufnahme hat ge- zeigt, dals die Bai an ihrer Nordseite, welche von Edwards den Namen Wolfsbai empfangen hat, der nördliche Ausgang eines für mäfsige Schiffe sehr schöne Ankerplätze bietenden Canals ist, der südlich in die Endeavourstrafse ausgeht. Dadurch entstehen zwei Inseln, die bei den Eingeborenen die westliche Muralug, die östliche Narupai heis- sen. Auf Muralug liegen die beiden von Bänken umgebenen Caps 4 Morurpure (Cook’s Cornwall) und Shoal (von Bligh), das erste das _ südwestliche, das zweite das nordwestliche der Insel, an deren Südost- Brite die seichte und durch Klippen gefährdete Bai Lihou an der Endeavourstrafse sich findet; Narupai ist durch den Berg Dyugubai _ (Hornedhill bei Flinders) kenntlich, dessen doppelten Gipfel Blackwood 7404 Fufs hoch fand '). Von diesen beiden Inseln nördlich liegen die _ übrigen kleineren Inseln der Gruppe, von denen besonders die drei ) nördlichsten, da sie die Südseite des Haupteinganges der Torresstrafse

!) Stets französische Fufs.

106 Meinicke:

bilden, gut bekannt sind. Die westlichste, Peilalug (Good bei Flin- ders), ist 1 bis 2 Meilen lang und hat auf der Südwestspitze einen kleinen Berg, nordöstlich von ihr liegt Keiriri (Hammond bei Ed- wards), das von gefährlichen Felsen umgeben ist; beide umschliefsen mit den gröfseren Inseln eine Art Bai, den Sandwieh-Sund (von Edwards), in dem noch einige Inseln, wie Weibene (das Friday der Karten) im Süden von Keiriri, liegen. Vier Meilen östlich von Keiriri ist die dritte Insel Maurura (Bligh’s Wednesday) und 9 Meilen im Nordosten von ihr noch die Insel Nellgi (Double bei Flinders), die von gefährlichen Korallenriffen umgeben ist und zwei kleine Berge ent- hält, deren höchsten Blackwood 204 Fufs hoch mafs. Alle diese Inseln sind hüglig und felsig, anscheinend dürr und wenig fruchtbar, mit Ge- sträuchen und kleinen Bäumen bedeckt. Endlich gehört noch zur Prinz von Wales-Gruppe die Insel Booby in 10° 36' S. Br., 141° 55' O.L., die, obschon kaum } Meile lang, doch in dem jetzigen Zustande der Beschiffung der Strafse einen sehr wichtigen Punkt ausmacht. Sie be- steht aus kahlen, etwa 30 Fufs hohen Porphyrfelsen mit sparsamer und ärmlicher Vegetation in einem kleinen Thale auf der Nordwest- seite, sie hat kein frisches Wasser und ist von Vögeln bewohnt, zu gewissen Zeiten von den Seevögeln in grofser Menge, nach denen Cook und Bligh sie übereinstimmend benannt haben. Da sie aber vor den beiden Haupteingängen in die Torresstrafse westlich von allen Inseln liegt, so ist es allgemeine Sitte der Seefahrer geworden, bei ihr nach Durchschiffung der Strafse zu ankern, um den Matrosen nach so ge- fahrvoller Fahrt einige Ruhe und Erholung zu gewähren. Man hat auf ihr ein kleines Gebäude errichtet mit einem Buche und Schreib- materialien; hier pflegen die Capitaine die Namen ihrer Schiffe und andere Nachrichten zu verzeichnen und Briefe zur Besorgung zurück- zulassen, wie ähnliche Einrichtungen (sogenannte Postämter) an andern unbewohnten Punkten (z. B. in den Galapagos, in dem Hafen Famine in der Magellanstrafse) sich finden; auch sind hier Lebensmittel zum Gebrauch für Schiffbrüchige niedergelegt, eine am Ausgange einer so gefährlichen Strafse eben so schätzenswerthe als nothwendige Mafsregel, und die Legislation der Colonie Neu-Südwales bewilligt seit einigen Jahren die jährliche Summe von 50 Pfd. Sterl. für die Ersetzung und Vervollständigung derselben. Auffallend ist es, dafs die Bewohner der Torresstrafse, die im Besitze grofser fester Boote und an weite See- reisen gewöhnt sind, dies ungestört haben bestehen lassen. Künftig aber wird sich an der Stelle des bescheidenen Häuschens ein Leucht- thurm erheben, zu dessen Errichtung die Insel ihrer Lage nach sehr geeignet ist.

Die nordwestlichen Inseln, die von Bligh den Namen des Cla-

Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 107

rence-Archipels empfangen haben, sind von allen die am wenig- sten bekannten, da die Fahrstrafsen, welche die Meerenge durchschnei- den, sie nicht berühren. Sie bestehen aus zwei grofsen und vielen kleineren Inseln. Von den erstern ist die westliche Badu (Bligh’s Mulgrave); die östliche, die Bligh Banks nannte, und die 8 Meilen lang ist, besteht aus einem ebeneren Theile im Westen (It oder Ita bei den Bewohnern) und einem bergigen im Osten (Mua), dessen höchsten Gipfel der spitzige Berg Augustus (von Bligh), der höchste Gipfel in der Strafse, bildet (1169 Fufs nach Stanley, 1230 Fufs nach Blackwood); beide Inseln sind mit dichter Vegetation bedeckt, sonst aber noch ganz unerforscht. Um diese liegen viele kleinere Inseln, so drei im Nordosten von Banks, von Korallenriffen umgeben, die nörd- liche, Bligh’s Northpossession, ein mit Bäumen bedeckter Haufen Felsen, die mittlere Kulbi (Tobin auf den Karten), die südliche Port- lock, ferner Bond nördlich von Banks und eine Menge kleiner In- seln in der von Bligh entdeckten Strafse nördlich von Badu, von de- nen Bligh die östlichste Passage, die westlichste Farewell nannte. Nördlicher ist auf dem grofsen Riff, welches diese Strafse im Norden begrenzt, die gröfsere bergige Insel Jervis (von Bligh), südlich von Badu die von Young 1829 entdeckte und benannte Gruppe Duncan, aus 14 Inseln bestehend, deren gröfste 3 Meilen lang ist, mit graniti- schen Bergen, niedrigen Bäumen und schönem Grase. Die südlichste dieser Inseln heifst auf den Karten Treble, von ihnen südlich liegt _ die kleine Insel West und etwas östlicher auf der Nordseite des Nord- westriffes Warara (Hawksburg bei Edwards), welche ein Berg kennt- lich macht. Die ausgedehnten Riffe, die sich von Jervis bis zur Küste _ von Neu-Guinea ausdehnen, umschliefsen wahrscheinlich noch mehrere Inseln, von denen blofs an dem von Bampton und Alt durchfahrenen Passe Turnagain, eine flache, mit Mangroven bedeckte und durch die Fluth überschwemmte Insel in dem gefährlichsten Theile dieses Passes, und Deliverance an seinem westlichen Ausgange benannt sind.

Viel besser sind die Inseln in dem von Riffen freien Centraltheile der Stralse östlich von den oben erwähnten Riffen und Inseln bekannt. Die südlichste ist die kleine unbewohnte Insel Travers, 7 Meilen nördlich von Nellgi, dann folgt die Insel Nagir (Bligh’s Mont Ernest) in 10° 15’ Br., 142° 29’ L., von dreieekiger Form und 1 Meile Länge mit syenitischen Bergen im Östtheil, die sich bis 704 Fufs (nach Stan- ey, 757 Fufs nach Blackwood) erheben, während der ebene, mit schö- ner Vegetation bedeckte Westtheil das Dorf der Einwohner und ihre flanzungen und Gärten enthält. Nördlich von Nagir sind ganz nahe abei zwei kleine Inseln, zuerst Getullai (das Young Pole benannt

108 Meinicke:

hat) mit einem Berge von 384 Fufs (nach Stanley, 431 Fufs nach Blackwood), nördlicher Suaraji (Bligh’s Burke), deren höchste Spitze Stanley 460 Fuls, Blackwood 492 Fuls mals. Ebenfalls in einer Reihe von Süd nach Nord liegen östlich von diesen drei Inseln drei .andere, von denen die beiden südlicheren, Harveysrock und Ninepin, blofse Felsen sind, die dritte, Saddle, 34 Meilen nördlich von Ninepin, ent- hält einen Berg von 171 Fufs Höhe (nach Blackwood). Auf diese fol- gen weiter im Norden drei hohe, von Korallenriffen umgebene Inseln, die südliche, Yama (Bligh’s Turtlebacked), aus Syenitfelsen bestehend, die sich bis 251 Fufs erheben (nach Blackwood) und mit schattigen Bäumen und diehtem Gebüsch bedeckt sind, die zweite kleinere Mu- kuar (Bligh’s Cap), ein kahler Berg von 276 Fufs Höhe (nach Black- wood), den Bampton und Alt, ohne Zweifel durch ein grofses Feuer ‚verleitet, für einen Vulkan gehalten und daher Feuerinsel genannt ha- ben, während die Insel aus syenitischen Felsen zusammengesetzt ist, davon nördlich Geborar (Bligh’s Threebrothers), die ebenfalls felsige Berge enthält. Dieser im Norden nahe ist die kleine, von einem Ko- rallenriff umgebene Insel Nicholsky (von Bligh) und nördlicher die letzte dieser felsigen Inseln Mount Cornwallis (von Bligh) der Küste von Neu-Guinea ganz nahe.

Die zahlreichsten und zugleich durch die zahllosen Riffe, die um und zwischen ihnen liegen, gefährlichsten Inseln sind die nordöstli- chen, die bis auf wenige Ausnahmen alle flach und von der Madre- porenbildung sind. Sie zerfallen in fünf Abtheilungen, von denen die erste diejenigen Inseln umschliefst, welche in dem mittleren Theile der grolsen, von Morilaga bis zur Bristowinsel reichenden und den Central- theil der Strafse im Osten begrenzenden Riffe liegen. Die südlichsten sind die Inseln, welche jetzt auf den Karten die Schwester-Inseln heifsen, flache Inseln auf Riffen, die durch Canäle von einander ge- trennt sind, die südliche Poll, die mittlere Waraber (bei den Ein- wohnern, das Sue der Karten), die gröfste, doch nur 5 Meile lang und, wie die andern, mit dichter Vegetation bedeckt und bewohnt, die nörd- lichste Bet, an deren Nordseite der Weg nach dem Bligheanal entlang führt. Hierauf folgt nördlicher eine gröfsere Insel auf einem beson- deren Riff (Cong auf den Karten), dann auf einem anderen Riff die Insel Dscheguey (Bligh’s Dungeness), eigentlich blols der trockene Theil des Riffes, dieht bewaldet und auch bewohnt, und von ihr nörd- lich liegt, durch einen breiten, sichern Pafs getrennt, Tud ') (Bligh’s

!) Nach Blackwood ist Tud der Name der Eingeborenen für die Insel Qennel, nach Arrowsmith’s Karte von Australien 1850 für Dalrymple, allein der Verkehr, den Dumont d’Urville mit den Bewohnern von Warrior gehabt hat, zeigt unwider- leglich, dafs dies die Insel Tud ist.

'

| Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 109

Warrior) auf dem Südende des grofsen Warriorriffes, die eigentlich

eine blofse Sandbank, mit Sträuchern und kleinen Bäumen bedeckt,

und wie alle diese Inseln, die nichts anderes als die stets trockenen Theile der Bänke sind, ohne frisches Wasser, dennoch bewohnt ist. | Oestlich von diesen Inseln liegt die zweite Abtheilung, eine Gruppe flacher Inseln, welche Lewis mit dem Namen der Bourke-Inseln belegt hat, während Bligh schon die südlichen die sechs Schwestern nannte. Zu den letzten gehören die beiden Cocoanut-Inseln und nördlicher Dove (von Bampton und Alt benannt), eine sandige und mit dichten Bäumen bedeckte kleine Insel. Nördlich von den Schwe- stern liegen zuerst die eigentlichen Bourke-Inseln, Aurid im Westen und Purem im Osten, südlicher das von Flinders entdeckte Halfway in 10° 8' Br., 143° 18' L., eine Sandinsel von kaum 1 Meile im Um- fang, ohne Trinkwasser, doch mit dichter und üppiger Vegetation. Im Nordwesten von Aurid ist Arden, nordöstlich von Purem Aukan und im Westen von dieser die beiden Inseln York, von denen die grös- sere, Massid, mit schöner Vegetation bedeckt und von grolsen, bei der Ebbe trockenen Bänken umgeben ist, die sie mit der kleineren, Kudala, verbinden. Von ihnen im Norden liegt Umagur (Keat der Karten) von ganz ähnlicher Beschaffenheit, westlich davon Sirreb (Marsden der Karten), noch westlicher Qennel und von beiden im Norden Dsamud (Bligh’s Dalrymple), wie die meisten dieser Inseln bewohnt und voll hoher Bäume. Die letzte dieser Inseln im Osten von Dsamud ist Kobbikan.

Nördlich von diesen liegt die kleine Keane welche Blish Ne- pean genannt hat, und die aus drei flachen, bewaldeten, von grofsen Bänken ihkfrehich Koralleninseln besteht. Die westliche ist Sapker (Bligh’s Campbell), dann folgt Ugar (Bligh’s Stephens) '), die von allen die bewohnteste zu sein scheint, die östliche ist Edugor (Bligh’s _ Nepean). Im Osten von der Nepeaninsel ist eine der wichtigsten und - bekanntesten dieser Inseln am Eingange in den Blighcanal, die vul- kanische Insel Errub (Bligh’s Darnley) ?) in 35’ Br., 143° 36’ L. Sie ist 3 Meilen lang und 2 Meilen breit, überall von grofsen und ge- - fährlichen Riffen und Korallenbänken umgeben und blofs an der Nord- westseite für gröfsere Schiffe zugänglich, wo die Ankerplätze in der - Treacherous-Bai bei dem Dorfe Bika und ein schlechterer südlicher bei - Keriam liegen; auf die mit Mangroven oder Sandstranden eingefalsten Küsten folgen sanfte, theils bewaldete, theils mit Gras bedeckte Ab-

#7) Blackwood hat die Namen der Eingeborenen für Stephens und Nepean ver- wechselt.

-_ *) Bampton und Alt, die sie Tate nannten, glaubten von den Einwohnern als _ den Namen für ihre Insel Wamwax zu ‚hören.

110 Meinicke:

hänge; dahinter erheben sich die von überaus reizenden Thälern durch- schnittenen Berge, die in dem höchsten Pik die Höhe von 529 Fuls erreichen, und deren Seiten mit dichten Wäldern bedeckt sind, alles ist mit einer dicken, aus der Verwitterung der Lava entstandenen, sehr fruchtbaren Erde bedeckt, Trinkwasser geben die in den Thälern flies- senden kleinen Bäche, die aber in der trockenen Zeit versiegen. Einige Meilen im Nordosten von Errub liegt die Sandbank Merad auf einem grolsen Riff und 30 Meilen im Norden in 8’ Br., 143° 53’ L. die Bank Kaedha (Blackwood’s Bramblekey), ein Lagunenriff mit einer Sandbank, die ganz den ähnlichen, auf Korallenriffen liegenden gleicht, interessant deshalb, weil in der Mitte der Lagune sich ein 20 bis 30 F. hoher Haufe von Lavafelsen erhebt, die ohne Zweifel den Kern des Riffes bilden.

Wie Errub am Eingange des Blighcanals, so liegt in 54’ Br., 144° 3’ L. südöstlich von Errub die kleine Gruppe Mer (Murray von Edwards) vor den von Flinders entdeckten Canälen. Sie besteht aus drei Inseln, von denen die gröfste, Mer, Errub an Gröfse noch etwas übertrifft; sie ist von gleicher Fruchtbarkeit als diese und noch unebe- ner und bis auf einige Ebenen am Strande mit steilen, von dichten Wäldern bedeckten, noch ununtersuchten Bergen angefüllt, die im nörd- lichen Theile einen schmalen, die ganze Insel durchschneidenden Rücken bilden, welcher in dem höchsten kahlen Gipfel bis zu 701 Fufs auf- steigt, und hinter dem sich ein nicht so hoher kegelartiger Berg erhebt. Nur die Küstenebenen, besonders die an der Nordwestküste, wo der Ankerplatz ist, sind bewohnt und angebaut, zwischen ihnen berühren die steilen, dicht bewaldeten Gehänge der Berge das Ufer. Die beiden andern, viel kleineren Inseln liegen, durch einen fahrbaren, doch ge- fährlichen Canal von der gröfseren getrennt, südwestlich von ihr und sind mit einander durch Bänke verbunden. Die gröfsere, Dowar, ist Mer ähnlich und mit steilen Bergen bedeckt, deren höchsten Black- wood 635 Fufs mafs; nur an ihrer Nordspitze liegt eine kleine Ebene mit einem Dorfe und Pflanzungen; die andere, Waier, ist nur etwa 300 Fufs hoch, kreisrund und rings herum von hohen, einem alten zerfallenen Walle ähnlichen Bergwänden begrenzt, die eine etwas niedri- gere Vertiefung umschliefsen.

Was nun die Bewohner dieser Inseln betrifft, so mufs man wohl unterscheiden zwischen den Einwohnern der Inseln des Prinzen von Wales und den übrigen Inselbewohnern. Denn während die ersten, der Stamm Kaurarega, trotz mancher Uebereinstimmung mit den anderen augenscheinlich ein australischer Stamm sind und mit den übrigen Australiern in den wesentlichsten ihrer so scharf ausgeprägten Eigenthümlichkeiten übereinstimmen, so sind die letzten, die der Kürze

Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 111

halber gewöhnlich Torres-Insulaner genannt werden, ganz und gar von ihnen verschieden und ohne Zweifel den Stämmen, welche das nördlichere Neu-Guinea bewohnen, zuzurechnen, ein Zweig jenes dunkel- farbigen Menschenstammes mit eigenthümlicher Haarbildung, den man am besten vielleicht mit dem Worte Negrito bezeichnet.

Schon ihre Berührungen mit den Europäern und die sich darin aussprechende Sinnesweise zeigen, wie sehr sie von den Australiern verschieden sind. Von Anfang an waren diese Berührungen feindseli- ger Natur. Die zwanzig Einwohner, welche Torres von den Inseln der Strafse gefangen fortführte, sind gewils nicht ohne Kampf und Blut- vergielsen in seine Gewalt gekommen. Bligh hatte 1792 mehrfache Gefechte in der Stralse zu bestehen; als Bampton’s und Alt’s Gefähr- ten 1793 den Berg auf Errub bestiegen, ermordeten die Einwohner eine ganze Bootmannschaft. Solche Vorfälle haben sich öfter ereignet; sie erklären es, wenn die Torresinsulaner für die rachsüchtigsten, ver- rätherischsten und grausamsten Wilden gelten, obschon sie es zugleich dabei nicht an Beweisen von Muth, selbst von Zutrauen zu den Euro- päern fehlen liefsen. Es ist aber jetzt gewils geworden, dafs dieses frühere Verhalten zum Theil wenigstens aus der Unbekanntschaft mit

' den Fremden, die sie überdies für überirdische Geister hielten, und aus dem Verlangen nach den hochgeschätzten eisernen Geräthen derselben hervorging. Denn wenn es auch in späteren Zeiten an einzelnen Bei- spielen des schlimmsten Verraths nicht fehlte, wie in der grauenvollen Ermordung der Mannschaft des Schiffes Eaton nach dem Schiffbruch desselben i836, so hat sich doch in Folge der gröfseren Vertrautheit mit den Europäern die Mordsucht und Hinterlist der Torresinsulaner jetzt fast ganz verloren, und so sehr auch Vorsicht im Verkehr mit ihnen anzurathen ist, so haben sie doch jetzt durch Freundlichkeit, Zuvor- kommenheit und Herzlichkeit sich in eben so hohem Grade die Zu- neigung der Europäer gewonnen, die sie in den neuesten Zeiten be- ‚sucht haben, als sie früher gefürchtet waren. Dafs das hauptsächlich an der Häufigkeit der Berührungen mit den Europäern liegt, beweisen ‚die Einwohner der Inseln Badu und Mua, die ihrer feindseligen und verrätherischen Gesinnung halber noch immer im schlechtesten Rufe ‚stehen, da ihre Inseln von den Schiffen ihrer Lage halber nicht be- ‚sucht werden.

| Die Torresinsulaner haben im Aeuflsern grofse Verwandschaft mit ‚den Bewohnern Neu-Guinea’s und der Louisiade, von den Australiern "weichen sie sehr ab. Sie sind stark und gut gebaut, muskulös, haben ‚viel schönere Gesichtszüge als die Australier und vor allem nicht die ‚mageren, dünnen Beine, welche für die letzteren so charakteristisch ind. Ihre Hautfarbe ist ein röthliches, dem Schwarzen sich näherndes

112 Meinicke:

Dunkelbraun; die allen Negritostämmen eigenthümliche Haarbildung fehlt auch ihnen nicht, es wächst bei ihnen in kleinen Büscheln, die sich lockenartig unter einander wickeln, daher der Anschein des Wolli- gen, während es in Wirklichkeit nicht wollig ist. Ihre Nahrung lie- fert zum grölseren Theile das Meer, das an Fischen und Schaalthieren so reich ist, allein auch die Früchte und Wurzeln ihrer Gärten bilden einen Haupttheil ihrer Nahrung; dafs sie Anthropophagen sind, wie so viele andere Negritostämme, ist nach den Berichten der Reisenden nicht wahrscheinlich. Eigenthümlich ist, dafs sie schon vor der Be- kanntschaft mit den Europäern eine Art Tabackrauchens kannten, eine Sitte, welche die nächsten australischen Stämme von ihnen angenommen haben; sie trocknen die Blätter einer nicht genauer bekannt geworde- nen Pflanze, die besonders angebaut wird, bereiten daraus in grüne Blätter gewickelte Cigarren, stecken sie in eine hohle Bambusröhre und ziehen den Rauch, mit dem sie diese anfüllen, ein.

Die Männer gehen stets nackt; wenn einige schildförmige Muschel- stücke vor den Schamtheilen tragen, so scheint das blofs ein Zierrath zu sein. Die Frauen dagegen tragen den Nessur, einen kurzen, aus Blättern, die an einem Gürtel befestigt sind, geflochtenen Rock; bei Unverheiratheten sind die Blattstreifen schmaler als bei Ehefrauen. Viel Sorge wenden sie gleich allen Negritostämmen auf die Verzierung des Haares; sie wickeln es öfter in lange, schmale, pfeifenähnliche Locken, die sie nicht selten mit Ocker roth färben, andere schneiden es ganz kurz ab und tragen dann dem geflochtenen Haare sorgfältig nachgebildete Perücken, bei festlichen Gelegenheiten fügen sie zum Putz Blumen, Blätter, Federn hinzu. Allein nur die Männer haben diesen Schmuck; die unverheiratheten Frauen tragen das Haar lang, die verheiratheten schneiden es ab bis auf einen Rücken von # Zoll Höhe, der von einem Ohre über den Scheitel zum andern geht und den sie mit demselben Worte benennen, das in ihrer Sprache Schild- patt bedeutet. Sie durchbohren die Nasenwand, tragen aber selten etwas darin; die weit aufgeschlitzten und herabgezogenen Ohrlöcher, die bei so vielen Stämmen des ÖOceans sich finden, sieht man auch hier. Um den Hals tragen sie grofse runde oder halbmondförmige Stücke Perlmutterschalen oder Halsbänder aus kleinen Muscheln, um die Aerme ähnliche aus Muscheln oder geflochtenem Grase. Den Leib salben sie mit Kocosöl und bemalen ihn oft mit Ocker und anderen Farben; eine ihnen besonders eigenthümliche Verzierung sind die durch Aufritzen der Haut gewöhnlich nur auf einer Schulter erzeugten ova- len Narben, die ganz den Epauletten gleichen, ein Schmuck, den die nächsten australischen Stämme von ihnen angenommen haben.

In ihrer Lebensweise haben die Torresinsulaner das Eigene, dafs

_ SPEHEBREN

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Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 113

sie mit festen Wohnsitzen doch gewissermafsen ein Umherziehen ver- binden. Sie leben in Dörfern vereinigt, die selbst auf ganz kleinen Inseln, wie in Nagir, Tud, Dsamud, Lapker, nicht fehlen; in Errub lernte Blackwood sogar sieben kleine Dörfehen kennen. Der Bauart _ nach zerfallen ihre Häuser in zwei Klassen. Die Häuser, welche sie in Errub, Mer, den Bourke- und Nepean-Inseln besitzen, sind rund und Bienenstöcken oder Heuschobern ähnlich, gewöhnlich 16 Fuls im Durchmesser lang und eben so hoch. Sie sind aus 8 bis 10 starken, elastischen, durch Querstreifen von Bambus verbundenen, oben um einen in der Mitte stehenden Hauptpfosten an einander befestigten Stangen zusammengesetzt, deren Aufsenseite mit dicken Lagen von Gras und Blättern bedeckt wird; die einzige Oeffnung in das ganz dunkle, allein stets reinlich gehaltene Innere ist eine sehr niedrige Thür, über das Haus ragt das mit Muscheln gezierte Ende des Mittelpfostens hoch empor, ein netter Zaun aus Bambu umgiebt das Ganze. Sie brauchen diese Häuser, in denen sie bei feuchtem Wetter Feuer anzünden, blofs zum Bewahren von Geräthen und um darin auf mit Matten bedeckten Betten von Bambu zu schlafen; andere Geschäfte verrichten sie unter offenen Blätterdächern, die auf Pfosten stehen. Auf den westlicheren Inseln sind die Häuser nicht weniger sorgfältig gebaut, allein viereckig mit Dächern, die fast bis zum Boden reichen, und mit Vorder- und Hinterwänden aus kleinen Bambusstäben; in einer derselben ist eine kleine dreieckige Thür und davor ein von starken Pfosten umgebener Hof. Hier und da sind auch einzelne noch vollkommenere Häuser auf hohen Pfosten bemerkt worden, wie sie die Bewohner des südlichen _ Neu-Guinea errichten. Bei der Sorgfalt, die sie auf ihre Wohnungen wenden, führen sie doch zum Theil noch ein nomadisirendes Leben; ganze Dörfer stehen oft leer, indem die Bewohner auf Booten sich nach den benachbarten Inseln, ja bis zur Nordostküste Australiens begeben, theils zum Fischfang und Sammeln von Früchten, theils angelockt durch _ einzelne gescheiterte Schiffe der Europäer, manchmal vielleicht aus _ Wassermangel; sie sammeln in diesen an sülsem Wasser so armen "Inseln den Regen in eisternenähnlichen Löchern oder in Muscheln, die sie an die Stämme der Bäume stellen. Die Möglichkeit zu solchen Seereisen geben ihnen ihre starken, zierlichen und kunstvollen Boote. Von diesen sind die grolsen, die sie, wenn sie nicht gebraucht werden, unter Schuppen am Lande halten, 50 bis 70 Fufs lang, der Boden aus einem ausgehöhlten Baumstamme und die Seiten durch sorgfältig befestigte Bretter erhöht; sie haben wei Maste im Vordertheil, die sich niederlegen lassen, und die Matten- segel sind zwischen beiden oder an einem Maste befestigt, Ausleger schützen zu beiden Seiten vor dem Umschlagen. Ueber das Boot ist

4

- Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 8

114 Meinicke:

eine grofse Platform gelegt, in deren Mitte eine Hütte steht. Gleiche Kunstfertigkeit zeigt sich in ihren Waffen.

Von diesen sind die wichtigsten die den Negrito eigenthümlichen und den Australiern ganz fehlenden starken und grolsen Bogen aus Bambus und Pfeile aus leichtem Rohr mit Spitzen von hartem Holz oder geschärften Knochen, sehr nett gearbeitet, dann das gefährliche gabagub, ein flacher runder Stein mit einem Loch in der Mitte, in dem ein hölzerner Handgriff steckt, und hölzerne Speere; von den Australiern haben sie auch hier und da den für diese charakteristischen Wurfstock ?) angenommen.

Die Hauptbeschäftigungen der Torresinsulaner bestehen im Land- bau und Fischfange. Den ersten treiben sie nicht ohne Eifer, obschon die Ausdehnung ihrer Pflanzungen und Gärten nicht eben grofs ist; oft halten sie dieselben gut gereinigt und umzäunt. Die Gegenstände des Anbaues sind besonders Bananen, Dioskoreen, eine Art Caladium und Bataten, Zuckerrohr, die Cocospalme, die Pflanze, deren Blätter den Taback vertreten. Fischerei betreiben sie mit Netzen und Leinen, häu- figer noch werden die auf den Bänken aus losen Steinen errichteten Wehre erwähnt, in welche die Fluth die Fische mit dem Wasser hin- einspült, so dafs sie bei der Ebbe zurückbleiben, und nicht weniger gebräuchlich scheint die Fischerei mit Speeren zu sein, die sie auch bei dem Fange der Schildkröten und des Dugong (Halicore australis) anwenden. An Kunstfertigkeiten fehlt es ihnen durchaus nicht; Matten zum Sitzen und Liegen, zu Kleidern und Segeln, auch zum Handel, bereiten sie in Menge, und alles, was sie aus Holz verfertigen, beson-

ders Boote, Häuser, Zäune, lieben sie durch Schnitzereien aller Art zu N

verzieren. Ihre Geräthe bestanden sonst aus Muschelschalen und Bam- bus, jetzt hauptsächlich aus dem von den Europäern erhaltenen Eisen

oder Glase; zum Wassertragen dienen Bambusröhre. Eine auffallende Neigung zeigen sie für den Tauschhandel, und das war schon in den ersten Zeiten der Fall, seitdem sie mit Europäern in Berührung ge- treten sind; sie sind dabei geschickt und ehrlich, sie ziehen stets das Nützliche vor. Sie bieten den Schiffen Schildpatt, Perlaustern, Lebens-

mittel, Waffen und Geräthe an; nichts hat gröfseren Werth für sie als Eisen und eiserne Geräthe, nächstdem leere Flaschen, Kleider, Taback. Kleine Schiffe aus Neusüdwales wagen sich jetzt unter diese früher so verrufenen Menschen, sammeln auf den Riffen den Tupang zum chinesischen Handel und tauschen Schildpatt ein.

Was die von den Torresinsulanern gesprochene Sprache betrifft, so ist sie, obschon wir hauptsächlich nur die des Stammes Miriam, die

1) S. mein „Festland Australien“ 2, 193.

|

Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 115

Sprache von Mer und Errub, kennen, in allen Inseln, wie es scheint, dieselbe, nur hier und da mit dialektischen Abweichungen. Mit den Sprachen der benachbarten australischen Stämme hat sie, abgesehen von den Wörtern, welche die Australier von ihnen angenommen haben, nichts gemein; Catham hat nachgewiesen, dafs sie selbst in den Grund- lagen ganz von ihnen verschieden ist. Selbst ihre Aussprache unter- scheidet sich ganz von den unartikulirten und ausdruckslosen Reden der Australier; sie ist klar und deutlich, und es macht ihnen Vergnü- gen, Fremden ihre Sprache mitzutheilen. Dafs es ihnen an religiösen Vorstellungen nicht fehlt, das bewei- sen die an einigen Orten beobachteten Spuren eines besonderen Cultus, die in der Aufstellung hölzerner, mit Kasuarfedern gezierter Bilder in ‘den Hütten und auch in den Pflanzungen bestehen, denen sie selbst Opfer zu bringen scheinen. Dafs alles das in den gewöhnlichen Wohn- häusern gefunden ist, beweiset, dafs man es nur mit der Gottesver- ehrung, so weit sie einzelne Familien berührt, zu thun hat, wie es bei den politischen Verhältnissen, die unter ihnen bestehen, nicht anders sein kann. Die Schädel, welche gewöhnlich mit diesen Bildern in Ver- bindung gesetzt erscheinen, weisen ohne Zweifel darauf hin, dafs in ihren Vorstellungen die Seelen der Verstorbenen in einen engen Zu- sammenhang mit göttlichen Wesen gebracht werden, eine Ansicht, die auch in den Religionen der hellfarbigen Stämme des Oceans von so aufserordentlichbem Einflusse war; den bei allen australischen Stämmen sich findenden Glauben, dafs die Europäer die Geister verstorbener Eingeborener seien, theilen sie ebenfalls ’). Interessant würde es sein, wenn sich Inkes Beobachtung bestätigte, der unter ihnen eine dem Tabu der hellfarbigen oceanischen Stämme ähnliche Institution bemerkt haben will. Die Leichenbestattung besteht in einer Aussetzung der Leichen auf Gerüsten aus Stangen, die von den üblichen Klagen begleitet ist; dann R _ folgt das Begräbnifs. Sie haben besondere Grabplätze, die in sehr auf-

fallender Weise mit Knochen von Dugong und Schildkröten, Muscheln, | auch Menschenschädeln geschmückt sind, und es beweisen, wie grolse Achtung sie den Todten weihen.

Sie leben in Monogamie.” Bei ehelichen Verbindungen soll der Mann die Braut mit Gewalt entführen und gegen die Verfolgungen ihrer # Verwandten zu schützen haben, was an ähnliche australische Sitten er- innert. Die Frauen behandeln sie freundlich und theilen die schweren Arbeiten mit ihnen; die Kinder lieben sie zärtlich, ihr Familienleben cheint nicht ohne eine gewisse Anmuth zu sein. Sehr auffallend ist

En bin 2 0 „ad

") Daher heifst in ihrer Sprache das Wort Zammar sowohl Geist als Europäer. 8*

116 Meinicke:

die Keuschheit und Züchtigkeit ihrer Frauen; bei Blackwoods langem Aufenthalt in Errub kam trotz des steten freundlichen Verkehrs und der Verführungen, die der Reichthum der Fremden an den so geschätz- ten eisernen Geräthen bringen mufste, kein Beispiel von Zuchtlosigkeit vor. Im Umgange sind sie heiter und neugierig, lieben Scherz und Vergnügen; sie haben besondere Tänze, bei denen sie oft eine Art sehr künstlich verfertigter hölzerner Masken brauchen; sie begleiten diese Tänze mit einer Art länglicher hölzerner Trommel, deren eines Ende offen, das andere mit dem Fell einer Eidechse (Monitor Gouldii) überzogen ist, und die sie mit den Händen schlagen. Sie üben die im ganzen Stillen Ocean verbreitete Sitte, mit geschätzten Fremden den Namen zu tauschen; auch kennen sie die Art der Begrüfsung durch Reiben der Nasen, dabei haben sie noch andere, die sich auch im süd- lichen Neu-Guinea in Gebrauch finden, eine Art Handschütteln, die in einem leisen Kratzen der Hand mit den Fingern besteht, und ein Zwicken des Nabels mit den Fingern. Grüne Zweige dienen auch hier als Zeichen der Friedlichkeit und der Versöhnung.

Ihre politischen Einrichtungen sind im höchsten Grade einfach. Sie sind in Stämme getheili, die am gewöhnlichsten nach den Wohn- sitzen benannt werden mit Anhängung der Silbe lega; wir kennen deren sieben, die Italega, Mualega, Badulega auf den Inseln Banks und Mulgrave, die Gumulega auf Jervis und den umliegenden Inseln, die Kulkalega auf Nagir und den drei Schwesterinseln, die Massilega auf den Bourkeinseln und der Stamm Miriam (nach einem gleichnami- gen Dorfe in Mer benannt) auf Mer, Errub und den Nepeaninseln. Es giebt dann noch Unterabtheilungen, denn nach dem Berichte eines indischen Laskaren, der in Folge eines Schiffbruchs drei Jahre in Mer gelebt hat, zerfallen die Einwohner dieser Insel selbst wieder in vier Stämme, und diese Theilung wird ohne Zweifel auf gewisse Familien- verbände zurückführen, womit es zusammenhängt, dafs Blackwood einige der sieben kleinen Dörfer in Errub in Kampf unter einander verwickelt fand. Von einer weiteren Organisation findet sich keine Spur, nicht einmal Häuptlinge und Vorsteher der Stämme giebt es, aulser wenn grolses Vermögen oder auch geistige Kraft einzelnen Männern Einflufs verleiht. Jeder Einzelne hat sein fest bestimmtes Eigenthum an Land wie auch an den zur Fischerei geeigneten Küstenstrecken.

Das ist es, was wir von dem Volke wissen, welches die Inseln der Torresstrafse bewohnt und in mancher Hinsicht Interesse einzu- flölsen geeignet ist. Schon jetzt ist das Volk nicht ohne seine bestimmte Bedeutung. Mit den Bewohnern des südlichen Neu-Guinea steht es in ununterbrochenem Handelsverkehr; von daher kommen Trommeln, Keulen, das auf den Inseln nicht wachsende Rohr, aus dem sie ihre

Die Torresstrafse, ihre Gefahren und Inseln. 117

Pfeile machen, wahrscheinlich auch die colossalen Stämme für die gros- sen Boote, Schweinszähne, die zu Zierrathen so allgemein angewandten Kasuarfedern, die neuguineischen Beutelthiere, die man in Käfigen hält; zum Tausch dienen den Torresinsulanern dabei Muscheln und Schild- patt, wahrscheinlich aber auch, was sie an europäischen Waaren sich verschaffen können. Nicht weniger lebhaft ist ihre Verbindung mit den Australiern und der Einflulfs, den sie auf diese ausgeübt haben und noch stets üben, bedeutender, als man glauben sollte. Sie treiben nicht blofs starken Handel mit ihnen und bringen ihnen ihre Waffen und Geräthe, wie auch neuguineische Waaren; sie haben sich auch unter ihnen niedergelassen und sich ohne Zweifel mit ihnen hier und _ da vermischt; die Seezüge, die sie in grofsen Schaaren bis weit auf die Nordostküste Australiens herab unternehmen (dafs sie den Carpen- taria-Golf besuchten, ist nicht bekannt), um Dugong und Schildkröten - zu fangen und gescheiterte Schiffe zu plündern, dienen dazu, diesen - Einflufs immer mehr auszubreiten. Schon vor einer Reihe von Jahren _ hatten Spuren eines höheren Bildungszustandes unter den Bewohnern der Nordostküste Australiens Aufmerksamkeit erregt ’); sie allein z.B. _ haben in Australien die Vorrichtung der Ausleger an ihren Booten, und die Einwohner der Caledon-Bai in Carpentaria kannten Bogen und Pfeile, diese den Australiern ganz fremden Waffen, sehr wohl, ohne sie zu gebrauchen. Ohne Zweifel ist das eine Folge des Ein- F flusses der Torresinsulaner, der sich auch in der Annahme von Sitten und Geräthen, selbst von Worten ihrer Sprache von Seiten der Austra- _lier zeigt, welche die Ueberlegenheit ihrer Nachbarn in jeder Hinsicht "willig anerkennen. Nirgends aber sind die Einwirkungen der Torres- "Insulaner bedeutender und nachhaltiger gewesen, als bei dem die In- seln des Prinzen von Wales bewohnenden Stamme der Kaurarega, die, wie ihr ganzes Verhalten und ihre Sprache beweiset, offenbar ein ur- sprünglich australischer Stamm sind, dabei aber so viel von ihren achbarn angenommen haben, dafs es Macgillivray zweifelhaft erschien, ob sie nicht eher als eine Abtheilung der Torresinsulaner zu betrach- ten seien, welche australische Elemente in sich aufgenommen hätten; ‚sie haben sogar die Anpflanzung gewisser zur Nahrung dienender Pflanzen von ihren Nachbarn gelernt, und diese daher hier einen stär- keren Einfluls auf ihre australischen Nachbarn geübt, als bisher noch len Belehrungen und dem Beispiele der Europäer gelungen ist.

Wenn also in dieser Beziehung die Torresinsulaner als das die Australier und Neu-Guineer verbindende Volk schon jetzt erscheinen, so wird diese Bedeutung sich noch viel mehr steigern, wenn die Ein-

") 8. mein „Festland Australien“ 2, 176, 189.

118 L. Buvry:

führung der Dampfschifffahrt die nothwendig damit verbundene Grün- dung einer Colonie an der Stralse bewirkt haben wird. Alsdann wird hoffentlich der Missionar nicht lange ausbleiben, und bei der Vertraut- heit der Torresinsulaner mit den Europäern und bei ihrer Freundlich- keit und Zuvorkommenheit wird es nicht sehr schwer sein, sie für das Christenthum zu gewinnen, dessen weitere Verbreitung über die ihnen bekannten australischen und neuguineischen Stämme zu vermitteln sie augenscheinlich bestimmt sind.

fi Mittheilungen aus Algerien.

Von Dr. L. Buvry.

Der südliche Höhenzug. (Zweiter Artikel.)

d) Der Djebel Aures.

Wir ziehen jetzt die letzte dem südlichen Höhenzuge angehörige Gebirgsgruppe in den Bereich unserer Untersuchungen.

Schon ein Blick auf die Karte zeigt, dafs dieses Massiv von Ge- birgen einen bedeutenderen Umfang als die bisher geschilderten hat und auch ein chaotischeres Durcheinander aufweist.

Das Aures-Gebirge beginnt mit dem Djebel Metlili im Nordwest und begreift das weite Gebiet in sich, welches im Osten bis zum Dje- bel Tafriut und Djebel Mahmet und auch noch hier über das ganze Gebiet der Nememscha hinweg und weiter im Süden seine bedeutenden Bergmassen bis zum Bellad el Dscherid entsendet und wahrscheinlich bis nach Tunis hinein mit dem mächtigen Djebel Tiuasch, dem el Mekhila und anderen in Verbindung steht.

Weiter oben bemerkte ich schon, dafs die Hochebenen vor Batna bereits eine Höhe von 3249 Fufs haben und demnach ist es erklärlich, dafs die in diesen Ebenen aufsteigenden, dem Djebel Aures angehöri- gen Grate im Djebel Tugurt bei Batna, dessen Spitze fast ganz mit Cedern bewachsen ist, bis zu 5300 Fufs ansteigen. Die Richtigkeit dieser Angabe bestätigt sich auch dadurch, dafs die in der Nähe von Batna und Lambessa befindlichen Bergrücken fast ohne Ausnahme noch Ende März mit Schnee bedeckt sind.

Be Baape

Mittheilungen aus Algerien. 119

Indessen ist diese nördliche Gebirgswand gleichsam nur das Vor- werk des eigentlichen Aures, welcher sich erst 4 geogr. Meilen tiefer zu dem Djebel Scheliah formirt, der nach den neueren Messungen eine absolute Höhe von 6936 Fuls hat.

Die Höhe des ganzen südlichen Höhenzuges bis zur tunesischen Grenze, das Sidi Scheikh-Gebirge, die Djebel Amur und Sahari und der Djebel Aures, ist demnach bisher bedeutend überschätzt worden; nur in der Provinz Constantine und zwar auf den höchsten Kuppen des Djebel Aures bleibt bis zum Monat März eine leichte Schneedecke liegen, auf den westlichen Höhenzügen ist dieselbe eine noch seltenere Erscheinung, und kein einziger Gipfel dieser Gebirgszone ragt bis in die Region des ewigen Schnee’s, welche für dies Gebirge wenigstens auf 8000 Fufs angenommen werden mülste, wenn man nach dem im- posanten Milthia 31° 12’ N. Br., 10° 19’ 45” O.L. südlich von der Stadt Marokko schliefst, der noch nicht einmal bei 10,700 Fufs Höhe eine beständige Schneedecke zeigt.

Vermöge der bedeutenden Ausdehnung des Aures-Gebirges und seiner ansehnlichen nördlichen und südlichen Ausläufer wurde es der französischen Regierung nicht leicht, die Bewohner desselben zu über- wachen und sie theilte daher das Gebiet in einen nördlichen zu dem Gebiete von Batna gehörigen und in einen südlichen von Biskra ab- hängigen Kreis, deren jeder durch einen Kaid verwaltet wird.

Nach Richtung und Lage ist das Gebirge in den nördlichen, west-

lichen und östlichen Aures zu zertheilen. Diese drei Theile weichen _ in ihrer physischen Beschaffenheit in keiner Weise von der ganzen Kette ab, doch gestalten sich die Vegetationsverhältnisse hier entschieden günstiger als in den anderen Provinzen. Der ganze Nordabhang zeigt ein so kräftiges, üppiges Wachsthum der Pflanzen und die Thäler bie- ten in ihrer romantischen Lage mit den reichbebauten Gärten einen so aulserordentlich mannichfachen Genufs, dafs der Reisende bei dem Besuche dieser Gegenden mit Recht sich fragt, wie es kommt, dafs _ noch so wenige Touristen sie bisher besucht und beschrieben haben. Wie die vorbesprochenen Gebirge enthält der Aures aufser den in - Dörfern (Deschera) ansässigen Bewohnern vorzüglich im Frühjahr und _ den Sommermonaten eine ansehnliche Bevölkerung, welche in den no- madisirenden Stämmen des Südens und einigen angesehenen Tribu’s _ der nördlichen Salzseezone besteht. 47 .Vergebens habe ich mich bemüht, mir einen klaren Begriff von _ diesen jährlich wiederkehrenden Zuzügen zu machen; meine Bestrebun- gen scheiterten stets an den unzuverlässigen statistischen Berichten, den mangelhaften Karten und besonders an der Unzahl von Unterabthei- _ lungen, in welche die einzelnen grofsen Stämme sich scheiden.

120 L. Buyry:

In folgendem Tableau gebe ich eine Uebersicht der Hauptstämme des Aures nach ihren Wohnplätzen:

Nördlicher Aures. Westlicher Aures. Oestlicher Aures.

Beni Maafa, Uled Saada, Uled Aissa,

Uled Zian, Beni Ahmed, Beni Maassem,

Uled Fadal, Uled Jub, Mualin Scheschar,

Uled Scherfa, Beni Imelkem, Uled Omran,

Uled Udjana, Serahna, Beni Barbar,

Uled Amara. Uled Abdi, Uled Mussa Ben Ab- Razigha, dallah, Uled Zrara, Bradscha,

Uled Slima Bu Aissa, Aschesch. Beni Imlul,

Uled Daud,

Beni Bu Sliman.

Der nördliche Aures beginnt mit dem Bab el Kantara, begreift den Djebel Scheliah in sich und reicht bis an das Gebiet der Nemem- scha. Der westliche Aures lehnt im Norden und Westen an den nörd- lichen und umfafst den ganzen Südabhang bis zum U&d Scherfa, der tiefer südlich U&d Göschtan heifst. Der übrige östliche Theil, den Djebel Scheschar mit inbegriffen, bildet den östlichen Aures.

Nach dem amtlichen Census des Jahres 1851 stellt sich die Ge- sammtbevölkerung des Aures annähernd auf 53,990 Seelen. Im Ver- gleich mit der Zahl der oben angeführten Stämme könnte diese Ziffer sehr hoch erscheinen, aber man mufs dabei erwägen, dafs die Stamm- namen nur die der Hauptstämme sind, und dafs diese gewöhnlich 3 bis 4 Nebenabtheilungen haben. So theilen sich die Uled Zian, wel- che allein 4800 Köpfe zählen, in neun, die Beni Maassem in vier, die Beni Maafa gleichfalls in vier Abtheilungen. Eine detaillirte Auffüh- rung dieser Abtheilungen würde hier zu weit führen.

Von den Hauptstämmen, welche den nördlichen Aures bewohnen, scheinen die Uled Zian und die Beni Maafa numerisch am stärksten zu sein; die Menge der auf ihrem Gebiete befindlichen Dörfer spricht hinreichend dafür.

Die Uled Zian beziehen die Ländereien bis zum Djebel Schafat, im Nordwesten, und bis Tarzul, dem alten Lambessa, im Nordosten; zu diesem Kaidate rechnet man neun Stämme, unter denen die Beni Ferrah 1920 Seelen stark sind.

Das Gebiet der Uled Fahdal oder Fahsal ist auf den Karten theils unrichtig, theils gar nicht vermerkt. Dieselben nomadisiren wäh- rend der Wintermonate in den Ebenen, welche im Norden und Süden

ERTL:

Mittheilungen aus Algerien. 121

den Djebel Fedjuj einfassen, und dehnen ihre Wanderungen bis zu dem Gebiete der Haractas aus. Bei ihrem Umzuge im Sommer verweilen sie auf den nördlichen Abhängen des Aures und die Djebel Amrus und Arrhes sind als die südlichsten Punkte anzusehen, bis zu welchen sie vordringen.

Der Stamm der Scherfa bewohnt während der Sommermonate den Nordabhang des Aures und zwar die dem Djebel Amran zunächst gelegenen Thäler und Hochebenen. Er zerfällt in zehn Unterabthei- lungen und stammt ursprünglich aus Fez her; noch heutzutage befindet sich ein Zweig davon in Tafilelt. Diese gewaltsame Trennung soll durch einen Streit herbeigeführt worden sein, in welchem ihr Häupt- ling Sidi Nedjim einen seiner Genossen getödtet hatte. Bei seinem Abzuge aus Fez schlossen sich eine Menge marokkanischer Flüchtlinge ihm an; sie liefsen sich darauf in den Oasen der Ziban nieder und erresten bald durch ihre ansehnliche Zahl die Eifersucht der dortigen Bewohner, weshalb einige Familien sich genöthigt sahen, nach Tune- sien überzusiedeln, während ein anderer Theil in den Tell zog.

Der eigentliche Kern der Scherfa aber verweilt während der Winter- monate in den Ziban und bringt den Sommer, wie schon bemerkt, im Aures zu. Wie schon ihr Name kundgiebt, tragen sie einen religiösen Charakter, jedoch erst in neuerer Zeit; nachdem ein wahrer Scherif, Abd’-r-rahman aus Medina, sich auf ihr Ansuchen bei ihnen nieder- gelassen, ist es ihnen gelungen, bei ihren Glaubensgenossen sich als Marabute Geltung zu verschaffen.

Die Uled Udjana weiden ihre Heerden auf den Nordabhängen des Djebel Scheliah, und die Uled Amara bewohnen die nördlichen Umgebungen des Djebel Nughis.

Was nun die Wohnplätze anbetrifft, welche die Stämme des west- lichen und östlichen Aures inne haben, so sind dieselben auf der im Jahre 1846 von Carette und Warnier publieirten Karte richtig ange- geben, weshalb ich sie hier mit Stillschweigen übergehe.

Alle diese Stämme bekennen sich zum Islam und sind rein ara- bischen Ursprungs. Aufser den Arabern befindet sich aber im Aures noch ein Volk, welches Schauja, Schoja, auch Schawia genannt wird, und das, insgesammt 40,000 Köpfe zählend, in der Wüste, den Ziban und über ganz Algerien zerstreut lebt, aber auf dem Djebel Belesmah seinen Kern hat. Ueber die Abkunft dieses Volkes sind mannigfache

j Hypothesen aufgestellt worden. Die neueste ist die des Dr. Guyon: da bei allen Individuen dieses Volkes das Ohrläppchen fehlen soll,

so hält sie dieser Gelehrte für Verwandte der Cagots in den Pyrenäen. Ich hatte früher auf meiner ersten Reise diese Völkerschaft nicht be-

_ gucht und schlofs in dem guten Glauben an die Zuverlässigkeit des

122 L. Buvyry:

berühmten Reisenden mich in meinem Buche: „Algerien und seine Zukunft unter französischer Herrschaft“ der Ansicht desselben in Be- zug auf die Schauja’s an, da mir das angedeutete physische Kennzei- chen genügend erschien, um jene Herleitung zu rechtfertigen. Als ich indessen 1855 und 1856 in den Oasen der Ziban und im Aures viel- fach Gelegenheit hatte, mit diesen Leuten zu verkehren, überzeugte ich mich, dafs die Meinung des Dr. Guyon auf einem Irrthum beruhe. Allerdings finden sich bei den Schauja’s einzelne Individuen, denen eine ganz weilse Hautfarbe, blaue Augen und röthlich blondes Haar eigen ist, aber niemals ist es mir gelungen, bei einem derselben den Mangel des Ohrläppchens zu entdecken. Wahrscheinlicher ist es, dafs die Schauja’s Abkömmlinge der Vandalen sind.

Je nach ihren Wohnplätzen theilen sie sich in Ansässige und Dje- beiliÄ, Bergbewohner.

Aufser ihnen scheinen noch die Uled Nasser und Uled Udjana einer fremden Race anzugehören; so viel ist gewils, dals sie ein mit dem Arabischen nicht verwandtes Idiom sprechen.

An das Gebiet des nördlichen und östlichen Aures grenzt im Osten das Gebiet der Nememscha, welche die Gebirgskette bis nach Tu- nesien inne haben. Sie gehören dem arabischen Menschenschlage an, nennen sich Dschuad, Adlige, und besitzen einen kriegerischen Geist. Fast ausschliefslich Hirten, bezeigen sie für den Anbau von Cerealien nur wenig Trieb. Bis jetzt ist über das von ihnen bewohnte Gebiet noch Nichts veröffentlicht worden, nur so viel ist bekannt, dafs die- selben in Dörfern wohnen und eine gleiche Lebensweise wie die übri- gen Gebirgsvölker führen. -Die südlichen Gebirgsabhänge und Aus- läufer dieses Gebietes sind sehr arm an Quellen, weshalb die Bewohner sich häufig genöthigt sehen, die Trinkplätze der östlichen algerischen Sahara aufzusuchen, bei welcher Gelegenheit sie zuweilen von den Franzosen mit einer Razzia heimgesucht werden. Ihr Haupthandels- verkehr besteht im Verkauf von Datteln an die Wüstenstämme, wo- gegen sie von diesen Getreide entnehmen.

Die Nememscha zerfallen in die Alauna, Berarcha und Uled Re- schasch und sind, in etwa 8000 Zelten lebend, ungefähr 64,000 Seelen stark. Nach den Berichten des Bureau arabe von Biskra sind die Heerden so beträchtlich, dafs sie z. B. eirca 30,000 Hammel und circa 80,000 Kamele besitzen.

Im Jahre 1847 rückten vier französische Colonnen gegen sie an, denen sie sich, mit Ausnahme eines nicht unbeträchtlichen Theils, der sich nach Tunesien hineinflüchtete, bald ergaben. Später im Mai 1850 erhielten sie abermals von einer Colonne Besuch. Im Jahre 1853 ver- suchten, durch einen neuen Scherif angestachelt, einige dieser Stämme

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Mittheilungen aus Algerien. 123

sich gegen die französische Regierung aufzulehnen. Am 6. November desselben Jahres aber kam es zu einer Schlacht, in welcher von den Franzosen der Scherif getödtet und sein improvisirtes Heer gänzlich in die Flucht geschlagen wurde. Seit jener Zeit verhielten sich bis jetzt die Nememscha ruhig, obwohl ihre Unterwerfung eine rein illu- sorische ist, besonders im südöstlichen Theile, wovon ich mich bei meiner Südexpedition zu überzeugen Gelegenheit hatte.

Dieses störrige Verhalten der Nememscha ist um so mehr zu be- dauern, als das Gedeihen der hart am Nordabhange des Gebirges in unmittelbarer Nähe Tunesiens gelegenen Stadt Tebessa (35’ 27’ 30” N. Br., 47’ 30" O. L.) sehr dadurch beeinträchtigt wird. Obgleich diese Stadt sich bereits im Mai 1842 dem General Negrier ergab, so wurde doch erst 1851 von der Regierung der Beschlufs gefafst, dieselbe in eine europäische Colonie umzugestalten. Die schlecht gehaltene arabische Stadt ist in die Trümmer einer beträchtlichen alten römi- schen Stadt, Theveste, hineingebaut und mit einer von Thürmen flan- kirten Mauer umgeben. Noch jetzt befinden sich in derselben die Rui- nen eines Porticus und eines Tempels. Die Regierung geht nun mit dem Plane um, aufserhalb Tebessa’s zwei neue Städte zu gründen, dann wird der schon jetzt bedeutende Wollhandel der Bevölkerung voraussichtlich noch mehr blühen, zumal wenn erst die Landstrafse über Ain Beida fertig sein wird. Aufserdem beschäftigt sich die Be- völkerung noch in den Steinbrüchen des Djebel Dir, aus denen Mühl- steine gearbeitet werden. Aufserhalb der Stadt liegt der Marabut Zauja Abd-r-rahman, der bei den Einheimischen in sehr hohem Ansehen steht; eine die Stadt mit sehr gutem Trinkwasser versehende Quelle entspringt dem Djebel Dir. Eine Anzahl handeltreibender Europäer hat sich bereits in Tebessa niedergelassen und mit diesen betrug die Civilbevölkerung im Jahre 1851 eirca 1000 Seelen; aufserdem rechnet man aber zu Tebessa noch das Dorf Beecaria und den Duar el Azib, und alle drei vereinigt umfassen etwa 2000 Einwohner und 1500 Hec- taren angebauten Landes.

Bei der Schilderung der Steppen sowie des ganzen südlichen Höhenzuges habe ich dem Leser durch die Aufzählung der in diesen Regionen zeitweise verweilenden Stämme einen annähernden Begriff von den grolsartigen Wanderungen geben wollen, welche alljährlich von Süden nach Norden und in umgekehrter Richtung stattfinden. Man gelangt bald zu der Ueberzeugung, dafs diese nach unseren Begriffen aufserordentlichen Zustände im Allgemeinen durch die physische Be- schaffenheit der Erdoberfläche hervorgerufen werden.

Dieser unaufhörliche Wechsel der Ländereien hat die Staatsöco- nomen schon vielfach beschäftigt und man hat sich gefragt, wie derselbe

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mit der Colonial-Politik in Einklang zu bringen sein möge. Während die Wanderungen der Tellbewohner sich auf einen ziemlich engen Kreis beschränken, geschehen die Umzüge der Bewohner der Wüste in Massen und auf Entfernungen, die kaum glaublich sind. Sobald während der Wintermonate die Gärten und Felder in den Oasen bestellt, auch die Dattelernten hereingebracht sind, ziehen die Bewohner beim Beginn der heilsen Jahreszeit mit den Producten der Natur und ihrer Industrie auf das südliche Gebirge und sogar bis in den Tell. Bei dieser Ge- legenheit verwerthen sie ihre Producte gegen Getreide und europäische Fabrikartikel, indem sie gleichzeitig ihre zahlreichen Viehheerden in den Thälern der Gebirge und auf den Hochebenen weiden lassen. Diese regelmäfsig wiederkehrenden Wanderungen bringen jene Araber mit den Bewohnern des Tell in nothwendige Berührung und der vorurtheils- lose Beobachter mufs, wenn er diese durch ihre Lebensart verschiede- nen beiden Abkömmlinge desselben Stammes vergleicht, sich sehr zu Gunsten der Nomaden erklären. Man findet bei den Letzteren noch fast alle die herrlichen ritterlichen Tugenden, welche den ächten Ara- ber und Beduinen vor allen Völkerschaften Afrika’s auszeichnen, wäh- rend die Araber des Tell in Folge der Menge von Usurpatoren, wel- che mit mehr oder minder Grausamkeit die Geilsel des Despotismus über sie schwangen, sehr entartet sind. Es ist nicht in Abrede zu stellen, dafs die Tellbewohner von diesem Verkehr der Nomaden gros- sen Vortheil haben, besonders nimmt der durch die Occupation des Landes von Seiten der Franzosen und das Verbot des Sklavenhandels gestörte Handel mit dem Innern nach und nach durch den Zuzug aller Oasenbewohner wieder einen lebhafteren Aufschwung. Die Vortheile, welche dem Lande durch diese Wanderungen entstehen, vermögen in- defs dennoch nicht die mannigfachen Uebelstände zu überwiegen, die sich schon jetzt herausstellen, aber namentlich später bei einer sich in gröfserem Malsstabe über den ganzen Norden ausbreitenden Colo- nisation noch mehr in die Augen springen werden.

Nachdem Frankreich in neuester Zeit durch den Verkauf ausge- dehnter Ländereien in seiner Colonial-Politik einen neuen Weg betre- ten und die Colonisirung mehr dem Privatunternehmungsgeiste zuge- theilt hat, mufste sich das Augenmerk der Regierung auf die Wande- rungen der Stämme richten. Es mufste natürlich dabei sich die Frage aufdrängen, ob bei einer grölseren Ausdehnung der europäischen An- siedelungen sich nicht über kurz oder lang ernsthafte Conflicte zwischen den Europäern einerseits und den sefshaften und nomadisirenden Ara- bern andererseits herausstellen würden, und es fehlte nicht an Leuten, welche es für das Bequemste hielten, einfach den Knoten der Ver-

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legenheit zu durchhauen und die Araber ganz aus dem Tell zu verbannen. Aber die philanthropischen Ansichten der Staatsmänner Frankreichs konnten die Verbannung der Stämme keineswegs billigen, sie möchten vielmehr die Schwierigkeit dadurch heben, dafs sie Algerien katastri- ren und die Araber sefshaft zu machen suchen. Was den Tell anbe- trifft, so ist eine solche Mafsregel nicht blofs vollständig gerechtfertigt, sondern auch ausführbar; mit den Nomaden des südlichen Algeriens aber sieht es schon mifslicher aus, ihnen müfste nur der Besuch der Hochebenen und der südlichen Steppen, der des Tell aber nur dann gestattet werden, wenn sie ihre Heerden zurücklassen. Solche Mals- regeln sind jedoch eine so vollständige Umwälzung der bestehenden Verhältnisse, dals das Experiment immerhin ein sehr gefährliches ge- nannt werden darf. Möglich ist es, dafs ein glücklich gelungener Ver- such von den unberechenbarsten Folgen, die Bohrung von artesi- schen Brunnen, welche im Süden der Provinz Constantine mit glän- zendem Erfolge ausgeführt ist, auf die Wanderungen der südlichen Stämme einen durchaus reformatorischen Einflufs ausübt! Ohne Frage haben die Franzosen durch dieses Wunder, welches die Araber mit dem des Mussa (Moses) vergleichen, abermals einen bedeutenden mo- ralischen Triumph gefeiert, während sie dadurch zu gleicher Zeit die einheimische Bevölkerung auch materiell gefördert haben.

Nach dieser Abschweifung kehre ich wieder zur Schilderung des Aures zurück.

Ueber das besonders im Norden sehr steil abfallende Gebirge füh- ren Wege, die aber mit Pferden sehr schwer zu passiren sind, und es vermitteln auch hier natürliche Pässe, Bab, Thor, Biban, Thore ge- nannt, die Verbindung mit der Steppe und dem Tell. Eines der be- deutendsten dieser Thore ist der Bab el Kantara, durch dasselbe führt die grofse Stralse von Batna nach Biskra.

Der Reisende, welcher Batna verläfst, gelangt zuerst zu dem Ka- rawanserai des Ksur, nördlich von welchem ein Hügel sich befindet, an dessen Abhange ein arabisches Dorf (Ksur) liegt. Unter dem Schutte des Hügels liegen ausgedehnte römische Ruinen verdeckt, von denen hier und da ein paar Pfeiler oder Säulenschafte aus der Erde hervorragen.

Gleich hinter dem Hügel öffnet sich die weite Ebene des Ksur, deren Einförmigkeit nur hier und da durch ein ausgetrocknetes, tief eingeschnittenes Flufsbett und nach Verlauf etwa einer Stunde durch

ein Gebäude unterbrochen wird, das einem Karawanserai ähnlich ist, _ einem Bordj, welcher die Smala einiger Spahi’s bildet und Nza- bel- Msai genannt wird.

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Während im Südosten der Horizont durch den Djebel Tilatu be- engt wird, zeichnen sich die pittoresk und seltsam geformten Umrisse des Djebel Aures im Südwesten ab.

Je mehr man sich diesem gewaltigen Gebirgscolosse nähert, desto mehr schwindet die Grasdecke, welche die Ebene überzog. Das Ter- rain wird entschieden sandiger und der Huf der Pferde wirbelt dichte Staubwolken auf.

Die Vereinigung mehrerer kleiner Gebirgswasser, die in verschie- denen Richtungen die Ebene durchschneiden und deren eines nordöst- lich in den .Gebirgen des Ksur entspringt, bilden nach und nach das Bett des Nza-bel-Msai. Dieser vereinigt in seinem südwestlichen Laufe etwa 6 Kilometer vor dem Passe sich mit dem Uäd el Kobli, nähert sich el Kantara, fliefst eine kurze Strecke an der Felswand entlang, bis dann die Gewalt seines Wassers das Massiv durchbricht und so den Pals bildet.

An dieser Stelle windet sich der Weg durch nackte, fast weilse Kalksteinmassen, die an vielen Stellen durch hohe Sanddünen über- lagert werden. Die Gegend macht einen unbeschreiblich trostlosen und beengenden Eindruck, der noch dadurch verstärkt wird, dafs man an der steil aufgerichteten Gebirgswand vergebens nach dem ersehnten Durchgange späht.

Ist endlich der beschwerliche Ritt durch diese chaotische Natur gelungen, so kommt man an das Flufsbett, welches stets reichlich mit Wasser versehen ist. Pferde und Wagen gehen durch das mit Kieseln und Steinen angefüllte Bett, in welchem das Wasser schäumend mit reilsender Schnelle sich Bahn bricht.

Man sieht von da aus den merkwürdigen Gebirgspals el Kan- tara, der aus einer von der Natur in dem Djebel el Kaus (Thürbogen- berg) gebildeten Spalte besteht, die etwa eine Breite von 50 Fufs hat, während die senkrechten Felswände wohl 200 Fufs Höhe messen mö- gen. Aufserdem aber macht sich der Djebel el Kaus durch seine eigen- thümliche grünbraune Farbe und seine kahlen Grate bemerkbar.

Eine kunstvoll angelegte, breite, durch den Felsen gehauene Strafse führt in mannigfachen Windungen zu der Spalte, durch welche der jetzt Uöd el Kantara genannte Flufs sich Bahn bricht. Die Westwände des Passes sind mit Bäumen und Sträuchern reich besetzt, sonst bietet die Natur nichts Bemerkenswerthes dar. Die beiden Wände sind durch eine hohe römische Brücke verbunden, die auf zwei Pfeilern ruht. So- bald der Reisende bis auf diese Brücke gekommen ist, bietet sich sei- nen Blicken ein Anblick dar, dessen bezaubernde Schönheit einen mächtigen Eindruck hervorbringt, der um so stärker ist, als der Rei- sende eben durch die Einförmigkeit der Ebene und der Kalksteinregion

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gelangweilt worden ist. Zu beiden Seiten an den ziemlich steilen Fels- wänden, auf deren ziemlich schmale Absätze die Bewohner des nahen Dorfes el Kantara mit bemerkenswerther Geschicklichkeit das Wasser des Flusses geleitet haben, erheben sich schlanke Dattelpalmen, zwi- schen deren Aesten die goldgelbe Garbenfrucht leuchtend hervorschim- mert. Von Absatz zu Absatz klettern Ziegenheerden und beleben durch ihre barocke und doch zierliche Beweglichkeit die Landschaft. So weit das Auge nach Süden reicht, sieht es mit Entzücken zwischen dem nackten weilsen Boden die lange Reihe der Oasen sich hinziehen, de- ren Dasein durch das lichte freundliche Grün der Palmenkronen sich kundgiebt.

Gleich am Ausgange des Passes liegt zur Rechten im Thale in einem Palmenwalde der Flecken el Kantara; derselbe besteht eigent- lich aus drei Dörfern: Krekar, auf. dem rechten Ufer des Flusses; es wird von den Uled Bellib bewohnt; Dahrauja liegt auf dersel- ben Seite; seine Bewohner sind die Uled Ali-Ben- Mohammed; Kbur-Abbes am Zusammenflusse des Gebirgswassers Uöd Bu Biadha, das den grölsten Theil des Jahres trocken liegt, und des Uöd el Kan- tara; die Bewohner sind die Uled Mohammed, sie so wie die übrige

Bevölkerung der drei Dörfer gehören der arabischen Race an.

El Kantara zählt sieben Moscheen und zwei Marabute und die Bewohner betreiben sehr ansehnliche Bienenzucht. Sie fertigen wollene Gewebe an, indessen nicht zur Ausfuhr; vor Allem aber beschäftigen sie sich mit der Obstzucht, und in den 5000 Hectaren Landes umfas- senden Gärten stehen circa 90,500 Palmen, aufserdem aber gedeihen Aprikosen, Pfirsiche, Feigen, Granaten, und der Weinstock auf das Trefflichste. Die Einwohnerzahl von el Kantara beläuft sich auf bei- nahe 2000. Ihr Viehstand ist gering. Von den vielen Ueberresten römischer Bauten ist die an der Vereinigung der beiden Flüsse gele- gene, von den Arabern el Mulia genannte Ruine die beträchtlichste.

# Mit dem Bab el Kantara kommt man in die eigentliche Aures- % Gegend hinein und ich glaube dem Leser keinen anschaulicheren Be- griff von dem Charakter dieses Gebirges geben zu können, als wenn $ ich einen Ausflug in dasselbe schildere, den ich Anfangs 1856 unternahm. # Am 1. Februar 1856 verliefs ich nach vierwöchentlichem Verwei- len die Stadt Biskra, um das Auresgebirge zu besuchen. Drei Maul- thiere trugen mein Gepäck, dessen ganzer Reichthum aus den auf mei- ner Südexpedition gemachten naturhistorischen Sammlungen bestand. Militärisches Geleit hatte ich verschmäht und begnügte mich mit einem _ Empfehlungsbriefe des Lieutenant Rose von der Fremdenlegion, bei-

läufig gesagt eines Berliners, an den Schech Ali-Bil-Abell, welcher _ mir einen Führer sandte, mich zu den Beni Ferrah zu geleiten.

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Die Oase Biskra ist der Hauptort einer Oasengruppe, welche Zi- ban genannt und von der Steppe eingefalst wird, die wiederum mit Ausnahme des Südens von ödem Gebirge umgeben ist. In unmittel- barer Nähe liegen nordöstlich die Oase Lalia, östlich Filiasch und süd- östlich die Oase Kora.

Wir nahmen unseren Weg in nordöstlicher Richtung auf dem rech- ten Ufer des Uöd Biskra entlang, dessen breites Bette dicht mit Kie- seln bedeckt ist und nur an zwei Stellen Wasser enthielt. Dasselbe hat hier einen sehr schnellen Lauf und bedrängt die hohen Ufer so hart, dafs deren Erdreich, immer nachfallend, das Bett stets erweitert. An vielen Stellen enthält dieses Bett grüne Grasplätze, reich mit Rohr und Schilf bestanden und sumpfigen Bodens. Dieser Umstand zieht eine Menge von Sumpf-Schwimmvögeln und Schnepfen an, aber auch Singvögel, die freilich nur Strichvögel sind, finden sich, wie z. B. Bach- stelzen, Sperlinge, Drosselrohrsänger u. s. w., zu denen in den Abend- stunden wolkenähnliche Schwärme vom gemeinen Staar sich gesellen.

Eine halbe Stunde von Biskra entferut verliert die Steppe bereits bedeutend an ihrem Charakter, indem sie immer mehr durch Berge eingeengt wird, von denen der Tafelberg Djebel Bu Ghezal seine schroffen, mit vielem Gerölle bedeckten Abhänge bis dicht an die Strafse sendet und an einer Stelle auf fast senkrechtem Vorsprunge ein altes, von Mauern in Quadratform umgebenes, verfallenes Gebäude, den Bordj Turco, trägt.

Sämmtliche Berge dieser Gegend sind in die Farbe der Wüste ge- kleidet, indem sie mit einem gelblich grauem Sande bedeckt sind, auf welchem viele Kiesel und die eigenthümlichen Seeigel in grofser Menge umherliegen. Ausschliefslich den Kalkgruppen angehörend haben sie fast gar keine Vegetation aufzuweisen.

Hinter Bordj Turco kommt man schon etwas mehr in die Region der Berge, die indessen kaum mehr als 200 Fufs über den Boden empor- steigen, und der Weg am Flusse zieht sich mit diesem gegen Nord- osten, bis man bei el Djezia, wo der Uöd Abdi in ihn mündet, den- selben überschreitet.

Nach einem kurzen Ritte hatten wir den kleinen nördlichen Berg- rücken Col de Sfa passirt und übersahen nun die ungefähr 2 Stunden lange Ebene von el Uthaja, welche einer Thalmulde gleich ringsum von Gebirgen eingeschlossen ist, die sämmtlich dem Aures angehören. Unter diesen zeichnet sich der Djebel Gharribu nordöstlich, der sich fast gänzlich von der Kette loslöst, durch seine Höhe und Formation aus. Derselbe zeigt ansehnliche Ablagerungen obertertiärer Thone, weifsen und rothen Mergel und ausgedehnte Steinsalzmassen. Die Ebene wird besonders auf der Ostseite durch eine Menge kleiner Flüsse

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unterbrochen, welche fast sämmtlich den Djebeln Branes und Rhen- nesch entspringen und in den Uäd el Uthaja münden. Sie ist mit einem Pflanzenteppiche überzogen, der indessen nicht üppig zu nennen ist, da der sandige Boden nur magere Gräser zuläfst. Wo indessen, wie im nördlichen Theile der Ebene, durch das Anstauen der dem Djebel Gharribu entspringenden Quellen, die jedoch nur meist salziges Wasser führen, der Boden einen sumpfigen Charakter angenommen, ist die Vegetation erquicklicher. Hier steht auch das Karavanserai von el Uthaja, welches mit seinem schönen Garten dem Reisenden aufser der Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse einen anmuthigen Ruhe- punkt gewährt.

In der Ebene von el Uthaja wohnen während der Wintermonate die Stämme der Sahari, namentlich die Fractionen el Rugaiat, Uled Mansur, Uled Daud, Uled Amer und Uled Mssari, welche mit dem Beginn der heifsen Jahreszeit wieder aufbrechen, den Djebel Aures passiren und die nördlichen Umgebungen des Sebgha Tarf, das Gebiet der Haractas, zu ihrem Aufenthalte wählen.

Unweit des Karavanserai el Uthaja liegt das kleine Dorf gleichen Namens. Die Häuser desselben sind aus Erde aufgeführt und von Gärten umgeben, deren Bewässerung durch den U&d el Uthaja ge- schieht. Das Dorf zählt etwa 450 Einwohner und besitzt 1400 Mor- gen angebauten Landes. In ihm finden sich noch mannigfache Spuren alter römischer Bauten. Die Bewohner von el Uthaja beuten die Salz- lager des Djebel Melch aus und vertauschen die Ausbeute in den Oasen der Ziban gegen Datteln. Diese bringen sie wieder nach dem Tell und nehmen als Gegenwaare Getreide und verschiedene Kleiderstoffe zurück. Was die Abstammung der Bewohner anbetrifft, so sind sie den Stämmen der Uled Hassan, Uled Mohammed, Uled Hameida und Sauadja angehörig.

Wir verliefsen das Karavanserai, und zogen in dem sumpfigen Boden den Ued el Uthaja in fast nördlicher Richtung hinauf bis Mguesba, wo einige Trümmer römischer Bauten sich befinden. Hier gingen wir von der Landstrafse ab, wandten uns nordöstlich und konnten im Nor- den den Pafs el Kantara und den Djebel Melch sehen. In der Ebene fortreitend gelangten wir allmählich zu den ersten Vorsprüngen des Aures-Gebirges, welches hinter dem Djebel Melch in sanften Abfällen und vereinzelten aus dem Boden hervorragenden niedrigen Felsstücken in die Ebene übergeht.

Während die Nordseite des Djebel Aures sich durch einen dichten Waldwuchs auszeichnet, hat der ganze Südabhang eine höchst mono- tone, kalte Physiognomie, hervorgebracht durch die nacktliegenden weilsgrauen Kreidekalke, aus denen diese Felsen bestehen. An vielen

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Stellen ist der Fels mit Kreidemergeln bedeckt und zeichnet sich durch grolsen Reichthum an Gips aus. Der Djebel Melch birgt sehr ansehn- liche Steinsalzmassen und Gipslager, und im Djebel Scheschar, einem südlichen Ausläufer des Aures, brechen die Araber Feuersteine.

In gleicher Weise gestalten sich die Abhänge des Ostens, bis sol- che gegen das Gebiet der Nememscha hin noch mit einer dichten Decke von Flugsand überlagert sind.

Mineralogisch ist übrigens das Auresgebirge bisher noch nicht unter- sucht worden. Aus den durch Araber oder einzelne Reisende an ver- schiedenen Punkten angestellten Nachforschungen ergiebt sich indels, dafs auch dieser Höhenzug einen grofsen Schatz an Erzen beherbergt. Namentlich auf den Höhen, welche das herrliche Plateau von Ain Krenschla am Ende der Hochebene der Uled Zaid bilden, wurde Ma- lachit gewonnen, in welchem das Kupfer für 25 pCt. steht. In Bu Merzu bei Batna wurde Bleiglanz ausgebeutet und dasselbe liefert un- geachtet der geringen Kenntnisse der Araber vom Bergbau einen Er- trag von 30 pCt.

Am sorgfältigsten scheinen die Gebirgszüge um Batna, die Aus- läufer des Aures sind, untersucht zu sein. Wer die Verhältnisse der Provinz Constantine kennt, den kann dieses nicht befremden, denn die Subdivision Batna steht unter dem Oberbefebl eines Mannes, der neben seinen hohen militärischen Verdiensten eine auflserordentliche Vorliebe für alle Zweige der Wissenschaft an den Tag legt. Bis jetzt fand man daselbst grauen, weilsen und rothen Kalkstein, Gips, Eisen, Kupfer und silberhaltiges Blei. Geht die Regierung mit einer regelrechten berg- männischen Untersuchung des Aures vor, so unterliegt es keinem Zwei- fel, dafs sich sehr namhafte Erzlager herausstellen werden, deren Aus- beute von um so höherer Wichtigkeit für Frankreich werden muls, als dasselbe bekanntlich nicht reich an Erzen ist.

Die Einförmigkeit der südlichen Aufsenwerke des Aures wird durch die Abwesenheit jedes menschlichen Wesens bedeutend erhöht; auch die Thierwelt ist in diesen Regionen nicht zahlreich vertreten. Ab und zu scheuchte unser Zug wohl einen Hasen oder kleine Banden von Zwergtrappen (Otis tetrax) auf, während vor unseren Fülsen die Isa- bell-Lerche (Alauda isabellina) hin und her lief.

Nachdem wir eine Stunde lang in der Ebene fortgeritten waren, wobei wir die einzelnen grotesk aufsteigenden Felsnadeln umgehen mulsten, kamen wir in ein Thal, durch welches ein Pfad in allmähli- cher Ansteigung sich hinschlängelte. Hier stellten sich mannigfache Schwierigkeiten ein, da das Terrain an den steilen Abhängen kaum so viel Raum bot, dafs die Thiere einen Fufls vor den andern setzen konn- ten; wir mulsten uns daher ganz der Discretion unserer wacker klet-

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ternden Pferde anheimgeben und thaten Recht daran, denn ohne wei- tere Gefährde erreichten wir das breite Plateau des Djebel Asero (nicht Essor, wie auf den Karten vermerkt ist). Trotz der nicht unbedeu- tenden Höhe des Plateau’s war die Aussicht sehr beschränkt, da andere Bergkuppen den Horizont verengen, und nur in weitester Entfernung über die andere Thalwand hinweg zeichneten sich an der tiefen Bläue des Himmels die bizarr geformten Grate des Djebel Melch ab. Der Kamm des Gebirges ist in seinem Charakter in Nichts von dem unteren Terrain verschieden, vielleicht ist sogar sein Ansehen noch verwitterter, indem die Oberfläche der Felsen schlackenartig durchlöchert ist.

Es war Mittagszeit, das Thermometer zeigte zwar nur 20° R., aber der beschwerliche gefahrvolle Ritt hatte uns sehr erhitzt und er- müdet. Dennoch legten wir noch eine Stunde Weges zurück und la- gerten uns dann bei dem Ain Gdili, der auf diesem Felsen entspringt und an dem eine Art Viehtränke eingerichtet ist. Zwei arabische Kna- ben, welche wahrscheinlich als Vedetten hier aufgestellt waren, beeilten sich davon zu laufen, um dem Schech Ali-Bill-Abell meine bevor- stehende Ankunft zu verkünden. Bald nachdem wir uns gelagert und zur Bereitung des Kaffee’s ein Feuer angezündet, langte der Schech zu Pferde bei uns an und wurde von der männlichen Bevölkerung der Beni Ferrah, richtiger Frach, zu Fufs begleitet. Nach einem kurzen Aufenthalte, der mit Begrüfsungen und Höflichkeiten aller Art verschönt wurde, setzten wir uns wieder zu Pferde und ich mufs gestehen, dafs die Art und Weise, wie mir diese Araber, ein schöner herrlicher Men- schenschlag, entgegen kamen, mich eben so sehr in Verlegenheit setzte, als sie in mir ein unheimliches Gefühl erregte. Dicht um mein Pferd drängten sich diese Männer, suchten meine Hand, meinen Fufs zu er- haschen, um sie zu küssen, und der voraufreitende Schausch hatte Mühe, sich durch den dichten Menschenknäuel Bahn zu brechen. Die unge- heuchelte Freude, die sich in allen ihren Mienen darüber kund gab, dafs ein Engländer (für einen solchen hielten sie mich, da ein Fran- zose gewils nicht ohne Spahi’s erschienen wäre) allein, ohne alle Be- deckung sich ihrer Gastlichkeit anvertraute, erweckte gerade ein Ge- fühl von Vereinsamung in mir, und unwillkürlich kam mir der Gedanke, wie leicht es möglich sei, dafs irgend ein unerwünschtes Ereignifs den stürmischen Jubel dieser rauhen Gebirgssöhne in sein Gegentheil um- schlagen lassen könnte; und dann allerdings würde ich den heifs auf- lodernden Gefühlen dieser Männer wohl ein Opfer geworden sein.

Der Weg führte in fast nördlicher Richtung an einer steilen Felsen- ‚wand entlang und als wir etwa eine halbe Stunde lang um den höch- stens einen Fufs breiten Rand eines Vorsprunges herumgeritten, lag vor unseren Füfsen in reicher Schönheit das erste Thal der Beni Fer-

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rah. Beim Anblicke dieser im Gegensatze zu der Oede des Gebirges so lachenden Oase vergals ich die Beschwerden der Reise und meine Ermüdung und weidete mich an dem herrlichen Anblicke des frucht- baren Thales. Weiterhin steigt aus einem eben so anmuthigen Thale der sehr grotesk geformte Felsen Maschmin auf, dessen Höhe amphi- theatralisch von der kleinen Stadt der Beni Ferrah bedeckt wird. Das Haus, in welchem ich abstieg, war das des Schech Ali-Bill- Abell; es liegt nicht in der Stadt, sondern auf dem Berge Bel-Herras. Es ist von den Arabern nach einer französischen Zeichnung erbaut, hat ein freundliches Ansehen, ist ganz aus Steinen aufgeführt und gleicht mit seiner oberen hervorspringenden Etage einem Schweizerhäuschen. Ein hohes Thor führt in einen Hausflur, von dem aus ein Paar Stufen in einen grofsen Raum leiten, dessen Decke durch mehrere Holzpfeiler getragen wird. Dieser Raum vereinigt die Eigenschaften eines Empfangs- und Berathungszimmers mit denen einer Vorrathskammer, denn rings umher stehen in 5 Fufs hohen thönernen Gefäfsen die Getreidevorräthe des Schechs, bestehend in Weizen und Gerste. An diesen Raum schliefst sich die Küche an, welche etwas niedriger liegt, und durch diese ge- langt man in den Harim, in welchem sich die beiden Frauen aufhalten. Zur Seite des Hauses befindet sich das von hohen Mauern umgebene Gehöft. Etwas niedriger auf einer Terrasse steht das Haus des Mara- but, der zugleich als Rechtsgelehrter, Thaleb, die Streitigkeiten der Bevölkerung der Stadt schlichtet.

Der Flecken selber liegt auf dem vorhin schon erwähnten Felsen Maschmin und zwar auf dessen östlichem Abhange. Er zählt in un- gefähr 500 Häusern etwa 2000 Seelen. Die Häuser sind sehr unregel- mäfsig gebaut und zum Theil aus Erde, zum Theil aus Stein aufge- führt; sie haben alle ohne Ausnahme flache Dächer, deren Material aus Knütteln besteht, welche mit Erde, Steinen oder auch wohl mit einer Lage Gips bedeckt sind. Die Wände der Häuser zeigen nur wenige Fenster, und auch diese sind so klein, dafs sie eher Luftlöcher genannt werden müssen. Der Ort hat drei Thore, von denen das eine am Fulse des Felsens steht, während die beiden anderen auf dem Fels- rücken nach Westen und Osten münden. Die Stralsen sind dem den Abhang des Felsens bildenden Terrain gemäls aufserordentlich schmal und mit einem holprigen Steinpflaster versehen; oft beträgt ihre Breite kaum 4 Fufs und sie gleichen um so mehr Engpässen, als an vielen Stellen die überragenden Dächer der einander gegenüberstehenden Häu- ser zusammenstolsen und eine bedeutende Verfinsterung hervorbringen. Oft geht die Strafse auch durch einzelne Häuser selber, indem sie sich in eine, denen von Paris allerdings sehr unähnliche Passage verwan- delt. Die Einwohner beschäftigen sich fast ausschliefslich mit Ackerbau

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und treiben viel Bienenzucht. In der ganzen Stadt befindet sich nur 1 Waffenschmied, 1 Schuhmacher und 1 Paar jüdische Kaufleute. Die Frauen, denen man ein etwas leichtfertiges Temperament nachsagt, verfertigen wollene Gewebe.

Der Weg von dem Berge Bel-Herras, der Wohnung des Schech, windet sich anmuthig das Thal hinab und führt an der Quelle Ain Masair vorüber bis zum unteren Thore der Stadt.

Wie in allen Longitudinalthälern dieses Gebirges wird die Ueppig- keit und das Wachsthum der Pflanzen und Bäume durch eine Fülle von Quellen erzeugt, welche in den Gebirgen entspringen und in man- nichfachen Windungen neue Zuflüsse aufnehmend ihren Lauf durch die Thäler nehmen. Diese Quellen gewähren in ihren abwechselnden For- men einen bewunderungswürdigen Anblick. Bald sieht man sie, be- sonders nach den Sturzregen, von Sonnenschein oder dem Monde er- hellt, gleich silbernen Fäden an den Felswänden hängen, bald rauschen sie in dem Dunkel eines tiefen Schachts, bis sie wieder zu Tage kom- men, stürzen dann wie in jugendlichem Muthwillen von Absatz zu Ab- satz, bis sie, an eine Felsenwand gekommen, jählings in weitem Bo- gen hinabschiefsen. Unten hat das niederstürzende Wasser ein tiefes Becken in dem Felsen ausgehöhlt, in welchem es sich wieder sam- melt und bald beruhigt als solider Bach die lange Reihe von Gärten und Baumpflanzungen an seinen Ufern bewässert. Solcher natürlichen Wasserbecken giebt es in den Thälern der Beni Ferrah mehrere und dieselben sind, besonders des Abends, die Versammlungsorte und Plau- derplätze der weiblichen Bewohnerschaft. Mit ihren Bocksschläuchen auf dem Rücken erscheinen sie und verhandeln, während sie dieselben mit Trinkwasser füllen, ihre wichtigsten Herzens- und Putz- Angelegen- heiten. Aber sie beleben noch anders als durch ihre blofse Anwesen- heit die Landschaft, indem sie Publikum auf die Tribünen locken; denn um dieselbe Zeit lagern auf den zerstreut um die Quelle liegenden Felsblöcken die jungen Männer des Ortes und prüfen die lieblichen Wasserträgerinnen mit scharfen, oft nur zu feurigen Blicken. Die ganze Scene bietet ein gar anmuthiges Bild; dies Gebirgsvolk ist ein herr- licher Menschenschlag mit energisch und zugleich fein ausgeprägten Zügen und eben so viel Anmuth als Würde im Benehmen. Die male- rische üppige und wilde Landschaft kann sich keine schönere Staffage wünschen. Die sauberen weilsen Burnu’s und Haiks contrastiren herr- lich mit dem grünen Pflanzenteppich und der edle Faltenwurf dieser Kleidung hebt in seiner grandiosen Verhüllung die athletischen Formen der Männergestalten noch mehr hervor. Die Tracht der Frauen ist eben so schön als einfach; das weite blaue Gewand mit kurzen Aer- meln ist auf der Brust offen und wird dort mit einer Agraffe zusammen-

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gehalten. Eine Schnur oder ein Gürtel umspannt die üppige Taille, das bis zu den Waden hinab reichende Gewand zeigt auf der einen Seite einen Einschnitt bis hinauf auf die Hüfte. An den Ohren tra- gen sie eine Menge grolser silberner Ringe, die Flechten des blau- schwarzen Haares sind von rothem Bande durchschimmert, und an den Armen sowohl wie über den Knöcheln der Füfse glänzen Spangen, welche theils von Silber, theils aus Schweinszähnen oder Büffelhorn gearbeitet sind. Am Morgen bietet dieselbe Stelle wieder einen an- dern Anblick: das von der Tränke kommende Vieh, aus Maulthieren, Eseln und Hammeln bestehend, klettert nach allen Seiten hin an den Felswänden empor und der Hirt, dem antiken Tityrus. zum Staunen ähnlich, begrüfst auf seiner Rohrflöte die aufsteigende Sonne.

Mehrere solcher Quellen nehmen durch die reichlichen Zuflüsse von den Gebirgen her die Form kleiner Flüsse an. Alle haben einen sehr schnellen Lauf und ergiefsen sich nach mannichfachen Windungen durch malerische Thäler in den Uöd el Kantara. Die bemerkenswertheren sind die Ain Asero und Gdili, vom Djebel Asero kommend, Ain-Ras- el-U&öd vom Djebel Illus, Ain Furala von dem Djebel Schabor, Ain Liana von dem Djebel Ktaf kommend. Besonders der Ain Liana ist reich an Interesse; zwar kommt er an Stärke dem Ain Ras-el-Ued nicht gleich, aber er nimmt seinen Lauf durch höchst romantische Thä- ler, deren Charakter wohl eine Schilderung verdient.

Wie überall so ist auch im Aures-Gebirge der Abfall der Kalk- berge in die tiefen Thäler sehr steil. Die obere steile Wand steht auf einem kräftigen Fulse, vor welchem abgerissene Felsstücke oft in den wunderlichsten Lagen sich befinden. Unmittelbar an diese tritt der Thalgrund heran, welcher aus einer dichten Humusdecke besteht. Auf der unteren Stufe des Gebirges sieht man, wo nur immer ein Fels- rücken oder eine vor dem Regen geschützte Felsspalte sich darbietet, den Cactus (Cactus opuntia) seine fleischigen ovalen grünen Blätter mit

unbesiegbarer Hartnäckigkeit ausbreiten. Es ist merkwürdig, dafs diese

Pflanze bis vor wenigen Jahren noch nicht im Aures-Gebirge zu fin- den war. Da aber die Araber die Früchte dieses im Tell überall wild wuchernden Gewächses ihrer kühlenden und wohlthätigen Eigenschaften halber sehr hoch schätzen, so brachten Bewohner des Aures von ihren Reisen im Tell in neuerer Zeit einige Blätter der Pflanze mit und setz- ten sie ein. Das Gedeihen derselben lockte zu weiterem Anbau und so ist heute in den Thälern der Beni Ferrah der Cactus eine vollstän- dig acclimatisirte Pflanze. Während der Cactus die unteren Stufen schmückt und seine riesigen Dimensionen der Landschaft einen poeti- schen Anstrich geben, erregen an sonnigen Stellen die herrlichen Alo&- gruppen ganz besonders des Europäers Aufmerksamkeit. Zur Zeit der

Mittheilungen aus Algerien. 135

Blüthe bildet diese Pflanze mit ihren 10—15 Fufs hohen pyramidalisch sich erhebenden colossalen Blüthenstengeln, die mit gelben Blumen be- deckt sind, einen überraschenden Anblick. Aus einzelnen Felsfugen winken wenige Eschen und Ulmen, welche durch das dürftige Erdreich hindurch ihre Wurzeln in die Felsspalten hineinschlagen.

Der Alluvialboden, welcher die Thalgründe bedeckt, ist zwar an sich kräftig genug, indessen wäre er doch nicht im Stande, die mannich- fachen Naturerzeugnisse hervorzubringen, mit denen die Thäler der Beni Ferrah geschmückt sind, wenn ihm nicht künstliche Bewässerung zu Hilfe käme, deren Leitungen von den natürlichen Felswasserbecken gespeist werden. Daher gedeihen in den Feldern und Gärten eine Menge von Gemüsepflanzen, von denen viele, besonders die Kohlarten, riesige Dimensionen erreichen. Zwiebeln, Kartoffeln, Bohnen, Linsen, Erbsen, Rüben und Mais werden vorzugsweise angebaut.

Das Erwachen der Natur bietet in diesen Thälern den herrlich- sten Genufs; der weite Thalboden ist vollständig mit Weizen und Gerste angebaut. Auf dem lebhaften frischen Grün zeichnen sich die dunklen Kronen der Olivenbäume ab, während dazwischen hindurch die weilsen Blüthen der Mandelbäume schimmern und mit ihrem weichen balsami- schen Dufte weithin die Luft erfüllen. Dazu gesellen sich in buntem Gemisch Feigen, Aprikosen, Kastanien, Granaten und Quittenbäume. Alle diese Bäume sind ein reicher Schmuck der Gärten der Beni Fer- rah, aber vor allen. herrlich prangt der Palmenbaum (Phoeniz dactyli- fera), der hier, in grofser Menge zu Gehölzen vereinigt, seine Krone stolz erhebt. Abgesehen von dem grofsen materiellen Nutzen, welchen er seinen Eigenthümern bringt, bieten die breiten schützenden Kronen während der heilsen Tageszeit reizende schattige Ruhepunkte.

Mein Aufenthalt im Aures-Gebirge hatte eigentlich den Zweck, die montane freie Thierwelt näher zu prüfen, und bei der grofsen Be- reitwilligkeit der Bewohner, die sich in Menge meinen Jagden an- schlossen, gelang es mir ziemlich vollständig, die verschiedenen Arten derselben festzustellen.

Die Welt der Säugethiere ist in dieser Bergregion arm an Ar- ten und sie leben meist in tiefer Zurückgezogenheit auf den höchsten Kuppen, in den Klüften und Spalten oder auf dem mit Buschwerk und Bäumen reich besetzten Nordabhange des Gebirges. Nicht alle sind constante Bewohner der Gegend, einige bewohnen diese Region so- wohl wie die Wüste. Unter den Fleischfressern fehlen die grölse- ren, namentlich der Panther und der Löwe. Nach den Traditionen der Beni Ferrah sollen auch diese früher existirt und grofsen Schaden an den Viehheerden angerichtet haben; aber ein heiliger Marabut be- sals die schätzenswerthe Kunst, sie durch sein Gebet für immer aus

136 L. Buyıy:

der Gegend zu verscheuchen. Dagegen sind die waldigen Anhöhen der Aufenthalt des Schakals und der Hyäne, und auch der Fuchs, wenn er seine Felsenhöhle verlassen, durchstreift dies Revier. Aufserdem trifft man nicht selten den algerischen Igel und das Stachelschwein. Auf hohen Plateau’s hält sich der Hase in grofser Anzahl auf, und ganz besonders zu erwähnen sind die Gundis (Ctenodactylus Massonü), welche die interessanteste Erscheinung in der Thierwelt dieser Region bilden. Man sieht dieselben in aufserordentlicher Menge aber stets ein- zeln auf den Felsblöcken oft Stunden lang in der Sonne liegen. Sie sind sehr furchtsam und ihr Gehör und Geruch sind so scharf als ihr Auge. Zur Familie der Nagethiere gehörig bewohnen sie natürliche Löcher in den Felsen, zu denen sie durch sehr kleine Zugänge von aulsen gelangen. Im Monat Februar werfen sie gewöhnlich drei Junge; ihr Fleisch ist wohlschmeckend und wird von den Beni Ferrah häufig gegessen. Es gelang mir, nach und nach 17 Stück lebendig zu fangen, dieselben befinden sich jetzt zerstreut in den verschiedenen zoologischen Museen Europa’s.

In der Nähe der Quellen sieht der Besucher vorzüglich um die Mittagszeit noch ein anderes merkwürdiges Thier, welches man gewöhn- lich Rüsselratte nennt, dessen eigentlicher Name aber Spitzrüssler Ro- zetis, Macroscelides Rozeti, ist. Dies Thier gehört zur Familie der Insectivoren, und es haben bis jetzt nur wenige Gelehrte Gelegenheit gehabt, diese merkwürdige Creatur zu beobachten. Ich fing mehrere derselben und erhielt sie Monate lang am Leben, indem ich sie mit Datteln und gehacktem Fleische fütterte. Sie sind sehr empfindlich gegen Kälte und verfallen unter deren Einflufs alsbald in eine todähn- liche Erstarrung, aus welcher reichliche Erwärmung sie wieder wach ruft.

Da in den Thälern dieses Gebirges an vielen, namentlich nicht bewohnten Stellen das Wasser der Bäche sich nach Willkühr Bahn bricht und sich in der Ebene aufstaut, so bilden sich Sümpfe, welche der Lieblingsaufenthalt von wilden Schweinen (Sus scrofa ferus) sind, gegen welche die Araber als gute Mohamedaner eine grolse Abneigung haben.

Die Wiederkäuer sind am zahlreichsten vertreten, man findet sie selten vereinzelt, meistens in ganzen Rudeln. Unter ihnen sind die häufigsten die Gazellen (Antilope dorcas), die besonders auf den südlichen Ausläufern des Aures und in den dieselben durchziehenden Thälern sehr zahlreich zu finden sind. Weniger häufig, aber durchaus nicht selten, findet sich das Mähnenschaf (Ovis tragelaphus); ich er- legte ein Exemplar davon auf dem Djebel Melch. Im östlichen Theile des Aures sowohl wie in der Steppe und in der Wüste zeigt sich be- sonders bei heranbrechendem Morgen die Kuhantilope (Antilope buba- his) in ganzen Heerden.

Mittheilungen aus Algerien. 137

Die Localverhältnisse der Bergthäler, ihre Weidestufen und Ter- rassen, sowie der in den Gründen kräftige Baum - und Pflanzenwuchs hatten mich eine reiche ornithologische Ausbeute hoffen lassen, da das Terrain ganz dazu geeignet wäre, der Lieblingsaufenthalt der Vögel zu sein; aber leider sah ich mich getäuscht. Ich mufste mich nach genauesten Forschungen überzeugen, dafs die Zahl der Standvögel im

Aures-Gebirge eine äufserst geringe ist, und auf Standvögel konnte es mir zunächst nur ankommen. Einige wenige Adler, Aquila rapaz, Bonellii, fulca und naevia horsten in den Felsen, auf denen zugleich Schaaren von Felstauben (Columba livia) sich tummeln. Der schwarze Milan und der Rabe (Corvus corax) sind wohl die verbreitetsten Vögel der ganzen Gegend. Von den Eulen ist der Steinkauz (Athene noctua) in vielen Exemplaren vorhanden, Sturnus unicolor, der einfarbige Staar, nistet auf dem Gebirge, und auf den Terrassen und dem Felsengerölle hält sich das Klipphuhn (Perdrixz petrosa), und auch Moussier’s Röth- ling (Ruticilla Moussieri) sowie die Steinschmätzer haben daselbst ihren Lieblingsaufenthalt; ich beobachtete davon saricola lugens und leucura. Auf den Terrassen der Häuser findet sich des Morgens mit Anbruch des Tages Emberiza Saharae oder striolata ein, wo dieselbe aber über- nachtet, habe ich nicht entdecken können. Die weilse Bachstelze (Mota- eilla alba), ein durch ganz Algerien verbreiteter Vogel, ist auch hier besonders längs der Ufer der Quellen sehr häufig. Aus den dichten Kronen der Bäume ertönt der Gesang vieler kleiner Vögel: hier wohnt der Fink (Fringilla spodiogenis), die Kohl- und Blaumeise (Parus major und ultramarinus), der spanische Sperling (Fringilla hispanica) u. a. m. Zu diesen Vögeln gesellen sich je nach den verschiedenen Jahreszeiten | eine Menge von Zugvögeln, die ich hier unerwähnt lassen will. Die Amphibien des Gebirges sind fast dieselben wie die der Steppe, von Eidechsen sah ich die gefleckte Eremie (Eremias guttulata) und den Uromastix. - Nachdem ich meine Arbeiten im Aures-Gebirge vollendet, ent- - schlofs ich mich, nach Batna abzureisen. Es hatte keinen Reiz für mich, den Weg, auf dem ich gekommen war und den Bab el Kantara wieder zu passiren, deshalb zog ich es vor, über das Aures-Gebirge hinweg zu reiten. Zu dem Ende passirten wir das untere Thor der - Stadt, wanden uns durch die winkligen Strafsen und gelangten bis zum - östlichen Thore, vor welchem ein reifsender Bach flielst. Eine Brücke ; darüber giebt es nicht, wir wateten also hindurch. Der Weg begann sofort bedeutend zu steigen und nach einer Viertelstunde hatten wir das Plateau des Djebel Maschmin erreicht. Nachdem wir eine Zeit _ lang zwischen Gärten hingeritten waren, kamen wir in ein Steinmeer, _ welches auch niebt den geringsten Pflanzenwuchs zeigte. Von gleicher

L. Buyry:

:gend zu verschuchen. Dagegen sind die waldigen Anhöhen | ıfenthalt des Schkals und der Hyäne, und auch der Fuchs, wenn ‚e Felsenhöhle erlassen, durchstreift dies Revier. Aufserdem

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Mittheilungen aus Al: 137

Die Localverhältnisse der Bergthäler, re Wdestufen und Ter- Ar rasen, sowie der in den Gründen kräftige Jaum- ad Pflanzenwuchs = hatten mich eine reiche ornithologische Aus »ute bien lassen, da das “Terrain ganz dazu geeignet wäre, der Liellingsavnthalt der Vögel ©, zu sein; aber leider sah ich mich getäusc! Ichnußte mich nach «k n Forschungen überzeugen, dafs die Zahl ır Standvrögel ım = Aures-Gebirge eine äufserst geringe ist, und „uf Stidvögel konnte es “% gir zunächst nur ankommen. Einige weni» Adh, Agwila rapez, "= onellii, fulea und naeria horsten in den Feisen, # denen zugleich '@ı $chaaren von Felstauben (Columba lieia) sich ımme, Der schwarze *= yılan und der Rabe (Corrus corar) sind wohl lie w@reitetsten Vögel "der ganzen Gegend. Von den Eulen ist der > inkau.( Athene nortwa) 2 jun vie Exemplaren vorhanden, Sturnus unicol‘r, derinfarbige Dtaar, ini sisiehanf.dem Gebirge, und auf den Terrassen ınd du Felsengerölle «ie hältaich das Klipphubn (Perdrir petrosa), un uch busier's Röth- 0 ling (Auticilla Moussieri) sowie die Steinschmätz« habedasellst ihren i enthalt; ich beobachtete davon sarıco » /uge und lewours,

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ıfödera- ‚chen Ge- er in einer en der Zeit- er Ergänzung

138 L. Buvry:

Beschaffenheit ist der Nordabhang des Maschmin, der in allmählicher Abdachung auf den Djebel Ktaf führt.

Wir gelangten bald an die tief eingeschnittenen Ufer des Ras el Uäd, welche mit Tamarisken (Tamariz gallica), Myrthen (Myrtus com- munis), Oleander (Nerium oleander), Wachholder (Juniperus oceicedrus, phoenicea, macrocarta) und Brombeersträuchern (Rubus fruticosus) reich besetzt sind. Auf diesen Bäumen tummelten sich mit lautem Geschrei Schaaren von mauritanischen Elstern (Pica mauritanica). Der Flufs, welcher einen westlichen Lauf hat, enthielt nur wenig Wasser. Sehr mühsam war unser Emporklimmen zum Djebel Ktaf, dessen Abhänge und Höhen mit einem kräftig schönen Waldwuchs bedeckt sind. Hier wie in der ganzen östlichen Bergkette bilden die Nadelhölzer den Hauptgrundton des landschaftlichen Charakters, denn die Ceder (Pinus cedrus) und von ihr zwei Arten: die Silberceder (Cedrus argentea) und die Ceder des Libanon (Cedrus viridis) beherrschen mit ihren hochan- strebenden Stämmen in trotziger Kraft das Laubgehölz. Ein anderer massenhaft vorkommender Baum ist die aleppinische Fichte (Pinus ha- lepensis). Einzelne gegliederte Lebensbäume (Calitris articulata) mischen sich hin und wieder mit ihren mächtigen Kronen in diese Nadelholz- bestände, in denen Tamariz gallica, die Tamariske, auch nicht zu den seltenen Erscheinungen dieser Zone gehört. Zwischen das dunkle Grün der Nadelhölzer drängt sich das frische üppige Grün der Laubhöl- zer, von denen man die immergrünen und die mit abfallenden Blättern unterscheidet. In die erstere Abtheilung zählen die Menge von Eichen: die süfse Eicheln tragende Eiche (Quercus ballota), die Steineiche (Qu. Iler), die Kermeseiche (Qu. coccifera) und die Kork- eiche (Qu. suber), die mit ihrem schlanken Wuchs und den starken Dimensionen ausgedehnte Strecken dieses Bergreviers bedecken. Auch der wilde Olivenbaum (Olea europea, var. oleaster) zählt hierher. Zur zweiten Klasse gehören: der schwarze Maulbeerbaum (Morus ni- gra), wahrscheinlich ein Zeuge früherer Cultur; die Ulme (Ulmus su- berosa), die Esche (Frazinus angustifolia), der Nulsbaum (Juglans re- gia), wahrscheinlich von den Römern hierher verpflanzt; die atlantische Pistazie (Pistacia atlantica) und die Wachholderbaumarten.

Innerhalb dieser Waldungen und auf den von ihnen entblöfsten Abhängen wachsen noch eine Menge von Sträuchern, die in abwech- selnden Dimensionen das freie Erdreich bedecken. Vor allen erregen zuerst durch ihre Menge und farbigen Blüthenschmuck die Pfriemen- sträucher (Spartium scoparium) und der spanische Ginster (Spartium junceum), sowie die breitblättrige Phyllirie (Phyllirea latifolia) die Auf- merksamkeit des Europäers. Aufser diesen die strauchartige Kugel- blume (Globularia Alypum), die salveiblättrige Citrose (Cistus salvifolius),

Mittheilungen aus Algerien. 139

Rhamnus in verschiedenen Arten, Weifsdorn, Ginster (Genista) in drei Arten, u. a. Genista candicans, und wilde Rosensträucher, die in die obigen verwachsen oft ein fast undurchdringliches Dickicht bilden. Diese sowie eine Menge von aromatischen Kräutern, hauptsächlich aus der Familie der Labiaten, schwängern mit ihren verschiedenen oft sehr intensiven Wohlgerüchen die Atmosphäre, während das Auge sich an den lebhaften Farben dieses herrlichen Blumenteppichs ergötzt.

Auf den höchsten Höhen des Djebel Asero sowie des rothen Ber- ges bei Lambessa bemerkte ich die eigenthümlichen Fettpflanzen, Cras- sulaceen, und namentlich: Crassula rubens und Umbilicus luteus. Auf den Hochebenen sowie auf den zwischen den Gebirgen sich ausbrei- tenden Flächen finden sich von Zeit zu Zeit die wilden Artischocken, von denen man bis jetzt zwei Arten unterschied, nämlich Cynara spi- nosissima und acaulis. Sie werden von den Arabern harschef genannt. Zu diesen gesellen sich eine Menge von Staudengewächsen, die unendlich reich an Exemplaren sind, z. B. Helianthemum fumana u. a. Arten, verschiedene Centaureen- und Anthemis- Arten, Asphodelus lu- teus; Potentilla; Poterium sanguis orba; der Fenchel (Foeniculum dulce) ; die Erdkastanie mit efsbaren Wurzelknollen (Bunium Bulbocastanum), eine Oritropis- Art; ein wollig behaarter durch Blüthenköpfe ausgezeich- neter Phlomis; eine Coronilla - Art; Salvia verbenaca; zahlreiche Ononis- Species, unter andern Ononis Columnae und natrir; das vor dem nord- europä schen durch einen höheren Wuchs und lebhaftere Farbe der Blüthe sich auszeichnende Anagillis monelli; Anchusa italica; mehrere Labiaten, zumal die interessanten Teucrium-Arten; endlich das. schön blühende Lithospermum prostratum und mehrere höchst in die Augen fallende Serophularinen. An diese Blüthenpflanzen-Familien schliefsen sich noch eine Fülle krautartiger Gewächse, jedoch walten auch im Aures-Gebirge genau dieselben Verhältnisse wie auf allen Gebirgen der Erde vor, nämlich: dafs der Charakter der Pflanzen und Kräuter sich wesentlich nach den Gebirgsformationen richtet.

Von krautartigen Gewächsen sah ich zwei Arten von Euphor- bia mit leicht zu verletzender Rinde und hervorquellendem giftigen Milchsaft; die vorzüglichen Futtergewächse Medicago lupulina und he- lix; Astragalus hamosus; Lotus major und verschiedene Klee-Arten ; die bei uns mit so vieler Sorgfalt eultivirte, hier wild wachsende Vicia sa- tiva; das an die Heimath erinnernde Vergifsmeinnicht; unter den Ra- nunculaceen Repräsentanten der Gattungen Delphinium oder Rittersporn ; Ranunculus parviflorus und Adonis aestivalis, dem seine scharlachrothen Blüthen den Namen Blutskopf verschafft haben; aufserdem Fumaria parviflora; Argemone; die schon im südlichen Deutschland als Saat- pflanze auftretende Conringia perfoleata; Polygala monspeliaca; zwei

140 L. Buvry:

Arten von Fedien; ein Polygonum; Rumez acetosella, der einzige von mir bemerkte Vertreter der sonst so zahlreichen Ampferfamilie; die wahrscheinlich durch das ganze nordwestliche Afrika sich ausbreitende Reseda cristallina; und endlich eine zahllose Menge hoch aufschiefsen- der Distelgewächse, der grolsen Sippe der Compositen angehörig, unter denen ich Carduus giganteus; Centaurea Lippii; Buphthalmum spinosum; Galactites tomentosa; Silybum Marianum der Kürze wegen, allein er- wähne. Ferner: Gnaphalium germanicum und gallicum; die efsbaren Tragepogon porrifolius und Cichorium endivia; Catamanche cerulea; Xe- ranthemum inapertum. Auch bemerkt man aller Orten die überall häu- figen Unkräuter: Lanium purpureum und Asperugo procumbens; das mit schön violettblauen Blumen prangende Echium plantagineum, ferner die Primulacee Androsace mazima.

Es war zu erwarten, dafs in einem so pflanzenreichen Striche des nördlichen Afrika’s auch die Hauptzierde der mediterraneischen Flora, die Liliaceen oder Zwiebelgewächse, nicht fehlen würde. Da je- doch zur Zeit, als ich mich der botanischen Erforschung dieser interes- santen Gegend hingab, schon gerade für diese Gruppe von meist im Winter blühenden Gewächsen, die Jahreszeit ziemlich weit vorge- schritten war, so kann ich deren hier nur eine geringe Anzahl nam- haft machen. Indefs bin ich überzeugt, dafs mein Fufs über einen Boden gegangen ist, der in seiner Tiefe die Zwiebeln und Knollen mannichfaltiger Gattungen und Arten bergen mochte, deren Beobach- tung mir nicht vergönnt war und die ich auf spätere Zeiten verschie- ben mufs. Ich nenne daher nur: Hyacinthinus comosus, hier ebenso- wohl wie im südlichen Deutschland als Saatpflanze auftretend; Orni- thogalum umbellatum; die überall wuchernde, ihrer Heilkräfte wegen geschätze Meerzwiebel (Seilla maritima), auch eine Muscat-Hyacinthe (Muscari) und verschiedene Allium- und Asphodelus-Arten.

Wir folgten unserem Führer über den Kamm des Gebirges auf einem kaum wahrnehmbarem Pfade, welcher sich zwischen den Bäu- men bis zu dem Rande des Plateau’s hinwand. Hier öffnete sich im Norden die Aussicht und wir erblickten unter uns die Ebene des Ksur und in weiter Ferne die Kuppen des Djebel Schafat. Im Osten be- engte der Djebel el Arbaa den Horizont.

War das Aufsteigen zum Djebel Ktaf schon mit mannigfachen Beschwerden verbunden gewesen, so zeigte der abschüssige Pfad längs dem steilen Nordabhange des Gebirges sich erst recht gefährlich. Ich zog es daher wohlweislich vor, von meinem Pferde herabzusteigen, denn der Weg wurde vielfach durch Gerölle und Felsblöcke unterbrochen, über welche die Thiere hinwegsetzen mufsten. Oft machten sich in dem Wege Lücken bemerkbar, welche durch Sturzregen ausgewaschen

Mittheilungen aus Algerien. 141

waren, und man konnte nur springend über dieselben hinweg gelangen. Romantisch genug, das ist nicht zu leugnen, war die Passage, aber man kann sich denken, wie grolse Besorgnisse ich beim Anblicke die- ses wilden Pfades für meine auf den Maulthieren befindlichen leben- digen und todten Sammlungen hegen mulste. Es ereignete sich glück- licher Weise kein Unfall und wir gelangten endlich in ein sehr tiefes Thal, durch welches ein kleiner Flufs sich drängt. Derselbe fliefst in nordwestlicher Richtung dem U&ed Nza bel Mzai zu, und trennt das Gebiet der Beni Maafa von dem der Beni Ferrah.

Die Thäler der Beni Maafa liegen auf dem Nordabhange des Dje- bel Aures und enthalten mehrere Dörfer, Deschera genannt, welche sehr dicht bevölkert sind und denen der Beni Ferrah ganz ähnlich sehen. Sie gehören zu der Subdivision von Batna.

Von dem Gebiete der Beni Maafa führt ein steiler Engpafs in das

- Thal, in welchem wir uns eben befanden, und mir ward eine eben so malerische als sonst für meine Weiterreise angenehme Ueberraschung, als ich plötzlich diesen Engpafs herab einen Trupp weilsgekleideter, mit Flinten bewaffneter Reiter kommen sah. Es war der Kaid der Beni Maafa, Sidi Bu Dhiaf, mit seinem Gefolge, welcher sich gleich- falls nach Batna begeben wollte. Ich hatte bei demselben vier Wochen in seiner Smala in Schemorra gewohnt und die Freude über unser un- verhofites Wiedersehen war daher sehr grofs. Nach den üblichen feier- lichen Begrüfsungen schlossen wir uns dem Zuge an und gelangten bald in geringer Entfernung von Nza-bel-Mzai in die Ebene des

Ksur.

We

Uebersicht der neueren geographischen Arbeiten

H ' in der Provinz Buenos Aires.

Die frühere Provinz, jetzt der Staat Buenos Aires entbehrt noch

immer einer guten chorographischen Karte. Die folgenden Bemerkun- & haben den Zweck, die jetzt existirenden namhaft zu machen und

| Von Juan Maria Gutierrez ').

_ 4) Der geehrte Verfasser, früher Kriegsminister der Argentinischen Confödera- tion, hat die Güte gehabt, die folgende Abhandlung der hiesigen geographischen Ge- sellschaft, deren Ehrenmitglied er ist, einzusenden. Wir theilen sie hier in einer Uebersetzung mit und verweisen in den Noten kurz auf diejenigen Stellen der Zeit- hrift, die in dieser übersichtlichen Darstellung eine Bestätigung oder Ergänzung den.

142 J. M. Gutierrez:

die Arbeiten zu erwähnen, die bis jetzt zur Förderung der geographi- schen Kenntnis eines so ausgedehnten und wichtigen Theils des argen- tinischen Territoriums unternommen sind.

Die in Paris erschienene Karte, welche das Werk des D. F. de Azara begleitet, kann als die erste betrachtet werden, welche mit einer gewissen Genauigkeit die Configuration dieses Landes darstellte. Azara legte bei der Redaction seiner Karte die Karte Süd-Amerika’s von D. Juan de la Cruz zum Grunde, welche zu Madrid im Jahre 1775 ge- stochen war. „Diese Karte“, sagt Azara in der Einleitung zu seinen Viajes d la America del Sur, „wird mit gutem Grunde als die beste von Süd-Amerika betrachtet, nichtsdestoweniger kann ich ihr nicht die Genauigkeit nachrühmen, welche die meinige besitzt.“

Bis zum Jahre 1824 wurde keine Specialkarte der Provinz Buenos Aires publieirt. Aufserhalb des Landes wurde eine gestochen und herausgegeben, nach einem Original, welches von D. Bartolom& Munoz entworfen war, einem ausgezeichneten Priester, der aber mit der: geo- graphischen und astronomischen Wissenschaft kaum vertraut war. Diese Karte umfalst das Land von 33° bis 41° S. Br., also bis zur Mündung des Rio Negro an der patagonischen Küste. Unter den erheblichen Fehlern, die sich auf ihr vorfinden, will ich nur den erwähnen, dafs sie Berge darstellt, wo nur unbedeutende Wälder existiren. Dieser Fehler ist aus einer in die spanische Sprache dieses und anderer süd- amerikanischer Länder eingeführten Ausdrucksweise entstanden, nach welcher wir „monte“ nennen, was in gutem Castilianisch „bosque“ ge- nannt werden mülste, nämlich einen natürlichen oder künstlich gepflanz- ten Wald. Hier, in den Strafsen von Buenos Aires, werden unter dem Namen duraznos del monte die Pfirsiche feilgeboten, welche auf den Inseln des Parana gesammelt werden; diese liegen aber ganz im Ni- veau des Oceans und es findet sich auf ihnen weder Stein noch Kies, geschweige denn ein Gebirge.

Wenn dieses der geeignete Ort wäre, so könnten hier manche Re- geln angegeben werden über den Wechsel, den die wahre Bedeutung vieler castilianischen Worte zur Bezeichnung von Gegenständen, welche bei der geographischen Nomenclatur häufig vorkommen, bei uns er- fahren hat. Um die Wichtigkeit solcher Aenderungen der Wortbedeu- tung zu zeigen, genügt es anzuführen, dafs das Wort canada, welches Mr. de Valckenaer in seiner bekannten Uebersetzung der Reisen Aza- ra’s französisch durch gorge de montagne, seine eigentliche Bedeutung, wiedergegeben hat, bei uns eine Vertiefung bedeutet, die niedriger liegt als die sie umgebende Ebene und in der unter der Pflanzendecke lang- sam die Quellwasser rieseln, welche den Bächen und Flüssen ihren Ursprung geben.

Uebersicht der neueren geograph. Arbeiten in der Prov. Buenos Aires. 143

Ein Decret unter der Präsidentschaft Rivadavia’s, d. d. 26. Juni 1826, schuf ein topographisches und statistisches Departement, um den Bedürfnissen der Verwaltung abzuhelfen und die Vermessung der Staats- und Privatländereien zu regeln und zu leiten. Die fünfte Verpflichtung, welche dieses Decret dem topographischen Departement auferlegte, be- stand darin, zwei Register zu führen, ein graphisches und ein geschrie- benes, über alle ausgeführten Vermessungen. Das graphische Register entstand, indem man die einzelnen Pläne, welche von den Agrimenso- ren bei Vermessung der Besitzungen und der grofsen in Pacht gege- . benen Ländereien aufgenommen waren, mit einander verglich. Das Minimum und Maximum des Umfangs dieser Concessionen waren 2 und 12 Quadratleguas. Unsere Legua als Längenmafs hat 6000 Varas, die Vara 0,867 Meter.

Diese allmähliche Ansammlung von Speeialplänen, auf welchen die

Feldmesser aufser den künstlichen Grenzen auch physische Eigenthüm- lichkeiten, wie Bäche, Seen u. dgl. verzeichneten, rief eine Art Cata- stral-Karte hervor, die von einer Projection nichts wulste und jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrte. Nichtsdestoweniger ist diese Karte in vielen Beziehungen aufserordentlich nützlich gewesen und sie ist es noch. Der französische Lithograph Cesar Hippolyte Bacle, der in Folge der Leiden einer langen Gefangenschaft, zu welcher er wider- rechtlich von dem Gouverneur Rosas verurtheilt war, im Januar 1838 starb, entschlofs sich, dieses „Register“ zu publieiren und führte seinen Plan 1833 aus, auf einem Blatte von 2 Varas Breite und 24 Varas Länge, unter dem Titel: Rejistro gräfico de los terrenos de proprietad _ püblica y particular de la Provincia de Buenos- Aires, construido por el Departamento Topogräfico segun las mensuras judiciales que se han praclicado y eztractado hasta la fecha: Buenos Aires, Marzo 30 de 1833: firmado Arenales, der zu jener Zeit Chef des genannten Instituts war. Der Mafsstab dieses Blattes ist ein Zoll für eine Legua; aber die Linien, welche auf ihm eine Mercator’sche Projection dar- stellen sollen, können wirklich nur als eine Spielerei zur Befriedigung des Unkundigen betrachtet werden. Die Zahl der Exemplare dieses Rejistro, die in’s Ausland gekommen ist, dürfte nur gering sein, da die Karte, obgleich sie theuer und die Auflage stark war, früher und auch jetzt noch von den Grundbesitzern (kaciendados), Advocaten, Ma- gistraten u. s. f. stark gesucht ist. "In demselben Jahre (1833) publieirte derselbe Bacle eine Mapa de la Prorineia de Buenos Aires in dem Malsstabe von 34 Zoll auf den Längengrad. Diese Karte kann nach der von Munoz aus dem re 1824 als die zweite betrachtet werden; sie ist durch das von dem topographischen Departement gesammelte Material etwas verbessert.

144 J. M. Gutierrez:

Ein mit der Geschichte und Geographie unseres Landes wohlbe- kannter Engländer, Woodbine Parish, widmete im Jahre 1840 dem Gouverneur und General-Capitain der Provinz Buenos Aires (Don Juan Manuel Rosas) eine topographische Karte derselben. Auf dieser in London erschienenen Karte liest man folgende Anmerkung: „Die Topo- graphie dieser Karte ist den Arbeiten des topographischen Departements von Buenos Aires entlehnt, und die Küstenlinien sind nach den letzten Aufnahmen des Capt. Fitzroy von der Königl. Marine verzeichnet, von John Arrowsmith.* Demnach ist diese Karte von Parish nur eine Reproduction des Rejistro gräfico des topographischen Departements, bei welcher die Gestalt und Lage des Littorals nach den Beobachtun- gen und Aufnahmen der englischen Marine berichtigt sind. Wenn es nun wahr ist, dafs diese Arbeit sich vor anderen ähnlichen durch eine wissenschaftlichere Gestalt auszeichnet, so ist doch nicht zu leugnen, dafs J. Arrowsmith nur über ein sehr dürftiges Material verfügte, um die Lage der Punkte und Ortschaften im Innern des Landes nach Be- obachtungen der geographischen Länge und Breite bestimmen zu können. In diesem Mangel an astronomischen Ortsbestimmungen liegt die grofse Lücke, welche die Geographie dieser Provinz wie des ganzen Gebietes der Argentinischen Conföderation schmerzlich empfindet. Nur Felix de Azara hat die Lage von 23 Orten auf dem Territorium der Pro- vinz Buenos Aires astronomisch bestimmt.

Der Artillerie-Obrist D. Jose Arenales, der frühere Präsident des topographischen Departements und der geschätzte Verfasser des Werks: Noticias historicas y descriptivas sobre el gran pais del Chaco y rio Bermejo, Buenos Aires 1833, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Construction einer Karte, welche alle zum frühern Vicekönigreich des Rio de la Plata gehörigen Länder umfassen und sich auch über Chile erstrecken soll, damit in der Küste des Stillen Oceans ein natürlicher Abschlufs der Arbeit gewonnen wird. Seit der Zeit des Unabhängig- keits-Krieges, während dessen Sr. Arenales als Adjutant des Generals San Martin fungirte, beschäftigt er sich damit, Pläne, Routen, Karten und Beschreibungen des Schauplatzes zu sammeln, dem seine ernsten Studien gewidmet sind. Sr. Arenales arbeitet mit grolser Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und entwickelt einen aufserordentlichen Scharfsinn bei der Erörterung und kritischen Prüfung der Angaben über die Lage von Ortschaften, Wegen, Flüssen und anderen topographischen Objec- ten, um den bedauernswerthen, von uns eben hervorgehobenen Mangel an astronomischen Beobachtungen und geodätischen Angaben so gut als möglich zu ersetzen. Die Resultate der Arbeiten des Sr. Arenales werden mindestens das grofse Verdienst haben, die wahren geographi-

schen Namen wieder herzustellen, die aus Unkenntnifs der einheimischen

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Uebersicht der neueren geograph. Arbeiten in der Prov. Buenos Aires. 145

Sprachen, denen die Eigennamen unserer Geographie gröfstentheils ent- lehnt sind, auf den in Europa erschienenen Karten Amerika’s arg ver- stümmelt worden sind.

Seit dem Jahre 1852 hat sich in dem Lande eine fortschreitende Bewegung bemerklich gemacht, die auch für die Förderung geographi- scher Kenntnisse von Einfluls gewesen ist. Die weisen Anordnungen zur Freigebung der Stromschifffahrt im Innern des Landes haben ver- schiedene hydrographische Explorationen veranlafst, namentlich auf dem Bermejo, dem Salado, dem Rio Tercero und dem Gualeguay.

Im Anfange des Jahres 1855 beabsichtigte eine wissenschaftliche Erforschungs-Expedition, im Auftrage des Gouvernements der Vereinig- ten Staaten und unter Leitung des Commandanten J. Page, den Rio Bermejo mit einem kleinen Dampfer (El Pileomayo) aufwärts zu fah- ren, der aber, in Folge seiner geringen Kraft, die Strömung nur auf einige Leguas überwinden konnte ?). Glücklicher war man bei der Erforschung des Rio Salado, eines in commereieller Hinsicht wichtigen Stromes, der in der Provinz Salta entspringt und nicht weit von der Stadt Santa Fe in den Parana mündet, nachdem er das Gebiet der Provinz Santiago del Estero durchflossen hat. Im Juli 1855 prüfte Mr. Page an Bord des Dampfers Yerba das Ergebnifs dieser Erfor- schung, indem er bis 30° 10’ 8. Br. stromaufwärts fuhr. Nachdem er an diesem Punkte eine Flufsfahrt von 53 engl. Meilen zurückgelegt hatte, verliefs er das Fahrzeug und begab sich zu Pferde in das Innere des Landes und kehrte an dem Ufer des genannten Flusses längs sei- nes ganzen Laufes durch das Gebiet von Santiago zurück ?).

Der Commandant Page versicherte in halbamtlichen, der argenti- nischen Regierung eingesandten Berichten, dafs die Schifffahrt auf die- sem Strome nicht nur möglich sondern auch leicht sei. In Folge dieser Versicherungen hat vor Kurzem der Gouverneur von San Jago del Estero seinen Bruder, den General Taboada, an die Spitze einer Ex- pedition gestellt, welche, begleitet von einem Gefolge von Indianern, ehristlichen Soldaten und vaqweanos oder Führern, an dem Ufer dieses Stromes abwärts bis zu seiner Mündung gezogen ist ?).

Auch die commerciellen Interessen sind so nützlichen Erforschun- gen förderlich gewesen. Senor D. Estevan Rams, ein reicher und unternehmender Kaufmann, hat in Rio Janeiro drei Dampfer von ge- ringem Tiefgange gekauft, um den Salado zu beschiffen und die Pro- ducte des Innern stromabwärts zu führen. Die erste Reise wird in diesem Augenblicke von dem Dampfer Santa F& unternommen, der

!) Vergl. Zeitschrift für Allg. Erdkunde N. F. II, 270. ?) Ebendas. N. F. I, 8. 186—189. II, 270. 3) Ebendas. N. F. II, S. 377.

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 10

146 J. M. Gutierrez:

sich mit einem kleinen Fahrzeuge, welches mit Brennholz und anderen Materialien beladen war, am 10. Februar d. J. bei Pan del vinal in 3 Meter Wassertiefe befand. Der General Taboada war am 1. Febr. nach Santiago zurückgekehrt und beschäftigte sich mit Vorbereitungen, um den Schiffern allen Schutz zu sichern, den die Umstände erheischen könnten. Dies theilt er in einem Paivatschreiben mit und fügt hinzu: „Ich befahl den Indianern, sich dem Führer des Dampfers vorzustellen und sich seinen Befehlen zu unterwerfen, um die Arbeiten auszuführen, die nothwendig sein möchten.“

Senor Arenales hat in seinem bereits angeführten Werke die Ge- schichte der Versuche veröffentlicht, welche bis zu der unglücklichen Expedition des Sgr. D. Pablo Soria im Jahre 1826 zur Erforschung des R. Bermejo und zur Entscheidung der Frage, ob er schiffbar ist, unternommen sind. Diese seit 30 Jahren aufgegebenen Versuche sind mit grölserem Ernst wieder aufgenommen worden; ein kleines Fahr- zeug eine Art der dort einheimischen Barken Namens Mataco, eröffnete den Reigen; es fuhr im März 1855 von Oran ab und er- reichte im Juni Corrientes.

Bald darauf fuhren der Pilot Lavarello und der Ingenieur Cun- ningham, der erstere aus Sardinien gebürtig, der andere ein Bürger der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, auf einem in Oran erbau- ten Schiffe, Namens Zenta, von der Provinz Salta auf dem Bermejo abwärts bis zu seiner Mündung in den Paraguay und bis zum Pa- rana !). Jeder dieser Herren verfalste ein Reisejournal und einen Plan des Flusses. Die Arbeit Cunningham’s scheint vollendeter, und besser gezeichnet; beide wurden von der Regierung der Argentinischen Con- föderation wohl aufgenommen, und hoffentlich sind die Pläne und das Journal Cunningham’s noch vor seinem Tode, der diesen Mann in einem Alter von 33 Jahren ereilte, angekauft worden. Cunningham besafs eine Copie der wissenschaftlichen Erforschung des R. Tebieuary, die auf Befehl und auf Kosten des Präsidenten von Paraguay ausge- führt worden. Derselbe Ingenieur theilte dem Verfasser folgende Re- sultate mit, die hier wiedergegeben werden, ohne ihre Genauigkeit zu verbürgen und ohne bestimmte Reihenfolge:

N. Br. der Stadt Salta 24° 47, W. L. v. Gr. 65° 24.

Esquina Grande liegt von der Stadt Salta unter dem Azimuth N. 80° 30’ O., 180 Meilen in direeter Entfernung.

Juntas liegt von Esquina Grande unter dem Azimuth N. 50° W., 92 Meilen in direeter Entfernung und 1714 Meilen längs des Stromlaufs.

!) Ueber die Fahrten des Mataco und Zenta vergl. Zeitschr. N. F. II, 377.

Uebersicht der neueren geograph. Arbeiten in der Prov. Buenos Aires. 147

Die Mündung des Bermejo liegt von Esquina Grande unter dem Azi- muth S. 52° O., 265 Meilen in direeter Entfernung und 477 Meilen längs des Stromes.

Die Vergleichung dieser Zahlen kann eine Vorstellung von den zahllosen Krümmungen geben, welche der Lauf des Bermejo bildet; sie sprechen für die Richtigkeit der Zeichnung, welche Obrist Arena- les auf der seinem Werke über den Chaco beigegebenen Karte von diesem Strome geliefert hat.

Im Anfange des Jahres 1855 hat der nordamerikanische Ingenieur Campbell auf Kosten der Regierung der Conföderation in gerader Rich- tung die Strecke zwischen dem Hafen Rosario und Cordoba vermessen und aufgenommen, behufs Anlage einer Eisenbahn zwischen diesen wich- tigen Centralpunkten der Bevölkerung. Die topographischen Pläne, die Nivellements und die anderen Arbeiten, welche für einen derartigen Zweck erforderlich sind, befinden sich in den Händen des D. Jose Buschenthal, der von der Conföderation beauftragt ist, in Europa die Bildung einer Gesellschaft zu betreiben, welche den Bau der Bahn unternimmt; im Lande selbst sind Actien bis zum Betrage von 1 Mill. Peso’s gezeichnet worden. Die von Campbell veröffentlichte und in spanischer Sprache zu Parana gedruckte Denkschrift giebt einige Re- sultate, welche für die Geographie dieser Landschaften von Nutzen sind.

Seit mehr als anderthalb Jahren reist im Lande, um seine Geo- graphie und physische Beschaffenheit zu studiren, ein französischer Ge- lehrter, Namens Martin de Moussy, der von der Regierung der Con- föderation ein monatliches Gehalt von 300 schweren Piastern bezieht. Er hat die Verpflichtung, innerhalb drei Jahren ein Werk zu liefern, welches die argentinische Republik unter allen Gesichtspunkten dar- stellt, die zur Entwickelung des Handels, der Industrie. und der Bevöl- kerung beitragen könnten. In diesem Moment mufs M. de Moussy im Begriff stehen, aus Chile zurückzukehren, wohin er sich begeben hatte, um sich mit den Gelehrten, die in jener Republik mit ähnlichen Ar- beiten beschäftigt sind, in Verbindung zu setzen. Der Nacional Argen- tino, eine in der Stadt Paranä erscheinende Zeitung, hat bereits einige kleine Arbeiten M. de Moussy’s veröffentlicht '), und neuerdings eine Abhandlung über den Zustand der Ortschaften in den Missionen, von denen ich ein Exemplar für die Bibliothek der geographischen Gesell- schaft zu Berlin beilege.

Buenos Aires, 20. März 1857.

!) Die über Entre Rios hat Herr Dr. Andree (Zeitschr. N. F. II, S. 322 ff.) in einer Bearbeitung den Lesern mitgetheilt.

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148

Miscellen.

Ueber die Religion der heidnischen Tscheremissen im | Gouvernement Kasan.

Zu der umfassenden Thätigkeit der K. Russ. Geographischen Gesellschaft gehört bekanntlich auch die wichtige Aufgabe, die Traditionen und Gebräuche der zahlreichen, auf dem weiten Raume des Kaiserreichs lebenden Völkerschaften zu sammeln und aufzuzeichnen. Bei geschichtslosen Völkern sind diese Traditio- nen und alten Gebräuche als das einzige Zeugnils der frühern Zustände in histo- rischer und ethnologischer Hinsicht von besonderem Werth, und je mehr sie jetzt vor dem sich ausbreitenden Christenthum zurückweichen oder gar mit dem Aus- sterben einzelner Stämme völlig ungekannt zu verschwinden drohen, desto dan- kenswerther ist die Bemühung, sie noch im letzten Moment für die Wissenschaft zu retten. Auch der letzte (i7te) Band des „Wjästnik“ enthält eine hierher ge- hörige Arbeit von dem Protoierei Wischnjewski, über den religiösen Glauben der heidnischen Tscheremissen im Gouvernement Kasan, eine Arbeit, welche nicht blofs die religiösen Gebräuche, sondern auch die in mancher Beziehung sehr überraschenden religiösen Ansichten dieses Stammes, wie seine wunderlichen kosmogonischen und anthropogonischen Ideen, unmittelbar aus dem Munde des Volks sorgsam verzeichnet, und dadurch die Mittheilungen von A. Fuchs (in Er- man’s Archiv Bd. I) wesentlich ergänzt und die Bemerkungen des Freiherrn v. Haxthausen (Studien I, 437 —450) berichtigt. Wir geben im Folgenden eine Uebersetzung dieser Arbeit. In wie weit neuere Elemente modificirend auf den alten finnischen Volksglauben eingewirkt haben, wird der Leser leicht bemerken.

I. Religiöser Glauben der heidnischen Tscheremissen.

Der ganze religiöse Glaube der heidnischen Tscheremissen im Gouverne- ment Kasan ist in folgenden Sätzen enthalten:

1) Es ist ein Gott; aber die Menschen glauben an ihn auf verschiedene Weise, so dafs jedes Volk seinen eigenen Glauben hat, eben so wie jeder Baum im Walde seine eigenen Blätter und Blüthen hat. Auf der Erde giebt es 77 Glauben, weil die Menschen in 77 Sprachen reden.

2) Jeder Glaube an Gott ist gut, weil Gott selbst jedem Volke seinen Glauben verliehen hat, und ein Wechsel des Volksglaubens ist ein. Vergehen, welches nicht ungestraft bleibt.

3) Von den auf der Erde lebenden Völkern müssen die Tscheremissen ihre Knie beugen vor dem guten Wesen, Jumo-lan, und vor dem bösen, Keremet-lan.

Juma ist der Schöpfer der Welt und des Menschen und regiert die ganze Welt, weshalb er Kurusha (Allerhalter) heifst; die Christen nennen ihn den Al- ten, Osch Juma (den grauen Gott). Er hat eine Familie, und in Bezug auf sie heilst er Kugu Juma (der erste, vornehmste Gott). Jedes Glied der Familie schafft, nach dem Willen des Kugu Juma, das Glück der Tscheremissen. Zur Familie des Juma gehören: Juman abä (die göttliche Mutter), von welcher die

Ueber die Religion der heidnischen Tscheremissen im Gouvern. Kasan. 149 Fortdauer des menschlichen Lebens abhängt (schuliu-schum pua, sie giebt das Athmen); Mlande abä (die irdische Mutter), welche über die Erde regiert (Mländem küutscha); Kjudjurtschi Juma (Gott des Donners), welcher die Hausthiere der Tscheremissen erhält ( Woliukum arala); Tjuntschi Juma (Himmelsgott), der über den Himmel herrscht; Schotschen abä (Mutter der Entbindung), von welcher die Fruchtbarkeit der tscheremissischen Weiber und die Vermehrung der Hausthiere abhängt. Juma und jedes von den erwähnten Mitgliedern seiner Familie hat einen guten Geist (po purukscho) bei sich, :wel- cher für die Tscheremissen und ihre Hausthiere Nahrung hervorbringt, und einen Berichterstatter (po saktsche), welcher an J uma und seine Familie über die Be- dürfnisse und Wünsche der Tscheremissen berichtet.

Keremet ist eben so von Ewigkeit und ohne Anfang wie Juma, und der jüngere Bruder desselben '). Er mufste Juma bei Erschaffung der Welt und des Menschen dienen; aber aus Hochmuth bekam er selbst Lust, es eben so zu machen, wie Juma es machte, und da er an Macht Juma nicht gleichkam, so verdarb er nur Juma’s Schöpfung. Wenn Juma z.B. trocknes Land zu schaffen wünschte, so befahl er dem Keremet, der auf dem Wasser wie ein Enterich schwamm, Erde aus dem Wasser hervorzuholen. Keremet vollzog zwar den Be- fehl-Juma’s, aber er gab nicht alle Erde, die er genommen, an Juma ab, son- dern behielt einen Theil bei sich im Munde zurück. Und wenn dann Juma, über die von Keremet gelieferte Erde hinblasend, sie sich mit Wasser bedecken liefs, so spie Keremet die zurückbehaltene Erde aus. "Wohin er spie, da ent- standen Berge.

Als Juma den Körper des Menschen geschaffen hatte, begab er sich an einen anderen Ort zur Erschaffung der Seele; und damit Keremet, während sei- ner Abwesenheit, ihm nicht an seiner Schöpfung; einen Schabernack spielte, be- fahl er einem Hunde, welcher ohne Haare geschaffen war, den Körper zu be- wachen. Nach der Entfernung Juma’s erschien Keremet sofort bei dem seelen- losen Körper. Um nun jenen Hund, welcher den Körper bewachte, für sich zu gewinnen, liefs er eine solche Kälte entstehen, dafs der Hund beinahe erfror. Als nun Keremet ihm Haare verlieh, liefs ihn der Hund aus Dankbarkeit an den Körper heran. Keremet bespie diesen aus Milan aa er auch den Keim aller Krankheiten in ihn legte.

Die Berichterstatter (Saktsche) Ewa seinen eigenen wie die seiner Fa- milie erschuf Juma aus einem im Himmel befindlichen Steine. Und zwar schlug er zu diesem Behufe den Stein mit einem Hammer; bei jedem Schlage flogen aus ihm Funken hervor, welche sich in Saktsche verwandelten. Nach Be- endigung dieses Geschäfts ruhte Juma aus und schlief ein. Keremet, welcher auf die Thaten Juma’s genau geachtet hatte, fing, während dieser schlief, ebenso auf den Stein zu schlagen an, aber statt guter Saktsche erschienen aus ihm eine Art Keremets, welche eben so wie er den Tscheremissen nicht wohl wollen.

4) Vor Juma und seiner Familie müssen die Tscheremissen ihr Knie beu- gen, weil ihr Glück und ihr Unterhalt gänzlich von ihnen abhängt. Der Grund

!) Ueber dieses Mysterium kann natürlich nur der Glaube weghelfen. D. U.

150 Miscellen:

davon aber, dafs die Tscheremissen auch Keremet anbeten, liegt in einem Ver- sehen des tscheremissischen Stammvaters, welches darin bestand, dafs dieser sich von Keremet betrügen liefs. Diese Geschichte trug sich folgendermafsen zu. Als die Menschen auf der Erde sich vermehrten und in Völker vertheilten, beschlofs Juma, jedem Volke seine Form der Gottesverehrung zu bestimmen. Deshalb be- fahl er seinem Puruktscho, an einen Ort die Stammhäupter zusammen zu rufen, wofür er einen Tag bestimmte. Keremet mischte sich auch hier in das Werk Juma’s. Als nämlich der tscheremissische Ahnherr an den bezeichneten Ort ging, erschien ihm Keremet in Gestalt eines Menschen, hielt ihn an und beschäftigte ihn durch Gespräche über verschiedene Gegenstände so lange, dafs jener die Frist verstreichen lies, in welcher er vor Juma der Religion wegen erscheinen sollte. Sobald er sich von Keremet getrennt hatte, eilte er nach dem festgesetzten Orte, aber noch ehe er ihn erreichte, begegnete er dem Stammvater eines anderen Volkes, welcher ihn davon benachrichtigte, dafs Juma den Glauben bereits ver- theilt habe. „Aber welcher Glaube soll von mir beobachtet werden?“ fragte der Tscheremisse bestürzt. Hierauf erwiderte ihm der Stammvater des anderen Volkes: „Als Strafe dafür, dafs Du, seinen Befehl nicht achtend, Dich bei Ke- remet mit leeren Gesprächen beschäftigt hast, befiehlt Dir Juma, auch Keremet anzubeten.“ „So beuge Dich vor mir!“ fügte Keremet hinzu, der zu den Sprechenden in Gestalt einer Ente von einer Birke schnell herbeigeflogen war. „Du hast deutlich gehört, dafs Juma selbst Dir befiehlt, mich zu verehren.“ Und die Tscheremissen mufsten anfangen, Keremet anzubeten.

5) Juma erweist den Tscheremissen nicht aus Liebe und Barmherzigkeit Wohlthaten, sondern in Rücksicht auf den Grad ihrer Hingebung für die Volks- religion und auf das Mafs ihrer Bereitwilligkeit, ihm und den Mitgliedern seiner Familie die ihm gefälligen Hausthiere zu opfern. Im entgegengesetzten Falle verwüstet er ihre Felder durch Hagel, giebt ihnen keine Ernten, und sendet Krank- heiten und verschiedene Arten Unglück unter sie. Dasselbe gilt von Keremet. Wenn man ihm Füllen und Enten zum Opfer bringt, so verhindert er nicht, dafs Juma’s Wohlthaten zu den Tscheremissen gelangen.

Der tscheremissische Volksglaube besteht auch darin, dafs die Tscheremissen auf Anordnung Juma’s 1) an keinem Freitage für sich selbst arbeiten dürfen; deshalb fängt man bei den Tscheremissen am Freitag sogar die Oefen erst Nach- mittags zu heizen an; 2) dafs sie zur Zeit, wenn das Getreide blüht, nicht in der Erde graben, Bäume fällen oder Gras mähen, und ihre Weiber nicht Zwirn färben dürfen; 3) dafs sie im Frühjahr, vor der Aussaat des Sommergetreides, das agga parem (Ackerfest), am Peterstage das siurem (Fest nach dem Düngen der Felder), im Herbst das parem u kindin (das Fest des neuen Getreides) feiern, d.h. sie müssen aus neuem Getreide ihre Speisen bereiten und dem Juma weihen, aus Dankbarkeit für die reiche Getreideernte; am Sylvesterabend müssen sie das sogenannte schoros tol (Schafbein) feiern.

Wenn den Tscheremissen bei Unglücksfällen oder Krankheiten die gewöhn- lichen Mittel nicht helfen, müssen sie zur Versöhnung des zürnenden Juma ihm und den Mitgliedern seiner Familie ein Opfer bringen. Dem Kugu Juma müssen sie nämlich ein dreijähriges, noch nicht gerittenes, einfarbiges Pferd darbringen; der Juman abä, der Mlande abä, dem Kjudjurtschi Juma, dem Tjuntschi Juma,

Ueber die Religion der heidnischen Tscheremissen im Gouvern. Kasan. 151

der Schotchen abä, jedem eine Kuh; den Purukscho’s derselben eine Gans, den Saktsche’s eine Ente.

Die Opfer sind entweder allgemeine, die von einem ganzen tscheremissischen Dorfe, oder von einigen Dörfern vereinigt, und selbst von Kreisen für Kugu Juma und seine ganze Familie dargebracht werden, oder vereinzelte, die von einer Familie einigen Mitgliedern der Familie Juma’s gebracht werden. Die ersten fin- den entweder bei anhaltendem allgemeinen Mifswachs oder bei längerer Dürre oder Regenzeit statt; die letztern im Falle von Krankheiten, die in der Familie wüthen, oder bei unglücklichen häuslichen Verhältnissen, wenn z. B. Wölfe das Hausvieh tödten, Diebe das Eigenthum rauben oder die Hausthiere sterben.

(Anm. In jetziger Zeit nehmen die heidnischen Tscheremissen in Krank- heitsfällen noch aufserdem zu Gebeten an den h. Nikolaus und die Mutter Gottes von Kasan ihre Zuflucht; zur Ehre derselben schlachten sie Füllen. Diese Füllen werden im Walde oder in den Häusern erstochen; ihr Fleisch wird verzehrt, Haut und Knochen verbrannt. Das zum Opfer bestimmte Pferd ersticht entwe- der der Hauswirth, oder der Nachbar desselben, wenn der Hausherr krank ist. Die Hausfrau backt zu diesem Opfer Pfannkuchen. Dem h. Nikolaus und der Mutter Gottes von Kasan haben die Tscheremissen ebenfalls Saktsche beigegeben. Diesen Saktsche’s bringen sie Hasen zum Opfer.)

6) Die Tscheremissen werden auch nach dem Tode eben so existiren, wie sie vor dem Tode gelebt haben. Deshalb legt man bei ihnen den Todten dieje- nigen Geräthschaften in’s Grab, mit welchen die Verstorbenen hier ihren Unter- halt erwarben, damit sie in jener Welt ihre Geschäfte fortsetzen können; nach der Beerdigung der Verstorbenen werden auf ihre Gräber verschiedene Speisen und Getränke hingestellt, und am Gedächtnifstage besonders bereitet, damit die Todten in jener Welt nicht Hunger leiden.

Nach dem Tode müssen die Tscheremissen zum Gericht vor Kijamat Tiure (dem höllischen Richter) erscheinen, welcher ihre Thaten untersucht und nach der Beschaffenheit derselben ihnen die Art des (künftigen) Lebens festsetzt. Die- ses Gericht besteht darin, dafs er den tscheremissischen Todten veranlafst, eine Weile auf Stangen zu gehen, dünn wie ein Strohhalm, die über einen Kessel mit siedendem Pech gelegt sind. Wer Anderen nicht Böses zugefügt hat, d.h. wer nicht Menschen todtgeschlagen, nicht das Vieh seines Nächsten oder Fremder beschädigt, nicht gestohlen und betrogen, nicht das Böse, welches ihm von An- deren zugefügt ist, mit Bösem vergolten hat: der geht auf jenen Stangen ohne Furcht und ohne Straucheln; aber der Uebelthäter fällt unfehlbar in den Kessel mit Pech. Demgemäfs ist denn auch das Leben des Tscheremissen in jener Welt entweder friedlich oder voll Qualen.

OD. Religiöse Gebräuche der heidnischen Tscheremissen.

Regelmäfsige Jahresfeste werden von den Tscheremissen in folgender Art begangen:

1) Agga parem. Am Tage der Feier, Morgens, gehen alle Hauswirthe des Dorfes, in saubern Kleidern, auf das Sommersaatfeld hinaus, mit Pfannkuchen, Grützbrei oder Eierkuchen, Bier oder Meth. Sobald Alle versammelt sind, zün- ‚det der Opferpriester (kart) das Feuer an, an welchem jeder der Anwesenden

152 Miscellen:

eine Wachskerze anzündet, die er neben seinen Getränken und Speisen anklebt. Darauf beugen sich Alle, nach dem Vorgang des Kart, ohne die Mützen abzu- nehmen, zur Erde gegen Osten und beten zu Juma um eine reiche Getreideernte. Nach Beendigung des Gebets wirft Jeder Stückchen von seiner Gabe in das Feuer. Wenn diese Stücke verbrannt sind, wird das Feuer ausgelöscht, und Alle bege- ben sich in ihre Wohnungen, indem sie die dem Juma geweihten Getränke und Speisen mit sich nehmen und dort mit den Hausgenossen verzehren.

2) Am Tage des Siurem schlachten sie Morgens zur Ehre des Juma ein Pferd, eine Gans und eine Ente, und kochen das Fleisch derselben in Kesseln. Das gekochte Fleisch wird zu gleichen Stücken unter diejenigen, die an dem An- kauf der Thiere Antheil genommen haben, vertheilt. Jeder Theilnehmer trägt seinen Antheil, sobald er ihn empfangen hat, in sein Haus und stellt ihn mit andern Lebensmitteln (Bier oder Wein und Pfannkuchen) auf einen Tisch mitten im Hofe, und erwartet die Ankunft der Opferpriester. Darauf, wenn sich alle Theilnehmer nach ihren Häusern begeben haben, fangen die Opferpriester an, die Häute, Eingeweide und die Knochen der geschlachteten Opferthiere zu ver- brennen, und während dessen sprengen einige junge Leute und Bursche, mit Birkenzweigen (von 3 Arschin Länge) in den Händen, auf Pferden um diesen Ort herum. Wenn alles dazu Bestimmte verbrannt ist, besuchen die Opferpriester, in Begleitung der jungen Männer und Bursche, der Reihe nach die Häuser, wo sich das Opferfleisch befindet, um über demselben und den andern Lebensmitteln die Gebete herzusagen. In dem Augenblick, wenn die Priester die Gebete spre- chen, neigen die jungen Leute, auf den Pferden sitzend, ihre Birkenruthen über den Tisch und spielen auf Pfeifchen, die aus der Rinde des Lindenbaums ver- fertigt sind. Haben sich die Priester mit ihrem Gefolge entfernt, so macht sich die ganze Familie dieses Hauses an die ihrer Ansicht nach geweihten Speisen und Getränke.

3) Zur Feier des Kindin parem (es wird in,einigen Dörfern auch Kisch- ljan genannt, Fest. des Kisel oder säuerlichen Breies, weil für dasselbe unter an- dern Speisen auch der Kisel bereitet wird) macht jede Familie aus jungem Ge- treide Brod, Brei und Bier. Am Tage des Festes wird der ganze Vorrath auf einen Tisch gestellt, an das Brod wird eine Wachskerze geklebt, und auf die vordere Ecke drei Kerzen zur Ehre für Juma, Mlande aba und Juman abä; der Hausherr mit der ganzen Familie kniet vor den Lebensmitteln nieder, dankt Juma für die reiche Ernte im verwichenen Sommer und bittet ihn, dafs er seine Wohl- thaten auch in Zukunft ihm nicht entziehen möge. Nach Beendigung des Gebets essen alle,das Brod, den Brei und Kisel, und trinken das Bier. Am Vorabende dieses Festes waschen sich Alle in der Badstube, und am Feste selbst legen sie weilse Kleider an.

4) Zum Schorok iol werden in jedem Hause drei Wedro Bier und Pfann- kuchen bereitet. In der Neujahrsnacht gehen zwanzig und mehr junge Bursche und Mädchen von Hof zu Hof in die Schafställe, und schreien, während sie die Schafe bei den Beinen ergreifen, mit aller Kraft: „Juma! nu ik jjaschisch, kok ijjaschim patscham!“ (Gott! gieb einjährige, zweijährige Lämmer!). Darauf gehen sie in die Isba (Gesindestube), essen Pfannkuchen und trinken Bier.

Was die nicht regelmälsigen Feste betrifft, so werden die gemeinsamen Opfer

Ueber die Religion der heidnischen Tscheremissen im Gouvern. Kasan. 153

stets nach dem übereinstimmenden Rathe erfahrener Greise eines oder einiger Dörfer vollzogen. Wenn diese nach gemeinschaftlicher Berathung festgesetzt ha- ben, dafs es nöthig ist, ein gemeinsames Gebet zu verrichten, so bestimmen sie zunächst, wieviel Vieh zum Opfer dargebracht werden soll; dann wählen sie den Ort zum Opfer; sie belasten die Theilnehmer an dem Opfer mit der nach einer Berechnung festgesetzten Summe zum Ankauf der Thiere, reinigen den Opfer- platz von Schutt‘ und benachrichtigen die Einwohner der benachbarten Dörfer über Zeit und Ort der Feierlichkeit, wenn vielleicht auch aus ihnen Jemand an der Darbringung des Opfers sich zu betheiligen wünschen sollte; sie brauen für die Festzeit auf gemeinsame Rechnung Bier und Meth und kaufen Wein.

Wenn aber nur eine Familie dem Juma ein Opfer bringen mufs, so thut das Oberhaupt derselben zunächst das Gelübde, das von einem Wahrsager bestimmte Opfer zu vollziehen. Dazu nimmt er einen Theil Mehl zum Backen der Kuchen, und einiges Geld zum Ankauf des versprochenen Thieres, und hängt sie in einem linnenen Beutelchen mit dem Zügel des geweihten Thieres in der Vorrathskammer auf, indem er dazu spricht: „Sieh her, da bereite ich Dir ein Opfer! Darauf wählt er den Opferplatz, in dessen Nähe gutes Wasser sein mufs; den Baum, bei welchem das Opfer stattfinden soll, umwindet er mit Birkenrinde, wodurch er auch Allen zu erkennen giebt, dafs man diesen Baum nicht fällen oder roh mit ihm umgehen darf. Wer damit bekannt ist, geht auch nicht nahe an ihn hinan.

Wenn die zum Opfer bestimmten Thiere alle bereit sind, so waschen sich diejenigen, welche an der Ceremonie Theil zu nehmen haben, am Abende vor dem Tage, an dem das Opfer vollzogen werden soll, in der Badstube und legen ein reines Hemd an. Am Tage des Opfers, mit Aufgang der Sonne, treiben die Opferpriester alle Thiere, welche zum Schlachten bestimmt sind, an den festge- setzten Ort und binden sie an Bäume; die Theilnehmer begeben sich ebenfalls sämmtlich dorthin, jeder mit einer Wachskerze, einer Schüssel und einem Löffel. Sobald Alle versammelt sind, fangen die Priester an, unter den vorhandenen Thie- ren ein zum Opfer taugliches auszusuchen (diese Tauglichkeit wird durch eine Wasserprobe erkannt; wenn das Thier, ganz mit Wasser begossen, sich schüttelt, so ist es der Gottheit, der es dargebracht werden soll, wohlgefällig), und die Anwesenden stehen während dessen in tiefer Stille und Andacht da. Nach der Auswahl knien alle nieder und flehen zu Juma, dafs er das Opfer annehmen und den Anwesenden Gesundheit herabsenden möge. Wenn dieses Gebet beendigt ist, so fangen einige von den Priestern an, das Thier zu schlachten, und andere zünden ein Feuer an, machen den Kessel zum Kochen des Fleisches bereit und kochen dasselbe; die Theilnehmer zünden die Kerzen an und kleben sie auf einen Tisch, der zu diesem Zwecke besonders aus Lindenholz angefertigt ist; diese Kerzen brennen bis zum Ende des Opfers, d.h. bis alle bezeichneten Thiere der Reihe nach geschlachtet und verzehrt sind. Das gekochte Fleisch wird in Stücke zerlegt, nach der Anzahl der Anwesenden, und unter sie vertheilt, und wenn Jeder seinen Antheil erhalten hat, fallen Alle wieder auf die Knie und bitten Juma um Annahme des Opfers; die Priester werfen indessen die Häute, die Knochen und Eingeweide ins Feuer. Endlich, wenn alles ins Feuer Gewor- fene verbrannt ist, erheben sich die Betenden und beginnen das Opferfleisch zu verzehren.

154 Miscellen:

Wenn einer der Theilnehmer am Opfer in Folge einer Krankheit oder aus anderen Ursachen nicht zugegen sein kann, so bringen ihm die Anwesenden den ihm zugefallenen Theil des Opferfleisches in das Haus, wo sie es unter Gebet mit Andacht verzehren. a

Sobald eine einzelne Familie ein Opfer darhringt, ist sie verpflichtet, das Opferfleisch allen Bewohnern ihres Dorfes und ihren Verwandten vorzulegen. Wem es beliebt, es anzunehmen, trägt es fort in sein Haus und verbraucht es mit seiner Familie als eine geweihte Gabe, in Andacht, nachdem er sich vorher durch Fasten gereinigt hat. i

In Bezug auf die zufälligen Feste ist noch Folgendes zu bemerken. Wenn ein gemeinsames Opfer dargebracht wird, so wird die Feier drei Tage hinterein- ander fortgesetzt. Während dieser Feste beschäftigen sich die Theilnehmer an denselben mit keiner Arbeit. Die Pfannkuchen, mit welchen das Opferfleisch verzehrt wird, dürfen nur von unverheiratheten und keuschen Frauenzimmern oder von alten Frauen und Wittwen bereitet werden. Bei den Opfern können auch Weiber und Kinder zugegen sein, und auch mit den Männern und Erwachsenen von dem Opferfleisch essen. Das zu dem gemeinschaftlichen Opferfeste be- reitete Bier und die übrigen berauschenden Getränke werden bis zum Ende des Opfers bei den Priestern zu Hause aufbewahrt. Hier trinken nur die Greise da- von. An den Opferplatz wird nur ein Wedro Bier getragen, welches, nach dem Kochen des Opferfleisches, in das Feuer ausgegossen wird.

IH. Gedächtnifsfeier der Todten.

Am Mittwoch nach dem Donnerstag der Charwoche oder am Semik (dem siebenten Donnerstag nach Ostern) gedenken die heidnischen 'Tscheremissen ihrer verstorbenen Verwandten und Bekannten. Diese Tage heifsen bei ihnen Sorta ketsche (Tag, an welchem die Lichter aufgesteckt werden).

Zu diesen Tagen bereiten sie für die Todten Pfannkuchen, gedörrten Zan- der, drei Wedro Bier und ein Lämpchen Wein. Dieser ganze Vorrath wird auf einen Tisch gelegt; daneben werden eine leere Schüssel mit Löffeln und ein lee- res Wedro mit Schöpfkellen hingestellt. An die Schüssel werden eben so viele Groschen-Wachslichte angeklebt als Todte gefeiert werden. Von den Theilneh- mern an der Gedenkfeier bricht nun Jeder Stückchen von den Pfannkuchen ab und wirft sie in die leere Schüssel, und giefst Bier in das Wedro, indem er dazu spricht: schüshno (lafs es hingelangen zu dem Verstorbenen, dessen ich gedenke). Sobald sie nun aller Verstorbenen der Reihe nach gedacht haben, so werfen sie die Pfannkuchen- Stückchen und das hineingegossene Bier den Hunden vor, und den Rest verzehren sie selbst. Wenn die Hunde während des Essens sich unter einander beifsen, so wird daraus geschlossen, dafs der Verstorbene in jener Welt glücklich lebt.

IV. Die Kart oder Opferpriester.

Mit dem Namen Kart werden bei den heidnischen Tscheremissen diejenigen Greise benannt, welche bei ihren Festlichkeiten die Gebete hersagen und die zum Opfern bestimmten Thiere schlachten.

Zu Kart werden durch gemeinsamen Beschlufs Greise von 60 und mehr

Grenze zwischen den russischen Besitzungen und Japan. 155

Jahren gewählt, die sich durch Kenntnifs der tscheremissischen Gottheiten, durch ein ehrwürdiges Leben und durch die Gabe, schnell und auf dem Fleck zu reden, auszeichnen. Im Falle eines Mangels an solchen Greisen in einem oder einigen der benachbarten Dörfer mufs man die Priester unter den Leuten von mittlern Jahren wählen, wenn sie die gedachten Eigenschaften besitzen.

So lange die Kart dieses Amt verwalten, geben sie den neugeborenen Kin- dern Namen, vollziehen die Trauungen und beerdigen die Verstorbenen.

Um dem Neugeborenen einen Namen zu bestimmen, hält der Kart entweder das Kind in seinen Händen, während es schreit, und wiegt es hin und her, in- dem er tscheremissische Namen hersagt; bei welehem Namen nun das Kind zu weinen aufhört, der wird ihm verliehen; oder er schlägt mit einem Steine Feuer an, indem er ebenso tscheremissische Namen hersagt; in diesem Falle wird der- jenige Name verliehen, bei welchem der Schwamm Feuer fängt. Bei Trauungen und Begräbnissen betet der Kart nur zu Juma, dafs er die in die Ehe Eintre- tenden mit irdischem Glück überhäufen, und den Todten abhalten möge, seine auf der Erde zurückbleibenden Verwandten und Bekannten zu beunruhigen. —n.

Grenze zwischen den russischen Besitzungen und Japan.

Die „Nordische Biene“ veröffentlicht in einer April-Nummer dieses Jahres den russischen Text des zwischen Rufsland und Japan am 26. Januar 1855 ab- geschlossenen Vertrages, der, obwol er sich als Grenz- und Handelstractat an- kündigt, dennoch die Grenzen der beiderseitigen Besitzungen nicht in definitiver Weise feststellt. Nach $. 2 soll die ganze Insel Iturup zu Japan, die ganze Insel Urup dagegen, sowie alle nördlich davon gelegenen Kurilen zu Rufsland gehören. Aber die Besitzverhältnisse auf Sachalin sind nicht genauer regulirt; der Vertrag sagt nur, dafs es in Bezug hierauf beim Alten bleiben solle, und dieser Ausdruck ist sehr unbestimmt, da die Russen im Jahre 1850 auch im Süden der Insel, an der Aniwa-Bai, erschienen waren und die japanesischen Beamten, die hier den Fischerei- Tribut einsammelten, verscheucht hatten. Nach dem Ausbruch des orientalischen Krieges entfernten sich die Russen aus dem Süden, und japanesi- sche Behörden traten wieder in Function. Der Besitz der ganzen Insel ist für Rufsland besonders deswegen von Wichtigkeit, weil tiefgehende Schiffe nur durch die Strafse La Peyrouse, nicht aber um die Nordspitze von Sachalin zur Amur- Mündung gelangen können; und von dem Besitz der Südspitze hängt die Herr- schaft über jene Meerenge ab.

Im Uebrigen entspricht der Vertrag den Bestimmungen des amerikanisch-

- japanesischen. Das Recht, Consuln zu ernennen, welches ‚den Amerikanern nur

nach langwierigen Verhandlungen und mit grofsem Widerstreben zugestanden wurde, ist für die Häfen Simoda und Hakodadi auch den Russen durch $. 6 ihres Tractats zugesichert worden. ee

Ein Blick auf die Küsten von Formosa.

Von den Unternehmungen der von Commander Rodgers befehligten Expedi- tion nach dem nördlichen Theile des Stillen Oceans erregen die Versuche, über

156 Miscellen:

die Insel Formosa neue Information zu gewinnen, besonderes Interesse. Aber der uns vorliegende und unten ausführlicher besprochene Bericht des Lieut. Ha- bersham täuscht die Erwartung, indem er die wissenschaftlichen Resultate nur in den allerallgemeinsten Umrissen erwähnt und erkennen läfst, dafs diese Ver- suche, so weit sie die Insel selbst und nicht die benachbarten Gewässer betreffen, durchaus fehlgeschlagen sind. In ersterer Beziehung wird in dem erwähnten Werke nur Folgendes bemerkt. Der Schraubendampfer Hancock fuhr im Januar 1855 von Shanghai nach Keilung, dem bekannten Hafen am Nordende der Insel, der nur ein paar Fahrzeuge falst. Der Schiffer findet hier indefs Enten, Gemüse und vorzügliche Orangen in Fülle; und dafs es in der Nähe der Stadt Steinkohlen giebt, ist durch Commodore Perry’s Expedition, die einige Proben davon zur Untersuchung mitgebracht hat, bestätigt worden. Keilung ist übrigens, nach Ha- bersham, ein chinesischer Verbannungsort. Der Hancock umsegelte dann die Ostküste der Insel und untersuchte sorgsam, ob sich hier ein Hafen befände; aber es zeigte sich nur ein hohes, steiles Felsenufer, hinter dem sich hohe Bergketten hinzogen, und längs des Ufers überall eine wüthende Brandung, welche es un- möglich machte, in Booten an’s Land zu gelangen. Am Ufer liefsen sich hin und wieder die Eingeborenen blicken, nackte wilde Gestalten, die von ihren chi- nesischen Nachbarn. in hohem Grade gefürchtet werden und bei ihnen im Rufe des Cannibalismus stehen. Zwei Chinesen, welche der Hancock zu Keilung an Bord genommen hatte, wurden durch die Landungsversuche in den äufsersten Schrecken versetzt und baten flehentlich, davon abzustehen. Unter solchen Um- ständen hatte diese Expedition keinen anderen Erfolg, als die Widerlegung der von einem früheren Schriftsteller verbreiteten Nachricht, dafs sich auf der Ost- küste der Insel mehrere schöne Häfen befänden; auf der Nordspitze und an der Westküste fehlt es daran nicht. Im Frühling desselben Jahres unternahm der Hancock eine zweite Expedition nach der Insel und lief dabei den Hafen Makung an, die gröfseste, von Chinesen bewohnte Ansiedelung auf den Pescadores. Er ankerte dann an der Westküste Formosa’s, und zwar an der südlichen Hälfte derselben. Das Land gewährte hier einen reizenden Anblick. Die ganze West- hälfte der Insel besteht aus lachenden, wohlbewässerten Ebenen, die mit schönen Hügellandschaften abwechseln und im Innern allmählich zu der Gebirgskette anstei- gen, welche den Ostrand der Insel begleitet. Das bunte Gemisch von Getreidefeldern, Dörfern, Fruchtgärten, durch welche man weiter im Innern zu den heerdenreichen Alpen gelangt, bestätigen die früheren Angaben über die Fruchtbarkeit dieses Theiles der Insel, auf dem Orangen, Bananen, Ananas, Cocoanüsse, Pfirsiche, Aprikosen, Trauben, Wassermelonen, Feigen, Walnüsse, Taback, Zuckerrohr, Pfeffer gedeihen und gepflegt werden. Die Bevölkerung besteht hier wie im Nor- den aus Chinesen, döch mit dem Unterschiede, dafs hier nur ein schmaler Küsten- strich im Besitze dieses Volkes ist. Auf der Ostküste und im Süden hausen Eingeborene, ein Räubervolk, welches unaufhörlich von den Bergen hernieder- steigt, um die chinesischen Ansiedelungen zu plündern und Menschen und Vieh in das Gebirge zu schleppen; bei ihrem unkriegerischen Geiste können sich die Chinesen dieser gefährlichen Nachbarn nicht erwehren; sie müssen stets auf der Hut vor ihnen sein und wagen es nicht, unbewaffnet ihre Wohnungen zu ver- lassen, boten auch Alles auf, um die Amerikaner von dem Versuch, in das Innere

en

Documente zur Geschichte der Entdeckung Neu -Mexico’s. 157

vorzudringen, zurückzuhalten. Einer der letzteren stiefs in der That auf einem Spaziergange, also offenbar nicht weit von der Küste, auf drei dieser Rothhäute; es waren hoch und schön gewachsene Männer, kupferfarbig, mit hervorstechenden Backenknochen, grobem schwarzem Haar, das ihnen bis auf die Schultern reichte; sie trugen einen leichten baumwollenen Mantel und grofse Ohrringe und waren mit Bogen bewaffnet. Die Amerikaner beabsichtigten, nachdem sie die Südküste der Insel umfahren hatten, bei den eigentlichen Wohnsitzen dieser Wilden zu landen; allein es war auch auf der zweiten Fahrt längst der Ostküste nicht mög- lich, irgend einen Hafen zu entdecken, und der Versuch, in Booten an’s Land zu kommen, scheiterte an der gefährlichen Brandung und an dem Umstande, dafs die Gewehre, die man doch einem solchen Volke gegenüber vielleicht hätte brau- chen müssen, nals geworden waren. Vom Schiffe aus sah man die Wilden sich schaarenweise am Ufer versammeln, Männer und Weiber, die ersteren nur mit einem um den Kopf gewundenen Tuche, die letzteren mit einem dünnen, vom Halse bis zu den Knien reichenden Gewande bekleidet. Von den Männern waren die meisten mit Bogen und Pfeilen, einige aber auch mit Schiefsgewehren be- waffnet. Ihre Wohnungen verriethen, so weit man sie vom Schiffe aus beobach- ten konnte, mehr Cultnr, als man erwartet hatte. Sie bestanden aus kleinen, gar nicht übel aussehenden steinernen Häusern und waren von gut gehaltenen Feldern und Fruchtgärten :umgeben. Die an Bord befindlichen Chinesen ver- sicherten, dafs ihre geraubten Landsleute von den Wilden gezwungen würden, solche Häuser zu bauen und das Feld zu beackern, blieben aber nichtsdestowe- niger bei der Behauptung, dafs die Gefangenen, die nicht zur Sklavenarbeit ver- werthet werden könnten, von den Barbaren geschlachtet und verspeist würden. „Alles,“ sagt Habersham, „was wir in Bezug auf Formosa erfahren konnten, läfst sich in wenigen Worten zusammenfassen. Die Insel ist 205 Miles lang, und durchschnittlich 60 Miles breit. Ihre Längenaxe erstreckt sich von N. bei O. nach $. bei W. Längs der ganzen Ostküste zieht ein Gebirge hin. Zwei ver- schiedene Menschenracen bewohnen die Insel, Chinesen und Rothe; die ersteren besitzen die Nord- und Westseite, die letzteren den Osten und Süden. Sie leben mit einander in fortwährender Feindseligkeit. Das Gebiet der Chinesen besteht aus Ebenen oder Hügellandschaften, das der Wilden aus einem rauhen Gebirgs- lande. Häfen finden sich auf der Nord- und Westküste, nicht aber auf der Ost- küste.“ , ht

Documente zur Geschichte der Entdeckung Neu-Mexico’s.

Die Smithsonian Institution beabsichtigt auf Antrag mehrerer ihrer Mitglieder

_ die Publication einer Anzahl handschriftlicher Documente über die Entdeckung Neu-Mexico’s, welche früher zum Theil dem Staats-Archive in Mexico angehör-

ten und nach der Eroberung dieser Stadt durch die Truppen der nordamerikani-

- schen. Freistaaten nach Washington gebracht wurden. Der erste Schritt zur Ent- \ deckung Neu-Mexico’s geschah durch den Mönch Marco de Nicia im Jahre 1539.

Derselbe brach von Pitatlan, der damals letzten spanischen Niederlassung am cali-

158 Miscellen:

Vacupa bis zum 26. Breitengrade vor, wo er durch die dort lebenden Indianer- stimme die ersten Nachrichten über die volkreiche Provinz Cibola mit ihren sie- ben, aus Stein und Mörtel erbauten festen Städten, sowie über den Reichthum dieses Landes an Gold, Türkisen und Smaragden einzog. Der schlechte Empfang jedoch, welcher den als Kundschafter ausgesandten Indianern in Cibola zu Theil wurde, vielleicht auch die unzulängliche Ausrüstung der Expedition nöthigte Nieia zur Umkehr. Ein oder zwei Jahre später drang eine neue, wohl ausgerüstete Schaar, durch die günstigen Nachrichten über das neue Goldland bewogen, unter Vasques de Coronado auf demselben Wege nordwärts vor und erreichte auf ihrem Zuge durch die ‚heutigen Provinzen Cinaloa und Sonora glücklich die berühmten Städte von Cibola. Freilich sind die uns aufbewahrten Berichte Coronado’s und Jarramillo’s, eines seiner Offiziere, von nur geringem Werthe; bei Weitem be- deutender ist der Bericht Castalieda’s, eines anderen Gefährten Coronado’s, wel- cher unlängst in einer mangelhaften französischen Uebersetzung erschienen ist. Die Copien dieser spanischen Berichte befinden sich gegenwärtig im. Besitz des Herrn H. Lenox zu Washington. Gleichzeitig mit dieser Landespedition Co- ronado’s wurde eine Schiffsexpedition unter Fernando de Alarcon zur Unter- stützung jener nach dem Meerbusen von Californien ausgesandt, welche an der Mündung des Rio Gila landete und in kleineren Booten den Lauf des Rio Colo- rado aufwärts verfolgte. Eine Vereinigung beider Expeditionen fand freilich nicht statt, doch wurde durch die letztere die bis dahin verbreitete Ansicht, dafs Unter- Californien eine Insel sei, widerlegt. Die Berichte über diese Reise, welche ur- sprünglich italienisch geschrieben, später bei Hackluyt in englischer Uebersetzung publieirt wurden, sind niemals im Original gedruckt und befinden sich gegen- wärtig im Besitz des durch seine mit Herın Emory gemachten Entdeckungen in Neu-Mexico bekannten Herrn Bartlett. Die von Domingo del Castillo mit grofser Genauigkeit entworfene Karte über die Seeküste, sowie über die Gegenden, wel- che Alarcon auf seinem Zuge berührte, befindet sich in einer Copie ebenfalls in Washington. Die nächste Expedition zur Untersuchung Neu-Mexico’s fand erst im Jahre 1583 unter Antonio de Espejo statt. Von San Bartolomeo oder Chi- huahua aus zog sie in nördlicher Richtung längs des Conchas-Flusses, einem süd- lichen Nebenflusse des Rio Grande, und erreichte auf diesem Wege Neu-Mexsico, Wie schon oben erwähnt, sollen die betreffenden handschriftlichen Berichte in den Memoiren der Smithsonian Institution veröffentlicht werden. Diesen Publica- tionen soll sich dann in zweiter Reihe der Abdruck von neun handschriftlichen Berichten über Neu-Mexico aus dem Ende des 17. und aus dem 18. Jahrhundert anschliefsen, nämlich:

4) Bericht über die Provincias Internas von Neu-Spanien, vom Lieut. Jose Cortes, geschrieben im Jahre 1799.

2) Tagebuch und Reiseroute durch die kürzlich entdeckten Gegenden nach NNW. von Neu-Mexico, von den Patres Silvestre Velez de Escalante und Franeisco Atanacio Dominguez im Jahre 1776. Beide Manuscripte befinden sich im Besitz des Herrn Peter Force.

3) Bericht des Lieut. Christobal Martin Bernal und des Pater Eusebio Fr. Kino und Anderer aus dem Jahre 1697, über den Staat Pimeria.

4) Brief des Pater Kino in Bezug auf eine mit dem Capit. Carrasco im Jahre

Die Fortschritte des Unterrichtswesens in Chile. 159

1698 von Pimeria nach NW. nach dem Golf von Californien und zurück unternommene Reise. 5) Brief des Pater Kino vom 16, September 1698 in Bezug auf die Lage von

Pimeria. 6) Brief des Pater Silvestre Velez de Escalante vom 24. April 1778, ent- haltend eine Geschichte von Neu-Mexico. Die Copien der unter Nr. 3

bis 6 bezeichneten Handschriften, welche sich in dem Königl. Archive von Mexico befinden, sind im Besitz des Herrn Buckingham Smith. 7) und 8) Reise des Mönches Franeisco Garces nach dem Rio Colorado und des Paters Pedro Font nach San Francisco, beide vom Jahre 1775. 9) Tagebuch des Fähnrichs Juan Mateo Monge über eine mit dem Pater Kino im Jahre 1697 nach Norden unternommene Reise, Die letzteren neun Berichte würden eirca 323 Folio-Druckseiten der Smith- sonian Publications einnehmen. Schliefslich machen wir auf eine eben erschienene Broschüre aufmerksam: H. M. Brackenridge, Early Discoveries by Spaniards in New Mexico: contai- ning an Account of the Castles of Cibola, and the Present Appearance of their Ruins. Pittsburgh 1857. 48 S. gr. 8., welche mit Zugrundelegung der älteren oben erwähnten Berichte über Neu-Mexico den Ansichten Emory’s und Bartlett’s gegenüber sich über die Abstammung der alten Bewohner Neu-Mexico’s und über die von ihnen hinterlassenen baulichen Monumente verbreitet. —r.

Die Fortschritte des Unterrichtswesens in Chile.

Unter den südamerikanischen Ländern spanischer Zunge ist Chile das ein- zige, in welchem die Regierung ebensowol für die Hebung des materiellen Wohl- standes, wie für die Volksbildung in umfassender Weise zu wirken sucht. Wäh- rend im Norden und Osten dieses Staates die in der Zeit der spanischen Herr- schaft begründeten Bildungsinstitute untergegangen oder in schnellem Verfall be- griffen sind, schafft man in Chile mit Ernst neue solide Grundlagen für das Wohl

der kommenden Generationen. Und diese Thätigkeit verdient, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, welche das widerstrebende Material eines lange ver- nachläfsigten Volkscharakters ihr in den Weg legt, besonders deshalb volle Aner- kennung, weil die republikanische Regierung ihre geringen Mittel sorgsam zu Rathe halten mufs und die Zersplitterung der spärlichen Bevölkerung über ein ausgedehntes Staatsgebiet einer Wirksamkeit für den Volksunterricht sehr hinder- lich ist. Aus einigen, dem vorjährigen National- Congrefs vorgelegten Acten- stücken entnehmen wir, dafs die Regierung auch in dem letzten Verwaltungsjahre (Juni 1855 bis Juni 1856) nicht müde geworden ist, auf diesem Gebiete eine förderliche Thätigkeit zu entwickeln.

Es sind in diesem Jahre nicht weniger als 47 Elementarschulen (25 für Knaben, 22 für Mädchen) neu eingerichtet, 23 besser dotirt, 25 mit den er- forderlichen Fonds zur Erweiterung ihrer Baulichkeiten, und 13 in Anbetracht ihrer grofsen Schülerzahl mit Hilfslehrern versehen worden. Um eine umfassende Organisation und schnellere Hebung des Volksschulwesens vorzubereiten, beab-

160 Miscellen:

sichtigt die Regierung, solche Schulvisitationen, wie sie in einigen Provinzen statt- gefunden haben, regelmälsig im ganzen Lande wiederkehren zu lassen, und zu diesem Behufe für jede Provinz einen Visitator anzustellen, der auch zu geeig- neter Zeit die Schulmänner der Provinz zu Conferenzen versammeln und durch die Leitung gemeinsamer Berathungen und Uebungen auf möglichste Vervoll- kommnung der Unterrichtsmethode hinwirken soll. Die Regierung verlangt dazu vom Congre[s die Bewilligung der erforderlichen Geldmittel. Das Lehrerseminar hatte in dem abgelaufenen Jahre 31 Zöglinge entlassen, die sofort eine Anstellung fanden; das vor Kurzem eingerichtete Lehrerinnen-Seminar hatte seinen ersten Cursus noch nicht beendet.

Um nun dem Volke auch nach der Schulzeit Gelegenheit zur Fortbildung zu geben, hat das Gouvernement den weitaussehenden Plan, in allen Departe- ments-Hauptstädten Volksbibliotheken anzulegen; der Minister der Justiz und des Volksunterrichts zeigt an, dafs dieser Plan in 23 Städten bereits zur Ausführung gekommen ist; unter den letztern befinden sich auch Valdivia und Osorno, Städte, die als Centralpunkte deutscher Auswanderung für uns ein besonderes Interesse haben. Die Idee scheint an mehreren Orten lebhaften An- klang gefunden zu haben, da sich sowol städtische Behörden wie Privatpersonen bereit zeigten, zu diesem Zwecke Geldbeiträge zu liefern; die Bewohner von Con- cepcion z. B. haben für ihre Bibliothek 450 Piaster beigesteuert. Die Regierung glaubt, in kurzer Frist den Plan in‘ allen Departementsstädten durchführen zu können, und bringt einen Gesetzentwurf ein, hierzu wie für sonstige Schulzwecke die sogenannten mandas forzosas zu verwenden, eine Abgabe, deren Ertrag früher dem National-Institut zuflo[s, später aber, als dieses Collegium aus Staats- mitteln hinlänglich dotirt war, in den einzelnen Provinzen zu Gunsten der Ly- ceen, hin und wieder auch schon für die Elementarschulen verwendet wurde. Die mandas forzosas bestehen in einer Abgabe von 6 Piastern für jede testamen- tarische Verfügung über mehr als 1000 Piaster zu Gunsten natürlicher Erben, von 12 Piastern von jedem Intestat-Erben, und von 50 Piastern für ‚andere testa- mentarische Vermächtnisse. Da diese Besteuerung weder auf die Gröfse des hinterlassenen Vermögens noch auf die Verwandtschaft des Erben mit dem Erb- lasser Rücksicht nahm, schlägt die Regierung vor, die stabile Abgabe in einen Procentsatz nach dem Vermögen umzuwandeln und den Procentsatz nach dem Verwandtschaftsgrade des Erben abzustufen. Die Steuer würde dadurch nach den Grundsätzen der Billigkeit veranlagt werden und einen höhern Ertrag versprechen.

Als einen empfindlichen Uebelstand bezeichnet die Regierung den Mangel der spanischen Literatur an geeigneten Volksschriften. Sie ist dadurch genöthigt worden, zu Uebersetzungen ihre Zuflucht zu nehmen.

Was den höhern Unterricht betrifft, so ist die Landesuniversität im ab- gelaufenen Jahre durch einen Lehrstuhl für Staatswissenschaften erweitert wor- den. Die Publicationen der Docenten in den Annales de la Universidad de Chile haben hauptsächlich die Förderung der Landeskunde zum Zweck und gewinnen dadurch auch für uns ein besonderes Interesse '). Aulser der Universität besitzt

') In dem letzten Bande der Annales (1854) befinden sich unter andern fol- gende Abhandlungen: Manuel Cortez, Influjo del temperamento de la Serena sobre

u

Die Fortschritte des Unterrichtswesens in Chile. 161

Santiago ein astronomisches Observatorium, welches bekanntlich der astro- nomischen Expedition der Nordamerikaner nach Chile (unter Gillifs) seine Ent- stehung verdankt. Es hat vorläufig noch mit mehrern Mängeln der Einrichtung zu kämpfen: manche Apparate können in den vorhandenen Räumlichkeiten nicht zweckmäfsig aufgestellt werden, und die bis jetzt benutzten Gebäude sind so mangelhaft, dafs sie den Instrumenten keinen hinlänglichen Schutz gewähren. Aber der schlimmste Uebelstand liegt wie sich allmählich herausgestellt hat darin, dafs der Hügel, auf dem das Observatorium steht, sich in einer oscillatorischen Bewegung befindet, die durch die Dehnbarkeit des Gesteins hervorgerufen wird und namentlich im Februar so beträchtlich ist, dafs sie bei den Beobachtungen - im Reehnung gezogen werden muls '); die Regierung verlangt deshalb 8000 Pia- _ ster zum Bau eines neuen Observatoriums. Inzwischen ist das Institut sehr thätig _ gewesen; es sind zahlreiche und regelmäfsige Beobachtungen (darunter 2140 Me- ridian-Beobachtungen) angestellt worden, die schon durch die Lage der Stern- warte auf der andern Hemisphäre einen besonderen Werth erhalten und deren Resultate zum Theil in den Altonaer „Astronomischen Nachrichten * publieirt sind; auch neue Instrumente sind angeschafft und die Bibliothek erweitert oder eigentlich erst begründet worden.

Auch das National-Museum, unter Leitung eines Deutschen, des Dr. R. A. Philippi, hat sich einer aufserordentlichen Beihilfe von Seiten der Re- gierung erfreut und seine Sammlungen durch die Ergebnisse der Reisen Philippi’s nach Valdivia und des Subdireetors Germain nach den Cordilleren von Chillan und Linares erheblich erweitert. Von einheimischen Naturalien sind bereits zahl- reiche Duplicate vorhanden, welche das Directorium in den Stand setzten, einen Austausch mit andern Museen vorzunehmen oder vorzuschlagen. Eine Tausch- sendung aus Kassel, bestehend aus den Häuten von 11 Quadrupeden, aus 129 Vögeln, über 1000 Inseeten und 900 Species eingelegter Pflanzen, ist bereits wohl erhalten eingetroffen; eine andere von Hamburg wurde erwartet; auch mit

En

las enfermedades mas comumes en esta ciudad. Ign. Domeyko, Apuntes minera- lojicos sacados del ültimo viaje al norte de Chile. Brunner, Sobre la epidemia de 1851 en la Serena. L. Troncoso, Observaciones meteorolojicas correspon- dientes al ano de 1853 y a los cuatro primeros meses de 1854, hechas en la Serena. R. Philippi, Memoria sobre el hierro meteörico del Desierto de Atacama. Lista de las observaciones meteorolojicas hechas en Valdivia desde Setiembre de 1853 hasta fines de Marzo de 1854. Ign. Domeyko, Eximen y andlysis de las sales que se hallan esparcidas en la superficie del suelo em el Desierto de Atacama. C. Schythe, Observaciones meteorolöjicas hechas en Punta Arenas (Estrecho de Ma- gallanes) desde el de Setiembre de 1854. Bollaert, Observaciones sobre las minas de carbon de Chile. Traducido del Ingles.

!) Der Director des Observatoriums, Carlos Moesta, erklärt in seinem Bericht, eine sorgsame Prüfung und Vergleichung. der Resultate der Beobachtungen habe ihn überzeugt, que toda la parte del cerro en que esta montado el Circulo -Meridiano tiene ademas un movimiento oscilatorio producido por la dilatacion de la roca de que se compone el cerro. Esto movimiento produce el fatal efecto de que la linea visual del anteojo no conserva una misma direccion con respecto al Meridiano, sino que esta oscilando continuamente «& umo i otro lado de este, i la variacion, que llega d su mäximo en el mes de febrero, es tan grande que es indispensable tomarla en cuenta para poder hacer uso de las observaciones.

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. II. 11

162 Miscellen:

dem Museum von Sidney sind Unterhandlungen angeknüpft. Unter den Samm- lungen des Museums ist die mineralogische zur Zeit noch die ärmste; dage- gen ist die Sammlung chilenischer Pflanzen ziemlich vollständig, seitdem sie durch Philippi’s Reisen in der Wüste Atacama und der Provinz Valdivia, durch Germain’s oben erwähnte Reisen und durch eine Sendung des Arztes der Colo- nie Llanquihue, Dr. Fr. Fonck, das Resultat seiner Expedition nach dem See Naguelhuapi (s. Zeitschr. Bd.I, 8.179 £.), einen beträchtlichen Zuwachs erhalten hat. Die Sendung Fonck’s enthielt 12 neue Species; Germain brachte von sei- ner letzten Reise 448 Species mit, darunter über 80 noch nicht beschriebene, und namentlich ein ganz unbekanntes .schönes Nadelholz von der Cordillere von Linares, mit einer elsbaren Frucht, die wie eine Kirsche aussieht, Sänmtliche Pflanzen sind familienweise nach dem System Gay’s geordnet. Von fremden Pflanzen besitzt das Museum 2600 Species, meist aus Frankreich. Auch die Sammlung von Holzarten ist sehr bereichert, und eine Sammlung von Früchten, Harzen u. dgl. neu angelegt worden. In der zoologischen Abtheilung ist der Zuwachs an Vögeln der beträchtlichste gewesen; hier sind zahlreiche Duplicate zum Tausch mit andern Museen vorhanden. Reptilien und Fische konnten erst seit kurzer Zeit gesammelt werden, da erst ganz neuerdings die dazu erforder- lichen Gläser aus Europa eingetroffen waren; dieser Zweig ist erst durch 42 Spe- cies und 52 Duplieate von Reptilien, und 21 Species und 25 Duplicate von Fischen vertreten. Die Insectensammlung ist reichhaltig; sie hat indefs noch nicht auf- gestellt werden können, „in Folge einer unvorhergesehenen Schwierigkeit,“ sagt Dr. Philippi in seinem Bericht, „denn es ist in Santiago kein Kork aufzutreiben, um den Boden der Fächer damit auszulegen, und man mufs dieses Material erst aus Europa verschreiben!“ Von Schalthieren sind 145 Species vorhanden, die Hälfte von den in Chile bekannten, von Crustaceen 87, darunter 9 Species, die J. Schythe von der Magalhaens-Strafse sandte. Als eine besonders interessante Erwerbung erwähnt Philippi noch drei alt-peruanische Mumien mit den in den Gräbern vorgefundenen Geräthschaften, aus der peruanischen Provinz Tarapaca, und eine vollständige Sammlung von Kleidern, Waffen, Geräthschaften der pata- gonischen Indianer, womit der Grund zu einem ethnologischen Cabinet gelegt ist.

Dafs Chile auch eine Anstalt für taubstumme Knaben und eine andere für taubstumme Mädchen besitzt, ist ein vorzügliches Zeugnifs für das Land; zur Leitung des erstern Instituts hatte man einen Director in Europa engagirt und die Knaben inzwischen in Handarbeiten unterwiesen; das andere ist besser dotirt worden; einige Nonnen „zum guten Hirten“ hatten Frankreich verlassen, um an dieser Anstalt zu wirken.

Die Kunst- und Gewerbe-Schule zu Santiago ist mit Maschinen, Werkzeugen u. s.w. im Werth von 34,460 Piastern reichlich ausgestattet und hat neuerdings ein Grundstück zur Erweiterung seiner Baulichkeiten gekauft, um für drei neue Lehrwerkstätten (Kupferschmiede, Knopf- und Stellmacher) Raum zu gewinnen. Es sind für diese Zweige in Europa Lehrmeister engagirt. Der grofse Nutzen dieses Instituts hat die Regierung bestimmt, für die südlichen Provinzen in Talea eine neue Kunst- und Gewerbeschule zu begründen, die im Anfange des vorigen Jahres eröffnet ist.

Zur Pilege der Künste existiren in Santiago eine Bildhauerschule, eine Maler-

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Die historisch-geographische Gesellschaft in den La Plata-Staaten. 163

Akademie mit einer Abtheilung für Historienmaler, und ein Conservatorium der Musik, welches grofsen Anklang findet. Für die Bauschule hoffte man einen Di- rector in Frankreich zu engagiren.

Schliefslich müssen wir noch erwähnen, dafs die neu eingerichtete Hebammen- Lehranstalt im verflossenen Jahre ihren ersten Cursus beendet und 30 geprüfte Frauen entlassen hat, eine Zahl, die, wie der Minister bemerkt, dem im gan- zen Lande fühlbaren Mangel an Hebammen noch bei Weitem nicht abhelfen kann. Es ist deshalb sofort ein neuer Cursus eröffnet worden.

Es erhellt aus dem Obigen, dafs die Regierung allen Zweigen des Unter- richtswesens ihre wohlwollende Aufmerksamkeit zuwendet und dafs Chile in dieser Beziehung vor allen andern südamerikanischen Staaten den ersten Rang behauptet. Wenn die hier ausgestreute Saat gedeiht, werden die Früchte auch dem mate- riellen Wohlstand zu Gute kommen, sowol durch Erhöhung der eignen produeti- ven Thätigkeit, wie sie die natürliche Folge gesteigerter Intelligenz ist, als auch durch die mächtige Anziehungskraft, welche ein auf dem Wege der Civilisation rüstig fortschreitender und seine materiellen Hilfsquellen entwickelnder Staat auf den Handelsverkehr ausübt. Im

Die historisch- geographische Gesellschaft in den La Plata- Staaten.

Die Argentinische Republik, welche in neuester Zeit in so erfreulicher Weise die Bahn des politischen Fortschritts betreten hat, scheint auch in wissenschaft- licher Beziehung den eivilisirten Staaten nacheifern zu wollen. Mannigfache wissen- schaftliche Institute sind entstanden und in der im Jahre 1854 beschlossenen und im vergangenen Jahre ins Leben getretenen historisch-geographischen Gesellschaft - begrü/sen wir neben dem in Rio Janeiro schon seit einer Reihe von Jahren be- stehenden Instituto histörico-geogräfico eine zweite Schwestergesellschaft für Süd- Amerika. Aus den vorliegenden Dases orgänicas del Instituto historico-geogräfico del Rio de la Plata. Buenos Aires 1856. 8. und Reglamento constitutivo del In- stituto histörico-geogräfico del Rio de la Plata. Buenos Aires 1856. 8. entnehmen wir, dafs die Gesellschaft das Studium der Geschichte, Geographie und Statistik der La Plata-Staaten sich als Hauptzweck gesetzt hat. Sammlungen von Druck- werken, handschriftlichen Documenten, Karten über alle Theile Amerika’s und ein ethnographisches Museum sollen begründet werden. Wissenschaftliche Ar- beiten, mögen dieselben von Mitgliedern der Gesellschaft verfafst sein, oder von Nichtmitgliedern dem Vorstande vorgelegt und für den Druck geeignet gefunden werden, sollen in einer periodisch erscheinenden Reyue aufgenommen werden. Grölsere Arbeiten jedoch, welche für den beschränkten Raum dieser Zeitschrift nieht passen würden, sollen mit dem Zusatz auf dem Titel des Buches: „Publi- cada bajo los auspicios del Instituto Histörico-Geogräfico del Rio de la Plata“ auf Kosten der Gesellschaft gegen Abgabe einer Anzahl Frei-Exemplare gedruckt werden. Vorzügliche Arbeiten werden aufserdem nach Prüfung des jährlich ab- zuhaltenden General-Congresses prämürt. Die drei Sectionen, in welche die Ge- sellschaft sich theilt, die historische, geographische und statistische, zerfallen jede

la

164 Miscellen:

wiederum in eine Anzahl von Commissionen; die historische nämlich in die Com- missionen für alte und neuere, Militair- und Kirchen-Geschichte, für Biographie, Chronologie und einheimische Linguistik; die geographische Section in die Com- missionen für Geographie, Topographie und Hydrographie, Geologie, Reisen und Entdeckungen und Ethnographie; die statistische Section in die Commissionen für alte Landesstatistik, neuere Statistik des Bodens und der Bevölkerung, In- dustrie-, Handels- und Schifffahrts-Statistik, Statistik der öffentlichen Verwaltung und des Landbau’s, Justiz- und Unterrichts-Statistik. Man sieht hieraus, dafs die Gesellschaft, welche nur aus 100 ordentlichen Mitgliedern bestehen darf, wäh- rend die Zahl der Ehren- und correspondirenden Mitglieder nicht beschränkt ist, ihre Thätigkeit in umfassender Weise zu organisiren gedenkt. - Wir wünschen, dafs die in den Bases orgdnicas ausgesprochenen Absichten erreicht werden möchten. —t.

Die beabsichtigte Erforschung einiger minder bekannten (menos conhecidas) Provinzen Brasiliens durch eine grolse wissenschaftliche National-Expedition.

Der Kaiser von Brasilien hat beschlossen, durch eine grofse wissenschaftliche National-Expedition zunächst einige der minder bekannten Provinzen Brasiliens nach allen Richtungen hin und ohne Ansehung der dadurch erwachsenden Kosten erforschen zu lassen. Die Expedition, welche von Rio de Janeiro zu Anfang des Jahres 1858 aufbrechen wird, theilt sich in fünf Sectionen, deren jede unter einem besonderen Chef steht. Jedem Chef werden besondere Assistenten (sämmt- lich Doctoren) und die nöthigen Gehilfen, sowie eine grofse Anzahl von Instru- menten und Lastthieren beigegeben werden. Sämmtliche Theilnehmer der Expe- dition sind Brasilianer von Geburt.

Die Instructionen für jede Section wurden durch das Instituto Haitenits e Geographico Brazileiro im „Jornal do Commercio“ von Rio de Janeiro vom 20,, 22. und 24. November 1856 veröffentlicht.

Die Instruction für die:

‚Seccao Botanica ist bearbeitet durch Herım Francisco Freire Allemäo, welcher auch selbst zum Chef der botanischen Section, sowie zum Hauptmann der ganzen Expedition ernannt ist;

‚Secgao Mineralogica ist vom Chef dieser Section Herrn G. $. de Capanema aufgestellt;

‚Secgao Zoologica bearbeitete Herr M. F. Lagos, welcher ebenfalls zum Chef der zoologischen Section ernannt ist;

‚Secgao Ethnographica e narrativa da viagem wurde von Herrn Porto - Alegre aufgestellt, da der Chef dieser Section, Herr A. Gonsalvez Dias, bekanntlich der-ausgezeichnetste brasilianische, resp. portugiesische Dichter '), gerade

!) Vor Kurzem erschien bei Brockhaus in Leipzig eine neue Auflage seiner Gedichte.

Expedition zur Erforschung einiger minder bekannten Provinzen Brasiliens. 165

während der Bearbeitung der Instructionen für die Expedition sich in Eu- ropa befand, wo er sich noch gegenwärtig aufhält;

Seceao Astronomica e Geographica bearbeitete der Professor der Mathematik Herr Candido Baptista de Oliveira, welcher aber selbst nicht Theilnehmer der Expedition sein wird. Herr Gaballi, gegenwärtig von seiner Regierung nach Europa gesendet ?), ist zum Chef dieser Section ernannt.

Diese Instrucetionen berechtigen zu der Annahme, dafs man die grofsartige Untersuchung Brasiliens, welche man zunächst mit einigen minder bekannten (nördlich von Rio de Janeiro gelegenen) Provinzen beginnen, aber ohne Zweifel später über den gesammten Kaiserstaat ausdehnen wird, mit Kraft und Eifer, mit einem von allen Vorurtheilen freien wissenschaftlichen Sinne angreifen will.

Wird diese Riesenaufgabe so durchgeführt, wie man es sich vorgenommen hat, so mu/s Grofses für die Wissenschaft und den Staat selbst geleistet werden, denn diese Expedition beabsichtigt, die berührten Länderstecken nicht nach Tou- risten-Art zu durehfliegen, sondern wirklich zu erforschen, eingehend selbst auf wissenschaftliche Specialitäten.

Da der Kaiser das regste Interesse sowohl für das Wohl seines Landes, als auch für die Wissenschaft selbst hat und den gewaltigen Einflufs erkennt, den die Wissenschaften auf das geistige und materielle Wohl eines Volkes auszuüben vermögen, so werden voraussichtlich keine Opfer gescheut werden, das begonnene Reisewerk glänzend durchzuführen. 4"

Neuere Literatur.

J. Roth, Der Vesuv und die Umgegend von Neapel. Eine Monographie. Mit Tafeln und Holzschnitten. Berlin (W. Hertz) 1857. XLIV u. 540 8. gr.8. (44 Thlr.)

Ueberblicken wir die Literatur der Reisewerke über Italien, welche den Fe- dern Hunderter von Touristen entflossen, einem Lavastrome gleich, den Bücher- markt überschwemmt haben, so wird sich in dieser mit glühenden Farben gemalten Masse, ist dieselbe einmal vor der ruhigen und vorurtheilslosen Kritik erkaltet, ein verhältnifsmäfsig nur geringes, für eine wissenschaftliche Ausbeute nutzbares Material vorfinden. Jene Werke enthalten meistens in steter Wiederholung die mächtigen Eindrücke, welche Italiens Natur und Kunstschätze auf jeden Reisenden machen, nur hier und da, je nach der gröfseren oder geringeren Bildung des Be- schauers, mit selbstständigen Urtheilen untermischt. Freilich giebt es eine Anzahl

2) Aufser den beiden genannten Herren A. Gonsalvez Dias und Gaballi hielten sich und halten sich resp. noch jetzt zwei brasilianische Gelehrte in Europa auf: der brasilianische Deputirte Herr Dr. J. Gomes de Souza, ein bedeutender Mathema- tiker und Naturphilosoph, und der als gelehrter Jurist bekannte Herr Dr. Ernesti Fereira Franga, welcher im verflossenen Winter in Dresden einen Cyelus eben so in- teressanter als gelehrter Vorlesungen über sein Vaterland hielt,

166 Neuere Literatur:

Werke, welche jener grofsen Masse nicht angehören, sondern durch eine auf eigene Anschauung basirte gründliche Untersuchung den Anspruch machen, eine wesent- liche Lücke in der Wissenschaft auszufüllen. Diesen rühmlichen Ausnahmen schliefst sich ohne Zweifel das vorliegende Werk über den zwar vielbeschriebe- nen, aber meistentheils falsch und unvollkommen beschriebenen Vesuv an. Man betrachte nur die Literatur über die Geschichte der Ausbrüche vom Jahre 1631 bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, sowie zu Ende des Werkes die über die Ausbrüche vom Jahre 1750 bis zum Jahre 1856, welche die Grundlage für die ganze Arbeit bildet und durch deren Zusammenstellung der Verf. neben seinen Verdiensten nm die Geognosie sich auch das Lob als fleifsiger Bibliograph er- worben hat, so wird man die Schwierigkeiten anerkennen müssen, welche dem Verf. bei der Kritik der Literatur älterer und neuerer Zeit entgegengetreten sind, wo mangelhafte, oft nur dilettantische Beobachtungen Wahres mit Falschem unter- mischt hervorgebracht haben. Durch diese möglichst vollständige Zusammenstellung der Gesammtbibliographie über den Vesuy, welcher die Vorarbeiten des Professors A.Scacchi zum grofsen Theil zu Grunde gelegt sind, war es allein möglich, eine Chronik der Ausbrüche des Vulkans, sowie eine Anschauung der während dieser Ausbrüche jedesmal veränderten Gestaltung des Kraters zu erlangen. Nächst die- sem bibliographischen Verdienst des Verf. möchten wir aber auch das compila- torische Geschick desselben hervorheben, mit welchem er aus der grofsen Masse des in der Neuzeit über den Vesuv Geschriebenen nur dasjenige ausgewählt hat, was dem wissenschaftlichen Standpunkte seines Werkes vollkommen entsprechen konnte. Zu einer geschiekten Compilation gehören jedenfalls umfassendere Stu- dien, und diese hat Herr Roth überall bei der Sichtung der umfangreichen Lite- ratur documentirt. Namentlich ausführlich sind die Berichte über den Zustand des Vesuys aus den Jahren 1832 bis 1834, 1839, 1850 und 1855, welche den Arbeiten Pilla’s, Scaechi’s, Palmieri’s und Guarini’s entnommen sind. Nach die- sen. Beschreibungen und den dabei angestellten Beobachtungen läfst der Verf. eine Geschichte des Kraters vom Jahre 1749 bis 1839 folgen, dann eine Unter- suchung über die Flammen des Vulkans, eine Analyse der im Vesuy vorkommenden Lava und Mineralien, Beobachtungen über die bisweilen durch Sublimation ent- stehenden Silikate der Somma und des Vesuys, sowie über die fossile Fauna des Berges, theils den Arbeiten Pilla’s, Scacchi’s und Guiscardi’s entlehnt, theils auf eigene Anschauung begründet. Den Schlufs des Werkes bilden die Berichte über das mit dem Gebirgssystem des Vesuys so eng zusammenhängende Phlegräische Gebiet, theils nach den Aufzeichnungen der obengedachten italienischen und deut- schen Geognosten, theils nach des Verf. eigenen Beobachtungen zusammengestellt. Namentlich aber müssen wir dem Verf. für die mühsame Zusammenstellung, der verschiedenen Höhenmessungen des Vesuys und des Phlegräischen Gebiets dank- bar sein. Sehr instructiv sind die beigefügten Abbildungen, welche auf Tafel I die Veränderungen der Gestalt des Vesuvs in der Zeit von 1631 bis 1737, dann auf Taf. I die Darstellung des Kraters aus der Zeit von 1756 bis 1828, auf Taf. IH und IV das Bild des Kraters im Juni und Juli des Jahres 1805 und im Jahre 1833, auf Taf. V die Darstellung der Seitenausbrüche im Februar 1850 und im Mai 1855, auf Taf. VI den Krater im Anfang des Augusts 1856 geben. Die Tafeln VIT—IX enthalten die Uebersichtskarte der bedeutendsten dem Krater

A. W. Habersham: The North Pacific Expedition ete. 167

L entflossenen Lavaströme, eine Karte der Phlegräischen Felder und eine Karte der Insel Ischia. Jedenfalls tritt dieses Werk, von dem der Verf. in der Vorrede sagt, dafs es an Ort und Stelle als geognostisches Handbuch, überhaupt als Ein- leitung in das Studium der Erscheinungen der Vulkane dienen und dem Geolo- gen, der über einzelne Phänomene oder einzelne Ausbrüche sich unterrichten will, zum Nachschlagen dienen möge, würdig dem grofsen Werke von Sartorius von Waltershausen über den Aetna zur Seite. 58

The North Pacifie Surveying and Exploring Expedition; or, My Last Cruise. Where We Went and What We Saw. Being an Account of Visits to the Malay and Loo-Choo Islands, the Coasts of China, Formosa, Japan, Kamtschatka, Siberia and the Mouth of the Amoor River. By A. W. Habersham, Lieut. U. S. N. Philadelphia 1857.

Die wissenschaftliche Expedition, an die sich die vorliegenden Reiseskizzen anlehnen, bestand aus fünf Fahrzeugen, die sich, wie es bei der amerikanischen Marine gewöhnlich ist, in einem sehr kläglichen Zustande befanden und schon bei ihrer Ankunft am Cap bedeutender Reparaturen bedurften; eines derselben, die Kriegsbrigg Porpoise, ist in der chinesischen See spurlos untergegangen. Die Expedition wurde anfangs von Commander Ringgold, dann von Rodgers 'befeh- ligt und stach am 21. Juni 1853 in See. Erst im November konnte sie die Cap- stadt verlassen; zwei Schiffe wandten sich nach Australien, um sich von hier nach Hongkong zu begeben; die drei andern gingen nach Batavia, wo sie gegen Ende des Decembers eintrafen und sofort ihre hydrographischen Arbeiten anfingen. Sie verwendeten die vier ersten Monate des Jahres 1854 ‘darauf, die Gaspar- Stralse aufzunehmen und die zahlreichen Irrthümer zu berichtigen, die sich nach Habersham’s Versicherung auf den bisherigen Karten dieses Gewässers vorfinden, ankerten an dem 4 Miles langen und 1 Mile breiten Selio Island, das zwar un- bewohnt ist und nur von Zeit zu Zeit von malayischen Fischern besucht wird, aber durch seinen Reichthum an Flüssen, Bächen und fischreichen Binnenseen, wie durch seine von Hirschen, wilden Schweinen und zahlreichem Geflügel be- lebten Waldungen den Schiffern erwünschte Vorräthe zu liefern vermag, besuchten Singapore und die Insel Banca. Nach Beendigung der Arbeiten in diesen Ge- wässern segelten die Schiffe nach Hongkong, dem Vereinigungspunkte des ganzen Geschwaders, wo man wieder umfassende Reparaturen vornehmen mufste und Ringgold seiner angegriffenen Gesundheit wegen das Commando niederlegte. Ha- bersham wurde dem Schraubendampfer Hancock zuertheilt und beschränkt sich seitdem darauf, über die Unternehmungen dieses Schiffes zu berichten. Erst im September war das Geschwader 'so weit, wieder in See gehen zu können; zwei Fahrzeuge, das Flaggenschiff Vincennes und die Brigg Porpoise sollten die Gewässer um die Bonin-, Lutschu= und kleineren japanesischen Inseln erforschen, während der Hancock und der Schooner Cooper in Verbindung mit dem unsern "Lesern bereits bekannten Flaggenschiff des Commodore Perry, Powhatan, und dem englischen Schraubendampfer Rattler sich nach dem Golf von Petschili be-

168 Neuere Literatur:

geben sollten, um über die Möglichkeit, in die Mündung des Peiho einzudringen und sich der chinesischen Hauptstadt zu nähern, Gewilsheit zu erlangen.

Nach einer stürmischen Fahrt zur Zeit des Herbst- Aequinoctiums landeten die Schiffe in Futschaufu und ankerten bei der Pagode Loah sing tah, am Flusse Min, dem gewöhnlichen Ankerplatz der Kauffahrteischiffe, 25 Miles von der See, 9 Miles von Futschaufu entfernt. Grofse Boote bringen zur Zeit der Ebbe hier- her die für die fremden Schiffe bestimmten Theeladungen und kehren mit der Fluth wieder stromaufwärts zur Hauptstadt zurück; der Flufs hat an der grofsen Granitbrücke von Futschaufu eine Breite von 2000 Fufs und wird durch eine nicht weit von dem südlichen Ufer gelegene kleine Insel in zwei Arme getheilt; nur auf dieser Insel und auf einem beschränkten Gebiete am linken Flufsufer dürfen europäische Kaufleute sich ansiedeln. Der Export der Stadt, in welchem der Thee die Hauptrolle spielt, hatte sich in den letzten 6 Jahren von Jahr zu Jahr beinahe verdoppelt. Die Stadt selbst, deren Einwohnerzahl Habersham bei- läufig auf 800,000 veranschlagt, ist wie die anderen chinesischen Städte eng und winkelig gebaut. Von hier ging die Fahrt, mit einem kurzen Aufenthalt in Shanghai, nach dem Golf von Petschili. Das niedrige Land an der Mündung des Peiho erblickte man erst, als die Meerestiefe bereits bis auf 4 Faden abge- nommen hatte; der Hancock, der mit voller Kohlenladung 13 Eufs tief ging, konnte bis zu Barre vordringen; der. Schooner Cooper blieb ungeachtet eines geringeren Tiefganges auf der Barre sitzen und konnte nur mit grofser Mühe hinübergeschafft werden. Während der Verhandlungen mit den chinesischen Be- hörden veranstaltete die Expedition eine genaue Aufnahme dieser Gewässer; der Cooper und eine von dem englischen Kriegsschiff gemiethete flachgehende Lorcha gingen stromaufwärts und sandten ihre Boote so weit vor, bis sie durch eine ge- schlossene Reihe von Dschunken an der Weiterfahrt behindert wurden, während der Hancock an der Aufsenseite der Barre und an der benachbarten Küste Son- dirungen ausführte. Die Barre hat zur Zeit der Fluth 10 Fufs Wasser; inner- halb derselben vertieft sich der Strom aber auf 12—14 Faden, und es scheint nicht zweifelhaft, dafs flachgehende Dampfer weit stromaufwärts fahren können. Nach Untersuchung der Gewässer bis zu dem Küstenpunkt, wo die grolse Mauer beginnt, kehrte die Escadre wieder nach Shanghai zurück, wo man abermals zwei Monate auf die Reparatur des Hancock verwenden mufste. Im Januar 1855 be- gab sich dieses Fahrzeug nach dem kleinen Hafen Keilung auf dem Nordende von Formosa, umsegelte die Ostküste dieser Insel und ging dann nach Hong- kong, wo das ganze Geschwader wieder zusammentreffen sollte. Hier erfuhr man die traurige Kunde, dafs die Brigg Porpoise ihren Bestimmungsort, die Bo- nin-Inseln, nicht mehr erreicht hatte; während eines furchtbaren Orkans war sie von dem 'Flaggenschiff getrennt worden, und alle Bemühungen, sich über ihr Schicksal zu vergewissern, blieben fruchtlos.

Im Frühjahr trennten sich die Schiffe wieder, um sich auf verschiedenen Wegen nach den Lutschu-Inseln zu begeben. Das Flaggenschiff sollte wieder die Bonin-Inseln anlaufen, Cooper einige Inseln im Norden und Osten von For- mosa.besuchen, und Hancock im Formosa-Canal kreuzen, um wo möglich die verlorene Brigg wieder aufzufinden, und demnächst die südwestliche und östliche Küste von Formosa genauer erforschen. Die dürftigen Resultate der letzteren

j 5 \

A. W. Habersham: The North Pacific Expedition etc. 169

Expedition haben wir oben unter den Miscellen zusammengestellt. Am 9. April traf der Hancock im Hafen von Napa auf Grofs-Lutschu ein, versah sich hier mit Brennholz, und begab sich dann nach der Anakirima-Gruppe, etwa 20 Miles ostwärts von Napa, um diese Inseln aufzunehmen. Die Gruppe besteht aus etwa einem Dutzend Felseneilanden vulkanischen Ursprungs, von denen die gröfseste nicht über 3 Miles lang und 1 Mile breit ist. Die entweder steilen und nackten, oder dicht bewaldeten Gehänge- sind zum Anbau nicht sehr geeignet; nur in den Thälern gedeiht der Reis gut, und auf den Hügeln süfse Kartoffeln; auf den Bergen’ finden sich wilde Ziegen und Antilopen, die von China eingeführt sind, um sich hier fortzupflanzen; die feuchten Gründe sind voll von Schlangen. Nur eine spärliche Bevölkerung von Lutschuanen hat sich hier angesiedelt; sie wohnt in Grotten am Seeufer oder einsam in düstern Schluchten und waldigen Thälern. Nach einem kurzen Aufenthalt in Napa, der zu Ausflügen durch die Strafsen der Stadt und nach der Hauptstadt Sheudi Gelegenheit gab und bei dem sich zeigte, dafs die grofse Masse des Volks die Scheu vor den Fremden, die bei Commo- dore Perry’s Anwesenheit in so auffälliger Weise hervorgetreten war, noch immer nicht abgelegt hatte, begab sich das Geschwader nach Japan, und zwar der Coo- per nach der Westküste von Nipon, Hancock und .das Flaggenschiff Vincennes auf einer östlicheren Route zunächst nach Simoda. Auf der Fahrt dorthin wurde die im vorigen Jahre von dem Vincennes begonnene Aufnahme von Oosima voll- endet. Diese Insel ist theils von Lutschuanen, theils von Japanesen bewohnt, und hat ebenso wie Formosa auf der Ostküste keinen Hafen, während sich auf der Westküste mehrere Häfen finden, darunter ein sehr sicherer am Nordwest- ende der Insel, unter 28° 30’ N. Br., 129° 32’ O.L., der. sich zur Anlage eines Kohlendepöts eignen dürfte. In der Nähe desselben wachsen Himbeeren von vor- züglicher Gröfse und Schönheit; der hier eingesammelte Vorrath schirmte die Mannschaft auf Monate vor dem Scorbut.

Eine neue Aufnahme des Hafens von Simoda ergab, dafs sich die Gestalt und Tiefe desselben durch das grofse Erdbeben vom Jahre 1855 nicht wesentlich verändert hatte; und Habersham stimmt mit Andern darin überein, dafs der Ha- fen das ihm von Commodore Perry gespendete Lob nicht verdient. Viel sicherer und vorzüglicher erscheint ihm der etwa 40 Miles davon entfeinte Hafen von Heyda, den Rodgers ungeachtet des Widerstrebens der. japanesischen Behörden besuchte, da er aus der Vertragsbestimmung, dafs amerikanische Schiffe in See-

‚gefahr jeden japanesischen Hafen anlaufen dürften, für sich das Recht herleitete,

Karten von den verschiedenen Häfen anzufertigen, damit jene Vergünstigung eine praktische Bedeutung erlange. Im Verkehr mit den Japanesen stiefs man wieder auf Argwohn, Widerstreben, Ränke und Winkelzüge von- Seiten der Behörden, während bei dem Volke die ihm von den Beamten eingeprägte Scheu vor den Fremden sehr bald dem Vertrauen und der den Japanesen eigenen Wifsbegier Platz machte. Von Lebensmitteln erhielten die Schiffe eigentlich nur Reis, Soya (eine wohlschmeckende Fisch-Sauce) und den unter dem Namen Saki bekannten, aus Reis bereiteten Liqueur in reichlicher Fülle; sehr schwer war es dagegen, Hühner, Eier und Schlachtvieh von den Behörden zu erpressen.

In Simoda rüstete Rodgers ein Boot aus, welches von diesem Hafen ab bis zum Nordostende der Insel die Küste von Nipon erforschen sollte und diese Auf-

170 Neuere Literatur:

gabe in 21 Tagen löste. Es vereinigte sich mit den anderen Schiffen im Hafen von Hakodadi, der auch nach Habersham’s Urtheil zu den geräumigsten und schönsten der Welt gezählt zu werden verdient. Von diesem Punkte aus wurde eine Aufnahme der T’Sugar-Strafse veranstaltet; die Schreibart Sangar erklärt der Verf. für ivrig. Nach Vollendung derselben setzte der Hancock die hydro- graphischen Arbeiten längs der Westküste von Jesso fort, an dem schön gelege- nen Matsmai vorbei, landete an mehreren Punkten, wie in der Stroganow-Bai, namentlich um Holz einzunehmen, das mit Thee, Zucker, Reis bezahlt wurde, und umschiffte das Cap Romanzow, das nordwestliche Vorgebirge der Insel, von dem sich ein grofses, auf den Karten noch nicht verzeichnetes Riff in nordnord- westlicher Richtung anderthalb Miles weit in die See erstreckt. Auch ostwärts von diesem Vorgebirge, nach dem Cap Soya zu fand man in Riffen und Klippen viel verborgene Gefahren, und ankerte endlich an dem letzteren, der nördlichsten Spitze der Insel, nicht weit von der Stadt Tomari, die wie alle japanesische An- siedelungen auf Jesso, hauptsächlich der ergiebigen Fischerei ihren Ursprung ver- dankt. „Wo man an der Küste irgend eine kleine Bucht bemerkt,“ sagt Habers- ham, „da kann man sicher sein, auch einige Fischerdörfer zu finden; ich glaube, wir haben auf unserer Fahrt mehrere hundert bemerkt. Und diese starke Bevöl- kerung an der Seeküste spricht für die Angabe Golownin’s, dafs das Innere der Insel, als ein für den Anbau ungeeignetes Terrain, menschenarm ist.“ Das Volk lebt hier, wenn man Reis und süfse Kartoffeln ausnimmt, ausschliefslich von den Producten des Meeres, von Fischen, Schalthieren, verschiedenen Arten Seegras, von denen einige, gekocht, sehr wohlschmeckend und gesund sind. Tomari selbst ist ein kleiner Ort mit einer kurilischen Bevölkerung von 6—800 Seelen, unter denen einige 50 Japanesen leben. Nachdem der Hancock noch die Küste bis zum Cap Shaef untersucht hatte, trat er am 15. Juli die Fahrt nach Kamtschatka an, und legte sie, nur mit Hilfe der Segel, in 8 Tagen zurück, indem er regel- mälsige Sondirungen anstellte und Meeresgrund aus beträchtlichen Tiefen empor- hob. An einer Stelle fand das Senkblei in 1200 Faden Tiefe keinen Grund. Man erreichte die Westküste Kamtschatka’s etwa 100 Miles nördlich vom Cap Lopatka, wo sie aus einem flachen Strande besteht, und folgte ihr nord- wärts, alle 10 Minuten Sondirungen anstellend. Erst einige hundert Miles weiter nördlich tritt das Gebirge an die Küste und sendet steile, zerrissene Vorgebirge in die See hinaus. Die Karten von diesem Küstenstriche fand man sehr incor- rect; im Allgemeinen war er zu weit westlich gerückt; so zog sich die Küste, als man sich unter 58° 40' N. Br., 158° 43’ O. L. befand, in einer Entfernung von 5 Miles von NO. nach SW.; ein anderes Mal befand sich das Schiff an einer Stelle, an welcher auf den Karten Land und ein erloschener Vulcan ver- zeichnet war, der nach Habersham über 60 Miles von der See entfernt ist. Auf- fallend war die Gleichmäfsigkeit der Meerestiefe, die auch da, wo das Ufer hoch und felsig war, keine erhebliche Veränderung erlitt. Auch die: Vorgebirge, die in Abständen von einigen Miles in die See vorsprangen, gewährten einen sehr übereinstimmenden Anblick; ihre mit Pflanzenerde bedeckten Seiten sind bewal- det, während ihre Front, wenn man sich in gleicher Höhe mit ihnen befindet, aus einem kahlen Felsabsturze besteht. Zwischen ihnen dehnt sich ein schilfiges oder sandiges Ufer aus, von dem sich die bewaldete Niederung weiter landein-

A. W. Habersham: The North Pacific Expedition etc. 171

wärts zu einer Hügellandschaft erhebt; fern im Innern zeigt sich das blaue Ge- birge mit seinen theils regelmäfsigen, theils abgestumpften Kegeln. An dieser Küste fand man unter 61° 15’ N. Br., 161° 31’ ©. L. ein Kohlenlager, über dessen Existenz man von einem Walfischfahrer eine unbestimmte Nachricht er- halten hatte. Die Kohle ist hart und glänzend, wie der beste Anthracit, bitumi- nös, brennt mit heller blauer Flamme, verbreitet wenig oder gar keinen Schwefel- geruch, für eine bituminöse Kohle auch wenig Rauch, und läfst geringen Rück- stand zurück. Aber diese Vorzüge zeigte die Kohle nur, wenn sie in freier Luft - und loderndem Feuer verbrannt wurde; in den Oefen des Dampfschiffes mit ihren j engen Röhren verbreitete sie Rauch und einen lästigen Schwefelgeruch und füllte f die Röhren so schnell mit Rufs, dafs sie alle 6 Stunden gereinigt werden mufs- \ ten. Dampfschiffe werden sie also nur im Nothfalle verwenden mögen; aufserdem \ ist es schwierig, sie auf die Schiffe zu bringen, da diese sich nur zur Fluthzeit }

i

der Küste einigermafsen nähern können; zur Zeit der Ebbe sinkt das Wasser in dieser Bucht um 6 Faden.

In den Golf von Penshinsk drang der Hancock nur bis 61° 20’ N. Br. vor, fuhr dann hinüber nach der ostsibirischen Küste und erreichte nach einer schwie- rigen Fahrt gegen starke Strömungen den Ankerplatz bei Ola, Die Bewohner dieses Orts halten sich nur während des Sommers hier auf, des Lachsfanges we- gen; bei Annäherung der schlechten Jahreszeit kehren sie mit reichen Vorräthen an getrockneten und geräucherten Fischen zu ihren mehr geschützten Wohnungen im Innern zurück. An ihrem Sommeraufenthalte, zu dem sie auch ihre Pferde und Kühe mitführen, pflanzen sie auch zuweilen Rüben, die sich während des sechswöchentlichen Sommers schnell entwickeln; ihre Hauptnahrung besteht aber

‘in Milch und Fischen, von denen sie den hier anlegenden Schiffen grofse Vor- räthe abtreten können. Der Lachs steigt in grofsen Zügen mit der Fluth strom- aufwärts; sobald das Wasser fällt, spannen die Eingeborenen über den Flufs, der hier etwa 30 Fufs breit und bei hohem Wasserstande 3 bis 4 Fufs tief ist, ein starkes, aus den Sehnen des Rennthieres oder anderer Thiere geflochtenes Netz mit grofsen Maschen, durch die nur die kleineren Fische hindurchkönnen, wäh- rend sich die gröfseren an dieser Barriere massenhaft ansammeln; dann gehen einige Männer in’s Wasser und werfen die Fische auf’s Land, wo sie von den Weibern und Kindern zum Trocknen und Räuchern zerschnitten werden. Im Winter werden, wenn der Heuvorrath verbraucht ist, zuweilen auch Pferde und Kühe mit getrockneten Fischen gefüttert. Der Fischereiertrag ist so ergiebig, dafs sich nach Habersham’s Meinung ein einträglicher Handel darauf begründen liefse. Wie Ola durch seinen Fischreichthum, ist das etwas südlicher gelegene Armen, eine auch im Winter bewohnte Ortschaft, durch Schaaren wilder Enten, die von den Bewohnern gefangen und geräuchert werden, für die Walfischfänger auf der Ochotskischen See von Bedeutung. Die gröfseste Ortschaft an der Küste ist in dieser Breite Tausk; sie hat etwa 200 Einwohner, die Häuser sind solid aus Holz gebaut, mit Fufsböden von Brettern, Tischen, Stühlen und Fenstern versehen, Die russische Bevölkerung scheint stark mit jakutischem Blute ge- mischt. Ueber Aian lauten Habersham’s Angaben nicht ganz so klüglich, wie die Whittingham’s; ihm zufolge zählt-der Ort 30 —40, oder, wie er an einer ande- ren Stelle sagt, 50— 60 festgebaute Häuser von Fichtenbalken, von denen einige,

172 Neuere Literatur:

z.B. das Haus des Gouverneurs mit seinen 23 Zimmern, sehr umfangreich sind; alle Häuser hatten rothangestrichene Dächer, doppelte Fenster und in jedem Zim- mer einen Feuerplatz. Die Zahl der Einwohner giebt der Verf. auf 3—400 an; beiläufig bemerkt er, dafs Briefe aus Petersburg gewöhnlich in 60 Tagen zu Aian anlangen.

Von Aian begab sich die Expedition nach den Schantar-Inseln in der Ud- Bai. Diese Inseln sind hügelig, unbewohnt, dicht mit Pechtannen und Birken bewaldet und durch Canäle von einander getrennt, in denen die Schifffahrt durch Bänke, Riffe, isolirte Felsen und sehr starke Strömungen überaus erschwert wird. Die Waldungen sind zur Zeit noch unbenutzt, obgleich die hohen und durchweg grade gewachsenen Pechtannen ein vorzügliches Material zu Sparren und Segel- stangen gewähren. An den Abhängen der Hügel wächst auch viel wilder Rha- barber, der von den Walfischfahrern als ein nicht unangenehm schmeckendes, antiscorbutisches Gemüse fleifsig gesammelt wird. Nach einem viertägigen Auf- enthalte versuchte man, von Norden her in die Amur-Mündung zu gelangen, hörte aber bald von einem russischen Offizier, der Jahre lang als Pilot in diesen Gewässern fungirt hatte, dafs die Strafse zwischen Saghalin und dem Festlande durch Sandbänke versperrt sei, die fortwährend ihre Stellung wechselten, so dals man sich auf Karten gar nicht verlassen könne; von den beiden Passagen, die durch diese Strafse führten, sei die nördliche, sobald ein Nordoststurm einsetze, sehr gefährlich und überdies nicht tief; die südliche habe anfangs 12 Faden Tiefe, werde aber dann durch Sandbänke mit nur 10 Fufs Wasser versperrt. In der That lag hier ein amerikanisches Schiff, welches den Russen am Amur Pro- viant zuführte, schon 6 Wochen vor Anker, ohne dafs es möglich gewesen wäre, dasselbe der Flufsmündung zu nähern; russische Boote von dem Geschwader, welches im Amur lag, holten die Ladung ab. Der Hancock ankerte in der, Nähe dieses Schiffes, und als er vier Tage auf Sondirungen verwendet hatte, ‘ohne ein hinlänglich tiefes Fahrwasser zu entdecken, und die russischen Offiziere des da- maligen Krieges wegen diese hydrographischen Explorationen mit ungünstigen Augen ansahen, gaben die Amerikaner den Versuch auf und traten um das Nord- cap von Saghalin den Rückweg nach der Heimath an. Am 19. October erreichte der Hancock glücklich San Franeisco. Die Schiffe Vineennes und Cooper waren schon eine Woche früher hier eingetroffen. Das erstere hatte.sich von Hakodadi, dem letzten Vereinigungspunkte des Geschwaders, nach der Behrings-Strafse be- geben, hier auf der asiatischen Seite unter den Tschuktschen Lieut. Brooke mit einigen Leuten zu astronomischen und magnetischen Beobachtungen zurückge- lassen, und war selbst in das arktische Meer bis 72° 05’ N. Br. vorgedrungen, wo es sich durch Eismassen behindert sah; Wrangell’s Land existirt nicht an der auf den Karten angegebenen Stelle. Nachdem die Theile des arktischen Meeres, die von den Walfischfüngern besucht zu werden pflegen, erforscht und aufgenommen waren, kehrte der Vincennes wieder nach dem Stillen Meere zu- rück und begab sich auf den Heimweg. Der Cooper war inzwischen in der Nähe der Aleuten beschäftigt gewesen.

Nach Habersham’s Bericht zu schliefsen, war die Expedition sehr thätig, und es scheint, dafs wir der Publication ihrer wissenschaftlichen Resultate mit Spannung entgegensehen dürfen. Sein eigenes Werk ist in dieser Beziehung aufser-

Bermuda a Colony, a Fortress and a Prison ete. 173

ordentlich dürftig, nicht blofs an geographisch Neuem, sondern überhaupt an geo- graphischem Inhalt, der sparsam unter leeres Geschwätz und die widerwärtig breite Erzählung von Reiseabenteuern, Seegefahren, Jagdgeschichten verstreut ist. Abgesehen von einigen ausführlicheren Bemerkungen über Japan und sein Volk, die mit demjenigen, was wir aus früheren Berichten wissen, übereinstimmen, und einigen Notizen über die Aino’s, die wir später in Kürze mittheilen werden, ha- ben wir die geographischen Angaben über die von der Expedition besuchten Küsten in diesem Referat zusammengestellt, in der That eine geringe Aus- beute aus einem Bande von 507 Seiten, der über so wenig bekannte und in dem gegenwärtigen Stadium der Handelsentwickelung so wichtige Gegenden handelt. Das Verdienst des Buches liegt ausschlie(slich darin, dafs es uns ungefähr er- kennen läfst, was wir von einer Publication der wissenschaftlichen Resultate der Expedition zu erwarten haben. —ın

Bermuda a Colony, a Fortress and a Prison; or eigtheen Months in the So- mers Island. (With Map and Illustrations.) By a Field Officer. Lon- don (Longman) 1857. XI.u. 287 S. 8.

Die Felseneilande, welche, unter dem Namen Bermuden oder Somer-Inseln bekannt, als Militairstation und Detentionsort für Verbrecher von einiger Wichtig- _ keit für England sind, haben sich unseres Wissens bis jetzt nur weniger Beschrei- bungen zu erfreuen gehabt. Wir besitzen aufser einer trefflichen naturhistorischen Schilderung der Inselgruppe von Michaux (Notice sur'les Bermudes in den Annal. du Museum d’hist. natur. VIII, 1806) und den in dem United Service Journal (1832, IH, p. 267) abgedruckten hydrographischen Notizen, eine lebendige Schil- derung der Verhältnisse der Insel aus der Feder der Mifs Susette Harriet Lloyd (Sketches of Bermuda. London 1835). Gründlicher als dieses Buch, wenn auch ‚nicht gerade von grofser wissenschaftlicher Bedeutung, ist vorliegendes Werk. ‚Der ungenannte Verfasser hat während seines 18monatlichen Aufenthalts eine ‚Reihe interessanter Notizen über die Bermuden gesammelt, welche in einer ge- schickten Form zusammengestellt und durch eine Reihe höchst sauberer Ansich- ten in Farbedruck und eine genaue Karte illustrirt dem Buche einen gewissen Reiz verleihen. Versuchen wir einige dieser Bemerkungen hier wiederzugeben. Die Bermuda-Inseln bilden mit Einschlufs einer grofsen Anzahl zum Theil bmariner, zum Theil unbewohnter Felsenriffe eine Gruppe von 365 Inseln, von denen jedoch nur die 6 gröfseren, nämlich die Inseln St. George, Hamilton, Somerset, Watford, Boaz und Irland, welche sich in Gestalt eines Schäferstabes B* NO. nach SW. und dann mit einer Krümmung nach Norden ziehen, bewohnt sind. Schmale Meerengen trennen die einzelnen Inseln von einander, deren Ge- sammtlänge 24 Miles beträgt und deren Breite zwischen 14 Miles und 300 Yards

arlirt. Der Spanier Juan Bermudez war der erste Entdecker der Inselgruppe md nach ihm führt dieselbe ihren Namen. Der erste Engländer, welcher die nseln betrat, war Henry May, welcher im Jahre 1593 mit einem französischen Schiffe an dem Nordende der Inseln Schiffbruch litt und fünf Monate sich da- elbst aufhielt. Im Jahre 1609 wurde eine aus neun Schiffen bestehende Escadre,

174 Neuere Literatur:

welche unter dem Commando des Gouverneurs von Virginien Sir Thomas Gates und des Admirals Sir George Somer stand, auf dem Wege nach Virginien durch einen heftigen Sturm zerstreut und dasjenige dieser Schiffe, auf welchem sich Sir George Sommer befand, strandete mit einer Besatzung von 150 Mann an den Bermuden. Nach George Somer, welcher dort starb, erhielt später die Inselgruppe den Namen Somer Islands, sowie auch der an der Stelle, wo Somer gestorben, erbaute Ort den Namen St. George zu seinem Andenken trägt. Der Name Sum- mer Islands, welchen in früheren Jahrhunderten einige der westindischen Inseln, namentlich Barbados, wegen ihrer im Vergleich zu Nord- Amerika milden Winter führten, wurde durch Corruption des Namens Somer in Summer auch auf die Bermuden-Gruppe übertragen, welche trotz ihres im Allgemeinen milden Klima’s doch keineswegs eine solche Bezeichnung rechtfertigen. Jene erste Ansiedlung wurde durch eine Schaar von etwa 150 neuer Colonisten vermehrt, welche von jener Gesellschaft Abenteurer ausgesandt wurde, der Jacob I. im Jahre 1612 den Besitz der neu zu entdeckenden Inseln garantirte. An ihrer Spitze standen Männer aus altenglischen Geschlechtern, wie der Marquis von Hamilton, Sir John Smith, die Earl von Devonshire, Pembroke, Warwick und Southhampton, Lord Paget und Sir Edwin Sards, und nach ihnen führen heut zu Tage die neun Parochien, in welche die Inseigruppe zerfällt, ihre Namen. Eine regelrechte Vertheilung des Grund und Bodens unter die Colonisten fand erst im Jahre 1618 statt, als die Zahl derselben schon bis auf 1500 Seelen angewachsen war. In neuester Zeit hat namentlich durch die segensreiche Wirksamkeit des Gouverneurs Reid, seit dem Jahre 1839, eine starke Vermehrung der Bevölkerung stattgefunden, welche nach dem Census von 1841 11,092 Seelen und gegenwärtig etwa 12,000 Seelen, mit Ausschlufs der Militairbesatzung und der Sträflinge, zählt. Zwei Drittheile der Bevölkerung bilden Farbige. Der Boden ist im Ganzen fruchtbar und er- zeugt Arrowroot, Hafer, indisches Korn, irische Kartoffeln, Zwiebeln, Runkel- rüben, Melonen, Orangen etc. Westindische Früchte scheinen in Bermuda nicht gut fortzukommen, doch gedeiht Zuckerrohr und Kaffee, freilich in zu geringer Menge, um als Ausfuhrartikel benutzt werden zu können. Die Hauptausfuhr- artikel sind der Arrowroot, der eine Zeit lang als der beste der Welt galt, ferner Kartoffeln, Zwiebeln und Tomatoes. An Arrowroot wurden im J. 1843 1,110,502, im J. 1851 854,329 Bushels gewonnen; ausgeführt wurden im J. 1855 147,636 Lbs. Arrowroot, im J. 1852 sogar 233,145 Lbs. An irischen Kartoffeln wurden im J. 1843 13,435, im J. 1851 24,946 Bushels erzeugt, und fast eine gleiche Menge von süfsen Kartoffeln; die Ausfuhr an irischen Kartoffeln betrug im Jahre 1855 23,830 Lbs., an Zwiebeln 812,830 Lbs. und an Tomatoes 7715 Kisten. Der Gesammt-Import betrug im J. 1838 124,834 L., im J. 1844 137,849 L. und im J. 1855 162,556 L., der Gesammt-Export im J. 1838 19,941 L., im J. 1844 22,653 L. und im J. 1855 41,420 L. Die Gesammt-Revenuen der Inseln haben | sich seit dem Jahre 1838 nur unbedeutend vermehrt, da dieselben im J. 1838 15,747 L., im J. 1844 16,463 L. und im J. 1855 16,000 L. ausmachten. Was 1 das Klima betrifft, so ist der Juni namentlich angenehm. Während der Monate Juli bis Oetober herrscht eine drückende Hitze, vorzüglich im August und Sep- tember, trotzdem sind Krankheiten während der heifsen Jahreszeit, geschweige f denn im Winter, äufserst selten, und die dort stationirten englischen Truppen er-

Bermuda a Colony, a Fortress and a Prison etc. 175

freuen sich einer besseren Gesundheit als im Vaterlande, wozu namentlich die milden Seewinde viel beitragen. Freilich hat das gelbe Fieber auch dort, wie auf dem amerikanischen Festlande, seine verheerenden Wirkungen ausgeübt, und na- mentlich in den Jahren 1818—19, 1843 und 1853 wurde die Bevölkerung stark durch diese Krankheit deeimirt, worüber der Verf. zu Ende des Buches einen be- sonderen Abschnitt bringt. Die Cholera hat sich nie auf den Bermuden gezeigt. Während des Verfassers Aufenthalt zu Hamilton im Jahre 1855 schwankte das Thermometer in den Monaten August und September zwischen 80— 90°. Der Sommer des Jahres 1856 dagegen war nicht so schwül, ja der Mai glich sogar dem Londoner November. Während des Winters 1855 —56 zeigte das Thermo- meter 48— 65°. Schnee fällt mitunter, doch bleibt er nie längere Zeit liegen; seltener ist Hagel. Von jenen Hurricanen, wie sie auf den westindischen Inseln wüthen, werden die Bermuden niemals heimgesucht, wenigstens sind die dort wehenden Hurricane niemals so verheerender Natur. Schliefslich geben wir eine Uebersicht über den Regenfall auf Bermuda während der Jahre 1852—56, nach den auf dem Königl. Schiffswerft daselbst angestellten Beobachtungen und in ihrer Totalsumme mit den auf dem Greenwich Observatory angestellten verglichen; vielleicht bilden diese einen kleinen Nachtrag zu Dove’s Arbeit über die Verthei- lung des Regens in der heifsen Zone (Zeitschr, f. allgem. Erdkunde. Neue Folge, II, S. 16).

Regenfall auf den Bermuda-Inseln (engl. Zoll).

1852 1853 | 1854 | 1855 | 1856 Januar 122 3.95 5.69 5.50 2.70 Februar Bed 2.61 4.55 9.94 5.18 März 3.92 5.30 1.03 3.14 5.40 April 3.62 5.48 4.60 2.90 3.15 Mai 3.17 2.80 1.38 TAGE! 6.59 Juni 4.01 1.11 5.10 0.63 2.61 Juli 2.67 6.98 2.19 0.78 2.16 August 7.00 3.01 1.24 3.34 3.75 September 9.27 6.38 2.94 2.34 5.85 October 4.26 6.69 11.20 8,28 4.27 - November 2.40 11.63 4.20 3.83 1.61 December 2.98 11.34 2.27 2.89 Jahr 49.84 67.78 47.09 50.10 _ Greenwich Observat. 34.2 30.0 19.0 at an

Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 8. August 1857.

Die Versammlung wurde von Seiten des Vorsitzenden, Herrn Prof. Dove, mit der Anzeige eröffnet, dafs zu dem am 31. August in Wien stattfindenden statistischen Congre[s sowie zu der Versammlung der deutschen Naturforscher in

176 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.

Bonn Einladungen eingelaufen wären, und übergab hierauf folgende Geschenke: 4) Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen in dem Preufsischen Staate, herausgegeben von R. v. Carnall. Bd. IV. Liefer. 2 u. 3. Berlin 1856. 2) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F. II. 6. Berlin 1857. 3) Bulletin de la Societe de Geographie. Quatrieme Serie. T. XIII. Juin. Paris 1857. 4) Bericht des K.K. Seetions-Chefs und Directors der administrativen Statistik, Freiherrn v. Czoernig, an die Vorbereitungs- Commission der dritten Versamm- lung des internationalen statistischen Congresses über den Entwurf eines Pro- gramms für die Verhandlungen dieser Versammlung. Wien 1857. 5) Essai sur le Chili par Perez Rosales. Hambourg 1857. 6) Antheil der Deutschen an der Entdeckung von Süd-Amerika. Nach den Hauptquellen dargestellt von Karl Klun- zinger. Stuttgart 1857. 7) Höhenmessungen in der Gegend von Murau, Ober- Wölz und Neumarkt in Ober-Steiermark. Von Dr. Friedrich Kolle.. 8) Afrika und Australien von Dr. Johann Palacky. Erstes Heft: Die Berberei. Prag 1857. (Böhmisch.)

Herr Dove legte hierauf noch eine nach einer Projeetion von Obrist James entworfene Erdkarte vor, welche den Vortheil gewährt, dafs sie, bei Berücksich- tigung der Kugelgestalt der Erde, dennoch die vier Erdtheile Europa, Asien, Afrika und Amerika gleichzeitig zur Anschauung bringt.

Herr Dr. Schacht, längere Zeit auf Madeira wohnhaft, hielt einen Vortrag über Funchal und über die Naturverhältnisse der Insel. (Dieser Vortrag wird in einem der nächstfolgenden Hefte vollständig abgedruckt werden.)

Herr Dove besprach die Untersuchungen von .L. W. Meech, die derselbe in seiner Schrift: „On the relative Intensity of the Heat and "Light of the Sun upon different Latitudes of the Earth. Washington 1856 * niedergelegt hat, und erläu- terte insbesondere die Thatsache, dafs die absolute Dunkelheit am Aequator viel gröfser ist als am Pol, indem sie am Nordpol 84 Tage 3 Stunden, am Aequator aber 146 Tage 14 Stunden beträgt. Ebenso wurde hervorgehoben, dafs die Sonne wegen ihrer aufserordentlichen Gröfse mehr als die Hälfte jedes von ihr erleuch- teten Himmelskörpers bescheint, und dafs dieses Mehr bei der Erde nahe 18 Mei- len ausmacht.

Herr Gosche besprach, indem er die Schrift: „India and Europe compared. By Lieut.- Gen. John Briggs. London 1857“ zum Grunde legte, die Verhältnisse des britisch-indischen Reiches und die Ursachen des gegenwärtigen Aufstandes, dem, da er sich überall kundgäbe, etwas Allgemeines und Wesentliches zum Grunde liegen müsse. Als mitwirkende Ursache wurde hervorgehoben, dafs in den Seapoys das Gefühl der nationalen Macht lebe, und dafs, wenn man das in Indien stehende Gesammtheer, mit Einschlufs der Bundesgenossen, bis dahin auf 714,000 Mann habe anschlagen müssen, von dieser grofsen Macht nicht mehr als 51,000 europäische Soldaten, 663,000 dagegen Eingeborene gewesen wären. Als der gefährlichere Theil der Bevölkerung wurden die Mohamedaner, 10 Millionen, bezeichnet, schliefslich aber darauf hingewiesen, dafs die nationalen Unterschiede jede Einheit unmöglıch machen.

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%* RN, NEUE. ‚FOLGE, . REN SA \ PRITTER. BAND, DRITTES HEFT.

Inhalt.

i : Seite VI. Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. Von W. Munzinger 177 VII. Ausflug nach Hutscheu und Hangtscheu. Nach einem Bericht von & Jos. Edkins, mitgetheilt von Dr. Biernatzki . ».. . . . 205 IX, Reise durch die Pampas. Bruchstück aus der später erscheinenden Reise durch Südamerika. Von H. Burmeister. Erster Abschnitt, Von Rosario bis zum Pueblo R. Quarto . » 2. 2 02... .217

Miscellen.

Die ostsibirische Expedition der Kais. Russ. Geogr. Gesellschaft. Von Dr. C. Schirren . . u 2 A

Ueber Funchal auf Madeira- Von Dr. n. RA Be

Möllhausen’s Reise in den westlichen Theilen der Vereinigten Staaten 260

Die Honduras-Eisenbahn . . . : ne ER

Neue Erforschung der Küste der Bao Choes Pe,

Die Cordillere von Copiapo . . . - EEE Te 267

Aus der Botschaft des Präsidenten der Diyeakiniadhen Conföderation an den legislativen Congrels . . 2. 20.00 0 0 8200 Neue Expeditionen in das Innere Australiens. Zwei Briefe aus Süd- Australien . 2 2.» . a N Ein Schreiben aus Adelaide über die Beschiffung in le: ee

Neuere Literatur.

Neuere Werke über Ostindien. Die Reise Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Waldemar von Preufsen nach Indien in den Jahren 1844 1846. Aus dem darüber erschienenen Prachtwerke im Auszuge mitgetheilt von J. Kutzner. Berlin.

VBUR. Be N a en Se EA Ostindien und England. John Briggs. Nach dem Englischen. Dritte Auflage. Berlin. 1857. & . . : Bi 36 Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin » vom BE Sept, 1857 N 279 Karte. | |

Taf. II. Der Staat San Salvador und die projeetirte Honduras - Bisenbahn Nach den Aufnahmen von Lieut. Jeffers 1853. > Taf. IV. Puerto Caballos.. Nach der Aufnahme von Lieut. Jeffers 1853.

re .

Von dieser Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5— 6 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr.

RX Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Post- Anstalten.

VI. Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch.

Von W. Munzinger !).

Die abyssinische Gebirgskette, die vom Meere etwa 20 Meilen ent- fernt, wohl 7000 Fufs hoch, südwestlich von Massua sich hinzieht und ‘der Küste parallel zu laufen scheint, erhebt sich zwar von fern gesehen wie plötzlich aus der Ebene, aber die Steigung ist durch zahlreiche Vorgebirge vermittelt, die den ganzen Strich zwischen den Meere und dem Hochgebirge ausfüllen, und nach und nach, je mehr sie nach Norden fortschreiten, von der Küste zurücktreten und nördlich von Massua einer Wüste Platz machen, die mit wenig Undulationen sich von Beremi bis an den Fufs des Gebirges unter dem Namen Schäb und Kedked erstreckt.

Im Hintergrunde des Golfes von Massua liegt die Stadt Arkiko, am Fulse des vereinzelt aus dem Meere emporsteigenden Berges Ge- dem, der, den nahen Vorgebirgen Abyssiniens gegenüberliegend, nur eine schmale Thalstrafse nach dem nahen Zula (Adulis) offen läfst. Durch diese Vorgebirge führt die Strafse nach Halay, die nördlichste Pforte des Hochlandes, zu der ein durch den Waldstrom gebildetes, bis zum Fufse des eigentlichen Gebirgsstockes sanft aufsteigendes Thal hinleitet. Die Vorberge sind von den Schoho’s bevölkert, die sich in Arkiko mit den Beduan, den Herren des Samhar, begegnen und durchkreuzen. So liegt Arkiko in der Mitte dieser beiden Zonen und seine Bewohner sind aus den beiden Völkerstämmen vermischt, reden die Sprache der Beduan, holen aber ihre Frauen meist von den Sehohos.

Das Land der Beduan, südlich an die schroffen Vorgebirge der - Schoho’s sich anlehnend, bildet eine Vorstufe zu dem Hamazen; es ver- flacht sich aber in nordwestlicher Richtung gegen das Gebiet der Ha- bab und endet schliefslich als förmliche Wüste. Die Beduan haben _ mehrere gröfsere feste Niederlassungen, von denen Otumlu und Saga

") Vergl. Zeitschrift für allg. Erdkunde. N. F. Bd. I, S. 289. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. ; 12

178 W. Munzinger:

Massua gegenüber, Galala und Beremi etwas nordwestlich an der Küste liegen; Motad (der Gesammtname für Aylat, Asus, Gumhod) eine Tagereise vom Meere die Mittelseation zum Hamazen bildet; die grofse Ebene Kedked bleibt rechts von diesem Wege liegen.

Das abyssinische Hochland senkt sich vom Hamazen nordwärts nach Menza und zu dem Plateau der Habab; diese Landschaften bilden einen Gebirgssattel, der zum jenseitigen Gasch und Sennaar hinüberführt.

Menza hat, Dank seiner Isolirtheit, ungleich seinen Brüdern, den Beduan, das Christenthum bewahrt und bietet in Sprache und Sitten das wahre Bild der alten Hirtennation. Die Habab sind ebenfalls vom gleichen Stamm, doch politisch und religiös der muhamedanischen Um- gestaltung, wie sie die Beduan des Samhar erfahren, unterlegen.

Hat man diesen doppelten Gebirgssattel passirt, so senkt sich das Land allmählich zum Plateau der Bogos, einem eigenthümlichen, den Beduan kaum verwandten Volksstamme, und plattet sich endlich zur Wüste von Barka, der Strafse zum Nil, nieder.

Man weils, dafs das abyssinische Kaiserthum im Alterthum von den Gallas bis zum Meere sich erstreckte und selbst ins Jemen seine siegreichen Waffen trug. Es wurde erst im fünfzehnten Jahrhundert durch die unaufhörlichen Angriffe der Gallas und den neuen Aufschwung, den der muhamedanische Glaubenseifer in derselben Zeit nahm, in seine jetzigen Grenzen zurückgedrängt. Dies Werk wurde von Adel, dem Königreich der Somalis, das damals von Zeila bis Zula (südlich von Massua) sich erstreckte und von dessen Bewohnern wohl die Schohos, der letzte Ausläufer jenes Volksstammes gegen Norden, abstammen, er- folgreich begonnen. Doch da die Vorsehung zur rechten Zeit die tapfern Portugiesen an diesen Küsten landen liefs, wurde die muhamedanische Armee eben so schnell wieder aus Abyssinien zurückgetrieben, als sie eingedrungen war, und die ungewöhnliche Kraftentwickelung, die mit dieser verunglückten Expedition natürlich verbunden war, scheint das Königreich Adel so erschöpft zu haben, dafs es bald darauf aus der Reihe der grofsen Mächte dieses Welttheils für immer verschwand.

Seine Rolle schienen die Türken übernehmen zu wollen, die sich kurz darauf Massua’s und der Küste bemächtigten. Von den Einge- borenen, die dem Islam und den neuen Trägern desselben sich günstig zeigten, waren die ersten die Bewohner Arkiko’s, die Belau. Als der türkische Pascha im Verein mit ihnen die Eroberung vollendet hätte und nach Djidda zurückzusegeln sich anschickte, liefs er einige hun- dert Türken als Garnison auf der Insel zurück, stellte aber diese und das Festland unter den Häuptling der Belau, der von dieser Regent- schaft den Namen Naib (Stellvertreter) erhielt.

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 179

Die zurückgelassene Garnison vermischte sich in Kurzem mit den Leuten des Landes und wurde dadurch der einheimischen Regierung des Naib ganz ergeben. Massua wurde wegen seiner schützenden Insellage immer ausschliefslich für den Handel benutzt, doch blieb die Hauptstadt des Reiches Arkiko (in der Landessprache Dokono).

Diese Herrschaft war nie bedeutend: ihr Gebiet erstreckte sich eigentlich kaum über eine Küste von 10 Meilen. Doch wurde sie in Folge des militärischen Geistes der Belau, die insgesammt Soldaten waren und sich kaum mit andern Gewerben befafsten, stets in Ehren ‚gehalten. Der Sold dieser Soldateska betrug 1005 Thaler, die bis auf die jüngste Zeit die Douane von Massua an Arkiko zu zahlen ver- _ pflichtet war. Eigentliche Unterthanen waren nur die Beduan des

‚Samhar und die Schohos. Doch brachte die Klugheit der Nyab es dahin, dafs sie in dem ganzen Küstenlande bis zu den Grenzorten Abyssiniens die Gewalt von Schiedsrichtern bekamen, indem sie hier durch Heirathsallianzen ihren Einflufs begründeten, dort durch treulose _ Rathschläge Zwistigkeiten hervorriefen und dann leicht der in ihrer 'Vereinzelung schwachen Gegner Meister wurden. Nach einiger Zeit wurden sie ohne irgend welchen Widerspruch als Fürsten des Fest- landes, so weit man Tigre spricht, anerkannt. Ihr Hauptbestreben war immer, die abyssinischen Karawanen sämmtlich nach Massua zu leiten, da diese ihnen die wichtigste finanzielle Hilfsquelle sicherten. Um dies zu erreichen, brauchten sie List und Gewalt. Ganz verschieden von ‚den Fürsten von Adel sahen sie wohl ein, dafs es in ihrem Interesse ‚liege, mit dem mächtigen Nachbar von Abyssinien in gutem Einver- - ständnils zu leben; daher traten sie nie offen gegen diesen auf und _ sicherten sich überdies durch Specialverträge die Freundschaft der abys- -‚sinischen Grenzstädte, deren zur Hälfte muhamedanische Bevölkerung in ihren Sitten mehr Verwandtschaft mit den Schohos, als mit den Abyssiniern hat. Gegen Schwächere wurde um dieses Zweckes willen rücksichtslose Gewalt angewandt. Als die Nyab im Anfange dieses ‚Jahrhunderts merkten, dafs das etwas südlicher in günstiger Lage be- findliche Edd abyssinische Karawanen anziehe, die über die Salzebenen dorthin gingen, und so den Einkünften Arkiko’s einen gefährlichen Abbruch zu machen drohe, überzogen sie dieses friedliche Land plötz- lich mit Krieg und Verwüstung und zwangen den Häuptling der Stadt, ‚auf das Buch feierlichst zu geloben, nie mehr Karawanen bei sich auf- zunehmen, was seither treulich gehälten wurde; das aufblühende Edd ırde dadurch ruinirt und der Handel von Neuem an den Hafen von Massua befestigt. Die beständigen Revolutionen Abyssiniens wurden von den Nyab t, ihre Herrschaft und den Islam unter den Beduan auszubreiten.

12”

180 W. Munzinger:

Diese Hirtenstämme, Brüder der Abyssinier, Bewahrer der alten Reli- gionssprache des Geez im Leben, blieben sehr lange wenigstens nomi- nell dem Christenthume treu, und haben auch jetzt noch die katholi- schen Festtage nicht vergessen und den Islam fast nur dem Namen nach angenommen. Ihre Bekehrung ist wenig über hundert Jahre alt. Die Schohos waren der Landestradition zufolge noch vor Kurzem Ka- tholiken und es existirt noch jetzt oberhalb Zula ein wohl 4000 Seelen starker Stamm, der katholisch ist und von der Lazaristenmission abys- sinische Priester erhält. Die Habab wurden vor etwa 50 Jahren vom Naib mit Krieg überzogen und traten aus Furcht zum Islam über. Die Grofsväter der jetzigen Generation waren Christen, obwohl fast nur dem Namen nach. Doch läfst der Islam, sobald er einmal, wenn auch nur nominell, angenommen ist, kaum mehr eine Rückkehr hoffen. Um so erfreulicher ist es, dafs Menza und die Bogos in neuester Zeit vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt wurden, und zwar durch die Festigkeit des Lazaristenmissionärs Herrn Joh. Stella. Der Naib machte in den letzten Jahren wiederholte Versuche, Menza unter seine Botmäfsigkeit und Religion zu bringen. Der Kantebay (König), ein alter Mann, wurde zuerst mit guten und bösen Worten vergebens be- arbeitet, endlich das Land mit Krieg überzogen; ich habe unterhalb Menza die Wahlstatt gesehen, wo die nicht vorbereiteten Männer die- ses Dorfes dem Naib ein Treffen lieferten, das freilich mit ihrer Nieder- lage endete. Der Kantebay wurde nach Massua abgeführt und erst vor Kurzem gegen Geifseln freigelassen, nachdem er dem Naib Unter- würfigkeit versprochen hatte, Die Unordnung, die seitdem in die An- gelegenheiten der Nyab kam, liels diese Eroberungsversuche allerdings unvollendet, aber die Furcht und die Versprechungen des Naib hatten schon Manche zum Islam bekehrt. Diese wurden jedoch durch das Bemühen des Missionärs wieder zum Christenthum zurückgeführt und ich hoffe, dafs man den Naib bei einem nochmaligen Besuche besser empfangen wird, als das erste Mal, wo man zu einem ernstlichen Widerstande nicht gerüstet war.

Die Bogos, ebenfalls alte Christen, hinter Menza und den Habab nach dem Gasch hin wohnend, waren zu weit vom Meere entfernt, um je den Einflufs des Naibs zu fühlen. Doch hatten sie von einer anderen Seite, von den Egyptern in Takka, zu fürchten. Feindseligkeiten mit den arabischen Beduan von Barka, deren Gebiet sie berühren, veran- lafsten oft Invasionen derselben in Verbindung mit den egyptischen Truppen. Vor zwei Jahren wurden sie ungeahnt von einer Armee, welche der Pascha des Gasch in Person commandirte, und von meh- reren tausend Beduan überfallen, die Dörfer verbrannt und völlig ge- plündert, und was man von Kindern, Töchtern und Frauen vorfand

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 181

(denn die Männer waren meist mit den Heerden in den Bergen), nach Takka weggeschleppt, um als Sklaven verkauft zu werden. Das Un- glück kam so unerwartet, dals an Widerstand nicht zu denken war. Der brave Missionär, der sich in der Nähe befand, eilte auf die Nach- richt davon nach Takka, um den Pascha zur Rückgabe des Geraubten zu bestimmen; als dies nichts half, wandte er sich an Mr. Plowden, englischen Consul in Massua, um durch Vermittelung seiner Regierung zum Ziele zu kommen, und die vereinten Gemeinden der Bogos rich- teten eine Adresse, in Amhariua abgefalst, an die Königin von Eng-

_ land, worin sie um ihre Protection für die letzten Reste des Christen-

thums in diesem Lande baten. Der englische Consul reiste sogleich

nach Takka, um sich persönlich über die Sachlage zu unterrichten, und sandte von dort seine Beschwerde mit Eilboten nach Cairo, wo

_ der Generaleonsul sogleich energische Schritte beim Pascha that und

Befehle auswirkte, in Folge deren alles geraubte Gut zurückerstattet,

an 300 Kinder und Frauen ihren Familien wiedergegeben und Sicher-

heit vor weiteren Ueberfällen versprochen wurde. Der Pascha, der

- diesen Heldenzug gemacht, wurde abgesetzt. So haben die Engländer

_ auch hier mit der bei ihnen gewöhnlichen Energie den ersten Schritt

- zur Gründung ihrer Macht gethan. Freuen wir uns, dafs er vor Allem

der Civilisation und der Ehre Europa’s zu Gute kommt.

| Dieser Angriff von Seiten Takka’s hatte doch den einen Erfolg,

‘dafs die Halhal, Brüder der Bogos, zum Islam übertraten, wovon sie

_ aber jetzt, da das Motiv ihrer Bekehrung, die Furcht, entfernt worden,

_ wohl schnell zurückkehren werden.

Der Naib überschritt den Berg nicht, der Ati-Mariam (Habab)

Habab bedeutende Fortschritte gemacht hat. Der Islam ist übrigens

ndbesitz im Lande der Bogos.

Bei den Habab aber brachte es der Naib dahin, dafs ihm ein egelmäfsiger Zehnt von allem beweglichen Eigenthum gegeben und er ls Richter zwischen den einzelnen Stämmen anerkannt wird, ohne h in die einheimische Regierung derselben einmischen zu dürfen, ungensehaften, die jetzt freilich nur den Türken zu Gute kommen. Die Maeht des Naib wurde meist durch friedliche Unterhandlungen iufrecht erhalten; doch sind der Stämme so viele und die Nachbarn jesonders vom Hamazen so räuberisch, dafs oftmals Waffengewalt die Diplomatie unterstützen mufste. Dann wurde der Heerbann aufgeboten, lessen Kern die Belau bildeten, die immer viele Feuergewehre mit sich ihren, zu Tausenden vermehrt durch die Beduan und die Sehohos,

182 W. Munzinger:

und diese Expeditionen waren fast immer von Erfolg gekrönt: denn gegen den Schwächeren wurde prompte Gewalt angewandt, und wo etwas zu riskiren war, Unterhandlungen vorgezogen. Der Naib reiste fast das ganze Jahr herum, stets in Begleitung einer tüchtigen Schaar, hier um ein Schiedsgericht zu halten, dort um Differenzen wegen der Weidemarken zu schlichten, oder auch um Räubereien zu züchti- gen und das Geraubte zurückzuerlangen, endlich um den jährlichen Tribut einzutreiben. In die inneren Angelegenheiten mischte er sich kaum, aufser bei den Beduan und den Schohos, den Schum zu bestä- tigen. Sein Reich war durchaus keine ordentliche Monarchie, sondern nur das Richteramt zwischen Völkern, die in beständigem Zwischen- verkehr leben, doch durchaus keine Conföderation bilden, im Gegen- theil täglich in Krieg untereinander verwickelt sind. Ihre einzige Ge- meinschaft bildete die Abhängigkeit vom Naib. Die Einkünfte dessel- ben waren die erwähnten 1005 Thaler, womit er seine Belau besoldete, dann die Abgaben der passirenden Karawanen und der Zehnt der Ha- bab, der gewöhnlich in natura geliefert wurde und jetzt in das türki- sche Aerar fliefst. Die Douane von Massua war, wenigstens nominell, stets von Djidda abhängig. Von den Beduan und Schohos, als treuen Unterthanen, wurde nichts gefordert, als freiwilliger Zuzug in Kriegs- zeiten. Die einzelnen Dorfschaften wurden stets durch den Schum (auch in Abyssinien gebräuchlicher Name des Häuptlings) im Verein mit den Aeltesten regiert. Massua mit seinen Umgegenden hatte aufser- dem den Khadi und Mufti und jedes Gewerbe und der Handelsstand seinen besonderen Vorsteher. Der Naib selbst war immer aus einer und derselben Familie, doch ohne bestimmte Erbfolge, von Djidda aus ernannt worden, und dies war der letzte Rest der türkischen Herr- schaft. Menza und die Habab hatten ihre Kantebay (alter Königstitel), während die Bogos durchaus als Republikaner lebten und noch leben, da nur der Beste durch die Vorzüge seines Charakters und Verstandes einen freiwillig anerkannten Einflufs auf seine Mitbürger ausübt.

Die Nyab wurden in den letzten Zeiten mächtiger, gegen die Schwachen übermüthig, und besonders den Europäern, die dann und wann auf diesem Wege nach Abyssinien gingen, sehr lästig. Man lese bei Bruce, welche (vielleicht etwas übertriebenen) Schwierigkeiten er zu bestehen hatte, um von Arkiko fortzukommen. Noch in neuester Zeit waren die katholischen Missionäre gezwungen, dem Naib 1000 Tha- ler zu bezahlen, um in’s Innere gehen zu dürfen. Ein Belau in jener Zeit stand an Stolz einem Civis Romanus nicht nach. Doch Ueber- muth kommt vor dem Falle.

Als Massua an Mohammed Ali abgetreten wurde, schickte man von Neuem eine Garnison und einen Statthalter (Mohäfiz) dahin; er

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j Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 183

konnte aber in der ersten Zeit gegen den übermüthigen Naib nicht aufkommen, der nicht selten Massua der Wasserzufuhr beraubte und einmal im Diwan des Gouverneurs in Gegenwart aller Autoritäten des 5 Landes ausrief: „Der Sultan regiert in Stambul, der Pascha in Massr (Cairo) und Naib Hassan in Massua!* und der Statthalter wagte keine Erwiderung. In Massua freilich konnte er regieren, auf dem Festlande aber hatte er Nichts zu sagen und Europäern wurde es noch 1340 kaum gestattet, den Continent zu betreten und sich frei auf ihm umzusehen. Wiederholte Klagen über des Naib’s übermüthiges Betra- gen, besonders gegen abyssinische Karawanen, von denen er bedeu- tende Summen erpressen wollte, persönlich von dem damaligen fran- zösischen Consul in Djidda vorgebracht, öffneten zuletzt dem Statthalter von Arabien die Augen; er fing an sich zu verwundern, dafs es neben ihm noch einen andern kleinen Pascha gebe, und sandte sogleich an den Mohäfiz Ismail Aga den Befehl, der ganzen Herrschaft des Naib ein Ende zu machen. Der Mohäfiz, ein entschlossener Soldat und dem Naib wie den Belau persönlich gram, liels sich dies nicht zweimal sa- gen, setzte mit seiner Mannschaft nach Arkiko über, verbrannte es, nahım die Kanonen weg, die von Alters her dort standen, hob die Ab- gabe von 1005 Thalern auf und that so den ersten Schritt, den türki- schen Statthalter an die Stelle der Nyab zu setzen. In Arkiko wurde _ ein ziemlich festes Kastell gebaut und mit einer Garnison Baschi-Bo- suk besetzt, welche diese Stadt leicht in Abhängigkeit halten können. RL Seitdem hätten sich die Nyab wieder aufschwingen können, da sie _ von dem Festlande stets allein anerkannt wurden; doch fehlte ihnen _ die Einigkeit; es. entstanden in der eigenen vielverzweigten Familie - Spaltungen über die Erbfolge, welche zuletzt immer vor das türkische Tribunal gebracht wurden, das nie gänzlich entschied, eingedenk des _ Wortes: Divide et impera. So ging die Macht der Familie gänzlich _ verloren, Arkiko verarmte, seine Bewohner suchten meist andere Zu- fluchtsstätten und bis auf den heutigen Tag regiert der Pascha unum- schränkt, während die Kinder der Nyabfamilie in Djidda um eine Schattenehre betteln gehen.

Als ich nach Massua kam (September 1853), bekleidete in Arkiko Idris, Sohn des oben erwähnten Naib Hassan, die Würde eines Naib und wurde von Ibrahim Pascha gebraucht, um den Tribut einzutreiben. Doch waren die Völker des Festlandes schon damals für den Naib W od Abdurrahim, einen Vetter von Idris, eingenommen, der als Schieds- richter beliebt und wegen seiner Klugheit und Entschlossenheit weithin geachtet war; dieser ging mit seinen nächsten Verwandten nach Djidda, um sich gegen den Pascha zu beklagen und für seine Linie zu plai-

iren. Unterdessen regierte der Pascha mit Idris, dem die Hände ge-

184 W. Munzinger:

bunden waren und der aus Mangel an Soldaten und Geld beim besten Willen zu seinen Gunsten nichts unternehmen konnte.

Dies zeigte besonders der Confliet mit den Schoho’s, der dem Pascha sehr wenig Ehre gemacht hat. Dieser Völkerstamm sollte, dem alten Gebrauche zuwider, zum Tribut gezwungen werden. Der Pascha schickte Soldaten in ihr Land, die sich Unordnungen erlaubten; dies führte bei dem hitzigen Temperament der Schohos zu einem Schar- mützel, das aber ohne weitere Folgen zu bleiben schien. Kurze Zeit nachher kamen einige Schohos in Geschäften nach Arkiko. Der Pascha läfst sie ergreifen und schickt sie mit einer Lügenprozedur als Haupt- verbrecher nach Djidda. Die Schohos, durch diesen ungerechten Act empört, erhoben sich, nahmen alle Kameele von Arkiko, die sich auf ihrem Weidegebiete befanden, weg, sperrten die Pässe nach Abyssi- nien und verhinderten alle Zufuhr vom Innern nach Massua. Der Pascha hatte 200 Irreguläre unter Mustafa Aga auf dem Festlande stehen, doch fürchtete er die Verantwortlichkeit, diesem Soldatenchef einen geschriebenen Befehl zum Angriff zu geben, was dieser natürlich für nothwendig erklärte. Nach langem Hin- und Herreden mit dem Naib liefs man die gefangenen Schohos im Stillen zurückkommen und lieferte sie an ihr Volk aus. Doch da in diesem Conflict die geringe Bedeutung des Naib und die Unentschlossenheit des Pascha klar zu Tage gekommen und der bisherige Respect der Gebirgsvölker vor die- sen Autoritäten verloren war, wurde die Sicherheit auch nach dem Frieden nie mehr ganz hergestellt und es verging kein Tag, dafs die Schohos nicht einen räuberischen Anfall auf die Heerden der Beduan oder die Reisenden nach Abyssinien machten. Der Naib war ohn- mächtig und der Pascha drohte nur mit Worten, seine 400 Soldaten amüsirten sich in ihrer Kaserne. Dies dauerte fast ein Jahr, bis Au- gust 1854.

Um diese Zeit kam der jüngere Bruder des Naib Wod Abdurra- him, Abdul Kerim, aus Djidda an, mit der Nachricht, dafs sein Bruder zum regierenden Naib erhoben und Idris entsetzt sei. In Folge dessen flüchtete sich dieser mit seinem Bruder Mohammed zu den Schohos in die Berge. Gleichzeitig fielen die räuberischen Völkerschaften des Ha- mazen, durch die Unruhen in Abyssinien und die Schwäche des Naib ermuthigt, über das Dorf Aylat her, wo gerade die Heerden von Saga weideten. Die Wächter derselben, mehr als 30 Mann, wurden erschla- gen und die Heerden weggetrieben. Glücklicherweise stellten sich die Räuber mit diesem ersten Erfolge zufrieden und kehrten in ihre Berge zurück. Doch Naib Idris, um sich für seine Entsetzung zu rächen, wiegelte unterdessen die Schohos auf, gegen Massua zu ziehen, ver- sammelte an 800 Mann in dem Pafs, der von Halay nach Arkiko

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führt, und zog geradeswegs, ein zweiter Coriolan, gegen seine Vater- stadt. Als die Nachricht davon, durch die Furcht vergröfsert, nach i Massua kam, flüchteten die Leute der Umgegend ihre Habe und Fa- milien auf die Insel und nur wenige Männer wagten es, in ihren Dör- fern zu bleiben. Der Pascha liefs in Arkiko grofse Boote bereit halten, um im Nothfalle die dort stationirenden Landesvertheidiger in Sicher- _ heit zu bringen. Aber Naib Idris wulste entweder nicht, was er wollte, oder er besafs nicht den Einflufs, die Schohos zu entschiedenen Schritten zu bewegen, und mochte selbst in seiner Vaterstadt geringer Sympa- thien gewärtig sein. Er verweilte mehrere Tage in der Nachbarschaft von Massua, besuchte Saga, wo ihn seine Freunde von gewaltsamen Schritten abmahnten, und nachdem er sich hinlänglich an der Angst des Pascha’s mit seinen wohlbewaffneten 400 Soldaten geweidet hatte, trat er ohne weitere Schritte den Rückzug in die Berge an. Indefs benutzten die Schohos diese Gelegenheit, nach allen Seiten hin zu plün- dern und die Heerden der Beduan wegzutreiben; es bildeten sich förm- liche Räuberbanden, welche die nächste Umgegend Massua’s unsicher machten.

Endlich kam Wod Abdurrahim (September 1854) selbst von Djidda an mit Weisungen, welche ihn für die Beruhigung des Festlandes ver- antwortlich machten, dessen Regierung ihm fast unabhängig vom Pascha übergeben wurde. Ibrahim Pascha war diese neue Gewalt gar nicht genehm. Als der Naib ihm auseinandersetzte, dafs ein Feldzug un- umgänglich sei, um alle die empörten Völker wieder zur Ruhe zu bringen, legte ihm der Pascha alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg. Doch stellte sich der Naib von Anfang an mit dem neuen Ca-

_ pitän der Irregulären, der mit seiner arnautischen Entschiedenheit dem Pascha zu imponiren wulste, auf guten Fufs, so dafs der Feldzug _ unter gemeinsamer Führung des Naib und des eben erwähnten Gemali Aga Anfangs November begonnen wurde. Den Kern der Armee bil- - deten die Irregulären, denen sich der Heerbann des Naib wie in frühe- _ ren Zeiten anschlofs. Die Schohos hatten sich bei der Ankunft des neuen Naib sogleich unterworfen und folgten ihm zu Tausenden. Die Beduan begrüfsten einstimmig den neuen Regenten und von den ent- ‚fernten Habab kamen Gesandte, um ihre Unterwürfigkeit zu bezeugen. So stellte das blofse Erscheinen von Wod Abdurrahim die Ordnung und nach der Hoffnung der Eingeborenen die alte Macht des Naib “wieder her. Die Armee, die sich bei meiner Abreise von Massua in den Ebenen von Mutad sammelte, sollte sich nach dem Hamazen und ‘von da zu den Habab begeben. Ueber den Ausgang habe ich bis ‚jetzt keine Nachricht erhalten, doch wird er ohne Zweifel dem Naib ‚einen Theil der früheren Macht wiedergeben, da von Djidda aus an-

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 185

156 W. Munzinger:

erkannt wurde, dafs die Türken ohne seine Mitwirkung unfähig sind, das Festland in Unterwürfigkeit zu halten. Dies ist um so wahrschein- licher, als der neue Naib eifrigst bestrebt ist, seine Familie zu einigen, worauf die verschiedenen Zweige derselben bereitwillig eingingen, und es ist sehr zu wünschen, dafs ihm dieses gelingt, da die Macht des Pascha durch jene des Naib paralysirt werden wird, so dafs weder der eine noch der andere seine Gewalt milsbrauchen kann. Uebrigens ha- ben beide ihren Zügel in dem braven, entschlossenen Gemali Aga, der die dritte Macht im Staate bildet und allem Anschein nach nicht die geringste.

Ibrahim Pascha sieht in seinem abgeschabten Pelzrock einem alten Bären nicht unähnlich, ist geizig und dem Opium nicht abhold. Es mangelt ihm nicht an Schlauheit, aber von seinem politischen Talent legen die oben erwähnten Thatsachen eben kein gutes Zeugnils ab. Der Sultan mufs sich freuen, wenn ihm sein Diener von den Erobe- rungen schreibt, die er gegen Süden mache, und von dem Reich, das weder vom Bab-el-Mandeb noch von den Mondbergen begrenzt wird und im schlimmsten Falle sogar für den Verlust von Stambul selbst entschädigen könnte. Doch die Wahrheit ist, dafs es der Pascha oft nicht wagen konnte, aufs nahe Festland hinüberzugehen. Er beschäf- tigt sich in der Langweile seiner nüchternen Stunden viel mit Schrei- ben und Planmachen, hauptsächlich mit Finanzoperationen. Der trau- rige Erfolg der Versuche, die Schohos tributär zu machen, ist schon erwähnt worden. Dann stellte er, allen Ueberlieferungen zuwider, die gleiche Anforderung an die Beduan, wogegen die nächsten Dörfer sich kaum wehren konnten, während die Bewohner des isolirten Zula, auf ihre alte Freundschaft mit den Schohos rechnend, geradeswegs jede Ab- gabe verweigerten und in der That seitdem factisch unabhängig ge- blieben sind. Die Leute von Arkiko sollten ebenfalls Zehnten geben. Die Belau, stolz wie die alten Römer, erwiderten: „Wir sind gewohnt, Tribut zu empfangen, nicht zu geben.“ Trotz aller Drohungen beharr- ten sie auf ihrer Weigerung, und als der Pascha Gewalt anwenden zu wollen schien, flüchtete sich fast die ganze Bevölkerung Arkiko’s in die Berge. So mulste der Pascha auch hier mit leeren Händen ab- ziehen. Um sich für diese wiederholten Niederlagen zu entschädigen, setzte er Abgaben auf die Gewerbe und auf die Milch, womit die Insel jeden Morgen versorgt wird. Die Folge war, dafs die Stadt mehrere Tage sich mit Wasser begnügte, bis der Pascha auch von dieser Mafs- regel zurückkam.

Die Douane ist die türkische, von 12 bis 16 Procent; sie konnte früher wohl 50,000 Thaler abwerfen, doch ging fast Alles in die Tasche der Gouverneure. Vor einigen Jahren regierte hier Rustem Aga, ein

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 187

eircassischer Sklave. Als er entsetzt wurde, wies man ihm aus den - Büchern nach, dafs er mehr als 20,000 Thaler der Douane entfremdet hatte. Was aber gar nicht in die Bücher kam, das weils Gott! Wie es jetzt geht, kann ich nicht bestimmt versichern; doch scheint es mit der Douane nicht schlecht zu stehen, da der Chef derselben, Os- man Aga, dieselbe vor Kurzem vom Sultan für 30,000 Thaler pachten wollte und sie ihm doch nicht bewilligt wurde. Die Douane ist für den kleinen Handel sehr hinderlich; man nimmt Zoll auf die gewöhn- lichsten Lebensbedürfnisse.

Das Militär besteht aus 200 Regulären (Nisam) auf der Insel und 200 Irregulären (Asker) in Arkiko; aber beide Abtheilungen sind gleich- mälsig irregulär, sie kennen keine Uebungen und bekommen ihre Schiels- materialien kaum zu Gesicht. Ihre Beschäftigung besteht in der Aus- übung aller möglichen Handwerke, unter denen gelegentliches Stehlen nicht das ungewöhnlichste ist; dann und wann machen sie Revolte: ein- mal tödteten sie einen ihrer Offiziere, was ungeahnt blieb; seitdem kann sich der Pascha von der Besorgnils vor einem ähnlichen Schick- sale nicht frei machen, und er regt sich nicht, ob von den Soldaten auch Häuser angezündet und ausgeraubt und alle möglichen Frevel begangen werden. Die Soldaten erlauben sich Alles, nehmen den Be- duan mit Gewalt ihre Waaren unter dem Preise weg und verkaufen sie dann auf eigene Rechnung, erzwingen von ihnen alle möglichen Dienstleistungen, machen deren Sklavinnen zu ihren Frauen. Da wagt Niemand zu klagen. Was nützte es auch? Glücklicherweise haben der Pascha, wie oben erwähnt worden, in Gemali Aga und die regu- | lären Soldaten in den Arnauten ihre Meister gefunden, was natür- lich für das Land nur vortheilhaft sein kann. Eigenthümlich ist es, dafs im letzten Jahre viele Soldaten mit Sack und Pack desertirt sind und in Abyssinien einen neuen Dienst gesucht und gefunden haben. - Der Grund liegt in den politischen Ereignissen, deren Schauplatz die- “ses Land ist. Sie sind einer kurzen Erwähnung werth.

Abyssinien hatte ungefähr dieselben politischen Zustände wie Deutschland im Mittelalter; es war ein Chaos, wo das Faustrecht galt. _ Ein Kaiser, Neguse Israil, Abkömmling der Königin von Saba, war nominelles Haupt; doch befand er sich in der Lage der Merovinger, die von ihren Majordomen ab- und eingesetzt wurden, und von der Macht früherer Herrscher war ihm nichts geblieben, als das Richter- amt in Gondar, die Einkünfte dieser Stadt und die Ehrfurcht, die man stets dem Hause Salomon’s bezeugen mufs. Seit Michael Suhut suchte sich der Ras an die Stelle des Kaisers zu setzen, doch gelang es kei- nem derselben, die Einigkeit des Reiches, wie sie unter der legitimen Regierung so lange bestanden, wieder vollständig herzustellen. In den

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letzten Jahren theilten sich Ras Alı und der König Ubie in die Herr- schaft, doch bald stand ein neuer Prätendent auf, Kassay, der den Ras Ali seiner Herrschaft beraubt hat und im letzten Herbst auch ge- gen den Ubie zu Felde gezogen ist. Diese permanenten Umwälzungen beraubten das Land natürlich aller Kraft; der Handel hatte keine Sicherheit, der Bauer verliefs den Pflug und griff zum Schwerte. Die Soldaten allein waren sicher und in guter Lage; sie zogen im Lande umher, plünderten und verwüsteten; von Disciplin war keine Rede. Neben den grofsen Herren erhob sich eine Unzahl kleiner, die natür- lich nur bei der herrschenden Unordnung ihre Unabhängigkeit behaup- ten konnten und ohne Rücksicht auf die Fürsten des Landes unter einander ihre Fehden ausmachten. Jede kleine Stadt erhob Zölle: von einem zusammenhängenden Regierungs-Zollsysteme zeigte sich keine Spur.

Jetzt ist von der Energie des Kassay zu hoffen, dafs dieser Winter- feldzug entscheidend sein wird, und so sehr des Ubie gerechte, strenge Regierung zu preisen war, mufs doch jeder Freund Abyssiniens den vollständigen Sieg des Kassay wünschen, da es diesem allein möglich sein wird, die Einheit des Landes wiederherzustellen, während ein Sieg des gealterten Ubie nur eine Fortsetzung der ewigen Contestationen sein und den Untergang Abyssiniens als Reich in Aussicht stellen würde. Man wirft dem Kassay Fanatismus, Aberglauben, Rücksichts- losigkeit vor; doch dieses sind die Fehler aller grofsen Männer im Orient, die emporzukommen streben; und Niemand kann leugnen, dals der Kassay das Genie und die Entschlossenheit hat, seine Pläne durch- zuführen, dafs sein Geist hoch genug über seinen Landsleuten steht, um die Vortheile der europäischen Disciplin und Taktik einzusehen und sie in seinem Heere anzuwenden, dafs er die Gefahren und Mühen seiner Soldaten theilt, nicht wie der Ubie, der sich kaum sehen läfst. Der Sieg des Kassay ist auch im Interesse des Handels zu wünschen, der Eine Douane, Ein geordnetes Reich verlangt, um sich wahrhaft entwickeln zu können. Eine definitive Entscheidung in Abyssinien würde ohne Frage auch das künftige Schicksal Massua’s bestimmen, während es bisher, bei den unaufhörlichen Bürgerkriegen, den Fürsten der Berge nicht möglich war, auf das Meer hinabzuschauen ').

Allerdings hatte der Ubie 1848 einen leichtsinnigen, erfolglosen Versuch gemacht, sich der Küste zu bemächtigen. Er sandte gegen 20,000 Orari, meist Cavallerie, unter seinem Feldherrn Cocabey, mit

!) Aus den Mittheilungen des Missionars Krapf ist den Lesern der Zeitschrift bekannt, dafs der Rassai in der That den Sieg davongetragen und unter dem Namen Theodoros den abyssinischen Thron bestiegen hat. Vergl. Zeitschrift für allg. Erd- kunde VI, S. 350 £.

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 189

wenig Proviant, ohne Belagerungswerkzeuge, bei wenig Wasser und grolser Hitze, so dals die Expedition Nichts ausrichtete. Die Soldaten von Arkiko zogen sich in ihre mit Geschütz ausgestattete Burg, die für die Abyssinier uneinnehmbar war; die Bewohner des Festlandes hatten sich auf die Insel gerettet. Die Abyssinier rückten bis Mokullu vor, einem Dorfe nahe bei Massua, und plünderten das Haus des fran- | zösischen Consuls, der hier geblieben war und zuletzt capitulirte. Nach- dem sie sich für die Erfolglosigkeit des Feldzugs mit einigen der Gallas würdigen Grausamkeiten zu rächen geglaubt, zogen sie sich zu den Habab, von da zu den Bogos zurück, die seitdem dem Ubie einen mälsigen Tribut (1 Proc.) zahlen, und nachdem sie den unglücklichen Stamm der Halhal, der seitdem auch von den Türken heimgesucht worden, fast ausgerottet, kehrten sie über das Hamazen in ihr Land zurück. Die ganze Unternehmung hatte weder Kopf noch Plan.

Wenn Kassay sich des Tigre bemächtigt, hat auch für Massua die Stunde geschlagen. Ein allbekanntes Wort von ihm ist: „Mein Reich geht bis zum Meere.* Und dies ist nicht schwer, Ja die Türkenherr- schaft hier wie in Arabien nicht auf Liebe oder Macht, sondern nur auf Gewöhnung und ein falsches Praestigium von des Sultans Gröfse gestützt ist.

Nach diesen Bemerkungen über die politischen Verhältnisse der abyssinischen Grenzlandschaften wenden wir unseren Blick speciell auf Massua.

Massua (dies ist die richtige Aussprache, nicht Massaua; in der Landessprache Base) hat die gleiche Lage wie Suakyn und Agig, und verdankt wie diese seinen Ursprung den fremden Handelsleuten aus allen Weltgegenden, die von diesem sicheren Anhaltspunkte aus den Handel mit dem Festlande versuchten. Noch jetzt werden alle Han- delsgeschäfte auf der Insel vollzogen, und Niemand denkt daran, seine Waaren dem Festlande anzuvertrauen. Die Tradition schreibt die erste Ansiedelung den Persern zu, doch habe ich nur Ein Anzeichen gefun- den, das für diese Behauptung sprechen könnte, den Familiennamen Fares. Dagegen sind die ältesten Familien, die Haus- und Bodenbe- sitzer, die Adulay (von Adulis, Zula), die Dankaly (von den Dana- _ kil), die Jemeny (von Jemen), dann giebt es Hindi (von Indien), Mo-

_ grebi und Bungasi (von Marokko), Geddani (von Gedda, Djidda), Ha- beschi (von Abyssinien). Familien, die sich ihrer Einwanderung nicht ‚erinnern, habe ich nicht gefunden. Das Andenken an die frühere Gar- nison, die sich mit den Eingeborenen vermischte, hat sich in den Fa- _ miliennamen Turki und Bosukbasch bewahrt. Dieses Conglomerat er- hielt eine eigenthümliche Färbung durch Vermischung mit Sklaven von den Gallas; doch blieb der Grundton immer der Beduy, dessen Sprache,

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durch das Arabische viel bereichert, in Massua stets herrschend geblie- ben ist, wie seine Sitten und sein Charakter in den Grundzügen auf der Insel immer bewahrt blieben, wenn sie auch durch fremden Ein- flufs und die Beschäftigung der Einwohner etwas umgestaltet wurden. Wie überall, glauben sich auch hier die Stadtleute von Massua den Landleuten durch feine Sitte überlegen, und Beduy ist bei ihnen fast ein Schimpfname. Der Familienstolz ist so grols, dafs erst die Ver- armung der letzten Zeiten ein Mitglied einer alten hiesigen Familie nöthigen konnte, um Lohn zu arbeiten, während sonst immer die ganze Stadt für die Schulden eines Einzelnen einstand. Der Adel ist kein Privilegium der Europäer; die Verwandten des Naib und die Belau überhaupt, so elend sie geworden sind, glauben sich doch immer besser als andere Menschenkinder.

Das Verhältnifs des Mannes zur Frau und die Heirathsgebräuche sind dieselben, die bei den Beduan herrschen; bei den Stadtleuten sind natürlich die Ausgaben für eine Heirath viel gröfser, der Schmuck der Verlobten ist viel gewichtiger, so dafs manche ihr Leben lang Jung- gesellen bleiben müssen und Polygamie eine Seltenheit ist.

Der Volksstamm hat im Ganzen durch die vielfache Racenver- mischung an Schönheit gewonnen; er besitzt ein edles Profil und ist in der Farbe viel heller als die Beduan; die Physiognomie ist, wie bei dem Abyssinier, ganz kaukasisch. Die Männer haben in ihrem Gesicht einen Ausdruck von Weichlichkeit, Friedfertigkeit, der ihrem Charakter vollständig entspricht; wirklich haben die Türken von den Eingeborenen der Stadt Nichts zu fürchten, sie sind vielmehr die Wölfe unter den Schafen. Eine Flinte in die Hand zu nehmen, ist bei den Stadtbewohnern schon eine grofse Sache; sie sind Friedensfreunde, in allen ihren Verhältnissen mäfsig, ruhig, von einem feinen Ton; es fehlt ihnen nichts als Energie.

Man findet hier gute Handwerker, besonders von indischer Ab- stammung; sie lernen den Europäern mit Leichtigkeit ihre Kunst ab, denken aber nie an eigene Erfindung. Es werden hier sehr schöne, solide Barken gebaut, die Maurer und Zimmerleute arbeiten mit vieler Geschicklichkeit und Schnelligkeit, man drechselt sehr hübsche Gefäfse aus Büffelhörnern und arbeitet nicht übel in Elfenbein, die Frauen flechten die niedlichsten Körbe und Gefäfse, die oft wasserdicht sind. An Kunsttalent mangelt es nicht, doch bleibt man beim Hergebrachten stehen.

Die Hauptbeschäftigung der Stadt ist der Handel, besonders mit den Karawanen, für welche die Stadtleute als Commissionäre fungiren. Es soll hier früher sehr reiche Kaufleute gegeben haben; aber durch die Habsucht der Pascha’s, durch eigene Grofsthuerei und Verschwen-

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_ dung sind sie herabgekommen. An Habsucht und Schachergeist fehlt _ es nicht, und in dieser Beziehung verleugnen sie den semitischen Cha- - rakter nicht; aber der Familienstolz, der auch in der jetzigen Armuth rege bleibt, verhindert die Leute, sich wieder emporzuraffen. Der alte Reichthum ist fort, aber die schönen Seidengewänder werden nicht ab- gelegt und die Hausfrau wird noch immer als eine Prinzessin betrach- tet, für welche eine Sklavin arbeiten muls. Urtheilt man nach dem äufseren Anschein, so glaubt man sich unter grofsen Kaufleuten, die Stolz und Verschwendung, nicht aber Thätigkeit von ihren Vätern ge- erbt haben.

Die Gesänge der Stadtbewohner sind fast nur religiös und haben einen eigenthümlichen Reiz. Ihre Gebete sind die des Islam, doch sehr lang, besonders das Gebet der Aescha, das fast gesungen wird und nur zu sehr an unsern Rosenkranz erinnert, dessen Stelle es seit 300 Jahren vertritt. Aufserdem sind für alle Gelegenheiten, Feste, Hoch- zeiten ete. Gesänge üblich, in feierlichen erhabenen Tönen von wohl- _ lautenden Stimmen vorgetragen: ein Chor, der mir oft das Herz er- schütterte.

Die Religion erscheint hier viel liebenswürdiger als im übrigen Orient, und der arabische Fanatismus ist fast unbekannt. Schimpf- wörter verbietet der gute Ton, der hier herrscht, das tägliche Brod von Egypten wird hier nicht gegessen, und die arabische Rohheit habe ich zu meinem Troste in Massua nicht gefunden. Alles ist ästhetisch, friedlich, fast weichlich, in Allem mälsig, ohne Excefs im Guten noch Bösen; der schlechte Charakter bleibt verhüllt und bricht nur selten vollkommen hervor. Aber auch männliche Offenheit ist selten, schmeich-

_ lerische Falschheit ein Grundzug des hiesigen Volkscharakters. Hin- gebung und Aufopferung für den Nächsten, Treue bis zum Tode mufs "man hier nicht erwarten: der Mangel an energischer Männlichkeit läfst eben so wenig Tugenden als Laster aufkommen und wird zu einem vorsichtigen gemäfsigten Egoismus. Die Bewohner leben von Fleisch, Reis, Durra, Milch und Kaffee. Geistige Getränke sind meist nur unter den Soldaten beliebt. Die Klei- dung besteht in einem gefärbten Futta um die Lenden, einer seidenen Weste und einem langen weifsen Hemde; den Tarbusch tragen nur die Türken; dagegen setzt man eine Takki& auf, ein festes buntge- webtes Käppchen, um das man die Mousseline wickelt. Die Bewohner Massua’s habe ich auf kaum 5000 geschätzt, von _ denen viele die Nacht in ihren Häusern auf dem Festlande zubringen. Doch wird diese Zahl im Sommer durch die Karawanen wohl ver- ‚doppelt. Da der Handel die Stadt ernährt, ist die Zahl der steinernen lagazine grols; sie sind aber meist sehr eng und klein und bestehen

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mit wenig Ausnahmen nur aus einem Erdgeschofs. Als Wohnungen dienen fast nur Strohhäuser, die von denen der Beduan kaum verschie- den sind. Feuersbrünste sind sehr häufig; im vergangenen Jahre war mehrmals Feuer angelegt worden und die Brandstifter, die es auf eine allgemeine Plünderung abgesehen hatten, ruhten nicht, bis in den letz- ten Tagen des Ramadan bei einem starken Südwinde, dem plötzlich ein Nord folgte, das Feuer auf- und abgehend die halbe Stadt inner- halb einer Stunde in einen Aschenhaufen verwandelte. Die Magazine blieben zwar verschont, doch belohnten die anderen Häuser reichlich die Mühe des Werks; die Soldaten raubten, was ihnen beliebte, und glaubwürdige Zeugen haben mir versichert, dafs Frauen auf freie Plätze geschleppt und ihnen ihr silberner Schmuck von Armen und Beinen weggerissen wurde ohne dals eine Klage oder Untersuchung darauf folgte. Trotz dieser stets sich wiederholenden Feuersbrünste baut man doch immer wieder Strohhäuser, theils weil man nicht Geld genug hat, um in Stein zu bauen, theils weil man die Strohhäuser kühler findet.

Das Urtheil, welches Bruce über das Klima fällt, ist bekanntlich gar nicht schmeichelhaft; doch ist mir sein Krankheitsregister nach einem einjährigen Aufenthalte nachgerade komisch vorgekommen. Dys- enterien und Ophthalmien sind selten, Fieber kommen nur in der Re- genzeit vor und sind nie sehr ernstlich. Ich hatte einmal ein Landes- fieber, das nach drei Tagen ohne alles Zuthun der Kunst aufhörte. Die Hitze des Sommers ist nicht ungesund, wenn sie auch schwächt und den Appetit raubt.

Trinkwasser wird entweder aus Brunnen vom Festlande, oder von Arkiko am Meere, wo es einen salzigen Beigeschmack hat, oder von Mokullu entnommen, wo es fast warm, aber sehr süls ist. Auf der Insel unterhält man viele Cisternen, die sich im Winter mit Regen- wasser füllen und für mehrere Monate hinreichen.

Erdbeben waren im letzten Frühling sehr häufig, doch nicht stark, während im nahen Tigr& zu gleicher Zeit eine Stadt dadurch unterging.

Die Sommerzeit dauert wie in Europa vom März bis October, wird aber fast jedes Jahr durch einen starken Augustregen unterbrochen. Im Sommer habe ich im Schatten bis +40° R. beobachtet und -+35° sind ganz gewöhnlich, in der Nacht wie am Tage. Doch wird die Hitze durch die herrschenden Seewinde gemildert. Die Nächte sind nicht so feucht, wie in Egypten, und ich habe nie nachtheilige Folgen verspürt, wenn ich im Freien schlief.

Der Beginn der Regenzeit verzögert sich jenseits der Küstenkette, je weiter man nordwärts geht. Sie tritt in Abyssinien schon im April ein und dauert bis zum Juli; bei den Bogos dauert sie vom Juni bis zum September; bei den Habab vom August bis October; dagegen

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 193

beginnt sie in den Vorbergen Massua’s erst im September ünd dauert

bis zum Januar, und in Massua selbst tritt sie im November ein. Hier regnet es gewöhnlich in der Nacht und sehr stark. Was für uns nicht sehr angenehm ist, wird für die Eingeborenen ein Fest; Alles eilt in’s Freie, um die erste Kühle nach heifsen Sommertagen zu genielsen, und freut sich der frischen neuen Luft. Das Festland, das im Sommer dürr und wüst liegt, bedeckt sich plötzlich mit reichlichem Grün; die Heer- den, die im Sommer in den Bergen bleiben, steigen mit dem ersten Regen in die Ebene hinab, die nach kurzer Frist dem Auge das Bild einer vegetationsreichen, von Tausenden von Kameelen, Kühen und Ziegen durchzogenen, belebten Prairie bietet.

Massua gegenüber liegen die Dörfer Otumlu und Saga, von Städtern und Beduan bewohnt. Doch waren alle früher in dem zwi- schen den beiden gelegenen Mokullu vereinigt, einem Thale, welches eine Stunde von der Stadt entfernt und durch eine niedere Hügelreihe von der Ebene, die zum Meere sich hinzieht, geschieden ist, und bil- deten ein sehr grolses Dorf, wo auch die hier angesiedelten Europäer Platz fanden; aber vor vier Jahren befahl Mohammed Pascha, der Statt- halter, von Eifersucht gegen die letzteren getrieben, den Eingeborenen, ihre Häuser abzubrechen und sich anderswo niederzulassen. Dies ge- schah; doch olıne die Wirkung, die Mohammed sich davon versprochen hatte; denn die Europäer fühlten sich in ihrer Einsamkeit viel wohler und erhielten durch die Auswanderung der Beduan Gelegenheit, ihre Besitzungen nach und nach auszubreiten.

Der erste Europäer, der sich hier niedergelassen hat, ist der frühere

_ französische Consul Degoutin, dem der Naib vor 14 Jahren ein Stück Land abtrat. Darauf baute er mit eigenen Händen ein kleines Haus, ‚das 1848 von der Lazaristenmission angekauft und zur Kirche umge- wandelt wurde. Daneben entstanden noch drei Niederlassungen, die mit ihren zahlreichen Strohhäusern fast ein Dorf bilden. In Stein zu - bauen ist nicht gestattet. Die Europäer haben für die Ausstattung - dieser ihrer Colonie bis jetzt wenig gethan; ihre Häuser sind kaum _ besser als die der Beduan, und die Gärten sind zwar von Lorbeerrosen, - Senna und Baumwolle voll, aber eine eigentliche Cultur ist nicht sicht- _ bar und es fehlt an Bäumen, die vor der Sommergluth schirmen könn- ten. Der Boden ist gut; besonders vortrefflich gedeiht die Baumwolle, ‚obgleich sie nur aus Surat-Samen gezogen ist; sie wird aber bis jetzt R nur versuchsweise angebaut, und die Bewässerungseinrichtungen lassen | noch vieles zu wünschen übrig, da sich der Pascha hartnäckig weigert, g nehr Brunnen öffnen zu lassen, und überhaupt der Colonie aus Ab- neigung gegen die Europäer hinderlich zu sein sucht. Die unaufhör- en Schwierigkeiten, die er ihnen bereitet, sind um so ernstlicher, er. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 13

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194 W. Munzinger:

da Fremde bisher de jure keinen Grundbesitz in der Türkei haben konnten.

Mokullu ist ein angenehmer Winteraufenthalt. Da die umliegen- den Dörfer wenig Wasser haben, kommen die Hirten und die Töchter des Landes, hier Wasser zu schöpfen, was mir die biblische Geschichte oft lebendig vergegenwärtigte.e Mokullu gegenüber liegt ein kleiner Berg, nach dem Grabe eines heiligen Scheich Adallah genannt, von dem man das Meer und die Insel übersieht. Wie oft habe ich dort, umfächelt vom kühlen Seewinde, gesessen und geharrt, ob nicht ein nahendes Segel mir Kunde von der fernen Heimath verspreche, bis das Bellen der Schakale und das Heulen der Hyänen, die nur in der Nacht aus ihren Schlupfwinkeln sich hervorwagen, mich daran erinner- ten, dafs der Sternenhimmel mit seiner Tropenpracht über mir r aufge- gangen sei.

Ein Blick auf die Karte schon zeigt, dafs Massua eine sehr wich- tige Stellung im Handel des südlichen rothen Meeres einnehmen muls. Es ist der natürliche Nordhafen von Abyssinien, und liegt dem Jemen, dem Lande des Kaffee’s, gegenüber, kaum zwei Tagereisen davon ent- fernt. Auch von Djidda ist der Weg nicht weit; er führt über die Inseln von Dahalak, die natürlich einen grofsen Theil ihrer Meerpro- ducte auf den Markt von Massua abgeben. Die Ebene zwischen dem Meere und dem Plateau Abyssiniens, die unter dem Namen Samhar bekannt ist, hat auch Erzeugnisse (Gummi, Senna, Butter, Schmalz und Häute), die für den Zwischenhandel des rothen Meeres nicht ohne Wichtigkeit sind. Endlich besteht eine sichere und angenehme Karawa- nenstralse vom Sennaar und Takka nach Massua, so dafs es im Stande ist, einen grofsen Theil der Producte jener Länder, das Elfenbein, die Hippopotamuszähne, die Tamarinde zu empfangen.

Der Hafen von Massua ist der beste des Rothen Meeres. Die Insel ist regelmäfsig regiert und bietet dem Handel schon durch ihre Lage eine natürliche Sicherheit; europäische Kaufleute und Schiffe finden hier einen (französischen) Consul, so dafs sie für ihre Geschäfte keinerlei Schwierigkeiten zu befürchten haben.

Dies gilt jedoch nur für die Insel. Die beständigen, oben ee: chenen Umwälzungen, denen das abyssinische Festland ausgesetzt ist, üben natürlich einen sehr verderblichen Einflufs auf den Binnenhandel aus. Bei dem gegenwärtigen Kriegszustande wagen die grofsen Kara- wanen kaum mehr, zum Meere hinabzusteigen. Doch ist zu hoffen, dafs die endliche Entscheidung, die diese Campagne bringen soll, den Frieden und die Sicherheit für den ultramontanen Handel in Bälde wieder herstellen wird. Die grofsen Karawanen steigen jährlich nur } einmal von ihren Bergen herab, im Juni oder Juli. Die Waaren sind

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 195

in Bockshäuten (Girbe) verpackt und gewöhnlich auf Maulthiere gela- den, die den Weg von den Grenzen der Gallaländer in zwei bis drei - Monaten zurücklegen können. Die Karawanen (Gäfileh) sind aber oft - gezwungen, an den Ufern des Takkaze zu warten, bis sein Wasser hinreichend gefallen ist, um den Uebergang zu gestatten. Da die Re- genzeit im Spätfrühling eintritt und das Wasser vor October nicht sinkt, so kann man den Takkaze nur vom October bis April mit Waaren passiren, Dies bestimmt den Zug der Karawanen, die im Winter bis in’s Gotscham gehen, im Frühling zurückkehrend den Takkaze passi- ren, sich in Adua aufhalten, so dafs sie im Juni in Massua ankommen. - Man sieht, die Tagemärsche sind nicht grofs, aus Rücksicht für die Lastthiere, welche starke Tagemärsche auf der schwierigen Gebirgs- 'strafse nicht lange aushalten würden.

Die Waaren, die von den Abyssiniern nach Massua gebracht wer- den, sind meistens Producte der Gallaländer, ‘so der gute Kaffee, das Gold, das weifse Wachs ete. Die Gallas bringen ihre Waaren gewöhn- lich nur bis in’s Gotscham, wo der grofse Stapelplatz, besonders für den Kaffee, ist.

Jeder abyssinische Kaufmann (Neggad£) hat in Massua seinen Com- missionär (Nesil), der sein Sicherheitsbürge ist (da Abyssinien mit der - Türkei keinen officiellen Verkehr unterhält), ihm ein Haus, Feuer und _ Wasser liefert und alle seine Geschäfte während seines Aufenthalts besorgt. Dafür nimmt der Nesil von allen Käufen und Verkäufen eine "mehr oder minder bedeutende Commissionsgebühr. Dieser Tribut, der zwischen 5 und 10 Procent beträgt, ist so fest in den Landesgebräu- - chen gewurzelt, dafs es eine Thorheit wäre, ihn umgehen zu wollen, um so mehr, da es die Nesile sind, welche jedes Geschäft in Händen "haben und es, nach ihrer Laune, zu Gunsten ihrer Freunde abmachen. Geschäfte mit den Abyssiniern sind einfach und schnell abgethan. "Die ersten Tage nach ihrer Ankunft zögern sie sehr mit dem Verkauf der mitgebrachten Waaren; keiner will der erste sein, aus Furcht, den Markt zu verderben. Doch sobald ein grofser Kaufmann das Beispiel gegeben und den ersten Verkauf gemacht hat, wird der ganze Vorrath % von gleichen Waaren in einem Augenblick ohne weiteres Markten los- geschlagen. Tauschhandel ist nicht beliebt. Man mufs mit guten Maria- - Theresia-Thalern (Edri) versehen sein, um vortheilhaft kaufen zu kön- nen; erst später erhält man bei dem Verkauf der eigenen Waaren einen ‚Theil seines Geldes wieder zurück, aber die Abyssinier nehmen doch nur ein Drittel oder Viertel des realisirten Geldes in Waaren zurück. ' Import ist dem Export bei Weitem nicht proportionirt. Bringen 'Abyssinier z. B. für 200,000 Thaler Waaren nach Massua, so neh- N \ 13*

196 W. Munzinger:

men sie dafür wohl eine Summe von 130,000 Thalern in baarem Gelde zurück, und von den 70,000 Thalern, die sie für ihre Einkäufe zahlen, fallen wohl 60,000 auf die indischen Waaren der Banianen, so dafs auf den europäischen Verkehr nur eine Summe von 10,000 Thalern kommt. Dieser ist demnach nur ein Detailhandel, welcher nicht schwer in die Wagschaale fällt.

Ehrlichkeit und Rechtlichkeit sind die erste Bedingung für den, der mit den Abyssiniern zu thun haben will. Sie sind sehr mifstrauisch, wittern sofort Betrug, wo sie Schlauheit bemerken, wissen dagegen Offenheit in Geschäften sehr zu schätzen. hr

Die grofsen Karawanen kommen, wie gesagt, nur einmal des Jah- res nach Massua; doch giebt es viele kleine Kaufleute vom Tigre und Hamazen, die während des ganzen Jahres aus- und eingehen und den Markt stets in einiger Thätigkeit erhalten. Die eigentliche Geschäfts- saison sind die Sommermonate.

Die bösen Zeiten haben es mit sich gebracht, dafs eine Karawane einer kleinen Armee nicht unähnlich sieht. Die grofsen Neggades brin- gen nur wenige Diener nach Massua, da sie eine Unzahl Dienstleute auf der Grenze bei ihren Maulthieren zurücklassen. Die Tracht des reisenden Abyssiniers besteht in kurzen engen Beinkleidern und einer sehr langen dichten weilsen Schärpe, die um die Hüfte gewickelt ist; darüber trägt er die ungenähte viereckige Toga (Guari), von der er ein Ende über die eine Schulter wirft. An seiner Rechten hängt das lange krumme Schwert (Schotel) und aufserdem trägt er einen grolsen runden bucklichten Schild aus Büffelhaut und eine langspitzige Lanze. Aber auch Feuergewehre, mit denen besonders Europäer einen ein- träglichen Handel treiben, sind von jeher sehr verbreitet gewesen. Eine solche Ausrüstung ist zum Schutz der Karawanen in dem unruhigen Lande unentbehrlich; oft hört man von Schlachten, die geschlagen wurden, um den freien Durchgang zu erzwingen, so dals diese Kara- wanenzüge mehr an unsere alten Ritterfahrten erinnern, als an die Reisen friedlicher Kaufleute. In Wahrheit ist jeder Abyssinier ein ge- borener Krieger, eine natürliche Folge der politischen Zustände des Landes, die unsern mittelalterlichen in Allem ähnlich sehen, ausge- nommen in der Stellung der Stände. Wenn es in Abyssinien auch einen Adel giebt, der sich nur mit Kriegen und Rauben beschäftigt, so ist er doch von dem Kaufmann nicht durch eine breite Kluft ge- schieden; der Uebergang von dem einen Stande zum andern ist sehr leicht und kommt täglieh vor. Ein Geburtsrecht wird in Abyssinien durchaus nicht anerkannt, aufser für den Kaiser. Der Bauer, der Kauf- mann, der Soldat, der Grundbesitzer, alle sind gleich wohlgeachtet, und selbst den Geringsten kann das Glück in eine angesehene Stellung

Die nordöstlichen Gıenzländer von Habesch. 197

führen. Der Herr wird arm und dient, der Diener wird reich und spielt den Herrn. Verächtliches ist nichts dabei; deswegen ist hier auch das Verhältnifs des Dieners zum Herrn ganz anders als in Eu- ropa, es ist viel vertraulicher und wird oft zur Freundschaft. Die Folge davon ist, dafs auch der Diener viel mehr Ergebenheit zeigt, als in jedem andern Lande; er mag alle Laster haben, dennoch be- sitzt er die in einem so wilden Lande unschätzbare Tugend, treu zu sein bis in den Tod, dem er für seinen Herrn mit Freude entgegen- geht. Geburtsstolz wird man aus dem angeführten Grunde bei den Abyssiniern kaum finden; viel stärker ist der Geldstolz. Da das Geld - hier zehnmal mehr werth ist, als in Europa, und die gröfsten Handels- - leute nicht mehr als ein paar tausend Thaler besitzen, mufs es einem Europäer lächerlich vorkommen, Leute mit einem Vermögen von eini- gen hundert Thalern eine Grandezza annehmen zu sehen, wie wir sie bei unsern Millionären nicht finden. Wenn man einen Neggade an- - teifft, der seine Guari bis zu den Augen emporzieht, was den Um- - stehenden zeigen soll, dafs er sie als ihm untergeordnete Personen be- trachtet, so kann man sicher sein, einen Capitalisten von wenigstens 300 Edri vor sich zu haben, die freilich mit eigenem langjährigen Sehweilse erworben sind. Doch giebt solche Anmafsung, die dann und wann auch gegen den Europäer an den Tag tritt, eher Stoff zur Er- heiterung als zum Verdrufs. Uebrigens finden sich viele ehrenwerthe Ausnahmen, besonders unter den reicheren Kaufleuten, die von der _ Welt genug gesehen haben, um zu wissen, dafs es noch gröfsere Geld- - herren giebt, als die abyssinischen Neggade.

Die mohammedanischen Abyssinier sind ohne Zweifel bedeuten- dere und bessere Handelsleute, als ihre christlichen Landsleute; ihr = Hauptgeschäft ist der Eklarenhandel, der sie oft nach Djidda führt. ‚Ich habe nie ein Volk gesehen, das sich seine Religion so wahrhaft in nig zu Herzen nimmt, wie diese Mohammedaner, die neben ihren Glaubensbrüdern, den Arabern, in Zucht und Rechtlichkeit wie Engel dastehen und wahre Früchte des Glaubens hervorbringen. Ohne Zweifel "wirkt darauf der Umstand ein, dafs sie in Abyssinien die Minorität bilden, die stets mehr auf sich achtet, als die Majorität, wie es auch in den paritätischen Ländern Europa’s sichtbar ist. Die abyssinischen "Muslimim sind ihrem Glauben sehr zugethan, oft sogar etwas fanatisch, was aber nie offen hervortritt. Sie dienen in Abyssinien als Zöllner, wie die Kopten in Egypten, sind durchschnittlich gebildeter, als die ıristen, und bessere Rechner und Diplomaten, weswegen sie oft zu sandtschaften zwischen christlichen Fürsten gebraucht werden. Sie

198 W. Munzinger:

Arabien sehr hoch verehrt und eines näheren Umganges mit Gott theil- haftig glaubt.

Jede Karawane theilt sich in verschiedene Gruppen, nach den be- deutenderen Kaufleuten, aus denen sie: besteht, und um die sich die kleineren wie zu ihrem Hause gehörig schaaren. Das Haupt ist der Neggaderas, der frei gewählt wird und während der Reise die Aus- gaben für Zölle und andere Abgaben für die ganze Gemeinschaft be- streitet und erst später die Auslagen von jedem: Einzelnen einzieht. Das Leben während der Reise ist nicht unangenehm. Man macht ganz kurze Märsche, lagert immer aufserhalb der Städte im Schatten eines grofsen Baumes und erfreut sich mit Trinkgelagen (wozu man sich stets hinlänglich mit Honig versieht), wo nicht selten die Eifersucht der Chefs, durch die Trunkenheit aufgestachelt, tödtlichen Streit ver- anlafst, der zuweilen mit den Waffen ausgefochten wird.

Die Wahl der Waaren, die ein Neggad& nach Massua bringt, ist durch alte Gewohnheit geregelt; es würde einem kleinen Handelsmanne sehr übel genommen werden, wenn er Elfenbein und Gold mit sich brächte, was nur den grofsen Kaufleuten gestattet ist.

Der christliche Neggade ist listig und interessirt, aber nicht sehr intelligent und ein ziemlich schlechter Rechner, daher ihn sein Ge- schäftsfreund in Massua, der mohammedanische Nesil, mit guten Wor- ten nach seinem Wunsche, aber natürlich. nicht immer zum Vortheil des Christen zu behandeln versteht. Aber der Krug geht eben nur so lange zum Brunnen, bis er bricht, und Rechtlichkeit bewährt sich auch in Massua als die einzig dauerbare Grundlage des Verkehrs.

Unter den Handelsartikeln wird Wachs aus den Provinzen Ti- gre, Gotscham, Korata, Amhara und von Gallabeit fast ausschliefslich

nach Massua geführt. Das Tigre-Wachs ist roh, schwarz und sehr

schmutzig; Gallabeit ist fast weils und verlangt keine andere Reini- gung. Die anderen Provenienzen sind hellgelb und schon einmal gereinigt. In Massua nimmt man eine letzte Reinigung vor und gielst das Wachs in Brote von etwa 20 Pfund um. Es giebt hier mehrere Leute, die sich nur mit dem Bleichen des Wachses abgeben, indem sie es in dünnen Schnitten der Sonne aussetzen‘ Dieses weilse Wachs geht meist nach Djidda für den Localgebrauch, während vom gelben viel nach Cairo und Europa kommt. Das letzte Jahr hat man ansehn- liche Quantitäten nach Bourbon und Bombay exportirt. Es mögen jedes Jahr 4—500 Centner Wachs in Massua ankommen, und die Zu- fuhr wächst mit der Nachfrage, da das Wachs reichlich und zum Theil in Landschaften gewonnen wird, deren Verkehr mit Massua vom Wasser- stande des Takkaze unabhängig ist.

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 199

Der Kaffee ist das Hauptproduct der Gallaländer (Gudru, Narea, Kaffa); die erste Qualität, Gudru, hat kleine gelbliche Bohnen mit einem starken Aroma. Man vermischt sie aber oft mit der unterge- ordneten Sorte vom Gotscham, die grofse grüne Bohnen hat und so dem Mochakaffee ähnlich sieht. Der Gallakaffee wird selten rein von Massua exportirt; die Eingeborenen mischen ihn mit dem Mocha, wo- durch dieser etwas wohlfeiler zu stehen kommt. In Cairo und Syrien schätzt man nur diese letztere Qualität. Die Hauptkarawanen des Kaffee’s kommen im Sommer an und die Zufuhr schwankt sehr, zwi- schen 300 und 2000 .Centnern jährlich. Beim Ankauf unterscheidet "man keine Qualitäten; man nimmt ihn, wie er sich in der Girbeh fin- det, mit vielem Staub, Hülsen und schwarzen Körnern vermischt. Es ist bekannt, dafs das Wort Kaffee aus dem Gallalande Kaffa stammt, dem Heimathlande der Sorten des Jemen und somit der ganzen Welt; doch während die vielen verschiedenen Töchter ihre Liebhaber gefun- - den haben, bleibt die Mutter ganz unbeachtet. Der Gallakaffee ist nie auf den europäischen Markt gekommen, obwohl er des feinen Geruchs und Geschmacks nicht ermangelt.

Das Elfenbein kommt von allen Gebirgsländern dieses Conti- nents, die waldig, nicht zu kalt und nicht übervölkert sind, vom Tigre bis zu den fernsten Gallas und von den Habab bis zum Sennaar. Den Werth des alljährlich nach Massua geführten Elfenbeins kann man auf mehr als 20,000 Thaler veranschlagen, und die ganze Quantität wird gewöhnlich in Bausch und Bogen von den indischen Kaufleuten (Ba- nianen) angekauft. Schon 4 Tagereisen von Massua, in den Habab, wird auf Elephanten gejagt. Es finden sich unter den Belau mehrere Bee Schützen, die nach einer Abmachung mit Handelsleuten, welche ihnen das Material vorstrecken, auf halben Gewinn, mit einem kurzen, sehr schweren, massiven Luntengewehr von bedeutendem Kaliber auf - diese Jagd ausziehen. Sie zielen, indem sie den Lauf auf die Schulter _ eines Begleiters auflegen, was den Rückschlag dieser kleinen Kanone 2 schwächt. Der englische ae in Massua hat dieses Gewehr in Eng- land vervollkommnen lassen, so dafs es jetzt viel leichter und genauer und mit Piston versehen ist. Vielleicht könnte man es mit einem so- liden Schweizerstutzen mit konischer Kugel ersetzen, was ich bald R ‚selbst zu versuchen hoffe. Man findet sehr gute Elephantenjäger in Arkiko und unter den Abyssiniern; bei Vorsicht ist die Jagd nicht sehr gefährlich, doch sind noch wenige der in Massua bekannten Jäger eines natürlichen Todes gestorben.

_Moschus kam früher in grofser Menge nach Massua; doch da 3 ‚diesem Artikel in Djidda und Cairo wenig nachgefragt wird, ist der

200 W. Munzinger:

Handel damit fast ganz aufgegeben. Dagegen wird Gold auch jetzt noch reichlich nach Massua gebracht und von hier nach Bombay ex- portirt. Beim Ankauf wird es im Kohlenfeuer geprüft.

Für Sklaven war Massua früher ein bedeutender Markt; jetzt hat der Sklavenhandel aber sehr abgenommen, und im letzten Jahre kamen kaum 1000 Köpfe an, meist Mädchen. Schangallas werden nur in geringer Anzahl als Sklaven nach Massua geführt und bleiben mei- stens hier zum gewöhnlichen Hausdienst. Die Gallas aber werden grölstentheils nach Djidda exportirt und theuer bezahlt. Sie sind sehr schön, aber durchgängig hochmüthig und perfid. Sie werden nie zu. niederen Diensten verwandt, wozu sie sich kaum verstehen würden. Sie glauben sich bestimmt, im Hause zu regieren, und stechen bei ihrem energischen Charakter die Hausfrau sehr leicht aus. Ihr Vaterland sind die Gallaländer, Gudru, Sedame& ete., wo die mohammedanischen Kauf- leute die Kinder von den Dörfern weglocken, fortschleppen und auf den Markt des Gotscham bringen, wie mir mein kleiner Gabriot, den ich loskaufen liefs, oft schluchzend erzählte. Es ist den christlichen Abyssiniern unter Leibesstrafe verboten, sich am Sklavenhandel zu be- theiligen; doch war es leicht, das Blutgesetz des UÜbie zu umgehen, zumal da man kein Verbrechen darin sieht, Heiden zu Sklaven zu machen. Die Gallaknaben werden gewöhnlich von türkischen Offi- zieren angekauft und in die Armee, unter die Lohntruppen des 'Sul- tan’s im Jemen und Djidda, eingereiht. Die Mädchen kommen in den Harem und gewöhnlich hat man sich über sie mehr zu beklagen, als dafs sie beklagt zu werden verdienten: denn nebenbei mufs ich be- merken im Allgemeinen behandeln die Europäer ihre freien Diener schlechter, als die Muslimin die Sklaven. Der Haupthandelsplatz für Sklaven ist Zeila, trotz der Nachbarschaft Adens und der Landsleute von Wilberforce.

In früheren Jahren kamen sehr oft Schiffe aus Bourbon und Mau- ritius, um abyssinische Maulthiere und Pferde zu laden, die in den dortigen Plantagen angewandt werden sollten. Nach längerer Unter- brechung kam im verflossenen Jahre wieder eine solche Ladung zu Stande. Die Maulthiere gelten im Durchschnitt nur 10 Thaler, doch mufs man riskiren, dafs ein Theil der Ladung auf der Ueberfahrt zu Grunde geht; bei gutem Winde und hinlänglichem Wasser und Heu hat man indefs keinen beträchtlichen Verlust zu besorgen. Das abys- sinische Pferd ist schön, ein guter Renner, doch hat es nicht den ele- ganten Bau und die Intelligenz des ächten Netsch.

Abyssiniens Ausfuhrhandel könnte noch sehr erweitert werden. Das Land ist reich und vielgestaltig; alle Klimate sind in seinen Gren-

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 20i

zen vertreten, von der Kälte des Semien bis zu der Fieberhitze der Takkaze -Ufer. Der Abyssinier ist durch seine Naturanlage Ackerbauer und über- läfst die Ausübung von Künsten und Gewerben meist den Juden (Fa- laschas); demungeachtet sind die so verachteten Gewerbe, die sich mit dem Stein und dem Eisen befassen, zu einer seltenen Vollkommenheit, besonders in Gondar, gebracht. Der Ackerbau wird sorgfältig betrie- ben, doch lassen die beständigen Kriege dem unglücklichen Landmann keine Ruhe, und, seiner Ernte beraubt, zieht er es vor, selbst Soldat "zu werden, um nicht zu säen, wo ihm zu ernten nicht vergönnt ist. So liegen jetzt viele fruchtbare Striche wüst; aus dem Pfluge hat man ein Schwert geschmiedet. Im Friedenszustande könnte Abyssinien viel ausführen und mit Leichtigkeit den egyptischen Weizen von den See- _ märkten des Rothen Meeres verdrängen. hr Die Schwierigkeit des Transports, aus Mangel an Strafsen, ist j\ aufser dem Kriege das einzige Hindernifs der wahren Entwickelung Mn des abyssinischen Handels; das Land ist se gebirgig, die Pässe so E schmal und steil, dals selbst das vorsichtige Maulthier nur mit Mühe und Gefahr seinen Weg findet. m Man bringt viel rothen Pfeffer von sehr guter Qualität für den Platzverbrauch nach Massua. Er wird bei allen abyssinischen Speisen verwendet. Der schwarze gewöhnliche Pfeffer wird vom Jemen nach Abyssinien eingeführt.

Abyssinien erzeugt eine gute Baumwolle, die aber für den _ Landesgebrauch so wenig ausreicht, dafs man ihr Massen von Surate beimischt, die von den Banianen nach Massua gebracht werden. Das - Spinnen derselben ist die gewöhnliche Beschäftigung der Frauen aller Klassen, die darin wahrhafte Meisterinnen sind. Alle Kleider werden im Lande gesponnen; die rohen Baumwollenzeuge egyptiseher oder _ englischer Fabrication taugen für das meist kalte Abyssinien nicht. Man kennt das Färben der Stoffe nicht und bedarf deshalb der Ein- fuhr besonders von rothen Baumwollenzeugen aus Indien, mit denen man die weilsen Togen (Guari) säumt. _ Für einen Europäer ist es nicht schwer, Besitzungen in Abyssi- nien zu erhalten; fast alle Reisende, die dorthin gekommen sind, ha- ben solche gehabt. Doch bis jetzt besteht der einzige Nutzen dersel- in der Einführung der Kartoffeln durch Herrn Schimper.

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An Metallen ist Abyssinien reich, sie sind aber meistens unbe- nutzt. Das Eisen wird im Lande bearbeitet, freilich auf sehr unvoll- kommene Weise. Blei ist fast unbekannt; die Kugeln werden meist aus Eisen gemacht. Das Kupfer, das zu allen Küchengeräthschaften

202 W. Munzinger:

dient, wird von Cairo eingeführt. Gold findet sich überall, selbst in der nächsten Umgegend von Massua.

Die Einfuhr nach Abyssinien (Waffen ausgenommen) wird in der nächsten Zeit schwerlich bedeutend werden, weil die Bewohner dieses Landes, abweichend von den afrikanischen und arabischen Beduan, eine eigenthümliche, in Gewerben, Küche, Getränken, Landbau ete. fest aus- gebildete, wenn auch etwas rohe Sitte haben.. Bis jetzt ist es noch keinem Europäer gelungen, unsere Cultur dorthin zu verpflanzen, im Gegentheil haben sich alle Europäer, die nach Abyssinien gekommen sind, der Landessitte anbequemt. Diese aber bedarf des Auslandes-

fast gar nicht.

Die oben skizzirte Ebene zwischen Arkiko und Zula, die sich wohl 6 Stunden weit erstreckt, ist nur von dem dornigen Gummi- baum bedeckt. Da diese Gegend schon als zum eh der Schohos gehörig betrachtet wird, haben diese das Recht der Ernte, die in den heifsesten Sommermonaten auf Bestellung der Leute Arkiko’s und Zu- la’s vorgenommen wird. Der Ertrag wird nach Massua gebracht. Bei der ungeheuren Menge von Gummibäumen im Samhar kann er sehr gesteigert werden; jetzt richtet sich der Umfang cer Ernte nach der Bestellung. Der hiesige Gummi ist dem von Suakyn weit überlegen und kommt in grolsen, weilsen oder hellgelben, klaren, elastischen Stücken zu Markte; doch wird er beim Transport nicht genug geschont.

Das Senna Mekki ist eine Medizinalpflanze, die nach den ersten Regen im Ueberfluls im ganzen Lande emporschiefst und nach Verlan- gen von den Beduan gesammelt wird. Ihr offizineller Gebrauch ist den "Eingeborenen gut bekannt.

Der Handel mit den Beduan ist sehr bedeutend, und da alle Scho- hos und Beduan Hirten sind, die wenig Ackerbau treiben und keine Industrie besitzen, so werden hierdurch die Hauptgegenstände des Ex- ports und Imports von selbst bezeichnet.

Die Schohos bringen nach Massua Kuhhäute in der Milch be- arbeitet (felem) oder rothgegerbt (masbuk), dann sehr schöne grolse Ziegenhäute und Pater Die Beduan und die Habab haben die- selben Ausfuhrartikel, besonders aber rohe Kuh- und Ochsenhäute, viel Butter, Schmalz (schahm) und alle Provisionen, die die Insel nöthig hat.

Mit der Butter, die flüssig in Uttern nach Massua gebracht wird, und den Häuten wird ein bedeutender Handel nach Djidda und dem Jemen getrieben. Diese Artikel werden gegen Durra vom Jemen und Baumwollenzeuge von Cairo, dem einzigen Kleidungsstoffe der Beduan, ausgetauscht. Die rohen Kuhhäute gehen nach Egypten, die bearbeiteten finden in Djidda bequemen Absatz. Die Karawanen der

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Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 203

Habab haben in Saga nahe bei Massua ihre Commissionäre, unter ähn- lichen Verhältnissen wie die Abyssinier.

Auch die Leute vom Hamazen kommen mit den genannten Waa- ren nach Massua, aufserdem bringen sie Honig und viel Durra. In ihren Ankäufen. gleichen sie aber eher den Abyssiniern.

Da die Beduan sehr beschränkte Bedürfnisse haben, kann bei ihnen nur das importirt werden, was zur Kleidung 'nöthig ist. Der Unter- schied, der sich in dieser Abhängigkeit von den Fremden zwischen den Beduan und den Abyssiniern zeigt, rührt von der socialen Stellung der Frau her. Da die Frauen der Beduan es für eine Schande halten,. zu nähen und zu spinnen, und. der Beduy selbst von diesen Künsten auch Nichts versteht, beschränkt sich die Thätigkeit aller dieser Hirten auf die Bereitung der Butter, die ihnen als Tauschmittel zur Erwerbung von Kleidungsstoffen und Cerealien dient.

"Die Handelserzeugnisse, welche die Jagd liefert, sind die nn erwähnten Elephantenzähne und dann die Bisetufsonfede rn. : Auf

_ den Grenzen der Habab, im Norden und Nordwesten, liegen im grolsen

Umkreise die Gebiete einer beträchtlichen Völkerschaft, die unter’ dem Namen ‘Arendoas (Hadenduwa der Karten) vom Meer bis zum Gasch umherzieht. Sie besitzt ausgedehnte Heerden, ihre Hauptbeschäftigung ist aber die Straufsenjagd auf besonders dazu abgerichteten Pferden und Dromedaren, mit denen man. das edle Wild nach und nach um- zingelt. Der Lieblingsaufenthalt der Straufse sind die Wüsten, die sich zwischen Massua und Suakyn ausdehnen, wasser- und vegetationsarme, trostlose Salzebenen, in denen sich die glühende Tropensonne wieder- spiegelt. Dort sah ich die Sraufse oft in grofsen Heerden sich vor- wärts bewegen, wie ein rasch hinziehendes Gewölk am fernen Hori- zont.

Zur Vervollständigung der Angaben über die commerciellen Ver- hältnisse dieses Gebietes will ich noch einige Bemerkungen über die

- Karawanenstrafse von Massua nach Takka und dem Gasch

dem Obigen anschliefsen. Als ich im letzten Jahre (Ramadan 1270) das interessante Volk der Bogos besuchte, hatte ich Gelegenheit, die

- Strafsen kennen zu lernen, die der Handel nach dem Gasch einschlägt, _ und es wird vielleicht nicht ohne Interesse sein, ‚die Tagemärsche die- ser leichten und angenehmen Route übersichtlich aufzuzählen.

Von Mokullu (gegenüber Massua) durchzieht man am ersten Tage

die kleinen Thäler von. Weddubo, Desset, Amba und lagert in May _ Aualid (Quelle der Jungfrauen).

Sobald man die letzten Vorberge und mit ihnen das Samhar hinter

Sb gelassen hat, betritt man die grofse, von Straulsen bevölkerte Ebene

204 W, Munzinger:

Schaeb, die von Kedked kaum getrennt ist, folgt dem Fufse der grofsen Bergreihe zur Linken, und gelangt nach einem Marsche von 12 Stun- den durch eine schatten- und wasserlose Wüste von brennendem Sande nach Ayn, wo eine reiche Quelle ein grünes anmuthiges Thal bewässert.

Am dritten Tage steigt man von Ayn in derselben Richtung fort- ziehend auf einer dem Kameel gangbaren Strafse ein schmales Thal hinauf, das in’s Vorland der Habab Ati-Mariam führt und reich an Heerden von Kühen und Kameelen ist.

Von dort wendet man sich am vierten Tage westwärts und steigt durch ein liebliches, von Quellen bewässertes Thal, in welchem die Jagd ergiebig ist und auch Löwen und Elephanten nicht fehlen, zu dem Bergsattel empor, der Ati-Mariam von den Bogos, die Muslimin von den Christen trennt.

Hat man diesen Berg überschritten, so wendet sich der Weg im- mer entschiedener westwärts und man gelangt am fünften Tage noch zeitig zu der ersten Tribus der Bogos, dem reichen, nie von Fremden besuchten Dorfe Wasentet.

Von dort schlägt man wieder eine nordwestliche Richtung ein, bis man in’s Thal Anseba niedersteigt, dessen westlicher Lauf uns in die grolse Ebene führt, die sich nach Barka öffnet und Mogarech genannt wird. Diese Reise nimmt den sechsten Tag in Anspruch.

Von dort hat man noch 3 Tagereisen nach Barka und 5 weitere nach Takka, nur durch Wüsten. Der Weg von Takka nach Chartum ist bekannt und mag etwa 8 Tagereisen betragen.

Diese ganze Strafse verfolgt Thäler, die dem Kameel keine Schwie- rigkeiten bieten und mit wenig Mühe selbst für Wagen brauchbar ge- macht werden könnten. Eine andere aber weit schwierigere Stralse geht, anstatt den beschriebenen Umweg zu machen, direct über den Sattel von Menza.

Die Strafse, die wir besprochen, dient den’Leuten von Barka, ihre Butter und die Matten, die überall an den Küsten des Rothen Meeres zum Einpacken der Waaren und zur Austapezirung der Häuser dienen, nach Massua zu bringen. Auf dem gleichen Wege gehen auch die Karawanen von Arkiko nach Takka und tauschen dort ihre baum- wollenen Zeuge gegen Elfenbein um; ein Theil von ihnen beendigt seine Geschäfte bereits in den Habab und den Bogos, deren Butter- vorräthe er nach Massua führt.

Alle diejenigen, welche das zuletzt genannte Volk besucht und seine schönen Thäler durchwandert haben, bringen denselben Eindruck eines gelobten Landes in den Sand Massua’s zurück. Das Klima ist das Italiens, der Boden ausgezeichnet, und man könnte alle Reich- thümer der Colonien dahin verpflanzen. Die Bewohner sind edel und

Die nordöstlichen Grenzländer von Habesch. 205

gastfreundlich, Christen durch Erinnerung und Gefühl, und mein wür- diger Freund, Herr Johann Stella, ihr Missionär, wird nicht verfehlen, ihnen die Lehren der christlichen Civilisation zu spenden.

Es giebt auch eine frequentirte Stralse von Takka nach Suakyn, worauf die Karawanen den Gummi von Baua und das Elfenbein vom Sennaar an die Küste bringen, und ich erinnere mich einer Conver- sation mit Nur-ed-Din Pascha von Suakyn, worin er seine Hoffnung ausdrückte, die abyssinischen Karawanen auf diesen Weg zu leiten; aber ich kann nicht sagen, ob zwischen Takka und Gondar eine be- queme Communication existirt.

vH. Ausflug nach Hutscheu und Hangtscheu.

Nach einem Bericht von Jos. Edkins mitgetheilt von Dr. Biernatzki').

Die Fahrt auf dem Flusse Hwangpu bietet wenig Bemerkens- werthes, das Boot kam nur langsam von der Stelle. In einiger Ent- fernung von Sungkiang, auf dem Wege nach Kiahing, wandten wir uns von Südosten nach Osten, um die Strafse, welche nach Hutscheu führt, zu gewinnen. Am folgenden Tage passirten wir Lukü, eine Stadt, wo eine gewisse Art wohlbekannter Handelsfahrzeuge gezimmert werden. Man begegnet diesen überall; sie haben viel Aehnlichkeit mit den Wusung-Booten, welche zwischen Wusung und Shanghai fahren. Abends segelten wir bei Mondlicht. Zwei glänzend helle Lampen vor _ uns, dicht über der Oberfläche des Wassers, zogen meine Aufmerksam- _ keit auf sich. Wir kamen bald in ihre Nähe. Sie gehörten zu einer

i Vorrichtung für den Krebsfang (hiai twan auf chinesisch). Wir fuhren _ mitten hindurch und hatten dabei Gelegenheit zu bemerken, wie bei jeder Lampe ein Fischer die Aufsicht führte. Diese Leute waren in-

dessen viel zu eifrig mit ihrer unschuldigen Beute beschäftigt, als dafs

sie von uns Notiz nehmen oder unsere Fragen hätten beantworten

_ sollen. Während des Tages gehen die Krebse in den grofsen, aus Bambus gefertigten Fangkorb, der circa 10 bis 20 Fufs unterhalb des

% "Wassers liegt. Nachts kommen sie, durch das Licht angelockt, an die

F) Das Original befindet sich, wie Medhurst’s Skizze eines Theils derselben Provinz Tsehekiang, im Shanghai Almanac for 1855.

206 Jos. Edkins:

Oberfläche und werden dann von den wachsamen Fischern gefangen, in Körbe gepackt und lebendig auf den Markt gebracht. Selbst von aufserhalb des Fangkorbes steigen manche, durch den Lichtschimmer angezogen, nach oben. Bei nebligem Wetter sollen sie, wie man sagt, in grofser Anzahl sterben, daher dann auch nur wenige gefangen werden.

Früh am folgenden Morgen fuhren wir an Ping wang (Bingwong) vorüber, einer Stadt voll Geräusch, und indem wir uns von hier west- wärts in der Richtung nach Nantsin wendeten, bemerkten wir bald zu unserer Rechten den, Schangfangsan genannten, Hügel und weiter gen Nordwesten den Berg Tungtingschan (Dungdingsan), beide im Taihu-Gebirge. Nachdem wir die beiden beträchtlich grofsen Städte Nantsin und Tsingschi passirt hatten, zeigten sich die Berge von Hu- tscheu. Einer derselben zog durch eine auf seinem Gipfel stehende, sieben Stockwerk hohe Pagode unsere Aufmerksamkeit auf sich; er liegt fünf Li (ca. 2 engl. Meilen) südlich von der Stadt. Wir liefsen die Stadtmauer zur Rechten und begaben uns nach dem Fulse des Berges, wo wir vor Anker gingen. Er heifst Tautschangschan (Dau- dzangsan). Der Weg bis auf den Gipfel ist mehr als eine Meile lang. Steigt man hinauf, so schwindet allmählich die Ebene ganz, am Hori- zont zeigen sich ringsum Berge von verschiedener Höhe und Gestalt. Das Gestein ist meistens dasselbe wie das der in.der Nähe von Sung- kiang gelegenen Berge. Der Boden an den Abhängen, die mit jungen Fichten bepflanzt sind, besteht aus Sand, den verwitterten Resten des darunter liegenden Felsens. Eine vortreffliche Strafse führt nach dem Kloster hinauf, welches in einer Grotte liegt, fast in der Mitte des Weges zur Pagode. Die Aussicht von diesem Punkte ist sehr schön; man sieht die ganze Stadt Hutscheu, die nördlich angrenzende Ebene und grofse Bergmassen im Süden. In dem Kloster wohnten einige 30 Mönche, unter denen ich zwei vön der Tsokwanhoschang genannten Klasse fand, welche drei Jahre hindurch in ihren kleinen verschlosse- nen Zellen zubringen. Sie verkehren nur durch eine 1 Quadratfuls grolse Oeffnung in der Wand mit der Aufsenwelt. Der Eine war ge- rade im Beten begriffen und durfte nicht gestört werden, der Andere sprach sehr freundlich mit mir. Er schien unwissend und gutmüthig zu sein und hatte schon über ein Jahr in seiner einsamen Haft zuge- bracht. Als ich ihn fragte, ob er sich dabei glücklich fühle, erwiederte er, dals die Priester des Buddha nicht nach Glück fragten. Auf die äufsere Wand der Zellen war die Sentenz: „Om ma ni pad me hung“ geschrieben. Dieses Kloster, welches Wantscheuzi (Vanzeuzi) heilst, ward vor 1000 Jahren von einem Schüler des Bodhidharma, d.h. der Ueberwinder des Tigers, erbaut.

Ausflug nach Hutscheu und Hangtscheu. 207

Da ich auf dem Hügel Fuhhutung zwei Höhlen entdeckt hatte, so begab ich mich am nächsten Morgen mit meinem Führer dahin, um sie zu untersuchen. Nachdem wir über Stock und Stein geklettert waren, erreichten wir endlich die eine. Darüber befand sich das Grab eines Priesters, welches aus einer drei Fufs hohen Säule bestand, die auf ‚einem vierkantigen Sockel stand und eine Inschrift aus neuerer Zeit trug. Die Höhle selbst, ehemals eine Einsiedelei, ist sehr klein und muls eine sehr unbegqueme Wohnung gewesen sein, aber die Aussicht an ihrer Vorderseite ist herrlich. An der entgegengesetzten Seite des Berges fanden wir die andere Höhle, einige Schritte nach oben, an einem steilen. Abhange. Sie war noch kleiner als die erstere. Der alte Eremit, der ehemals in dieser Höhle wohnte, im Winter wie im Sommer, hatte kein bequemes Kloster in der Nähe, keine zahlreichen Genossen, _ keine gemüthlich eingerichteten Zimmer, keine wohlversehene Küche, _ mit einem Worte, Nichts, was hienieden angenehm ist. Nur an der herrlichen Landschaft, die vor seinen Augen sich ausbreitete, konnte er seine Blicke weiden. Indessen besafs er übernatürliche Kräfte und

das im Kloster von ihm aufbewahrte Gemälde stellt ihn auf dem Rük- j ken eines Tigers sitzend dar, dessen Wildheit er durch seine Zauber-

kraft bezwungen hatte und der ihm nun geduldig gehorchte. Seine modernen Ordensgenossen führen eine andere Art mönchischen Lebens, sie hatten Thee und Kuchen für Alle, die sie besuchten.

Frühere Inschriften als aus der Zeit der Ming-Dynastie fanden wir nicht. Aufserhalb des Klosters ist eine Quelle, deren frisches, küh- les Wasser vortrefflich schmeckte. Sie führt den Namen Si yan tsiuan, weil der berühmte Dichter und Verehrer des Buddhismus, Sutungpo, _ als er vorüberreiste, sein Dintenfafs darin ausspülte. Die Bruchstücke, welche ich von dem Felsen mit nach Hause brachte, zeigten, dafs er aus Sandstein bestehe. Dasselbe Gestein soll auch den Tungtingschan - im Norden bilden.

Dieser Berg und darunter der Ankergrund für Boote liegen ein- _ sam und umkränzt mit Maulbeerpflanzungen, gleich als wären sie viele Meilen weit von dem Lärm der Städte entfernt. Die Dorfbewohner sind ausnehmend höflich. Am Abend, nachdem wir am Südthore Sehriften ausgetheilt hatten, gingen wir in die Stadt und blieben wäh- "rend der Nacht vor Anker in dem breiten Ströme, der diese von Sü- “den nach Norden durchschneidet. Das helle Mondlicht verrieth die “Anwesenheit eines Fremden, wahrscheinlich hatte man das Boot schon "früher bemerkt. Nach Verlauf einer Stunde kamen eine Menge müs- siger Leute und schauten durch die Ritzen der Planken des Fahrzeugs. Mein Führer hatte sich nach dem besten Yamun (Gasthof) begeben, dem des Tschifu, und dort erzählt, ich sei nicht gekommen, um zu

208 Jos. Edkins:

kaufen, sondern um Bücher zu vertheilen und die christliche Religion zu verkündigen. Vielleicht ward dadurch einiger Aufschub bei den Behörden veranlafst, die sonst nicht verfehlt haben würden, sich wäh- rend meines Aufenthalts von drittehalb Tagen nach dem Manne in englischer Kleidung und dem Boote mit englischer Flagge zu erkun- digen. Es wird sich aber zeigen, dafs ich doch keineswegs aller Nach- forschungen überhoben blieb.

Am folgenden Tage begleiteten mich drei Chinesen nach dem Pe- tsioschan (Batsiahschan), dem Berg der weilsen Elster. Da der Strom schmal und die Brücken niedrig waren, so nahmen wir ein kleines Boot und fuhren am Nordthor zur Stadt hinaus. Nur wenige Boote, an denen wir zuerst vorüberkamen, hielten uns an, um Schriften zu erhalten. Da sie aber sahen, dafs dies nutzlos sei, liefsen sie bald von uns ab. Der Strom windet sich nordwärts 5 englische Meilen und ist von Maulbeerbäumen eingefalst. Diese stehen auf einem erhöhten, einige Fuls breiten Uferdamme, hinter ihnen in der Niederung liegen angebaute Felder. Der Boden wird von Unkraut und Gras rein ge- halten und gewährt daher für das Auge einen sehr angenehmen An- blick, indem er einem Garten ähnlich sieht. So oft wir an eine Brücke kamen, warnte uns der ältere Bootsmann, nicht zu sprechen, wenn wir darunter durchführen. Es herrscht nämlich bei den chinesischen Boots- leuten der Aberglaube, dafs wenn man bei der Durchfahrt unter einer Brücke das Schweigen bricht, man in Streitigkeit verwickelt wird. Die- ser Aberglaube ist allgemein und wenigstens ein Beweis für den fried- fertigen Charakter des Volkes, welches Prozesse fürchtet.

Die Strafse nach dem Fahwa-Kloster führt durch eine Allee von Pinien und Talgbäumen, welche ungefähr eine halbe englische Meile lang ist. Die dunkelrothe Farbe des Laubes des Talgbaumes (Ukinu, Stillingia sebifera) nimmt unter der Herbstbelaubung dieser Gegend die auffallendste Stelle ein. Die Priester, deren mehr als fünfzig und die nach den ihnen obliegenden Amtsverrichtungen in 22 Klassen getheilt sind, bewohnen eine grofse Anzahl Gebäude. Sie gaben uns grünen Thee, das Erzeugnifs der ihnen angehörigen Theesträucher, welches sie selbst bearbeitet hatten, und da derselbe frei von allen schädlichen färbenden Ingredienzien ist, so wird er auf fremden Märkten gern gesehen. Als wir den Berg hinanstiegen, merkten wir, dafs die Aussicht die Mühe des Aufsteigens belohnte. Das Taihu-Gebirge nimmt die ganze Nord- seite der Aussicht ein, daneben liegt nach Osten und nach Westen der Tungting Hu. Dieser grofse Landsee mit seinen Inseln breitet sich hier über 90 Grade am Horizont aus, obgleich er mehrere Meilen weit entfernt ist. Im Westen und Südwesten liegt eine mächtige Bergkette, die östlichen Ausläufer des Tienmuh, d. h. die Augen des Himmels.

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Ausflug nach Hutscheu und Hangtscheu. 209

Eine der schönsten Partien ist ein Gebirgszweig, dessen Windungen mit dem Auge von Hutscheu ab in weiter Ausdehnung bis zu den Stammbergen verfolgt werden können.

Das Tienmuh-Gebirge trennt die Provinzen Tschekiang und Ngan-

hwui und ist das höchste Gebirge in dieser Gegend. An seinen beiden _ höchsten Gipfeln im Osten und Westen entspringen zwei berühmte Flüsse, woher der Name Tienmuh entlehnt ist. Die Aussicht nach Süden umfalst ‘die Stadt Hutscheu und die jenseits derselben im Süden gelegenen Berge. Das Petsioschan hat eine sehr merkwürdige Gestalt, es gleicht einem Hufeisen, dessen Oeffnung nach Südosten gekehrt ist. Der von demselben eingeschlossene Raum ist mit angebauten Aeckern angefüllt. Man unterscheidet sieben Gipfel, deren höchster der Oeff- nung gegenüber liegt, die andern sechs sind minder hoch und liegen zu beiden Seiten des Halbzirkels. Auf meiner Rückkehr nahm ich die Anfertigung des geblümten Krepps (Tscheuscha), des Haupterzeugnisses in Hutscheu, in Augen- schein. Die Kunst, in Seide zu weben, wird besonders in Sutscheu eultivirt, daher die Weber in anderen Städten meistens von Webern aus jener Stadt unterwiesen werden. In Hutscheu wird dagegen ver- hältnilsmäßsig nur sehr wenig Seide verwebt, die Nachfrage vom Aus- lande begehrt den Rohstoff. Ein in dieser Beziehung wohl unterrich- _ teter Mann in Hutscheu sagte mir, dafs vier Fünftheile der dort ge- wonnenen Seide roh nach ausländischen Märkten ausgeführt würden.

Einer von meinen Begleitern bei dieser Gelegenheit war ein Schrei- ber, im Dienste des Tschifu, dessen Gegenwart für mich bei irgend einem Confliet von Nutzen gewesen wäre. Ein anderer, Tschangfuhhi, war ein Gelehrter, nicht ohne Anlagen und Kenntnisse. Er hatte erst vor Kurzem ein Werk über Kometen geschrieben. Darin beginnt er "mit dem Eingeständnifs, dafs die früheren Vorstellungen von der üblen Vorbedeutung der Kometen ohne Grund sind und dafs ihre Bahnen, Gröfse und Bewegungsverhältnisse, gleich denen der Planeten, berech- net werden könnten. Mit anerkennenswerther Sorgfalt hat er aus dem zu Ningpo veröffentlichten Taipingt'ungschu und dem zu Schanghai jerausgegebenen Tschungsit’ungschu alle auf die Kometen bezüglichen Beobachtungen, welche darin niedergelegt sind, gesammelt. Seine Be- rechnungsmethode besteht in Anwendung der Cyklen und Epieyklen ach dem von den Jesuiten-Missionaren in China eingeführten Ptole- mäischen System. Aufserdem hatte er etwas Aehnliches wie der ge- ırte Franzose Biot zu Stande gebracht, indem er Alles, was in der chichte China’s über Kometen vorkommt, zusammengestellt hatte. 8 davon dem Zeitraume der gegenwärtigen Dynastie angehörte, hatte er den Auszügen entlehnt, die sein Lehrer im Arbeitszimmer der

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III, 14

210 Jos. Edkins:

Sternwarte zu Peking selbst gemacht hatte. Diese Sammlung von histo- rischen Daten umfalste den grölseren Theil des Buches. Aufserdem hatte er noch andere Werke über Astronomie ‚verfalst, ebenso über Medizin, womit er sehr vertraut zu sein schien. Doch fehlt es ihm an Geldmitteln, seine Schriften drucken zu lassen. Er bezweifelt alle die gewöhnlichen abergläubischen Vorstellungen seiner Landsleute, er glaubt weder an Zauberei, noch an die acht Symbole der Magie, noch an die Existenz von Drachen in den Wolken, und giebt vor, dafs er für das Christenthum sehr eingenommen sei. Mein dritter Reisege- fährte war mein Sprachlehrer, der mich schon von: Schanghai ab be- gleitete.

Am nächsten Morgen, als wir nach Hangtscheu weiter fuhren, passirten wir einen schönen breiten Strom. Das mannichfaltige Far- benspiel des Laubes im Herbst trat hier besonders vortheilhaft hervor. Die Bäume, welche die Ufer einfafsten, waren meistens angepflanzte Maulbeerbäume. Ihr Anblick neben den nahen und fernen Hügeln bot ein wechselvolles, anziehendes Gemälde, um welches der breite Wassergürtel sich wie eine Schlange herumwand. In einer südlich von Hutscheu gelegenen Stadt hielt ich eine Stunde an, um Schriften auszutheilen. Darauf segelten wir rasch weiter und verliefsen den Be- zirk von Hutscheu. Hier zeugt Alles von grofser Wehlhabenheit, das Volk scheint glücklich und ist gut geartet. Vorzugsweise beschäftigen sich die Leute mit der Pflege der Seidenwürmer und dem Weben und Spinnen der Seide; überall in’ den Häusern in Städten und Dörfern sieht man sie hierin thätig. In Hutschen sollen 100,000 Familien woh- nen; die Stadtmauer hat 18 Li oder 6 engl. Meilen im Umfange. Wie die Eingeborenen mir sagten, soll sie indessen nur ein Viertel so grols sein, als Hangtscheu, wohin ich mich zunächst begab.

Wir steuerten auf unserem südlichen Course fort und kamen 'so in den Bezirk von Hangtscheu, in dessen Nähe wir an einer mit 10 bis 12 Geschützen armirten, aus Steinen aufgeführten Batterie vorüber- kamen, welche an der Einfahrt eines mächtigen, breiten, 30 Li langen Stromes liegt, der geradeswegs nach dem Zollhause in Hangtscheu führt und die Südgrenze des Grofsen Canals ausmacht. Als wir in der Nähe des Zollhauses ankamen, war es schon ganz dunkel und eine Brücke, welche in weitem Bogen den Strom überspannte, war das Zeichen, dafs hier der Anker geworfen werden mulste. Früh am fol- genden Tage erreichten wir das Zollhaus. Ich begab mich dahin, um den Beamten zu sprechen. Ein Knabe begleitete mich, der eine grofse rothe Karte mit meinem Namen, einige Testamente und andere Bücher trug. Diese dienten dazu, mich einzuführen, und ich meldete, dafs ich gekommen sei, den Si Hu (den westlichen See) auf einen oder zwei

Ausflug nach Hutscheu und Hangtscheu. 211

Tage zu besuchen. Der Beamte hatte nichts dagegen und sagte, dafs unsere beiderseitigen Regierungen und Länder mit einander in Frieden verkehrten. Er beantwortete bereitwillig meine Nachfragen, legte mir dagegen einige Fragen in Bezug auf die Politik vor, gab mir Thee und zeigte meine Ankunft keinem höheren Beamten an, obwohl er selbst nicht mit einem Knopfe begnadigt war. Ich verabschiedete mich wie- der, sehr erfreut darüber, dafs ich so leicht davon gekommen, und dachte, dafs möglicher Weise Taipingwang (der Gegenkaiser) und das gegenwärtige Verhalten der fremden Ministerresidenten an dieser höf- lichen Behandlungsweise eines Fremden ihren Antheil haben möchten. Der Weg nach dem. Si Hu von hier aus ist meistentheils ein schmaler, vielfach gewundener Fluls, der von einigen niedrigen Brücken überspannt ist und bis eine halbe Meile in die Nähe jenes berühmten See’s flielst. In weniger als einer Stunde legten wir den Weg zurück. Der See ist fast ganz rund; die Stadtmauer von Hangtscheu bildet seine östliche Grenze, an den andern Seiten liegen Berge rings am Horizonte. Auf diesen Anhöhen stehen eine grofse Menge Buddhisten- klöster, die mit einander hinsichtlich ihrer schönen Lage, ihrer Merk- würdigkeiten, der nahen Höhlen und architektonischen Schönheiten wetteifern. Durch den See führt ein Damm, ein angenehmer Spazier- weg, das Werk des Dichters Sutungp’o. Auf einer Insel, welche durch den Damm mit dem Ufer verbunden ist, liegt ein T’ingtsi, eine Sommer- wohnung, bei welcher sich ein merkwürdiges Echo findet. Dieses wie- derholt ganz deutlich mehrere nach einander gesprochene Worte. Man spricht einen. Satz mit lauter Stimme und wenn man aufhört, beginnt das Echo nachzusprechen. In der Nähe befindet sich ein Hingkung .des Kaisers Kienlong, welches, wie der Name andeutet, seine Residenz während seiner sechs Reisen in diese Gegend war. Eine bedeutende, ‚für. die Unterhaltung des Kaisers bestimmte Bibliothek ist in dem Lust- lose: aufgestellt. Der eigentliche Name desselben ist Wenlanko. Man zeigte mir hier noch den Sessel, in welchem Kienlong zu sitzen \ pflegte, und die für seine Begleiter bestimmten Stühle; sie waren aber ebenso wie das Gebäude vom Zahn der Zeit sehr mitgenommen. An E Under Hauptfront des Schlosses steht eine Inschrift in chinesischer, mand- _ schurischer und mongolischer Sprache, welche alle Besucher auffor- dert, von ihren Pferden zu ‚steigen und zu Fulse am Portal vorüber 3 ‚zu gehen. =, In der Nähe liegt das alte ae des Kaisers Kanghi, welches R „yon demselben bei sechs verschiedenen Gelegenheiten benutzt wurde. _ Später wurde es den Buddhisten überlassen und heifst jetzt Schingyinsi oder das Kloster, welches ein heiliges Geschenk des Kaisers ist. Hier aleben 5. bis 600 Mönche, auch wird hier eine Partie der unter. Controle 14*

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272 Jos. Edkins:

des Kaisers besorgten Ausgabe der buddhistischen Schriften in zehn grofsen Bücherschränken aufbewahrt. Von dem Hügel am Ufer, dem ersten, welchen man auf dem Wege vom Zollhause antrifft, hat man eine schöne Aussicht auf Hangtscheu und die naheliegende Bai. Doch eröffnet diese gleichsam nur die Aussichten, deren man von den erha- beneren Punkten auf den weiter gegen Westen gelegenen Hügeln ge- niefst. Die auf dem Hügel liegende Pagode Pauschuht’a war im vori- gen Jahre durch Feuer ihrer Zierrathen beraubt worden; das Unglück war dureh die Fahrlässigkeit eines Priesters entstanden.

Nahebei findet sich eine Höhle, die aus grofsen, in etwas bedenk- lichem Gleichgewicht auf einander ruhenden Felsblöcken gebildet wird. Sie heifst des Tigers Höhle. In dem nahen Manau-Kloster ist die beste Niederlage in Hangtscheu von neuerlich gedruckten buddhistischen Schriften, welche zum Verkauf bestimmt sind. Ein wenig westlich ist das grofse Buddha-Kloster. Der Besucher erkennt es sofort beim Ein- tritt. Ein kolossales Buddha-Bild ist hier in dem Felsen ausgehauen, es milst 48 Fufs von einer Schulter zur andern, die Nase ist 7 Fuls lang und die übrigen Theile des Körpers haben eine verhältnifsmäfsige Ausdehnung. Es ist, gleich ähnlichen Bildern von Holz, ganz vergoldet. Ersteigt man den Hügel, so trifft man kleinere buddhistische Götzen- bilder, neben welchen erklärende Inschriften in den Felsen gehauen sind. Weiterhin an dem westlichen Ufer des Sees ist ein schönes Grab- mal eines gewissen Yolauyi, eines Kriegers aus der Zeit der Sung-Dy- nastie. Er besiegte die Kin-Tataren und schlug sie über den Hwangho hinaus in die Flucht. Seine Feinde stürzten ihn aber, er verlor seinen Posten und wurde im Gefängnils umgebracht. Vor den Rossen, Scha- fen und Löwen, die zu beiden Seiten des zum Grabmal führenden Weges aufgestellt sind, liegen vier Figuren kniend, welche die Feinde des Yolauyi darstellen. Die Nachkommen des Tsingkwei, des Hauptes seiner Feinde, sind noch am Leben und besuchen niemals Hangtscheu, "wo ihre Vorfahren in dieser entehrenden Stellung abgebildet sind. Der Grabhügel ist sehr grofs und ganz mit Ziegelsteinen bedeckt.

Am zweiten Tage meines Aufenthalts am Si Hu besuchte ich zwei der gröfseren Klöster, welche zwischen den Hügeln an der Westseite des Sees liegen. Das Tiantso-Kloster ist das grölste und schönste. Dort leben gegen 700 Priester. Ein langer Felsenpfad, der sich zwi- schen den Hügeln hindurchwindet und allmählich ansteigt, führt zu dem- selben. Der Oberpriester empfing mich mit vieler Höflichkeit. Ich versuchte, mich mit ihm über religiöse Gegenstände zu unterhalten, aber dazu war er wenig geneigt, er schien alles Disputiren zu hassen. In einem anderen Thale liegt das Lingyin-Kloster, dessen Gebäude nach einem aufserordentlich grofsen Malsstabe angelegt sind. : Eine

Ausflug nach Hutschen und Hangtschen. 213

weite Halle enthält 500 vergoldete Figuren in Lebensgröfse. Die Halle ist viereckig und die Figuren stehen in Reihen von je fünfzig. Ein zweites Zimmer enthält die kaiserliche Sammlung buddhistischer Schrif- ten, welche auf einem kreisrunden Tische aufgestellt sind. Dieser Tisch nimmt die Mitte des Zimmers ein und ruht auf einem drehbaren Unter- gestell, welches von Jemand, der 300 Pfund fortzuschieben vermag, oder von mehreren Personen, die zusammen anfassen, bewegt werden kann. Diese Vorrichtung ist eine Anspielung auf die bekannte buddhistische Phrase, in welcher die ununterbrochene Predigt des Schakyamuni- Buddha beschrieben wird. Dieselbe lautet: Fa lun tschang tsuan, d.h. das Rad des Gesetzes dreht sich unaufhörlich!

In der Nähe dieses Klosters befindet sich die „Affenhöhle* oder Huyuentung, die so genannt wird, weil ehemals sich ein Affe darin aufhielt, der auf den Ruf eines greisen Eremiten herauskam. In einer anderen Höhle, am Eingange des Thales, ist eine enge Oeffnung, welche das Licht von oben hereinläfst. In Bezug darauf heilst diese Yih sian tiantung, d.h. die Höhle, in welche ein Strahl des Dämmerlichts hin- einfällt. Die Gestalt des benachbarten Felsens macht denselben für Sculpturarbeiten sehr geeignet, daher man hier eine grofse Anzahl von Bodhisattwas und anderer buddhistischer Figuren antrifft, welche in ver- schiedenen Stellungen in den Stein eingehauen sind. Auf dem Hügel oberhalb des Lingyin-Klosters kreuzen Wasserröhren aus Bambus meh- rere Male den Weg; sie führen dem Kloster das Wasser auf einer _ mehr als eine halbe Meile langen Strecke zu. Auf den Gipfel des

Hügels, welcher Pihkaufung heifst, führt ein mit Steinen belegter Fuls- pfad, 14 Meile lang. Der im Süden gegenüberliegende Hügel Nan- faukung ist von gleicher Höhe wie der eben genannte; hier ist der

höchste Punkt in der Umgegend des Si Hu. Die Aussicht vom Pih-

kaufung ist sehr umfassend, man erblickt Tschapu, die Berge an der entgegengesetzten Seite der Hangtscheu-Bai und einen grofsen Theil des Bezirks von Schauhing. Im Vordergrunde liegt der See und die

_ ihm an Gröfse gleiche Stadt. Hangtscheu hat 10 Thore und, nach der

Aussage der Leute, eine Bevölkerung, die nicht geringer als die von London ist. Bei meiner Rückkehr wurde ich zu einem dem Kloster ge- t "hörenden Fischteiche geführt, in dem mehrere hundert Fische von vier verschiedenen Sorten von den Priestern gezüchtet werden. Das Wasser ist sehr klar und die Fische kommen schaarenweise an die Oberfläche, "sobald man einige Stücke Brot hineinwirft. 2 Die eine Seite des Sees besuchte ich nicht, drang auch nur wenig 2‘ die Berggegend umher vor. Viele berühmte Klöster liegen noch in fernen Thälern versteckt. Die Berge haben meistens eine pittoreske Gestat und viele von ihnen kleine Grotten, die gerade grofs genug

214 Jos. Edkins:

sind, um einem Einsiedler eine angemessene Wohnung zu gewähren. Ihre Aufsenseite ist durchgehends kahl und deshalb ganz dazu geeig- net, solche Seulpturen darin auszuhauen, wie dies bei den Mönchen Sitte ist, die sich mit dieser Arbeit beschäftigen. Die mehr als tausend- jährigen Pilgerfahrten, sowie die Nähe der ihres Reichthums, ihres Luxus und ihrer Anhänglichkeit an den Buddhismus wegen berühmten Stadt haben die Klosterfonds bis zu einem anderswo unerhörten Grade bereichert. Die Priester ihrerseits verstehen es, Alles aufzubieten, was die Besucher anzulocken geeignet ist und ihnen Augenweide und Unter- haltung bietet. Deshalb ist mehr als ein nur flüchtiger Besuch dazu erforderlich, um sich mit allen Plätzen der Thallandschaft, den Grotten, den kolossalen Buddhabildern, den verschiedenen Orden und Rangstufen der Mönche und ihrer Klöster, den Sagen von Eremiten und den übri- gen Merkwürdigkeiten des Si Hu bekannt zu machen. \ Am Abend des zweiten Tages, welchen ich am Si Hu zubrachte, begegneten mir weniger angenehme Abenteuer, als ich bis dahin erlebt hatte. Als ich mit meinem Führer in einem Tragsessel in der Däm- merung zurückkehrte, trafen wir in der Nähe des Thores des Mandschu- Quartiers eine Gesellschaft Mandarinen. Zwei Beamte, der Tschihian

des Tsiantang-Distriets und ein Oberaufseher der Salinen, stiegen aus

ihren Sesseln und redeten mich an; ich that dasselbe. Sie sagten, sie hätten mir etwas mitzutheilen und wünschten, dafs wir in die Stadt gehen sollten. Ich dagegen schlug ihnen vor, uns, da es schon so spät sei, nach dem nächsten Kloster zu begleiten, um dort unsere Unter- haltung fortzusetzen. Da sie darauf aber nicht eingingen, verstanden wir, mein Führer und ich, uns endlich dazu, uns in die Stadt-zu be- geben und dort in dem Yamun des erstgenannten jener Beamten ab- zutreten. Nachdem mich die beiden Herren gefragt, was der Zweck meiner Reise sei. und ich ihnen erwiedert, ich sei gekommen, den Si Hu zu sehen, Bücher auszutheilen und unsere Religion zu verbreiten, ver- liefsen sie uns und gingen nach dem Futai, dem Gouverneur von Tsche- kiang. Die Conferenz bei diesem, welcher auch der Commandant der Stadt beiwohnte, dauerte sehr lange. Es war auch wirklich keine Klei- nigkeit, denn es handelte sich um einen Einbruch, den ein gänzlich unbewaffneter Engländer in die-von 500 Mandschusoldaten und einigen tausend Milizen (Hiangyung) besetzte Stadt Hangtscheu gemacht hatte, Indessen war der General doch sehr beunruhigt, denn ich war ja früh bei. Tagesgrauen durch das Mandschu-Thor in die Stadt gekommen und hatte sie sofort wieder verlassen, nachdem man mir gesagt, es sei nicht rathsam, weiter zu gehen. Das hatte freilich gar keinen Grund, wie ich nachher begriff, und wer sollte auch nicht wünschen, wenn er sich einmal in der Nähe einer grofsen berühmten Stadt befindet, diese

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Ausflug nach Hutscheu und Hangtscheu. 215

in ihrem Innern anzusehen. Das ganze Ereignils rührte daher, dafs die beiden mit rothen Troddeln behängten Unterbeamten, die gerade aus ihrem Schlafe erwachten, mich mit verblüfften Mienen anstierten, meine Weiterreise erfuhren, den General der Mandschu-Garnison davon benachrichtigten, der seinerseits wieder den Futai in Kenntnifs setzte, welcher endlich jene beiden Unterbeamten absandte, weitere Nachfor- schungen anzustellen. Während meiner Abwesenheit waren sie in mei- nem Boote gewesen, hatten Alles genau durchgesucht, die Namen der

Schiffer aufgeschrieben und die der Diener, auch ein Neues Testament, | eine Arithmetik, eine Geographie, mehrere Almanache und christliche Schriften mitgenommen, nachdem sie gehört hatten, dafs ich diese ver- theile. Auf der Rückkehr von ihrer Expedition trafen sie mit mir vor dem Thore zusammen.

Der Futai liefs mich alsbald benachrichtigen, dafs ich ruhig nach Hause reisen könne, aber mein Führer Li in der Stadt bleiben müsse, um verhört zu werden. Als uns davon der Tschihian in Kenntnis setzte, protestirten wir ernstlich gegen eine solche Trennung, sahen aber nach einiger Zeit vergeblichen Streitens ein, dals der zornige Ton des Mandarinen, womit er sich zu Li wandte, und die Gebehrden der umherstehenden niederen Beamten Nachgiebigkeit rathsam erscheinen liefsen.

Am Abend des nächsten Tages fügte ich mich daher dem wieder- holten Andrängen des Tschihian, mich nach dem 2 bis 3 Meilen’ ent- fernten Zollhause zu begeben, damit dem Futai aller Vorwand zu stren- gen Malsregeln benommen würde. Auch bewog mich insbesondere dazu, dafs mein Schiffer insgeheim bedroht worden war, man würde sein Boot in Beschlag nehmen, und es schien mir Pflicht, solchen schlimmeren Conflieten vorzubeugen. Am Morgen des folgenden Tages ward Li 3 verhört und man versprach ihm seine Freiheit. Ich ging zu dem frühe- _ ren Ankerplatze, bis auf 1 Meile vom Stadtthor, zurück, wo mir ein Bote begegnete, der mir einen Brief von Li überreichte, dessen Hand- sehrift ich erkannte, woraus ich erfuhr, dafs Li am nächsten Tage aus der Stadt kommen würde, was zugleich der Bote mündlich bestätigte. & Besuche bei Freunden verhinderten indessen, wie ich am folgenden Tage erfuhr, seine Rückkehr zu mir, und nach Verlauf von drei Tagen brach _ ieh am nächsten Morgen ohne ihn auf, nachdem ich ihn mit Reise- _ mitteln versorgt hatte, entweder um mir nachzukommen oder, wenn er Ei es vorziehen sollte, nach seiner zwei Tagereisen von Hangtscheu ent- fernten Heimath sich zu begeben. Ich hatte während der drei Tage täglich mit ihm verkehrt und von ihm schriftlich erfahren, dafs ich _ seinetwegen nicht besorgt zu sein brauche. Der Futai verlangte, ich sollte eine Escorte mit nach Hause nehmen, was ich aber als völlig

216 Jos. Edkins:

unnöthig ablehnte, da ich ohne Furcht vor Gefahren reise. Dennoch folgte mir ein Boot, welches zu Schimun und Kiahing mit einem an- deren vertauscht wurde.

Als ich um Mittag zu Kiaschan mit günstigem Winde ankam, wo der Wechsel eines Boots mehr als eine Stunde Aufenthalt verursacht haben würde, verlor ich das mir folgende Fahrzeug bald ganz aus dem Gesichte. Der Tschihian sagte mir, er habe vom Statthalter von Hu- tscheu eine Mittheilung erhalten, welche die Ankunft eines Fremden anzeige, mit der Warnung, dafs er nieht in die Stadt Hangtscheu ein- gelassen werden möge. Wahrscheinlich wäre ich allen Conflieten mit den Behörden entgangen, hätte ich mein Boot beim Zollhause verlassen und wäre zu Fulse zwei bis drei Meilen weiter gewandert. Ich würde dann noch eine Pagode haben besuchen können, die südwärts auf dem Gipfel eines Hügels lag, von wo ich den ganzen Si Hu überblickt hätte. Auch hätte ich dorthin leicht einen Tragsessel miethen und am Abend wieder zurückkehren können. Allein ich war damals mit den Locali- täten der Gegend nicht hinlänglich bekannt.

Der Futai Wang Tschun hang hatte den Ruf eines sehr strengen Mannes und die Bootsleute meinten gewils, dafs Li förmlich eingeker- kert und mit aller Strenge chinesischer Gesetze wie ein Verbrecher behandelt werden würde. Jedoch hatte der gestrenge Beamte diesmal mehr Mäfsigung bewiesen, als man vermuthen durfte, denn es lag durchaus kein Grund vor, gegen Li mit Strafen vorzuschreiten. Würde er aber seine Feindschaft gegen Fremde auch auf diesen ausgedehnt haben, so wäre ein Lösegeld das einzige Mittel gewesen, Li die Frei- heit zu verschaffen.

Von letzterem ist indessen ein Brief eingetroffen, worin er schreibt, dafs er sich zu Haining im Bezirk von Hangtscheu befinde, wohin ihn der Futai habe bringen lassen und ihm dann verstattet habe, nach Be- lieben weiter zu gehen oder zu bleiben. Er hatte bis dahin eine Menge Dollars ausgegeben, die ihm ein Freund geliehen, und beabsichtigte nun, sobald er fernere Reisemittel auftreiben könne, nach Schanghai zurückzukehren.

Die im Norden von Hangtscheu liegenden Vorstädte sind sehr grols, und hier versammelte ich mehrere Male in den Tempeln oder auf der Strafse einen Zuhörerkreis um mich. Die Bewohner von Hang- tscheu haben keine Vorstellung von unserer Feindschaft wider den Götzendienst; sie glauben vielmehr, ein Fremder, der nach dem Si Hu komme, wolle dort nur Weihrauch, den Götzen zu Ehren, verbrennen. Eine grofse Anzahl Bücher theilte ich in den zwischenliegenden grofsen Städten aus, wo die Einwohner bei jedem Landungsplatze in dichten Schaaren an beiden Ufern des Stroms zusammenkamen und ihre Hände

Ausflug nach Hutscheu und Hangtscheu. 217

nach meinen Büchern ausstreckten. Auch fand ich Gelegenheit, die Schriften zu verbreiten, wenn mein Boot fortgezogen werden mulste.

Der Weg nach Hutscheu, nördlich von dem Fufspfad, auf dem diejenigen gehen, welche das Boot ziehen, ist eine schöne, mit Granit- steinen gepflasterte Stralse, die im verflossenen Jahrhundert gebaut worden. Sie liegt ungefähr drei Fufs höher als das Niveau des Flusses und ist wegen der unregelmäfsigen Umrisse des Ufers meistentheils durch das Wasser selbst angelegt. Für dergleiehen Bauten nahm man früher die allgemeinen Steuerkassen in Anspruch; bei dem trostlosen Zustande des öffentlichen Schatzes aber seit der Zeit des Kaisers Kia- king hat eine Ausgabe soleher Art nicht mehr gemacht werden können.

Ich war 0, Tage von Schanghai abwesend gewesen. Die Entfernung der vornehmsten Städte, welche ich besucht hatte, war fol- gende: von Schanghai nach Hutscheu 300 Li, von Hutscheu nach Hangtscheu 150 Li, von Hangtscheu nach Kiahing 200 Li, von Kia- hing nach Schanghai 240 Li. Vorausgesetzt, dafs diese Angaben, wel- ehe mir die Chinesen machten, richtig sind, hatte ich also im Ganzen ca. 300 englische Meilen zurückgelegt.

IX. Reise durch die Pampas.

Bruchstück aus der später erscheinenden Reise durch Süd- Amerika von H. Burmeister.

Erster Abschnitt. Von Rosario bis zum Pueblo R. Quarto.

Mein Aufenthalt in Rosario wurde durch unvorhergesehene Um- stände bedeutend verlängert; ich hatte gehofft, den einförmigen und _ wenig Stoff zu wissenschaftlichen Untersuchungen gewährenden Ort bald wieder verlassen zu können, und sah mich genöthigt, 18 Tage darin zu verweilen, eine kleine Ausflucht von 6 Tagen abgerechnet, welche ich während dessen nach dem benachbarten Paranä unternahm. 3 Schon war Alles zu meiner Abreise vorbereitet, als die Festlichkeiten _ der Fastnachtszeit mich nochmals aufhielten; kein Peon liefs sich be- wegen, dieselben zu verabsäumen und statt dessen auf die Reise zu gehen; man verkleidete sich nach Kräften und Umständen mit Mas- ken und alterthümlichem Kostüm; bewarf sich mit Eierschaalen voll Pi ir oder schüttete sich gar ganze Töpfe Wassers über den Kopf; tobte dabei mit Schwärmern, Raketen und anderem Spielwerk, dafs

218 H. Burmeister:

Niemand, der seine Kleider lieb hatte, hinausgehen konnte; und tanzte endlich die Nacht durch bis zum Morgen, die Einen hier, die Andern dort mit Ihresgleichen sich vergnügend. Indessen waren die Bälle im Club, denen ich beiwohnte, höchst elegant, ja schon der vie- len geputzten Damen halber, die sich hier nicht maskiren, besuchens- werth; argentinische Grazie verbunden mit altspanischer 'Grandezza schienen darüber in reicher Fülle ergossen zu sein. So safs ich während dieser tollen Zeit den ganzen Tag von Morgens 10- Uhr, wo ein Kanonenschlag das Fest eröffnete, bis Nachmittags 5 Uhr in mei- nem Zimmer, von Hitze und Langeweile geplagt; denn selbst zur Haus- thüre hinaus durfte man sich nicht wagen; wie man den Rücken wen- dete, kam schon ein Ei aus dem Nachbarhause geflogen und trieb uns von der Stelle. Wir waren förmlich in einem Belagerungszustande. Der Tag nach dem Feste, ursprünglich zur Abreise bestimmt, ging freilich auch noch verloren; die allgemeine Abspannung war zu grols, als dafs die nöthigen Vorrichtungen dazu sich hätten ins Werk setzen lassen. Endlich kam ich den folgenden Tag gegen 12 Uhr auf den Weg, indem die zweckmäfsige Anordnung meiner Bagage noch viel Zeit erforderte. Die argentinische Regierung hatte mir zum Transport meiner Sachen einen Carreton, d.h. grofsen zweirädrigen überdeckten Karren, wie sie als Transportkarren beim Militair in Preufsen gebräuch- lich sind, zur Verfügung gestellt; vier Pferde bildeten seine Bespan- nung und ein Reiter auf jedem Pferde meine Begleiter; ich selber sals vor den Kisten und Kasten im Karren auf meinem elastischen Reisekoffer und litt freilich viel an Stölsen und Puffen während der Fahrt, fand es aber doch behaglicher, hier Platz zu nehmen, als ein fünftes Pferd zu besteigen und im Galopp den dahin eilenden Karren zu begleiten. So. gelangte ich in 13 Tagen von Rosario nach Mendoza. Die Stadt Rosario -hat keine ausgedehnten, cultivirten Anlagen in ihrer Umgebung; wenn man die äulsersten, aus dürftigen Hütten be- stehenden Theile ihres Gebiets hinter sich hat, gelangt man schon auf die Pampas und sieht eine endlose Ebene vor sich, deren Boden mit einem feinen, kniehohen Grase bedeckt ist. Kein Gegenstand von ir- gend welcher Eigenthümlichkeit zeichnet sich darin aus; der weite Ho- rizont verschwimmt in violetter Bläue und völlig wie auf dem Meere wird man von einem kreisförmig abgegrenzten, überall gleich fernen Gesichtsfelde umgeben, dessen äulserste Grenze selbst in der Färbung dem Meereshorizont ähnlich sieht. Auf dieser einförmigen, aber nicht gerade öden Ebene fährt man eine Stunde nach der andern, einen Tag wie den andern und hat keine Abwechselung darin zu erwarten, als etwa eine weidende Viehheerde, ein aufgescheuchtes Wild, einen Ochsen- Karrenzug, eine Estancia oder einen kleinen See; wahre Flüsse gehen

Reise durch die Pampas. 219

den ächten Pampas ganz ab, kein beständiger reichlicher Wasserstrom durchfurcht ihre Ebene. Der Beobachter, welcher sich mit den Pam- pas beschäftigen will, mufs sehr in die Einzelnheiten gehen, um ein Bild von ihnen zu entwerfen; der allgemeine Charakter der Pampas ist mit wenigen Worten, wie wir es gethan haben, vollständig gezeichnet! Die erste für mich merkwürdige Wahrnehmung war das völlige Verschwinden des Weges in der Flar, über welche mein Wagen dahin- rollte; kaum war ich eine halbe Stunde gefahren, als die bis dahin offene staubige Fahrstrafse sich verlor und ein gleichförmiger Gras- teppich mit hie und da tiefer eingedrückten Gleisen meine Bahn wurde. Es ist bezeichnend für den Charakter der hiesigen Bevölkerung, dafs ein Land, welches durch seine natürliche Beschaffenheit nicht günstiger für den Strafsenbau sein kann, als das Pampasgebiet, ganz und gar keine gebahnten Fahrwege besitzt; vielmehr der Boden desselben ebenso verblieb, wie ihn die Natur den ersten Ankömmlingen übergab. Und doch wären bei den grofsen Entfernungen, worin die Ortschaften und Ansiedelungen auseinanderliegen, brauchbare Strafsen eine grofse Er- leichterung der Communication gewesen. Man hat hier Nichts dafür gethan während der 300 Jahre der Besitzergreifung durch die Spanier und ihre Abkömmlinge; keine Brücke ist gebaut worden, kein Moor durchstochen, kein Hügel geebnet; überall mufs der Wagen durch den Fluls gefahren, der Sumpf umzogen, der Hügel überschritten werden, und oft auf so jähem Absturz, dafs man sich mit Recht verwundert, wie Pferde und Geschirr die immens gesteigerte momentane Anstren- gung ertragen. Das einzige Entschuldigungsmittel für eine solche Nach- lässigkeit liegt in dem Umstande, dafs es in diesem Lande freilich an jedem geeigneten Baumaterial fehlt; kein Stein liegt auf den Pampas; von Buenos Aires bis Mendoza fehlen Gerölle und "Feldsteine der Flur _ gänzlich; nur an- Stellen, wo Bäche oder kleine Flüsse sich eine Bahn gebrochen haben, findet man in ihren Betten Rollsteine, welche der - Fluls von den entfernten Gebirgen mit sich herabführte, und diese sind in der Regel so klein, dafs sie zum Strafsenpflaster nicht taugen; höchstens könnten sie geschlagen als Chausseeaufwurf gebraucht wer- den. Und ganz derselbe Mangel an Bauholz entschuldigt auch den = Mangel einer Brücke; nur in Gegenden, wo die eingeführte italienische ' Pappel eultivirt wird, hat man Brücken über die kleineren Gräben und Bäche gebaut, welche zur künstlichen Bewässerung dienen; gröfsere ö Flüsse werden auch da durchfahren, es sei denn, daß in einer Stadt wie Mendoza oder Cordova das Bedürfnifs einer steten leichten Com- munication steinerne Brücken unabweislich gemacht habe. _ Man kann ohne Uebertreibung behaupten, dafs es auf der ganzen Erde keine Gegend giebt, in welcher der Bau einer Eisenbahn leichter

220 H. Burmeister:

sich bewerkstelligen liefse, als die Entfernung von Rosario bis Men- doza, welche ich in 13 Tagen fahrend zurücklegte; man kann noch weiter gehen und sagen, dafs diese Bahn mit der Zeit eine der ein-- träglichsten von allen gröfseren Bahnen werden mülste, weil sie zwei Weltmeere mit einander in leichtere Verbindung brächte und den müh- sameh Weg von Europa nach Peru und Chile über die Landenge von Panamä oder um das Cap Horn herum zu einer leichten und beque- men Reise umgestaltete. In der That fehlt es nicht an Leuten, welche die Nützlichkeit, man mufs sagen die Nothwendigkeit einer solchen Unternehmung erkannt und ausgesprochen haben; einsichtsvolle Privat- männer haben die Regierungen von Chile und den La Plata-Staaten schon seit Jahren darauf hingewiesen, und Allan Campbell, Ober- Ingenieur der in Chile erbauten Bahn von Valparaiso nach St. Jago, hat schon einen Plan dazu entworfen; aber die argentinische Re- gierung betreibt diesen hochwichtigen Gegenstand zu lässig; sie erkennt zwar die Wichtigkeit der Bahn an, stützt sich aber auf den Mangel an den nöthigen Arbeitern, auf die Höhe des im Lande üblichen Tage- lohnes, endlich auf die zur Zeit noch ausreichenden anderweitigen Trans- portmittel und den ziemlich geringen merkantilen Verkehr zu Lande durch diese Gegenden '). Allein alle diese Gründe fallen, wenn die Re- gierung sich nur entschliefst, den Bau Ausländern zur Ausführung zu überlassen; man würde in kurzer Zeit von Europa Tausende brauch- barer Arbeiter hinüberschaffen, dadurch den Tagelohn herabdrücken, und, wenn die Bahn auch nur bis Mendoza gebaut würde, den gröls-. ten Theil der Waaren, welche jetzt um das Cap Horn herum nach Chile gehen, um von da in die argentinischen Lande zunächst den Cordilleren übergeführt zu werden, auf diesem Wege leichter, schneller und billiger ins Binnenland schaffen können. Ja man würde, und die- sen Gesichtspunkt müfste eine patriotische Regierung ganz besonders ins Auge fassen, der jetzt noch ziemlich armen Binnenbevölkerung eine leichte Communication mit dem Meere eröfinen und dadurch deren Producten einen Markt schaffen, der ihnen zur Zeit noch fehlt. Statt des französischen Weines, der jetzt allgemein in Buenos Aires und Montevideo getrunken wird, würden die einheimischen Weine von Men- doza und S. Juan auf der Tafel stehen und bald die meist schlechten ordinären Sorten des Auslandes verdrängen. Auch Rosinen, Backobst aller Art, Viehhäute und Korn würden sich mit Leichtigkeit von dort nach den östlichen Ausfuhrorten versenden lassen, während jetzt alle diese Produete dem Handel fast verloren gehen, des hohen Transportes wegen, den sie bis zum Verschiffungsorte kosten. Die argentinische

») Vgl. unter den Miscellen den Auszug aus der Botschaft Urquiza's. K.N,

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| Reise durch die Pampas. 221

Eisenbahn ist ein Weltbedürfnifs, eben so gut, wie die Panamä-Bahn; sie wird gebaut werden, weil sie gebaut werden mufs; aber es ist unweise, kleinlicher Nebenrücksichten halber der Gegenwart einen Vortheil zu entziehen, den die Zukunft erhalten und dann, allem An- schein nach, nicht billiger, sondern nur theurer im Anlage -Capital sich verschaffen wird.

Während ich noch in Verwunderung über das völlige Ausbleiben eines gebahnten Weges so nahe bei einer Stadt von mehr als 8000 Ein- wohnern versunken war, lenkte ein anderer Gegenstand von gröfserem Interesse für mich meine Aufmerksamkeit auf sich: ein todt im Felde liegendes Vizcacha. Noch hatte ich keines dieser über das ganze südliche und östliche Gebiet der Pampas verbreiteten Thiere gesehen; | _ um so mehr zog mich dieser daliegende, gleichsam für mich in Bereit- schaft gesetzte Körper an; ich hob ihn auf, fand aber zu meinem Be- dauern, dafs er schon zu sehr in Verwesung übergegangen war, um mir nützlich werden zu können. Das Vizcacha (Lagostomus tricho- dactylus Brooke’s, Callomys Viscacha Geoffr. St. Hil.) gleicht im äufse- ren Ansehen unserem wilden Kaninchen und heifst deshalb Pampas- Kaninchen; es ist aber etwas gröfser, hat kürzere Ohren, einen lan- gen, auf der Rückenseite mähnenartig behaarten Schwanz und eine überhaupt abweichende Organisation; denn es gehört nicht zur Gruppe der Hasen, sondern zu den Wollmäusen (Eriomyidae), welche eine besondere Unterabtheilung der über ganz Süd-Amerika verbreiteten grofsen Gruppe der Muriformes unter den Nagern bilden !). Seine Aehnliehkeit mit dem Kaninchen erstreckt sich hauptsächlich auf die graue Körperfarbe, welche indessen am Kopfe und an der Kehle mehr "ins Rostgelbe fällt, und auf die unterirdische Lebensweise in grofsen, _ tief ausgegrabenen Erdhöhlen, deren weite Mündung stets von einem _ hohen Aufwurf umgeben ist. Diese Löcher sieht man überall in den _ Pampas, oft zwei bis drei nicht gar weit von einander; aber das Thier _ läfst sich bei Tage nicht blicken, es steckt im Bau und kommt blofs _ Morgens und Abends in der Dämmerung zum Vorschein, alsdann und während der Nacht seiner Nahrung nachgehend. Letztere besteht nicht, _ wie man angegeben hat, in Wurzeln, sondern in Blättern der verschie- ‘densten Pampaskräuter; ja es dringt eben deshalb gern bei Nacht in "die Gärten der Ansiedler ein, um Kohl und andere Gemüse zu fressen. "Aus demselben Grunde sieht man die Vizcacha-Löcher so häufig ganz

nahe bei den Ansiedlungen; man wird nicht leicht eine einsame Estancia ni

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.. *) Man vergleiche über diese in ihrem richtigen Umfange zuerst von mir be- E4 gründete Familie der Nagethiere meine „Systematische Uebersicht der Thiere Brasi- ‚liens“ Ba. I, S. 186.

222 H. Burmeister:

in den Pampas treffen, ohne zwei bis drei Vizcacha-Höhlen in der Entfernung von etwa 500 Schritten neben ihr. Das Thier hat die son- derbare Gewohnheit, allerlei Gegenstände, welche ihm auf seinen nächt- lichen Streifereien in den Weg kommen, nach Hause zu schleppen und vor seiner Wohnung niederzulegen; der Eingang ist stets mit Knochenstücken, dem gemeinsten Kehricht der Pampas, wie gepflastert, und hie und da sieht man auch wohl den Rest oder den Deckel einer Blechdose, z. B. der Sardines & l’huile, die viel von Reisenden wäh- rend der langweiligen Fahrt verzehrt werden, oder ein Spornrad, das Stück eines Messers u. dgl. m. darunter. Was die Thiere damit be- absichtigen, ist schwer zu errathen; vielleicht wird der heller gefärbte, bei Nacht kenntliche Gegenstand ihnen als Merkmal ihrer Spur 'ver- dächtig, und sie nehmen ihn mit, um ihren Pfad unkenntlicher zu machen. Namentlich glänzende, metallische Körper schleppen sie fort. So erzählt Darwin, dafs ein Gaucho, der seine Uhr in der Nacht verloren hatte, am andern Morgen alle Vizcacha-Löcher seines Weges untersuchte und die Uhr auch bald neben einem derselben fand. Ich bemerkte hauptsächlich Knochen vor dem Eingange, und darunter auch die Gebeine der eigenen Art; namentlich einmal einen gut erhaltenen Schädel des Thieres. Steine giebt es nicht in den Pampas und darum findet man keine vor den Vizcacha-Löchern; eben so wenig weiche Gegenstände, wie z. B. trockener Mist; den lassen sie liegen.

In den verlassenen Höhlen der Vizcacha’s lebt ein anderes ge- meines Thier der Pampas, die kleine Erdeule (Strir cunicularia oder Athene’ cunicularia der neueren Schriftsteller). Sie hat das Ansehen der Schleiereule, ist aber viel kleiner, heller gefärbt und nicht gelb, sondern grau, mit weilsem Schleier, weilsem Augenstreif und weifslicher Brust. Dieser sonderbare Vogel ist im Gegensatz zu seinen Gruppen- genossen ‘ein Lichtfreund; er hält sich gern am Tage aufserhalb des Loches auf und sitzt gewöhnlich paarweise neben demselben, auf dem überhängenden erhöhten Rande des Einganges, grell von der Sonne beschienen und darum weit in die Ferne leuchtend. Kommt man näher heran, so richtet er den Kopf auf, den Reisenden beobachtend; aber in einer gewissen Entfernung wird ihm doch bange, er duckt plötzlich den Kopf nieder, kreischt auch wohl, während er vom Abhange in den Eingang hinabhüpft, und geht langsam in die Höhle hinein, sich später umdrehend und. zum Loch herausblickend. Häufig trifft man beide Gatten in dieser Stellung bei einander. An Orten, wo Disteln in der Nähe stehen, sitzen die Vögel auch lieber auf den höchsten Distelköpfen und fliegen kreischend davon, wenn man ihnen näher kommt; an noch anderen Stellen, besonders solchen mit sehr kur- zem Grasteppich, stehen sie langgestreckt unmittelbar auf dem Boden,

Reise durch die Pampas. 223

fliegen später auf, setzen sich wieder, und begleiten den Reisenden auf diese Art wohl eine Strecke. Ob die Eule selbst Löcher grabe, oder blofs verlassene anderer Thiere benutze, hat man bisher verschieden beantwortet; ich habe sie indessen an den hohen Abhängen des Pa- ' rana-Stromes ebenfalls in der Mündung wagrechter Löcher beobachtet, wo andere Thiere keinen Zugang haben konnten, und glaube daher, dals sie unter Umständen auch selbst sich ihren Bau anlegen. Ebenso trifft man den Vogel in Gegenden häufig, wo es keine Vizcacha-Löcher giebt, z. B. in der Banda Oriental und selbst in Brasilien. Hier könnte sie nur die ähnliche, aber kleinere Wohnung der Stachelratten (Echinomys), Nager, welche gleichfalls in die Muriformes-Gruppe gehören, zum Aufenthalte wählen und würde alsdann genöthigt sein, sie selbst grabend zu vergröfsern, um sie für sich wohnlich zu machen. Die Vizcacha-Löcher, die Erdeule und einige andere Vögel, na- mentlich die gemeinen, schon in der Banda Oriental beobachteten Ca- ranchos (Polyborus vulgaris s.- brasiliensis und Milvago pezoporus s. Chimango) bildeten die Gegenstände, welche mich auf meiner Fahrt beschäftigten; ich fand nichts anderes als sie zur Unterhaltung. Da- mit mich beschäftigend gelangte ich schon nach zwei Stunden an die ‚erste Station, wo meine Pferde gewechselt wurden. Es war ein ein- zelnes Haus, mitten im Camp, 4 Leguas von Rosario, neben einem Paar mächtiger alter Ombu-Bäume, unter denen eine Schaar Gauchos lagerte,. ihre Pferde neben sich; etwas abseits war der Rancho, aus welchem die frischen Pferde für mich geholt wurden. Da es lange dauerte, ehe die Peone herbeigerufen, die Pferde gefangen und ange- _ schirrt, die Leute reisefertig gemacht wurden, so zog ich es vor, ab- zusteigen und mich zu den Gauchos zu setzen, hauptsächlich um ihnen zu zeigen, dafs ich, obgleich Gringo von reinstem Wasser, keine Furcht ‚oder Scheu vor ihnen habe, und dann auch um die Leute selbst besser beobachten zu können. Man. hatte mir mehrmals gesagt, dafs es be- denklich sei, namentlich in europäischer Tracht, mit der hiesigen Land- erölkerung untersten Ranges sich einzulassen; besonders hatte man 1 ‚mir gerathen, Goldsachen zu verstecken, und noch als ich in den Wa- ‚gen stieg, rief mir einer meiner Freunde zu: „Wollen Sie. wirklich so mit Ihren zwei goldenen Uhrketten über die Brust durch die Pampas : reisen?“ Ich hatte damals laut lachend geantwortet: „Ja gewils!* un war es an der Zeit, meinen Muth zu Kanahacs ich stieg also aus; grüfste die Gauchos, setzte mich zu ihnen auf einen Stuhl, der mir alsbald aus dem Hause gebracht worden war, und sah vor Aller Augen nach der Uhr, um zu wissen, wie viel Zeit ich gebraucht habe, _ hierher zu kommen. Natürlich regte sich Niemand von ihnen, mir Uhr

und Kette abzunehmen; im Gegentheil, Einer fragte sogleich, was es En

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22a H. Burmeister:

an der Zeit sei, und da hiermit eine Unterhaltung begann, so wurde es schon an meiner Sprache in einem Kauderwelsch, das die Mitte zwischen Portugiesisch und Spanisch hielt, d. h. aus Wörtern beider Sprachen in unordentlichster Mischung bestand, ihnen bald klar, dafs ich ein ganz frisch angekommener Fremder sein müsse. Indessen habe ich sowohl bei dieser Zusammenkunft, als auch später in allen ähnli- chen Fällen niemals Gelegenheit gefunden, mich über das Benehmen der Leute zu beklagen; ich bin ihnen stets frei und offen entgegen- getreten, als ob ich zu ihnen gehöre, und sie haben mich dagegen als einen Fremdling, dem Achtung gebühre, behandelt und mir eine ge- wisse Auszeichnung bewiesen, die alsbald alle Furcht, wenn ich deren je gehabt hätte, in Vertrauen umwandeln mufste. Man thut sehr un- recht, die Gauchos für rohe und brutale Menschen, oder gar durch die Bank für Räuber und Banditen zu halten; dies sind sie durchaus nicht; es sind vielmehr Leute von Selbstvertrauen und einer ge- wissen ordinären Chevalerie, die in jedem Manne mit demselben Cha- rakter aber von besserer Bildung und höherer socialer Stellung sofort ihren Obmann anerkennen und ihn als solchen behandeln. Rohheit dagegen ertragen sie nicht; diese weckt ihre eigene Leidenschaft so- gleich, und der, welcher sie von der Seite anblickt und von oben herab mit ihnen redet, kann sicher sein, dafs er auf dieselbe Art, nur etwas derber, von ihnen zurechtgewiesen wird. Ich meines Theils hebe es nieht, mich als über den gemeinen Mann erhaben zu zeigen, und darum hat derselbe mich stets und in allen Ländern mit Achtung und Aner- kennung behandelt. Und so wurden auch die Gauchos überall und bald meine Freunde.

Hier, wo ich ihnen zuerst näher trat, möchte es also an der Zeit sein, ein kurzes Bild ihrer äufseren Erscheinung zu entwerfen. Es sind Leute sehr verschiedenen Aussehens, die Einen ihrer ganzen Physiogno- mie nach ächte Spanier, nur mehr gebräunt als die Stadtbevölkerung, wegen des beständigen Aufenthalts im Freien; die Anderen Mischlinge von Europäern, amerikanischen Urvölkern und Negern in allen Gra- den und Farbenabstufungen. Reine Indianer oder Neger sieht man selten darunter, und wenn man sie trifit, so nehmen sie keine hervor- ragende Stelle ein; sie sind die untersten Fuhrknechte oder Peone. Obgleich äufserlich im Umgange kein Unterschied wahrgenommen wird und Jeder den Andern, wie überall in diesem Lande, so auch auf der tiefsten Rangstufe der Wohlhabenheit oder Bildung „Euer Gnaden* nennt, so besteht doch eine merkliche Verschiedenheit zwischen dem Grundbesitzer oder Estanciero und dem auf Tagelohn arbeitenden Knecht oder Peon. Die ersteren sind fast alle rein europäischer Ab-

kunft, die letzteren gröfstentheils Mestizen, welche ihr indianisches

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Reise durch die Pampas. 995

Blut durch das breite flache Gesicht, die dicke kurze Nase, die schma-

len Augen und das straffe schwarze Haar nebst bräunlicher Gesichts-

farbe verrathen. Negermischlinge oder Mulatten sind noch leichter an der stets dunklen Farbe, dem krausen Haar, der breiten kurzen

Nase und den vorragenden Lippen zu erkennen; am schwierigsten

findet man die Zambos, Mischlinge von Indianern und Negern, her-

aus; indessen ist auch hier die dunklere Farbe und der Haarwuchs ein bezeichnender Umstand für das einigermafsen geübte Auge. Man weils aus der Geschichte des Conquistadores, dafs die spanischen Sol- daten sich in Ermangelung anderer Frauen vielfältig mit Indianerwei- bern verheiratheten, und dafs deren Kinder stets die Rechte des Va- ters, d.h. der unvermischten europäischen Abkunft erbten. Von diesen

Ehen rühren hauptsächlich die Gauchos her, indem die meisten Mesti-

zen, nach Art ihrer Stammältern mütterlicherseits, das Leben auf dem

Lande den festen Wohnsitzen in Städten und Dörfern vorzogen und

von den spanischen Soldaten das wilde ungebundene Treiben, die Lust

und Neigung zur kriegerischen Haltung, den Abscheu vor jeder Feld- arbeit des Landbauers, und den Hang zur Beschäftigung mit Pferden erbten. Später, als die indianische Urbevölkerung zusehends abnahm, kamen die Neger als eingeführte Sklaven aus Afrika herüber und de- _ ren Kinder blieben Sklaven, selbst die Mulatten oder Zambos; sie konnten schon deshalb nie in die höheren Volksschichten hinaufdringen und mufsten sich mit der untersten Stellung des Haus-, Hof- und

Felddienstes begnügen. Ihre Freiheit danken sie der Revolution, als diese Provinzen das spanische Joch abschüttelten und ihre Unabhängig- ‚keit erklärten; zum Widerstande gegen das Mutterland waren viele "Arme erforderlich, man brauchte die Sklaven zum Militärdienst und erklärte sie frei. Noch heute sind die gemeinen Soldaten fast durch- ‚gehends Farbige und viel häufiger Mulatten oder Zambos, als Mestizen. "Nur in der Cavallerie sieht man viele Gesichter, welche ihr indiani- ‚sches Blut deutlich zur Schau tragen.

Leichter noch als die Physiognomie macht den Gaucho seine eigen- mliche, man darf sagen abenteuerliche Tracht kenntlich: eine Mi- un& europäischer und indianiseher Kleidungsstücke, welche sich nach nach zu einem festen unabänderlichen Typus ausgebildet hat. Hemde und Hose hat er vom Europäer angenommen oder beibehalten,

die letztere schon eigenthümlich verändert, indem er sie sehr weit hte und unten mit einem Franzenbesatz schmückte, über dem bei Wohlhabenden ein oft zwei- bis dreifacher durchbrochener Spitzen- in den dichten baumwollenen, rein weilsen Grundstoff eingesetzt st. Alle Gauchos tragen übrigens doppelte Beinkleider, einfache untere, bessere feinere obere, und nur diese haben die erwähnten Decorationen. _ Beitschr f. allg. Erdk. Neue Folge, Bd. III. 15

226 H. Burmeister:

Das Uebrige in der Tracht des Gaucho stammt vom Indianer, nament- lich zuvörderst der Chiripa, eine bunt gewebte, aus dickem Baum- wollenzeuge bestehende Decke, welche zwischen die Beine genommen, hinten und vorn in die Höhe gezogen und durch einen Leibgurt fest- gehalten wird. In der Form des letzteren herrscht grolse Mannich- faltigkeit; der einfache Gaucho hat blofs eine baumwollene Schärpe (Banda), welche er vorn zubindet und seitwärts am Schenkel herab- hängen läfst; der wohlhabende darüber noch einen breiten ledernen, farbig benäheten oder gestickten Gurt, den Tirador, welcher zuge- knöpft wird und statt der Knöpfe gewöhnlich mit Silbermünzen, hal- ben oder ganzen altspanischen Piastern, besetzt ist. Darin steckt hinten auf dem Rücken das grofse, 1 Fuls lange Messer, welches alle Gauchos stets mit sich führen und theils als Waffe, theils zu ihren verschiede- nen Geschäften beim Essen, beim Arbeiten des Pferdegeschirres oder sonst wie benutzen. Ueber alle diese Unterkleider hängt nun von den Sehultern der Poncho herab, gleichfalls eine Decke, aber gewöhnlich eine wollene, mit einem 1 Fufs langen Längsspalt in der Mitte, durch welchen man den Kopf steckt. Der Poncho ist stets grell gefärbt und gezeichnet, roth in allen Tönen, blau, gelb, gelbbraun, aber sehr selten grün, und hat drei buntgewebte, meistens grüne Längsstreifen, einen in der Mitte, einen an jeder Seite. Durch den Mittelstreifen geht der Spalt für den Kopf, und hier ist er am Rande mit Seide oder Sammet besetzt. Einen solchen Poncho trägt nicht blofs der Gaucho, sondern jeder Argentiner, selbst der reichste, zu Zeiten, namentlich auf der Reise; er ist in der That eine bequeme und nützliche Tracht, an welche sich der Ausländer bald gewöhnt; ich selbst, indem ich dies schreibe, trage den Poncho als Hausmantel und ziehe ihn zu dem Zweck allen anderen Kleidungsstücken vor, weil er zugleich Wärme giebt, Schutz gegen den beständigen Staub verleiht, und höchst bequem wird wegen der Mannigfaltigkeit der Gestaltung im Gehen, Sitzen, Reiten und Lie- gen, deren er fähig ist. Chiripa und Poncho waren die Kleidungs- stücke der alten Peruaner und aller einigermafsen eultivirten Indianer; der letztere wurde aus Vicuna-Wolle gewebt, und eben daraus, in ihrer natürlichen rostgelben Farbe, bestehen noch heutzutage die theuersten und besten Ponchos. Ich sah einen solchen von ausgezeichneter Arbeit, der 5 Unzen (75 Piaster) gekostet hatte. Der Fufs ist beim gemeinen Gaucho unbekleidet oder mit einem ledernen Strumpfe bedeckt, aus dessen offener Spitze die Zehen hervorragen. Einen solchen Leder- strumpf, genannt bota de potro, macht sich der Gaucho selbst aus der Haut der Pferdebeine, welche beim Abziehen des Felles oben am Rumpfe abgeschnitten wird; er erweicht sie im Wasser, bis die Haare heruntergehen, und zieht sie nun so nals über seinen Fufs bis zur Wade

Reise durch die Pampas. 227

hinauf, sie am Leibe trocknen lassend. Der fest angeschmiegte Strumpf bleibt sitzen, bis er zerrissen vom Fufs abfällt und verbraucht ist. Wohl- habendere Gauchos tragen Stiefeln nach europäischer Art, die Einen gelbe von weichem ungefärbten Leder, die Andern schwarze elegantere., Ein ungeheurer grolser eiserner oder silberner Sporn, der hinten auf eine runde Scheibe sich stützt und ein Rad von 2 bis 3 Zoll Durch- messer mit über 1 Zoll langen Stacheln trägt, ziert den Fufs, selbst den nackten, und fehlt nie, wenn er auch oft nur an einem Beine ge- sehen wird. Ohne diesen Sporn geht der Gaucho keinen Schritt; er muls das Geklirr desselben hören, es ist die schönste Musik für seine Ohren, eine desto schrecklichere Pein dagegen für die gebildeteren Eu- ropäer. Auf dem Kopfe tragen alle Gauchos stets einen Hut, theils von Filz, theils von Stroh; die letztere Art wird in Chile gearbeitet und ist sehr dauerhaft.

So gekleidet und beschaffen waren die Leute, mit denen ich hier auf der ersten Station von Rosario zusammentraf; Weiber befanden sich nicht darunter, und darum rede ich von ihnen nicht. Es ist übri- gens kaum nöthig, denn sie zeigen dieselben physiognomischen Ver- schiedenheiten, wie die Männer, haben aber ohne Ausnahme europäische Tracht angenommen. Ein grofses Tuch, das sie über den Kopf hän- gen und von rechts nach links so mit dem Zipfel über die Schultern schlagen, dafs es vorn bis zur Nase hinaufreicht, macht ihre Gestalt und oft auch ihr Gesicht so unkenntlich, dafs es stets schwerer hält, dasselbe zu beobachten, als das der Männer. Nach meinen Wahrneh- _ mungen sind rein spanische Gesichter unter den Frauen des Landvolkes - viel seltener, als unter den Männern; dagegen herrschen die Indianer- _— mischlinge oder Abkömmlinge, hier Tsehinas genannt, sehr vor. Mu- _ Jattinnen sind der Zahl nach geringer, wohl aber sah ich viele Zambos- _ Physiognomien gerade unter den Weibern. Schön sind sie selten, hübsch nur in der Jugend; die meisten verlieren ihre Frische sehr bald und machen schon wegen der schmutzigen, unordentlichen Bekleidung an ; Wochentagen einen mehr unangenehmen als gefälligen Eindruck.

Unsere Unterhaltung drehte sich natürlich bald um den Zweck und die Richtung meiner Reise. Es wurde mir anfangs schwer, ersteren den Gauchos begreiflich zu machen, indem Alle meinen, der Fremde komme nur in ihr Land, um ihnen die Vortheile, welche dasselbe ge- währen könne, vor der Nase wegzuschnappen; ein im Allgemeinen _ wohl ganz richtiges Urtheil, wenn man hinzufügt, dafs die einheimi- sehe Bevölkerung zu faul und zu gleichgültig ist gegen eine andere Arbeit oder Beschäftigung als die übliche des Viehhaltens und Kram- handels; als sie mich aber hastig aufspringen und den Käfer greifen

15*

2233 H. Burmeister:

ganze Versammlung in ein mit verächtlicher Beimischung oder Ver- wunderung gepaartes Gelächter aus, gewann freilich auch mehr Zu- trauen zu mir, weil dergleichen nutzlose 'Thätigkeit ihnen unmöglich Nachtheil bringen konnte. Indessen meinte man doch, dafs ich damit Geld verdienen wolle, denn ohne Geldzwecke gehe Niemand, am wenig- sten ein Gringo, auf weite Reisen. Mit diesem Namen bezeichnet man. hier allgemein den Fremden, welcher Nation er auch angehören möge; das Wort ist gerade kein Schimpfwort, aber es deutet stets eine gewisse Geringschätzung an, wenn der eingeborene Argentiner Jemand Gringo nennt; er will damit sagen, dafs er kein Gringo, also etwas Besseres sei. Darum bezeichnete z. B. der Dietator Rosas alle ihn besuchenden Fremden in der Anrede stets nur mit diesem Namen.

Nach einer halben Stunde war mein Carreton reisefertig und ich stieg wieder ein. Das Haus und den Rancho zu besprechen dürfte für den Leser ohne Interesse sein; beide hatten völlig die Einrichtung wie in der Banda Oriental. Auch die Art des Pferdefangens mit dem Lasso ist ganz dieselbe. Die Wohnung war geräumig und gehörte zu den besseren, denn es war eine Pulperia, d. h. ein Kramladen, mit offenem Kauffenster unter einem Regendache an dem einen Ende. Auf den Rath der Gauchos kaufte ich darin eine Flasche Limonade, weil Wein, nach dem ich fragte, nicht zu haben war; ich fand diesen Rath später trefflich, denn es fehlte bald jedes andere Getränk an allen ähnlichen Orten, aufser Milch, die mir nicht gut zu bekommen pflegt. Meine Reise fortsetzend kam ich gleich wieder auf die alte, von Rosario aus wohlbekannte Flur; es war durchaus gar kein Unterschied sichtbar, Alles, hier wie dort, öder Camp mit zerstreuten Viehheerden und hie und da eine Ombu-Gruppe am Horizont, welche eine Gaucho-Woh- nung oder eine kleine Estancia verrieth; Häuser konnte ich nie sehen, sie steckten schon bei ihrer geringen Höhe unter dem Horizonte. Viz- cacha-Löcher, Erdeulen und Caranchos blieben meine einzigen, meine beständigen Begleiter. So fuhr ich andere 5 Leguas und hielt nach zwei und einer halben Stunde neben der zweiten Poststation, einer gröfseren Estaneia, genannt nach ihrem Besitzer Jose Correa, deren Aeulseres so viel Einladendes hatte, dafs ich auf den Rath meines Capataz beschlofs, hier zu übernachten. Es war freilich erst 6 Uhr, aber die nächste Station sei wieder 5 Leguas, es werde wohl eine Stunde dauern, ehe die frischen Pferde anlangten, weil im Rancho keine vorräthig wären, und dann werde uns die Nacht überraschen, bevor wir die nächste Poststation erreichen könnten. Endlich hatte der fünfstündige Aufenthalt im Carreton mich schon ziemlich erschöpft; ich mufste mir gestehen, dafs zwischen dieser Art zu reisen und der auf einer europäischen Eisenbahn ein sehr empfindlicher Unterschied

er: a Marne A

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stattfinde und dafs ich nach diesem ersten Versuche wohl der längeren Ruhe bedürftig sein würde.

Ein Paar Worte über die Benennungen meiner Reisebegleiter dürf- ten hier am Orte sein; ich hatte, wie gesagt, stets vier Leute mit mir, einen auf jedem Pferde. Die Pferde hier zu Lande tragen kein Ge- schirr, wie bei uns, sondern blofs einen Sattel, an dessen Gurt der Gegenstand, den sie ziehen, angebunden wird; kein Pferd, wenn es nicht besonders dazu abgerichtet ist, läfst sich hier ohne Reiter lenken und regieren; es mufs vom Reiter geführt werden. Darum sitzt auf jedem Pferde vor jedem Wagen auch ein Mensch, und so viel Pferde der Reisende hat, so viel Postillone mufs er auch haben und bezahlen. Das Pferd kostet die Meile 1 Real, der Postillon einen halben Real, Summe 6 Real, d.h. gerade einen Thaler Preufs. Cour. für 4 Pferde jede Meile; eine Ausgabe, die sich bei der ganzen Entfernung von Ro- sario nach Mendoza zu 250 Meilen mit Einschlufs der Zehrungskosten für mich auf 300 Thlr. Pr. ©. belaufen haben würde. Reisende, welche die Post im Auftrage der Regierung benutzen, zahlen für das Pferd nur 4 Real die Meile, und da ich vermöge meines Passes als solcher Regierungs-Reisender galt, so brauchte ich auch nur diese Summe zu entrichten, d. h. für meine vier Pferde und Postillone 4 Real die Meile zu zahlen; das verringerte also jene obige Summe auf 220 Thlr. Pr. C. Von den vier Pferden werden die zwei hinteren an die Spitze der Deichsel, welche einen grofsen starken Querbalken trägt, so gebunden, dafs ein Pferd unmittelbar am Ende des Querbalkens haftet; die an- deren beiden Pferde ziehen einzeln an langen Seilen, welche ebenfalls an der Spitze der Deichsel festsitzen und mit ihren freien Enden in _ den Sattelgurt eingehakt werden. Die beiden Reiter der zwei hinteren Pferde begleiteten mich unausgesetzt von Rosario bis Mendoza; der Reiter links war der sogenannte Capataz oder Führer des Wagens, _ dem die andern zu gehorchen haben, indem er das ganze Fuhrgeschäft leitet und dem Reisenden zunächst für Alles, was vorfällt, haftet; der Reiter rechts war ein gewöhnlicher Peon. Die beiden vorderen Reiter wurden mit den Pferden von den Posthaltern gestellt und heifsen des- halb Postillone. Mein Capataz war ein Argentiner unvermischter euro- päischer Abkunft, ein sehr braver Mensch, der in jeder Beziehung mein _ vollstes Vertrauen verdiente und stets in den mildesten Formen sich bewegte; der Peon, ein ausnehmend hübscher Indianer- Mischling, _ hat mir eben so wenig irgend eine Veranlassung zur Klage gegeben, obgleich seine Formen weniger polirt waren. Ich hatte den Menschen sehr lieb, weil er meiner Naturforscherseele durch seine Person fort- _ währenden Stoff zur Beobachtung darbot. Die Postillone wechselten durch alle Formen der Gauchos-Bevölkerung hindurch; auf kleinen

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Estancien bestieg gewöhnlich der Herr mit seinem ältesten Sohne diese beiden Pferde; auf gröfseren, wo Knechte waren, zwei derselben; bald alte bärtige Leute, bald Jünglinge von 16 bis 18 Jahren, bald und nicht selten Kinder von 8 bis 10 Jahren. Diese und die alten Leute benahmen sich stets musterhaft, die jungen Bursche dagegen nicht sel- ten etwas übermüthig, indem sie die Pferde über alle Gebühr, beson- ders an recht schlechten Stellen, zum rasendsten Galopp antrieben. Ich liefs mir dies stets ruhig gefallen; je toller je besser blieb auch darin mein Grundsatz, man kam desto schneller an’s Ziel seiner Wünsche.

Die Estancia, auf welcher ich mich befand, gehörte zu den gröfse- ren und besseren; sie hatte ein geräumiges, aus Backsteinen aufgeführ- tes Wohnhaus, und abseits daneben ein eigenes kleineres Gebäude mit dem Postzimmer für die Reisenden. Ein solches Zimmer befindet sich auf allen Poststationen, es enthält aber selten mehr als einen Tisch, einen Stuhl nebst einer leeren Bettstelle; und so war auch dies be- schaffen, obgleich die Estancia eine gewisse Wohlhabenheit des Be- sitzers verrieth. Selbst das Gebäude für die mit der Post Reisenden war nur mittelmäfsig, eine gewöhnliche Erdhütte, ohne Fenster und ohne Estrich. Da ich, nach hiesiger Sitte, nicht blofs ein vollständiges gutes Bett, sondern auch mein Waschgeschirr nebst allem nöthigen Reise- bedarf bei mir führte, so konnte ich mit dem Zimmer schon zufrieden sein, besonders als später das sehr gute Abendessen eintraf. Ich war Zeuge seiner Zubereitung aus der Ferne. Um ein lebhaftes Feuer la- gerten im Kreise meine Begleiter und das dienende Personal der Estancia, während die Wirthin eigenhändig das Kochgeschäft versah. Mitten im Feuer stand ein grofser eiserner Kochtopf mit drei Fülsen, worin sich Rindfleisch, Kohl, Kartoffeln und Kürbifsstücke zu einer wohlschmeckenden Brühe, dem Puchero, ausbildeten; daneben steck- ten lange eiserne Bratspielse, gleich Degenklingen, in der Erde und trugen Rippenstücke mit Fleisch, das daran zum Asado gebraten wurde. Aus diesen beiden Gerichten, und nur daraus, besteht die täg- liche Kost der hiesigen Bevölkerung; man ilst sie zweimal des Tages, um 10 Uhr als Frühstück, um 5 oder 6 Uhr als Abendessen.

Während der Zubereitung des Mahles beschäftigte mich der mit hereinbrechender Dämmerung beginnende Zug der Papageien. Zahl- reiche Schwärme versammeln sich allabendlich auf den hohen Bäumen in der Nähe der Estaneien, um hier zu übernachten, indem sie von ihren weiten Streifereien durch die Pampas in kleinen Flügen einer nach dem andern zurückkehren. Man vernimmt sie schon aus der Ferne, wenn sie kommen, an dem eigenthümlich kreischenden Geschrei, womit sie sich anmelden; ein Schwarm empfängt damit den anderen

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Reise durch die Pampas. 231

und macht ihm die besten, bereits eingenommenen Ruheplätze streitig; bis tief in die Dämmerung hinein dauert ihr Gezänk; endlich, wenn die Nacht ganz dunkel geworden ist, werden sie still und schlafen; nur in mondhellen Nächten 'hört man sie noch einzeln kreischen. Während die Papageien in den ferneren Bäumen sich zur Ruhe be- gaben, thaten die Hühner des Hofes ein Gleiches in den nächsten un- mittelbar am Feuer; von Zweig zu Zweig hüpften sie empor, der Hahn voran, und auch hier war oft Streit um den besten Platz, bis der Hahn durch lautes Gekakel sie zur Ruhe verwies. Hühnerställe kennt man in diesem Lande nicht, wie überhaupt keine Viehställe; jedes Thier sucht sich sein Nachtlager; doch werden Rinder, Schafe und Pferde vielfach zur Nacht in einen umhegten Ort, den Corral, getrieben, damit man sie am frühen Morgen alsbald zum Gebrauch bei der Hand habe.

Den 27. Februar. Nachdem durch solche Vorbereitung für eine zeitige Abfahrt gesorgt war, konnte ich hoffen, früh auf den Weg zu kommen; es dauerte indefs noch geraume Zeit, ehe das Mate-Getränk eingenommen, der Wagen geschmiert und die Pferde angeschirrt waren; worüber es beinahe 8 Uhr wurde, als ich abfuhr. Die Gegend war auch hier noch unverändert; ein ödes, trocknes Feld, ohne einen neuen Gegenstand für mich; aber nach einiger Zeit senkte sich der Boden etwas zu einer flachen Mulde ein und wurde feuchter, schwammiger. Bald sah ich in der Ferne höhere, schilfartige Grasbüschel, aus deren Mitte lange schneeweilse Blumenrispen als glänzende Zier hervorragten. Es ist dies die zweite eigenthümliche Form des Pampas-Grases und entschieden die schönere, welche überall sich einstellt, wo der Boden nafs ist, namentlich auf moorigem Grunde und in den Niederungen der vielen Seen und einzelnen kleinen Bäche, welche im Pampas-Ge- biet verbreitet sind. Das Sumpf-Pampasgras hat sehr schmale, feine, ausnehmend lange, wahrhaft linienförmige Blätter und einen 6—8 Fuls hohen Rohrschaft, der an seiner Spitze die 11—2 Fufs lange, seiden- artig glänzende weilse Blumenrispe trägt. Vom Winde sanft bewegt, bilden sie ein angenehmes Schauspiel für den Reisenden, der durch diese dichten Grasgruppen reitet und die langen weilsen Rispen noch über seinen Kopf emporragen sieht; aber das Gras ist hart, zähe, und kann nicht als Viehfutter gebraucht werden, wohl aber, als Strohdach, zum Decken von offenen Hütten oder zum Bekleiden der dann freilich sehr lockeren, lückenhaften Wände. Die wirklichen Wohnhäuser haben nicht blofs Erdwände, sondern auch Erddächer, indem man das Rohr- geflecht zunächst auf dem Dachstuhl mit dem feineren, höchstens 2 Fuls langen, gemeinen Pampasgrase belegt und darauf eine dicke Schicht Erde schüttet. So erscheint jedes Haus von aufsen wie ein regelmäfsig

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geformter Erdhaufen, den nur die Thür als Wohnhaus für Menschen kenntlich macht. N

Das hohe Pampasgras, zwischen dessen zerstreuten Büscheln der Karren sich ziemlich langsam hindurchwinden mufste, war der Aufent- halt zahlloser Mücken, die jetzt über uns herfielen und mich wie meine Begleiter belästigten. Ich sah den Rücken des Capataz dicht damit besäet; indessen bemühten die Thiere sich vergeblich, durch die dicke wollene Jacke, welche er trug, hindurch zu dringen. Mir wurde es in meinem Karren ziemlich leicht, mich ihrer zu erwehren; ich schlofs die Fenster bis auf eins und trieb sie mit meinem Taschentuche wedelnd da hinaus, was auch ganz gut gelang. Man findet in den Campos be- sonders zwei Mückenarten oder Mosquitos, die beide ächte Culex sind. Die eine häufigere Form ähnelt unserem C. pipiens, ist aber dunkler braun gefärbt und nicht ganz so grofs; die andere sehr grofse, aber viel seltenere Art ist hellgelb, lang behaart und noch gröfser als C. annulatus. Hier war nur die kleinere vorhanden, die gröfsere lernte ich erst später im westlichen Theile der Pampas kennen.

Wegen des weicheren Bodens hatten in dieser Gegend tiefe Fahr- gleise sich in das Erdreich eingedrückt von den grofsen, sehr schwer beladenen Ochsenkarren, welche die Reise durch die Pampas als Fracht- fuhrwerk zu machen pflegen. Ich traf später mehrere solcher Tropas und werde sie demnächst beschreiben; hier machte mir ihr Pfad viel Ungemach, weil mein Karren eine andere Spurbreite besafs und un- aufhörlich von der einen Seite nach der andern geworfen wurde. Zu meiner nicht geringen Verwunderung fand ich an den Rändern dieser tiefen Gleise ganz andere Pflanzen, als in der benachbarten Pampas- Flur; ich fand namentlich sehr gemein eine Salidago-Art, die ganz unserer $, virgaurea ähnlich sieht; weiterhin eine Artemisia, ähnlich der Wermuthpflanze, u. dgl. m. Ich kann leider mit meinen hiesigen botanischen Hülfsmitteln nicht bestimmen, ob es ganz dieselben oder nur ähnliche Arten sind, vermuthe aber eher das erstere, in welchem Falle diese Gewächse eingeführte sein müssen, Schon frühere Reisende haben darauf hingewiesen, dafs die Ränder der Fahrwege durch die Campos eine üppigere Vegetation besitzen als die benachbarte Flur selbst, und diesen Unterschied von der Düngung hergeleitet, welche die Pferde und Ochsen während der Fahrt durch Mist, den sie fallen lassen, verursachen. Auf dieselbe Art könnte man auch den Trans- port europäischer Pflanzen erklären; ihre Samen können in dem Futter gewesen Sein, was die Thiere erhielten, oder in dem Gepäck, womit die Karren belastet waren. Von der Kardendistel (Cynara carduneu- Zus) und dem Fenchel (Aneihum Foeniculum), welche fast an allen eultivirten Stellen der Pampas verwildert vorkommen, darf das mit

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Recht behauptet werden; beide Gewächse, nunmehr die gemeinsten und merkwürdigsten Decorationsmittel der Pampasflur neben den Estan- eien, Ranchos und Pulperien, stammen aus Europa und waren vor Invasion der Spanier nicht im Lande vorhanden.

Nachdem ich die feuchte Niederung mit dem hohen Pampasgrase verlassen hatte, kam ich wieder auf die alte wohlbekannte Flur mit dem feinen kniehohen Grase. Auch dies bekleidet den Boden nicht gleichmälsig, wie das Gras der Viehweiden Europa’s; es läfst vielmehr überall Lücken, wo der Boden ganz kahl ist, und steht ebenso in Büscheln wie das hohe Gras. Hie und da erhebt sich dazwischen ein anderes Gewächs, aber nur selten ein höheres von schönerem Aus- sehen; es waren meistens kleine Syngenesisten, die unserer Schafgarbe | ähnelten. Ueberhaupt ist die Pampasflur ohne allen Blumenschmuck, _ hur an einzelnen höheren sonnigen Stellen trifft man dichtere Teppiche mit bunten Blumen, namentlich eine kleine Pflanze mit violetter Blume, ‚die ich für eine Verbena hielt, weil sie der bekannten brennend rothen Verbena, die überall zerstreut in den Pampas wächst, ähnlich sieht. Noch schöner ist eine gröfsere, volle karminrothe Blume auf der Spitze der Zweige eines kleinen niedergelegten Gewächses mit ziemlich dicken aber kleinen Blättern, das mir manche Aehnlichkeit mit Sedum zu ha- hen schien und in dessen Familie gehören mag. Diese drei Blumen und eine vierte grölsere weilse mit gekräuselten Blumenblättern, wel- che einem Nareissus aus der Ferne ähnlich sah, aber nur 5 Petala trug, waren diejenigen Formen, welche ich am häufigsten sah, stets aber nur an gewissen Stellen und da zum Theil in gedrängter Fülle. Das Pampasfeld im Allgemeinen erscheint öde, steril und jeder liebli- chen, angenehmen Decoration beraubt.

Vom thierischen Leben liefs sich auf der ganzen Streeke Nichts sehen, als das Bekannte: Vizcacha-Löcher, Erdeulen und Caranchos. Einmal sah ich nicht weit vom Wege eine Hirschkuh, das Weibchen des hellrostgelben Cervus campestris, welche uns neugierig anblickte, - aber alsbald davonhüpfte, wie ich mich zum Schusse vorbereitete. So kam ich an die ebenfalls 5 Leguas entfernte dritte Station, genannt Candelaria, gleichfalls nur eine einsame, aber minder gute Estancia, welche sich durch lebendige Zäune hoher, schönblühender Säulen-Cac- _ dus um Rancho und Garten auszeichnete, sonst aber keinen besonderen _ Eindruck bei mir zurückgelassen hat.

Ganz dasselbe mufs ich von den beiden folgenden Stationen und - der zu ihnen führenden Wegestrecke sagen; die vierte Station hiefs Desmochados und war 6 Leguas entfernt, die fünfte, Arequito, _ aur 4 Leguas; ich habe an beiden und auf der Strafse zu ihnen nichts - Bemerkeuswerthes angetroffen. Der Weg bis zu der 5 Leguas ent-

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fernten sechsten Station war anfangs eben so einförmig wie bisher am heutigen nnd gestrigen Tage; eine Legua indessen vor dem Sta- tionsorte, genannt Guardia de la Esquina, kamen wir an einen ziemlich grofsen Teich, der schmal und lang in einer Mulde sich aus- breitete und an einer Stelle durchfahren werden mufste. Viele Sumpf- vögel, namentlich der schwarze Ibis (I. Guarauna) und der rothbeinige Stelzenläufer (Himantopus melanotus) standen in Menge und wenig scheu am Wasser. Hinter dem jenseitigen Ufer, das einen steilen Ab- hang bildete, war die Flur kahler, und hier liefen sehr viele Kiebitze (Vanellus cajeunensis) umher; es sind dieselben Vögel, deren ich schon in der Banda Oriental gedacht habe. Etwas weiterhin überraschte mich plötzlich ein kleiner Flufs (Arroyo); auch seine Ufer waren tief ab- schüssig und so kahl, dafs man aus der Ferne nichts von der Vertie- fung im Boden sah, die er einnahm; sein Wasser flofs von links nach rechts dem Rio Carcaranal zu, der nordwestlich von uns sich befand. Die Gegend von da bis nach der Guardia hatte einen etwas abwei- chenden Charakter und ähnelte weit mehr, als die gewöhnliche Pampas- flur, unseren Viehweiden: der Boden war mit einem niedrigen Grase dichter bedeekt und bestand aus einer fetten schwarzen Erde, die ich bisher nicht beobachtete. Doch zeigten die vor den zerstreuten Viz- cacha-Löchern liegenden Erdhaufen, dafs derselbe gelbe Lehm, woraus die Pampas überhaupt gebildet sind, auch hier in der Tiefe vorhanden war. Zahlreiche Umbelliferengruppen standen zerstreut durch das Feld umher, und in Senkungen, wo der Boden offenbar feuchter war, be- merkte ich das Sumpf-Pampasgras mit der weilsen Blumenrispe in Menge. Das Land umher liegt etwas tiefer und neigt sich dem Rio Carcaranal zu, der unweit davon nach Norden fliefst und gerade hier plötzlich einen Winkel bildet, indem er aus der bisher befolgten Rich- tung von Norden nach Süden in die nach Nordost übergeht und dem Rio Parana sich zuwendet. Das höher ‚gelegene Land zwischen ihm und dem Paranä, über welches ich gekommen war, ist die Ursache seiner Wendung und die Guardia gerade an der tiefsten Stelle vor dem Plateau gelegen. Ich traf um 44 Uhr daselbst ein. Es ist ein ziemliches Dorf, regelmäfsig in Vierecken angelegt, mit Marktplatz und Kirche, dessen Häuser kleinen Estaneien gleichen und mit grolsen Fruchtbäumen in den Gärten geziert waren. Viel Eleganz schien übri- gens nicht darin zu er obgleich der Ort, als Strafsenknoten der Wege von Rosario und Buenos Aires nach Cordova und Mendoza, eine gewisse Bedeutung hat. Ich zog es also vor, noch eine Station weiter nach dem 4 Leguas entfernten Cruz alta zu fahren. Die Strafse dahin folgt dem Laufe des Rio Carcaranal aufwärts und geht beinahe gerade nach Norden. Der Boden ist, wie vor der

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Reise durch die Pampas. 235

Guardia, fett, schwarz und zähe; daher der Weg sehr holperig und uneben, wenn ausgetroecknet. Nach kurzem Verlauf kamen wir an den Flufs und sahen zwischen hohen schilfreichen Ufern sein Wasser uns langsam zuströmen. ‚Dichte Gruppen des hohen Pampasgrases mit den weifsen Blumenrispen standen hier auf den erhöhten Theilen des Flufsufers und bezeichneten seinen Lauf; bis in das Wasser gingen sie aber nicht hinab, dort waren andere Schilfgräser mit breiteren Blättern ansäfsig. Die unmittelbare Nähe des Flusses dauerte indefs nur eine kurze Strecke, der Weg bog nach Westen etwas mehr land- einwärts und führte hier durch eine sehr öde, fast ganz kahle Gegend, deren Boden viel Salz enthielt, wie die auf den höheren Punkten aus- gewitterten weilsen Krystalle bewiesen. Nur eine einzige Pflanze, ein kleines niedergebeugtes Gewächs vom Ansehen eines Chenopodium,

- stand truppweise darauf zerstreut umher. Zwei klare Bäche, welche

A TESTER TEE

dieses Terrain durchflossen, hatten keine Schilfsäume an ihren Ufern, dagegen schwammen lange Confervenbüschel in ihrem Wasser.

Jenseits der kleinen Salzsteppe nahm die Flur wieder den frühe- ren Charakter, wie bei der Guardia de la Esquina an; der Boden war fett, schwarz und mit kürzerem Grase dicht bekleidet. Auf demselben gelangte ich wegen des holperigen Weges erst ziemlich spät, als es schon dunkelte, nach Cruz alta, ebenfalls ein Dorf mit Marktplatz und Kirche, dem Anschein nach besser als Esquina, aber nicht gröfser. Zahlreiche Papageienschwärme zogen mit mir zugleich in dasselbe ein, um auf den höheren Bäumen zu übernachten. Ich fand ein wohlge- haltenes Postzimmer, worin ich mich bald behaglich einrichtete, und erhielt später ein gutes Abendessen, das genau aus denselben Gängen wie das gestrige bestand, übrigens äber, wie in der Regel, mit einem Peso (14 Thlr. Pr. C.) bezahlt werden mulste.

Den 28. Februar. Am Morgen fielen der zeitigen Abfahrt wie- der dieselben Hindernisse in den Weg; es mufste behaglich gefrühstückt, der Karren geschmiert, das Gepäck nachgesehen und durch Umlegung vor Zerstörung gesichert werden, daher ich nur selten vor 8 Uhr die Weiterreise antreten konnte. Die erste Station, die achte der ganzen Tour, führte nach der 4 Leguas entfernten kleinen Estancia Cabeza del Tigre. Der Weg dahin war gut, die Flur, wie bisher, mit nie- drigem Grase dicht bekleidet, ohne alle höheren Stauden oder Kräuter, und allem Anschein nach fruchtbar. Auf halbem Wege bot sich eine hübsche Fernsicht mit violettem Horizont und Waldsäumen uns dar; es waren die mit Bäumen geschmückten Ufer des Carcaranal. Bald nach 9 Uhr befand ich mich am Stationsorte; die Pferde wurden rasch gewechselt und ich überhaupt sehr gut bedient, als ich dem Estanciero

zeigte, dafs auf der Karte zu Woodbine Parish’ Werk, welche ich stets

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in der Tasche hatte, seine Estaneia mit richtigem Namen verzeichnet war. Die nächste, neunte Station ist 5 Leguas weit von hier und heifst Lobaton. Während ich noch mit dem Estanciero redete, ritt eine gut gekleidete Frau an mir vorüber, die hinter ihrem Burschen auf dem nackten Pferde sals; der Estaneiero forderte sie auf, zu mir in den Wagen zu steigen, das sei doch bequemer als ein solcher Ritt, und sagte mir, die Sennora sei die Frau des Posthalters in Lobaton. Natürlich unterstützte ich seine Einladung bestens, wir erhielten aber Beide abschlägige Antwort; die Dame ritt eilends weiter und setzte ihr Pferd in solchen Galopp, dafs sie noch vor mir am Orte anlangte. Wir sahen ihr Kleid fortwährend als weifsen Punkt im Felde, aber ein- holen konnten wir sie nicht wieder, so schnell galoppirte sie mit ihrem Jockei dahin. Ich erwähne dies, um zu zeigen, mit welcher Geschick- lichkeit hier Jedermann sein Pferd führt und behandelt; es ist als ob die Leute damit verwachsen wären, so wenig Bewegung ihres Körpers nimmt man beim Reiten an ihnen wahr.

Der Weg nach Lobaton war anfangs gut, hernach aber sehr hol- perig, indem er durch ausgetrocknetes Moorland führte, wo viele hohe Pampasgrasbüschel ihn ganz unkenntlich machten. Weiterhin lief er über eine völlig gleichförmige Grasflur, in der aufser zahllosen Caran- chos mir nichts begegnete, als eine Tropa, deren Karren mit Aepfeln beladen waren, die von Cordova nach Buenos Aires gingen. Die Leute hatten Halt gemacht, die Ochsen abgespannt und waren eben damit beschäftigt, einen bereits geschlachteten zu zerlegen. Die Scene hatte etwas Grausiges; mit Blut befleckte Männer rissen mit dem Fleische des Thieres herum, indem sie es zerhieben; grofse Hunde zankten sich unweit davon um die Eingeweide, und zerlumpt aussehende Weiber standen mit halb nackten Kindern hinter den Männern, auf die ersten tauglichen Fleischstücke wartend, um das Mittagsmahl zu bereiten. Alle stierten mich wild an, als ich im sausenden Galopp an ihnen vor- bei fuhr; meine Leute grüfsten und fragten: Was haben Euer Gnaden geladen? Aepfel (Manzanas)! schallte die Antwort, als wir schon ziemlich weit waren, so schnell stürmte mein Karren an ihnen vor- über.

Ein Ochsenkarren ist ein sehr unförmliches Ding, eine Art Unge- heuer von Karren. Er besteht aus einer Grundlage fester Balken, von denen der mittelste doppelt so lang ist, wie die zwei seitlichen, und als Deichsel weit über die anderen hervorragt. Dieses Planum ruht auf einer Achse, die daran unbeweglich festsitzt und seitwärts die grofsen, 6 Fufs im Durchmesser haltenden, schwer und unförmlich ge- bauten Räder trägt. Auf dem Planum befindet sich ein vorn offener, über 8 Fuls hoher Korb von Flechtwerk, dessen Stäbe in den Boden

Reise durch die Pampas. 237

des Karrens eingelassen und oben durch ein halbkreisförmiges Dach verbunden sind. Darunter steht die Last und ist durch übergehängte Laken, wie bei unseren Frachtwagen, vor Nässe geschützt; ein Haupt- stück der Fracht ruht stets vor dem Korbe auf der Deichsel, und dar- auf steht oder sitzt der Wagenlenker, indem er die Ochsen mit einem langen Stabe, dessen Ende eine eiserne Spitze trägt, zur Arbeit antreibt. Der Stab, unförmlich diek und schwer am hintern Ende, hängt in der Schwebe am Dach des Frachtkorbes und wird an einem Seile vom Kutscher herabgezogen und gelenkt; ein kürzerer Stab, den er in der Hand führt, treibt die hintersten Ochsen an. Weiber und Kinder hocken oben auf der Last ganz hinten im Korbe, wo sich ein Loch zum Her- ausschauen in dessen Hinterwand befindet. In der Regel sind 4 Paar Ochsen an jeden Karren hinter einander gespannt; bei sehr bedeutender Belastung auch wohl 6 Paare, selten noch mehr. Ein solcher Karren macht mit einer Last von 40 bis 50 Centnern täglich 3 bis 4, höchstens 5 Leguas und fährt nur Morgens früh und Nachmittags, wenn die stärkste Hitze vorüber ist; von 11—4 Uhr wird gerastet; die Ochsen grasen auf dem Felde umher und die Leute essen, allmählich, wie wir gesehen haben, ihr Mahl zurichtend. Ein einzelner solcher Karren geht nicht leicht auf die Reise, gewöhnlich sieht man mehrere; hier fanden wir sechs, und dies nennt man eine Tropa. Sie steht unter Leitung eines Capataz, der die Oberaufsicht führt, indem die Zahl der Begleiter meist die der Karren übersteigt, abgesehen von den Weibern und Kin- dern, welche sich aufserdem noch finden. Die Nacht wird auch im Freien zugebracht, wobei die Leute unter den Karren zu schlafen pflegen.

' Lobaton ist, wie Cabeza del Tigre, eine kleine Estancia mitten im Felde, ohne anderen Schmuck als ein Paar grofse Weidenbäume und einen kleinen Garten, den ein starker, aus lebendigem Säulen- _ Cactus gebildeter Zaun mit zwischengesetzten stacheligen Leguminosen- - büschen umfafste und zu einer Art Festung machte, indem die Caetus auf einem erhöhten Erdaufwurfe standen, der auswärts mit den Dorn- _ büschen bewachsen war. Ein schmaler Eingang führte in den Hof, _ wo das Haus stand; ich wurde nur in einen Vorhof gelassen und fand dort den Herrn mit seiner, wie sie sagte, vom Ritte sehr ermüdeten Frau, die ihren kranken Vater besucht hatte, in einem lebhaften Fa- miliengespräch.

Ven hier gelangt der Reisende zunächst an den 5 Leguas entfern- ten Rio Quarto, oder vielmehr an dessen meist leeres Bett, und wechselt unmittelbar hinter demselben, im Dorfe Saladillo, als zehn- m Stationsorte, seine Pferde. Ich habe auf dieser ganzen Strecke rchaus nichts Neues oder Nennenswerthes gesehen, beschränke mich

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also darauf, zu bemerken, dafs die Gegend von Lobaton bis an den Rio Quarto einfaches Pampasfeld ist und die Ufer des Flusses als kahle Lehmgehänge ohne alle Pflanzendecke frischen Erdwällen nicht unähn- lich sehen. Das Bett ist ziemlich breit, aber fast ganz leer; hie und da steht in einer Vertiefung klares, braungefärbtes Wasser; Kies und grobe Gerölle liegen darin nur spärlich; dagegen wittert überall an den Gehängen Salz aus dem Boden und dies giebt natürlich auch dem Flufswasser einen Salzgeschmack. Einige Möven, wohl Larus maculi- pennis (s. poliocephalus), standen auf einer Lehmbank im Wasser; sie waren die einzigen lebenden Wesen in dieser trostlosen, grasarmen Ebene. Ganz besonders traurig war der Anblick der erhabenen Flur jenseits des Flusses bis zum Dorfe Saladillo, das etwa 5 Minuten unter der Furth am Flusse liegt; die kahlen Erdhäuser mit sehr weni- gem Gebüsch hinter sich in dürftigen Gärten machten einen höchst ärmlichen Eindruck. Am Eingange des Dorfes standen Kinder mit Milch und Maisgrütze zur Erfrischung der Reisenden; ich nahm den beiden nächsten ihre Bürde ab und erfreute sie dadurch eben so sehr, wie ich die übrigen, welche verlangten, dafs ich auch ihre Portion noch verzehren solle, in Mifsbehagen setzte. Der Rio Quarto, welcher bei Saladillo vorbeifliefst, hat in dieser seiner untersten Strecke gewöhnlich kein Wasser mehr, sondern enthält nur hie und da salzige Wasser- tüpfel, weshalb man ihn auch mit dem Namen Rio Saladillo be- zeichnet. Er mündet hier in den Carcaranal, der unmittelbar östlich bei Saladillo vorbeiflielst.

Von Saladillo bis Frayle muerto, dem heutigen Ziele meiner Reise, waren noch 12 Leguas; ich hatte also Eile nöthig und suchte sobald als möglich weiter zu kommen. Die nächste Station in 4 Le- guas Abstand heilst Barrancas und ist eine kleine Estancia, gleich der folgenden ebenfalls 4 Leguas entfernten, welche den Namen Zan- jon führt; dann kommt man nach Frayle muerto, dem gröfsten und besten Dorfe am Rio Carcaranal auf der ganzen Strecke von Rosario bis Cordova oder Mendoza. In ihm trennen sich beide Stralsen; die nach Cordova geht nordwestwärts, die’ nach Mendoza südwestwärts weiter. Indem der Weg von Saladillo nach Frayle muerto fortwährend eine genau nördliche Richtung verfolgt und in grölserem oder geringe- rem Abstande vom Flusse den Rio Carcaranal, der unter manchen Krümmungen in entgegengesetzter Richtung ostwärts vorbeiflielst, be- gleitet, kommt man bald in eine Gegend, die von den bisherigen offe- nen Pampas durch Auftreten holziger Gebüsche in anfangs geringerer, später beträchtlicherer Gröfse wesentlich abweicht, und einen durchaus anderen Charakter besitz. Von hier an nordwärts und unter einer noch etwas höheren Breite südwärts haben die Pampas einen buschigen,

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zum Theil selbst waldigen Charakter; sie verlieren denselben erst wie- der, wenn man über die von der Serra de Cordoba herabkommenden kleinen Flüsse hinaus nach Süden und Westen sich begiebt.

Die Gegend umher ist nicht unangenehm, namentlich im Gegen- satz gegen das bisher gesehene öde Pampasfeld; zahlreiche kleine Ge- sträuche, gröfstentheils feinblättrige Leguminosen vom Ansehen der Acacien, oder Myrtenformen, standen hier in allen Gröfsen, doch sel- ten höher als 6 Fuls, zerstreut umher, und bildeten aus der Ferne ge- sehen ein Gebüsch, das mich anfangs seiner Dichtigkeit halber über- raschte, beim Nahekommen aber seinen überall gleich sperrigen Cha- rakter verrieth. Zahlreiche Tauben-Arten und eine Taenioptera, die ich für T. Neugeta hielt, safsen in den Kronen dieser kleinen Sträucher und gaben dem Ganzen, wenn sie von Zeit zu Zeit vor mir aufflogen, eine gewisse Lebendigkeit; ich erquickte mich an dem Anblicke einer Gegend, die mich unwillkürlich an die Campos von Minas geraes er- innerte und alte Eindrücke in mir wieder wach rief. So grolse Man- niehfaltigkeit war freilich im Charakter des Buschwerkes nicht zu er- kennen, und darin unterschieden sich diese Pampas-Gegenden alsbald von den ähnlichen Brasiliens. Je weiter ich nach Norden kam, um so dichter und voller wurden die Büsche, um so höher hoben sie ihre Kronen; ein kurzer, dicker Stamm setzte sich am Grunde ab und ge- staltete die einzelnen Sträucher zu wahren kleinen Bäumen mit breiten flachen Kronen, fast vom Ansehen alter Apfelbäume in unseren Gär- ten, nur viel feiner wegen des zierlichen, gefiederten Laubes erscheinend. Zur Rechten ragte ein wirklicher Wald mit starken hohen Bäumen über dies Krüppelwaldgebiet empor, und bezeichnete den dort verlau- fenden, in dieser Gegend mit einem Waldsaume eingefafsten Rio Car- caranal. In solcher Umgebung kam ich nach Frayle muerto, einem - grofsen, regelmälsig gebauten Dorfe mit Kirche und Marktplatz, dessen Häuser, obgleich, wie fast alle hier zu Lande, nur aus gestampfter ' Erde oder Erdpatzen bestehend, doch eine gewisse gröfsere Eleganz _ verriethen. Ich fand hier ein sehr gutes Postzimmer und erhielt später _ ein reichliches, freilich auch etwas theures Abendessen, denn es kostete 21 Pesos, d.h. 3 Thlr. 10 Sgr. Pr. C.

Den 1. März. Es war heute Sonntag und ich sah vor der Ab- fahrt die geputzte Bevölkerung, besonders die Frauen, zur Kirche gehen; alle in guten Kleidern nach neuestem Schnitt; doch machte das grolse schwarze Tuch, welches die Wohlhabenderen sich über den Kopf hän- gen, ihr Gesicht wie ihre Gestalt fast ganz unkenntlich. Ein Fehler am Rade meines Karrens, der ausgebessert werden mufste, hielt mich

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240 H. Burmeister:

dazu entschlofs. Die Strafse von hier nach Mendoza schlägt eine südwestliche Richtung ein und führt zunächst nach dem Hauptstations- orte im Innern, der kleinen Stadt Rio Quarto, von dem Flusse be- nannt, an dessen südlichem Ufer sie liegt. Man durchschneidet auf dieser Tour das Land zwischen dem genannten Flusse und dem Rio Tercero, unfern von Frayle muerto, in seiner gröfsten Breite und bleibt grofsentheils in dem bisherigen buschigen Terrain. Der Rio Tercero ist übrigens der gröfste von den fünf Flüssen, welche in der Richtung von Nordwest nach Südost der Sierra de Cordoba entspringen und das Pampasgebiet einigermalsen bewässern ; sie erreichen aber den Paranä- Flufs nicht, sondern enden in kleinen Lagunen; nur der dritte oder Tercero gelangt wirklich zum Rio Parana und heifst, nachdem er bei Saladillo den Rio Quarto oder vierten Fluls in sich aufgenommen hat, fortan Rio Carcaranal. Als solchen habe ich ihn bei der Guardia de: la Esquina und weiter hin bis Frayle muerto besprochen. Ich hatte gestern 26 Leguas zurückgelegt, die gröfste Tagereise meiner ganzen Fahrt; heute sollten 21 Leguas bis zum Arroyo de S. Jose gemacht werden,

Der Name der ersten, 4 Leguas entfernten Station ist mir ent- fallen !); ich gerieth dort in eine Differenz mit dem Posthalter, der sich weigerte, meinen Regierungspals zu respectiren, vielmehr eine schriftliche Erklärung von mir forderte, dafs er mir 4 Pferde bis zur nächsten, 5 Leguas entfernten Station Tres Cruces gestellt habe, die ich ihm dann auch gab. Das Land bis dahin war weniger mit Ge- sträuch bedeckt, als die Strecke jenseits Frayle muerto, übrigens aber von derselben Beschaffenheit; ich sah durchaus nichts Neues. Hinter Tres Cruces wurde der Baumwuchs voller und nahm bei der dritten Station, Esquina de Medrano, einen förmlichen Waldcharakter an. Bäume von 20 Fufs Höhe mit breiter Krone, deren Durchmesser min- destens dieselbe Ausdehnung hatte, standen mit 4 Fuls hohen, manns- dicken Stämmen stellenweise so dicht nebeneinander, dafs ihre Kronen sich berührten und eine schattige Laube bildeten, welche bei der grofsen Hitze des Tages viel Einladendes für mich hatte. Als daher die Pferde gerade an einer solchen sehr hübschen Stelle gewechselt wurden, stieg ich ab, um im Schatten dieser zierlichen feinen Acacien, durch deren Kronen der Wind säuselnd sich bewegte, wie bei uns im Fichtenwalde, mein Mittagbrod, Weilsbrod, Käse und Wein, die ich noch von Frayle muerto mit mir führte, einzunehmen. Aber siehe da, die schattige

!) Nach den Itinerarien bei J. Maeso, Gillifs und im Almanaque Nacional de la Confederacion Argentina para los anos de 1855 y 1856 existirt zwischen Frayle muerto und Tres Cruzes keine Station; die Entfernung dieser beiden von einander ist überall auf 4 Leguas angegeben. KEN. j

Reise durch die Panipas. 234

Laube war Zu niedrig für mich; ich konnte unter diese alten, sicher hundertjährigen Acacien nicht treten; ihr stacheliges Gezweig hing mir über Gesicht und Schultern herab, mich zurückhaltend. Da blieb nichts anderes übrig, als darunter zu kriechen; auf allen Vieren trat ich ein und lagerte dicht am Stamme, ihn selbst als Rückenlehne benutzend. Der Leser glaube nicht, dafs ich ihm das zum blofsen Amusement er- zähle; er möge daraus abnehmen, wie die ältesten Bäume der Pampas- flur beschaffen sind, insofern ihr Stamm nicht einmal die Höhe hat, dafs ein Mann mit Bequemlichkeit darunter treten kann.

Während ich unter den Acacienbäumen lag, fand sich Gelegenheit, einige Beobachtungen in der Nähe anzustellen, wozu die Eile des dahin- rollenden Karrens mich anderswo nicht kommen liefs. Ich sah hier, dafs än den meisten der Bäume um mich her eine holzige Schling- - pflanze mit diekem Stamme gleich einer Weinrebe emporstieg und mit langen dünnen Zweigen durch die ganze Krone der Acacie sich aus- breitete. Blumen fanden sich nicht mehr, die Blätter glichen Pfeil- spitzen und waren zum Theil gegen 3 Zoll lang. Ihr frisches saftiges Grün stach merkwürdig ab gegen das dunkle Graugrün des alten Aca- eienhauptes; es kam mir vor, als sähe ich eine mit Epheuguirlanden umwundene Riesenperücke vor mir. Einer der Bäume trug einen zwei- ten Schmarotzer, d. h. einen wirklichen, einen Loranthus mit langen, engen, grell rothgefärbten Blumen. Man findet diese Gewächse häufig auf Bäumen und Sträuchern der Pampas, wo sie stets die höchsten - Spitzen einnehmen und mit ihrem dichten rothen Blumenschmuck ihrem Träger ein turbanartiges Ansehen geben. Eine solche Acacie, oben mit dem Loranthus geschmückt und in der Krone mit jener pfeilspitzig beblätterten Schlingpflanze umwickelt, macht aus der Ferne ganz den Eindruck eines riesenförmigen Türkenkopfes. Neben mir im Grase ‘stand ein anderes höchst sonderbares Gewächs, ein fleischrother Phal- 5, dessen ganzes Ansehen etwas so Indecentes hatte, dafs ich mich i j entschliefsen kann, ihn hier weiter zu beschreiben; möge das her wissenschaftlichen Erörterung vorbehalten bleiben, die ich an- derswo geben werde. Ehe ich übrigens an den Ruheplatz kam, traf ‚ieh in diesem waldigen Pampasgebiet einen ziemlich grofsen Teich mit einer schönen frischgrünen Wiese daneben, auf welcher eine Anzahl Pferde und Rinder grageten, während die dazu gehörigen Karren und Leute nicht weit davon im Schatten der Bäume lagerten. Unter jedem Thiere hatte sich eine Schaar kleiner braungrauer Vögel versammelt,

velche nicht am Thiere, sondern im Grase darunter, oder aus seinem fist ihre Nahrung suchten; es war der Chopi oder Pampas-Staar igelajus unicolor s. suleirostris), ein überall auf Viehweiden gemeiner din allen Dörfern häufiger Vogel, dessen Gesang nicht unangenehm ist. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. - 16

242 H. Burmeister:

Auf der Weiterreise bis zu dem Orte, wo ich übernachtete, kam mir nichts Bemerkenswerthes mehr vor; die’Waldung wurde nach eini- ger Zeit wieder lichter und ging zuletzt in niedriges Gebüsch über, bis sich endlich alle Holzpflanzen ganz verloren. So gelangten wiran einen kleinen Fluls, den Rio Cabral, dessen Bett sehr flach. war und nur ‚einzelne Wassertümpel mit Binseneinfassung ‚enthielt, an denen viele Wasservögel, Reiher, Ibis, Schnepfen und Enten sich aufhielten. Das diesseitige Ufer :neigte sich sanft zum Flusse hinab, das jenseitige war ein steiler, ganz senkrechter Absturz, den ich schon seit geraumer Zeit wie eine Erdmauer im Felde wahrgenommen hatte. Baumwuchs fehlte, wie auf der jenseitigen Flur, gänzlich. Gegen 6 Uhr kam ich nach dem 8 Leguas entfernten Arroyo de San Jose, einer ziemlich dürftig aussehenden kleinen Estaneia, deren Besitzer mich indefs sehr zuvorkommend empfing und über den Zweck meiner Reise 'ausfragte. Ich zeigte ihm und seiner Familie meinen Käferkasten und hatte mich dadurch alsbald als einen Sonderling, documentirt. Die Gegend umher war öder Camp und trug nichts mehr. von dem zum Theil romanti- schen Charakter »des Landstriches an sich, über, den wir gekommen waren. |

Den 2. März. Meine Abfahrt am Morgen gelang) diesmal bei Zeiten, was um so wünschenswerther war, als die heutige Tagereise wieder 24 Leguas betragen sollte. Der Weg nach der ersten, 4 Le- guas entfernten Station Canada de Lucas führte fortwährend über ödes, buschloses Feld und war anfangs sehr schlecht wegen der vielen hohen und dicht gedrängten Grasbüschel, durch welche gefahren wer- den mulste, denn eine offene Wagenspur fand sich nirgends. Hie und da kam ein besseres Stück Land mit kürzerem dichteren Grase‘und schönen Blumen, unter denen eine Art Klee, ähnlich dem Trifolium arvense, die bereits beschriebene rothe Blume mit den saftigen Blät- tern, eine ähnliche Pflanze mit weilser Blume und die kleinere Ver- bena mit rothvioletter Blüthe sich auszeichneten. In ähnlicher Umge- bung gelangten wir schon um: 9% Uhr nach dem nächsten Stationsorte, dem 6 Leguas entfernten Totoral, passirten aber etwa 1 Legua vor demselben einen grofsen Teich mit zahlreichen Wasservögeln an seinen Ufern; auch Möven standen hier auf einer Untiefe im Wasser. Gleich hinter dem Teiche war ein tiefer Hohlweg, ein künstlicher Durchstich durch. das jenseitige hohe Ufer, und hier fuhr uns, vom Gepolter des Karrens aus seiner Höhle herausgetrieben, ein grofser Myopotamus Coy- pus über den Weg, wobei das Rad ihn falste und zerschmetterte, Das Thier ist an allen gröfseren Wassern der Pampas zu Hause und be- sonders über den Rio Paranä und La Plata verbreitet; es geht west- wärts bis Chile, scheint aber dort nicht die Gröfse zu erreichen, welche

Reise durch die Pampas. 2413

die diesseitigen Individuen annehmen; das eben von uns übergefahrene stand dem Biber kaum an Gröfse nach. Von Totoral führt die Strafse 8 Leguas weit nach Guanaco, _ einer gleich den vorigen beiden Stationen ärmlichen Estancia, die kei- h ner Erwähnung bedarf, da auch die Gegend durch Nichts sich von der _ früheren unterschied. Nur die erste Strecke des Weges dahin ging j durch eine schöne Waldfläche mit grofsen und dichter stehenden Bäu- _ men, unter denen ich auch eine Rhexia &gewahrte, freilich nur als niedrigen Strauch, etwa in der Art, wie auf den Höhen um Urogreto in Brasilien. Viele Tauben, Spechte (Pieus campestris) und zahlreiche kleinere Vögel, namentlich die fast ganz weilse Taenioptera domini- cana, hüpften mannichfach durch die Büsche und weckten in dieser vorwiegenden Oede vielfältig meine Sehnsucht nach den dichteren schattigen Wäldern Brasiliens, an denen ich mich gerade vor 6 Jahren ganz um dieselbe Jahreszeit erquickt hatte. Denn nur zu bald änderte sich auch hier die Scene; die Gegend wurde wieder ganz baum- und strauchlos, ein völlig kahles ödes Feld, und blieb so bis Guanaco, woselbst wir gegen | Uhr eintrafen und in ärmlichster Hütte bei einer Zambo-Familie, welche die Stelle des Posthalters inne hatte, während der heifsesten Tageszeit rasteten, uns mit Milch und Brod etwas er- quiekend. Ich bemerkte hier wieder, dafs die Leute viel mit Pocken- narben besetzt waren, selbst ganz junge Personen von 16-18 Jahren; es scheint die Impfung noch nicht allgemein zu sein, oder vielleicht _ nur schwierig zu bewerkstelligen, weil es bei den grofsen Entfernungen ‘der Ortschaften von einander an Aerzten und Lymphe fehlen wird. In Mendoza liefs sich z. B. ein mir bekannter Arzt seine Lymphe all- jährlich aus Chile kommen. Um so mehr fallen bei den durch die Narben entstellten Gesichtern die schönen, rein weifsen, schadlosen Zähne auf, welche besonders bei der farbigen Bevölkerung Regel sind; ae selbst sehr alte Leute haben sie noch. Ich sah später in Achiras eine - Frau von 115 Jahren, die im vollen Besitze aller ihrer Zähne war - und eine Schwester von 121 Jahren hatte, der ebenfalls kein Zahn fehlen soll. Gegen 4 Uhr setzten wir unsere Reise nach Tambito fort, um dort unser Nachtlager zu nehmen; die Entfernung beträgt 6 Leguas. _ Der Weg ging gröfstentheils über ein ödes kahles Feld, nur zuletzt - nahm die Gegend einen buschigen Charakter an und darin lag der _ Ort, ein kleines Dorf mit zerstreuten Häusern, an einem ziemlich grolsen See, dessen Ufer von hohen lockeren Erdwällen, wahrhaften Sanddünen, umgeben waren. Um die noch reichliche Tageszeit zu be- autzen, ging ich an den See, mich zu baden, wobei ich fand, dafs der h Grund aus einem sehr feinen, mäfsig harten Schlamme ohne allen Kies

16*

EEE TER IE >

2a H. Burmeister:

bestand und die flachen Stellen zunächst am Ufer mit langen Binsen (Seirpus) dicht bekleidet waren. So weit das Wasser steigend und fallend gelangte, standen nur Binsen; aber weiter hinauf an den höheren Ge- hängen der Dämme in reichlichster Fülle grofse Büsche des Sumpf- Pampas-Grases mit den hohen Schaften und seidenartig glänzenden weilsen Blumenrispen. Noch höher auf der Kuppe der Dämme stellte ein anderes feineres Gras sich ein, das mir einige Aehnlichkeit mit Elymus arenarius zu haben schien. Auf dem See schwammen Enten und an offenen Stellen des Ufers stand der Himantopus im Wasser. Als ich vom Bade zurückkehrte, sah ich in der Ferne nach Nordost dichte Regenwolken vorbeiziehen; der Himmel war hier ganz dunkel- blau vom Gewitter, dessen Nähe schon die heute sehr drückende schwüle Luft angekündigt hatte, und dessen Blitze wir nun in den schönsten Ziekzackformen durch das schwarzgraue Gewölk auffllammen sahen. Aber zu uns herüber kam es nicht, seine Entfernung war so bedeu- tend, dafs wir keinen Donner hörten, obgleich die einzelnen Blitzstrah- len sehr deutlich gesehen wurden.

Den 3. März. Die heutige Wegestrecke von Tambito bis Rio Quarto war nur 11 Leguas lang und führte zuerst nach Chucul, einer armseligen Hütte mit farbiger Bevölkerung, 5 Leguas von Tam- Bito und 6 von Rio Quarto. Ich sah auf dieser ganzen Strecke nur ödes, buschloses Pampasfeld, ohne irgend einen neuen mir auffallenden Gegenstand, als eine ziemlich grofse weilse Blume vom Ansehen eines Narcissus, aber mit 5 krauswollig gezackten Blumenblättern, welche auf der Strecke von Tambito nach Chucul öfters im Grase stand und einzeln auf ihrem Blumenstiel weit sichtbar daraus hervorragte. Nach 2 Leguas passirten wir einen Bach, der, im. tiefen Lehmbett ganz ver- steckt, von rechts nach links fliefst und. dermalen nur wenig Wasser enthielt. Er mufs aber zu Zeiten recht reifsend werden, die Tiefe des Bettes und das kahle abgewaschene Ansehen seiner mannichfach aus- gefurchten Ufer bewiesen dies. Ein ungeheurer Schwarm von Mücken überfiel uns an dieser Stelle und belästigte uns lange, bis die steigende Hitze des Tages sie zur Ruhe trieb. Die Station Chucul liegt etwas tief an einem kleinen Flusse, welcher dieselbe Richtung wie der Bach vorher verfolgt und wahrscheinlich eine Fortsetzung desselben ist. So kamen wir gegen Mittag an den Rio Quarto, dessen breites, tief ausgewaschenes Bett in ganz ähnlicher Weise, wie der eben bespro- chene Bach, zwischen hohen, kahlen, abgewaschenen Lehmgehängen verborgen steckt und erst in der Nähe deutlich übersehen werden kann. Der Flufs ist breit, aber nicht tief, und flielst mit verschiedenen schma- len Armen zwischen den Kiesgeröllen hin, welche die Sohle seines Bettes anfüllen; jenseits liegt auf dem hohen Ufer die kleine Stadt

Reise durch die Pampas. 245

(Pueblo) Rio Quarto, der Hauptort auf der Stralse von Rosario oder Buenos Aires bis Cordova und San Luis.

Rio Quarto ist, wie alle hiesigen Ortschaften, regelmäfsig in Quadraten angelegt und aus gestampften Erdmauern gebaut; nur die Fundamente der Gebäude bestehen aus starken Rollsteinen, bisweilen aus Ziegeln. Der Ort hat einen grofsen Marktplatz mit Kirche, Ca- bildo (Gefängnils) und Kaserne (Quartel) und eine zweite kleinere Kirche, die zu dem Franziskanerkloster gehört, welches sich hier be- findet und, wenn ich recht gehört habe, 5 Mönche enthielt. Die Stadt ist der Standort einer aus 150 Mann bestehenden militärischen Be- satzung und wimmelt von Soldaten, meist Cavallerie, welche mit ihren rothen Flanellponchos überall sich umhertrieben. Ich sah am Nach- mittage das Exereitium derselben auf der Plaza an und bewunderte die nacktbeinigen Leute, wie sie gravitätisch im Staube dahinschritten, fortwährend dichte Wolken emporwirbelnd. Der blofse Anblick dieser gebräunten Gesichter und ihrer abenteuerlichen Kleidung wäre hin-. reichend, Jeden, der dies Militär zum ersten Male sieht, in Furcht und Schrecken zu setzen. Die Kirche ist ein langes schmales Gebäude ohne Fenster, mit zwei dicken Thürmen an der Fagade, wovon in- dessen nur der eine ausgebaut und vollendet war; äufsere Decoratio- nen gingen ihr ganz ab. Die Häuser erschienen mir gröfstentheils schlecht und sorglos gehalten; sie hatten in der Regel einen Garten hinter sich mit stattlichen Feigenbäumen, grofsblättrigen Cactushecken, Pfrsichen und Weinreben, deren Früchte, eben reif geworden, mir _ einen angenehmen Genufs bereiteten. Die Einwohnerzahl wird auf 3000 angegeben; es sind grölstentheils Viehzüchter, daneben einige Kaufleute, welche die Umgegend mit europäischen Waaren versorgen. Rio Quarto gilt für die Hälfte des Weges von Rosario nach Mendoza, ist es aber genauer genommen nicht; die Entfernung von hier nach Rosario beträgt mit den vielen Krümmungen, welche der Weg macht, 115 Leguas; die zweite Hälfte von Rio Quarto nach Mendoza ist - 127 Leguas, erscheint aber auf der Karte mit Recht weit länger als _ die andere, weil die Strafse mehr in gerader Linie geht ').

h ") Was die Entfernungsangaben betrifft, so stimmt Herr Burmeister für die Strecke von Rosario bis Esquina de Medrano denn erst hier, nicht aber bei Frayle muerto, trennen sich die Wege nach Cordoba und Mendoza mit den älteren Iti- - nerarien überein, ausgenommen am Anfange der Tour (nach Burmeister: von Rosario zur ersten Station 4, von hier zur Estancia des Jose Correa 5, von hier bis Cande- _ laria 5 Leguas, in Ehlikran 14 Leguas; nach den anderen Kindrsrtert: von Rosario Saladillo de la Orqueta 7, von hier nach Candelaria 5 L., zusammen 12 Le: und in dem auf S. 240 bemerkten Falle, wo er durch Einschieben einer Station ıtfernung von Frayle muerto nach Tres Cruzes auf 9 Leguas erweitert, wäh- send sie nach Justo Maeso und dem erwähnten Almanaque nur 4 Leguas beträgt,

246

Miscellen.

Die ostsibirische Expedition der Kaiser!l. Russischen. Geographischen Gesellschaft.

Von C. Schirren.

Im Frühjahr 1857 ist in Petersburg abermals ein vorläufiger Bericht über die, Leistungen der ostsibirischen Expedition eingegangen und im Oryere der Gesellschaft veröffentlicht. Bald darauf traf wider Erwarten eine zweite sehr umfassende Sendung ein, deren Publication nicht verfehlen wird, die Aufmerk- samkeit der gelehrten Welt in noch höherem Grade, als bisher, einer Unterneh- mung zuzuwenden, welche unter mannichfacher Ungunst allgemeiner und persön- licher Verhältnisse rüstig den ihr gesteckten Zielen entgegenstrebt. Diese neueste grofse Sendung umfalst unter Anderem den ausführlichen Bericht des Naturfor- scherss Radde und zusammenstellende Auszüge aus den Tagebüchern der ein- zelnen Offiziere mit besonderer Rücksicht auf die Physiognomik des Landes und seiner Bewohner. Zunächst ist es mir nur gestattet, zum Theil nach dem vor- läufigen Bericht, der in russischer Sprache gedruckt ist, einige Ergänzungen zu meinen früheren Mittheilungen zu geben.

Zur besseren Würdigung des ganzen Unternehmens ist zunächst anzuführen, dafs die Absendung des Lieut. Roschkow, von welchem nur wenig genügende Berichte eingingen, an den Amur weder ganz innerhalb des ursprünglichen Planes lag, noch den Absichten des Hauptastronomen entsprach; vielmehr ist sie einer durch die Instructionen vorgeschriebenen Connivenz gegen die Wünsche des Ge- neral-Gouverneurs von Ost-Sibirien zuzuschreiben. An den Amur war gleich- zeitig (Mai 1855) von der sibirischen Abtheilung der geographischen Gesellschaft

Esquina de Medrano ist also nach Herrn Burmeister 72, nach den älteren Itinerarien nur 65 Leguas von Rosario entfernt. Für die weitere Strecke ergeben sich folgende Differenzen: Von Esquina de Medrano ab sind von Station zu Station

nach nach nach nach dem

Burmeister | Justo Maeso Mac Rae Almanaque bis zum Arroyo de St. Jose - 8 8 ? | 8 bis Canada de Lucas . 4 6 5 8 ES EIUDLOTAB UN. 6 4 4 4 we Gugzmaca,. > <lane „ne 8 10 6 5 - Tambito (Tambillo) . 6 6 7 ren 5 | 7 8 7 RO QuarIdr 6 5 4 3,

H b TE Da Teeeg © 0 57 Dr To

BUIMA ee Janine age 43 40 | (412) 42

Die Gesammt-Entfernung von Rosario bis zum Pueblo Rio Quarto beträgt nach Mac Rae 103, nach Justo Maeso 105, nach dem Almanaque 107, nach Burmeister 117. Leguas. K.N.

Die ostsibirische Expedition der K. Russ. Geogr. Gesellschaft. 347

eine Expedition abgegangen. Sie bestand aus den Herren Maack, Gerstf eld, Kotschetow, dem Offizier des Topographen-Corps Sondhagen und dem Prä- parator Fuhrmann. Beim Marien -Pogost theilte sich die Gesellschaft; die Rück- fahrt stromauf legten nur Maack, Sondhagen und Fuhrmann zurück. Der erste war schon im vorigen Jahre in Petersburg eingetroffen, wo er an die Bearbeitung seiner Tagebücher und Sammlungen ging. Sondhagen hatte eine ausführliche Marschroute gezeichnet von Albasin bis zum Marien-Pogost; sie ergänzt die von Roschkow aufgenommenen Routen von Ust-Strjelka bis Albasin und weiterhin vom Marien-Pogost bis Nikolajewsk.

Von Roschkow war eine Liste astronomischer Ortsbestimmungen eingegangen, welche wir unten mittheilen; im Winter 1855 1856 hatte er im Süden der Amurmündungen noch folgende Punkte bestimmt: 1) das Dorf Pronge, 2) Dorf

_ My, 3) Dorf Tschomi, 4) Dorf Pogobi in Sakhalin, nördlich von den Amurmün- dungen, 5) das Dorf Tscheharbach, 6) Dorf Püir, 7) Dorf Langer, 8) einen Punkt am Flusse Iski, 9) Dorf Wassi zwischen 'der Mündung und dem Nikola- jew’schen Pogost. Im Sommer arbeitete er abermals am Amur, von der Sungari- Mündung an abwärts und war im Frühling 1857 noch nicht in Irkutsk einge- troffen. Der Lieutenant Ussol’zew hatte auf der Tour von Ust-Strjelka über die lin- ken, oberen Zuflüsso des Amur nach Monddistanzen folgende Punkte bestimmt: 4) einen Punkt ‘östlich an der Quelle des Oldoi, 2) die Mündung der Tonda in den Giluj, 3) einen Punkt am oberen Giluj, 4) einen Punkt nahe der Selimdsha- Mündung, 5) die Mündung der -Seja, überdies die Breite von 14 anderen Punkten. - Vom Beginn seiner Reise bis zum 8. October (1856) hatte er meteorologische Beobachtungen angestellt, Felsproben gesammelt und Kartenskizzen von der Land- - schaft zwischen dem Giluj, der Seja, dem Amur, der Schilka und dem Jablonnoi- Chrebet entworfen. Eine genaue Marschroute und ein ausführlicher Bericht stehen zu erwarten, - Zur Beurtheilung der bisherigen kartographischen Vorarbeiten und Leistungen - dienen folgende Notizen. Obwol eine Karte vom Witimthal erst dann genügend angefertist werden kann, wenn die Länge der wichtigsten Position am Witimlauf, die Länge der Zypa-Mündung, von welcher Orlow nur die Breite bestimmt hat, ‚ermittelt ist, so urtheilt der Hauptastronom doch, dafs schon jetzt die Configu- ration des ganzen Systems der Flüsse Karenga, Zypa und Witim die wesentlich- sten Aenderungen erfahren hat. Auf der Karte von 1855 ist die Quelle der Nertscha' unter 53° 30’ Br. verzeichnet, obwol sie unter 54° 22’ Br. oder fast um nördlicher fällt. Daraus folgt, dafs das Jablonnei-Chrebet, welches zwi- schen der Karenga und Nertscha hinzieht und dann um die Nertscha- Quellen -_ wendet, etwa 100 Werst nach Norden hinaufzurücken- ist. - Die Mündung der Zypa dagegen behält die früher angenommene Breite (55° 29). Andere Correc- ‚tionen sind noch bedeutender, Die Umgebung des Bauntow’schen Sees ist als nmeuentdeckte Provinz anzusehen. Was den südlichen Theil von Ost-Baikalien Ei (östlich bis nach Ust-Strjelka) betrifft, so finden sich dafür bei den Ortsbehörden eine grofse Anzahl Aufnahmen, Marschrouten, Vermessungspläne: Material genug F%; selbst zu einer topographischen Karte, um so mehr, als es für diese südlichen ‘Landschaften schon früher auch an astronomischen Bestimmungen nicht fehlte,

248 Miscellen: \ | q .

Andererseits geben diese Bestimmungen, mit Einschlufs der von Fuls (1832), we gen der unvollkommenen älteren Methode, nach welcher sie gefunden wurden doch nur annähernde Werthe. Wir haben schon in einem früheren Aufsatze vor

den Arbeiten des Hauptastronomen gesprochen, welche diese Gegenden betreffen,

und theilen unten die Liste seiner Hauptbestimmungen vom Jahre 1855 mit. Nach den älteren Aufnahmen von 1849 —1853 und nach den neueren Arbeiten vorzüglich vom Jahre 1855 hat Schwarz eine Karte von Ost-Sibirien im Mafs- stabe von 250 Werst auf den Zoll gezeichnet und der geographischen Gesellschaft eingesandt. Ein zweites Exemplar liegt mir vor. Die Karte gründet sich wesent-

lich auf astronomische Bestimmung von 168 Punkten nach Breite und Länge. Von dieser Summe liegen 22 zwischen dem Jenisei und dem Baikal, 116 östlich

vom Baikal bis an den Meridian von Ochozk, 30 von diesem Meridian bis zum Ostkap. Unmittelbar am Baikalufer sind 19 Positionen bestimmt; dem System des Amur gehören unmittelbar an den Wasserfäden 59 Positionen an, von wel- chen 28 auf den Hauptflufs von der Confluenz abwärts kommen. Die Karte ist aber schon Ende 1856 gezeichnet, wo ganze Reihen von Beobachtungen noch nicht hatten berechnet werden können, andere noch nicht beendet oder erst pro- jectirt waren. Die von Kiepert entworfenen Skizzen von der „Umgebung des Baikal-See’s“ und vom „östlichsten russisch-chinesischen Grenzgebiet im Tun- gusenlande * (in dieser Zeitschrift N. F. I, 6. 1856) erleiden durch diese Karte mehrfach Correctionen, wie ja die Positionen, auf welche die Kiepert’schen Skiz- zen sich gründen, selbst vielfach corrigirt worden sind. Dasselbe gilt von Peter- mann’s Skizze des Amur-Stromes (Mittheil. aus J. Perthes’ Geograph. Anstalt. 1856. XI—XII).

Nach den letzten Nachrichten hatte vom Mefscorps noch ein Offizier nach Sibirien sollen beordert werden, doch war er zum 4. Juli noch nicht in Jakutsk eingetroffen und nach langem Warten mufste der Hauptastronom seine Reise über Kirinsk in die Wildnifs am Witim antreten. Erst im Beginn des Decembers gedachte er nach Irkutsk zurückzukehren. Im Mai 1858 wird er die Rückreise nach Westen beginnen, aber erst im Spätherbst in Petersburg eintreffen, da er sich bis gegen den September weiteren Erforschungen der Baikal- Landschaften widmen will.

Verzeichnifs der vom Lieut. Roschkow im Jahre 1855 am Amur bestimmten Positionen, Breite; O. L. v. Greenw.: Zeit:

4) Der Schilkinski Sawod . . 52° 30’ 41” 2) Wachtposten Ust - Strjelot-

schni Ir et ai sored ah 121° 40' 24" 8" 6m 415,6 3) Punkt in der Nähe des Utes-

BECHJanE Kiss ehmionkl. 2 92:1, 122 126 25 27 8 25 41,8

!) Nach der Länge dieser Position müfsten alle Bestimmungen Peschtschurows um 9’ 43",5 nach Westen verrückt werden, da ihnen die Längenbestimmung von G. Fufs (121° 50’ 7”,5) zu Grunde gelegen hat. Allein die Positionen Roschkow’s dürfen zunächst doch auch nur als angenäherte gelten, Sch.

4) Punkt zwischen d. Chingan (Gb.) u. der Sungari-Münd. 47° 43’ 18" 131° 45’ 37",5 84 4m 295 5) Sungari-Mündung . . .47 42 45 6) Punkt zwischen d. Mündung des Sungari u. der des Ussuri 48 14 35 7) Mündung des Ussuri . . .48 16 25 135594959 0233 8) Sandbänke im Uksema . . 48 51 55 9) Berg Tschelatschi. . - .49 37 2 1373 HERE 10) Punkt beim Dorfe Pol’ssjä . 50 46 42') 11) Punkt beim Dorfe Jeri. . 51 22 27 42) Der Marienposten. . . „51 42 18 140 11 31,5 9 20 46,41 A3)ıNikolajewsk . 5 „er. 530: 8.19 140 42 585 9 22 51,9

Die ostsibirische Expedition der K. Russ. Geogr. Gesellschaft. 249 | Breite: 0. L. v. Greenw.: Zeit: . x

Vom Lieut. Ussol’zew astronomisch bestimmte Positionen zwischen der Nertscha- und Bargusin-Mündung.

Breite: O.L. v. Greenw.: Zeit:

4) Mündung des Uldurgi . . 52° 44’ 15" 115° 47’ 48” Th 43m 160

2) Niederlassung Kykyr . . 53 9 36 145 52.2.7,512.943442855 3) Punkt am Fl.Kudshima . 53 15 21 416% 22,5: 29 4) = - - Bugarichta . 53 26 46 116 33 00 7 46 12,0 5) - Werja .. 53 46 28 116 43 225 7 46 53,5 6) - ander obern Nertscha 54 21.35 117. 36, 4,5075 :50,245 7) - amEIl.Marekta . . 53 58 26 116 14 30 7 44 58,0 "= \ÜGRPENMNEE > URENR, |): WERIERFERTEBRRRR : = Joa. Io; 115 42 5925 7 42 51,5 er: Konda.. ı =- 53.12 »57 443; .Adnh52,5r, Ti 3A55,5 10) - - - Cholej. . . 53 12 28 112 ,58 15,0 7 31 53,0 411) - - - Dshilinda. . 53 39 28 142 73:03 %;52. 7.028.514,5 =.» Witim. 0.0 53 58 29 111 38 7,5 7:26 32,5

Vom Lieut. Orlow der geographischen Breite nach bestimmte 5 Oerter: 1) Punkt an der obern Zypa 54° 59’ 58” Br. 2) Innocentius-Bergwerk . 54 56 19 3) Kapelle Bauntowk . 55 15 45 4) Mündung der Zypa . . 55 29 20 5) Punkt am Flusse Witim, 5 Werst vom Fl. Buibunko 55 42 52 6) Furth durch den Fl.Owokit 55 30 46 7) Dorf Werchneangarsk. 55 52 18 Bi. Reh = uiese. Ailsin 54

!) In der französischen Ausgabe des Berichts (Compte rendu de la soeiete geo- _ graphique imperiale de Russie pour l’annee 1856. St. Pötersbourg 1857) ist diese Po- sition auf 50° 56’ 42” angegeben; vielleicht ist dieses ein Druckfehler. Die Angabe _ für den nächstfolgenden Ort (Jeri 61° 22’ 27”) zeigt, dafs die Correctur des Compte rendu nicht sorgfältig war. K.N.

250 Miscellen :

9), Dosp Ijugankı rohen ee 10) See Baljäntomur .". . 55umOlM? 11)'DorfiTarlt . a än PNA

Von L. Schwarz im Jahre 1855 in Ost-Baikalien' bestimmte ı Punkte '). Breite: O.L.rv. Greenw.: Zeit:

1) Stadt Nertschinsk. . . 2519957757 116 8421.10" viThikgmNdge 2) Dorf Schelopugino . 2. 51" 39: 7 „417.40 30 50 42 3) Sawod Nertschinsk . 51. 18 32 :149 43 45 58 55 4) Ostrog Argunsk 2. vd 3a 120 8 30 0 34 5) Mündung des Urow . . . 52 12 15 -420 51 45 6) Sawod Alexandrowsk . . 50 55 13 -18-.3 0 7) Neu-Zuruchaitujewsk . . 50 23 34 119, 100° 50 8) Wachtposten Abagaitu . . 49 34 29 117 57 145 9) Fort Tschindant. . . 50 34 40 1 Gr 1 5 T1) IOYDERUSL SEITEN ZONE 113 49 30 11) Wachtposten Kyrink . . 49 34 16 112-29945 12) Stadt" Tschitdr, "U, PAR Pe 113 36 30 13° DorfHukyrakt m ar HR 5215 ARTE 14) Stadt Werchneudinsk . . 51 49 37 107 40 45 19)Kloster Posolsk® SUR Pak 1529240442 106 15 45 16% 8tadt Irkutsk „2%, 5204619 O2

ANANAS LTLN OD ns > ©) [-2)

Ueber Funchal: auf Madeira.

Von Dr. H. Schacht =R.

Wenn man, von Europa kommend, zuerst die östliche Spitze Madeira’s um- schifft, so verrathen die nackten, in grotesken, zackigen Formen aufsteigenden Klippen der Ponta de Sao Lourenco wenig von der üppigen Fruchtbarkeit, welche die übrigen Theile der Insel, fast ohne Ausnahme, auszeichnet. Hier war es, wo vor 441 Jahren (1416) Juan Gonsalez, genannt Zargo, vom Infanten Don Henrico entsendet, Madeira entdeckte, nachdem derselbe ein Jahr zuvor, vom ' Sturm verschlagen, durch Zufall Porto Santo aufgefunden hatte.

Sind endlich die an Meerfossilien reichen Klippen bis Canigal umschifft, so steigt das Gebirge massenhafter, höher und steiler aus dem Meere empor; die zerrissenen wilden Schluchten, in welche zur Regenzeit schäumende Bergwasser herabstürzen, bedeckt ein saftiges Grün und freundliche weifse Landhäuser er- scheinen zerstreut zwischen Rohr- und Zuckerfeldern. Man sieht den Ort Ma- chico, bekannt durch die Sage des Machin, welcher, mit seiner Geliebten von

!) Für die Orte Nertschinsk, Tschita, Posol’sk und Irkutsk vergl. die früheren Bestimmungen desselben Astronomen in dieser Zeitschrift N. F. Bd. I, S. 556. 2) Der Verf. hat zwei Winter und einen Sommer auf Madeira verlebt.

Ueber Funchal auf Madeira. 251

England flüchtend, angeblich viele Jahre vor Zargo hier gelandet und sein Grab gefunden; dann erscheint die Stadt Sta. Cruz da Madeira, bis endlich die lieb- liche Bucht von Funchal sich öffnet. Der Anblick ist überraschend und grofs- artig. Bis zu etwa 600 Fufs Höhe zieht sich die eigentliche Stadt mit weifsen Häusern und grauen Mauern vom Meere amphitheatralisch an schroffen Felsen empor; sie gleicht einem weitläuftigen Garten ohne scharfe Umgrenzung, indem Landhäuser und überall zerstreute Hütten sich bis zu 2000 Fufs über dem Meere | erheben, von wo die der Mutter Gottes geweihte Kirche Nossa Senhora do monte mit ihrem weilsen Doppelthurme aus dem dunkeln Grün des Kastanienwaldes hervorsieht, Nur am Abend und am frühen Morgen erblickt man, mit Ausnahme der heifsen Sommerzeit, die Kuppen des Gebirges; in der Regel lagert eine dichte Wolkenschicht über den zackigen Piks, deren höchster, der Pico ruivo, 6050 Fufs, seine Nachbarn, den Pico das torrinhas, Pico torres und Pico arieiro, nur wenig überragt.

Auf der Insel Madeira, die jedes Vorlandes entbebrt und als ein schroffes, _ vulkanisches Felsengebirge aus dem Meere hervorsteigt, ist nur an wenig Orten eine Landung möglich; so dient der nur schmale Strand der Bucht von Funchal _ bei ruhigem Wetter als Landungsplatz, während bei stürmischer See das mit der Insel durch eine Brücke verbundene kleine Fort, die Pontinha, auf einem Riffe gelegen, zur Landung benutzt wird. Die Rhede von Funchal bietet überhaupt den Schiffen wenig Schutz, weshalb die Segelschiffe immer in einiger Entfernung von der Insel ankern, oder, wenn sie gezwungen sind, länger zu verweilen, sich unter den Windschutz der Pontinha und eines zweiten, auf einem isolirten Riff gelegenen Forts (Iheo) begeben. Die sehr heftige Brandung und der Mangel eines guten Strandes längs der ganzen Küste von Madeira verhindert das Wachs- - thum eigentlicher Meerespflanzen, welche schon unsere Nordsee bei Helgoland in so grolser Fülle darbietet. Nur kleine grüne Conferven und Ulven sammeln sich hie und da in den Gruben der vom Meere bespülten Felsenblöcke, welche bei i Funchal, soweit die Brandung reicht, von einer kleinen verkalkten Alge, der Co- rallina, überzogen sind. Auch die Meeresfauna ist in der nächsten Nähe der Insel sehr arm, bietet jedoch 1—2 Stunden seeeinwärts, wie Dr. A. Krohn, welcher im Winter 1855 1856 dort verweilte, nachgewiesen, mancherlei Interessantes; _ desgleichen zeigt der Fischmarkt zu Funchal täglich, vorzugsweise aber am Frei- ‚tag Morgen, eine grofse Mannichfaltigkeit efsbarer ‚Seefische, unter welchen der Thunfisch, als Hauptfleischnahrung der ärmeren Klasse, voransteht. Auch mäch- - tige Schildkröten (Caouana Caretta) und widerliche grofse Sepien, von den Por- tugiesen sehr geschätzt, werden dort zu geringen Preisen feilgeboten. (Nach _ Lowe sollen um Madeira nicht weniger als 186 Arten Meeresfische vorkommen.) Da kein eigentlicher Strand vorhanden, das Ufer aber überall abschüssig ist, so ist das Baden um Funchal für Nichtschwimmer sehr gefährlich. _ _* Verläfst man, gleich mir, im Herbst den Norden Europa’s, so glaubt man. in Funchal landend sich in den Frühling versetzt, weil gerade nach den ersten Herbstregen, im October, die Vegetation in neuer Fülle hervorbricht. Der Herbst, vom October bis December, ist überhaupt die schönste Zeit für Funchal; die Luft ‚leicht und die Wärme nicht mehr so drückend als in den Sommermonaten, _ wo bei beständig klarem Himmel die Sonne furchtbar brennt und den Aufenthalt

252 Miscellen:

in der Stadt unerträglich macht, weshalb auch Alle, die es irgend können, ent weder die Insel verlassen oder höher in’s Gebirge flüchten.

Schon der erste Spazierritt durch die Stadt und ihre nächste Umgebung biete des Neuen so viel, dafs ich schwer die Eindrücke zu schildern vermag, welch die grofsartige Scenerie des dunkeln, felsigen, vom blauen Meere bespülten Ufers, verbunden mit der tropischen Culturvegetation, auf mich gemacht hat. Fast alle Mauern, welche da, wo Häuser fehlen, die Strafsen begrenzen, sind mit Grün be- kleidet, woran der Epheu und die wilde Feige (Ficus stipulata) sich zunächst be- theiligen, während roth- und gelbblühende Bignonien, sowie die schöne rosenrothe Bougonvillea Lauben und Gartenhäuser bekränzen. Dazu die auf Madeira ver- wilderte baumartige Datura, deren fulslange weifse Blüthentrompeten mit rothen Fuchsien, Aloön und rankenden Cactus-Arten über die Mauern herabhängen und Abends kostbare Gerüche verbreiten, während an den Felsen selbst der Coche- nille-Cactus (Opuntia Tuna) seine wunderbaren Gestalten entfaltet. Dann in den Gärten mächtige Camellien-Bäume, im Januar und Februar mit Blüthen überdeckt, zwischen hohen, aber oftmals steifen Hecken der Hortensia und des Heliotrop, desgleichen ein nie versiegender Flor der schönsten Rosen, neben fast allen Cultur- und Zierpflanzen, welche Brasilien und die westindisehen Insem aufzuweisen ver- mögen.

Die Stadt Funchal ist unregelmäfsig gebaut; sie hat etwa 25,000 Einwohner. Nur im unteren, mehr flachen "Theile, der eigentlichen Geschäftsgegend, stehen die Häuser dieht neben einander, während dieselben im gebirgigen Theile weite Räume zwischen sich lassen, welche durch hohe Mauern ausgefüllt sind, von denen, wie sehon erwähnt, südliche Pflanzen der verschiedensten Art herunterhängen. Die nur schmalen Strafsen sind mit kleinen abgerundeten Geröllsteinen, ohne Trottoirs, jedoch recht gut gepflastert. In ihnen sieht man nur Fufsgänger, Rei- ter oder Ochsenschlitten, desgleichen Palankins und Hängematten, von zwei Män- nern getragen, da Räderfuhrwerk, mit Ausnahme von Porto Moniz, der abschüssi- gen Wege halber auf der ganzen Insel nicht zu brauchen ist. Die Ochsenschlitten (caro’s), mächtige Kutschkasten auf Schlittengestellen, von zwei Ochsen gezogen, machen auf den Ankommenden anfangs einen lächerlichen Eindruck, zumal da zwei Portugiesen in ihrer eigenthümlichen Landestracht, mit der spitzen blauen Cara- pusa (sowohl von Männern, als auch von Frauen getragen) auf dem Kopfe, den Selhlitten begleiten und mit einem Stachelstock, noch mehr aber durch gellendes Geschrei die Ochsen antreiben, auch dann und wann den Schlitten, um die Rei- bung zu vermindern, über ein in Wasser getauchtes Tuch hinweggleiten lassen. Allein aueh diese Ochsenschlitten sind nur für den minder bergigen Theil der Stadt; zu Pferde oder in der Hängematte bereist man dagegen die ganze Insel. Jedem Pferde folgt ein Arieiro, der sich, sobald es aufwärts geht, an den Schweif des Pferdes hängt. Abwärts fährt man auch im Schlitten, von zwei Männern ge- lenkt, mit grofser Schnelligkeit. Hängematten sowie Pferde werden stunden-, tage- oder monatweise vermiethet (ein Pferd kostet für den Monat 30 Dollars). Desgleichen erhält man Ruder- und Segelböte zu Lustfahrten auf dem Meere, doch ist das lateinische Segel, an Spaniens Küsten sowie im Mittelmeere ver- breitet, hier ganz unbekannt. Das Ufer um Funchal ist durch die Mannichfaltig- keit der vulkanischen Gesteinsformen schenswerth.

1 Ära A

Ueber Funchal auf Madeira. 253

- Drei ebene Spaziergänge (Praga’s), wovon zwei mit Bäumen bepflanzte am Meere liegen, sind die einzigen Orte, wo sich der Fufsgänger in der Stadt er- 3 lustigen kann; 'Fremde und Einheimische versammeln sich hier, doch mehr am Tage als am Abend, den der Portugiese meist zu Hause hinter dem KRartentische verbringt. An weiteren sehr lohnenden Ausflügen zu Pferde fchlt es dagegen um. Funchal nicht; die Scenerie ist überall grofsartig und mannichfach.

Obschon die Stadt kaum ein architektonisch sehenswerthes Gebäude besitzt, so fehlt es doch an geräumigen, sehr gut eingerichteten und schön meublirten Wohnungen nicht, welche, höher oder niedriger gelegen, fast immer mit hübschen Gärten versehen, saisonweise zu englischen Preisen (70 150 Pfd. St.) vermiethet werden. Desgleichen giebt es sehr gut eingerichtete Logirhäuser, in welchen _ einzelne Personen oder kleinere Familien Aufnahme und Beköstigung finden, und wo man sich ebenfalls für die Saison verpflichtet. Die Preise dieser Häuser sind 40 60 Dollars im Monat. Man findet hier durchaus englischen Comfort und englische Küche. Das gesellige Leben in Funchal ist überhaupt nach englischem Zuschnitt, da seit vielen Jahren allwinterlich brustleidende Engländer schaaren- weise nach Madeira flüchten und viele sich dort angesiedelt haben; dazu ist Fun- chal Kohlenstation für alle englische Dampfschiffe, die das atlantische Meer be- fahren. Die englische Sprache ist deshalb auf Madeira unentbehrlich; allein man _ kommt mit ihr allein nicht durch, da die unteren Klassen und selbst die Domes- - tiken und Arieiro’s in der Regel nur portugiesisch sprechen. Die von den besse- ren Ständen bewohnten Häuser sind grols, aber ohne charakteristischen Baustyl, mit schrägem Ziegeldach, die Zimmer sind hoch und geräumig, meistens mit gewölbter Decke, von den maurischen Häusern auf Tenerife und Gran Canaria durchaus _ verschieden. Statt der flachen Dächer jener Häuser besitzt hier fast jedes grös- ‚sere Gebäude ein Thurmzimmer, von welchem man nach vier Seiten hin oftmals - der schönsten Aussicht geniefst. Die Häuser der ärmeren Klasse dagegen be- stehen, wie auf den Canaren, aus einem von starken Mauern gebildeten Viereck, auf welchem ohne Tragbalken unmittelbar die Dachsparren ruhen. Ein solches "Haus hat nur ein Stockwerk und selten Fenster; wenn es in Stuben abgetheilt ist, so bestehen die Zwischenwände aus Rohrgeflecht. Vor der offenen Thüre sitzen am Tage die Bewohner, ihre Arbeiten verrichtend. Eine Küche mit Schornstein in solchen Häusern niemals vorhanden; entweder trifft man sie in den von en umgebenen Bauerwohnungen, gleich dem Schweinestalle, neben dem Hause, er man hat in der Stadt selbst, wie auf Tenerife, kleine tragbare Oefen auf offener Strafse, auf welchen Fische in ranzigem Oel gebraten werden. Jede Bauer- wohnung steht auf einer verhältnifsmäfsig kleinen Ackerfläche, welche mit Ba- 1 ‚Kartoffeln und Mais bestellt ist und auf welcher einige Bananenbüsche und enbäume niemals fehlen dürfen; ein solches Fleckchen Landes emährt die ganze Familie. 80 zieht sich die Stadt, von mehreren Flüssen durchschnitten, deren tiefes &. im Sommer fast wasserleer ist, bis hoch in die Berge hinauf, während die ssenförmig aufgeführten Gärten und Zuckerpflanzungen durch ein weit ver- es und gut regulirtes System von Wasserleitungen in der trocknen Jahres- eit stundenweise überrieselt werden. Neben diesen Wasserleitungen (Levada’s) en in der Regel die Reit- und Fufswege, Mit der Höhe des Wohnorts' ändert

254 Miscellen:

sich natürlich auch das Klima und demselben entsprechend mehr oder weniger die Vegetation; es giebt deshalb Logirhäuser für den Winter im unteren Theile der Stadt, für den Frühling in einer Höhe von 600 bis 1000 Fufs, und für den Sommer in Camacha, 2200 Fufs über dem Meere.

Das Klima Madeira’s ist köstlich, doch ist die Luft jederzeit, namentlich aber in den Wintermonaten, sehr feucht; so hatten wir vor zwei Jahren vom Januar bis März bei westlichem Winde oftmals 8 Tage hinter einander anhaltendes Regen- wetter, so dafs furchtbare Ueberschwemmungen die Stadt Funchal verheerten; dagegen war der letzte Winter ungewöhnlich trocken, es regnete selten einen ganzen Tag und war darauf für längere Zeit wie bei uns im schönsten Frühling. Der Schnee lag freilich auch in diesem ‘Winter fast drei Monate lang auf dem Kamme des Gebirges, während in Funchal Mandelbäume, Rosen und Camellien blühten und die Orange ihre goldenen Aepfel reifte. Vom Mai bis Anfangs Octo- ber fällt in Funchal kaum ein Tropfen Regen, dafür thauet es aber in der Nacht sehr stark; Gewitter, überhaupt sehr selten, erscheinen nur im Winter. Das be- waldete höhere Gebirge, sowie die mit Wald bedeckte Nordseite der Insel haben auch im Sommer Regen, so dafs die Flüsse niemals ganz versiegen. Die höchste Sommerwärme überschreitet in Funchal selten 25° R. und das Thermometer sinkt im Winter fast niemals unter 410° R.; die mittlere Tagestemperatur des Win- ters ist etwa 416° R. Aufserdem ist der Wärmennterschied von Tag und Nacht nur sehr gering. Gegen 10 Uhr Morgens bringt der Seewind, namentlich im Sommer, eine angenehme Kühlung, dagegen brennt die Sonne in dieser Zeit so heftig, dafs man nicht wohl ungestraft sich lange ihren Strahlen aussetzen darf, sondern gern die kühlen Häuser aufsucht: Dafür sind aber die Abende und Nächte des Som- mers um so köstlicher. Etwas nach 6 Uhr senkt sich die Sonne zur Zeit der längsten Tage in das Meer und fast unmittelbar darauf erscheint die Nacht, wo am dunkelschwarzen Himmel die Sterne um so heller glänzen und die Sichel des ersten Mondviertels eine wagerechte Stellung einnimmt. Anhaltend heftige Winde sind für die Südseite Madeira’s fast unbekannt, auch der heifse austrocknende Leste weht in den Sommermonaten nur sehr selten. Die Luft um Funchal ist beinahe frei von Staub, der auf den Canaren sehr lästig wird.

Die gleichmäfsig warme, ‘milde, 'wind- und staubfreie Luft macht Funchal zum Aufenthalt für Brustkranke sehr geeignet; die Tubereulose scheint hier stille zu stehen, so dafs Kranke, welche im Norden Europa’s für den Winter nicht mehr leben können, hier noch viele Jahre lang ein ganz erträgliches Dasein füh- ren. Bei Anderen dagegen, welche schon im weit vorgeschrittenen Stadium der Krankheit nach Madeira kommen, scheint das feuchtwarme Klima nur deren Ende zu beschleunigen. Mir, der ich am Asthma leide, war der feuchte Winter in Funchal sehr unangenehm, dagegen blieb ich, so lange ich in Sta. Cruz de Te- nerife verweilte, wo die Luft auch im Winter trocken ist, von diesem Uebel ganz verschont. Der Strand des letztgenannten Ortes ist überdies zum Baden sehr ge- eignet, dagegen fehlt es leider auf Tenerife an guten Wirthshäusern und jeglichem Comfort.

Was nun die Bevölkerung Madeira’s, etwa 100,000 Seelen, betrifft, so ist

dieselbe portugiesischer Abkunft. Vormals war die Insel stärker bevölkert, allein } Viele sind nach Amerika ausgewandert und fast 9000 hat im vergangenen Sommer

Ze Tun.

Ueber Funchal auf Madeira. 255

die Cholera hinweggerafft.. Die Madeiresen sind von mittlerer Gröfse, kräftigem R Körperbau und‘ dunkler Hautfarbe; starkes schwarzes Haar, schöne Zähne und dunkle feurige Augen sind ihre Haupfzierden, dagegen ist das meistens etwas breite Gesicht: nur selten schön zu nennen. Die Männer sind in der Regel wohlgestal- teter als die Erauen, welche eine grofse Neigung zur Corpulenz offenbaren. Die unteren Stände sind arm, träge. und schmutzig, doch fehlt es ihnew an Geschick- lichkeit keineswegs: von den Männern in Funchal werden mit Jämmerlichen Hilfs- mitteln unter.andern gar'zierliche Tischlerarbeiten angefertigt, während die Frauen sich mit’ feinen Stickereien aller: Art beschäftigen. Die Portugiesen sind, gleich den Spaniern, von denen sie übrigens durchaus verschieden, in ihren Genüssen sehr mälsig, das Läster des Trunkes ist ihnen fast ganz unbekannt, 'auch leben sie friedfertig und ‚besonders höflich mit einander.‘ Dem ernsten Spanier 'gegen- über erscheint der Portugiese wie ein Comödiant.: Auf Tritt und Schritt verfolgen Bettler den Fremden, dagegen lebt und reist man auf der ganzen Insel sicher, Die Madeiresen der besseren Stände sprechen in der Regel gut französisch und zum Theil’auch englisch; sie sind nur oberflächlich gebildet, lieben Hazardspiele - amd Putz und verkehren ‚meistens nur unter sich, da sie in der Regel von den Engländern nicht als’ebenbürtig angesehen werden. Dagegen findet der’ Deutsche imden englischen, zum Theil sehr angenehmen, Kreisen leicht Zutritt und freund- lielie Aufnahme. Im letzten Winter lebten etwa 30 Deutsche in Funchal, Die ursprüngliche -Fauna der Insel hatte kaum ein einziges Säugethier auf“ zuweisen, denn selbst Kaninchen, Ratten und Mäuse, jetzt in Unzahl vorhanden, wurden, den Unkräutern gleich, mit eingeschleppt. Sogar der Frosch ward erst vom:letztverstorbenen Grafen Carvalhal aus besonderer Laune eingeführt und hat sich in kwrzer Zeit von den Besitzungen des Grafen über die Gewässer der Süd- seite verbreitet; sein Gesang 'erschallt nunmehr ‚aus allen Pfützen. Es giebt auf Madeira keine‘ Schlangen, dagegen eine Unzahl kleiner flinker Eidechsen (Zacerta - agihs), überhaupt, eine grofse Spinnenart ausgenommen, kein einziges giftiges _ hier. Nach alten Urkunden begrüfsten Schwärme von Vögeln die Entdecker der Insel, und noch jetzt wohnen hier bleibend etwa 30 Vogelarten, unter'ihnen auch der Canarienvogel, bekanntlich in der 'Wildheit mit grünlichem Gefieder, während ‚einige 80 Arten nur vorübergehend auf Madeira weilen. Die Fische des Meeres ‚sind, ‚wie schon 'erwähnt, reichlich vertreten, auch sind von englischen Forschern ‚(Wollaston) bereits nahe an 1200 Insekten nachgewiesen, desgleichen hat Lowe 155 Sülswasserschnecken unterschieden. Die Hausthiere sind sämmtlich ein- - geführt und gedeihen vortrefflich, Pferde werden noch jetzt aus England und Spanien herübergebracht, doch ist das englische Pferd, mit Bergwegen unbekannt, anfänglich im Gebirge nicht zu brauchen. Das Maulthier und der Esel dienen als Lastthiere, während auf Tenerife, Fuerta ventura und Lanzerote das Drome- - dar deren Stelle versieht und Maulthiere und Esel neben dem Pferde zum Reiten _ benutzt, werden. Die Cochenille wird um Funchal erst seit wenig Jahren ver- - suchsweise gebaut, während von den Canaren im letzten Jahre nach amtlichen Berichten mehr als 13 Million Pfund exportirt wurden,

_ Obschon die der Insel Madeira eigenthümliche Flora nicht reich ist und sich

256 Miscellen:

sässige Engländer haben bereits herrliche Gartenanlagen geschaffen, inter Welchen die Gärten der Herrn Davies, Stoddart, Dr. Lister, Gordon und Lloyd besonders zu erwähnen sind. In denselben erreicht die grofsblühende Magnolia und der Camphorbaum (die Höhe und den Umfang unserer stärksten Eichen, und det Gummibaum (Ficus elastica), bei uns nur als Gewächs der Blumentische bekannt; steht dort als kräftiger Stamm mit mächtiger Krone, zwei kleine ungeniefsbare Feigen hinter jedem Blatte tragend. Aufserdem erscheint der Pandanus, eine gleich dem Drachenbaume und der Palme baumartige Monocotyledone, die selbst die Treibhäuser Englands nur als krüppeliche Pflanze kennen, in mächtigen zur Frühlingszeit mit Blüthen überdeckten Exemplaren. Der Anonenbaum (Anona squamosa) und der Mango (die Mangifera indica), die beliebtesten Fruchtbäume der Tropen, gedeihen gleichfalls vortrefflich und. gleicht der erstere in seiner Tracht und Blätterform unserer Hängerüster. Die Frucht der Anone, von der Gestalt eines grünen Kiefernzapfens, wird bis über 1 Pfund schwer, ihr weilses Fruchtfleisch, in dem grofse schwarze Samen liegen, schmeckt wie der köstlichste Cream. Die Mangofrucht dagegen gleicht einem rofhbackigen Pfirsisch, sie hat einen grofsen Steinkern, ihr saftiges Fruchtfleisch schmeckt süls, aber etwas ter- penthinartig. Auch die Carica Papaja, ein milchender Baum mit palmenartiger Blätterkrone, der kürbisartige geschmacklose Früchte trägt, und die Persea gra- tissima, zu den Lorbeeren gehörig, mit grofsen birnartigen Früchten, fehlen kei- nem Garten. Das weiche Fruchtfleisch der letzteren, das einen einzigen Samen umgiebt, wird von den Engländern mit Salz und Pfeffer auf Brod genossen; es ist schr reich an fettem Oel. Der Guava-Baum (Psidium pomiferum) und die brasilianische Arassa, beide zu den Myrtaceen gehörig, mit sehr geschätzten Früch- ten, sind die gemeinsten Obstbäume. Aber wichtiger als alle diese ist der Feigen- baum, der, so weit die Cultur reicht, in unzähligen Exemplaren und mancherlei Arten verbreitet ist und vom Mai bis December seine süfssaftigen Früchte dar- bietet. Zu ihm gesellt sich der Maulbeerbaum (Morus nigra), der an einigen Orten der Insel eine bedeutende Gröfse erreicht, und die Orange, bei uns Apfel- sine genannt; doch sind die Früchte der Madeira- Orange mit den auf Gran Ca- naria gewachsenen, welche gröfser, saftiger und süfser sind, nicht wohl zu ver- gleichen; die Orange Madeira’s ist in der Regel klein und dickschalig. Seiden- zucht wird nicht getrieben. Neben diesen tropischen Fruchtbäumen, zu denen sich noch die Cactusfeige (Opuntia Tuna), die verwildert überall an Felsen wächst, und die Ananas, welche felderweise gezogen wird, gesellen, fehlen zwar unsere Obstarten nicht, allein sie sind von untergeordneter Güte. Schöne Aepfel, Bir- nen und Pflaumen wird man in südlichen Ländern überhaupt nur selten treffen; die sehr grofse schön aussehende Pfirsischfrucht ist fast immer holzig, nur die Aprikose wird auf Madeira, wie in Spanien, viel gröfser und saftiger als in nörd- liehen Ländern. Die Mandel, auf Madeira unfruchtbar, bringt auf den Canaren, sowie in Spanien, reichlich Früchte. Der Kaffeebaum, ein bis 20 Fufs hoher Busch, wird um Funchal an geschützten dumpfigen Orten in Plantagen gezogen, seine kleinen Bohnen geben ein köstliches Getränk, das nach dem Urtheil der Feinschmecker dem Moceakaffee nicht nachsteht. Der auf Madeira gebaute Kaffee kommt aber nicht zum Export, er wird auf der Insel selbst vertrunken.

Wenden wir uns jetzt zu den nicht baumartigen Culturpflanzen, so steht in

A

Ueber Funchal auf Madeira. 257

erster Linie die Banane oder der Pisang (Musa paradisiaca und Musa Caven- dishi), deren ungeheure, vom Winde seitlich zerschlitzte Blätter auch die ärmste Hütte‘ überhängen und als ächte Tropenpflänze der Landschaft einen durchaus tropischen Charakter verleihen. Sie wird in vielen höheren und niedrigeren Arten gezogen und da sie niemals Samen bringt, immer durch Ableger, welche über - den Wurzeln hervorbrechen, vermehrt. Ein junger Sprofs braucht etwa 3 Jahre, um selbst Früchte zu bringen, worauf er abstirbt. Der eigenthümlich geformte, später abwärts hängende Blüthenstand tritt aus der Mitte des hohen Schaftes hervor; nur die Blüthen der unteren Deckblätter entwickeln Früchte, die späteren ; dagegen fallen ab oder bleiben vertrocknet am Fruchtstand, der noch lange weiter wächst und neue sterile Blüthen entwickelt. Der Art nach tragen die Bananen reichlicher oder sparsamer, auch sind die Früchte gröfser oder kleiner und mehr oder weniger schmackhaft. : Selbige reifen nach einander, haben die Gestalt der Gurke und schmecken, nachdem die Schale abgezogen, einem schönen, sülssäuer- lichen, weichen Apfel ähnlich. Die Bananen werden roh in grofser Menge ge- - nossen, desgleichen in mancherlei Weise zubereitet; sie bilden mit den Feigen - und Cactusfrüchten ein Hauptnahrungsmittel der ärmeren Klasse; dazu ist ihre Fruchtzeit nicht, wie bei den meisten Pflanzen, begrenzt, sie dauert vielmehr das ganze Jahr hindurch; auch bedarf die Pflanze selbst nur sehr wenig Pflege. Die Batate (Convolvulus Batatas), welche in zwei Varietäten, als Batata da terra und Batata de Demerara, vertreten ist, liefert neben der Kartoffel, welche hier zwei Ernten giebt, ein anderes wesentliches Nahrungsmittel. Einer roth- blühenden Winde gleich kriecht sie, aus Stecklingen gezogen, auf der Erde, wo sie in der Regel reihenweise zwischen dem türkischen Korne gepflanzt wird. Ihre Knollen sind Anschwellungen der Wurzel, reich an Stärkemehl und an Zucker- 14 stoff, welche gekocht und gebraten täglich auf der Tafel erscheinen. Die Batata de Demerara, um Funchal häufiger angebaut, giebt drei, die andere Art dagegen nur zwei Ernten. Nach ihr wird die Inhame, eine Arum- Art (Colocasia antiquorum), für die ; ärmere Klasse wichtig; sie gedeiht nur im offenbaren Sumpfe und wird deshalb nur in der Nähe der Wasserleitungen und an den Flüssen gezogen. Die oft bis 12 Fufs langen Blattstiele tragen eben so lange und fast so breite, zier- lich geaderte, dunkelgrüne Blätter, welche dicht gedrängt den sumpfigen Grund beschatten. Die unterirdischen knollenartigen Seitensprossen, fälschlich Wurzeln ‚genannt, sind mehlreich; im gekochten Zustande werden sie vom Januar bis März iberall feilgeboten, kommen aber selten auf den Tisch des Reichen. Die Inhame giebt nur jährlich eine Ernte, sie blüht selten und zwar einer grofsen Calla ‚ähnlich. Die eigentliche Yams der westindischen Inseln dagegen (Dioscorea), ein rankendes Knollengewächs, wird nur in den Gärten um Funchal gezogen. Fast alle unsere Gemüsearten gedeihen auch auf Madeira und sind das ganze Jahr zu haben; die Erbse ist sogar im Winter am zartesten. Mehrere Kürbis- irten, zum Theil mit centnerschweren Früchten, ranken an den vom Wein ver- lassenen Geländen; Melonen und Gurken, dort für nachtheilig gehalten, werden dagegen nur wenig angebaut. Unter den grasartigen Culturpflanzen steht das Zuckerrohr (‚Saccharum offi- _ einarum) oben an. Schon früher, bald nach der Entdeckung der Insel angebaut, Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 17

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war es später durch den Weinstock verdrängt worden; als aber seit dem Jahre 1852 die Traubenkrankheit mehrere Weinernten hinter einander vernichtet hatte, griff man abermals zum Zuckerrohr, und gegenwärtig sind fast alle culturfähi- gen Flächen an der Südseite der Insel, welche vormals köstliche Weine produ- cirten, von ihm bedeckt, Dem Grundbesitzer und dem Ackerbauer trägt das Zuckerrohr vorläufig besser Rechnung, als der Weinbau es jemals gethan. Aus Stecklingen gezogen, giebt dasselbe jährlich eine Ernte (im Januar und Februar). Der ausgeprefste Saft wird dann in Funchal nicht versotten, vielmehr zu Brannt- wein verarbeitet, welcher mit einer Zollvergünstigung für Madeira nach Lissabon exportirt wird. Die ausgedehnten Zuckerfelder in und um Funchal geben durch ihr freudiges Grün, das erst kurz vor der Ernte in Gelb übergeht, der Gegend eine heitere Färbung; sie ersetzen in doppelter Weise die fehlenden Wiesen, in- dem die saftigen Blätter als Futter für Kühe und Pferde verwendet werden. Durch den Anbau des Zuckerrohrs, welches viel Wasser verlangt, ist aber nach und nach der Weinstock an der Südseite gänzlich ausgegangen und wird es, soll der feurige, vormals so geschätzte Madeira- Wein, der schon jetzt eine Seltenheit ge- worden, nicht ganz vom Markt verschwinden, neuer Anpflanzungen bedürfen, wozu, so lange das Zuckerrohr sich gut bezahlt, nur wenig Aussicht ist. Im Jahre 1825 war die Weinausfuhr bis auf 14,432 Pipen gestiegen, im Jahre 1855 betrug sie dagegen nur noch 2,085 Pipen. Die Weinpreise sind in Funchal jetzt drei Mal so hoch als vor 10 Jahren.

Unter den Kornpflanzen ist der Mais, welcher zwei, im feuchteren Norden der Insel auch drei Ernten giebt, wichtiger als der Weizen und die Gerste, wel- che gleichfalls gebaut werden, aber nur eine Ernte liefern. Ein Maisbrei, welcher kalt genossen wird, ersetzt bei der ärmeren Klasse das Brod; auch werden die Körner ganz oder zerquetscht den Pferden als Futter gegeben. Der Weizen wird im December gesäet und im April oder Mai geerntet. Allein die Menge der auf Madeira gebauten Getreidefrüchte genügt nicht für den Bedarf, bedeutende Zu- fuhren kommen aus Portugal, namentlich aber von den Azoren. Eine hohe starke Rohrart (Arundo Donaz), früher für die Weingelände, jetzt aber zur Herstellung von Umzäunungen, zu Zwischenwänden in den Häusern, desgleichen zum Bedachen der Hütten verwendet, wird aufserdem vielfach cultivirt, während das viel höhere und stärkere Bambusrohr als mächtige Gruppe nur in den Gärten erscheint, aber bis jetzt nicht culturmälsig angebaut wurde,

Der Drachenbaum (Dracaena Draco) und die Dattelpalme (Phoenix dactyli- era) sind nur noch an der Südseite Madeira’s in wenig Exemplaren vorhanden; grolse Drachenbäume, wie solche noch auf Tenerife vorkommen, werden nicht mehr angetroffen. Auf Porto Santo, wo man vormals mit den Früchten dieses Baumes die Schweine mästete, ist er bereits vollständig ausgerottet. Auch die Dattelpalme wird, weil sie schlechte Früchte bringt, nur wenig beachtet; auf Te- nerife und Gran Canaria sieht man dagegen viele und sehr hohe Palmen. Aufser den vier einheimischen Lorbeerbäumen, welche einzeln in den höher gelegenen Gärten um Funchal vorkommen, erblickt man dort kaum einige, der Insel eigen- thümliche Waldbäume, weil selbige einer höher gelegenen und somit kälteren Region angehören. Die Spaziergänge werden durch die Platane (Platanus oceidentalis), welche hier zwar länger grün bleibt, aber doch vom Januar bis April blattlos ist,

Ueber Funchal auf Madeira. 259

oder durch unsere Stieleiche, die aber niemals als grofser Baum auftritt, be- schattet. Dieselbe bleibt hier bis gegen Ende des Decembers grün und hatte schon Mitte Februar dieses Jahres neue Blätter und Blüthen. Die herrlichen Lorbeer-Alleen, welche noch Leopold v. Buch zu bewundern Gelegenheit hatte, - sind leider unter Don Miguel’s Gewaltherrschaft verschwunden. Aufserdem ge- deiht die ächte Kastanie, zumal in einer Höhe von 1000 bis 3000 Fuls über dem Meere, wo sie schöne Wälder bildet, gar vortrefflich. Ich habe Stämme von 32 36 Fufs im Umfange gesehen. Sie bleibt vom December bis zum Mai blattlos. Unsere Buchen, Linden, Rüstern und Erlen sind dagegen auf Madeira unbekannt. Nur vereinzelt trifft man die canarische Weide und die canarische Pappel; die hohe Cypresse, auf Kirchhöfen und in Gärten, gleicht dafür aus der Ferne unserer Chausseepappel. Die Pinie, zwar nicht so schön als in Italien, wächst um Funchal überall, während in dem Gürtel von 2000 Fufs über dem Meere in neuerer Zeit Kiefernwaldungen (Pinus maritima und Pinus Pinaster) ge- pflanzt werden und in gleicher Höhe auch die Brasiltanne (Araucaria brasiliensis), mit ihrer Palmentracht, gedeiht.

Wenn ich die Tropenblumen, die Strelitzien- und Musa-Arten mit ihren weilsen oder feuerfarbenen Blüthen, die wunderschönen Alpinien und Bilbergien, ferner die Passifloren und viele andere Zier- und Schlinggewächse der Gärten schildern wollte, so würde ich kein Ende finden, nur bei der Furcroya gigantea,

einem aloeartigen Gewächs, das in den europäischen Treibhäusern wol niemals

zur Blüthe gekommen, .will ich noch einen Augenblick verweilen: Dieselbe blühte

während meines Aufenthalts mehrmals; im letzten Herbste aber trieb eine acht- . jährige Pflanze im Garten des Dr. Lister, welche schon vorher kleine seitliche Blüthenstände entwickelt hatte, aus der Mittelknospe einen riesenhaften, fast 40 Fufs hohen Blüthenschaft, von welchem an zahlreichen, wagerecht abstehenden Aesten viele Tausende kleiner, glockenartiger, grüner Blüthen herabhingen. Inner- halb 6 Monaten, vom Juli bis zum December, hatte der hohe, einer 30— 40 jähri- gen Tanne vergleichbare Blüthenschaft sein Wachsthumsziel erreicht. Die Agava _ americana dagegen, welche auf den Canaren, desgleichen in Spanien und Portu- gal, überall zu Wegebegrenzungen dient und reichlich bis 20 Fufs hohe Blüthen- schäfte entsendet, ist auf Madeira selten und kommt, von den Eingeborenen furcht- bar beschnitten, noch seltener zur Blüthe. Bemerkenswerth ist für die Fureroya, dafs selbige niemals Samen trägt, dafs aber neben jeder Blüthe eine Brutknospe hervorbricht, welche, noch etwa ein Jahr lang von der Mutterpflanze ernährt, zu eimer mäfsigen, bereits mit grünen Blättern versehenen Zwiebel anschwillt, die, auf den Boden fallend, Wurzeln schlägt und eine neue Pflanze heranbildet. Die Madeira-Gruppe liegt unterm 32° nördl. Breite; sie umfafst die Insel Madeira, welche 30 geograph. Meilen lang und an der breitesten Stelle 125 Meilen breit ist, ferner die viel kleinere Insel Porto Santo, desgleichen die drei Deser- _ tas, welche, da sie in der trocknen Zeit kein Wasser haben, nicht bewohnt sind und sich als jeder baumartigen Vegetation beraubte Felsen über die Meeresfluth erheben. Nach dem Wetter und der Beleuchtung mannichfach ihr Aussehen än- demd, geben die Desertas der Bucht von Funchal einen ganz besonderen Reiz, indem sie bald näher, bald ferner erscheinen und gleich der Luft und dem Meere ein reiches Farbenspiel entwickeln.

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SEN Trtiig 27°

260 Miscellen:

Möllhausen’s Reise in den westlichen Theilen der Vereinigten Staaten.

Die Verlagsbuchhandlung von H. Mendelssohn in Leipzig legt dem Publicum den Prospect eines Prachtwerkes vor, welches unter dem Titel: „Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee. Von Balduin Möllhau- sen. Nebst einem Vorwort von Alexander von Humboldt“ demnächst er- scheinen wird. Der Verfasser hatte schon vor der Reise, deren Resultate in dem angekündigten Werke niedergelegt werden sollen, Gelegenheit gehabt, das Gebiet, dessen Erforschung er sich mit Vorliebe gewidmet hat, kennen zu lernen, da er an dem Reise-Unternehmen, welches S. K. H. der Herzog Paul Wilhelm von Würtemberg nach den Rocky Mountains veranstaltete, Theil genommen und vom Fort Laramie ab, wo sich diese Expedition durch die Unwegsamkeit des Bodens, durch starken, den Augen verderblichen Schneefall und das Hinsterben der Pferde zur Umkehr veranlafst fand, theils mit Ottoe-Indianern, theils mit Omahas drei Monate hindurch die nördlichen Landschaften als Jäger durchstrichen hat. Der Eifer des jungen Reisenden und sein schönes Talent, Scenen aus der Natur und dem Volksleben der Indianerstämme in charakteristischer Auffassung durch Zeich- nungen wiederzugeben, verschafften ihm die Gunst Alexander v. Humboldt’s, der dem lebhaften Wunsche Möllhausen’s, die von ihm besuchten Gegenden genauer durchforschen zu können, durch warme Empfehlungen bei den Behörden der Ver- einigten Staaten und bei der Smithsonian Institution gern förderlich war. Diese Empfehlungen hatten den gewünschten Erfolg: Möllhausen wurde als Zeichner und Topograph bei der Expedition angestellt, die unter Leitung des Lieutenants Whipple im Auftrage der Regierung zur Bestimmung der südlichen Eisenbahn- richtung nach dem Stillen Ocean abgesandt wurde. Nach einer Abwesenheit von einem Jahre und fünf Monaten kehrte Möllhausen im März 1854 nach Europa zurück und legte seine Beobachtungen in dem Werke nieder, dessen Publication wir nun in Kurzem erwarten dürfen. Im gegenwärtigen Moment ist der Verf. auf einer dritten Forschungsreise begriffen, da er sich der Expedition zur Erkun- dung des R. Colorado und R. Gila unter Lieut. Ives angeschlossen hat.

Möllhausen’s „Tagebuch“ bezieht sich demnach auf das Gebiet zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains, ein Gebiet, welches in Folge der immer dringlicher hervortretenden Nothwendigkeit, eine bequeme Communication zwischen den paeifischen und atlantischen Staaten der nordamerikanischen Union. herzu- stellen, einer grolsen Bedeutung und einer schnellen Entwickelung entgegengeht, Aber das erwähnte Gebiet ist noch in einer anderen, in ethnographischer Hinsicht von hervorragender Wichtigkeit. A. v. Humboldt hat sie in seinem Vorwort zu Möllhausen’s Werke so meisterhaft hervorgehoben, dafs wir es uns nicht versagen können, die betreffende Stelle unsern Lesern vollständig mitzutheilen.

„Die Horden“, sagt A. v. Humboldt, „welche zwischen Neu-Mexico und dem Rio Gila leben, ziehen aus örtlichen Ursachen noch darum die Aufmerksam- keit auf sich, weil sie auf der Strafse der grofsen Völkerzüge zerstreut sind, die, von Norden gegen Süden gerichtet, vom sechsten bis zum zwölften Jahrhundert unter den Namen der Tolteken, der Chichimeken, der Nahuatlaken und der Az- teken das südliche tropische Mexico durchwandert und theilweise bevölkert haben.

Möllhausens Reise in den westlichen Theilen der Verein. Staaten. 261

I Bauwerke und Reste des Kunstfleifses dieser, zu einer Art höherer Cultur ge- ı langten, Nationen sind übrig geblieben. Man bezeichnet noch, durch alte Tradi- 1 tionen und historische Malereien geleitet, die verschiedenen Stationen, d.h.

das Verweilen der Azteken am Rio Gila und an mehreren süd-süd-östlichen ? Punkten. Es sind dieselben in meinem mexicanischen Atlas angegeben; und N die 1846 vom Ingenieur-Lieutenant W. Abert und später von Möllhausen N gesehene, vielstöckige Bauart grofser Familienhäuser (Casas grandes), zu denen

man durch, nächtlich eingezogene, Leitern aufstieg, bietet noch jetzt Analogien der Construction bei einzelnen Stämmen.“

„Da die übrig gebliebenen, zum Theil gigantesken Sculpturen, wie die Unzahl religiöser und historischer Malereien der pyramidenbauenden, der Jahrescyelen kundigen Tolteken und Azteken sehr übereinstimmend menschliche Gestalten dar- stellen, deren physiognomischer Charakter besonders in Hinsicht der Stirn und der aufserordentlich grofsen, weit hervortretenden Habichtsnasen von der Bildung der jetzt Mexico, Guatemala und Nicaragua in der Zahl vieler Millionen bewoh- _ nenden, ackerbautreibenden Eingeborenen abweicht: so ist von grofser ethno- graphischer Wichtigkeit die Lösung des, schon von dem geistreichen Catlin be- handelten, Problems, ob und wo unter den nördlichen Stämmen sich Gestalten und Gesichtsbildungen finden lassen, die nicht blofs als Individuen, sondern racen- weise mit den älteren monumentalen übereinstimmen. Sollten nicht bei der ame- rikanischen nord-südlichen Völkerwanderung, wie bei der asiatischen ost- west- lichen, zu welcher der Anfall der Hiungnu auf die blonden Yueti und Usün den frühesten Anstols gab, nördlich vom Gila, wie dort im Caucasus (auf dem pontischen Isthmus), einzelne Stämme zurückgeblieben sein? Alles, was in dem Neuen Continent mit den gewagten Vermuthungen über die Quelle eines gewissen Grades erlangter Civilisation, was mit den Ursitzen der wandernden Völker (Huehuetlapallan, Aztlan und Quivira) zusammenhängt, fällt bisher wie _ in den Abgrund der historischen Mythen. Unglaube an eine befriedigende Lö- sung des Problems bei dem bisherigen, noch so bedauernswürdigen Mangel von ' Materialien, darf aber nicht dem fortgesetzten Bestreben nach muthiger Forschung Schranken setzen. Die Frage nach solchen Ueberbleibseln der wandernden Völker im Norden findet in Catlin’s, auf dem Berliner Museum aufbewahrten Oelbil- - dern, wie in Möllhausen’s Zeichnungen mannichfaltige Befriedigung. Auch hat sie eine werthvolle Arbeit auf dem Felde der Sprachen veranlafst, welche die Spuren des Azteken-Idioms (nahuatl) auf der Westseite des nördlichen Amerika’s verfolgt. Professor Buschmann, mein talentvoller, vieljähriger Freund, hat in einem von ihm unternommenen Werke einige vor einem halben Jahrhundert von mir geäulserte Ueberzeugungen bekräftigt und in Arbeiten, die er gemeinschaftlich einst mit meinem Bruder, Wilhelm von Humboldt, unternommen, seine tie- fen Kenntnisse der alten Azteken-Sprache historisch nutzbar gemacht.“ Wir dürfen also in Möllhausen’s Werke mannichfacher Belehrung entgegen-

- sehen, wie sie ein unbefangener, an Auffassung des Charakteristischen geübter Beobachter zu bieten vermag. Die Verlagshandlung hat das Ihrige gethan, durch elegante Ausstattung, Druck und Papier das Werk in einer wohlgefälligen Form

vorzulegen, die mit gutem Recht als ein Zeugnifs für die Fortschritte der Typo- graphie in Deutschland betrachtet werden darf. Die zahlreichen Illustrationen in

262 Miscellen:

Farben- und Tondruck, welche dem Werke beigegeben werden sollen, sind, sämmtlich nach den im Besitze Sr. Majestät des Königs befindlichen Original- Aquarellen des Verfassers, theils von Winckelmann und Söhne, theils von Storch und Kramer ausgeführt worden; das dem Prospect beigegebene Blatt, ein Jagd- trupp von Ottoe-Indianern, verspricht lebhafte, höchst anschauliche Darstellungen. Ein von Prof. E. Hildebrandt gemaltes Titelblatt: Colorado River und Bill Wil- liams Fork soll von Kretzschmar’s Meisterhand in Holzschnitt ausgeführt werden; demselben Künstler ist auch die Ausführung der anderen Holzschnitt-Illustrationen übertragen worden. Den Entwurf und die Zeichnung einer speciellen Karte hat Herr Lange in Leipzig übernommen. So verspricht das Werk, für dessen in- nern Werth Humboldt’s Vorwort bürgt, auch in seiner äufsern Ausstattung eine jeder Bibliothek zur Zierde gereichende Erscheinung zu werden und wir können nur wünschen, dafs die Bemühungen der Verlagshandlung bei dem Publicum die verdiente Anerkennung und Aufmunterung finden.

Die Honduras-Eisenbahn. (Mit zwei Karten, Taf. III und IV.)

In den Artikeln über eine Canal-Verbindung zwischen dem Atlantischen und Stillen Ocean haben wir in Kürze bemerkt, dafs das Thal von Comayagua im Staate Honduras, wie wenig es auch zur Anlage eines interoceanischen Canals für den Welthandel geeignet ist, dennoch für den Bau einer Eisenbahn erhebliche Vortheile darbietet. Als einen Nachtrag zu jenen Artikeln lassen wir hier zur Begründung dieser Bemerkung einige detaillirtere Angaben folgen, die wir haupt- sächlich einem Bericht Squier’s Chemin de fer interoceanique de Honduras, New- York 1855, entlehnen. i

Einer der wichtigsten Vorzüge dieser Linie besteht darin, dafs sie an einem Hafen beginnt, der ohne Frage unter allen für eine interoceanische Canal- oder Eisenbahn-Verbindung am atlantischen Meere in Vorschlag gebrachten Häfen der beste ist. Unsere Leser erinnern sich, dafs bei dem Tehuantepee-Projeet von einem Hafen am atlantischen Meere eigentlich garnicht gesprochen werden kann; dafs der Hafen von San Juan de Nicaragua, wenn er auch nicht so man- gelhaft ist, als die Gegner des Nicaragua-Projectes behaupten, doch nicht den Umfang besitzt, der für einen Hafen ersten Ranges erforderlich scheint, und dafs die Verengerung seines Eingangs in Folge der successiven Ausdehnung der Nehrung, wie sie auf dem der Zeitschrift beigegebenen Kärtchen dargestellt ist, ernste Be- denken erregt; endlich dafs die Limon-Bai, der atlantische Endpunkt der Panamä- Bahn, nur in ihrem nördlichen Theile hinlängliche Tiefe besitzt und in ihrem gegenwärtigen Zustande gerade gegen die vorherrschenden Winde keine Sicher- heit gewährt. Nur gegen den Golf von Uraba, den Eingang zum Atrato, ist bis jetzt ein stichhaltiger Einwand nicht erhoben worden, und er ist der einzige unter den in Betracht gezogenen Häfen Central-Amerika’s, der mit Puerto Caballos, dem Ausgangspunkte der projectirten Honduras-Bahn, in Parallele

gestellt werden kann und diesem vielleicht nur in klimatischer Hinsicht nach-

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Die Honduras - Eisenbahn. 263

I; Ber

stehen dürfte. Der Hafen von Puerto Caballos wird durch eine von Ost nach West in das Meer vorspringende Landzunge gebildet; südlich von derselben liegt eine Meeresbucht,‘ die bei einer Breite von etwa 24 Seemeilen ebensoweit ost- wärts in das Land einschneidet. Die Tiefe dieses Bassins nimmt von der Süd- küste ab sehr allmählich zu, dergestalt, dafs’ sie erst bei 3—1 Seemeile Entfernung vom Ufer auf 4 Faden steigt’); im Norden aber findet man hart an der Land- zunge eine Tiefe von 4—6 Faden, und der Theil der Bucht, der nirgends unter 4 Faden tief ist, hat eine Breite von 14—2, eine Länge von 24 Seemeilen, und vertieft sich muldenartig und sehr regelmäfsig nach der Mitte hin bis auf 42 Faden, bei gutem Ankergrunde. Es wird sich also empfehlen, den Endpunkt der Eisenbahn nicht an die Südküste der Bucht, an die Ortschaft Puerto Ca- ballos, sondern auf die Landzunge zu Se wo auch grofse Fahrzeuge bequem landen können.

Dafls diese Bucht sehr geschützt ist, kann man Herrn Squier ohne Beden- ken glauben. Sie wird gegen Nordost, Nord und Nordnordwest durch die Land- zunge geschirmt, und ist nur nach Westen geöffnet, d. h. nach dem innersten y Recess der Honduras-Bai, die durch die Halbinsel Yucatan’ gebildet wird. Starke _ Westwinde sind deshalb hier nicht bekannt, und sollten sie vorkommen, so hat a die Natur für die hier ankernden Schiffe einen nahen und durchaus gesicherten

Zufluchtsort geschaffen. Oestlich von der Bucht und von ihr nur durch einen kaum + Seemeile breiten Isthmus getrennt liegt nämlich eine Salzwasser-Lagune, die von W nach ©. 2% Seemeilen lang, und von N. nach S. 13—13 Seemeilen breit ist, ein rings umschlossenes geräumiges Wasserbecken, dessen Tiefe von 3 Faden unfern der Küste sehr schnell nach der Mitte hin auf 12 Faden zunimmt. ‘Dieses Becken hängt mit der Bucht durch einen schmalen Canal von 1 Faden Tiefe zusammen; um es auch grofsen Schiffen zugänglich zu machen, würde man den Canal durch Baggerarbeiten vertiefen oder was sich vielleicht mehr empfehlen dürfte, den schmalen Isthmus an einer nördlichern Stelle durch- _ stechen müssen. Es ist nicht zu läugnen, dafs diese Verhältnisse überaus günstig sind.

f 0. Die Umgegend ist frei von Sümpfen und besteht aus einem fruchtbaren zum “Theil eultivirten Ackerland; sie zeichnet sich deshalb, namentlich vor dem be- ® nachbarten Omoa, durch: ein gesunderes Klima vortheilhaft aus. An gutem Trinkwasser ist kein Mangel.

A Die erste Section der Eisenbahn würde die Strecke von Puerto Caballos bis 4 Santiago umfassen, wo durch die Vereinigung des R. Humuya, R. Blanco und i _ _R. Santiago der R. Ulua gebildet wird. Die Bahn liegt, nachdem sie in einem 2 Bogen an dem östlichsten Vorsprunge der Berge von Omoa herumgeführt ist, ganz in der grofsen Sula-Ebene, einem nach Süden hin ganz unmerklich ansteigenden Flachlande in Gestalt eines Dreiecks, dessen Basis mit der Seeküste östlich von R - Puerto Caballos 50 Seemeilen weit zusammenfällt und dessen Spitze in Santiago _ Jiegt. Oestlich vom R. Ulua ist diese Ebene den Ueberschwemmungen ausge- setzt; westlich hat sie festen Boden, Bäche und Flüsse rinnen hier in einem Bett von Sand und Kies, und diesen Theil der Ebene würde die Bahn durch-

") Der Unterschied zwischen Ebbe und Fluth beträgt hier nur 1 Fufs.

264 Miscellen:

schneiden. Der R. Ulua ist für Dampfer von 7 Fufs Tiefgang wenigstens in den Monaten Juni bis Januar aufwärts bis Santiago schiffbar.

Wollte man von Santiago die Bahn auf dem linken Ufer des R. Humuya weiter führen, so würde man über den R. Santiago eine Brücke von 5 700 Fufs, und über den R. Blanco eine Brücke von 60 Fufs Länge schlagen müssen; genauere Localuntersuchungen werden es vielleicht rathsamer erscheinen lassen, die Bahn schon unterhalb. Santiago über den R. Ulua zu führen, obwohl das Bett desselben hier sehr breit ist. Die grofse Ebene setzt sich noch 10 See- meilen südlich von Santiago fort; dann verengt sich das Thal des R. Humuya und erweitert sich erst wieder bei Ojos de Agua zur Ebene von Espino. Ojos de Agua ist 55 Miles von Puerto Caballos entfernt und liegt 936 Fufs (engl.) über dem Meer, so dafs die Bahn auf dieser Strecke durchschnittlich 17 Fufs pr. Seemeile ansteigen mülste. Die Hügel, welche das Thal des Humuya um- geben, sind meistens bewaldet und durch fruchtbare Thäler von einander ge- schieden; im Allgemeinen aber ist dieser District mehr zur Viehzucht als zum Ackerbau geeignet. Das wichtigste Seitenthal, welches hier mündet, ist das des Sulaco; es ist sehr fruchtbar und führt in das goldreiche Departement Olancho, dem die Eisenbahn eine erleichterte Communication mit dem Meere verschaffen würde.

Die schöne etwa 12 Miles lange, 8 Miles breite Ebene von Espino ist von der südlicheren, in welcher die Hauptstadt Comayagua liegt, durch ein Querjoch geschieden, welches sich nordwärts sanft abdacht. Die Bahn würde entweder dem Laufe des Humuya, der hier eine bedeutende Krümmung macht, um einen Durchgang durch das Querjoch zu finden, folgen müssen, oder in gerader Rich- tung über die Hügel gehen, die eine relative Höhe von 150 Fufs besitzen. Er- hebliche Schwierigkeiten würden weder hier noch dort zu überwinden sein und die Wahl der Linie lediglich von der Lage desjenigen Punktes abhängen, an welchem man die Bahn über den Höhenzug im Süden der Ebene von Comayagua zu führen beabsichtigt.

Diese letztere Ebene liegt auf der Mitte des Weges zwischen beiden Meeren, Sie ist 40 Miles lang, 5—15 Miles breit, die Längenaxe fällt mit der Bahn- linie zusammen und im O. und W. von Bergen umgeben, die bis zu einer Höhe von 6000 Fufs ansteigen und meist mit Nadelholz bestanden sind, Auf den Gehängen baut man Getreide und Kartoffeln, und alle Erzeugnisse der ge- mäfsigten Zone würden hier fortkommen, während auf der Ebene selbst, in einem milden und gleichmäfsigen Klima, die Früchte eines wärmeren Himmelsstriches gedeihen. Um die Bahn über die Wasserscheide zu führen, welche die Ebene im Süden begrenzt, würde man zwischen dem östlichern Passe des Rancho Chiquito, und dem westlichern von Guajoca zu wählen haben. Im erstern Falle würde die Bahn oberhalb Comayagua das rechte Ufer des R. Humuya wieder erreichen und den Flufs bei San Antonio überschreiten; im andern würde sie schon von Espino ab im Thale des Humuya bleiben und an der Stelle, wo der Fluls das Quer- joch durchbricht, liegen die einzigen, wenn auch nicht erheblichen Schwierig- keiten, die der Bau der Eisenbahn zu überwinden hätte dann unterhalb Co- mayagua über den Flufs gehen und den fruchtbarsten Theil der Ebene, am linken Ufer des Humuya, unfern der Stadt Las Piedras durchschneiden. Tambla, wo

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Die Honduras - Eisenbahn. 265

diese Linie die Wasserscheide erreichen würde, liegt 40 Miles von Ojos de Agua und 1008 Fufs höher als dieser Ort; das Ansteigen der Bahn würde also auf der Strecke von Ojos de Agua bis Tambla durchschnittlich 25 Fufs 2 Zoll pr. Mile betragen. Auf der östlichern Route ist die durchschnittliche Neigung des Bodens ungefähr dieselbe; man würde auf ihr die Wasserscheide bei dem Dorfe Lamani erreichen.

Die Wasserscheide zwischen ‘beiden Meeren liegt auf der Strecke zwischen den Dörfern Tambla und Lamani im Norden und dem 15 Miles entfernten Rancho Grande im Süden. Um sie zu überwinden, bedarf man weder eines Tunnels noch tiefer Einschnitte; man. kann die Bahn an den Abhängen eines zerreiblichen, mit der Hacke leicht zu beseitigenden Felsens hinführen. Auf der östlichern Route, von Lamani zum Rancho Chiquito liegt der höchste Punkt 6 Miles von dem zuerst genannten Ort, und 392 Fufs höher; die Bahn würde also eine Neigung von 65 Fufs pr. Mile erhalten müssen, eine Neigung, die zwar bedeutend ist, aber doch nicht hinderlich erscheint, wenn man bedenkt, dafs die Baltimore-Ohio-Bahn auf einer Strecke von 83 Miles 116 Fufs pr. Mile ansteigt. Vom Rancho Chiquito bis zum Rancho Grande steigt die Bahn auf 8 Miles c. 500 Fufs herab, also 623 Fufs pr. Mile. Der Rancho Chiquito liegt - auf einer Prairie, die östlich von einer hohen Bergkette, westlich von niedrigeren Hügeln eingeschlossen wird; hier entspringen, nur 100 Meter von einander ent- fernt, die Quellen des R. Humuya und des in das Stille Meer fliefsenden R. Goascoran.

Der westlichere Pals (von Guajoca) ist etwa 100 Fufs niedriger; er ist von Tambla 73 Miles entfernt, und das Ansteigen der Bahn würde nur 47 Fuls 4 Zoll pr. Mile, das Herabsteigen zum Rancho Grande etwa 55 Fufs pr. Mile betragen, Squier ist geneigt diesem Pas den Vorzug zu geben.

Südlich von der Wasserscheide folgt die Bahn dem Thale des R. Goascoran, theils über Kies und Sand, theils über verwitterten Quarz, über Kalk- und Sand- stein. Bei Goascoran besteht der Fels aus einem weilsen weichen Sandstein, der sich leicht bearbeiten läfst, gleichwohl aber der Witterung gut widersteht, wie die Steinfiguren bei Aramecina beweisen. Ueberhaupt fehlt es auf dieser "Strecke an Baumaterial durchaus nicht; man findet Kalk und Ziegelerde, und von _ Bauholz Fichten und Eichen. In den Goascoran münden nur kleine Bäche, so dafs hier auch keine Brückenbauten von Bedeutung nothwendig sind.

_ _ _ Dals die Fonseca-Bai vortreffliche Häfen besitzt, ist bekannt. Diese ma- lerische Meeresbucht ist etwa 50 Seemeilen lang und 30 breit, reich an schönen ‚Fischen und Austern, und von Landschaften umgeben, die bei ihrer Fruchtbarkeit und ihrem Reichthum an mineralischen Schätzen, an Steinkohlen sowohl wie an edlen Metallen, einer glänzenden Entwickelung fähig sind. Hinter den Inseln finden die Schiffe Schutz gegen alle Winde und fast überall in der erforder- lichen Tiefe guten Ankergrund, so dals man bei der Wahl des Punktes, an dem die Eisenbahn enden könnte, die verschiedenen Vortheile der einzelnen Anker- plätze gegen einander abzuwägen hat. Zieht man es vor, die Eisenbahn nicht aus. dem Staate Honduras auf das Gebiet von San Salvador zu führen, und läfst ‚demnach den zu dem letztern gehörigen Hafen La Union aufser Acht, so würde ‚sich die Bai von Chismuyo als der zunächst gelegene Endpunkt darbieten. Aber

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nach Belcher’s Sondirungen ist diese Bucht gerade an dem nordwestlichen Ufer auf einer ziemlich breiten Strecke nicht über 2 Faden tief, so dafs man hier einen Damm, an welchem die Schiffe landen könnten, weit in die See hinein- führen mülste, Dieser Uebelstand zeigt sich bei der Bucht von San Lorenzo, der nordöstlichsten Abzweigung der Fonseca-Bai, nicht; ihr Fahrwasser nimmt von 4 Faden in unmittelbarer Nähe des Hafenplatzes San Lorenzo bis auf 7 und 8 Faden zu. Um die Bahn nach San Lorenzo zu führen, würde der Bau einer Brücke von 100 Fufs Länge über den R. Nacaome nothwendig sein. Es würde auch nicht schwierig sein, die Bahn auf einer Pfahlbrücke von 450 Fufs Länge über einen Meeresarm nach der Insel Sacate Grande an einen trefflichen Hafen zu führen, und da der Canal, welcher Sacate Grande von der wichtigsten Insel, Tigre, scheidet, an einer Stelle nicht über 14 Faden tief ist, hält Squier es nicht für unmöglich, die Bahn bis zu dem Freihafen Amapala auf Tigre fortzuführen.

Die Gesammtlänge der Bahn wurde 148 Seemeilen oder 37 geogr. Meilen betragen. Auf dem ersten Drittel des Weges würde sie 17 Fuls, auf den fol- genden 40 Miles 25 Fufs 2 Zoll pr. Mile ansteigen müssen, und auf der Section der Wasserscheide, wenn man sich für den Pafs von Guajoca entscheidet, würde das Maximum des Ansteigens 55 Fuls pr. Mile betragen. Man kann also nicht sagen, dafs der Betrieb der Bahn mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben wird; die Panamä-Bahn steigt bekanntlich auf dem südlichen Abhange in 4 Miles 240 Fufs in die Höhe, 60 Fufs pr. Mile.

Dafs es auf der Bahnlinie an Baumaterialien nicht fehlt, haben wir bereits hervorgehoben. Auch die Ausführung des Baues würde hier unter günstigeren Bedingungen stattfinden, als in andern Theilen Central-Amerika’s, da das Klima von Honduras, nach Squier’s Berichten zu schlie[sen, überaus gesund ist. Heifs ist es eigentlich nur in der Sula-Ebene, und auf dieser Strecke würden die schon seit längerer Zeit hier beschäftigten Holzschläger ein Contingent von Arbeitern stellen, das an das Klima gewöhnt und in den für den Eisenbahn-Bau erforder- lichen Arbeiten, wie Holzfällen, Wege- und Brückenbau u. dgl., geübt wäre. Je höher der Weg ansteigt, desto frischer und gesunder wird die Luft. In Comayagua selbst hat Squier für die drei heifsesten Monate des Jahres die Temperatur beob- achtet und im Durchschnitt für die verschiedenen Tageszeiten folgende Resultate erhalten:

| | 6 Uhr M. Mittags | 3 Uhr Nm. | 6 Uhr Abds. April (zur Hälfte) | 19,4° R. | 2220 8. | 23,108. 21,0 R Mai 19,3 21,80 21,4 20,70 Zus 18,8° 20,7° 21,70 20,60

Das Der Marin belief sich in jenem Jahre (1853) auf + 24,9’ R., das Minimum in den genannten Monaten auf + 16° R. In den spätern Monaten nimmt die Hitze ab, und vom November bis zum Januar ist es zuweilen so kühl, dafs man sich nach dem Feuer sehnt. Man darf also nicht besorgen, dafs europäische Arbeiter unter dem Klima leiden werden.

Von besonderem Werth ist es, dafs die Eisenbahn ein Land durchschneiden wird, welches durch einen fruchtbaren Boden und eine Fülle mineralischer Schätze von der Natur überaus glücklich ausgestattet ist. Hier gedeihen Kaffee, Baum-

Neue Erforschung der Küste von Choc6. Die Cordillere von Copiape. 267

_ wolle, Reis, Taback, Indigo, Mais, Cacao, Zuckerrohr neben Waldungen, die an A trefflichen Bau- und Farbehölzern nicht arm sind. Die Flüsse auf der atlan- - tischen Seite führen fast sämmtlich Goldstaub mit sich, zuweilen in solcher j Menge, dafs die Lager sich mit den ergiebigsten californischen messen können. $ Im Innern befinden sich zahlreiche Silberminen; auch an Eisen, Kupfer und Blei soll es nicht fehlen. Von Steinkohlen hat Squier ein 10° mächtiges, sehr aus- gedehntes Lager bei Sensenti entdeckt. Der Bau einer Eisenbahn würde die 1 Ausbeutung dieser mineralischen Schätze mächtig befördern. Aus dem Vertrage, den die Eisenbahn -Compagnie mit der Regierung von Honduras unter dem 23. Juni 1853 abgeschlossen hat und der von der’ letztern ; am 28. April 1854 publieirt ist, heben wir hervor, dafs die Compagnie sich } verpflichtet hat, den Bau der Bahn innerhalb 8 Jahren nach Ratification des Vertrages zu vollenden. Für den Fall unvorhergesehene Hindernisse ist eine Verlängerung dieses Termins in Aussicht gestellt. an:

Neue Erforschung der Küste der Provinz Choco.

Das Juli-Heft des Bulletin der französischen geographischen Gesellschaft - veröffentlicht ein Schreiben M. F. Kelley’s an Mr. De la Roquette, in welchem die Ausrüstung einer neuen Expedition zur weiteren Untersuchung des für die interoceanische Canalverbindung so wichtigen Küstenstrichs der Provinz Choc6 angekündigt wird. Mit unermüdlichem, bewunderungswürdigem Eifer widmet sich Kelley der Förderung des grolsartigen Canalisations-Projectes, zu dessen Gunsten er bereits so viel geopfert und so viel gewirkt hat. Wenige Wochen nach seiner Rückkehr aus Europa begab er sich nach Washington und entwickelte dem Prä- sidenten wie den Staatsseeretairen den unsern Lesern bekannten Plan einer inter- oeeanischen Canalverbindung vermittelst des Atrato und Truando. In Folge dieser Unternehmungen hat das Gouvernement der Vereinigten Staaten beschlossen, den * Dampfer Arctic unter Befehl des Lieut. Craven, eines ausgezeichneten Ma- rine- Offiziers, den mehrere Ingenieurs und einige Gelehrte begleiten sollen, zur Erforschung jener Küste, namentlich der Humboldt-Bai, Kelley’s Inlet und der _Candelaria-Bai, abzusenden. Die Expedition wird am 1. October abgehen und } etwa sechs Monate thätig sein. „Ich glaube sagen zu können,“ bemerkt Mr, } Kelley, „dals, was Erfahrung und wissenschaftliche Qualification betrifft, keine der von dem Gouvernement der Vereinigten Staaten bisher ausgerüsteten Expe- u ditionen mit derjenigen, welche jetzt bald den Isthmus besuchen wird, verglichen werden kann.“ Die hochwichtige Angelegenheit ist dadurch wieder um einen be- F: deutenden Schritt ihrer Entscheidung näher gerückt worden, und es ist besonders ! erfreulich, dafs sich endlich eine Regierung des von einem Privatmanne mit sel- | tener Opferfreudigkeit begonnenen und erheblich geförderten Werkes angenom- men hat. Bay

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5 Die Cordillere von Copiapo.

In den Artikeln über die argentinische Provinz Catamarca (Zeitschrift N. F. Bd. J, 8. 72) haben wir mit Bedauern bemerkt, dals die in so vielen anderen

268 Miscellen:

Beziehungen lehrreiche Denkschrift Benedicto Ruzo’s über den ganz unbekannten Ostabhang der Cordillere, welche jene Provinz von der Republik Chile scheidet, keinen Aufschlufs gewährt. Wir konnten aus ihr nur hervorheben, dafs das west- lichste Departement, Tinogasta, zu drei Viertheilen aus einem rauhen Gebirgslande bestehe, und dafs von Tinogasta aus ein Pafs über die Cordillere führe, ein Pafs, den wir für identisch mit dem Come Caballo-Pafs halten mufsten. Zu unserer Freude erfahren wir jetzt, dafs wir in Kurzem einem wissenschaftlichen Berichte über dieses wilde, bisher noch ganz unbekannte Gebirgsland entgegen- sehen dürfen. Mr. Martin de Moussy, der, wie unsere Leser wissen, im Auf- trage der argentinischen Regierung das Gebiet der Conföderation bereist und auch Chile besucht hat, um sich mit den dortigen Gelehrten in Verbindung zu setzen, hat in diesem Jahre auf der Rückkehr von Copiap6 nach Tinogasta die Cordillere überschritten und in einem aus Famatina (in der Provinz Rioja) vom 24. April 1857 datirten Schreiben, welches der „Nacional Argentino“ vom 26. Mai in einer Uebersetzung veröffentlicht, eine vorläufige Nachricht von seiner glücklichen An- kunft in der Provinz Rioja gegeben. Es erhellt aus diesem, vielleicht in zu leb- haften Farben gehaltenen Schreiben, dafs die Cordillere auch unter 28° S. Br. aus einem sehr hohen und ziemlich breiten Plateau besteht, auf dem sich einzelne isolirte Berge erheben, und dafs die Passage überaus schwierig ist. Doch lassen wir Herrn M. de Moussy selbst sprechen:

„Ich habe,“ heifst es in dem Schreiben, „nicht weniger als zehn Tage ge- braucht, um über diese schwer zu passirende Scheidewand hinüber zu kommen. Endlich bin ich nun aus jenen kalten Regionen herausgekommen und nicht ohne lebhaftes Vergnügen sehe ich mich hier wieder unter einen milderen Himmels- strich versetzt. Stellen Sie Sich vor, dafs wir während fünf Tagen in einer Höhe von 4000 Metern über dem Meeresspiegel ') im Freien zugebracht haben, und dafs das Thermometer bis auf —10° (C.) sank, und zwar am 4. April, bei schönem Wetter, wolkenlosem Himmel und nur schwachem Winde. Daraus kön- nen Sie entnehmen, wie unwirthlich es hier sein mufs, wenn Alles mit Schnee bedeckt ist und jene Stürme wehen, die das Blut in den Adern erstarren machen. Nichtsdestoweniger giebt es unerschrockene Reisende, die sich selbst im Mai und Juni in diese eisigen Einöden wagen; mehr als Einer hat hier schon sein Leben eingebüfst; aber das schreckt die Andern nicht ab. Im Vergleich mit der Cor- dillere von Copiap6 ist die von Mendoza unbedeutend (es una pura broma); auf der letztern legt man die schwierige Stelle in wenigen Stunden zurück und im Falle eines plötzlich hereinbrechenden Unwetters findet man in einigen Häuschen aus Ziegelsteinen ein Obdach. Von alledem existirt Nichts auf dem Cordilleren- Passe, der aus dem Thale von Copiapso nach San Juan, Rioja, Catamarca und Salta führt; hier mufs man während vier Tagen über ein offenes Plateau (una meseta sin abrigo) hinziehen, das, wie ich bereits bemerkte, durchschnittlich 4000 Meter hoch ist und keinen Zufluchtsort besitzt, nicht einmal Felsen, hinter denen man Schutz suchen könnte. Es besteht aus kahlen steinigen Ebenen; auf ihnen erheben sich einige schneebedeckte Berge, an deren Fufs mit Eis belegte Seen liegen; überall herrscht Todesstille und trostlose Oede: es ist eine nord-

1) Gillifs giebt die Höhe des Come Caballo-Passes auf 13,625 Par. Fufs an.

Die Cordillere von Copiapo. 269

russische Ebene unter dem 28sten Breitengrade. Der Wanderer durchzieht eilig diese fürchterliche Wüstenei; hie und da erinnern ihn Kreuze an die traurigen Ereignisse, die hier stattgefunden haben: hier wurde ein Mensch vom Blitz er- schlagen, dort fand eine ganze Karawane, wie die von Arago und Aguirre im Jahre 1855, vor Frost ihren Untergang, dort liegen die Gerippe von Maulthieren \ und Ochsen, die von einem Schneesturm überrascht wurden. Wenn man von diesen unwirthlichen Höhen in die schönen Thäler von Tinogasta, Copocabana und Famatina herabgestiegen ist, wieder von einer milden, mit den Wohlgerüchen einer prachtvollen Vegetation geschwängerten Luft umweht wird, wenn man wie- der menschliche Wesen, angebaute Felder erblickt: dann lebt man wieder auf ' und lernt die Vorzüge eines milden Klima’s würdigen.“

„Obgleich die Jahreszeit sehr günstig ') und das Wetter wirklich vortreff- lich war, hatte ich doch von der Kälte viel gelitten und mufste fünf Tage in Copocabana verweilen, um mich wieder zu erholen. Ich fühlte mich bald wieder frisch und konnte den Weg nach Famatina ohne Anstrengung zurücklegen. Die Schönheit der Thäler, durch die ich reiste, entschädigte mich für die nackten

- Sehluchten der Cordillere und ihre öden Hochebenen. Jetzt bin ich seit 8 Ta- gen in Famatina, eifrig beschäftigt mit der Ordnung meiner Notizen, Ich werde im nächster Woche die Bergwerke besuchen, am Anfange des folgenden Monats über die Llanos nach der Stadt Rioja reisen und von dort mich nach Catamarca begeben, wo ich mich einige Zeit aufzuhalten gedenke. Mit der nächsten Post _ werde ich an Dr. Derqui die Denkschrift über die Goldbergwerke von San Luis abschicken, die jetzt fast beendigt ist. Ich habe auch ein barometrisches Nivelle- _ ment der beiden Cordilleren ?) veranstaltet. Die Arbeit ist vollständig; aber die Berechnungen sind noch auszuführen, die viele Zeit kosten werden, da es sich um mehr als 150 verschiedene Punkte handelt. Ich habe auch (tambien) ein ge- naucs Nivellement von Rosario bis Valparaiso, und ein anderes von Caldera bis Tinogasta, d. h. eines über den ganzen südamerikanischen Continent unter 33° S. sr., und eines über die Cordillere unter 28° 8. Br. Die letztere Arbeit ist ganz neu; die erste ist allerdings auch schon von Andern, aber sehr unvollständig, ausgeführt worden; meine Beobachtungen werden einige Lücken ausfüllen und, wie ich glaube, manche Irrthümer berichtigen.“

Es erhellt aus diesem Schreiben, dafs M. de Moussy Routen eingeschlagen und einschlagen wird, die sehr geeignet sind, über einen unbekannten Theil

erschaffen. Auch die Tour von Rioja nach Catamarca ist wichtig; sie wird über n südlichen Theil der Sierra von Ambato Aufschlufs geben, von der wir nicht n, ob sie sich in der Wüste verflacht oder mit den Höhenzügen in Zusam- nhang steht, die man auf dem Wege von Cordoba nach Rioja überschreiten s. (Vgl. Zeitschr. für Allgem. Erdkunde N. F. Ba.], S. 74.) —n.

BB !) Vom Monat April kann man dieses gerade nicht sagen; die günstigste Jahres- ist dann schon vorüber. Rn 9) Es ist nicht ersichtlich, welche beiden Cordilleren damit gemeint sind.

270 Miscellen:

Aus der Botschaft des Präsidenten der Argentinischen Conföderation an den legislativen Congrels.

Der Güte des Kgl. Preufs. Geschäftsträgers und Generaleonsuls in den La Plata-Staaten, Herrn v. Gülich, verdanken wir unter anderen werthvollen Do- cumenten auch die Mittheilung der Botschaft, welche Urquiza, Präsident der Ar- gentinischen Conföderation, der diesjährigen Session des legislativen Congresses vorgelegt hat. Wir heben aus ihr diejenigen Sätze hervor, welche auf den gegen- wärtigen Stand der in Angriff genommenen oder in Erwägung gezogenen Pro- jeete zur Verbesserung der Communicationsmittel Licht werfen.

„Die Verbindungswege haben sich merklich verbessert, und weitere Ergebnisse der Fürsorge, welche die Regierung diesem Gegenstande gewidmet hat, werden auch in Zukunft regelmäfsig hervortreten. Die Transportmittel vervielfältigen sich, und dennoch können sie kaum den Bedürfnissen des Handelsverkehrs genügen, dessen Thätigkeit in einer schnellen Zunahme begriffen ist; neue, jetzt schon in Angriff genommene Unternehmungen werden bald den Bedürfnissen Rechnung tragen, denen die bis jetzt vorhandenen Transportmittel nicht genügen können. Auf unsern Flüssen vermehrt sich regelmäfsig die Zahl der Schiffe, die ihre Ge- wässer durchschneiden. Die Schiffahrt auf dem Salado und Dulce allein hat bereits drei Dampfer in Bewegung gesetzt, die sich mit der Erforschung der Ströme und andern Aufgaben beschäftigen. Um der Beschiffung des Ber- mejo einen Impuls zu geben, hat die Regierung in Gemäfsheit eines Vertrages, der Ihrer Genehmigung vorgelegt werden wird, einer Compagnie eine Geldunter- stützung ‘bewilligt; eines der für diese Wasserstrafse bestimmten Dampfschiffe ist bereits im Rio de la Plata angelangt: es wird bald die Gewässer des Bermejo durchfurchen und die von ihm bewässerten ausgedehnten Landstriche mit dem Litoral des Parana in Verbindung setzen.“

„Die in der alten Welt bisher so wenig bekannte Ergiebigkeit unseres Bo- dens hat jetzt dort ein so lebhaftes Interesse erregt, dafs ohne Frage auch für uns wichtige Resultate daraus hervorgehen werden. Hervorragende Notabilitäten der Wissenschaft beschäftigen sich gegenwärtig damit, die Beschaffenheit unseres Landes zu studiren, und ihre Forschungen werden unzweifelhaft die Voıtheile ins Licht stellen, welche dasselbe für eine ergiebige Ausübung aller Industriezweige darbietet.“

„Die Geldkrisis, die sich während der letzten Monate in Europa fühlhar machte, hat bis jetzt die Organisation der Gesellschaft, welche den Bau einer Eisenbahn von Rosario nach Cordoba übernehmen sollte, verzögert. Nichts- destoweniger hege ich die begründete Hoffnung, dafs sie endlich ins Leben treten wird. Dieses Project nimmt jetzt die Aufmerksamkeit bedeutender Capitalisten ernstlich in Anspruch, und ich werde mich bald an den Congrefs wenden mit Vorschlägen zur Beseitigung einiger Hindernisse, die sich der Verwirklichung jenes Planes bisher in den Weg gestellt haben. Inzwischen hat das erwähnte Project gröfsere Dimensionen annehmen können. Die mit der Förderung desselben be- auftragten Personen haben der Regierung vorgeschlagen, die Eisenbahnlinie bis Chile auszudehnen, falls nämlich das Gouvernement dieser Republik sich mit dem der Conföderation dahin einigen könne, einen jährlichen Zinsertrag von 6 Proc.

Neue Expeditionen in das Innere Australiens. 271

von dem für den Bau des Weges von Villanueva bis Chile erforderlichen Capital zu garantiren. Die Regierung jener Republik hat es nicht für angemessen er- achtet, ihrerseits eine solche Garantie zu übernehmen; aber man darf hoffen, dafs der Vorschlag, nach Vollendung der Bahnstrecke zwischen Rosario und Villa- nueva, bei den erleuchteten Staatsmännern an der Spitze jener dem Fortschritt _ wohlgeneigten Regierung eine günstigere Aufnahme finden wird.“ Villanueva ist diejenige Station, welche etwa auf der Mitte des Weges von Rosario nach Cordoba am Rio Tercero liegt. Von hier ab würde man also die Bahn westwärts in der Richtung nach Mendoza abzuzweigen beabsichtigen. —n.

Neue Expeditionen in das Innere Australiens.

(Zwei Briefe aus Süd -Australien). 2. Juli 57. } Am 17. Mai d. J. ging eine Expedition unter Leitung eines Herın Stephan Hack von Port Lincoln (Spencer’s Golf) ab, um in nordwestlicher Richtung in - das Innere unseres Continents einzudringen. Nach 14tägiger Reise über Land _ war dieselbe am 1. Juni in Streaky Bai (32° 50' S. B. 134° 10’ O.L.) ange- - langt und fand daselbst den der Regierung gehörigen Schooner Yatala, beladen mit den für die Reise erforderlichen Vorräthen. Herr Hack meldet in einem Schreiben vom 2. Juni, dafs bis dahin Alles glücklich gegangen sei, namentlich _ hätten sich die Pferde trotz des theilweisen Futtermangels gut gehalten. Sie 4 hatten auf ihrem Wege, der immer in der Nähe der Küste blieb und Herm Eyres _ früheren Spuren folgte, mehr Wasser gefunden, als sie gehofft hatten. Die - gröfste Entfernung, die sie, ohne Wasser zu finden, zurücklegten, betrug nicht mehr als 15 engl. Meilen. Mehrere Eingeborne, die sie unterwegs trafen und _ die zu einem viel nördlicher wohnenden Stamm gehörten, hatten den Reisenden von Thieren erzählt, die ganz verschieden von den bisher in Australien gefun- denen sein sollten. Namentlich beschrieben sie ein grofses vierfülsiges Thier, gröfser als ein Pferd oder eine Kuh, mit einem Höcker, gleich einem Schorn- stein auf dem Rücken (Büffel?). Aufserdem sprachen sie von einem amphibien- artigen Thier, so dick wie ein starker Mann und sehr lang, welches zwar auf dem Lande faul und langsam sei, aber zuweilen Nachts in ihr Lager gekommen e und Menschen im Schlaf getödtet hätte. Der Beschreibung nach mülfste dies Thier dem Alligator ähnlich sein und sollte in Heerden von 10 15 Stück zusammen vorkommen. Das Dasein eines so grofsen amphibischen Thiers liefse auf gröfsere Wassermassen im Innern schliefsen. Herr Hack wollte seine erste se Mitte Juni nur mit Packpferden antreten und so weit nördlich gehn, als nm zwei Monaten möglich ist, da er nach dieser Zeit wieder an den Ausgangs- nkt zurück sein mufste und nicht für längere Zeit Proviant mitnehmen konnte. ld er von diesem ersten Versuch zurückgekehrt sein wird, werde ich Ihnen ' Resultat melden. Es ist unbegreiflich, dafs unsere Colonial-Regierung der- ichen Unternehmungen so geheimnifsvoll ausrüstet, dafs Niemand etwas davon ft, bis sie abgegangen sind. Wahrscheinlich wird auch diese Expedition wie > früheren wegen unzureichender Mittel nichts ausrichten, Auf die Aussagen

272 Miscellen:

der Eingebornen ist nichts zu geben; gewöhnlich werden ihnen solche Fragen vorgelegt, wodurch sie zu Lügen verleitet werden. Auch habe ich zufällig aus guter Quelle erfahren, dafs einige unserer am weitesten nach Norden vorgedrun- genen Schafbesitzer, deren Stationen 100 Meilen nördlich von der Spitze von Spencer’s Golf liegen, Dr. Brown und Herr Heyward, schon vor beinahe 3 Jah- ren in nordwestlicher Richtung, westlich vom Lake Torrens, etwa bis zum 26. Breitengrad vorgedrungen sind und auf dieser ganzen Strecke nur Wüste und nichts als Regenwasser fanden.

So lange sich nicht die Australischen Colonieen zur Ausrüstung einer grols- artigen Expedition verbinden und dabei von England unterstützt werden, ist meiner Meinung nach ein bedeutendes Resultat nicht zu erwarten.

10. Juli 1857.

Seit ich die vorstehenden Notizen schrieb, haben wir Nachricht von aufser- ordentlich wichtigen Entdeckungen im Norden erhalten, welche, wenn sie sich bestätigen, alle bisherigen Vorstellungen über das Innere unseres Continents widerlegen. Im August v. J. war Herr Herschel Babbage, Regierungs -Geologe, auf einer Reise, die eigentlich die Aufsuchung von Goldminen in Süd-Australien zum Zweck hatte, weit nach Norden vorgedrungen und berichtete nach seiner Rückkehr, dafs er dort einen wohlbewässerten Landstrich aufgefunden habe, mit kleinen Seen und Bächen, die nicht Regenwasser enthielten sondern dem An- schein nach das ganze Jahr hindurch flössen. Diese Nachrichten wurden mit grofsem Mifstrauen aufgenommen, indels waren seine Behauptungen doch so be- stimmt, dafs sich die Regierung veranlafst fand, im April d. J. einen Landmesser mit der nöthigen Begleitung auszuschicken, um diese Gegenden zu untersuchen und die nöthigen Vorarbeiten für eine trigonometrische Vermessung vorzunehmen.

Dieser Landmesser, Herr Goyder, ist so eben zurückgekehrt; sein officieller Bericht ist noch nicht veröffentlicht, aber die Zeitungen haben sich beeilt, dem Publikum nach seinen und seiner Begleiter Erzählungen Kenntnils von den aufserordentlichen auf dieser Reise gemachten Entdeckungen zu geben. Alles was folgt beruht, wie gesagt, nur auf mündlichen Berichten der Reisenden und die Genauigkeit der einzelnen Facta kann nicht verbürgt werden, doch spricht der bekannte sehr ehrenwerthe Character des Landmessers dafür, dafs die Zei» tungen sich nicht zu sehr von der Wahrheit entfernt haben, da er sonst gewils denselben widersprochen hätte. Nach diesen Berichten gelangte Herr Goyder unter 29° 22’ 13” S. B. an das südliche Ufer des Lake Torrens und hatte von hier aus eine nach seiner Rechnung sich auf 30 engl. Meilen nach Osten und Westen erstreckende Aussicht. Nach Nordwesten zu sah er nur Wasser, nach Osten zu aber glaubte er das Gestade des Sees zu erkennen. Das südliche Ufer fand er sanft ansteigend, ohne Fluth-Marken, woraus er auf einen beständigen

gleichen Wasserstand und daher auf die Existenz eines Abflusses schlofs. Die |

Vegetation nahm nach dem Ufer des Sees zu allmählich ab, von prachtvollen

Gummibäumen zu Gewächsen von dürftigerer Art. Leider befanden sich in der.

Nähe des Wassers keine Bäume, so dafs es nicht möglich war, ein Flofs anzu- fertigen, um die Tiefe des Sees zu untersuchen. Die Ufer der entgegengesetzten

Seiten schienen steil zu sein, in der Entfernung von etwa 5 engl. Meilen wurden

Neue Expeditionen in das Innere Australiens. 273

mehrere kleine Inseln von 1—2 Meilen Länge bemerkt, mit steilen Ufern, die auf eine beträchtliche Tiefe des Wassers schliefsen lassen. Das Wasser war vollkommen frisch und gut von Geschmack ohne irgend welche Spuren von Salz. Herr Goyder fand eine grolse Menge von kleineren und gröfseren Quellen _ und Bächen, die sich in den See ergossen; einige von ihnen waren ziemlich _ breit, aber seicht. Das eine dieser kleinen Gewässer flofs mehrere engl. Meilen zwischen felsigen Ufern von 60—70 Fufs Höhe; zwischen dem Wasser und diesen Ufern wuchsen in dem angeschwemmten Boden gewaltige Eucalypten. Alle diese Gewässer waren von einer Menge von Wasservögeln belebt, als Enten, } Gänsen und Reihern; auch wurden Kakadu’s, Wachteln und Tauben gesehen. In der Nähe der zahlreichen Quellen war der Boden mit einer weilsen Masse be- deckt, als ob kürzlich Schnee gefallen wäre. Die Untersuchung derselben ergab, dafs es ammoniakhaltige Salze waren. Das Wasser dieser Quellen war rein, klar und geschmacklos.

der Nähe einer grofsen Lagune wurden Wohnungen von Eingebomen gefunden, dauerhafter als gewöhnlich gebaut; darunter eine grofse Hütte, die 30 Personen fassen konnte. Sie waren sämmtlich unbewohnt. Einige Einge- bome, die aus der Ferne gesehen wurden, schienen bei dem Anblick der Weilsen tödtlich erschreckt und flohen mit der gröfsten Schnelligkeit. Sie hatten keine Waffen aufser Stöcken, 2—3 Fufs lang und 1—13 Zoll stark. Zwei Frauen- H zimmer wurden in einer Schlucht überrascht; sie hatten Matten um ihren Körper f

geschlagen, die sie jedoch bei Seite warfen, indem sie eine Stellung zur Ver- r theidigung annahmen. Nachdem sie etwas beruhigt waren, nannten sie mit vielem Geschrei auf Befragen die Namen der verschiedenen Localitäten, benutzten aber K (die erste Gelegenheit zur schleunigen Flucht, von der man sie nicht mit Gewalt _ zurückhalten wollte. 1 Herr Goyder ist der Meinung, dafs alle die früher entdeckten Gewässer zu - dem See gehören. Soviel behauptet er als gewils, dafs alle die Quellen und Bäche, die in den See fliefsen und der See selbst frisches und trinkbares Wasser enthalten. Er glaubt, dafs alles dies Wasser einen Abflufs nach Norden oder Nordwesten habe, entweder in einen grolsen See oder Flufs. Die Vegetation in den kleinen Thälern, durch welche die Bäche fliefsen, wird als reich und üppig geschildert. Die Thäler sind von verschiedener Weite; einige sind 2—3 engl. Meilen breit. Die Ebenen sind meist unfruchtbar und steinig. Herr Goyder hielt sich seinen Instruetionen gemäfs nicht lange in diesen Gegenden auf; er war auch durch Erschöpfung seiner Provision zur Umkehr ‚genöthigt. _ Dies ist ungefähr der Hauptinhalt der bis jetzt bekannt gewordenen Mit- theilungen, man sieht mit grofser Spannung der Veröffentlichung des vollstän- digen officiellen Berichts entgegen, von dem ich nicht unterlassen werde, Ihnen sofort Kenntnifs zu geben. Merkwürdig erscheint es, dafs die früheren Reisen-

auf wirklich gut verbürgten Thatsachen fufsen können. R.

2 Zeitschr.f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IH. 18

I74 Miscellen.

Ein Schreiben aus Adelaide über die Beschiffung des Murray. Adelaide, 20. Jan. 1857.

Der Gesetzgebende Rath von Süd-Australien erliefs 1854 eine Aufforderung und bestimmte eine Summe (wenn ich nicht irre 2000 Pfd. St.) demjenigen zur Belohnung, der zuerst mit einem Dampfschiffe von gewissem Tonnengehalt und Pferdekraft den Flufs Murray (den bis jetzt bekannten gröfsten Flufs Neuhol- lands) befahren würde.

Der Murray mit seinen Nebenflüssen verbindet New South Wales, Victoria und Süd-Australien; der Nutzen einer Schiffbarmachung dieses Flusses liefs sich deshalb gar nicht berechnen. Jenen Preis hat nun ein Schiffskapitain gewonnen, Mr. Francis Cadell, der nicht nur jene Belohnung, sondern auch eine Me- daille in Gold von dem Legislatif Couneil in Süd-Australien und einen goldenen Candelaber von den Squatters und Anwohnern des Murray zum Geschenk und Andenken erhielt.

Es existiren von dieser Medaille (die in London gemacht wurde) nur 3 Ab- drücke, deren eine Sir Henry Young, unser ehemaliger Gouverneur, die zweite Capitain Cadell und die dritte das Archiv des Gesetzgebenden Rathes erhielt. Die beiden Stempel zur Medaille befinden sich gleichfalls im Archiv des Gesetz- gebenden Raths. |

Die Ehre der ersten Beschiffung des Murrayflusses gebührt aber nicht Capt. Cadell, sondern den Gebrüdern Randell von Gumeraska, die auf einem an Ort und Stelle von ihnen selbst erbauten kleinen Dampfschiffe den Murray eirca 1200 Miles hinauffuhren und als erste Murraybeschiffer von der Regierung dafür belohnt wurden. Gegenwärtig ist nun ein reges Treiben auf diesem Flusse. Dampfschiffe verbinden alle drei Colonien, und was Melbourne und Sydney nur mit grofsen Anstrengungen gelang (ihre entfernten und entlegenen Ansiedlungen und Goldgruben mit Provisionen zu versorgen), das geschieht von Adelaide mit Leichtigkeit durch Vermittelung unseres schönen Murrayflusses und zu nicht ge- ringem Verdrusse der Kaufmannschaft von Sydney und Melbourne.

So wäre eine grolse Strafse in das Innere unseres Insel- Continents eröffnet, was wir den so oft verkannten Absichten unseres vorigen Gouverneurs Sir Henry Young zu verdanken haben. Heuzenröder.

275

Neuere Literatur.

Neuere Werke über Ost-Indien.

Die Reise Seiner Königl. Hoheit des Prinzen Waldemar von Preufsen nach Indien in den Jahren 1844 bis 1846. Aus dem darüber erschiene- nen Prachtwerke im Auszuge mitgetheilt von J. G. Kutzner, Lehrer in Hirschberg. Mit dem Portrait des Prinzen, 4 Karten und 4 Schlacht- plänen. Berlin 1857. Verlag der Königl. Geh. Ober-Hofbuchdruckerei.

4 Wer das herrliche Prachtwerk kennt, in welchem der indischen Reise des _ dem Vaterlande so früh entrissenen Prinzen Waldemar von der Liebe seiner _ hohen Verwandten ein so würdiges und ansprechendes Denkmal gesetzt ist, wird es gewils mit Freude und Dank begrüfsen, dafs der Text dieses werthvollen, nur in wenigen Exemplaren verbreiteten und nicht für den Buchhandel bestimmten Werkes durch die oben angezeigte Schrift in einer angemessenen Form dem Volke zugänglich gemacht ist. Die Grundlage des aus zwei stattlichen Foliobänden be- stehenden Originals bilden die zahlreichen, sorgsam ausgeführten Handzeichnungen des früh verewigten Prinzen, die er selbst in seinen letzten Lebensjahren durch hervorragende Künstler lithographiren liefs und mit einem kurzen erläuternden Texte für jedes Blatt in einem schönen Kupferwerke zusammenzustellen beab- sichtigtee Um dem Ganzen mehr inneren Zusammenhang zu geben, beschlossen die hohen Anverwandten des Prinzen, die nach dem Tode desselben das mit Liebe begonnene Werk fortsetzen liefsen, jedem der vier gröfseren Abschnitte, in welche die Reise zerfiel, eine ausführlichere Einleitung voranzuschicken. Ein E genaues Tagebuch, welches während der ersten Zeit der Reise, während des Aufent- _halts auf Ceylon und bis zur Ankunft in das untere Gangesland mit Sorgsamkeit fortgeführt war; verschiedene von dem Prinzen selbst abgefalste Aufsätze und die Briefe, die er aus Indien an seinen Vater und seine Geschwister gerichtet, lie- - ferten zur Ausführung jener Arbeit wie für den die Bilder begleitenden Text ein ' ausreichendes Material, welches in den von dem Begleiter des Prinzen, Dr. Hoff- meister, publieirten „Briefen aus Indien“ eine erwünschte Ergänzung fand. So _ entstand das Original-Prachtwerk. Der erste Band desselben enthält als Einlei- tung den Bericht über den ersten Theil der Reise, von Triest über Korfu, Athen, Alexandrien, Suez nach Ceylon, den Aufenthalt auf dieser Insel und die Reise “von hier nach Caleutta, wie den aus kurzen und anmuthigen Skizzen bestehenden Text zu 30 landschaftlichen Bildern; sodann den zweiten Abschnitt der Reise, durch Hindostan bis Naini-Tal, bestehend aus einer 45 Folioseiten starken Ein- leitung und dem Texte zu 33 Bildern; endlich aus einer specielleren Abhandlung über die Insel Ceylon. Der zweite Band liefert den Bericht über die Reise im Himalaya, von Naini Tal bis Schipke in Tibet und von dort zurück nach Simla, und den Text zu 26 herrlichen Gebirgsansichten; sodann eine Skizze des Feld- s gegen die Siekh’s und den kurzen Bericht über die Rückkehr nach Europa nebst dem Texte zu 15 Bildern, unter denen sich mehrere Abbildungen der bri- tischen und feindlichen Truppen befinden. Der erste Band ist von Herrn Mahl-

18*

276 Neuere Literatur:

mann bearbeitet, der auch die dem Werke beigegebenen Karten und Pläne ent- worfen und gezeichnet hat; der Text des zweiten Bandes rührt aus der Feder des Grafen Oriolla her, der den Prinzen bekanntlich auf der Reise begleitete. Wo es möglich war, hat man sich natürlich überall an die eigenen Worte des Prin- zen gehalten, wie sie in seinen Briefen und handschriftlichen Aufzeichnungen niedergelegt waren.

Die Hauptaufgabe desjenigen, der dieses Prachtwerk mit Fortlassung der Kupfer dem Publicum zugänglich machen wollte, bestand nun natürlich darin, den Text zu den Bildern in die Reisebeschreibung an angemessener Stelle auf geschickte Weise zu verweben. Herr Kutzner hat diese Aufgabe im Allgemeinen mit Taet gelöst. Dafs dabei an eine vollständige Reproduction des Textes nicht zu denken war, versteht sich von selbst; Manches bezog sich ausschliefslich als Erläuterung auf die Kupfer und mufste mit ihnen fortfallen; was in den Reise- bericht eingeschaltet wurde, verursachte hin und wieder leichte, meist nur styli- stische Aenderungen. Allein hierin, in den absolut nothwendigen Aende- rungen liegt auch, wie uns dünkt, die Grenze, die der Bearbeiter sich selbst hätte ziehen sollen; nicht blofs, weil der natürliche Wunsch jedes Preufsen, das Werk des verewigten Prinzen in seinem literarischen Theile möglichst vollständig zu be- sitzen, jede Berücksichtigung verdient, sondern auch weil die Ausscheidung irgend- welcher detaillirter Angaben aus einem Reisewerke durch eine fremde Hand an und für sich höchst mifslich ist. Die Ansprüche, die an ein Reisewerk gestellt werden, sind fast so mannichfaltig wie die Individualität seiner Leser; sehr diver- girende Interessen suchen hier ihre Befriedigung; den Einen zieht besonders der landschaftliche Charakter, das Botanische und Geologische an; der Andere sucht begierig nach allen Thatsachen, die sich auf die Cultur beziehen, und jede Dürf- tigkeit in den Angaben über die Bodenbeschaffenheit und die Producte, in den statistischen und commerciellen Notizen verdriefst ihn; der Dritte bringt ein be- sonderes Interesse für das Ethnographische mit u. s. f. Wenn es demnach selten genug vorkommt, dafs ein Reisewerk nach allen Seiten hin und alle diese Forderungen haben eine gewisse Berechtigung gleiche Befriedigung erregt: so mufs es um so bedenklicher erscheinen, ein vorhandenes Werk durch Kür- zungen und Auslassungen in seinem Werthe zu schmälern, es mülste denn der ausgesprochene Zweck vorliegen, nur das für eine bestimmte Disciplin Wis- senswerthe in einem Auszuge darzubieten. Da nun die Auslassungen, die sich Herr Kutzner erlaubt hat, aufserdem nicht so bedeutend sind, dafs sie den Um- fang des Buches erheblich verringert und es möglich gemacht hätten, demselben durch einen billigen Preis in die weitesten Leserkreise Eingang zu verschaffen, glauben wir nicht, uns mit dem von ihm beobachteten Verfahren einverstanden erklären zu können; in den meisten Fällen ist uns der Grund, weshalb dieses oder jenes fortgefallen ist, durchaus unklar geblieben.

Sehen wir hiervon ab, so ist das, was Herr Kutzner beibehalten hat, so schön, dafs es jedem gebildeten Leser Freude verursachen wird. Das für wunder- bare Naturformen so empfängliche Auge des hohen Reisenden und seine innige Freude an dem Leben in und mit der freien Natur haben seinen Aufzeichnungen eine Frische und Wärme verliehen, die eine anregende und wohlthuende Wirkung auf die Phantasie und das Gemüth des aufmerksamen Lesers nicht verfehlen

J. G. Kutzner: Die Reise 8. K. H. des Pr. Waldemar von Preufsen ete. 277

können. Am gerundetsten und ansprechendsten ist der Bericht über den Aufent- halt auf Ceylon, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil hiefür ein ausführli- ches Tagebuch benutzt werden konnte. Als eine anziehende und belehrende Lectüre verdient das Werk jedem gebildeten Kreise bestens empfohlen zu werden; es wird, wie wir hoffen, gerade in dieser Zeit, wo jede Belehrung über die indi- sche Welt besonders erwünscht ist, von dem Publicum mit lebhaftem Dank auf- genommen werden.

Da die Verlagshandlung das Werk mit einer Eleganz ausgestattet hat, welche sich der Beachtung aufdrängt, dürfen wir uns auch wohl über einige Aeufserlich- keiten eine Bemerkung erlauben. Es erscheint uns als eine sehr unglückliche Idee, alle Zahlen, mit Ausnahme der Jahreszahlen, statt mit Ziffern, mit Worten wiederzugeben; wir sind nicht daran gewöhnt, diese Millionen, Hunderttausende, Zehntausende u. s. w. bis zu den Einern in dieser Darstellung schnell aufzufassen, und die Vergleichung der durch mehrere Zeilen sich fortschleppenden Zahlworte ist überaus lästig; fast möchten wir glauben, dafs das Widerwärtige dieser Me- thode den Herausgeber bestimmt hat, sich in der Reproduction des statistischen Materials hier und dort auf sehr summarische Weise einzuschränken. Es lag zu dieser Unsitte um so weniger Veranlassung vor, als das Prachtwerk eine solche Luxurianz nicht kennt. Von der Aufmerksamkeit, die man Aeufserlichkeiten zu- wendet, ist der bei Weitem werthvollste 'Theil derjenige, der sich auf eine sorg- fältige Correctur richtet; aber Seite 56 des Correcturbogens z. B. scheint kein menschliches Auge angesehen zu haben: hier finden wir, aufser „Cykaden“ und „Miriaden“ (in Bezug auf i und y herrscht in dem Buche überhaupt eine dem Original ganz fremde lose Praxis) zwei verstümmelte Sätze, in deren einem das Subject ausgelassen ist, während in dem andern die Construction nur zur Hälfte geändert ist. Eine sorgfältige Correetur würde auch manche kleine Nachlässigkeit der Arbeit aufgedeckt haben. Viele Leser werden z. B. überrascht sein, auf S. 21 Fellah-Buben mit einem schwarzen Schleier ausgestattet zu finden: hier ist eine Zeile des Originals, die von den Fellahweibern handelt, übersprungen; oder sich darüber den Kopf zerbrechen, wie die Singhalesen sich nach ihrem „Alter“ Namen geben können ($. 65); es soll heifsen „Amt“. Bei den Angaben über den Handel Athens $. 16 ist vergessen worden, dafs dieselben schon S. 13 eingeschaltet sind. Eine aufmerksame Lectüre würde ergeben haben, dafs es ganz - unstatthaft ist, hinter den Worten: „Das Verhältnifs zwischen Aeltern und Kin- der[n] erscheint als ein sehr angenehmes und liebevolles; in den meisten kleinen Familien herrscht ein ganz patriarchalisches Verhältnifs“, einen Satz des Origi- nals wegzulassen und hart daran die Bemerkung anzuschliefsen: „Kindesmord

wurde übrigens vor Ankunft der Engländer kaum als ein Verbrechen angesehen,“ eine Bemerkung, der übrigens im Original noch eine einschränkende Clausel beigefügt ist. Der anstöfsige Satz: „in der Beamtenwelt sind bis jetzt nur bei der Justiz Eingeborene angestellt, aufserdem aber ist die ganze Civilverwaltung mit Eingeborenen besetzt,“ ist dadurch entstanden, dafs die Hauptsache: „die "ganze Civilverwaltung vom Government-Assistant- Agent (Distriets- Vor- 'steher) abwärts“ fortgelassen ist. Auf $. 73 steht eine falsche Jahreszahl: 632 vw. Chr. statt 236 v. Chr. u. s. f. Diese Notizen werden ausreichen, um bemerk- lich zu machen, dals, wie schätzenswerth auch die von den Herren Verlegern

278 Neuere Literatur:

auf splendiden Druck und schönes Papier verwendete Aufmerksamkeit sein mag, ein Mangel an Fürsorge für die Correetheit des Textes, namentlich in Werken, die auf das Aeufsere augenscheinlich Werth legen, den gebildeten Leser ungleich unangenehmer berührt. Bei dem vorliegenden Werke lag noch ein anderer Grund vor, der zu besonderer Genauigkeit hätte anspornen sollen. —n.

Ostindien und England. Eine gemeinverständliche Darstellung des grofsen ostindisch -britischen Reiches mit Bezug auf seine gegenwärtige Lage und den Aufstand. Von John Briggs, General-Lieutenant von der ostindi- schen Madras- Armee. Nach dem Englischen. Dritte Auflage. Berlin, bei Heinicke, 1857. 8.

Dafs von der vorliegenden Schrift innerhalb weniger Wochen eine dritte Auf- lage nothwendig geworden ist, spricht dafür, dafs der Bearbeiter in der Wahl des Werkes, das er dem deutschen Publikum vorlegen wollte, unter den gegenwärti- gen Zeitverhältnissen einen überaus glücklichen Griff gethan hat. In der That findet der Politiker und Zeitungsleser auf den 83 Seiten der kleinen Schrift über die wichtigsten Punkte, die zur Zeit sein Interesse in Anspruch nehmen, eine so reichhaltige und wohlgeordnete Information, wie er sie in dickleibigeren Werken oft vergebens suchen wird, und ein unbefangenes, gesundes Urtheil, das für den unparteiischen Leser inmitten des Gewirres widerstreitender Parteiansichten von besonderem Werth ist. In kurzen Abschnitten verbreitet sich der Verfasser über die Ausdehnung und Bevölkerung Indiens, über die Stamm- und Religions- Ver- hältnisse der Einwohner und über die Entstehung der britischen Herrschaft, und verweilt dann in einem ausführlicheren Abschnitte, der zur Zeit das lebhafteste Interesse in Anspruch nehmen wird, bei den militärischen Hilfsquellen des Lan- des, einem Gegenstande, über den der erfahrene General mit genauester Sach- kenntnifs urtheilen kann. Die folgenden Abschnitte besprechen die Finanzen und den Handel Indiens. Dafs der letztere noch immer nicht die dem Bodenreich- thum und der Einwohnerzahl entsprechende Bedeutung erreicht hat, schreibt der Verf. mit Recht dem Verfalle der in den blühenderen Epochen des Landes er- richteten Bewässerungs- Anstalten und dem Mangel an Communications- Mitteln zu. Seine Angaben über die letzteren sind um so dankenswerther, als in den grofsen Werken über Indien, die vor der Berathung der letzten India-Bill im Interesse der Compagnie geschrieben wurden, zwar sehr viel von den grofsartigen Projecten die Rede ist, durch deren Ausführung die Regierung den materiellen Wohlstand des Landes zu heben beabsichtige, aber eine klare Zusammenstellung dessen, was bis jetzt wirklich geschehen ist, klüglich umgangen wird. Der Verf. ist der Ansicht, dafs der Bau von Eisenbahnen, wie wichtig er auch in militäri- scher Hinsicht ist, in einem Lande, dem es an guten Fahrwegen fast ganz fehlt, zur Hebung der Cuitur nicht viel beitragen könne und dafs die Eisenbahnen auch erst nach Befriedigung dieses dringendsten Bedürfnisses rentiren würden. Bei dem Bau von Fahrwegen hat sich die Compagnie ebenfalls ausschliefslich durch militärische Gesichtspunkte leiten lassen, und da sie eigentlich erst seit 1850 für diesen Zweck in systematischer Weise zu wirken angefangen hat, kann von einem

John Briggs: Ostindien und England. 279

Wegenetz füglich noch nicht gesprochen werden. Vollendet sind nach Briggs nur die Militärstrafse von Caleutta durch Bengalen und die Nordwestprovinzen nach Peshawer, und die von Bombay über Indore nach Agra; die letztere ist nicht chaussirt und in Folge dessen vier Monate im Jahre unbrauchbar. Die grolse Stralse von Bombay nach Calcutta, deren Bau 1840 begonnen wurde, ist von der ersteren Stadt nur bis Ahmednagger geführt, sie hat also das Gebiet des Nizam noch nicht erreicht. Aufserdem existiren nur in den Nordwestprovinzen Verbindungswege, die sich von der grofsen Militärstralse abzweigen, in einer Länge von 75 Meilen. Die Gebirgswege im Himalaya, welche Briggs erwähnt, mögen für gewisse Arten des Transports vortrefflich sein; der Gebrauch von Wagen war aber z. B. in der Umgegend des vielbesuchten Simla noch vor weni- gen Jahren ausgeschlossen. Telegraphenlinien existiren von Calcutta nach Pesha- wer im Pandshab, von Bombay nach Agra, von Bombay nach Madras, und von der letztern Stadt südwestwärts nach Utacamund, einer wichtigen Gesundheits- Station im Distriet von Coimbatore.

Abschnitte über das Unterrichtswesen und die Verwaltung, wie eine tabella- rische Zusammenstellung der mittelbaren und unmittelbaren Besitzungen nach Flächeninhalt und Bevölkerung schliefsen die kleine Schrift, die wir als eine praktische Arbeit bestens empfehlen können. —n.

Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 5. September 1857.

Der Vorsitzende, Herr Geh. Reg. Rath Dieterici, eröffnete die Versamm- lung mit der Anzeige von dem kürzlich erfolgten Tode des Geh. Reg. Raths

_ Lichtenstein, eines Mitstifters der Gesellschaft, und machte mit einigen Worten

' auf die wissenschaftlichen Leistungen des Verstorbenen, sowie insbesondere auf die Verdienste desselben um die geographische Gesellschaft aufmerksam. Dem- ' nächst übergab derselbe folgende eingegangene Geschenke: 1) Annuaire de l’Aca- demie Royale des sciences, des lettres et des beaux arts de Belgique. Annee 1855. Bruzelles 1856. Dasselbe Annee 1856. Bruxelles 1856. Dasselbe Annee 1857. Bruxelles 1857. 2) Academie Royale des sciences et des beaux arts de Belgique. Bulletins des seances de la classe des sciences. Annee 1857. 3) Academie Royale de Belgique. Observations des Phenomenes Periodiques. 4) Sur le climat de la Belgique. Septieme Partie. De l’etat du ciel en general, par A. Quetelet. Bruxelles 41857. 5) Rapport adresse a M. le Ministre de U’Interieur, sur l’etat et les tra- vaux de l’Observatoire Royal, pendant Pannde 1856, par le Direeteur A. Quetelet. - 6) Geographische Lage der Haupt-Sternwarten. Länge und Breite der Haupt- - Sternwarten, zusammengestellt von Prof. Wolfers. 7) Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central- Afrika in den Jahren 1849 —1855, von Dr. Heinr. Barth. Zweiter Theil. Mit Karten, Holzschnitten und Bildern. Gotha 1857. \ Hierauf sprach Herr Prof. Walter über die angebliche Uebervölkerung des chinesischen Reiches und wies nach, dafs, wenngleich die Bewohner des Reiches

280 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.

der Mitte ungefähr ein Drittel des ganzen Menschengeschlechts ausmachen, hier von einer Uebervölkerung im Ganzen nicht füglich die Rede sein könne, da im ganzen Reiche, wenn man dasselbe zu 231,000 geogr. Quadratmeilen und die Einwohnerzahl zu 362 Millionen annimmt, nur 1566 Seelen auf die Quadratmeile kommen, wodurch noch nicht einmal die Volksdichtigkeit des Regierungsbezirks Köslin erreicht wird. Wenn man dagegen, mit Weglassung aller Nebenländer, nur das eigentliche China in’s Auge falst und den Flächeninhalt desselben zu 71,936 Quadratmeilen, die Bevölkerung aber zu 150 Millionen anschlägt, so er- hält man 2085 Seelen auf der Geviertmeile, was hinter der mittleren Volksdichtig- keit des preufsischen Staates noch um mehr als ein Drittel zurückbleibt. Der Vortragende war daher der Ansicht, dafs der Grund der nicht unbedeutenden chinesischen Auswanderungen allein in der Barbarei der dortigen Verhältnisse ge- sucht werden könne, welche die menschlichen Kräfte nicht zu einer vollkomme- nen und allseitigen Entwickelung gelangen lassen und daher eine Volksdichtig- keit, die in Europa nur für mittelmäfsig gelten würde, schon unmöglich machen.

Herr Prof. Wolfers besprach bei Ueberreichung seiner obengenannten Schrift die Lage der Haupt-Sternwarten Europa’s und that namentlich dar, dafs die Länge von Berlin 31° 3’ 30”,0 seit 1833, und die Breite 52° 30’ 16",7 seit 1849 unverändert geblieben wäre, da wiederholte neuere Bestimmungen dasselbe ergeben hätten.

Herr Dr. Buvyry gab nach eigener Anschauung eine ausführliche Darstellung der Stadt Bona in Algerien und ihrer Umgebungen, woraus unter Anderem her- vorging, dafs die Stadt, obgleich von nicht mehr als circa 11,000 Seelen bewohnt und bis jetzt ohne sicheren Hafen, dennoch auf eine bedeutende jährliche Aus- und Einfuhr zählen kann, und dafs in der Nähe, durch die Fruchtbarkeit des Bodens begünstigt, mehrere Colonien, wie Mondovi, Baral und Penthievre, sicht- lich emporblühen.

Herr Geh. Reg. Rath Dieterici besprach den eben herausgekommenen zweiten Theil des Barth’schen Reisewerkes und machte auf die bedeutenden Re- sultate jener Reise aufmerksam. Es ergab sich hieraus, dafs, wenn circa 90,000 Quadratmeilen bereits früher im Norden Afrika’s bekannt waren, und wenn Li- vingstone’s Untersuchungen ein Areal von c. 131,000 Quadratmeilen umfalsten, Barth nun ein Gebiet von c. 196,050 Quadratmeilen den Blicken Europa’s auf- schlofs und folglich von der c. 543,000 Quadratmeilen betragenden Oberfläche des ganzen Erdtheils nicht mehr als ungefähr 125,000 Quadratmeilen dem For- schungsdiange künftiger Reisenden übrig liefs. Die ganze von dem muthigen und talentvollen Reisenden durchwanderte Strecke gab der Vortragende zu 1885 Meilen an.

Zeitschrift für allgem Erdkunde NEMBT

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E NEUE FOLGE, DRITTER BAND, VIERTES HEFT,

„Inhalt.

Seite

X. Ueber die Mineralproducte Süd-Grönlands. Nach H. Rink, vn Antonv. Etzel 22.0.0... 281

XI. Reise durch die Pampas. Bruchstück aus N Dter erucheineunen e Reise durch Süd-Amerika, von H. Burmeister. Zweiter Abschnitt:

Vom Pueblo Rio Quarto bis Mendoza . . . . 295

XI. Das chilenische Colonisations-Territorium an der Magalhaens-Strafse. Vom’Herauggebar.....7. 2... en Se re

Miscellen.

Census der tschudischen Bevölkerung in Norwegen . » . 0... 359 Russische Expedition zur Erforschung von Khorasan und Herat . . 5 360 Die Pratas-Klippen im chinesischen Meere . . . 361

Tabellarische Zusammenstellung der Routen der Haren Schlagintweit während ihrer Untersuchungen in Indien und Hoch-Asien . . . . 366 Goyder’s Entdeckungen am See Torrens . » 2 2 2 2 202000. 867 Die Stadt Humboldt in Kansas . . a N ER RE ol.

Ein Besuch bei den Cherokee- Indianern RENTEN

Neuere Literatur.

Reise nach Mosul und durch Kurdistan nach Urumia. Von C.San- dreezki. Bd.I II. Stuttgart. 1857, su... 369°

Beschreibung des britischen Indien nach den neuesten amtlichen Angaben. u Von Dr. F. H. Ungewitter. Berlin. 1857, 8 . . . 371

Reisen in Südwest-Afrika bis zum See Ngami in den Jahren 1850 bis 3 1854, von Ch. J. Andersson.. Aus dem Schwedischen von Dr. H. Lotze Bd. Leipzig: 1858... , NEN ER

Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 3. Oct. 1857 . 373

Karte.

Taf. V. Tierra del Fuego und die Magalhaens-Strafse. Nach den Aufnahmen von King und Fitzroy.

Von dieser Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5—6 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr.

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X. Ueber die Mineralproducte Süd-Grönlands.

Nach H. Rink von Anton v. Etzel.

Auch Süd-Grönlands Mineralschätze spielten unter den Gründen, welche die ersten Reisen zur Wiederentdeckung der verlorenen Pro- - winz veranlalsten, eine grofse Rolle. Zu Egedes Zeit (1733) wurde - von Mathis Jochumsen eine genaue Untersuchung Grönlands in mine- - ralogischer Hinsicht unternommen; in den Jahren 1783 und 1784 mulfste ‚ein deutscher Bergsteiger, Pfaff, im Auftrage der dänischen Regierung _ nach Steinkohlen suchen; er erlag in Godthaab dem Scorbut, ehe er _ den Zweck seiner Reise erfüllt hatte. Der preufsische Bergrath Gie- ‚seke ging unter den günstigsten Bedingungen im Jahre 1806 zu einer "Durchforschung des ganz unbekannten Gebirgslandes nach Grönland "und dehnte seinen Aufenthalt bis zum Jahre 1813 aus; aber die erste Frucht seiner Reise wurde mit dem die Sammlungen heimführenden Schiffe eine Beute Englands, und Gieseke verdankt diesem Umstande spätere Berufung zu einer Professur in Dublin. Seine Samm- lungen, geschriebenen Mittheilungen und sein auf der Kopenhagener Bibliothek vorhandenes, leider ungedruckt gebliebenes Tagebuch be- weisen, dafs nahezu alle bisher in mineralogischer Beziehung merk- würdig gewordenen Punkte Grönlands bereits seine Aufmerksamkeit uf sich gelenkt hatten und dafs er sie theils selbst in Augenschein genommen, theils die von den Eingeborenen ihm gegebenen Andeu- en mit Geschick benutzt hatte, so dafs der nach ihm entdeckten alien oder neuen Fundorte nur wenige sind. In den letzten n sind die Mineralien Grönlands der Gegenstand eines Privat- Internehmens geworden, wozu im Jahre 1850 der Commerzienrath J landt die Bewilligung ‚erhielt. Diese Expedition war ursprünglich auf dänische Privatrechnun Kopenhagen aus unternommen; aber bald betheiligten sich auch einig&Engländer mit ihren Capitalien dabei.

282 H. Rink:

Sechs Schiffe wurden zur Fahrt nach Grönland ausgerüstet; zwei da- von gingen verloren. An drei verschiedenen Stellen wurden Minen angelegt, aber überall nach wenigen Monaten als zu arm aufgegeben. Freilich ergab sich später, dafs die Orte, bei denen die Expedition ihre Bergwerksanlagen versucht hatte, zu der Hoffnung auf grofse Ausbeute nie Anlafs gegeben hatten. Aulser dieser Actiengesellschaft hat noch eine andere im Jahre 1856 in Folge einer den Herren Thomsen und Howitz ertheilten Bewilligung begonnen, Kryolith aus Grönland aus- zuführen.

Im Allgemeinen sind die Gebirge Süd-Grönlands denen gleich, welche die skandinavische Halbinsel zum gröfsten Theile ausfüllen; sie bilden eine einfache Fortsetzung der nordgrönländischen Gebirge, nur die sogenannten Trapp- oder Basalt-Gebirge, welche die Insel Disko und einen grolsen Theil des Festlandes von Nord-Grönland bilden, und aus denen auch grölstentheils Island und die Faröer bestehen, feh- len hier ganz. Man sieht diese Bergart hier nur in Form von Gän- gen oder besser gesagt sehr kenntlichen, dunklen Bändern oder Strei- fen, die an manchen Stellen über die Oberfläche der Felsen hinlaufen, aber durchaus keine besondern Gebirgsmassen bilden. Nur an einer einzigen Stelle in dem Distriet von Julianehaab, in der Gegend von | Igalliko, giebt es ein Gebirge aus einem besonderen rothen Sandstein, das sich jedoch nur über ein sehr geringes Terrain erstreckt und ganz isolirt steht. Im Uebrigen besteht ganz Süd-Grönland aus sogenann- | tem Urgebirge oder Granit, der gröfstentheils die Form von Schichten angenommen hat. Man sieht die Gebirgsmassen bald ziemlich gleich- artig, bald in parallelen Schichten von mehr oder weniger ungleich- artiger Beschaffenheit. Wo man sieht, dafs die Felsenmasse ihre ein- förmige graue Farbe verliert und abwechselnd dunkle oder hellere, zum Theil eisenhaltige, rostfarbige Schichten, von weilsen Adern durch- | schnitten, zeigt, da kann man auch im Allgemeinen erwarten, einige Abwechslung in den Gesteinen zu finden. Unter solchen Gegenden | zeichnen sich besonders aus: ein Theil des Distriets von Godthaab, die Umgegend von Fiskernässet, die Umgegend von Arsut bei Frederiks- haab und endlich das Innere von ein Paar Fjorden im Distriet von Julianehaab. Auf jeder dieser beiden letzterwähnten Stellen hat man 7 eine ganz besondere Anhäufung von Mineralien gefunden, und darunter namentlich zwei, die in grofser Menge vorkommen und in ihrer chemi- schen Zusammensetzung höchst merkwürdig sind, auch mit Ausnahme einer Stelle in dem Uralgebirge, wo das eine in neuerer Zeit entdeckt sein soll, sonst nirgends gefunden werden, Sie galten eine Zeit lang als grofse Seltenheiten und wurden Probestücke für Mineralien- Sammlungen sehr hoch bezahlt; da sie aber in so grofsen Massen ge-

4 Ueber die Mineralproducte Süd -Grönlands. 283

_funden wurden, dafs man ganze Schiffsladungen davon einnehmen konnte, waren die Sammlungen bald damit versehen und die Minera- lien selbst so gut als völlig werthlos. Wir wollen nun die Spuren ‚der bisher gefundenen Metalle und Mineralien, die praktische Anwen- dung finden konnten und sonst Interesse gewähren, näher angeben. Von edlen Metallen hat man mit Sicherheit bisher nur auf einer ‚Stelle eine Spur gefunden, nämlich gediegenes Silber an der Spitze “einer kleinen Insel, eine Meile südlich von Julianehaab. Es wurde im "Winter, von 1849 zu 1850 von den dort wohnenden Grönländern ent- deckt, indem sie einige kleine Stücke von wirklich gediegenem Silber lose in den Rissen des Gesteins vor einem Hause fanden, welches so dicht am Strande lag, dafs die See bei Hochwasser über jene Risse hinweg bis an den Fuls des Hauses spülte. Es war deutlich zu er- kennen, dafs der Felsengrund, in dessen Spalten sie gefunden wurden, er mit Vegetation und Resten von einem älteren Hause, aus dessen nen das jetzige erbaut zu sein scheint, bedeckt gewesen ist. Auch später sind mehrere dieser Silberstücke dort gefunden worden, im Ganzen jedoch nur einige wenige Loth, aber, so viel bekannt ist, auch nicht ein einziges aufserhalb derselben Felsspalten unterhalb des auses, in denen die ersten Stücke aufgefunden waren. Die Stücke lagen auch ganz lose, und es war kein daran hängendes Gestein zu entdecken, woraus man hätte schliefsen können, in welcher Klippen- nasse sie ursprünglich gesessen haben; auch zeigten die umherliegen- ‚Felsen nicht die geringste Spur von Silber oder überhaupt von allen oder Mineralien, welche die Metalle begleiten, aufser denen, gewöhnlich in allen Felsen Grönlands gefunden werden. Man darf sr als wahrscheinlich annehmen, dafs diese kleinen Stücke sich in ‚chutt oder den Ueberresten eines älteren Hauses, welches einst n ih em Fundorte stand, befunden haben, und dafs die See nach und ach den losen und leichten Schutt weggespült hat, wodurch die schwe- n Metallstückchen in die Felsritzen fielen und sich dort festsetzten. Frage, wie und woher sie einst in die alte Schutterde gekommen sin mögen, läfst sich mit Wahrscheinlichkeit durch zwei Vermuthungen eantworten. Entweder haben sie in dem Grastorf, aus dem die älte- en Häuser erbaut waren, gesessen, oder sie waren von den Grönlän- ern, die früher diese Stelle bewohnt hatten, gesammelt worden. Im ten Falle müfsten sie von der nächsten Gegend um diesen Haus- herrühren, und man würde dann erwarten müssen, dafs dieses auch in den benachbarten Felsen enthalten sei. Der andere st, wenngleich auffallend, doch schlechterdings nicht unmöglich, ® Grönländer nicht selten solehe Kleinigkeiten sammeln, wenn sie auf ihren Reisen irgen in die Augen fallen, und besonders

984 H. Rink:

auf Alles zu achten pflegen, was ihnen metallisch zu sein scheint. Bruchstücke von den Kirchenglocken der alten Nordbewohner finden sich an verschiedenen Stellen über die ganze Küste und sind an allen Orten, wo Grönländer wohnen oder gewohnt haben, weit verbreitet; es mufs überdies bemerkt werden, dafs sich die erwähnten Silberstück- chen mit kleinen Stückchen flach gehämmerten Kupfers, Glasperlen u. dgl. m. zusammen fanden, die ohne allen Zweifel den früheren Be- wohnern dieser Stelle gehört hatten. Hat aber diese zweite Annahme ihre Richtigkeit, dann ist selbstverständlicherweise keine Vermuthung darüber festzustellen, wo das Silber ursprünglich gefunden sein mag, und man weifs dann nur so viel, dals irgendwo in Süd-Grönland wirklich gediegenes Silber gefunden worden ist. Aulserdem ist es auch gar nicht ungereimt, anzunehmen, dafs Silber hier und dort in den Felsen eingesprengt gefunden werden mag und also auch auf der hier in Rede stehenden Insel vorkommen kann, um so mehr, als ebenda- selbst stellenweise viel silberhaltiges Kupfererz gefunden wurde; da aber keinerlei Anzeichen von dem Vorhandensein der Minerale bemerkt sind, die sonst das Silber, wo es in regelmäfsigen Gängen oder Adern vorkommt, zu begleiten pflegen, namentlich Kalkspath, wie bei Kongs- berg in Norwegen, so ist auch keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, dafs das Silber hier anders als in kleinen Partien und im Verhältnils zum Kupfererz nur in kleinen Körnern vorkommt, so dafs doch keine Bergwerks-Unternehmungen darauf gegründet werden können. Doch, wie gesagt, es sind auch nicht die geringsten Spuren solcher Körner in den Felsen dieser Insel festsitzend entdeckt worden. Da sich die oben erwähnte Expedition des Herrn Lundt gerade ein ganzes Jahr auf derselben Stelle, auf der das Silber gefunden war, aufgehalten hat und ganz in ihrer Nähe mit Hilfe von zehn Bergleuten Minen- und Sprengarbeiten vornehmen liefs, um Kupfererz zu gewinnen, mu[s man wohl annehmen, dafs Alles geschehen ist, was zur Entdeckung von Silber hätte führen können. Sie fanden aber nur einige wenige Stücke mehr, genau an demselben Orte, an dem die Grönländer die ersten gefunden hatten. Im Jahre 1853 besuchte ein Engländer, Herr Ro- binson, mit mehreren Mineralogen und praktischen Bergleuten densel- ben Ort, ohne Etwas zu finden, und endlich wurden im Jahre 1854 zwei norwegische Arbeiter von derselben Privatgesellschaft in einem dazu aus England herbeigeschafften kleinen Hause mit eisernem Dache das auf der angegebenen Stelle aufgeschlagen wurde, zurückgelassen. Sie blieben beide bis zum nächsten Jahre dort, fanden aber, soweit es bekannt geworden ist, nur noch ein klein Stück von derselben Be- schaffenheit, wie die oben ee in denselben Spalten, die daher nun wohl als ganz erschöpft angesehen werden müssen. Von

il an

Ueber die Mineralproducte Süd - Grönlands. 285

_ anderen Stellen im District von Julianehaab, an denen Silber gefunden wäre, hat der Verfasser nie reden hören, eine einzige ausgenommen, _ über welche die Nachrichten jedoch zu apokryphisch lauten, um hier erwähnt zu werden. Endlich soll einer der früheren Missionäre, Na- _ mens Ginge, von Godthaab einmal ein Stück gediegenes Silber heim- gesendet haben. Lange für verloren angesehen, hat es sich in dem mineralogischen Museum der Universität wiedergefunden, da es indessen nur mit dem weitumfassenden Fundort „Grönland“ bezeichnet und viel- leicht auch nicht einmal authentisch ist, kann man in Bezug auf das Vorkommen des Silbers weder Schlüsse daraus ziehen, noch weitere ‚Nachforschungen auf Grund dessen anstellen.

$: Von Kupfererz sind theilweise ganz kleine Partien oder Spuren - gefunden worden, die sehr gewöhnlich sind, anderntheils aber auch an einzelnen Stellen so grofse Ausscheidungen, dafs bedeutende und vor- züglich schöne, schwerwiegende Stücke abgesprengt werden konnten; letzten Falle sind sie aber von solcher Art und Weise gewesen,

finden, so dafs durchaus keine Bergwerksarbeiten darauf gegründet werden konnten.

Das Kupfererz, welches in gröfseren Partien gefunden wurde, ist das sogenannte bunte Kupfererz, welches sich durch seinen Glanz und sein schönes Farbenspiel auszeichnet, und im Verein mit demselben der sogenannte Kupferglanz, der nächst dem gediegenen Kupfer selbst ‚das reichste Kupfererz ist. Auf der erwähnten Insel bei Julianehaab, ‚wo das Silber gefunden wurde, hatte schon vor dem Jahre 1800 ein ‚Grönländer Stücke, vorzugsweise von dem letzteren Metalle gefunden; es wurden damals Proben desselben nach Dänemark gesendet und er- egten ziemlich viel Aufsehen, so dafs es auch den Anschein hat, als ob vorzugsweise dadurch die Reise des Mineralögen Gieseke veranlafst oder wenigstens eifriger betrieben wurde. Er untersuchte auch die er- wähnte Insel nochmals, kam aber zu dem Resultate, dafs an Bergwerks- ırbeiten auf derselben durchaus nicht zu denken sei, da das Mineral nur in geringer Masse und sehr vereinzelt vorkam. Wie erwähnt be- arbeitete in den Jahren 1851 und 1852 eine Expedition dieses Erz an Stelle, wo ein ziemlich grofser Fleck gefunden war, und die da- ‚den Namen „Friedrichs VII. Kupfermine* erhielt; die ersten Stücke, sgehauen wurden, mufsten allerdings als sehr reichhaltig und rsprechend betrachtet werden, aber schon nach Verlauf von einem Monaten war die Mine ganz und gar erschöpft und nicht die 'ge- ste Spur von Kupfererz weiter zu finden. Ungefähr zu derselben it fanden Grönländer am. einer Stelle des nördlichsten Theils vom District von Julianehaab eine,ähnliche Partie von dem sogenannten

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bunten Kupfererz, die noch gröfser und schon mehr einer fortlaufenden Ader zu vergleichen war. Der Verfasser, dem die Gelegenheit geboten war, diesen Punkt zu untersuchen, hat sie beschrieben und ihr nach dem Grönländer, der den ersten Fund einsendete, den Namen „Joswas Kupfermine* gegeben, jedoch in einem Bericht an das Ministerium des Innern nachgewiesen, dals kein Bergwerk darauf gegründet werden kann. Im Jahre 1853 besuchte die erwähnte Expedition unter Robin- son diese Stelle, nahm so viel Erz mit, als sie gleich absprengen konnte, und liefs alle mitgenommenen Bergleute und Arbeiter zurück, nachdem sie eine Hütte für dieselben errichtet und der Stelle den Na- men „Weal-Julia-Mine“ gegeben hatte. Aber es war schon damals das beste Erz weggenommen, und nach Verlauf von einem Paar Mo- naten war auch dieser Fundort ganz erschöpft, so dafs im Frühjahre keine Spur mehr davon zu sehen war. Das Schiff, welches den Pro- viant und ein besseres Haus dieser Anlage zuführen sollte, ging im Sommer verloren. Nichtsdestoweniger wurden im nächsten Winter wie- der zwei Arbeiter hingesetzt; aber ein anderes Schiff, welches das ge- wonnene Kupfererz holen sollte, ging gleichfalls nicht weit von dieser Stelle verloren.

Diese erwähnten beiden Arten von Kupfererz sind auch hier und dort an anderen Stellen in ganz kleinen Partien gefunden, und das Vorkommen derselben mufs im Ganzen mit der Art verglichen werden, in welcher sie in Norwegen zu finden sind, wo sie sich gleichfalls in Folge ihrer Aermlichkeit bei verschiedenen Bergbauversuchen als un- zulänglich für die Benutzung erwiesen haben. In Bezug auf Kupfer darf man sich wohl überhaupt kaum Rechnung auf Vortheil machen, wo nicht das gewöhnlichste, wenn auch minder reichhaltige Kupfererz, der sogenannte Kupferkies, vorkommt. Dieses Mineral ist aber bisher nur sehr sparsam in Grönland gefunden worden. Es zeigt sich hier und dort, wie in vielen anderen Ländern, in ganz feinen Streifen oder Körnern; die Aulsenseite der Felsen hat an solchen Stellen eine grüne Oberfläche durch die Verwitterung des Minerals, doch wird diese grüne Oberfläche auch schon an solchen Punkten gesehen, wo das Mineral in ganz kleinen, kaum bemerkbaren Körnern vorhanden ist. Die Grön- länder bringen oft solche Stücke Fels herbei, durch die auffallende Färbung aufmerksam gemacht; diese rührt aber nur von einem ganz feinen Häutchen Grünspan her, das auch durch eine ganz geringe Quan- tität Kupfer in dem Steine erzeugt werden kann. Die grölsten Körner von Kupferkies sind bisher im Arsut-Fjord gefunden, und zwar in einer merkwürdigen Mischung von Mineralien, die noch weiter unten erwähnt werden soll. Aber auch dort ist dieses sonst so gewöhnliche Mineral

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Ueber die Mineralproducte Süd- Grönland». 287

so sparsam vorhanden, dafs von einem Bergwerksbetriebe durchaus _ nicht die Rede sein kann.

Von Zinnerz oder Zinnstein will Gieseke in der Nähe der Colonie Fredrikshaab in einer sehr verwitterten und zu Staub verfalle- _ nen Bergmasse, die unter dem Namen „das verdorbene Fjeld* bekannt ist, Spuren gefunden haben. Aber in den Stücken, die Gieseke dort _ gesammelt hat und selbst als zinnhaltig bezeichntete, ist der Zinnstein kaum sichtbar; er hat denselben wahrscheinlich nur in sehr feinen Körnern gesehen oder in Spuren über die Bergmasse zerstreut gefun- - den, wie er denn auch selbst auf diesen Fund kein Gewicht gelegt zu haben scheint. Dagegen findet sich Zinnstein in etwas gröfseren Kör- nern an der Seite des schon erwähnten Kryolith gleichfalls im Arsut- Fjord; man sieht ihn dort auch in ganz dünnen Adern, meistens aber in Form von Körnern und zwar vorzugsweise als Krystalle, die so zerstreut und vereinzelt sitzen, dafs grolse Massen von Felsen abge- sprengt und zerschlagen werden müssen, um nur wenige Pfund davon zu erhalten. Die Adern oder Gänge dürften sich möglicherweise an einzelnen Stellen zu einer Dicke von einem Zoll erweitern, aber auch dort sind sie so zerstreut, abgebrochen und aufser aller regelmäfsigen - Fortsetzung, dafs kein Vortheil von ihrem Abbau erwartet werden darf.

Zinkerz oder Zinkblende ist in ganz geringer Menge auf dem- _ selben merkwürdigen Flecke bei Arsut und im Gefolge der erwähnten Metalle gefunden, jedoch in einem noch untergeordneteren Verhältnisse.

ım die Rede sein, selbst wenn es in noch so grolser Menge vor- me, wegen der Billigkeit des Metalles selbst, geschweige des rohen zes, es sei denn, dals sich das Erz zu gleicher Zeit so silberhaltig wiese, um durch den Gewinn dieses Nebenproducts die grolsen

ı decken. Ein ziemlich silberhaltiger Bleiglanz ist ebenfalls an der te des Kryoliths im Arsut-Fjord gefunden und ist ohne Zweifel den dort entdeckten metallischen Mineralien dasjenige, welches ölserer Menge vorkommt, wenn auch noch immer nicht in so um einen Bergbau darauf zu gründen. Der Bleiglanz bei Ar- schon seit langer Zeit bekannt gewesen, da das Aussehen des s so auffallend metallisch ist, dafs es sofort die Aufmerksamkeit ziehen mufste. Die erwähnte Privatgesell- ‚ersten Jahre ihres Bestehens, 1850, diese

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Stelle; aber erst nachdem die besprochenen beiden Punkte, an denen sich Kupfererz gefunden hatte, gänzlich erschöpft waren, wurde auch bei Arsut ein Etablissement unter Leitung eines englischen Mineralo- gen, Herrn Taylor, angelegt, um den Bleiglanz zu bearbeiten. An dieser Stelle wurde eine ordentliche kleine Grube eingerichtet, die in

horizontaler oder schwach gesenkter Richtung unter dem Felsen einlief.

Aber auch hier war der Metallreichthum nach Verlauf von einem Paar

Monaten vollständig erschöpft und die Mine mulste aufgegeben werden.

An anderen Stellen hat man hier und dort ganz geringe Quantitäten Bleierz in die Felsen eingesprengt gesehen, in ähnlicher Weise, wie den Kupferkies, aber doch seltener. Gieseke erwähnt solcher Stellen fast in jedem Districte; das gröfste Quantum, welches dem Verfasser selbst aufserhalb des Arsut-Fjords zu Augen gekommen ist, findet sich in Verbindung mit der erwähnten Zinkblende im Igalliko-Fjord. Doch war es nicht mehr, als dafs man eben einige wenige Stücke von genau der Gröfse gewöhnlicher Probestücke in den Sammlungen aushauen konnte, in denen auch nur so viel von dem Mineral enthalten ist, dafs man es mit Deutlichkeit zu bezeichnen vermochte. Wenn die Gelegen- heit vorhanden gewesen wäre, würde er jedoch gern weitere Unter- suchungen in der Umgegend veranstaltet haben, da sich die Schicht, in der diese Mineralien gefunden wurden, weiter fortzusetzen schien. Im Distriet von Godthavn geht die Sage, dafs in einem „Skinderhva- len“ genannten Vorgebirge Blei gefunden sein solle, aus dem die Grön- länder auch einmal im Nothfalle Kugeln gegossen hätten. Aber Nie- mand hat es selbst gesehen oder nur mit Jemand gesprochen, der es selbst gesehen hätte, und die Sage ist wohl in die Klasse derer zu setzen, die so häufig in Berggegenden umlaufen, dafs man da oder dort

einen Schatz gefunden habe, der Finder aber sein Geheiminifs nicht ver- | rathen wolle, oder in demselben Augenblicke gestorben sei, als er die Stelle zeigen wollte.

Eisenerz würde, selbst wenn es ganze Berge desselben, von den reichhaltigsten Arten und ganz nahe am Meere gäbe, döch nie in Grön- land benutzt werden können. Wir fügen deshalb nur der Vollständig- keit wegen hier hinzu, dafs auch dieses gewöhnliche Metall bisher nur in äulserst kleinen Quantitäten in Grönland gefunden wurde. Die ge- wöhnlichsten Mineralien, aus denen man in anderen Ländern Eisen gewinnt, wie der rothe Eisenstein und der Eisenglanz, kommen äulserst | sparsam vor und fast nur als Ueberzug oder Ausfüllung schmaler Spal- ten oder Risse in den Felsen. Der sogenannte Eisenspath erscheint hie und da in ähnlichen geringen Quantitäten, und nur an der erwähn- ten Stelle im Arsut-Fjord in Begleitung des Kryoliths und Bleiglanzes in gröfseren Knoten und zum Theil in ausgezeichnet deutlichen, grolsenz |

Ueber die Mineralproducte. Süd- Grönlands. 289

- Krystallen. Am weitesten verbreitet kommt der sogenannte Magnet- - Eisenstein vor, er findet sich in feinen Körnern fast überall in dem - Granite. Nur an sehr wenigen Stellen hat man Magneteisen in selbst- ständigen Schichten, auch nur von einem Zoll Dicke, ausgeschieden ‚gesehen, und selbst diese sind unterbrochen und nicht ausgedehnt. ‘Schichten von solcher Bedeutung, dals man sie in anderen Ländern ‚benutzen würde, hat man noch nirgends in Grönland entdeckt. Auf ‚dem sogenannten Arsuts-Großseiland sollen nach der Annahme Gie- seke’s, die er auf die Uebereinstimmung des äuflseren Aussehens der 'Felsenmassen und der Beschaffenheit der losen Steine gründete, grolse Eisenschichten verborgen liegen; er selbst hat sie indessen nicht ent- lecken können und es scheint höchst zweifelhaft, ob seine Meinung wirklich begründet ist.

Fragt man endlich danach, ob es wahrscheinlich sei, dafs noch in Grönland andere Stellen entdeckt werden, an denen Bergwerksarbeiten mit Vortheil zu unternehmen wären, so läfst sich allerdings hierüber aur sehr wenig sagen. Obschon die metallischen Mineralien auch bei- nahe allein in den Felsmassen vorkommen können, pflegen sie doch gern von gewissen Mineralien begleitet zu werden, den sogenannten angmassen, welche den gröfsten Theil der Gänge bilden, in denen Metalle gefunden werden. So findet sich das gediegene Silber bei Kongsberg in grolsen Gängen von Kalkspath, welche die Felsenmasse in verschiedenen Richtungen durchkreuzen. An anderen Stellen bilden 8 Schwerspath, Flufsspath und andere ziemlich gewöhnliche Mineralien die gmassen für das Metall. Aber von allen diesen Mineralien muls sagen, dafs sie in Grönland ziemlich selten sind. Kalkspath wird dings hier und dort gesehen, aber obschon er von den Grönländern lich gesucht ist, da sie ihn zu pulverisiren und unter ihren Schnupf- ck zu mischen pflegen, hat man ihn doch bisher nur sparsam in -Grönland gefunden, während er in Nord-Grönland an mehreren ellen ziemlich bedeutende Schichten bildet, jedoch ohne Anzeichen on Metallen zu verrathen. Schwerspath, der in andern Ländern ein öhnliches Mineral ist, war bisher in Grönland noch gar nicht be- gannt; erst vor Kurzem hat der Verfasser ein kleines Stück davon aus ler Gegend von Igalliko erhalten. Flufsspath ist hier und dort im t von Julianehaab gesehen, unter Anderem in Verbindung mit rz in der sogenannten Joswas-Kupfermine, aber überall nur kleinen Quantitäten. Als einen ganz besonderen und nur nd eigenthümlichen Begleiter von Metallen müssen wir endlich schon erwähnten rolith im Arsut-Fjord nennen; derselbe zeigt er unzweideutig als eine ächte Gangmasse für Metalle und wird ‚einen Stelle in sehr grofser Quantität gefunden. Er würde ar. allg. Erdk. Neue Folge, Ban. 19

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sicherlich als ein Kennzeichen dafür, dafs Erze vorhanden sein könn- ten, betrachtet werden müssen, wenn er noch irgendwo anders in Grön- land gefunden würde. Es ist indessen bisher noch nicht geglückt, die geringste Spur desselben an einer anderen Stelle zu entdecken, uner- achtet er sicher zu den Steinarten gehört, von denen die Grönländer Proben mitnehmen würden, wenn sie dieselben anträfen. Man hat also bisher beinahe noch weniger Spuren von solchen Mineralien, welche die Metalle zu begleiten pflegen, gefunden, als diese selbst. Diese That- sache ist jedoch immer noch nicht entscheidend, da jene Mineralien keineswegs nothwendige Bedingungen für das Vorkommen von Metallen sind. Aufserdem darf man vielleicht auch sagen, dafs das Land noch zu wenig bebaut, dals sein Schools noch zu wenig durchforscht ist, und _ dafs bisher nur der Zufall geleitet hat. In dieser Beziehung mufs man aber daran erinnern, dafs die Entdeckungen, zu denen in andern Ländern die Dichtigkeit der Bevölkerung führt, in Grönland durch die steten Reisen und das herumstreifende Jagdleben der Bewohner hätten gemacht werden können, und dafs die Durchwühlung des Erdbodens, wie sie an anderen Orten durch den Feldbau, durch Bau- und Wege- Arbeiten hervorgerufen wird, in Grönland von der Natur selbst be- wirkt wird. Hier hat man keine Wälder, keine tiefe Erdschicht mit einer darauf ruhenden Vegetation, welche die Oberfläche der Felsen auf weite Strecken verbirgt; im Gegentheil höhlen die zahlreichen Ströme und Wasserläufe überall das steile Terrain aus und führen Bruchstücke der Felsmassen mit sich in die Thäler, so dafs man in F ihren Betten ganze Sammlungen der Mineralien aus weiter Umgegend findet. Ueberdies muls man daran erinnern, dafs die Grönländer auf ihren Wanderungen aufmerksame Beobachter sind; man muls sich sehr oft darüber wundern, dafs sie seltene Mineralien bringen, die in ihrem Aeufseren nur sehr wenig von den ganz gewöhnlichen abweichen und die anderen, nicht mineralogischen Reisenden schwerlich aufgefallen sein würden. Nichtsdestoweniger ist es beachtenswerth, dafs mehrere der bis jetzt bekannten mineralogisch merkwürdigen Punkte gerade mit grönländischen Wohnsitzen bebaut sind, und man könnte meinen, dafs sie eben dadurch entdeckt wurden. Dies gilt namentlich vom Arsut- Fjord. Der Kryolith mit den übrigen merkwürdigen Mineralien ist an keiner anderen Stelle in diesem grofsen Lande gefunden, als gerade hier, wo die Grönländer seit uralter Zeit jährlich ihre Zelte aufgeschla- gen haben, sicherlich nicht um Mineralien zu sammeln, sondern um die Fische zu fangen, die sich hier in grolser Menge einfinden; aus den erwähnten Mineralien selbst haben sie die Mauern um ihre Zelte er- baut. Das gediegene Silber ist gleichfalls nur an einer Stelle gefun- den, wo ein Grönländer sein Haus erbaut hat. Sind diese Thatsachen

Ueber die Mineralproducte Süd-Grönlands. 291

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ganz zufällig? oder soll man meinen, dafs eine ausgedehntere Ansie- _ delung auch an anderen Stellen zu ähnlichen Entdeckungen geführt _ haben würde? Wir müssen diese Frage auf sich beruhen lassen und es der Zukunft anheimstellen, ob sie in Grönland Mineralschätze an das Tageslicht ziehen wird. Von nichtmetallischen Mineralien, die allgemeineres Interesse oder praktische Anwendung finden könnten, wollen wir folgende hervor- heben: Der Kryolith ist ein sehr weiches, theils weifses, theils mehr oder weniger dunkelgraues Mineral und durch seine chemische Zusammen- ‚setzung merkwürdig; im Uebrigen erscheint er gewissen gewöhnlichen ‚Sorten Kalkspath nicht unähnlich. Er kommt auf dem Zeltplatz Ivikät Arsut-Fjord vor, unmittelbar am Uferrande, wo er einen ziemlich flachen Felsgrund auf einer Strecke von gegen 150 Ellen Länge und höchstens 30 Ellen Breite bildet, sich aber theilweise unter dem Meere rerliert. Der Kıyolith ist nur auf einigen hundert Quadratellen rein, ‚auf der übrigen Strecke aber mehr oder minder mit den schon erwähn- ten Metallen und vorzugsweise mit Eisenspath vermischt; auf der innern , grölstentheils nur 10 bis 30 Ellen vom Fjorde entfernt, verschwin- det er und scheint schräg unter dem umgebenden Gneis einzulaufen, und hier, längs dieser Kante, mitten zwischen beiden Bergarten, hatte Herr Taylor eine Grube aussprengen lassen, um das Bleierz zu ver- folgen, das sich, wie auch die übrigen Metalle, meist rund um den Rand des Kryolith findet. Das eindringende Seewasser hinderte die Arbeiter, weiter als 5 bis 6 Ellen in die Tiefe einzudringen, weshalb lie Grube zu beiden Seiten fortgesetzt wurde, so dafs man in derselben Kryolith unter sich und Granit als Decke über sich hat. Dieser unter- ische Gang hatte eine Länge von ungefähr 80 bis 90 Ellen, mit drei bführenden schrägen Gängen, in denen man Licht oder Fackeln gebrauchte und ganz den Eindruck eines kleinen Bergwerks erhielt. je ie Ausbeute an Bleierz war jedoch nur gering, es ging zum gröfsten Theile mit dem Schiffe selbst verloren, und die Grube wird jetzt für schöpft angesehen. Selbst der Kryolith, auf den von den bisher er- ähnten Arbeitern keine Rücksicht genommen ist, war zu seiner Zeit ine so grofse mineralogische Seltenheit, dafs er für Sammlungen zu- weilen mit 50 Thalern bezahlt wurde. In dieser Hinsicht ist er heute werthlos; dagegen hat der polytechnische Candidat Thomsen durch eihe von Versuchen erkannt, dafs er sich in technischer Hinsicht rthen läfst. Die Fabrication, auf welche er ein Patent erhalten I’ geht darauf aus, vr Soda zu gewinnen, theils eine in Färbereien r brauchbare Lehmerde aus dem Kryolith zu erzeugen. Man kann ehmen, dafs 1 Pfund Kryolith ungefähr 12 Pfund Soda und + Pfund b 19*

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Lehmerde giebt. Nach den gangbaren Preisen könnte daher aus einem Centner Kryolith Soda im Werthe von 4 Thalern gewonnen werden; der Werth der Lehmerde dagegen, die durch denselben Prozels ge- wonnen wird, läfst sich noch nicht berechnen, da sie bisher in der Praxis noch nicht im Grofsen angewendet ist, und sie ist es haupt- sächlich, die das Unternehmen bezahlen müfste, da es höchst zweifel- haft ist, ob der Kryolith von Grönland aus für 34 Thlr. pro Centner beschafft und in Soda verwandelt werden kann. Nach Thomsen’s Ver- suchen kann der Kryolith auch direet von den Seifensiedern zur Lauge benutzt werden, wenn er mit Kalk gekocht wird, aber dann besitzt er auch nur den Werth von 34 Thalern pro Centner, da die Lehmerde mit in die Seife geht und unbenutzt bleibt. Durch eine andere Be- handlungsweise kann man aus dem Kryolith Glaubersalz, Alaun und Flufsspath gewinnen, aber diese Fabrication wird kaum Bedeutung er- langen, da diese Stoffe sehr billig sind und nicht in ausgedehnter Weise Anwendung finden. Endlich hat der Kryolith in der allerneuesten Zeit eine Art Berühmtheit erlangt durch seine Verwendbarkeit zu dem so- genannten Aluminium-Metall. Aber abgesehen davon, ob dieses Me- tall, das sich durch seine aufserordentliche Leichtigkeit auszeichnet, jemals eine wesentliche Bedeutung in der Industrie erlangen wird, muls man daran erinnern, dafs es durchaus nicht ausschliefslich dem Kryo- lith eigenthümlich ist, sondern einen Bestandtheil jedes Lehms und der meisten Bergarten, welche die Masse der Erde ausmachen, bildet. Sicher ist es allerdings, dafs das Aluminium leichter aus dem Kryolith, als aus anderen Mineralien gewonnen werden kann, aber der Prozefs ist noch immer so kostspielig, dafs dieser Vorzug des Kryoliths nur sehr wenig in Betracht kommt. Zur Gewinnung des Alumins wird ein an- deres Metall gebraucht, das Natrium, das noch vor kurzer Zeit 150 Thlr. 7 pro Pfund kostete. Die Hauptsache bleibt also, dieses Metall billiger herzustellen, dann erst würde auch der Kryolith für diese Fabrication Bedeutung bekommen. Es sind an Kryolith in den letzten Jahren auf den Schiffen der Handelsgesellschaft eirca 200 Centner und von Privat- Interessenten im Jahre 1856 eirca 2500 Centner fortgesendet worden. Die Ausdehnung des reinen Kryolith und die Tiefe, bis zu welcher er gegraben werden kann, bevor das Seewasser eindringt, ist jedoch so gering, dafs die Grube nur auf eine Reihe von Jahren einer einzigen Fabrik Material liefern könnte. Einen bestimmten Ueberschlag über den Vorrath zu machen, besitzen wir noch nicht hinreichende Daten. Weichstein, oder die geschmeidige Steinart, aus der sowohl die alten Nordländer, wie die jetzt lebenden Grönländer ihre Kochgeschirre verfertigt haben, hat eine ziemlich grofse Ausbreitung in Süd-Gr

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® Ueber die Mineralproducte Siüd- Grönlands. 293 ' land; er ist eigentlich eine Zusammensetzung von mehreren Minera- lien und in Folge dessen auch sehr verschieden. Die gröberen Varie- _ täten sind von grauer Farbe und haben verschiedene Einmischungen, wogegen es feinere Sorten von ganz gleichartiger Zusammensetzung, grüner oder weilser Farbe und halb durchsichtig giebt. Seitdem die - Grönländer angefangen haben, durch den Handel eiserne Töpfe zu be- _ kommen, sind die aus Weichstein gefertigten nach und nach mehr aufser Brauch gekommen und man trifft sie jetzt bei Weitem nicht mehr in ‚allen Häusern. Dagegen sind die Lampen der Grönländer ausschliefs- lich aus Weichstein gefertigt; jede Familie besitzt eine oder mehrere ‚derselben, und obschon sie an und für sich sehr dauerhaft sind und als Erbstück von Geschlecht zu Geschlecht gehen, darf man doch wohl kaum annehmen, dafs sie im Durchschnitt länger als 20 bis 30 Jahre halten, und wenn sich daher 2000 solcher Lampen und anderer Weich- ‚steintöpfe in Süd-Grönland vorfinden, würde sich die jährliche Fabri- cation auf 70 bis 100 Stück belaufen. Der Weichstein findet sich nicht überall; im Distriete von Julianehaab ist er kaum an einer einzigen Stelle so bekannt, dafs er benutzt würde; der nächste Punkt, von dem er geholt wird, ist die Insel Sermosok in der Nähe von Arsut. Man ‚unternimmt zeitweise, doch durchaus nicht regelmäfsig in jedem Jahre, "aus den südlicheren Gegenden Expeditionen in Weiberbooten dorthin, um Weichstein zu holen. In gröfster Menge findet man ihn im Distriet von Godthaab an mehreren Stellen und über ganze Gebirgsstrecken verbreitet; dort kommen auch vorzugsweise die feineren Varietäten vor. Uebrigens bilden die Lampen einen eigenthümlichen Handelsartikel unter den eingeborenen Grönländern, namentlich nach den Gegenden, ı denen kein Weichstein gefunden wird. Die Kochtöpfe aus Weich- n sind in gewisser Hinsicht sehr zweckmälsig, namentlich deshalb, reil die Erwärmung derselben sehr gleichmälsig geschieht; auch lassen sie sich den verschiedensten Hitzegraden ohne Uebergang aussetzen, ohne zu springen. Die alten Nordländer in Grönland scheinen sich v orzugsweise solcher Weichsteintöpfe bedient zu haben, denn Topfscher- ben von gebranntem Lehm sind kaum irgendwo in den Ruinen ge- funden. In einem alten Berichte heifst es, sie hätten Töpfe von solcher fse gehabt, dafs 10 bis 12 Laes hineingegangen seien, ein Maals, ches jedoch sehr unsicher ist; im Distriet von Godthaab hat man em der Brüche einen noch unvollendeten Topf dieser Art gefun- s lassen sich aus den feineren grünen, rothen, weilsen und 0 armorirten Sorten Weichstein mit grolser Leichtigkeit sehr sche Gegenstände bereiten, da sich die Masse mit einem ganz ge- nlichen Messer behandeln läfst; die Grönländer liefern auch ein

294 H. Rink:

und das andere Fabricat für den Verkauf an die Dänen, doch ist es meist sehr rohe Arbeit, die in aller Eile angefertigt wurde, wenn sie Geld brauchten.

Blyant findet sich an mehreren Stellen, aber überall nur von grober Qualität, sowohl im Distriet von Julianehaab an zwei Punkten, als auch bei Arsut, wo er ein auffallend feines Aussehen hat und in Masse vorkommt, sich aber bei näherer Besichtigung stark mit Lehm untermischt zeigt und deshalb sehr hart und kaum brauchbar ist. Es kann wohl kaum die Rede davon sein, dieses Mineral an einem der bisher bekannten Fundorte zu benutzen, besonders da es so ausge- zeichnet in Nord-Grönland vorkommt.

Brennmaterial aus dem Mineralreiche bietet Süd-Grönland gar nicht dar. Steinkohlen hat man zu verschiedenen Zeiten gesucht und es giebt ein Paar Gegenden, wo man bestimmt geglaubt hat, sie finden zu müssen, ohne jedoch die geringste Spur von ihnen zu entdecken, und man weifs auch nicht, was den Anlafs zu solcher Meinung gege- ben hat, da die Gebirgsbildungen, die in Nord-Grönland Steinkohlen führen, in Süd-Grönland noch nicht gesehen sind. Der Torf ist von solcher Beschaffenheit, dafs er sich eher dazu eignet, dem Pflanzen- reiche zugezählt zu werden.

Grobes Baumaterial hat man überall in der Nähe, ausgenommen Kalk, der so gut wie ganz fehlt. Flache und regelmäfsige Bausteine findet man häufig theilweise ganz lose, theilweise kann man sie mit _ grolser Leichtigkeit mit Brechstangen aus den Felsen brechen, wo die- selben in ihren Aufsenkanten etwas verwittert sind und sich in flachen Stücken nach der Lage der Schicht absondern lassen, was sehr oft der Fall ist. Lehm, den man in den letzten Jahren mit Glück dazu ver- wendete, Steinmauern für die dänischen Häuser zu erbauen, um theil- weise den kostspieligen Kalk zu ersetzen, findet sich zwar nicht gerade überall, doch nirgends weiter als 4 bis 2 Meilen von jedem bewohnten Platze. Seltener jedoch ist er von der Beschaffenheit, dafs er sich zum Brennen eignet. |

Von Edelsteinen oder Steinen, die sich zur Schleifung und Ver- arbeitung als Luxusgegenstände eignen, hat man in Süd-Grönland nur sehr wenige gefunden. Auf einer Stelle im Distriet von Julianehaab kommt ein grüner Feldspath oder Amazonenstein, doch nicht von be- sonderer Güte, vor. In der Umgegend von Godthaab wird eine Art dunkelfarbiger Bergkrystall, Rauchtopas, gefunden, den man zu schlei- fen versucht hat. Granaten sind, soviel man weils, überall von der gewöhnlichsten Art, und so edle Sorten, wie bei Omenak und Uperni- vik, sind hier nicht bekannt. Dagegen giebt es an mehreren Stellen recht merkwürdige Mineralien, die Werth für wissenschaftliche

# Ueber die Mineralproducte Süd - Grönlands. 295

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lungen haben, die wir bei anderer Gelegenheit erwähnen werden und die ein weites Feld für reisende Mineralogen bilden.

Schliefslich müssen wir noch einmal auf die vielen ungewöhnlichen Schwierigkeiten: aufmerksam machen, die jedes Bergbauunternehmen in diesem Lande darbieten würde. Es giebt hier keine Transportmittel jer Land, und Alles, was mit Vortheil benutzt werden soll, mufs dicht ‚am. Meere liegen. Es giebt hier kein Brennmaterial zum Schmelzen und die rohen Erze mülsten als solche nach Europa transportirt wer- den, während in anderen Ländern die Schmelzhütten dicht bei den Bergwerken liegen und von Wäldern oder Steinkohlengruben umgeben sind. Hier ist die Bevölkerung dünner und zerstreuter, als in jedem sonst bewohnten Lande, und diese wenigen Bewohner haben genügend damit zu thun, ihre eigenen unmittelbaren Lebensbedürfnisse herbeizu- schaffen. Daher müfste alle Arbeit durch europäische Arbeiter ausge- werden, denen sämmtliche Lebensbedürfnisse aus Europa zuge- führt werden mülsten und denen der Verzicht auf die Behaglichkeiten der Heimath durch höhere Lohnsätze aufgewogen werden mülste. Die Schiffe endlich, welche die Producte holen sollen, haben hier keine andere Fracht oder Aussicht auf Verdienst. Alle diese Schwierigkeiten beweisen, dafs selbst solche Minenarbeiten, die sich in anderen Län- dern gut bezahlt machen, hier vielleicht nicht rathsam sind, und dafs die Mineralien in aufserordentlicher Masse und unter vorzüglich gün- stigen Umständen vorkommen müfsten, wenn ihre Bearbeitung hier lohnen sollte.

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| x1. , Reise durch die Pampas.

Bruchstück aus der später erscheinenden Reise durch Süd- Amerika von H. Burmeister.

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E Zweiter Abschnitt. Vom Pueblo Rio Quarto bis Mendoza.

- Den 4. März. Die Gegend um Rio Quarto nimmt schon einen was anderen Charakter an: das eigentliche Pampasgebiet mit dem zten Horizont endet hier, es tauchen in der Ferne Gebirgs- und langgezogene Hügel mit breiten Thalmulden dazwischen

zen eine gewisse malerische Abwechselung in die Flur. Gleich

er Stadt, die auf einem Plateau liegt, ist das Land noch eben; A Rücken mit weiter Fernsicht, welche nach Nordwest von

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den herüberblickenden Höhen der Sierra de Cordoba begrenzt wird. Ich hatte schon gestern, auf der letzten Station vor Rio Quarto, Spuren derselben am Horizont wahrgenommen, aber deren Formen nicht deut- lich erkennen können; heute übersah ich das ganze Gebirge in blauer Ferne als einen mäfsigen, langgedehnten Höhenzug, ohne markirte Gipfel, mit wenig Abwechselung in der Form des Kammes, aber deut- lichen, davon ausgehenden Seitenjochen. Nach einiger Zeit senkte sich das Terrain vor mir zu einer Mulde, der Weg führte in einen weiten Kessel, der jenseits durch eine Kette von Lehmhügeln mit schroffen Abstürzen begrenzt wurde; der Boden umher war feucht, aber ohne offene Wasserstellen. So kamen wir nach einer kleinen Estancia, La- gunilla, wo ohne Verzug die Pferde gewechselt wurden, und fuhren bald weiter nach der Hauptstation Ojo de Agua, 9 Leguas von Rio Quarto, hier den im Thale sich hinschlängelnden Flufs zum ersten Male überschreitend. Etwa eine Legua später mufste der Flufs zum zweiten Male durchfahren werden, wobei ich erkannte, dafs die ab- schüssigen Lehmhügel, welche ich schon so lange vor mir gesehen hatte, sein nördliches Ufer bilden; er schlängelte sich in vielfachen Windungen neben uns durch die Ebene. Der Boden ist hier kahl und \ mit dem üblichen Grase bedeckt, wie überall in den Pampas; Vizeacha- Löcher waren umher sichtbar, nebst Erdeulen, aber keine Caranchos; sie fehlten schon seit zwei Tagen. Die Sierra de Cordoba kommt uns inzwischen immer näher, so dafs sich ihre einzelnen Ketten hinter ° einander jetzt schon recht deutlich unterscheiden lassen. Dicht vor | dem nächsten Stationsorte, genannt Barranquita, führt der Weg über eine mälsige Höhe, auf deren Gipfel fester Granit ansteht. Das war also das äufserste Ende der im Boden versteckten plutonischen Gesteine ° der genannten Sierra. Rollsteine, welche ich seit Montevideo nicht mehr im Felde gesehen hatte, lagen in Menge umher und gaben der Gegend einen eigenthümlichen Charakter; doch war die Flur auch hier noch ganz kahles, ödes Pampasfeldl. Von der Höhe sah ich den Stationsort malerisch zwischen grofsen Weidenbäumen unfern des Flusses gelegen, der jetzt von steilen hohen Lehmufern eingeengt an uns vorbeiflielst. Barranquita ist eine hübsche Estancia, deren Be- völkerung ich auf dem Hofe versammelt, mit Kürbifsschälen beschäftigt, antraf; eine andere Reisegesellschaft hatte sich schon vor mir einge- funden, darunter ein junger Offizier mit fünf ihn begleitenden Drago- nern. Man schätzt die Entfernung nach Ojo de Agua zu 6 Leguas. Die Strafse von hier nach Achiras, einem kleinen Städtchen an der Grenze des Gebirges gegen die Pampas zu gelegen, geht anfangs im Flufsthale auf gleichförmiger Ebene fort und führt nochmals an den

Reise durch die Pampas. 297

rechts nach links, d. h. von Nordwest nach Südost; die Fuhrt geht _ von der nördlichen auf die südliche Seite hinüber und bleibt eine kurze Streeke im Flufsbette, weil hohe steile Gehänge den graden Uebergang _ unmöglich machen; sie windet sich im Bogen um einen Vorsprung des _ Ufers herum und steigt an der anderen Seite desselben wieder empor. _ Der Flufs selbst ist ein klares Wasser, das über Kies zwischen grofsen - Rollsteinen plätschernd dahineilt. Am entgegengesetzten Ufer hebt sich der Boden bald wieder und bringt uns nach Zurücklegung einer Le- _ gua allmählich auf die Höhe eines südlichen Ausläufers der Sierra de Cordoba; das Terrain ist felsig, hauptsächlich fleischrother Feldspath mit grofsen weilsen Quarzmassen, aber wenig Glimmer gemischt; die _ äufserste natürliche Oberfläche zu weilser Tosca verwittert und überall mit Geröll bedeckt. An der erhabensten Stelle des Ueberganges hat man einen angenehmen Blick in eine kleine Gebirgslandschaft; ein weites Thal breitet sich zu den Füfsen des Reisenden aus, von den "vielfachen Krümmungen eines Flusses durchbrochen; jenseits desselben liegt am Fufse der Berge, welche die Grenze bilden, die kleine Stadt Achiras, an den untersten Hügelungen des Gebirges emporsteigend. jald ist auf dem geneigten, aber sehr holperigen Wege, der über ab- ‚gewaschene Granitmassen führt, der Flufs vor uns erreicht; wir über- schreiten ihn, ein kleines unbedeutendes Wasser, etwa eine halbe Le- ‚gua vor der Stadt und fahren auf ähnlichem harten Gesteine an der entgegengesetzten Seite den ersten Häusern zu, von neugierig aus- ‚schauenden Weibern, die hinter den Erdmauern versteckt zur Thüre ' des Hofes hinausblicken, empfangen.

= Achiras ist ganz wie Rio Quarto gebaut, aber kleiner und ärm- lieher, die Kirche ein thurmloses Gebäude, in dessen offenem Dach- ‚giebel eine Glocke hing, überhaupt der Anblick des Ortes höchst un- ‚erfreulich wegen der Sorglosigkeit und Unreinlichkeit, die mir darin zu herrschen schien. Nichtsdestoweniger hörte ich in einem Hause an ‚der Ecke des Marktes, das ich eher für einen Stall gehalten haben würde, Billard spielen und erfuhr bald, dafs es der Belustigungsort der sigen Einwohner, eine Art Ressource sei. Denn obgleich die Er- einung des Ortes ärmlich ist, so soll es doch einige reiche Leute in geben, durch den Besitz einträglicher Minen in den benachbarten . Man gewinnt Kupfer und Silber, weils aber mit den reichlich andenen Erzen nicht recht umzugehen, da es an Allem fehlt, was "Bearbeitung erheischt. Ich bestieg in Begleitung meines Wirthes der nächsten Hügel, der wie das ganze Gebirge umher aus hell-

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nacktes Gestein, in den Fugen und Rissen mit spärlichem Graswuchs bekleidet und auf den Höhen nach Art der Granitkuppen des Harzes in grolse Trümmer zerfallen, welche aus der Ferne alten Burgruinen ähnlich sehen. Im Allgemeinen wiederholte sich mir die Formation der Banda Oriental, mit dem Unterschiede, dafs die plutonischen Sub- stanzen hier nach Verhältnifs höher und mächtiger auftreten. Senkrecht darin aufsteigende Gänge führen die Erze, besonders Kupferkies und Bleiglanz, mit Silber gemischt.

Den 5. März. Unsere Tagereise bewegte sich heute durch ein ganz ähnliches Terrain, wie das gestrige zwischen Barranquita und Achiras. Anfangs führte die Strafse bergan auf einen Höhenzug in Nordwest, der mit zahlreichen nackten Felsengruppen decorirt war. Jenseits desselben gelangten wir in ein flaches, kahles Thal, von einem Bache mit schnellfliefsendem Wasser durchströmt, dessen Richtung, wie bisher, von Nordwest nach Südost ging. Zahlreiche Rinder und Pferde bedeckten den gegenüberliegenden flachen geneigteren Abhang, hinter dem ein scharf abgesetzter, isolirter Gebirgskamm mit stumpfzackiger Firste sich erhebt. Man nannte mir ihn Morro de Monasterio. Auf dem Wege fand ich in dieser Gegend öfters einen sehr eigenthümlichen Käfer, das Eueranium arachnoides Dej., welchen ich schon gestern bald hinter Rio Quarto bemerkt, aber nicht gleich erkannt hatte; er ist ein charakteristischer Repräsentant für die hiesige Fauna und als naher Verwandter der nur in der alten Welt einheimischen Gattung Ateuchus von grolsem wissenschaftlichen Interesse. Hier war er wäh- rend des ganzen heutigen Weges und weiter bis St. Luis hin ziemlich häufig; jenseits St. Luis habe ich ihn nicht mehr wahrgenommen. Der Käfer schleppt ebenfalls Mistballen fort, aber nicht, wie die ächten Ateuchen, mit den Hinterbeinen sie haltend und durch Rückwärtsgehen in eine förmliche Kugel formend, sondern er nimmt jeden beliebigen Mistklumpen zwischen die Vorderbeine und geht auf den vier hinteren, den Kopf voran, weiter, den Ballen in erhabener Stellung frei tragend. Etwas weiterhin bemerkte ich auch den seltenen Eudinopus dytiscoides im Wege sitzen, konnte aber nicht ergründen, wozu dem Thiere die überaus langen Mittelbeine neben so kurzen hinteren dienlich sind; es sals still niedergeduckt unter überhängenden Grashalmen, etwas einge- scharrt in den Boden, und war das einzige Individuum, das ich fing; ein zweites, welches mir auf der folgenden Station in den Weg kam, wurde von einem Pferde zertreten. Durch das Erscheinen dieser Käfer ist ein eigenthümliches Organisationsgebiet deutlich bezeichnet; fortan fehlten Vizeacha-Löcher in der Flur, aber die Erdeule verschwand da- mit nicht, sie findet sich noch bei Mendoza, wo es keine Vizeachas giebt. Caranchos vermilste ich schon seit zwei Tagen, wenigstens di 2

Reise durch die Pampas. 299

kleinere Art; der Polyborus brasiliensis dagegen hielt Stand, und ist am ganzen Wege gleich gemein, selbst bei Mendoza, wo übrigens der ‚kleine Carancho nicht minder häufig ist.

Um 10 Uhr erreichten wir die 6 Leguas entfernte Station Porte- zuelo in einer etwas ebeneren offenen Gegend; die Flur ist völlig "kahl, blofs von feinem Pampasgrase bekleidet und ohne alles Gebüsch; - hie und da ragen nackte Felsenkuppen aus dem Erdreich hervor; ein sehr weiter Horizont bietet sich den Blicken dar, an die alten end- losen Pampasflächen erinnernd, aber nach Norden von der stets sicht- ‚bar bleibenden Sierra de Cordoba umschlossen. Anderthalb Stunden später erreicht die Strafse einen tief eingeschnittenen Bach mit grofsen ‚Rollsteinen in seinem Bette, der durchfahren werden mufs; die Wasser - fliefsen, wie bisher, von Nordwest nach Südost. Das Land ringsum ist hügelig, aber kahl; eine einzige Stelle des Ufers bekleidet etwas Gebüsch; Schafe und Rinder weiden auf der Flur. Wir sind hier dem Gebirge sehr nahe, ich erkenne das Gestein als Gneifs, aus hellfleisch- _ rothem Feldspath mit vielem schwarzen, feinblätterigen Glimmer ge- - bildet; auf seinen Gehängen wachsen gar keine Holzpflanzen, nur dürres Gras zittert auf dem gröfsten Theile seiner Oberfläche. Während wir über das lang auslaufende südliche Ende des Gebirges hinfahren, zieht ein Gewitter von Südwest herauf und bedeckt alsbald mit tiefhängen- den dichten Wolken das ganze Revier; wir sind in einen undurch- dringlichen Nebel eingeschlossen, aber zum förmlichen Regen conden- sirt er sich nicht. Ein kalter Wind begleitet und treibt die Wolken, h friere heftig in meinem Karren und sehe mich genöthigt, zum Mantel zu greifen. Indessen zieht das Unwetter bald nach Osten wei- ter; vor uns klärt es sich auf, während von hinten her ferner Donner herübertönt und rechts neben uns die Nebelwolken unmittelbar über dem Erdboden weiter eilen. Wir jagten hier einen Hirsch durch das Gepolter des Karrens auf und sahen einen kleinen Libellenschwarm über das Thal streichen.

So gelangten wir um 1 Uhr nach dem Arroyo de San Jose, sinem Dorfe am Ufer eines Flusses mit breitem Bette aber wenig ser, der sich am Fulse einer Hügelkette jenseits hinzieht und der- n stellenweise ganz trocken ist; auch er fliefst von Nordwest nach . Dichte Nebelwolken umhüllen bald die ganze Gegend, es steigt uns im Süden ein schwarzes Gewitter auf, vor dem in der Ferne "Sonnenschein die Gegend grell beleuchtet; ein merkwürdiger ‚auf anscheinend so geringer Entfernung. Bald hören wir den

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des Posthauses, in dem wir uns glücklicher Weise bereits befanden. Endlich bricht es auch über uns herein: ein fürchterlicher Regen mit erbsengrofsen Hagelkörnern strömt hernieder, die Blitze zucken im schwarzen Gewölke, der Donner folgt unmittelbar darauf, und unter fürchterlichem Gekrache sehen wir den Strahl in ein Haus der abwärts von uns fortgehenden Strafse schlagen, dafs Staub und Fetzen davon- fliegen. Meine Umgebung, aus vier Männern bestehend, verhielt sich merkwürdig ruhig und gefafst; als ich aber in den Hof blickte, sah ich in den versteckten Zimmern des Gynäceums alle Weiber in Decken gehüllt auf dem Boden herumliegen, heulend und schluchzend den Him- mel um Gnade und Rettung anrufend.

Das Unwetter dauerte mit dieser Heftigkeit etwa eine Stunde, dann war es über uns hinweggegangen; wir sahen nunmehr die schwar- zen Wolken im Nordosten hinter uns. Leider liefs der Regen nicht sofort nach, es kamen immer wieder heftige Schauer angezogen und machten die Aussicht, heute noch weiter zu reisen, stets bedenklicher; und doch war es nöthig, wenn ich anderen Tages in San Luis sein wollte. Als es gegen 3 Uhr so klar wurde, dafs ich hinausgehen konnte, begab ich mich an den Flufs, um zu sehen, wie er jetzt aus- sehe; er war ein reifsender Bergstrom geworden, dessen trübe lehm- graue Wasser hoch tobend, mit Schaum bedeckt, dahin rauschten und Alles mit sich fortrissen, was sie bewegen konnten; ich hörte vor- a nehmlich das Gepolter der Rollsteine, welche der Strom hier fortwäh- rend an einander warf und mit sich fortnahm. So wartete ich bis 4 Uhr, dann gab ich Befehl zur Abreise; meine Leute waren bereit, obgleich ungern, denn als wir eben abfuhren, kam noch ein heftiger Regengufs; er dauerte indessen nur 10 Minuten und war glücklicher Weise der letzte. Wir fuhren bergab und hatten es darum leicht; aber der Weg, über im Boden versteckte Gesteine führend, war sehr schlecht und stellenweise ganz mit Wasser überlaufen, das mit uns weiter ging. So kommen wir in ein weites flaches Thal, das nur vor uns von kei- nen Bergzügen begrenzt wird und als weite Ebene mit niedrigem Ge- 7 büsch wieder ganz den alten Pampas-Charakter annimmt. Wir fuhren 7 auf spärlich mit Grasbüscheln bekleideter Flur, zwischen mannshohen Gesträuchern, unter manchen Hindernissen, welche uns das von allen "| Seiten herabströmende Wasser bereitete, weiter und kamen bald nach 6 Uhr an eine sehr ärmlich aussehende kleine Estaneia: Morro de los Loros, um dort zu übernachten. Die Familie des Hauses war zahlreich, und da es keine Poststube gab, so schlief ich mit ihr in demselben einzigen Zimmer, welches sie hatte, weil heute der stark gefallene Regen es Niemand erlaubte, im Freien, wie sonst, sein Nacht- | lager zu nehmen. Von hier nach San Jose sind 4 Leguas, de ro

Reise durch die Pampas. 301

halter liefs sich aber 6 bezahlen, um sich dafür schadlos zu halten, dafs ich nicht bei ihm bleiben und ein theures Abendessen verzehren wollte.

- Den 6. März. Zu meinem nicht geringen Verdrusse hatte sich während der Nacht der ganze Himmel bezogen; es war also keine - Aussicht, auch heute ohne Regen davon zu kommen. Bis wir zur Ab- fahrt kamen, hielt sich der Nebel, als aber nach 7 Uhr die Sonne höher ‚hinauf gerückt war, ging er bald in heftigen Regen über. Ich fuhr ‚indessen weiter, da es gegen den Tag und nicht gegen die Nacht ging, ‚irgend eine Gefahr also nicht zu befürchten stand, und hatte die Be- friedigung, nach 2 Stunden der Regenzone entgangen zu sein. Die Gegend umher war anfangs eben, ein gewöhnliches Pampasfeld, später - mit kleinen Gebüschen, Leguminosen und Myrtaceen, bedeckt, die, je weiter wir kamen, an Gröfse und Dichtigkeit zunahmen und endlich, als wir uns der folgenden Station, Rio Quinto, näherten, in den üher beschriebenen waldartigen Charakter übergingen. Rio Quinto 6 Leguas von Morro de los Loros und liegt an beiden Ufern des gleichnamigen Flusses, von spärlich bewaldeten Höhen umgeben. Das -Flufsbett hat eine ansehnliche Breite, wird von hohen steilen Lehm- ufern gebildet, die oben eine mehrere Fufs starke Schuttschicht mit groben Geröllen tragen, und enthält zahlreiche Rollsteine, zwischen denen sich nur wenig Wasser hinwindet. Hie und da blickte abge- 'waschene rothe Tosca zwischen dem Kiese hervor. Seine Richtung ist die gewöhnliche von Nordwest nach Südost. Das Dorf besteht etwa

gen und hat ein sehr ärmliches Ansehen. Die Natur war aber ange- n. ehmer als bisher und unterhielt mich durch zahlreiche, mir unbekannte Vögel in den Bäumen. Ich sah hier die ersten Aasgeier (Cathartes

sitzen und ergötzte mich besonders an einem kleinen rostrothgelben Vogel mit weilslichen Flügeln und hoher Stirnhaube, der dem Furna- ius rufus ähnlich sah, aber kleiner war, und auf dem benachbarten Baume sitzend unaufhörlich sein schmetterndes Lied erschallen liefs.

Die nächste Station von Rio Quinto heifst Rosario und ist 8 Le- as entfernt; der Weg dahin führt durch eine gleichförmige Ebene, bald den buschigen Charakter des Landes um Rio Quinto wieder und allmählich ganz kahl wird. Weiter habe ich darüber nichts emerken, als dafs ich, während die Pferde auf der Station umge- at wurden, unter trockenem Mist die erste Nyctelia fing, eine rm, welche ausschliefslich dem Gebiet der Cordilleren angehört y bewies, dafs hier schon ihr Einflufs auf den Organisations- ' sich bemerklich macht. In der Ferne sah ich die Berge von

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San Luis in 4 Leguas Abstand vor mir. Wir gelangten dahin auf einer anfangs buschlosen, allmählich aber mit den üblichen Holzpflan- zen bestandenen Ebene, die etwa 1 Legua vor San Luis auf die Ge- birgszüge sich drängt, welche die Umgebungen des Ortes einfassen. Zahlreiche Leguminosen, feinblätterige Myrten, ein Gewächs wie ein Ilex und andere vom Ansehen des Lorbeerbaumes standen umher, zum Theil so dicht, dafs sie ein förmliches Gebüsch bildeten. Dieser wal- dige Charakter war besonders deutlich zu beiden Seiten des kleinen Flusses Corrigo, den wir etwa 5 Legua vor San Luis überschritten, nachdem wir zwischen zwei hohen Bergzügen hindurchgefahren waren und darin einen Flufs ohne alles Wasser, den Rio seco, dessen Bett blofs durch gleichmäfsig feinen Kiessand angedeutet wurde, angetroffen hatten. San Luis de la Punta, wie der Ort vollständig heifst, ist eine kleine Stadt, gröfser als Rio Quarto, aber nicht viel besser gebaut, | in einem Thale zwischen hohen Bergen nach Norden, Osten und Sü- . den gelegen, deren Abhänge mit Gebüsch bekleidet sind, wodurch sie einen nieht unangenehmen Eindruck machen. Sie gehören zum System der Sierra de Cordoba, bestehen, wie diese, aus plutonischem Gestein ö und enthalten reiche Erzadern. Die Gegend umher ist fruchtbar und namentlich das Obst sehr gut; ich sah in dem Garten des Wirths- hauses, wo ich einkehrte, Pfirsiche, Feigen, Weinreben und Orangen, | alle völlig so gut, wie in ähnlichen Anlagen bei Florenz, Pisa, La Spezia und anderen benachbarten Orten Italiens, die ich besucht habe. Besonders ausgezeichnet waren die Feigen; man beschäftigte sich gerade damit, sie zu trocknen, denn es wird viel Backobst von hier nach Bue- nos Aires und Montevideo versendet.

Den 7. März. Trotz mancher Hindernisse kam ich heute ziem- lich früh auf den Weg. Als ich die Stadt hinter mir hatte, gelangte ich auf eine buschige Hochebene mit weiter Aussicht, deren Boden sanft geneigt vor mir sich abwärts senkte, und sah zu meiner freudigen ° Ueberraschung am fernen Horizont jenseits der weiten Ebene, die von hier bis Mendoza ununterbrochen fortgeht, und jetzt wie ein tief blau gefärbtes Meer vor dem Gebirge lag, in einem Abstande von mehr als 100 Leguas zum ersten Male die weilsen Schneegipfel der Cordilleren, den gewaltigen Aconcagua, den regelmälsig gestalteten, flach glocken- förmigen Tupungato, den graden Kegel des Maypu mit deutlicher kraterförmiger Einsenkung am Gipfel ein erhebender, ewig denk- würdiger Augenblick für mich. Stolze Wünsche, schöne Hoffnungen waren endlich in Erfüllung gegangen; ich kam den höchsten Bergen der Erde so nahe, dafs ich sie mit eigenen Augen bemessen, an ihren Formen mich weiden, zur näheren Untersuchung mich anschicken konnte. In mich versunken sals ich da, den Blick unverwandt auf jene Gipfel

h, Reise (durch die Pampas. 303 _ geheftet, mein Leben in freudiger Rührung musternd, wie es mich _ durch manche Irrwege und manche verlorene Hoffnung nun doch so nahe an das grofse Ziel meines Strebens gebracht habe. Der Anblick - erquickte mich wunderbar und förderte die Stimmung, die er hervor- gerufen; ich war allein in einem elenden Karren, der im tollsten Ga- _ lopp der Pferde die geneigte Fläche hinabrollte, durch nichts gestört, meinen erhebenden Gefühlen mich hinzugeben; eine Fülle der schön- sten Erwartungen lag gleichsam mir zu Fülsen, ich durfte nur die _ Hand danach ausstrecken, um sie zu Wirklichkeiten, zu unendlichen _ Genüssen zu machen. Mit Niemand hätte ich in dieser Stunde tauschen mögen. = Unter solchen Betrachtungen gelangte ich in die Ebene und ver- lor, als Wolken mit der Hitze des Tages am Horizont vor mir auf- ‚stiegen oder das benachbarte Gebüsch meine Blicke beschränkte, die "Cordillere bald wieder aus dem Gesicht. Die Gegend umher war eine - buschige Heide, deren sehr sandige Oberfläche gar keine niedrigen Kräuter, wohl aber starke, baumförmige Holzpflanzen trug, die allmäh- lich so dicht standen, dafs das Ganze einem luftigen Walde ähnlich _ wurde. Ich unterschied hier deutlich am Schnitt des Laubes drei ver- schiedene Arten baumförmiger Leguminosen vom Ansehen der Acacien und eine vierte ganz blattlose Form, welche ebenfalls einen hohen Strauch bildete und mich an unser Spartium scoparium erinnerte. Mein - Capataz nannte das Gewächs Brea. Viele merkwürdige Vögel hüpften in den Zweigen der Sträucher, darunter besonders Tauben; mehr aber als diese interessirte mich das von den Einwohnern Hase genannte Thier Dolichotis patagonica, welches ich hier zum ersten Male sah und sogleich an seinem ganzen Benehmen das Aguti Brasiliens in ihm erkannte. Von demselben Gestalt, Farbe und Zeichnung anneh- mend, unterscheidet es sich durch den scharfwinkeligen Zahntypus der Gattung Caria sehr bestimmt und pafst durch die hellere gelbgraue Farbe mit schwarzbraunem Hinterrücken besser zu seiner Umgebung, buschigen Haiden des südwestlichen Pampasgebiets. Ich sah das ier jetzt, wie hernach immer, paarweise; es lief schnell in grofsen Sätzen über den Weg, setzte sich aber bald, auf den Hinterbeinen ruhend, die Vorderbeine aufgestützt, wie es der Hase thut, und schaute erig den Karren an, als er vorbei fuhr. Es wirft auch, wie der im offenen Bau zwei Junge und versteckt sich bei Nacht im en Gebüsch unter den auf dem Boden ruhenden Zweigen. Gegen 2 Uhr erreichten wir die nächste, 9 Leguas von San Luis rnte Station Los Valdes de la Canada, wechselten schnell die

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gend hatte denselben buschigen Charakter und war ausnehmend reich an Wild; Hasen, Feldhühner, Tauben und Papageien begleiteten uns in Menge; von letzteren eine eigenthümliche Art, welche ich für Oonurus cyanolyseos hielt, übrigens aber schon früher, bei Achiras, gesehen hatte. Die Vögel waren an beiden Orten wenig scheu und setzten sich nicht blofs auf die Gebüsche am Wege, sondern auch auf den Erd- boden in den Weg selbst, bis der näher herankommende Wagen sie aufscheuchte. So flogen sie von Strecke zu Strecke eine Zeit lang mit uns, jedesmal ein lautes Gekreisch erhebend, wenn sie aufgescheucht wurden. Interessanter waren mir die Feldhühner, von denen ich hier drei Arten beobachtete. Der häufigste Hühnervogel der Pampas ist Nothura maculosa, das sogenannte kleine Rephuhn (perdir) der Ein- wohner; man trifft den Vogel überall, aber besonders im offenen, busch- losen Camp, doch nie in Völkern, wie unsere Rephühner, sondern nur einzeln. Hier in diesem buschigen Terrain sah ich nun zwei andere grölsere Arten, die mich lebhaft interessirten; die eine war das gröfsere Rephuhn, Rhynchotus rufescens, ein auch in Brasilien bekannter Vogel, den man hier Martineta nannte; die andere das von d’Orbigny als Eudromia elegans beschriebene Pampashuhn, dessen schon Azara unter dem Namen Martineta gedenkt, ohne es zu beschreiben, den Vo- gel also nicht gesehen hat. Mein Capataz nannte ihn Valdea. Dafs derselbe, obgleich nur dreizehig, doch dem Tinamus nahe verwandt _ ist, sieht man schon an der Art, wie er läuft; mit stark gebogenem Hackengelenk und lang ausgerecktem Halse, wobei der senkrecht emporstehende Fadenschopf ihm besonders ein merkwürdiges Ansehen giebt. Indessen hat die Valdea doch in ihrem ganzen Benehmen so % viel Eigenes, dafs dadurch ihre Absonderung von dem Tinamus ge- rechtfertigt wird. Man trifft sie nur in buschigen Gegenden, nicht im offenen Camp, und fast nie einzeln, sondern paarweise oder in kleinen Völkern von 3 bis 5 Paaren. Die Thiere fliegen kurze Strecken, fallen dann ein und laufen schnell weiter,-ein Individuum hinter dem andern, also alle in einer Reihe, was sehr curios aussieht, zumal wegen der geknickten Beine und des langen, senkrecht getragenen Halses mit dem Schopfe; ich mufste unwillkürlich lachen über diese sonderbaren Aus- reilser, wenn sie mir von Zeit zu Zeit über den Weg liefen. Der Vo- gel ist von hier an bis zum Fufs der Cordilleren hin verbreitet, aber nur da, wo sandiges, mit niedrigem Gesträuch bestandenes Terrain sich findet; das offene Feld meidet er. E La Cobra ist eine Estaneia an einem künstlichen Teiche, wie solche bei den Estancien dieser Gegend in der Regel sich finden, mit gutem Viehstande, aber sehr schlechten Gebäuden. Das mir angewie- sene Postzimmer war eine abscheuliche Barracke und so voll von der

Reise durch die Pampas. 305:

_ grolsen blutsaugenden Wanze Vincucha (Conorrhinus gigas), dafs ich es vorzog, im Freien zu übernachten. Doch auch diese Stelle gönnte _ mir das Schiksal nur kurze Zeit; es zugen plötzlich Regenwolken her- auf, die bald sich entluden und mich in’s Zimmer zurücktrieben. Es - blieb nichts anderes übrig, als mich ganz in eine wollene Decke zu wickeln, um vor den Wanzen sicher zu sein. Diese grofsen, über einen Zoll langen Bestien sind eine sehr lästige Plage der argentini- - schen Lande; sie halten sich am Tage in den Fugen des Dachstuhls oder sonst wo versteckt, und kommen in der Nacht hervor, die im Zimmer Schlafenden anstechend, um ihr Blut zu saugen. Jung und ‚halbwüchsig sind sie noch ungeflügelt und bauchiger gebaut; im reifen Lebensalter haben sie grolse Flügel, einen flachen Leib und fliegen ‚geschickt. Ein recht vollgesogenes Thier schwillt enorm an, und kann den Umfang einer Eichel annehmen; bei mir ist freilich keine so stark geworden, ich fühlte sie alsbald, schon ehe sie gestochen hatte, an der Bewegung auf der Haut, griff zu und rils ihr den Kopf ab. Am an- dern Morgen lag gegen ein Dutzend todt vor meinem Lager.

Den 8. März. Der Morgen war heiter und die Luft rein, trotz des in der Nacht gefallenen Regens; ich sah kurz nach der Abfahrt wieder, wie gestern, die Cordillere vor mir, aber schon klarer und be- stimmter. Die Stralse führt durch ein ganz ähnliches buschiges Ter- rain, wie bisher, das von denselben Thieren bevölkert war; doch nahm die Baumform der Gebüsche allmählich ab und ging in kleinere Sträu- cher über. Poststationen giebt es auf dieser ganzen Strecke von La Cobra bis Biga de la Paz 16 Leguas weit nicht, man muls die Pferde für die ganze Tour mit sich nehmen und läfst die nicht gerade angespannten neben dem Wagen herlaufen, von einem Peon beauf- sichtigt. So gelangten wir um 10 Uhr an den Rio Desaguadero, den gröfsten Flufs zwischen dem Rio Parana und den Cordilleren auf der ganzen Strecke von Rosario bis Mendoza. In seiner äufseren Er- scheinung weicht er schon durch den bedeutenden Wasserreichthum von den bisher angetroffenen Flüssen ab; er fliefst langsam im breiten, tief ausgewaschenen Bette zwischen stark geneigten, kahlen Lehmgehängen di hin und hat gar keine Gerölle, weil er nicht, wie die bisher passir- Flüsse alle, von der Sierra de Cordoba kommt, sondern aus einem en See, der Laguna Silvero, welcher etwa 16 Leguas nördlich ı der Ueberfahrtsstelle liegt und sein Wasser aus allen den kleinen Flüssen erhält, die zwischen San Juan und Mendoza von den Cordille- ı herabkommen. In diesem See und noch mehr in einem anderen, weiter nach Westen gelegen ist, der Laguna de Guanacache, n die Flüsse ihre Gerölle; das Wasser fliefst rein und ganz klar en Seen, die sehr fischreich sind, wieder ab, Der Flufs ist an itschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 20

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der Uebergangsstelle nur für leere Wagen zu passiren, weil er in der Regel so viel Wasser enthält, dafs es beim Durchfahren in den Wagen eindringt; man setzt die Reisenden und ihr Gepäck auf einer schwim- menden Fähre über, deren Einrichtung mich überraschte. Vier grolse, leere Weinfässer waren durch darauf gelegte Balken zu einem Recht- eck verbunden und dieses wieder mit einem aus Stäben gebildeten Rost bedeckt, worauf Leute und Gepäck stehen. Quer über den Flufs ist ein ‘starkes, aus Kuhhaut gedrehtes Seil gezogen und daran bewegt sich die Fähre langsam von einem Ufer zum andern. Ich fuhr eben- falls darauf über, während mein Karren durch den Flufs gefahren wurde, wobei das Wasser den Pferden bis halb zum Rücken hinauf reichte und der Boden des Karrens sich eine Hand hoch mit Wasser füllte; indessen ging die Ueberfahrt gut ab und nach einer Stunde konnte ich meinen Karren wieder besteigen.

Das Land jenseits des Desaguadero nimmt sogleich einen en Charakter an; das buschige Ansehen der Pampas, welches seit Rio Quarto mit localen Unterbrechungen fortgedauert hatte und mit einer gewissen hügelreichen oder felsigen Beschaffenheit des Bodens verbun- den gewesen war, hörte nunmehr ganz auf; eine völlig gleichmälsige Ebene dehnt sich von hier bis zum Fufse der Cordillere in der Nähe Mendoza’s aus und aller natürlicher Baumwuchs schwindet, bis dahin, wo buschförmige Holzpflanzen auf den Schutt- und Trümmerschiechten des Gebirges sich ansiedeln, woraus das nächste Vorland am Fufse der Cordilleren besteht. Unmittelbar am jenseitigen Ufer beginnt eine Salz- steppe, die indessen nicht sehr weit sich ausdehnt; der Boden ist hier ohne alle Pflanzen, hat eine fette, thonige Beschaffenheit und erscheint an allen höheren Stellen ganz weils, wegen des auswitternden Salzes auf seiner Oberfläche. Man trifft solche Salzsteppen vielfach von hier bis Mendoza, noch ganz nahe bei der Stadt, ja im Orte selbst; sie sind stets unfruchtbares Erdreich, was unbenutzt liegen bleibt, weil der Ertrag die Mühe der Bearbeitung nicht lohnt. Die Leute hier halten das Salz für Salpeter und nennen die Stellen deshalb Salitras; es ist aber hauptsächlich schwefelsaures Natron und etwas Gyps, was der Boden enthält. Offene Wasserbecken sieht man in der Regel nicht, wohl aber an manchen Stellen kleine Kieshaufen oder Gerölle, welche beweisen, dafs in den Salitras ebenfalls einst Wasser gestanden haben muls. Die Kochsalzseen, woran das Pampasgebiet reich ist, liegen mehr nach Südosten und sind abgeschlossene Becken, deren Ufer und benachbarte Umgebungen allerlei .Salzpflanzen tragen. Ich habe ein solches Becken bei Saladillo beschrieben; es weicht nur dadurch etwas von den übrigen ab, dafs der Rio Quarto es durchfliefst und ihm einen Abzug bereitet, der in den Carcaranal führt.

Reise durch die Pampas. 307

Wenn man die Salzsteppe hinter sich hat, kommt man in eine gut angebaute Gegend, mit geraden, von Pappeln eingefafsten Land- R _ stralsen und Gräben schnell fliefsenden Wassers zur Seite, die von Zeit _ zu Zeit quer über die Strafse laufen und stets auf guten hölzernen Brücken überschritten werden. In den von Erdmauern eingefalsten _ Feldern sieht man Mais angebaut, oder grüne, mit Esparsette besäete Viehweiden, und überzeugt sich dadureh bald, dafs diese Gegend eine förmliche Cultur besitzt, was von dem bisherigen Pampasgebiet nicht _ gesagt werden kann. Künstliche, zweckmälsig angelegte Bewässerun- gen haben das ursprünglich völlig kahle, baumlose Land umher zu _ einem Garten umgeschaffen, der jetzt Korn, Wein und Obst aller Art _ in Fülle hervorbringt und schon seiner durch die zahllosen langen _ Pappelreihen bewirkten äufseren Achnlichkeit halber mit den Ebenen in der Lombardei viel Uebereinstimmendes hat. Wäre das Land hier so kostbar, wie dort, es würde noch besser benutzt werden können; hier sieht man nur Weinstöcke, oder nur Maisfelder, oder endlich nur Fruchtbaumgärten; nicht, wie dort, das Korn unter den Fruchtbäumen und die Weinreben in grofsen Guirlanden zwischen den Pappeln, welche die Felder einfassen. Darum stehen auch hier die Pappeln viel dichter, ‚ja so dicht neben einander, dafs kaum ein Mensch sich dazwischen _ hindurchdrängen kann; sie dienen zugleich als Zaun und als Holzge- _ hege, denn der Stamm der Pappel ist das einzige Bau- und Nutzholz, _ welches die Provinz von Mendoza, die am Rio Desaguadero ihren An- fang nimmt, hervorbringt; sie dankt dies den Anpflanzungen ihrer An- &. siedler, die ursprünglich aus Chile kamen, um für die dortigen Berg- _ bauer eine passende Kornkammer anzulegen. Das Ganze macht einen ‚sehr angenehmen Eindruck; man überzeugt sich gern, wie leicht Fleifs und guter Wille ein ödes Land in ein gefälliges nutzbares umschaffen "können, und bedauert um so mehr, dafs der bei Weitem grölsere Theil des argentinischen Bodens dieser Güter noch entbehrt. Nur die stets

chen Eindruck; sie fallen um so mehr in die Augen, als man sich dabei der schönen, ganz steinernen, alterthümlich ehrwürdigen oder modern eleganten Häuser an den entsprechenden Oertlichkeiten Italiens innert. Der Boden ist obenauf nicht thonig, sondern ein graues,

biges Erdreich, unter dem der tertiäre Lehm ziemlich tief versteckt '; er rührt von den feinen zerriebenen Gebirgstrümmern der Cor- eren her und ist der oberste Schlamm, den die Gewässer, welche ı Gebirge herabkommen, noch bewegen konnten, als sie zum Trans- von Kies und Rollsteinen keine Kraft mehr hatten. Darum sieht n gebrannte Ziegeln, Ziegeleien und Häuser aus Ziegelsteinen hier 20*

EL.

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so selten; es fehlt aber nicht daran, denn der Fufsboden im Hause besteht in der Regel daraus. Aber wegen des Mangels an Holz, sie zu brennen, sind sie sehr theuer.

Unter Umgebungen, wie ich sie eben beschrieben habe, fuhr mein Karren nunmehr ohne alle Abwechselung weiter und gelangte allmäh- lich von einer Estancia zur andern. Wir wechselten noch zweimal die Pferde (die ersten hatten uns nur bis zum Desaguadero gebracht) und sahen auf der letzten Station vor Biga de la Paz wieder die Cor- dilleren sehr deutlich vor uns, ihre Gipfel von Wolken umhüllt, über welche die schneeweilse Spitze des Aconcagua frei hervorragte. So kamen wir nach dem 16 Leguas von La Cobra entfernten Stationsorte Biga de la Paz, einem kleinen Dorfe von sehr weitläuftiger Anlage neben einer grolsen, festungsartig gebauten Artillerie-Kaserne, deren aus weichen Erdpatzen aufgeführte Mauern auf mich, der ich den so- liden Baustyl dagegen in’s Auge falste, einen mehr komischen, als im- ponirenden Eindruck machten. Ein einziger Kanonenschufs gegen den schlanken Thurm auf der Ecke wirft ihn unfehlbar in Trümmer. Ich wandle hier auf der langen, breiten, schnurgraden Stralse des Dorfes, an der hin und wieder ein Haus liegt, vor der Kaserne in der Abend- frische auf und nieder und weide mich am Anblick der Cordilleren, die gerade vor mir in der Perspective der Strafse liegen und eben von der hinter ihnen untergehenden Sonne prachtvoll beleuchtet werden; die Gipfel sind jetzt von Wolken befreit und setzen sich mit ihrer Schneedecke scharf ab von dem blauen Himmel in ihrem Hintergrunde. So sah ich sie allmählich, wie es dunkler und dunkler wurde, meinen Blicken in stets undeutlicheren Umrissen entschwinden.

Den 9. März. Die heutige Tagereise von Biga de la Paz nach Retamo beträgt 24 Leguas und führt auf halbem Wege durch La Dormida, andere kleine Estancias, wo nicht angehalten wurde, viel- fältig berührend. Der Weg geht in der Nähe des Rio Tunuyan durch eine Gegend, welche man Las Catitas nennt; er bleibt in- dessen dem Flusse fern und bewegt sich durch dasselbe überall ange- baute Terrain, gröfstentheils so zwischen Pappeln eingeschlossen, dafs wenig mehr als die Stralse zu sehen ist. Eine bedeutende Strecke vor La Dormida war die Gegend uncultivirt, weil der Boden hier schlechter zu sein schien, oder vielleicht nur schwieriger zu bewässern, denn das Erdreich war sehr leicht, ein feiner weifsgrauer Sand, in den die Pferde beständig bis über die Hufe hineinsanken. Zwischen La Dormida und Retamo hielten wir einige Zeit bei einer Estancia mit Namen Santa Rosa, 7 Leguas von ersterem und 5 von letzterem Orte entfernt, und wurden vom Besitzer mit Melonen bewirthet, welche in diesem leichten, warmen Boden ungemein schön gedeihen, auch abweichend von den

Reise durch die Pampas. 309

unsrigen ein ganz weilses Fleisch haben. Eben so vortrefflich sind die grolsen, kugelrunden Wassermelonen mit rothem Fleisch und schwar- 'zem Samen, hier zu Lande Sandia genannt; sie waren für mich stets eine höchst angenehme, zugleich den Durst stillende Kost, welche mir D besser bekam, als die mehr Zuckerstoff enthaltende, schwerer verdau- _ liche ächte Melone. Das Haus, wo wir einkehrten, hatte, wie die mei- _ sten Wohnhäuser der Estancieros, eine offene Halle, Corridor, rings _ um den grofsen Hof, an dem in Form eines Qusdraid die Gebäude, - eine Hauptfront mit zwei Flügeln, lagen, und auf diesem offenen Cor- ridor standen die Bettstellen, indem man ihn zur Nachtzeit als Schlaf- _ stelle benutzt. Im Zimmer zu schlafen ist hier nicht üblich; alle Welt _ liegt im Freien und die meisten Leute schlafen am Boden auf einer _ untergelegten Ochsenhaut.

Retamo ist ein grofses Dorf mit Kirche und mehreren recht statt- _ liehen Estancias, der Eindruck umher aber ganz der nämliche, wie seit dem Desaguadero immer; Pappelalleen neben tiefen breiten Wasser- gräben schliefsen alle Wege ein und hemmen den Blick in’s Freie; die Wohnungen sind geräumig, aber einfach, und wenn der Fufsboden keinen Ziegelsteinbelag hat, selbst im Zimmer so staubig, dafs man "sich nirgends hinsetzen, Nichts aus der Hand legen kann, ohne den Staub daran hängenbleiben zu sehen. Sogar die Atmosphäre ist mit - Staub erfüllt, weil durch die stets offenen Fenster und Thüren ein starker Luftstrom geht, welcher das feinzerriebene Erdreich mit sich führt. So war auch die Poststube in Retamo zwar geräumig und neu, ‚aber doch höchst unbequem wegen des Staubes, der Fufsboden, Tisch, Bettstelle und Stuhl dicht bedeckte. Auch hier weidete ich mein Auge _ wieder den ganzen Abend bis zur Nacht am Anblick der Cordilleren, welche jetzt in schönster Klarheit vor mir lagen; ich blieb, da es _ Mondschein war, bis spät in die Nacht draufsen, um alle Stadien der Beleuchtung zu genielsen, womit das majestätische Gebirge im Laufe von drei Stunden abwechselnd sich mir zeigte.

Den 10. März. Von Retamo bis Mendoza sind nur 12 Leguas und man fährt dieselben in 4 Stunden, ich konnte also mit Bequem- a chkeit zu Mittag eintreffen. Die Strafse bleibt durchweg in denselben ‚Umgebungen, lange Pappelalleen bezeichnen sie und die daran liegen- den Ansiedelungen; es ist, als ob man durch einen Pappelwald führe, nn diese hohen Bäume verstecken alle andern Gegenstände. Da die chtung der Strafse in der Hauptsache nach Westen geht, mit gerin- Neigung nach Norden, so sieht man die ganze Cordilleren -Kette ndig vor sich: der einzige Anblick, welcher Befriedigung und Er- ickung gewährt. Denn auch die Gärten, in welche man hie und da : en Blick thun kann, sind eben so unordentlich angelegt wie sorglos

310 H. Burmeister:

gehalten; voller Unkraut, ohne reinliche Wege, und obgleich mit Oran- gen, Oliven, Feigen, Pfirsichen, Weinreben, Quitten, Aepfeln, Birnen, Melonen und Sandia’s reichlich versehen, doch so wenig einladend für den Fremden, dafs ich mich nirgends entschliefsen konnte, sie zu be- treten, nachdem ich durch meine ersten Besuche eine so unerfreuliche Haltung in denselben kennen gelernt hatte.

Um 84 Uhr wechselten wir, nach einer Fahrt von 3 Leguas, bei einer Estancia, deren Namen mir entfallen ist '), die Pferde. Wäh- rend dessen zeichne ich den Tupungato, der gerade vor mir liegt, in mein Taschenbuch. Der Berg ist der regelmäfsigste von den Gipfeln auf dieser Strecke der Cordilleren, ein flachgewölbter, glockenförmiger Kegel mit abgerundeter Spitze, der seine vulkanische Natur schon im Umrifs kenntlich zur Schau trägt; seine ganze Oberfläche von da an, wo sie auf den Kamm des Gebirges sich stützt, war mit Schnee be- deckt und ist es beständig; der Tupungato verliert seine Schneemütze nie, auch im heifsesten Sommer nicht, und hat überhaupt von allen Gipfeln die vollständigste Schneedecke, weil kein anderer so flach ge- neigt und dadurch so geeignet ist, sie zu tragen. Der viel höhere Aconcagua, welcher etwa 12 geogr. Meilen nördlich vom Tupungato liegt, erregt nicht den überraschenden Eindruck, weil sein Gipfel einen nach Osten steil abfallenden zackigen Grat bildet, woran der Schnee nicht lange haften bleibt und die drei kleinen Spitzen neben ihm noch viel steilere Abstürze haben. Er macht von fern den Eindruck eines halben, in sich zurückgefallenen Kraterrandes, dessen östliche Seite eingestürzt ist. Zehn Meilen südlich vom Tupungato steht der Maypu, ein etwas höherer Kegel mit graden Wänden und kantenförmiger Spitze, die ebenfalls immer eine Schneehaube trägt; dagegen ist der höchste Gipfel des Aconcagua häufig gegen Mendoza zu ganz vom Schnee be- freit, während die sanfter geneigten, benachbarten Abhänge tiefe Schnee- decken tragen.

Die Strafse von der Estaneia nach Rodeo del Medio, wo die Pferde zum letzten Male gewechselt wurden, bot nichts Neues dar, als dafs wir gleich hinter der genannten Estancia den Rio de Mendoza passirten, einen ziemlich wasserreichen Flufs in breitem flachem Bette, welches mit faustgrofsen Geröllen erfüllt ist und das Wasser in meh-

reren Armen rasch weiter führt. Der Hauptstrom ist ziemlich breit 4

und reifsend, so dafs die Pferde Mühe hatten, dagegen anzukommen. _ Der Rio de Mendoza gehört nicht zu dem Wassersystem des Rio Tu- nuyan, in dessen Bereich wir gekommen waren, sondern bildet ein eigenes System für sich, das seinen Abflufs nach Norden nimmt, wäh-

!) Barriales.

Reise durch die Pampas. 311

_ rend der Rio Tunuyan sich später nach Süden wendet; er entspringt zwischen dem Aconcagua und der Hauptkette der Cordilleren, umfalst _ den genannten höchsten Berg dieser Gegenden, dessen Erhebung über 21,000 Fuls betragen soll, wendet sich in das vor dem Aconcagua nach Osten gelegene SAN Thal von Uspallata hinein, kehrt aber 2 bald daraus zurück, umfliefst die Uspallata- Bergkette Er Süden und biegt sich etwas unterhalb Mendoza, das an einem Seitenarme des ‘Flusses liegt, plötzlich nach Norden, der Laguna de Guanacache zu, _ in welche er mündet. Der Rio Desaguadero ist die spätere Fortsetzung des Rio de Mendoza. Es mag hier als eine bemerkenswerthe und für das Pampasgebiet bedeutungsvolle Thatsache erwähnt werden, dafs keiner von den Flüs- sen, welche in dieser Gegend wie überhaupt zwischen dem 26° und 35° S. Br. am Ostabhange der Cordilleren entspringen, den atlantischen Ocean erreicht, sondern alle in Seen münden, welche abgeschlossen im Pampasgebiet liegen, mit keinem benachbarten Wassersystem in Ver- ‚bindung tretend. Dasselbe gilt auch von den meisten kleinen Flüssen, die der Sierra de Cordoba entspringen; nur der dritte oder Tercero erreicht als Rio Carcaranal den Paranä. Nördlich von der Sierra de Cordoba fliefst auch noch ein solcher mündungsloser, ziemlich grofser Flufs, der Rio Dulce, welcher den fruchtbaren Gegenden um Tucu- man entströmt, von den Cordilleren aber keine Wasser mehr empfängt. Die Flüsse um Mendoza sammeln sich in zwei grölseren Seen, wovon der nördliche aus einer Reihe kleiner Seen besteht, die mit der Laguna Bevedero südlich von San Luis de la Punta zusammenhängen; letz-

‚der Rio de Mendoza mündet, ist der Anfang jener Kette von Seen,

je Laguna de Silvero, woraus der Desaguadero kommt, ihr Mittelpunkt, "und der grolse See südlich von San Luis de la Punta ihr Ende. Diese

en, sind die Ursache der auffallenden Wasserarmuth der östlichen pas, sie entziehen dem Boden die zu einer gedeihlichen Cultur

312 Das chilenische Colonisations- Terrain

Rodeo del Medio liegt 5 Leguas von Mendoza; man bewegt sich während des Weges beständig in Pappelalleen und sieht nichts von Wichtigkeit, was man nicht schon gesehen hätte; doch nimmt die Dichtigkeit der Bevölkerung zu, wie sich aus der gröfseren Menge der Häuser an der Stralse erkennen läfst. Ich fand hier den ersten aus Pappelreisern geflochtenen Zaun, .ein völlig norddeutscher Anblick, und in dem Gehöft dahinter einen Ziegelofen, der füglich ebenso bei uns hätte stehen können. Unter solchen heimathlichen Eindrücken fuhr ich durch das Dorf San Jose, dicht vor Mendoza, an dessen Vor- stadt seine Häuser unmittelbar sich anschliefsen, und gelangte alsbald, am Flusse hinab, der hinter Pappeln versteckt neben mir flols, gegen 1 Uhr über die aus drei grolsen Bogen gebaute steinerne Brücke auf den Marktplatz der Stadt, und schlug in dem dort befindlichen Hötel de France zunächst meine Wohnung auf.

XN.

Das chilenische Colonisations- Territorium an der Magalhaens-Stralse.

(Hierzu eine Karte, Taf. V.)

Als Pedro Sarmiento de Gamboa am Hofe König Philipps II. da- hin wirkte, dafs die östlichste Meeresenge in der Magalhaens-Strafse befestigt und so den fremden Schiffen dieser Weg zu den Goldlän- dern des Stillen Oceans verschlossen würde, äufserte der Herzog von Alba voll Verdrufs über die unruhigen Projeetenmacher, dafs ein Schiff, wenn es so viel Anker und Taue mitnähme, als es in jenen sturmge- peitschten Gewässern gebrauche, schon dadurch allein hinlänglich be- frachtet sei.

Seitdem sind fast drei Jahrhunderte vergangen; und was die See- fahrer dieser Zeiten, oft kühne, in aller Seegefahr erprobte Männer, über Wind und Wetter wie über die Gefahren der Meere und Meer- engen im Süden des amerikanischen Continents berichtet haben, war in der That kaum dazu angethan, ein freundlicheres Licht über jene entlegenen Gegenden zu verbreiten. Fast vier Monate, vom 17. De- cember 1766 bis zum 11. April 1767, also grade in der besten Jahres- zeit, hatte Wallis gebraucht, um, in beständigem Kampfe gegen Sturm und Wetter und, wie er sagt, in ununterbrochener Gefahr des Schiff-

an der Magalhaens-Strafse. 313

_ bruchs, an den traurigen und unwirthlichen Küsten der Magalhaens- Strafse vorüber zu gelangen; Carteret mufste allein im westlichsten 3 Theile der Strafse, von Port Famine bis zum Cap Pillar, 84 Tage zu- _ bringen. Auch die wissenschaftliche Erforschung jener Gewässer, die _ von den britischen Kriegsschiffen Adventure und Beagle in dem De- cennium von 1826 bis 1836 ausgeführt wurde, ist durch ein aus den _ Gefahren des Unternehmens hervorgegangenes, schmerzliches Ereignifs _ bezeichnet: Captain Stokes, ein erfahrener und höchst energischer Of- fizier, war bei der Aufnahme der Westküste Patagoniens durch die - furchtbaren und zahllosen Gefahren, mit denen heftige und unbekannte Strömungen, ein mit Klippen und Felseneilanden dicht besäetes Meer _ und die von unaufhörlichen Weststürmen an der zerrissenen Felsen- küste erzeugte wüthende Brandung ihn vier Monate hindurch umdroh- ten, dermalsen erschüttert und krankhaft aufgeregt worden, dafs er bei i 2 seiner Rückkehr nach Port Famine, an Körper und Geist gebrochen, Y "in einem Anfalle von Trübsinn sich selbst erschofs.

_ Aber wenn auch die Natur jener Gegenden noch immer so rauh und schrecklich wie früher gefunden wird, so sind doch die Hilfsmittel _ gewachsen, die der Mensch sich dienstbar gemacht hat. Mit der Kraft _ des Dampfes durchfährt er bequem in anderthalb Tagen die gefürch- tete Meerenge, die ihn früher monatelang festhielt. Und was früher _ ein aufserordentliches Wagnifs war, soll jetzt eine gewöhnliche Erschei- _ nung werden: denn der Präsident der Republik Chile, Don Manuel "Montt, hat der vorjährigen Session des legislativen Congresses bereits _ die Mittheilung machen können, dafs sein Minister in Paris mit der _ Organisation einer englischen Compagnie beschäftigt sei, welche eine _ regelmäfsige Dampfschifffahrts- Verbindung zwischen England und Chile durch die Magalhaens-Stralse herstellen wolle, und dafs ihm aufserdem auch von anderer Seite Bedingungen vorgelegt wären, unter denen sich eine ähnliche Gesellschaft zu demselben Zwecke bilden wolle.

_ Die aufserordentlichen Hindernisse, mit denen die Fahrt um das Cap Horn zu kämpfen hat, mufsten natürlich den Gedanken an eine Ä Benutzung der Magalhaens-Stralse nahe legen; und man kann sagen, dafs die letztere Tour jetzt, wo zuverlässige Karten von der berüch- tigten Meerenge existiren, wo ihre Strömungen und die in ihr vorherr- ‚schenden Winde bekannter geworden sind, selbst Segelschiffen, nament- ich kleineren, sehr erhebliche Vortheile bietet, während Dampfschiffe hr ohne alle Frage den Vorzug geben werden.

' Zunächst fällt in die Wagschaale, dafs der Umweg, der durch die ahrt um das Cap Horn verursacht wird, viel bedeutender ist, als es bei einem Blicke auf die Karte scheinen möchte.

Denn obgleich Schiffe, die aus dem Atlantischen in den Stillen

R

e

314 Das chilenische Colonisations - Territorium

Ocean segeln wollen, gut thun, sich nicht über 100 Seemeilen von der Ostküste Patagoniens fern zu halten, damit sie gegen die hier vorherr- schenden Westwinde, die weiter ostwärts auf dem offenen Meere an Stärke zunehmen und eine tiefgehende See erregen, den Schutz des vorliegenden Landes geniefsen, können sie doch von hier aus nicht den nächsten Weg nach dem Cap durch die Strafse Le Maire ein- schlagen, da die Benutzung desselben bei den vorherrschenden Südwest- stürmen und der durch sie verursachten Gegenströmung mit zu bedeu- tenden Gefahren verknüpft ist; und bei Windstille sehen sich die Schiffe bedroht, durch die Strömung den Felsenküsten von Staten-Island zu- getrieben zu werden, wo sie für den Fall dringender Gefahr nur mit Mühe und in grofser Meerestiefe Ankergrund finden. Nach Capt. King’s Ansicht ist es nur bei einer nördlichen Brise praktisch, die Strafse Le Maire zu passiren, und da ein solcher Wind hier fast nie weht, hält er es fast immer für unumgänglich, Staten-Island auf der Windseite zu lassen und in einem weiten Bogen die vom Cap St. John ostwärts gehende Strömung zu umsegeln ’). Dann, in dem offenen Meere süd-

!) W. Parker Snow weicht in seinem eben erschienenen Werke: A Two Years’ Cruise of Tierra del Fuego, the Falkland Islands, Patagonia and in the Ri- ver Plata. 2 vols. London 1857 fast überall von King ab. Er hält es (vol. II, p. 325) nicht für nöthig, sich in der Nähe der patagonischen Küste zu halten, und erklärt die Strafse Le Maire für den sichersten Weg nach Cap Horn. Aber wenn man seine Windtabelle ansieht, wird man ihm kaum Glauben schenken wollen; denn diese zeigt recht deutlich, in welchem Grade hier westliche Winde vorherrschen. Im Laufe eines Jahres hat er notirt:

für NW. 563 Tage, für ONO. 44 Tage, - WNW. Sid - DT RLE IN - West 44 - -ENNUN EIER - WSW. 31 - - Nord 231 - - SW. 40° - - NNW. 291 -

also für die fünf westlichen Winde 203 Tage, während auf die fünf nördlichen nur 784 Tage fallen. Nun sind aber in diesen Gewässern alle aus der östlichen Hälfte wehenden Winde nicht blofs sehr veränderlich, sondern auch auffallend schwach, im Vergleich mit den westlichen. Sobald der Wind, der auf der südlichen Halbkugel von West über Süd nach Ost umsetzt, wieder mehr und mehr aus nördlichen Rich- tungen zu wehen anfängt, nimmt er an Beständigkeit und Stärke zu, er weht anhal- tend aus NW. als «a strong gale, und springt dann, nachdem er in W. ebenfalls län- ger verweilt, meist sofort nach SW. um, wo er mit der Heftigkeit eines wüthenden Sturmes weht. Für die Fahrt durch die Strafse Le Maire nach Cap Horn sind aber diese Westwinde deshalb gefährlich, weil schon die Fluthströmung ostwärts nach den Küsten von Staten-Island treibt; und alle Südwinde sind als Gegenwinde hinderlich. Man mufs also zu jenen 203 Tagen westlicher Winde noch den NNW. nach Snow’s Tabelle mit 294 Tagen, den SSW. mit 214 Tagen, den Süd mit 21 Tagen hinzu- rechnen, um zu sehen, wie häufig die Fahrt durch die Strafse Le Maire behindert wird: im Ganzen 275 Tage innerhalb des von Snow zu Grunde gelegten Jahres. Wären die westlichen Winde veränderlich, so würde es allerdings ein bequemes Aus- kunftsmittel sein, in Vincent- oder Good Succefs-Bay einen Windwechsel abzuwar- ten: aber diese Winde zeigen sich gerade sehr beständig, während alle östlichen flüchtig und unzuverlässig sind.

an der Magalhaens - Strafse. 315

wärts, erwarten den Schiffer die anhaltenden Stürme aus westlichen Strichen, welche die Fahrt um das Cap Horn so berüchtigt gemacht haben. Um über die Zone hinauszukommen, in der sie ihre furcht- - barste Wuth entwickeln, ist es angemessen, zunächst weit südwärts zu steuern, bis man den sechszigsten Breitengrad erreicht hat, und dann die Abweichungen in der Richtung des Windes zu einem allmählichen Vordringen nach Westen zu benutzen. Und dieses Ankämpfen gegen _ heftige und widrige Winde mufs für eine ziemlich weite Strecke fort- gesetzt werden; denn es ist nach Capt. King nicht gerathen, schon unter dem Meridian des Cap Pillar (74° 37’ 41” w. v. Greenw.) nord- 3 wärts zu steuern, er empfiehlt vielmehr, den westlichen Cours bis 82° oder wo möglich bis 84° W.L. beizubehalten. Zu einem so weiten Umwege sieht man sich genöthigt, wenn man _ vorwiegend auf Wind und Wetter Rücksicht nimmt; aber leider bietet _ sich auf dieser Fahrt von ganz unberechenbarer Dauer und in weiter Entfernung von den Küsten dem Schiffer keine Gelegenheit, seine Vor- räthe an Trinkwasser, Brennholz und frischem Proviant im Nothfall _ ergänzen zu können, und dieser Uebelstand wird namentlich von klei- neren Handelsschiffen schwer empfunden. Zieht man es aber vor, dem 4 vollen Ungestüm der Witterung Trotz zu bieten und sich in der Nähe der Küsten zu halten, um im Nothfall in eine der nahen Buchten des _ Feuerlandes flüchten zu können, so setzt man sich der Gefahr aus, _ durch die Heftigkeit der hier sehr anhaltend wehenden West- und - Südwestwinde wochen-, vielleicht monatelang am Auslaufen aus den _ geschützten Hafenplätzen verhindert oder auf die sturmumbrausten Kü- sten geworfen zu werden. Im Vergleich mit diesen Uebeln erscheint die Fahrt durch die _ Magalhaens-Strafse unter Anwendung der Vorsichtsmafsregeln, welche ‚die Erfahrung an die Hand giebt, unendlich viel leichter und gefahr- "loser; die meist hohen und steilen Küsten der schmalen Meerenge sind, ausgenommen in sehr dichtem Nebel, überall sichtbar; das Fahrwasser ist meist klar, und etwaige Untiefen werden durch das massenweise Auftreten des Fucus giganteus (Kelp der Engländer) dem Schiffer auf as Deutlichste bezeichnet. Der Einfahrt in die Strafse vom Atlanti- Meere aus stellen sich gemeinhin keine Schwierigkeiten entgegen. n ı ankert der Schiffer i in der Possession-Bay, um das Eintreten der

falls das Eintreten der Fluthströmung zur Fahrt du die zweite e abgewartet werden muls. King passirte die erste Enge bei sehr kem Gegenwinde mit Hilfe der Fluth in zwei Stunden, obgleich sie

316 Das chilenische Colonisations- Territorium

20 Miles lang ist. Von beiden Bassins existiren jetzt genaue Karten, mit deren Hilfe der Seemann leicht die den Windverhältnissen ange- messenen Ankerplätze auffinden kann. Hat man die zweite Enge pas- sirt, so findet man zunächst in der Laredo-Bay oder auch westlich vom Nordostende der Elisabeth-Insel, welches gegen die Fluthströmung schützt, sichern Ankergrund. Auf der Fahrt durch das Central-Bassin hat man mit widrigen Winden wenig zu kämpfen: denn bei Südwest- wind hält man sich möglichst unter dem Schutze der Westküste, wo man nur vor den plötzlichen Windstöfsen, die zuweilen aus den Schluch- ten des Küstengebirges mit unerwarteter Heftigkeit hervorbrechen, auf seiner Hut sein muls. Port Famine bietet auf dieser Strecke den be- sten Hafen; weiter südlich liegt die St. Nicholas-Bay, mit bequemem Aus- und Eingang, günstig für die Schiffe, welche einen geeigneten Zeitpunkt zum Doubliren des Cap Froward abwarten wollen. Jenseits dieses Caps gelangt man in den Theil der Meerenge, wo die vorherr- schenden Westwinde sehr beschwerlich werden und der Schiffer jede günstige Gelegenheit zu einem schrittweisen Vordringen ergreifen muls. Glücklicherweise findet sich hier eine Reihe kleiner geschützter Häfen, Snug-Bay, Woods-Bay, Fortescue-Bay, Elizabeth-Bay, Yorks Rhede, Borja-Bay, Swallow Harbour, Playa Parda, Half Port Bay, Tamar Harbour, und der Harbour of Mercy; in dem zuletzt genannten muls man einen günstigen Zeitpunkt zum Auslaufen in den Stillen Ocean abwarten. Kleinere Fahrzeuge finden noch in zahlreichen anderen Buchten der stark zerklüfteten Küste Schutz, und an der Westseite dieser Häfen auch meistentheils in geeigneten Tiefen guten Ankergrund, während an der Ostseite das Felsenufer gewöhnlich sehr steil zu be- deutenden Tiefen in die See abfällt. Sehr beunruhigend sind in diesen Buchten die furchtbaren, von den Bergen plötzlich herabfahrenden Wind- stölse, die bei den Seehundsfängern in jenen Gewässern unter dem Namen williwaws oder hurricane-squalls bekannt sind. Wenn nämlich

die wilden Südweststürme auf die sich ihnen entgegenstellenden Gebirgs--

massen von Tierra del Fuego stofsen, wird die Luft hier zusammen- geprelst und aufgestaut, stürzt mit verdoppelter Gewalt über die Fels- wände und fährt dann, sich plötzlich ausdehnend, mit zerstörender Macht, Bäume entwurzelnd und Felsen mit sich reilsend, an den Ab- hängen herab. Wo ein solcher Windstofs die Wasserfläche trifft, wogt die See tief auf, eine Wolke von Schaum spritzt auf und wird schnell fortgerissen von dem rasenden Sturm, bis sie sich in Dunst verflüch-

tigt. Ein Schiff, das hier ankert, wird unerwartet auf die Seite gelegt | oder vorwärts gestofsen, und seine Rettung hängt lediglich davon ab, ob die Ankertaue den gewaltigen Ruck aushalten; aber im nächsten Moment ist die Gefahr auch vorüber. Der Configuration des Bodens |

an der Magalhaens-Strafse. 317

gemäls sind manche Gehänge häufig solchen williwaws ausgesetzt; die Verwüstung, welche die Stürme auf ihnen angerichtet, und zuweilen _ der gänzliche Mangel an Vegetation denn auf den von solchen _ Winden oft heimgesuchten Bahnen kann keine Pflanze gedeihen _ kennzeichnen die Auswege, welche der zusammengeprefste Luftstrom _ einzuschlagen pflegt, und der Schiffer thut gut, solche gefährliche Orte zu meiden. Im Gabriel-Canal fand die Expedition unter Capt. King _ eine Stelle, wo die williwaws, über das Gebirge der Südseite hervor- - brechend, den Abhang der Berge hinabgestürzt, dann auf den Fufs des _ Gebirges an der Nordseite gestolsen und an diesen Bergen noch mit N, solcher Heftigkeit in die Höhe gefahren waren, dafs sie Alles, was nur vom Boden getrennt werden konnte, mit sich fortgerissen hatten '). E Im Uebrigen bietet dieser Theil der Meerenge auch manche Vor- © 'theile, die der kundige Seemann zu benutzen weils. Bei der Regel- _ mälsigkeit, mit welcher die Winde aus westlichen Himmelsstrichen vor- herrschen, bildet sich fast überall mitten im Fahrwasser eine Strömung "nach Osten (durehschnittlich 1% Knoten in der Stunde), die durch die - Fluthbewegung des Meeres kaum alterirt wird; die letztere äufsert sich dagegen mehr in unmittelbarer Nähe der Küsten, wo sich dann ge- _wöhnlich die Strömung ostwärts zur Fluthzeit auf der einen Seite der _ Meerenge, die Strömung westwärts zur Zeit der Ebbe auf der anderen _ Seite der Meerenge bemerklich macht, so dafs man periodisch gleich- - zeitig mitten im Canal die von dem Winde verursachte Strömung ost- _ wärts, und an einer der Küsten eine von der Fluthbewegung verur- _ sachte Gegenströmung findet. Der Seemann kann demnach je nach seinem Ziele eine dieser beiden Strömungen benutzen 2). Aufserdem verdient es in Anschlag gebracht zu werden, dafs die Schiffe hier "überall Trinkwasser und Brennholz finden, und dafs die Buchten an fischen und Schalthieren reich genug sind, um das gesalzene Fleisch ür einige Zeit entbehrlich zu machen. Im östliehsten Theile der Strafse,

frischem Guanaco-Fleisch eintauschen, den auf einen längern Aufenthalt in diesen Gewässern angewiesenen Seehundsfängern als ein Präservativ gegen den Scorbut von wesentlichem Nutzen ist.

_ Am Ausgange der Meerenge, zwischen Cap Victory und Cap Pillar, während und unmittelbar nach Weststürmen eine hochgehende See,

in) Narrative of the Surveying Voyages of His Majesty's Ships Adventure and

Beagle. Vol. I, p. 50. :

2) Bei anhaltenden Nordwestwinden bietet sich auch der Ausweg dar, unter Schutz von Clarence Island durch den Magdalenen- und Cockburn-Canal in

‚Stillen Ocean zu fahren,

318 Das chilenische Colonisations - Territorium

die von Segelschiffen nicht ohne Gefahr passirt werden kann; selbst Dampfschiffe müssen hier mit aller Kraft arbeiten, wenn sie nicht auf die Felsen geworfen sein wollen ’). Um so wichtiger ist es, dafs sich in der Nähe des Ausgangs ein sicherer Hafen findet, Harbour of Merey, in welchem die Schiffe ein ruhigeres Wetter erwarten und sofort be- nutzen können. Die Einfahrt in die Strafse vom Stillen Ocean aus hat nicht mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen; nur darf man, bei stillem Wetter, dem Cap Pillar nicht zu nahe kommen, da hart um dieses Cap eine Strömung südwärts auf die gefährlichen Klippengruppen führt, die unter dem Namen der Apostel und Richter bekannt sind. Dafs die Fahrt nach Osten in der Magalhaens-Strafse verhältnilsmäfsig bequem ist, erhellt bereits aus dem Obigen; sie hat vor der Fahrt um das Cap Horn den erheblichen Vorzug, dafs sie durch ruhige Gewässer in einen relativ ruhigen Theil des Atlantischen Oceans führt, während man auf dem anderen Wege überall mit einer aufgeregten See zu kämpfen hat, und bei Südwest den von zahllosen Klippen umstarrten Felsengestaden zwischen Cap Pillar und Cap Horn zugetrieben wird, während man sich bei Nordwest zu einem weiten Umwege genöthigt sieht, um die Falklands-Inseln auf der Windseite zu lassen.

Im Allgemeinen falst Capt. King sein Urtheil dahin zusammen, dafs die Magalhaens-Strafse vor dem Wege um das Cap Horn für kleinere Schiffe, die dort überall leicht Schutz finden, unbestreitbare Vorzüge besitzt, und dafs die Fahrt auch für gröfsere Schiffe, bei un- serer jetzigen Kenntnils des Gewässers, nicht gerade als besonders ge- fährlich bezeichnet werden kann. Die Ein- und Ausfahrt wird grölse- ren Schiffen leichter als kleineren.

Mit der wachsenden Bedeutung des pacifischen Handels gewinnt auch diese Wasserstrafse an Wichtigkeit, und es ist nicht zu verwun- dern, dafs dadurch auch die Frage einer Colonisation auf diesem Ge- biete wieder in Anregung gebracht wurde. Ohne Zweifel würde die Existenz einer auf Viehzucht oder auf Ackerbau gegründeten, blühen- den Colonie an der Magalhaens-Strafse den Seefahrern zu wesentlichem Nutzen gereichen; und bei dem Gedanken an die Herstellung einer regelmäfsigen Dampfschifffahrts- Verbindung zwischen Europa und Chile mulste die Thatsache, dafs man nicht fern von der Meerenge Stein- kohlen entdeckt hat, den auf eine Colonisation gerichteten Bestrebungen neuen Schwung und den Hoffnungen auf das Gedeihen einer solchen Ansiedelung anscheinend auch eine solidere Grundlage geben.

Ueber die Wahl des Landstrichs, auf dem ein Culturversuch mit

!) Vergl. die Schilderung: „Mit Dampf durch die Strafse von Magellan. Von einem Kalifornienfahrer,“ im Magazin für die Literatur des Auslandes 1852. Nr,53. 54,

an der Magalhaens - Strafse. 319

| einiger Aussicht auf Erfolg unternommen werden könnte, durfte man nicht zweifelhaft sein; denn die Natur selbst hat ihn deutlich genug bezeichnet.

Wie die Meerenge selbst zerfällt auch das angrenzende Land in drei Theile, die hinsichtlich ihrer Bodenbeschaffenheit, wie ihrer klima- tischen Verhältnisse schärfere Contraste bieten, als man sie auf einem so begrenzten Raume in zusammenhängenden Landstrichen erwarten sollte.

Der östlichste Theil, das Land um die beiden Bassins, welche durch den östlichen Eingang zur Strafse und durch die sogenannte erste und zweite Enge gebildet werden, trägt ganz den trostlosen, trockenen Charakter der Pampas. Der Boden besteht aus einem ma- gern, mit Sand gemischten Lehm, der eine bald spärliche, bald reich- lichere Grasdecke trägt, für Baumvegetation aber völlig ungeeignet ist. Selbst von Sträuchern finden sich nur einige Arten; Preifselbeeren bedecken zuweilen in grolser Menge den Boden, aber bei der Mager- - keit desselben bringen sie nur schlechte, geschmacklose Früchte zur _ Reife. Auf der continentalen Seite erstreckt sich diese Pampas- Ebene _ ziemlich gleichförmig fünf bis sechs Miles weit nach dem Innern bis _ an den Fufs einer Hügelreihe, die bei der zweiten Enge beginnend sich - in nordöstlicher Richtung zum Mount Aymond hinzieht und sich in _ ihren Gipfeln etwa 1500 Fufs über den Meeresspiegel erhebt. Auch _ von der Höhe dieser Berge erblickt man nord- und westwärts nur _ weite baumlose Grasflächen, die im fernen Westen durch hohe Schnee- berge begrenzt werden. Guanaco’s und Straulse durchziehen diese aus- gedehnten Weidelandschaften; sie werden mit grofsem Geschick von der sehr dünnen patagonischen Bevölkerung gejagt, einem Stamme berittener Nomaden, der von Zeit zu Zeit an der Meerenge seine Toldos aufschlägt und den vorüberfahrenden Seeleuten verschie- dene Häute und frisches Guanaco-Fleisch gegen Taback, Branntwein und unbedeutende Schmucksachen gern verkauft.

Mit dem Cap Negro ändert sich die Physiognomie des Landes und es beginnt die zweite magalhanische Zone, welche die Land- schaften um das Centralbassin umfafst. Dort erblickt man wieder äume; sie sind anfangs zwar noch zwerghaft, aber weiter im Süden wird ihr Wuchs bald vollkommener und stattlicher, und bei Port Fa- ne erscheint die Vegetation in einer Ueppigkeit, die Allen, welche Magalhaens-Strafse besucht haben, aufgefallen ist. Von hochstäm-

betuloides und die ihr Laub abwerfende F. antarctica; aulserdem noch den Winterrinden-Baum (Winterana aromatica), von dessen

320 Das chilenische Colonisations - Territorium

Aber zwischen diesen hochstämmigen Bäumen wuchert ein dichtes Unter- holz, in welchem Arbutus rigida, Ribes antarctica und mehrere Berberis- Arten am stärksten vertreten sind. Auch die gegenüberliegende Küste von Dawson-Island gewährt an vielen Stellen, namentlich bei Port Antonio, einen erfreulichen Anblick; man findet hier Winterrinden- Bäume mit einem Stamm von 2 Fufs im Durchmesser; Veronica’s und

an geschützteren Stellen auch Fuchsia’s erreichen eine Höhe von 20 Fuls und bilden einen Stamm von 6 Zoll im Durchmesser, der von den Seefahrern als Brennholz benützt wird. Um die Blüthen der Fuchsia flattert eine Colibri- Art, welche von Lima in Peru südwärts bis an die Magalhaens-Strafse verbreitet ist und hier oft von den Schneegestöbern überrascht wird, die zuweilen schon im März, noch vor Ablauf des Sommers, eintreten und ihre Flocken auf blühende Gebüsche streuen.

Der unerwartete Vegetations-Reichthum, namentlich auf der West- küste zwischen Cap Froward und der Freshwater-Bay, der allen See- fahrern, mochten sie von West oder von Ost kommen, aufgefallen ist, hat theils in der Beschaffenheit des Bodens, theils in den klimatischen Verhältnissen, die durch die Configuration des Terrains modifieirt wer- den, seinen Grund. Längs der Ostküste der Halbinsel Braunschweig erstreckt sich ein Gebirgszug, der nach Norden hin allmählich an Höhe abnimmt, aber noch bei Port Famine in dem von den Engländern so benannten Mount Tarn einen Berg besitzt, dessen Gipfel sich nach Capt. King’s trigonometrischer Messung 2852 Fufs über den Meeres- spiegel erhebt. Das Gestein ist Schiefer; und aus Schiefer besteht auch der Untergrund des Bodens auf der ganzen Strecke zwischen dem Gebirge und der Küste. Der Verwitterung dieses Gesteins scheint die Fruchtbarkeit des Bodens hauptsächlich zugeschrieben werden zu müs- sen; die reiche Vegetation, die sich in dem feuchten Klima auf dem von den Bergströmen herabgeführten Alluvium erzeugte, trug dann im Laufe der Jahrhunderte dazu bei, auf dem schieferigen Untergrunde eine dicke und überaus fruchtbare Schicht Pflanzenerde zu bilden. Aber an den Küsten der Magalhaens-Strafse und auf allen Inseln des Feuer- landes hängt das Gedeihen der Vegetation nicht ausschliefslich von der Fruchtbarkeit des Bodens ab; viel entscheidender ist die Lage des Orts im Verhältnifs zu den vorherrschenden Winden, die innerhalb ihrer Wirkungssphäre sich als durchaus verderblich für jeden Pflanzenwuchs erweisen. An den zahllosen Canälen, welche diese zersplitterte Insel- welt durchschneiden, hat man überall Gelegenheit zu bemerken, dafs die den westlichen Winden abgekehrten Gehänge mit dichter Vegeta- tion bedeckt sind, während die gegenüberliegenden Berglehnen nackt und kahl emporstarren; wo sich nur ein gegen jene heftigen und sehr anhaltend wehenden Winde geschütztes Plätzchen zeigt, da wuchert

an der Magalhaens-Stralse. 321

_ unter dem Einflusse des feuchten Klima’s bald ein üppiges Buschwerk empor. Der oben erwähnte Gebirgszug gewährt der Ostküste der Halb- insel Braunschweig diesen Schutz; er hält die feuchten und kalten _ Winde ab und giebt dem Küstenstrich dadurch eine merklich mildere Temperatur, als sie in den anderen Theilen des Magalhaens -Landes gefunden wird. Sehr instruetiv ist in dieser Beziehung der Bericht, - den Capt. King über seine Besteigung des Mount Tarn abgestattet hat. Während am Strande bei Port Famine Buchen mit Stämmen von 30 bis 40 Zoll im Durchmesser vorkommen, werden diese Bäume, sobald _ man sich der Spitze des Berges nähert, plötzlich zwerghaft und schrum- pfen endlich zu einem in Folge des fruchtbaren Bodens sehr üppigen Buschwerk zusammen, das sich nicht mehr als 12 bis 14 Zoll über den Boden erhebt; nicht etwa, weil der Baum in dieser Höhe über dem Meeresspiegel nicht mehr gedeihen könnte, sondern weil der Gürtel in unmittelbarer Nähe des Gipfels auch auf dem östlichen Abhange bereits von den Weststürmen bestrichen wird, in deren Bereich kein Baum ‚eine Aeste emporzustrecken wagt. Um sich der gefährlichen Region dieser feindlichen Luftströme zu entziehen, breitet die Buche ihre star- ken Aeste weithin durch die geschützteren Stellen längs des Erdbodens aus und bildet bei der Triebkraft, die der ergiebige Boden ihr liefert, mit ihren dichtverschlungenen Zweigen eine so feste Platform, dafs der Wanderer darüber hingeht, ohne den Boden zu berühren. Es ist bei denen, welche die Westküste und die Südspitze Patagoniens besucht haben, ein gewöhnlicher und buchstäblich zu verstehender Ausdruck, dafs sie nicht durch, sondern über ein Buschland gingen. Was die Temperatur betrifit, so zeigte das Thermometer auf dem 2852 Fuls hohen Berge am 10. Februar, also mitten im Sommer, zwischen 7 und 9 Uhr Morgens, in freier Luft nur 39,5° F., während um 3 Uhr Nach- mittags am Strande die Temperatur 61,3° F. betrug. Und selbst auf dem Gipfel stieg das Thermometer an einer vor dem Winde geschütz- ten, nur 3 Fufs niedriger gelegenen Stelle von 39,5° sofort auf 48° F., von +3,3° R. auf +7,1° R. Die Küsten westlich vom Cap Froward empfangen ihr eigen- thümliches Gepräge durch die übermäfsige Feuchtigkeit des Klima’s; denn hier ist der Himmel fast immer dicht bewölkt und selten vergeht ein Tag, an dem man nicht durch Regengüsse, Hagelschauer oder $. Sehn neegestöber belästigt wird. Auf der Nordseite gehört das Gebirge och der Schieferformation an; im Süden der Meerenge sind Grünstein Granit vorherrschend; aber auf beiden Gestaden ist die Vegetation geschützten Stellen sehr üppig. Nur Bäume wollen hier nicht * recht gedeihen; sie erreichen keinen hohen Wuchs, und die Bu- sind schon bei Port Gallant entschieden verkrüppelt. Der Haupt- Ze schr. f. allg. Erdk, Neue Folge, Bd. III. 21

Br.

Bi

322 Das chilenische Colonisations- Territorium

grund liegt vermuthlich in der zu starken Feuchtigkeit der Luft und des Bodens, der an tieferen Stellen durch die fortwährenden Regen- güsse in einen wahren Morast verwandelt ist. Stämme und Aeste der Bäume sind mit einem dieken Moose überzogen; und schon im jugend- lichen Alter fängt der Baum zu faulen an. Desto üppiger ist die Ve- getation der Sträucher, Kräuter und hauptsächlich der Moose; die letz- teren überziehen weite Strecken mit einer schwammigen feuchten Decke, in welche der Wanderer bis über die Knie einsinkt. Expeditionen von der Küste in’s Innere auszuführen ist höchst beschwerlich; morastige Moosflächen wechseln mit undurchdringlichem Buschwerk ab, über des- sen Zweige man seinen Weg nehmen mufs; umgefallene Baumstämme, auf denen man hofft, endlich festen Fuls fassen zu können, erweisen sich als vollständig morsch und vermodert, so dafs man durch sie wie durch einen lockern Schwamm durchtritt; und ein trocknes Plätzchen zur Rast ist so selten, dafs man es als ein Glück betrachtet, wenn man sein Nachtlager auf einem kahlen, vegetationsleeren Felsen neh- men kann. Dieser Boden, der überall, wo nicht das nackte Gestein zu Tage tritt, übermäfsig mit Feuchtigkeit gesättigt ist, scheint sich nach Norden hin bis zum Skyring Water auszudehnen. Nördlich von diesem Gewässer tritt wieder die Pampasform auf; hier bemerkten die ersten Entdecker mit Vergnügen, dals Gras und Kräuter unter ihren Fülsen wieder knisterten und brachen, was ihnen während eines län- geren Aufenthalts in den feuchten Regionen der westlichen Magalhaens- Länder ganz fremd geworden war.

Es ergiebt sich aus dem Obigen, dafs sich ein Colonisations-Ver- such mit grofser Bestimmtheit auf die Westküste des Central-Bassins, zwischen Cap Froward und Cap Negro, verwiesen sieht. Und dieses Terrain ist in der That schon der Schauplatz von Ansiedelungs- Ver- suchen gewesen, deren Schicksal freilich so traurig ist, dafs es von ähnlichen Unternehmungen abschrecken könnte. Aber eine unbefangene Erwägung wird sich nicht darauf beschränken mögen, das Endresultat_ in’s Auge zu fassen und daraus Schlüsse zu ziehen; sie wird nach den Gründen des Mifslingens fragen, um sich darüber ein Urtheil zu bilden,

in wie weit dieselben durch menschliche Umsicht und Thätigkeit be-

seitigt werden können. Wir werden uns deshalb einen Rückblick auf die erste Colonisation an diesen Küsten nicht versagen dürfen. Drake’s Fahrt durch die Magalhaens-Stralse und seine Plünde- rungszüge an den Küsten des Stillen Oceans hatten den Vieekönig von P: Peru bestimmt, noch im Jahre 1579 Pedro Sarmiento de Gamboa mit zwei Schiffen auszusenden, um auf den verwegenen englischen See- mann, den man in der Magalhaens-Strafse wieder anzutreffen hoffte, Jagd zu machen, und dann zur See nach Spanien zu gehen. Sar-

an der Magalhaens - Strafse. 323

miento, noch vor der Ankunft in der Magalhaens-Stralse von dem _ einen seiner Schiffe verlassen, dessen Capitain, des unendlich mühseli- gen und gefahrvollen Umherirrens in den Buchten und Canälen der _ patagonischen Westküste müde, gegen den Befehl seines Chefs nach Peru zurückgekehrt war, Sarmiento führte seinen Auftrag mit der - Entschlossenheit, Unbeugsamkeit und Unerschrockenheit eines ächten 4 Seemannes aus und lieferte in der Erzählung seiner Fahrt den ersten detaillirten und exacten Bericht über jene Gewässer und die benach- barten Länder ’). Seinen grofsen Gegner fand Sarmiento nicht. Nach seiner Ankunft in Spanien wirkte er mit Entschiedenheit dahin, dafs _ an der Magalhaens-Straflse Befestigungswerke und eine Colonie ange- - legt würden; denn diese Strafse war der einzige damals bekannte See- ‚weg nach der Westküste Amerika’s, und da sie sich in ihrem östlichen ‘Theile zweimal auf sehr auffallende Weise verengert, hatte man Grund der Annahme, durch Anlage eines Forts solche Raubzüge, wie die Drake’s, für die Zukunft vollkommen hindern zu können. Sarmiento stiefs auf zähen Widerstand, drang aber schliefslich durch: im Jahre 1581 rüstete Spanien ein Geschwader von 23 Schiffen aus, welche inter Diego Flores de Valdes, als Oberbefehlshaber, eine Truppenab- { heilung unter dem zum Gouverneur von Chile ernannten Don Alonso ‚de Sotomayor nach Chile, und eine Anzahl von Colonisten unter Sar- miento nach der Magalhaens-Strafse führen sollten. Von diesen Schiffen _ wurden sieben gleich nach der Abfahrt durch einen Sturm zerstört; ‘ein achtes ging auf der Fahrt von Rio Janeiro nach der Magalhaens- - Stralse bei einem furchtbaren Unwetter, welches das ganze Geschwa- der zerstreute, mit 300 Colonisten zu Grunde. Die Schiffe sammelten sich wieder im Rio de la Plata; aber von einer Gesammtunternehmung

ar nun nicht mehr die Rede: der Gouverneur von Chile, des unan- ehmen Seeweges müde, zog es vor, mit den Truppen zu Lande h seinem Bestimmungsorte zu marschiren, und der Oberbefehlshaber, ' bei einem neuen Versuche mit seiner Flottille die Magalhaens- trafse glücklich erreicht hatte, aber in der Nacht durch einen Sturm, cher zum Kappen der Ankertaue nöthigte, wieder auf die hohe See ieben war, kehrte entmuthigt nach Spanien zurück, nachdem er go de la Ribera den Befehl gegeben, mit fünf Schiffen die Coloni-

u; Madrid 1768. Die erwähnte Notiz ist dem Reisebericht angehängt unter Titel: Declaracion que de örden del Virrei del Perü, Don Francisco de Borja, cipe de Esquilache, hizo, ante Escribano, Tome Hernandez, de lo sucedido las Be poblaciones fundadas en el Estrecho de Magallanes por Pedro Sarmiento ‚de Gamboa.

21*

324 Das chilenische Colonisations- Territorium

der Magalhaens-Stralse, setzte nicht weit von der ersten Enge die Colonisten unter Pedro Sarmiento an’s Land und liefs sie hier, unge- nügend verproviantirt, mit einem kleinen Schiffe zurück, indem er sich selbst auf den Heimweg begab. Einige Hütten, die man schnell er- richtete, bildeten die erste Colonie, welcher Sarmiento den Namen Je- sus beilegte.e Das Fahrzeug schickte der Chef nach dem Hafen, der später Port Famine genannt wurde und Sarmiento’s Aufmerksamkeit schon bei seiner ersten Reise auf sich gezogen hatte; er selbst wollte sich mit einem Theile der Mannschaft auf dem Landwege dorthin be- geben, ohne Zweifel, weil das kleine Fahrzeug nicht eine genügende Anzahl von Colonisten transportiren konnte. Das Verhältnils zu den benachbarten Patagoniern wurde bald ein feindseliges; es kam zu Schar- mützeln, die auf beiden Seiten Verluste herbeiführten; auch auf dem Marsche, den Sarmiento bald darauf mit 80 Mann antrat, sah er sich von den Indianern vielfach belästigt. Nach 15 Tagen traf er bei der Punta Santa Ana, dem nördlichen Vorgebirge des Port Fa- mine, das Fahrzeug, und legte hier eine zweite Ortschaft an, welche den Namen Ciudad de San Felipe empfing. Das Hüttenbauen, die Ver- pallisadirungs- Arbeiten, die nach den Erfahrungen über die feindselige Gesinnung der Indianer unvermeidlich geworden waren, und der strenge Wachtdienst verdrossen die Colonisten, zumal da Schneegestöber ein- trat, obgleich die gute Jahreszeit noch lange nicht vorüber war. Mangel an geeigneten Kleidungsstücken und an Lebensmitteln steigerte die Un- zufriedenheit, und es bildete sich unter den Colonisten ein Complott, Sarmiento zu ermorden, sich des Fahrzeuges zu bemächtigen und nach Brasilien zurückzukehren. Sarmiento erhielt davon Nachricht und wulste sich der Rädelsführer zu bemächtigen, von denen er vier als Verräther sofort enthaupten liefs. Diese Strenge dämpfte den Geist der Meuterei, und als Sarmiento nach zweimonatlichem Aufenthalt zur Colonie Jesus zurückkehren wollte, um von dort eine andere Abtheilung Colonisten nach San Felipe zu führen, konnte er die letztere Ansiedelung in einem ruhigen Zustande der Leitung seines Neffen Juan Suarez anvertrauen. Sarmiento langte glücklich in Jesus an, aber auf der Rhede wurde sein Schiff von einem Sturme ergriffen und in die See getrieben. Zwanzig Tage dauerte das Unwetter. Endlich scheiterte das Schiff an der bra- silianischen Küste. Sarmiento miethete sofort zwei andere Fahrzeuge und sandte sie, mit Mehl und anderen Lebensmitteln beladen, nach der Magalhaens-Stralse; aber die Fahrzeuge sahen sich durch widriges Wetter genöthigt, in stark beschädigtem Zustande unverrichteter Sache zurückzukehren. Auch hierdurch noch nicht entmuthigt, beschlofs Sar- miento, nach Spanien zu gehen, von dort seinen verlassenen Colonien Hilfe zu verschaffen. Aber auf der Hinreise wurde sein Fahrzeug von

an der Magalhaens - Stralse. 325

englischen Schiffen genommen, er selbst nach England geschleppt. An eine Rettung der verlassenen Colonisten dachte nun Niemand.

| Inzwischen hatten sich die Ansiedler in Jesus, als sie zwei Monate E. vergeblich auf Sarmiento’s Rückkehr gewartet hatten, im August, also _ mitten im Winter, unter Viedma’s Führung auf den Weg gemacht und _ sich nach San Felipe begeben. Hier herrschte dieselbe Noth; es war | ‚nicht daran zu denken, dafs die durch diesen Zuzug vermehrte Bevöl- kerung an diesem einen Orte Unterhalt finden könnte, und Viedma _ sandte 200 Mann unter Juan Iniguez nach Jesus zurück, mit dem Auf- trage, ja darauf zu achten, ob sich vielleicht ein Schiff zeige, und die- sem Nachricht von dem Zustande der Zurückgebliebenen zu geben. "Die 200 Mann haben auf dem Marsche sämmtlich ihren Untergang ge- funden. In San Felipe wartete man den Winter und den folgenden Sommer hindurch vergeblich auf Hilfe; Fische und Schalthiere scheinen die ein- _zige Nahrung der unglücklichen Colonisten gewesen zu sein. Da liefs Viedma zwei Boote zimmern; etwa 50 Mann schifften sich darauf ein und steuerten nordwärts; aber bei der Punta Santa Brigida scheiterte eines der Boote, und da das andere die ganze Schaar nicht fassen konnte, liefs Viedma die gröfsere Hälfte der Mannschaft am Strande “zurück, damit sie hier, so gut es ginge, durch den Fang von Seethie- _ ren für ihren Unterhalt sorge, und begab sich mit dem Rest wieder nach San Felipe. So verging der Winter. Die Zurückgebliebenen theilten sich in Partien zu drei oder vier Mann und zerstreuten sich _ über die Küste, damit sie in kleineren Abtheilungen an verschiedenen Buchten leichter eine ausreichende Menge von Schalthieren finden möch- ten; aber als Viedma im Frühjahr das Häuflein an sich zog, sammelten sich in Felipe doch nur 15 Männer und 3 Weiber; alle andern waren ‚vor Hunger und Schwäche gestorben. Die so kläglich zusammenge- 'schmolzene Schaar brach nun nach der Colonie Jesus auf, wo man “die 200 Mann unter Iniguez zu finden hoffte. Aber auf dem Wege sah man die gebleichten Gebeine der unglücklichen Landsleute hier z und dort liegen: es war Niemand mehr am Leben, der die Leiden der ‚kläglich Umgekommenen erzählen konnte. Endlich, als man an der ersten Enge war, erschienen drei Schiffe: es war ein Geschwader unter jeı ı kübnen Cavendish. Von den drei Spaniern, die ausgeschickt wa- ren, sich zu erkundigen, wer die Seefahrer wären, ging einer an Bord Tome Hernandez, derselbe, der später dem Vicekönig von Peru

ar dern sandte Cavendish zurück, um Viedma zu sagen, dafs er sich auch einschiffen könne. Aber inzwischen erhob sich ein günstiger Wind: ; avendish segelte weiter, ehe die Unglücklichen angekommen waren.

326 Das chilenische Colonisations- Territorium

Als er bei San Felipe eintraf, nannte er den Hafen Port Famine, zur Erinnerung an die Schreckensscenen, die sich hier zugetragen hatten. Von den an der patagonischen Küste Zurückgebliebenen wurde zwei Jahre später nur noch einer durch Anton Mericke gerettet; alle andern waren damals bereits gestorben.

Das ist die traurige Geschichte des ersten Colonisations- Versuchs an der Magalhaens-Stralse. Sie ist abschreckend genug. Allerdings hat ein seltsames Zusammentreffen von Unglücksfällen wesentlichen An-

theil an dem Untergange der Colonisten; aber man kann doch erken-

nen, dafs es Europäern dort nicht gut möglich ist, in dem Ertrage der Jagd und Fischerei allein ihren Unterhalt zu finden; denn an Schiels- gewehren hat es den Colonisten nicht gefehlt. Fraglich blieb es, ob hier Ackerbau und Viehzucht als Grundlagen einer Ansiedelung mög- lich wären; aber die Erfahrungen, die man bei dem zweiten Colonisa- tions- Versuche gemacht hat, sind auch in dieser Beziehung nicht gerade günstig. Die eifrige chilenische Regierung hatte, zum Theil, um ihre Ansprüche auf. dieses Territorium factisch geltend zu machen, zum Theil, um die Passage fremder Schiffe durch die Magalhaens-Strafse zu erleichtern, im Jahre 1843 ebenfalls zu Port Famine eine Colonie begründet, die mit Vieh und Saatkorn hinlänglich versehen war. Allein die Ansiedelung wollte nicht recht gedeihen und wurde deshalb sieben Jahre später nach Punta Arenas (Sandy Point) verlegt. Hier gerieth sie noch mehr in Verfall, wie die Leser aus der Denkschrift, die wir unten mittheilen, entnehmen werden. Auch die letzte Nachricht, die uns über das Schicksal derselben vorliegt, ein Abschnitt in der vor- jährigen Botschaft des Präsidenten von Chile an den legislativen Con- grefs, führt keine erfreuliche Thatsache an, sondern spricht nur von Hoffnungen auf die Zukunft. „Der Fortschritt dieser entlegenen An- siedelung,* sagt der Präsident, „hängt innig mit der Herstellung einer Dampfschifffahrts-Verbindung durch die Magalhaens - Strafse zusammen; diese wird der Colonie neuen Aufschwung geben, sie in regelmäfsige Verbindung mit andern Gegenden und mehr in den Bereich der Re- gierungsthätigkeit bringen.“

Da die Regierung der Republik Chile, im wohlverstandenen In- teresse des Landes, das Colonisations-Project fest im Auge behält, aus einem eben erschienenen Werke ersehen wir, dafs neuerdings auch eine Ansiedelung auf der Elisabeth-Insel zur Sprache gekommen ist verdient es sicherlich die vollste Anerkennung, dafs sie sich eine wissen- schaftliche Erforschung des hierfür in Betracht kommenden Gebiets an- gelegen sein läfst. Will man zu gedeihlichen Resultaten kommen, so ist es unerläfslich, dafs man die materiellen Hilfsquellen, die von den Ansiedlern nutzbar gemacht werden können, und die Schwierigkeiten,

an der Magalhaens -Strafse. 327

_ mit denen der Anbau jener Landschaften zu kämpfen hat, in ihrem _ vollen Umfange übersieht. Vor drei Jahren hat die chilenische Regie- - “rung eine solche Exploration ausführen lassen, und zwar merkwür- diger Weise durch einen Mann, der, wie es den Lesern der Zeitschrift bekannt ist, auch für die Erforschung des nördlichsten Theiles der reuen Welt thätig gewesen ist, durch den Dänen J. ©. Schythe ’). Die Resultate seiner Untersuchungen hat Schythe in einer Denkschrift niedergelegt, deren Kenntnifs wir der gütigen Mittheilung des Königl. euls. General-Consuls in den La Plata-Staaten, Herrn v. Gülich, verdanken ?). Da das Memoire viel Neues, namentlich über das eigent-

selben in Grönland die allerunwirthlichsten Theile des Erdbodens ken- nen gelernt hat, Gegenden, neben denen das Magalhaens-Land

Schythe’s Bericht über das Magalhaens -Land.

Kommt man vom Stillen Ocean, so fährt man zwischen 52° 30’ und 52° 40’ S. Br. in die Magalhaens-Strafse hinein. Man kann sich da- bei nach den „Evangelisten* richten, vier Felsen-Eilanden, die von

korbe auf 9 Leguas gesehen werden können ®). Aufserdem hat man zwei leicht erkennbare Vorgebirge, die den Eingang markiren: im Norden das Cap Victory, im Süden das Cap Pillar *). Dem Schiffer, deı ' gewöhnlich auch durch die hier vorherrschenden Winde begünstigt rd, bleibt für eine bequeme Einfahrt in den Canal Nichts zu wün-

!) Zeitschrift für allg. Erdkunde N. F. Bd. I, S. 329; Bd. III, S. 84.

4 2) Sie führt den Titel: El territorio de Magallanes i su colonizacion. Por

Jorje €. Schythe.

8) Die Evangelisten, die als eine geeignete Marke für die Einfahrt von Nar-

borough im Jahre 1670 Isles of Direction genannt wurden, sind ganz öde und nackte

Felseninseln, ein Aufenthaltsort für zahllose Schaaren von Seehunden und Seevögeln, mtobt von einer wüthenden Brandung, die indefs kühne Jäger von Landungsver-

hen nicht abhält. Ihre Wichtigkeit für den Schiffer ist nach Capt. King nicht

grols, da sowol Cap Victory wie Cap Pillar so hoch sind, dafs sie von heran-

jahenden Schiffen eben so zeitig wie die Evangelisten erblickt werden können, wenn

nicht nebeliges Wetter die Fernsicht verhindert. &.N.

Bi = Wo Engländer und Spanier dieselben Namen für Localitäten brauchen, ha-

Bei dem Namen an sind wir, wie un der portugiesischen Schreib- fo K.N.

328 Das chilenische Colonisations- Territorium

schen; dieser entzieht ihn sofort der hochgehenden See und bietet ihm zu gleicher Zeit zahlreiche Häfen als Zufluchtsstätten dar, falls Winde und widrige Strömungen seinen Fortschritt behindern sollten.

Die Strafse, die am Eingange 5 Leguas breit ist, zieht sich von Nordwest nach Südost fast bis zum 54. Breitengrade hin und verengert sich allmählich, an einigen Stellen bis zu einer halben Legua; aber sie ist fast ganz frei von Klippen oder verborgenen Untiefen, welche die Schifffahrt gefährlich machen könnten.

Auf dieser Strecke von mehr als 60 Leguas hat man zur Linken (im Norden) zuerst die Inseln, die zu dem inselreichen Mutter Gottes- Archipel gehören, dann den Continent selbst, der durch enge Canäle in mehrere grofse Halbinseln zerschnitten ist; diese umschliefsen aus- gedehnte Binnenmeere, welche erst im Jahre 1829 durch Fitzroy auf der berühmten Expedition nach dem Innern, die er mitten in einem kalteh Winter auf einem kleinen Walfischboot unternahm, entdeckt wurden.

Zur Rechten (im Süden) zieht sich die zerrissene Küste der grofsen Insel Santa Ines hin, die von dem Engländer Narborough mit gutem Grunde Desolation-Island genannt wurde und mit den benachbarten Inseln zu dem verworrenen Labyrinth des Archipels von Tierra del Fuego gehört.

Wer diesen Theil der Meerenge bereist, wird nicht daran denken, ihn jemals von einer eivilisirten Bevölkerung bewohnt zu sehen. Augen- scheinlich bietet weder die eine noch die andere Küste die Bedingungen dar, die einen Colonisten einladen könnten, sich in einer Gegend nieder- zulassen, wo er sich einem ununterbrochenen Kampfe mit der Witte- rung, mit dem Mangel an anbaufähigem Lande und mit einer Bevöl- kerung von Eingeborenen unterziehen muls, die, mag sie an Zahl auch noch so unbedeutend sein, doch nichtsdestoweniger sich lästig, streit- süchtig und blutdürstig zeigt, wo sie sich ihren vermeintlichen Feinden physisch oder numerisch überlegen glaubt.

Das düstere Gemälde, das einige Schriftsteller von dem Macs haens-Lande entworfen haben, palst vollkommen für diesen Theil des Küstenstrichs. Während der gröfseren Hälfte des Jahres wehen hier Stürme aus den westlichen Himmelsstrichen und führen die Meeres- dünste herbei, die, zu Gewölk verdichtet, sich hier in Regengüssen, Schneegestöbern und Hagelschauern entladen. Selten bekommt man die Sonne zu sehen. Die Winterkälte ist bedeutend, und der Sommer nicht warm. Das Terrain ist, wo es nicht aus nackten Felsen besteht, feucht und sumpfig. Ebenen von einiger Ausdehnung, die für den An- i bau geeignet wären, zeigen sich nirgends. Freilich ist die Vegetation an Bäumen und Sträuchern nicht dürftig, namentlich auf den Abhängen

h

an der Magalhaens -Strafse. 329

_ und in den Thälern, die gegen die vorherrschenden Winde geschützt sind, und an vielen Stellen reicht die Waldung bis hart an das Meeres- ufer. Aber die überall an der Meerenge vorkommenden Buchen sind krumm, verkrüppelt und niedrig; der Alerce, dieser prächtige Baum, - der sich in den Provinzen Chiloe und Valdivia so schön entwickelt, - bleibt hier ein unbedeutender Zwerg; und die Cypresse ist in den we- nigen Exemplaren, die sich hier zeigen, kaum kenntlich.

Gleichsam als Ersatz für die Armuth des Landes besitzt das Meer eine Fülle von Producten aus dem Thier- und Pflanzenreiche. Wal- fische und Thunfische besuchen in grofser Anzahl die Buchten und Ca- näle, welche die zahllosen Inseln und Klippen von einander scheiden; _ Seekühe und Seehunde folgen Schaaren von Fischen oder ruhen von der Jagd auf Felsblöcken und Küsteninseln aus; verschiedene Arten _ von Enten und anderen Seevögeln suchen in Buchten und Seen einen - abgelegenen Brüteplatz, dessen Stille nicht durch einen zufällig vorbei- _ ziehenden Jäger gestört werden kann; und eine Fülle verschiedener _ Schalthiere bedeckt den Meeresgrund und gewährt dem armseligen Be- _ wohner des Feuerlandes seine Hauptnahrung.

Auch die Vegetation des Meeres ist nicht dürftig. Diese Gewässer erzeugen eine Menge von Pflanzen, die im Sargazo (fucus giganteus, Kelp der Engländer) ihren auffallendsten Repräsentanten finden. Ob- gleich diese Pflanze in wirthschaftlicher Beziehung nutzlos ist, bleibt sie doch für den Schiffer von Wichtigkeit, da sie die Lage von Untie- fen oder verborgenen Klippen anzeigt, auf denen ihre Wurzel haftet, während die ausgedehnten Blätter auf der Oberfläche des Meeres schwimmen.

Allen Umständen nach wird der westliche Theil der Meerenge mit sämmtlichen Inseln des Magalhaens- Archipels wahrscheinlich noch für _ viele Jahrhunderte das ausschliefsliche Eigenthum eines umherziehenden _ Volksstammes bleiben, der sich zur Zeit noch im äußersten Zustande _ der Barbarei befindet und sich für die Civilisation weniger als alle an- _ dern Stämme von Wilden empfänglich gezeigt hat. Dann und wann macht eine Rauchsäule, die von der Küste aufsteigt, dem Schiffer den - Ort kenntlich, wo sich zufällig eine Familie von Feuerland-Indianern aufhält, aber selten wagen sie über die Meerenge hinüber zu fahren, und niemals an den breiteren Stellen derselben, weil ihre roh aus _ Buchenrinde angefertigten Canoes viel zu gebrechlich sind ').

Der Morro de Santa Agueda (Cap Froward), unter 53° 53’ 43”

!) In Port Famine hatten die Feuerländer ein Boot verbrannt, welches die engli- ‚sche Expedition unter King und Fitzroy dort im Walde versteckt zurückgelassen hatten, K.N,

330 Das chilenische Colonisations- Territorium

S. Br., trennt den westlichen Theil der Meerenge von dem östlichen. Von diesem Punkte, welcher das Ende des grofsen amerikanischen Con- tinents bildet und mit der Cordillera de los Andes, die viel weiter im Nordwest unter 52° 10’ S. Br. und 73° 15’ W. L. v. Gr. endet ?), in keinem Zusammenhange steht, von diesem Punkte wendet sich die Küste nach Nordost, verharrt in dieser Richtung aber nur auf der kur- zen Strecke von 5#+ Leguas bis zum Cap $. Isidro, wo sie plötzlich nach Norden umbiegt.

Mit dieser Veränderung der Richtung ist auch sowol in der äufse- ren Erscheinung der Küste wie in klimatischer Hinsicht ein bemerkens- werther Umschwung verknüpft, der wohl eine ausführlichere Beschrei- bung verdient. Bevor ich aber auf die Einzelnheiten desselben eingehe, will ich noch den ferneren Verlauf der Meerenge bis zu ihrer Vereini- gung mit dem Atlantischen Ocean in Kürze zeichnen.

Verfolgt man die Richtung nach Norden einen Breitengrad oder 25 Leguas weit, so erweitert sich die Meerenge bis zu 7 Leguas Breite zwischen dem Point St. Mary auf dem Continent (im Westen) und der gegenüberliegenden Küste des Feuerlandes. Sie behält diese Breite mit geringen Abweichungen auf der ganzen, eben bezeichneten Strecke bei, ohne der Schifffahrt ein Hindernifs darzubieten, bis jenseits des Cap Negro, wo mitten im Canal die kleine, von Untiefen und Klippen um- gebene Insel Santa Magdalena liegt. Um diese Gefahr zu vermeiden, halten sich die Schiffer gewöhnlich zwischen der Küste des Continents und der Insel Elisabeth, in einem zwar engen, aber von Hindernissen freien Canal, der mehrere sichere Ankerplätze darbietet.

Jenseits dieser Insel wendet sich die Meerenge nach Nordost und zieht sich immer mehr zusammen, bis sie nicht mehr als 14 Leguas breit ist. Aber diese schmale Stelle erstreckt sich nicht weit; hinter dem Cap $. Gregorio erweitert sich die Strafse wieder, und auch hier würde die Schifffahrt ganz gefahrlos sein, wenn das Fahrwasser nicht durch einige Sandbänke erheblich verengert würde. Weiter ostwärts nähern sich die entgegengesetzten Küsten wieder so weit, dafs zwischen ihnen nur ein Meeresarm von * Leguas Breite bleibt; aber hinter die- ser Enge bekommt die Strafse das Aussehen eines grolsen Meeres, ob- gleich der schiffbare Theil durch ausgedehnte Bänke, welche die Küste des Feuerlandes umgeben, eingeschränkt wird. Endlich vereinigt sich

!) Die Cordillere wird hier, im Norden von King William IV. Land, von der vielverzweigten Bucht durchbrochen, welche Sarmiento, der hier vergeblich einen Aus- weg nach der Magalhaens-Strafse suchte, Ancon sin Salida nannte. Die englische Erforschungs- Expedition hatte im Innern dieser Bucht die Berge im Westen, wäh- rend das Land, das sich ostwärts an Obstruction Sound und Last Hope Inlet an- lehnte, so weit das Auge reichte, ganz flach war. K.N.

an der Magalhaens - Stralse. 331

die Stralse mit dem Atlantischen Ocean durch eine Mündung von fast 6 Leguas Breite, zwischen dem Cap Virgins auf der patagonischen & Küste, und dem Cap Espiritu Santo auf Feuerland.

Da der östliche Theil der Strafse auf seiner ganzen Ausdehnung _ von ungefähr 70 Leguas nur zwei Engen darbietet, so könnte es schei- nen, dals die Schifffahrt hier viel leichter sein müsse, als in dem west- lichen Theile. Aber dieses ist nicht der Fall. Demjenigen, der aus dem Stillen Ocean kommt, bietet die Einfahrt in die Meerenge im All- _ gemeinen keine besondere Schwierigkeit, und nur die Ausfahrt nach _ jenem Ocean ist zu gewissen Jahreszeiten in Folge der vorherrschen- - den Westwinde nicht leicht, wie denn einige Seeleute auf der Fahrt vom Hafen San Felipe (Port Famine) mehrere Monate zugebracht ha- - ben, ehe sie die hohe See gewinnen konnten. Aber an der östlichen Mündung hat man bei der Ein- wie bei der Ausfahrt mit bedeutenden Hindernissen und Gefahren zu kämpfen. Zum Theil werden diese durch die ausgedehnten Bänke verursacht, die sich hier vorfinden und deren veränderliche Ränder ausgenommen zur Zeit der Ebbe schwer _ zu erkennen sind; am meisten wird aber die Schifffahrt in diesem _ Theile der Strafse durch die reifsenden Strömungen erschwert, welche durch die Fluthbewegung des Meeres hervorgerufen werden. Da die _ Fluth hier bis 40 Fufs steigt, stürzt das Wasser des Atlantischen Oceans in die Stralse mit einer Geschwindigkeit von 2 bis 3 Leguas in der Stunde, die sich an den engsten Stellen auf 4 bis 5 Leguas steigert; und eben so reifsend ist die Rückströmung. Kein Schiff, wie sehr es _ auch durch den Wind begünstigt sein mag, kann die Kraft der enor- men Wassermassen überwinden, die sich durch die beiden oben er- - wähnten Engen ihren Weg suchen. Nur der Seemann, der diese perio- dischen Bewegungen des Meeres und die Ankerplätze, an denen er das Eintreten der ihm günstigen Strömung abwarten kann, genau kennt '), wird von derselben Nutzen ziehen können, um auch bei starkem Gegen- winde vorwärts zukommen. In dem Kampf mit den wüthenden Natur- kräften feiert die Wissenschaft einen ihrer schönsten Triumphe, da sie _ die eine zur Ueberwältigung der andern benutzen lehrt.

Indem ich jetzt zur detaillirteren Beschreibung der Landstriehe übergehe, welche an die östliche Hälfte der Meerenge stolsen, werde ich Tierra del Fuego aus den schon angedeuteten Gründen aufser Acht ssen, obgleich es auf seiner atlantischen Seite einen ganz anderen = nik gewährt als auf der pacifischen. Ausgedehnte Ebene bieten

332 Das chilenische Colonisations-Territorium

der Straufs fehlt hier nicht '); von der Jagd auf diese Thiere lebt ein Indianerstamm, der sich in vielen Beziehungen von den Bewohnern des westlichen Archipels unterscheidet und mit diesen auch in einer un- unterbrochenen Fehde lebt. So gleicht dieses Land einigermalsen Pa- tagonien, und der östliche Stamm bildet durch seine Physiognomie, seinen Charakter und seine Lebensweise gewissermalsen eine Ueber- gangsstufe von dem Bewohner der westlichen Feuerland-Inseln zu den Patagoniern.

Der Küstenstrich, der eine ausführlichere Beschreibung verdient, ist derjenige, der sich vom Cap Isidro nach Norden hinzieht. Er ge- hört von hier ab bis zu dem Punkte, wo die Küste sich nach Nordost wendet, unter der Breite der Elisabeth -Insel, zu- einer grofsen Halb- insel von dreieckiger Gestalt. Zwei Küsten derselben, die östliche und die südliche, stofsen an die Meerenge, die dritte, die nördliche, an das Otway-Water, welches durch den schmalen Jerome-Canal mit dem westlichen Theile der Meerenge in Verbindung steht. Unter der Breite der Elisabeth-Insel vereinigt sich diese Halbinsel mit dem grofsen Con- tinent vermittelst eines Isthmus, der auf der besten jetzt existirenden Karte auf derjenigen, die wir der Erforschung dieser Gegenden durch King und Fitzroy verdanken nur 24 Leguas breit ist, obgleich in Wahrheit die Breite mindestens 4 Leguas beträgt, wie ich selbst mich auf einem Marsche vom Cap Negro nach Westen bis an das Ufer jenes Binnenmeeres überzeugt habe.

In ihren allgemeinen Umrissen bietet die Ostküste der Halbinsel, vom Cap $. Isidro bis zum Cap Negro, einen ‚schönen Anblick dar, wenn man sie im Sommer zu Gesicht bekommt. Den Hintergrund des Gemäldes bildet ein ausgedehnter Gebirgszug, der nach Norden hin allmählich niedriger wird, bis er unter 53° S. Br. gänzlich verschwin- det; seine mittlere Erhebung beträgt 3— 400 Varas (eirca 800 1000 Fufs) °) und seine Gehänge sind mit einer undurchdringlichen Wal- dung bedeckt, die sehr wesentlich zur Verschönerung seiner äufseren Umrisse beiträgt, da sie die tiefen Schluchten verbirgt, von denen der Gebirgszug zerrissen ist. Der östliche Abhang schliefst sich an ein mehr oder minder ebenes Terrain an, welches mehrere, stufenweise zum Meere abfallende Terrassen bildet; der Wald, der Alles bedeckt,

!) Dafs Straufse südlich von der Meerenge vorkommen, wird meines Wissens sonst nirgends erwähnt. Es wäre zu wünschen gewesen, dafs der Verf. ausdrücklich bemerkt hätte, ob er sich selbst davon überzeugt hat. Die Straufsenfedern im Be- sitz der Eingeborenen können von den Patagoniern eingetauscht sein, mit denen sie eine Art Handelsverkehr unterhalten. K.N.

2) Die chilenische Vara wird gewöhnlich zu 333 Zoll englisch oder c. 312 Zoll französisch berechnet; weiter unten setzt Schythe aber 284 Varas = 237,9 Meter; darnach würde die Vara nicht voll 31 Zoll franz. umfassen. K.N.

an der Magalhaens-Strafse. 333

reicht an vielen Stellen auch bis an die Küste der Meerenge, so dafs die Wurzeln der dicht belaubten Buchen zur Fluthzeit von den Wogen bespült werden. Gleichwohl tritt der Wald auch hier und da von der - Küste zurück und lälst Ebenen frei, die sich nur wenig über den _ Meeresspiegel erheben und mit einer üppigen und mannichfaltigen Ve- _ getation bedeckt sind; hin und wieder treten Flüsse und Bäche aus dem Dunkel des Waldes hervor und führen Geröll und mit Sand ge- _mischten Detritus von den Bergen herab, den sie in Folge des Wider- _ standes, welchen die Strömungen der Meerenge ihnen entgegenstellen, an den Mündungen ablagern. Das Litoral, von dem hier die Rede ist, - bildet auf seiner ganzen Ausdehnung nur eine offene und einförmige Rhede; nur der Hafen San Felipe (Port Famine) vereinigt in sich die _ unerläfslichen Bedingungen, die auf den Namen eines Hafens Anspruch verleihen können. { Dieser Punkt zieht demnach zuerst und vorzugsweise die Aufmerk- - samkeit auf sich, sowol weil er der Zufluchtsort ist, dem sich die auf _ der Meerenge fahrenden Schiffe am häufigsten zuwenden, als auch weil _ er in der Geschichte der Colonisation eine so bedeutende Rolle spielt. - Hier war es, wo Sarmiento de Gamboa (1585) die erste Colonie grün- ‚dete, die ein so trauriges Schicksal hatte, dafs der Engländer Caven- - dish, der sie zwei Jahre später vollständig zerstörte, ihr den ominösen Namen „Hungerhafen“ gab; und an demselben Orte versuchte im Jahre 1843 die chilenische Regierung die Colonisation des Magalhaens-Landes, _ indem sie hier eine Ansiedelung begründete, die 7 Jahre später nach Punta Arenas (Sandy Point) verpflanzt wurde, dem Vorgebirge, welches Sarmiento das Cap des heiligen Antonius von Padua nannte. Bei einem Blicke auf die Karte erkennt man sogleich, dafs jener Hafen gegen alle Winde mit Ausnahme des Südost’s geschützt ist. Wenn dieser Wind mit einiger Kraft weht, was glücklicher Weise nicht häufig geschieht regt er das Meer um so stärker auf, als er "über eine ausgedehnte Wasserfläche hinstreicht, bis zum innersten _ Recefs der Lomas-Bai, die dem Hafen gerade gegenüberliegt. Dann brechen sich die Wogen mit betäubendem Donnern an den Felsen des _ Vorgebirges Santa Ana, schleudern den Schaum hoch empor, setzen das niedrige Land im Westen und Süden des Hafens unter Wasser und bilden eine ununterbrochene Brandungslinie. Unter solchen Um- 'ständen ist es gefährlich oder unmöglich, zu landen; das Schiff, wel- ‚ches in der Bai ankert, bleibt, so lange der Sturm dauert, ohne Ver- "bindung mit der Küste, und seine Sicherheit hängt von der Festigkeit "seiner Anker und Ketten ab. Aber der Ankergrund ist sonst ausge- zeichnet, in der mälsigen Tiefe von 6 bis 10 Faden, der Boden besteht an 5 einem weichen aufserordentlich zähen Thon, und wenn ein Fahr-

334 Das chilenische Colonisations- Territorium

zeug genug Taue und Ketten herabgelassen und die Topmasten abge- nommen hat, wird es ohne Besorgnils auf diesen Meeren die häufigen Windstöfse ertragen können, wie plötzlich und heftig sie auch herein- brechen mögen.

Im Süden ist die Bai von $. Felipe von einer sandigen Landspitze eingeschlossen, die sie von der unbedeutenden Bahia de Voces trennt. Diese Spitze, bei welcher der Flufs San Juan (Sedger River) in die Meerenge mündet, hat sich aus den Ablagerungen des Flusses gebildet, ebenso wie eine Sandbank, die sich längs der Küste hinzieht und zur Zeit der Ebbe grofsentheils trocken liegt. Später werden wir noch eine andere Landspitze kennen lernen, die von den Ablagerungen eines Flusses gebildet ist.

Da der Flufs San Juan ziemlich wasserreich ist, kann ein Boot auf ihm zur Zeit der Fluth etwas über eine Legua weit von der Mün- dung aufwärts fahren. Dann aber wird die Fahrt durch die zahllosen, von dem Wasser fortgeführten Baumstämme behindert; denn der Wald tritt so nahe an das Ufer heran, dafs die Bäume von der Strömung in’s Meer gerissen werden, welches sie später an der benachbarten Küste wieder auswirft. Aus der Vegetation des niedrigen, ebenen, zum Theil sumpfigen Landes, welches den in vielen Windungen sich hin- schlängelnden Flufs umgiebt, erkennt man, dafs er zur Zeit des Schnee- schmelzens oder anhaltender Regengüsse seine Ufer überschreitet und die Umgegend unter Wasser setzt; auch sonst ist er so wasserreich, dafs die Furth ein wenig oberhalb der Mündung in der grölsern Hälfte des Jahres unbrauchbar ist. Deshalb kann der Flufs für das an der Bucht liegende Land als eine natürliche Grenze betrachtet werden, die es von den südlicheren Gegenden scheidet.

Im Hintergrunde der malerischen Landschaft, welche der Hafen bildet, erhebt sich ein imposanter und hervorragender Gegenstand: der Berg San Felipe. Der Wald, der ihn vom Fufse bis zum Gipfel (475 Varas, 1170 Par. Fufs hoch) bedeckt, dehnt sich mit gleicher Ueppig- keit auch über die Hügel aus, welche zum Ufer des Flusses abfallen. In diesem Walde, wie in allen anderen des östlichen Magalhaens-Lan- des, herrscht die Buchenart vor, welche im Herbst die Blätter abwirft, (fagus antarctica), während weiter westlich die Buche mit immergrü- nem, glattem Laube (fagus betuloides) prädominirt. Hier findet man Bäume von ungewöhnlichem Umfange. Nicht selten haben sie eine bis anderthalb Varas im Durchmesser, und King erwähnt eine Buche !), die nicht weniger als 74 Varas (21 engl. Fufs) Umfang und einen Durchmesser von 24 Varas (64 Fufs) hatte, wahrscheinlich derselbe

1) A. a. ©. Vol.I, p. 84.

an der Magalhaens-Strafse. 335

_ Baum, der auf einen älteren Entdecker Byron so lebhaften Ein- druck machte.

k Die Ebene zwischen den Bergen und dem Strande ist zwar feucht und sogar sumpfig, aber doch mit üppigem Grase von der besten Be- _ schaffenheit bedeckt. Sie könnte durch eine planmälsige Entwässerung bedeutend verbessert werden: aber dazu würden Menschen und Capi- talien gehören, die sich diesen Gegenden voraussichtlich nicht in dem Mafse zuwenden werden, um ein so wichtiges Unternehmen ausführen zu können, aufser vielleicht in einer jetzt noch sehr fernen Epoche. Uebrigens fehlt es hier auch nicht an trocknen Feldern, die sofort oder _ nach geringen Vorbereitungen in Anbau genommen werden könnten, und über deren Ausdehnung nach dem Innern man nicht eher wird _ urtheilen können, bis die Entwaldung den fruchtbaren und an Pflanzen- stoffen reichen Boden blofslegt und ihn dem Landmann zugänglich _ macht.

In dem Vorgebirge Santa Ana besitzt der Hafen eine sichere _ Schutzwehr gegen Norden und Nordosten. Da das Gestein des Ge- birges, das sich etwa 4 Legua von der Küste entfernt erhebt, aus Schiefer mit schmalen Kalkspath-Adern besteht, leistet seine felsige Basis dem wüthenden Anprall der Wogen energischen Widerstand, und giebt in seinen Höhlen und Recessen einer zahllosen Menge von 'Schalthieren Schutz. Einige wasserreiche Bäche, welche am Fufse des _ Gebirges im Hintergrunde des Hafens entspringen, gewähren den hier ankernden Schiffen den grofsen Vortheil, sich ohne viel Mühe oder - Zeitverlust mit Trinkwasser versehen zu können, um so mehr, als die Felsen hier eine kleine Bucht bilden, in welcher die Boote, wenn der Wind nicht sehr stark aus Süden oder Südosten weht, sich ohne alle Gefahr dem Ufer nähern können.

Früher war dieses Vorgebirge bis zu seiner äufsersten Spitze ganz mit einem schönen Walde bedeckt, aber jetzt ist der letztere, in Folge _ wiederholter Brände und allmählicher Entholzung, sehr zusammenge- schrumpft. Mit wenig Glück hatte man gerade diese Stelle für die erste chilenische Colonie ausgewählt, deren kleines, von Pallisaden um- gebenes Fort den Namen des hervorragenden Mannes führte, welcher damals den Präsidentenstuhl der Republik einnahm. Da der obere heil des Berges in Folge der rücksichtslosen Ausrottung des Waldes allen Schutz verlor, darf man sich nicht wundern, dafs die neue Nieder- lassung ein melancholisches und unwirthliches Aussehen erhielt, weil sie strenger Kälte und der ganzen Wuth der Stürme ausgesetzt war, obgleich sie nur 38 Varas (100 Fufs) über dem Meeresspiegel lag. Aber wie ungünstig ihre Lage für den Anbau der sehr dicken und weidenreichen Erdschicht, welche das Gestein bedeckt, auch sein mochte,

336 Das chilenische Colonisations - Territorium

so hatte man doch das Glück, mehrmals kleine Quantitäten von Wei- zen und Gerste zu erndten; die Kartoffeln trugen reichlich an den nördlichen Abhängen '), und einige Arten Gemüse, die mit besonderer Sorgfalt angebaut wurden, lieferten recht befriedigende Resultate. Jede Gattung Vieh, mit Ausnahme der Schafe, vermehrte sich beträchtlich, und zur Zeit der Uebersiedelung besals die Colonie 103 Stück Rind- vieh (darunter 70 Kühe), 31 Pferde, 19 Ziegen und 14 Schweine ?), aufser der sehr angewachsenen Anzahl von Schweinen, die sich im Privatbesitz befanden. In diesem Zustande wurde die Uebersiedelung im Jahre 1851 ausgeführt, und wir werden später den sehr reducirten Viehstand kennen lernen, den die Colonie gegenwärtig besitzt.

Wenn wir nun in der Beschreibung des Litorals fortfahren, so finden wir unmittelbar im Norden der Punta Santa Ana drei kleine, fast parallele Buchten, welche kleinen Fahrzeugen guten Schutz dar- bieten, da sie selbst gut geschirmt und nicht tief sind. Aus demselben Grunde sind sie für die Fischerei und das Einsammeln von Schalthie- ren sehr geeignet, und wenn man die benachbarten Ebenen entwaldet hat, kann man sich kaum einen Ort denken, der als Wohnplatz für einige Familien, welche sich auf jenen Erwerbszweig legen wollen, ge- eigneter wäre.

Auf der Strecke von hier bis zur Freshwater-Bay, in gerader Richtung 6 Leguas von San Felipe entfernt, reichen die bewaldeten Höhen bis dicht an den Strand, und lassen dem Reisenden die Wahl zwischen zwei Wegen, die zur Zeit beide gleich schlecht sind: der eine geht längs des Strandes voll grober Kiesel, an denen sich die Pferde beschädigen, der andere durch den Wald, wo man auch auf viele Hindernisse und schlechte Stellen stöfst. Nur an einigen Punkten ent- fernt sich der Wald von der See und läfst am Fulse der Hügel einige Ebenen von gröfserer oder geringerer Ausdehnung frei: von den be- trächtlichsten derselben liegt eine bei einem felsigen Vorgebirge, 1 Legua von San Felipe, die andere 2 Leguas weiter nördlich, wo die alte Co- lonie ihre Viehhürden hatte.

An der erstern Stelle, wo die geneigten Schieferschichten eine Reihe von Klippen bilden, die der Schiffer mit um so grölserer Sorg- falt vermeiden mufs, als sie bei ruhigem, wellenfreien Meere nicht sicht- bar sind, liegt eine ausgedehnte, aber offene und schlecht geschützte Ebene, die indefs gute Weide darbiete. Und an der andern Stelle, der sogenannten Vaqueria, giebt es nicht blofs an der Küste ein ebe- nes grasreiches Terrain, sondern auch im Innern auf der ersten Ter-

!) Von 4 Sack Aussaat gewann man an einigen Stellen 49 Sack. Schythe. ?) Chanchos; der Ausdruck ist mir sonst nicht vorgekommen. K.N,

r

an der Magalhaens- Strafse. 337

rasse, zu der man vom Strande ansteigt, finden sich reiche, durch die sie umgebenden Wälder wohlgeschützte Weidelandschaften.

Die Freshwater-Bay liegt auf dem halben Wege zwischen der ‚alten und der neuen Colonie. Früher existirte hier eine kleine, aus _ einem Dutzend Häusern und Rancho’s bestehende Ortschaft; jetzt ist sie verlassen. Die Bai ist geräumig und hat guten Ankergrund, Sand, der auf Lehm ruht. Deswegen, und weil sie aufserdem der wichtigste Ein- sehnitt auf der ganzen Küste zwischen San Felipe und der Laredo-Bai ist, pflegen die Schiffe hier anzulaufen, wenn sie mit widrigen Winden zu kämpfen haben. Ein kleiner Bach mündet in den südlichen Theil der Bai, mit mehreren Armen, die zuweilen durch eine von der Meeres- _ strömung aufgeschwemmte Sandbank versperrt werden, so dafs sich _ längs des Strandes viele Lagunen von veränderlichem Umfange bilden. _ Das ebene, fruchtbare Terrain, welches die Bai umgiebt, dehnt sich _ weit in das Innere aus, aber es ist hier eben so wenig wie an andern Stellen möglich, seinen Umfang genau abzuschätzen, da der die ganze Ebene bedeckende Wald dem Wanderer, der in das Innere vordringen will, auf jedem Schritte hinderlich ist.

Dasselbe gilt auch von der grofsen Ebene, die sich auf der an- dern (nördlichen) Seite der Punta de $. Maria befindet. Von hier bis Punta Arenas (Sandy Point) hat das Stufenland, welches sich mit guter Baumvegetation in der Richtung der Küste hinzieht, im Allgemeinen eine nur geringe Erhebung; es nähert sich stellenweise dem Meere und läfst einen schmalen, fruchtbaren Landstreifen zwischen dem Walde und dem sandigen Strande frei, an andern Orten zieht es sich mehr nach dem Innern zurück und die ausgedehnten Ebenen zwischen ihm und der Küste können, wenn sie nicht schon an sich baumlos sind, leicht entwaldet werden, da der Baumwuchs hier nicht besonders kräf-

‚egua südlich von der neuen Colonie der Fall. Jeder derselben ist Be einem besonderen Bache Pen dem Rio de los tres brazos,

ent deshalb besondere Aufmerksamkeit, weil sich auf ihm die ein- e Niederlassung befindet, die Chile gegenwärtig im Magalhaens-

_ Mit Rücksicht auf die Uebersiedelung der alten Colonie an diesen unkt wurde das waldige Stufenland entholzt, welches sich hier 2 bis 3 Cuadras (800— 1200 Fuls) vom Strande entfernt und sich etwa { _ Varas (21 Fufs) über der vorliegenden Ebene erhebt. Seitdem ist

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd, II. 22

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gangen, dafs jetzt ein Flächenraum von mehr als 4 Cuadras (1600 F.) Länge (von W. nach OÖ.) und einer zwischen 2 und 3 Cuadras wech- selnden Breite entholzt ist '). Hier hat man, abgesehen von einer An- zahl Ranchos, im verflossenen Jahre (1853) etwa 20 gute und dauer- hafte Bretterhäuser, eine Capelle mit einem Thurm und einer Saecristei errichtet. Die Bevölkerung besteht mit Einschlufs der Kinder aus 150 Seelen, der Viehstand, so weit er dem Gouvernement gehört, nur aus 10 Pferden, 18 Ziegen und einer Anzahl Schweinen. An Rindvieh und Schafen fehlt es jetzt ganz.

Die Landspitze Punta Arenas, nach welcher die Colonie benannt wurde, ist zwar niedrig und eben, sie gewährt aber doch der offenen, von Schiffen nur selten als Ankerplatz benutzten Rhede einigen Schutz gegen Nordwinde. Durch die Ablagerung von Sand und Kies, welche der Rio de las Minas von den Bergen an die Küste führt, im Laufe der Jahrhunderte gebildet und aus demselben Grunde noch jetzt regel- mäfsig an Ausdehnung wachsend, verläuft die Landspitze unter der Oberfläche des Meeres in eine Sandbank, welche die Schiffe, nament- lich wenn sie von Norden kommen, um in der Bai zu ankern, sorg- fältig vermeiden müssen.

Der Flufs, welcher die Niederlassung im Norden begrenzt, ist zwar recht wasserreich, aber nicht schiffbar, da er viele Steine mit sich führt und im Sommer nicht tief genug ist; gleichwohl können kleine Kähne mit der Fluth einige Cuadras weit hinauffahren. Aber in der Periode, welche der letzten Umgestaltung des Continents vorausgegangen ist, war dieser Flufs sehr bedeutend und viel breiter als der San Juan. Dies erkennt man aus den alten, weit von einander abstehenden Ufern, die sich noch jetzt in auffallender Weise bemerklich machen und das Terrain einschliefsen, in welchem sich der Bach ein neues und viel schmaleres Bett ausgehöhlt hat. Als Grund dieser Erscheinung kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit die plötzliche oder allmähliche Erhebung der Küste anführen, für die auch die verschiedenen Ter- rassen sprechen, auf denen man wie auf Stufen von der Küste bis zum Fufse der Berge hinansteigt.

Die zahlreichen Steinkohlen-Stücke, die auf dem ganzen Strande in der Nähe der Flulsmündung ausgeworfen waren, lenkten die Auf- merksamkeit der ersten Ansiedler auf einen Gegenstand, welcher dem ersten Anschein nach der Colonie grofse Vortheile und eine glänzende

!) Hier wie in San Felipe ist man bei der Entwalduug nicht mit der wün- schenswerthen Umsicht zu Werke gegangen. Hätte man hier und dort einige kleine Baumgruppen, hier und dort eine tüchtige Buche stehen lassen, so würde man nicht blofs für die Schönheit des Orts gesorgt, sondern ihn auch gegen die vorherrschen- den Winde mehr gedeckt haben. Schythe.

an der Magalhaens-Strafse. 339

Zukunft versprach '). Es ist bei diesem Gegenstande wie bei vielen anderen eben so unsicheren durchaus nothwendig, sich nieht durch seine Phantasie zu träumerischen Hoffnungen hinreifsen zu lassen, deren Er- füllung die harte Wirklichkeit, wenn nicht unüberwindliche, so doch sehr gewichtige Hindernisse in den Weg stellt. In der Ueberzeugung, dafs es mehr Werth hat, die Wahrheit klar zu erkennen, wenn sie uns _ auch einiger angenehmen Illusionen beraubt, werde ich versuchen, in _ Kürze einen Gegenstand zu behandeln, der abgesehen von seinem In- teresse für den Naturforscher, auch aus national-ökonomischem Ge- - sichtspunkte von Wichtigkeit ist. Doch mufs ich im Voraus bemerken, ‚dafs das Urtheil, welches ich mir darüber gebildet habe, nur auf einer flüchtigen und unter ungünstigen Umständen unternommenen Untersu- chung der Minen beruht, und dafs eine mit umfassenderen, materiellen _ wie intellectuellen Hilfsmitteln ausgeführte Prüfung möglicher Weise zu einem ganz abweichenden Ergebnifs führt.

Die Steinkohle des Magalhaens-Landes wird an verschiedenen - Stellen auf dem linken (nördlichen) Ufer des Flusses gefunden, den wir Rio de las Minas genannt haben, 2 bis 3 Leguas nordwestlich von Punta Arenas, also nicht „dicht am Meeresufer*, wie bisher behauptet ‘wurde. Die Hauptadern treten mindestens an vier verschiedenen Stellen zu Tage, die immer weiter landeinwärts liegen und die man, um sie von einander zu unterscheiden, die erste, zweite, dritte, vierte Mine nennt. Die Höhe eines Punktes zwischen der zweiten und dritten Mine habe ich auf 284 Varas (237”,9 = 732 franz. Fuls) über dem _ Niveau der Colonie ”) bestimmt, durch drei Barometer -Beobachtungen an drei auf einander folgenden Tagen.

Man kann zu den Minen auf zwei verschiedenen Wegen gelangen: ‚entweder folgt man der Schlucht des Flusses, und dieser Weg ist über- aus beschwerlich, in Folge der Menge von grolsen Rollsteinen, welche den Boden bedecken, für die Pferde sehr ungünstig und während eini- ‚ger Monate wegen der Wasserfülle und reifsenden Strömung des Flusses

2) Ein kleiner Bach, der wenige Cuadras südlich von der Colonie in die Meer- ge mündet, pflegt ebenfalls zur Zeit seines periodischen Anschwellens Steinkohlen t sich zu führen. Da dieser Bach nicht auf den Bergen, sondern in dem sumpfi- en Innern des Waldes entspringt, stammt die von ihm mitgeführte Steinkohle nicht { s wirklichen Minen, sondern aus den Erdschichten der Oberfläche, wo sie in grofser Menge und in rundlicher Form welche dafür spricht, dafs fliefsende Gewässer sie hierher gerollt haben abgelagert ist. Diese Kohle gehört wie der sie ein- chliefsende Sand der Tertiärformation an, von welcher bedeutendere Gebirgsflüsse s die jetzigen. alle die zersetzten Stoffe hinabführten, aus denen der jetzige Boden

altet, welche die gegenwärtige Oberfläche des Landes durchfurchen. Schythe. 2) Diese liegt etwa 10 Varas (25 Fufs) über dem Meere, Schythe. a

Ben

340 Das chilenische Colonisations- Territorium

ist zur Zeit nicht minder unbequem als der andere, wegen der sumpfi- gen Stellen, des dichten Gesträuchs, der Schluchten und der niederge- worfenen Baumstämme, die den Pfad sperren; aufserdem aber mufs man hier, nachdem man allmählich zu einer beträchtlichen Höhe hinan- gestiegen ist und von Zeit zu Zeit zu seiner Linken den Flufs zu Ge- sicht bekommen hat, der im Grunde einer tiefen Schlucht dahinrollt, plötzlich an einem hohen und sehr steilen Abhange hinabsteigen, was nicht ohne Schwierigkeit, ja sogar nicht ohne Gefahr, namentlich für die Lastthiere, auszuführen ist. Wenn man nun auf dem einen oder dem anderen Wege zur dritten Mine gelangt ist, so hat man für den weiteren Weg keine Wahl: man mufs dem Bette des Flusses folgen; aber hier vermehren sich die Steine und die mächtigen Baumstämme dermalsen, dafs das Reiten ganz unmöglich wird und man zu Fufs zu wiederholten Malen den Flufs durchwaten mufs, um einen Weg durch weniger tiefes Wasser am Fufse der Berge zu suchen, deren Ränder in jedem Moment den Einstnrz ihres lockeren Erdreichs erwarten lassen.

Die Steinkohlen-Schichten, die 3— 1 Vara mächtig sind, befinden sich bei der ersten, zweiten und vierten Mine in einer mehr oder min- der beträchtlichen Höhe über dem Niveau des Flusses, während die bei der dritten Mine, die bei einer Dicke von nur 4 Vara schwerlich eine bessere Kohle als die andern liefert, im Niveau des Flusses liegt, d.h. während der gröfseren Hälfte des Jahres unter Wasser steht. Die ungeheuern Massen von Sand und loser Erde, aus denen die Hügel mit den Steinkohlenschichten bestehen, verhindern fast überall eine um- fassende und genaue Untersuchung der Neigung, Mächtigkeit und Ver- werfung der Schichten, indem sie dieselben vollkommen bedeckt haben; abgesehen von diesem Uebelstande hatte ich auch nicht die nothwen- digen Instrumente bei der Hand, um mich über jene Punkte zu unter- richten, die so überaus wichtig sind, wenn man sich von den Kosten und Schwierigkeiten, mit denen die Ausbeutung der Gruben verknüpft ist, einen Begriff machen will. Aber wenn ich mich nicht sehr täusche, geht die Richtung der Schichten im Allgemeinen von Osten nach We- sten mit einer Neigung nach Norden, und an einer Stelle, wo die Seite des Berges mehr entblöfst ist, so dafs man die Reihenfolge der Gesteinsschichten erkennen kann, zeigt sich, dafs über der Kohlenschicht eine Schicht von dunkelgrauem und weifsem Lehmschiefer, 1 Vara dick, ruht, die in ihrem unteren, an die Kohle anstofsenden Theile auch Bruchstücke der letztern in sich schliefst; dann folgt, 4 Varas mäch- tig, ein weicher und mürber Sandstein von fast schwarzer Farbe, wel- cher in unmittelbarer Nähe der Schieferschicht zahllose rundliche Stein- chen, meist von weilsem Quarz, einschliefst; weiter oben aber liegt ein

an der Magalhaens -Strafse. 341

- eonsistenterer Sandstein von anderem Aussehen, der eine Menge von Muschelversteinerungen enthält. Die beträchtlichen Massen von sandi- gem Erdreich oder von Humusboden, welche die äufsere Decke der Hügel bilden und mit den darauf stehenden Bäumen an dem Abhange _ der Schlucht herabsteigen, gestatten nicht, die folgenden Schichten zu _ erkennen, und man kann nur sehen, dafs die Schicht mit den Verstei- _ nerungen viele Varas stark ist, da sich in dem Flufsbette sehr umfang- reiche Stücke finden, die sich von ihr losgelöst haben und die Unter- _ suchung der von ihr eingeschlossenen organischen Reste ermöglichen. - Die letztern bestehen vielleicht ohne Ausnahme aus Bivalven, wenig- - stens konnte ich von Univalven kein Exemplar entdecken, wie sehr ich _ auch darnach suchte. Alle gehören zu Familien von Schalthieren, die, _ wenn auch die jetzt versteinert gefundenen Species nicht mehr vor- kommen, doch zum Theil in den benachbarten Meeren noch lebende _ Repräsentanten haben. Es verdient bemerkt zu werden, dafs die bei- den zu dem Schalthier gehörigen Muscheln sich nie zusammen ver- einigt finden und dafs sie gröfsestentheils auch verstümmelt und zer- brochen sind. In ihrer Gesammtheit macht diese maritime Formation, _ welche in ähnlicher Art an einer andern Stelle der ersten Mine unten und auch fast im Niveau des Flusses zu Tage tritt, den Eindruck _ einer ungeheuern Sandbank, welche die Meereswogen in einer antedi- _ Iuvianischen Zeit an einem Strande aufgeworfen haben, untermischt mit _ losen Muscheln, wie es auch jetzt noch so häufig geschieht, wenn auch in einem minder grolsartigen Mafsstabe.

Was nun die Eigenschaften der Kohle in diesen Minen betrifft, so habe ich nur wenige Bemerkungen demjenigen hinzuzufügen, was die Herren Domeyko und Pissis darüber gesagt haben, die eine aus der ‘ersten Mine entnommene und auf Befehl der Regierung nach Santiago geschiekte Probe im Jahre 1850 einer genauen Untersuchung und Ana- lyse unterzogen haben.

Sowohl die Natur der Petrefacte wie die der Gesteine, welche die

"na der Epoche angehören, Klin: von den Geologen di tertiäre ge- nt wird. Dafür spricht auch die holzige Textur, welche die Kohle sehr oft charakterisirt und zuweilen deutlich genug ausgeprägt ist, um erkennen zu lassen, dafs Bäume von so vollkommener Organisation wie Dyeotyledonen an der Verkohlung Theil genommen haben, welche die etation in Lignit verwandelte. Besonderes Interesse gewährt die nalogie in den Eigenthümlichkeiten dieser Formation und derjenigen,

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silen Harzes, welche in der Kohle beider Formationen eingeschlossen sind, bemerklich macht !).

Die Beschreibung, die ich eben von den Kohlenminen der Meer- enge geliefert habe, wird, wie kurz und unvollkommen sie auch ist, doch diejenigen enttäuschen, die sich aus Unkenntnifs der Verhältnisse, unter welchen die Kohlen sich vorfinden, Hoffnungen hingegeben ha- ben, deren Verwirklichung ihnen leicht und nahe zu sein schien. Die Entfernung von der Küste, die hohe Lage, der Mangel an brauchbaren Wegen und die Schwierigkeiten, die sich dem Bau derselben entgegenstel- len, die mächtigen Schichten verwitterten Gesteins, die auf den Kohlen ruhen und eine stützende Decke in den Gängen nothwendig machen, der absolute Mangel an Arbeitskräften und an Lastvieh, unter dem die Colonie gegenwärtig leidet, alles dieses vereinigt sich, um die Stein- kohlenminen viel mehr zu einem Gegenstande des wissenschaftlichen Interesses als des praktischen Nutzens zu machen. Gleichwohl kann man diesem Urtheil keine weitergehende Bedeutung geben als die, dafs der Abbau der Minen eine Frage der Zeit ist. Wenn die hohen Ziele der Staatsregierung einst erreicht sein werden; wenn diese Gegenden, die ungeachtet ihrer Reichthümer zur Zeit noch verlassen und unbe- nutzt daliegen, einst in Zukunft von einer zahlreichen, thätigen und arbeitsamen Bevölkerung bewohnt und bebaut sein werden; wenn die Industrie blüht, die Künste sich entwickeln, kurz, wenn alle Hilfs- mittel einer eivilisirten, wohlhabenden und regelmäfsig organisirten Ge- sellschaft vorhanden sein werden: dann wird auch die Erde ihren Schoofs öffnen und die von ihr eingeschlossenen Schätze werden ebenso unter einem ausgedehnten Kreise armer Arbeiter Wohlstand verbreiten, wie sie den Speculationen des reichen Capitalisten ein weites Feld dar- bieten werden. Aber ehe sich jene Zukunft verwirklicht, werden ver- muthlich nicht blofs die jetzige Generation, sondern wer kann sa- gen, wie viele kommende Generationen mit allen ihren Hoffnungen, Bestrebungen und Entwürfen zu existiren aufgehört haben.

!) Ich benutze diese Gelegenheit, um eine nicht -ausgedehnte Steinkohlen - For- mation zu erwähnen, die ich an einem in das Otway Water mündenden Bache, unter der Breite des Cap Negro, entdeckt habe. Die Schicht liegt im Niveau des Flusses und ist mit einem grobkörnigen Sandstein bedeckt, auf dem eine Schicht lockeren Sandes ruht; worauf dann der Humusboden folgt. Die holzige Textur und die braune Farbe machen diese Kohle zu einer ächten Braunkohle von sehr junger Bil- dung, die vielleicht in die gegenwärtige Epoche fällt. Man erkennt an fast allen Stücken, die man aus dem Wasser auflesen kann, die Form der Stämme oder Aeste der Bäume, welche die Schicht bilden; und erwägt man die Verhältnisse, unter denen dieselbe vorkommt nicht mehr als eine Cuadra vom Strande und in geringer Er- hebung über dem Meeresspiegel, so wird man es sehr wahrscheinlich finden, dafs sie sich aus den Bäumen gebildet hat, die fortwährend an der Küste ausgeworfen wer- den, und dafs das Terrain sich seitdem etwas gehoben hat. Schythe.

an der Magalhaens - Strafse, 343

Wenn wir nun nach dieser Abschweifung in der Beschreibung des Magalhaens-Landes fortfahren, so finden wir jenseits des Rio de las Minas eine ausgedehnte Ebene, welche sich über eine Legua weit von Punta Arenas nordwärts hinzieht. Je nachdem sich der Wald mehr oder weniger von der Küste entfernt, wechselt auch die Breite der Ebene; sie beträgt im Süden, nicht weit von der Colonie, ungefähr _ eine halbe Legua, nimmt aber nach Norden allmählich ab, bis zu einem Punkte, wo ein kleiner Bach, Rio de los Tres Puentes, in die Meer- _ enge mündet. Auf dem linken Ufer desselben zieht sich der Wald bis _ an die Küste hin, und läfst nur eine sehr schmale Passage frei, die _ überdies durch den Wasserlauf des Baches fast versperrt ist. Ich mache _ auf diese Localität besonders aufmerksam, über ihre Wichtigkeit werde

ich weiter unten sprechen.

Die Angaben über die Breite der Ebene beziehen sich lediglich auf das unbewaldete Terrain; dringt man in den Wald ein, der hier an hohen und starken Buchen reich ist, so erkennt man, dafs das ebene "Land sich weit in’s Innere erstreckt und mit der Entfernung von der Küste ganz unmerklich ansteigt.

Hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit unterscheiden sich die Land- striche im Innern beträchtlich von denen der Küste. Feucht aus Mangel an Abdachung, und mehrere Monate hindurch unter Wasser gesetzt, ist ‘das Land in der Nähe des Waldes reich an guten Wiesen, während _ der Küstenstrich allmählich den dürren Charakter der Pampas annimmt und nur mit einem Moosteppich bedeckt ist, der jede andere Kräuter- Vegetation ausschliefst. Der Bach, der den Rand des Waldes begleitet und die Ebene in - ihrem nördlichen Theile durchschneidet, theilt sich in mehrere Arme, welche einige lachende Inseln mit üppigen Buchen und schönen Wiesen umschliefsen. Der Contrast zwischen dieser reichen Vegetation und den kahlen Baumstämmen, die in dem Flusse zusammengetrieben sind, verleiht der Landschaft einen Reiz, welcher den Reisenden einladet, vom Pferde zu steigen, eine Weile im Schatten auszuruhen, und seinem Chiere die reiche Weide zu gönnen, welche die Natur ohne menschli- ches Zuthun ihm darbietet. Von der Mündung des Rio de los Tres Puentes bis zum halben Wege nach Cap Negro treten die Hügel und mit ihnen der Wald so nahe an die Küste heran, dafs man durchaus auf dem steinigen Strande der Bahia de Catalina weiter reisen mufs. Diese „Bai“ ist nur eine offene Rhede ohne jede Einbiegung, welche jenen pr verdienen könnte. "Weiterhin entfernt sich der Wald von der Küste und der Weg geht ber eine mit Moos bedeckte Terrassenstufe, welche bereits an den ümlichkeiten der ächten Pampas Theil zu nehmen anfängt und

344 Das chilenische Colonisations- Territorium

einen Uebergang von den fruchtbaren Gebieten im Süden zu den aus- gedehnten Pampas des Nordens bildet, deren Armuth und Einförmigkeit der Landschaft eine traurige Färbung verleiht.

Kommt man zur Laredo-Bay, welche dem Ostwinde ebenso wie alle übrigen Buchten dieses Littorals offen steht, so steigt man zu einem niedrigen und sumpfigen Terrain hinab, welches zwischen dem Strande und der Laguna de los Patos (Duck Lagoon) liegt. Die letz- tere, deren trübes Wasser durch den Zufluls aus einigen mit Busch- werk bedeckten Schluchten vermehrt wird, liegt nur sehr wenig über dem Meeresspiegel; ihr Ufer ist noch zum Theil mit Buchen bestanden, aber in einiger Entfernung verschwinden auch diese letzten Repräsen- tanten der kräftigen Vegetation des Südens, und der Sandberg, der den Namen Cap Negro führt, setzt den andringenden Winden und der un- unterbröchenen Aushöhlung durch die Meeresströmungen nur baumlose, kahle Gehänge entgegen.

Hier sind wir an der Grenze der Colonisations-Halbinsel. Das Land hat fast unmerklich seinen Charakter verändert, und mit Bedauern ver- missen wir die fruchtbaren Landstriche und Wiesen, die wir hinter uns gelassen haben. Richten wir den Blick nach Westen und Norden, so bemerken wir nichts, was die traurige Monotonie der ausgedehnten Pampa unterbrechen könnte. Aber in dem Küstenstriche, den wir zu- letzt durchreisten, wird der aufmerksame Beobachter den allmählichen Uebergang nicht unbemerkt gelassen haben, der sich in der Verschlech- terung des Bodens und in dem Charakter des Waldes zeigt; der letz- tere wird immer dürftiger; die Bäume zeigen nicht mehr ein so schönes und kräftiges Wachsthum wie im Süden; in mehr oder minder grofse Gruppen vertheilt, widerstehen sie nicht mehr der Gewalt der herr- schenden Stürme; ihre Wipfel sind wie mit einer Scheere von West nach Ost abgeschnitten, das ganze Geäst breitet sich nach dieser Rich- tung aus, und nur unter dem Schutze von kleinen Wäldchen wachsen noch einige gerade und regelmäfsig entwickelte Buchen, aber auch sie‘ erheben ihre Wipfel nicht über die sie schirmenden Bäume. In der That, je mehr der Gebirgszug, der sich von Süd nach Nord in der- selben Richtung wie die Meerenge hinzieht, sich verliert, desto mehr verschwindet auch der Wald, und das Land bleibt den Moosen und Farnkräutern und undurchdringlichen Brombeerbüschen preisgegeben, welche die charakteristische Vegetation»der unermefslichen, ohne Ab- wechselung nach Norden sich hinziehenden Pampas bilden.

Es wird hier der geeignete Ort sein, einige Bemerkungen über die Bodenbeschaffenheit des eben beschriebenen Landstrichs, wie über das Klima und die bisher unternommenen Versuche zur Lösung der Frage, ob ersich zum Anbau der Nahrungspflanzen eignet, einzuschalten.

an der Magalhaens-Stralse. 345

Im Allgemeinen zeigt die Bodenbeschaffenheit des Küsten- strichs zwischen San Felipe und Cap Negro so wenig Mannichfaltig- keit, dafs man sie in den Hauptzügen mit wenig Worten schildern kann. Nimmt man den südlichsten Theil aus, der auf der Schiefer- formation ruht und deshalb zum Theil aus Thon besteht, so ist auf - der bezeichneten Strecke ein sandiger Boden überwiegend, der durch die Verwitterung der mächtigen Schichten der Tertiär-Formation ge- bildet ist. So kann man den gröfseren Theil dieses Landstrichs als einen leichten Boden bezeichnen, dessen Bearbeitung weder bedeutende Kosten noch starke Ackergeräthschaften erheischt. Indem der Sand oft mit Kiesschichten abwechselt, ist er doch nicht so ausschliefslich vorherrschend, dafs nicht auch hier und dort Thonmassen dazwischen _ gelagert sein sollten, die, demselben Verwitterungsprocels entstammend, gewöhnlich am Ufer der Flüsse oder beim Graben eines Brunnens ent- blöfst werden '). So findet sich, um ein Beispiel von vielen anzu- führen, bei Punta Arenas ein so gut zu bearbeitender und von Kies - freier Thon, dafs er zur Fabrication von gewöhnlichen Töpfen, von - Bau- und Dachziegeln mit Vortheil verwendet werden könnte. Wenn sich auch ein soleher Thon entdecken liefse, der eine bestimmte Masse Kalk als wesentlichen Bestandtheil enthielte und deshalb den Namen Mergel verdiente, so würde ein umsichtiger Landwirth denselben ver- _ werthen können, um sein Feld zum Gemüsebau geeignet zu machen. - In mehreren Ländern Europa’s ist dieses Material als Düngungsmittel so geschätzt, dafs Landwirthe, die es auf ihrem eignen Gebiete nicht _ besitzen, es um jeden Preis von den Nachbarn zu erhalten suchen, um _ es über ihre Felder je nach dem Bedürfnifs auszustreuen.

Wenn nun aber, wie ich bemerkte, der Sand unter den Bestand- theilen des Bodens vorwiegt, so könnte man vielleicht voraussetzen, ‚dafs der letztere im Allgemeinen für die Cultur nicht vielversprechend ‚Ist. Gleichwohl widerspricht die Ueppigkeit der Wälder und Wiesen einer solchen Annahme, und stellt es aufser Zweifel, dafs Ländereien, welche durch ihre natürliche Vegetation die Bewunderung des Beob- { achters erregen, auch dem Anbau der meisten, dem Klima angemesse- nen Gewächse keine Schwierigkeit entgegenstellen werden. In der That, untersucht man die oberste Erdschicht, aus welcher die Wurzeln der Cerealien und Gemüse ihre Nahrung saugen, so erkennt man, dafs ‚sich nur in unmittelbarer Nähe des Strandes Sandflächen mit einer ET !) Bei einem neuerdings in Punta Arenas gegrabenen Brunnen war die Reihen- folge der Schichten diese: 24 Varas gelblicher Sand, 32 Zoll Thon, etwas über 2 Va- Kies, vermischt mit Sand und einigen Stücken Steinkohle; endlich ganz feiner d. In der Tiefe von 54 Varas stiefs man auf Wasser, und bei 6 Varas Tiefe udelte das Wasser reichlich an mehreren Stellen des Bodens hervor. Schythe.

346 Das chilenische Colonisations - Territorium

armen und dürftigen Vegetation vorfinden, dafs man aber weiter nach dem Innern zu sich auf einem Boden bewegt, dessen Reichthum an aufgelösten organischen Stoffen so wächst, dals die letztern eine dicke Humusschicht bilden; auch die Farbe verändert sich vom Weilsen zum Rothen und Schwarzen. Ein noch jungfräulicher, mit ernährenden Stoffen reich versehener Boden wird sicherlich auch ohne die geringste künstliche Düngung wiederholte Erndten erzeugen können, namentlich wenn man für eine angemessene Fruchtfolge sorgt; durchaus nothwen- dig ist aber eine tiefe und sorgfältige Beackerung, damit der Boden sich vollständig lüftet; denn es ist bekannt, dafs die Luft, wenn nicht mehr so doch eben so viel wie der Dünger zur Ernährung der Pflan- zen beiträgt, sei es direct, oder dadurch, dafs sie die Zersetzung der organischen Bestandtheile des Düngers erleichtert.

Lockerer Boden giebt im Allgemeinen keine Veranlassung, dafs sich die atmosphärischen Niederschläge auf seiner Oberfläche ansam- meln; sie sickern im Gegentheil leicht durch die Zwischenräume durch, welche die Sandtheilchen trennen, bis sie auf eine consistentere, nicht durchlassende Schicht stolsen, folgen dann der Abdachung derselben und brechen an tiefer gelegenen Orten, gewöhnlich am Fufse von Ber- gen, als Quellen wieder hervor. Man wird demnach von vornherein anzunehmen geneigt sein, dafs der ganze in Rede stehende Küstenstrich an fliefsendem Wasser reich ist; und das ist in der That der Fall. Aufser den bereits erwähnten Bächen giebt es hier viele andere von geringerer Wichtigkeit, und hier und dort sieht man Quellen am Fufse der Terrassen hervorsprudeln oder aus dem Walde heraustreten. Aber nicht überall erleichtert die Porosität des Bodens das Durchsickern der atmosphärischen Niederschläge. Weil der Boden, namentlich in un- mittelbarer Nähe der Wälder, mit Pflanzenstoffen reichlich angefüllt ist, sieht man auch oft stehendes Wasser, welches dem Terrain den Charakter eines zum Anbau untauglichen Sumpflandes giebt. Obgleich dieses immer ein Uebelstand bleibt, verliert er doch dadurch viel an Bedeutung, dafs solche Orte gemeinhin die beste Weide erzeugen und, wenn sie im Sommer austrocknen, zur Heuerndte bereit liegen; aufser- dem bietet auch ihre Trockenlegung vermittelst künstlicher Abzugsgrä- ben keine unüberwindlichen Schwierigkeiten dar.

Ein anderes Uebel, um nicht zu sagen eine Plage, die zum Ver- derben des Landes gereicht, besteht in einem kleinen Thier aus der Familie der Nager, welches vom Volke Curulu genannt wird. Es ist an einigen Theilen der Küste so häufig, dafs das Land von ihm nach allen Richtungen unterminirt ist, so dafs der Fufs bei jedem Schritt in unsichtbare Gruben sinkt. Da sich dieses Thier von den Wurzeln und Samen der Waldpflanzen nährt, so könnte man fürchten, dafs es

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versuchen wird, seine Gefräfsigkeit auf Kosten der Saaten zu befrie- digen, die man künftig dem Boden anvertraut. Aber es mufs bemerkt werden, dafs es sich jetzt nur in lockerem Sandboden und nie in feste- ren Bodenarten findet: sollte es aber einst seine unterirdischen Arbei- ten auch auf diese ausdehnen, die ihrer Fruchtbarkeit wegen viel mehr zu Anbau geeignet sind, so würde wahrscheinlich der Pflug bald einen Feind ausrotten, der nur durch seine Anzahl gefährlich wird. : Nach dem, was ich über die Beschaffenheit des Bodens hinsicht- lich seiner Tauglichkeit zum Anbau bemerkt habe, werden wir uns leicht überzeugen, dafs es nicht viel Mühe verursachen wird, die Hin- dernisse zu besiegen, die sich in dieser Beziehung entgegenstellen. In der That würde ein Land wie dieses für anbaufähig und selbst für aus- _ gezeichnet gelten, wofern es durch ein den Feldfrüchten angemessenes Klima begünstigt ist. Und hiermit berühren wir einen Punkt von - hervorragender Wichtigkeit. Um so schmerzlicher ist der Mangel an meteorologischen Beobachtungen, die während einer hinlänglichen An- zahl von Jahren fortgesetzt sind, so dafs eine befriedigende Lösung der Frage möglich wäre; das Wetter, überall in der Welt das Symbol der Veränderlichkeit und Unbeständigkeit, zeigt diesen Charakter beson- ders in den gemäfsigten Zonen. In zwei verschiedenen Jahren kann _ die Temperatur derselben Jahreszeit einen sehr erheblichen Unterschied zeigen. Aus diesem Grunde und aus vielen anderen werde ich mich - wohl hüten, aus den wenigen Daten, die mir vorliegen und die nur den kurzen Zeitraum eines Jahres umfassen, voreilige Schlüsse zu zie- - hen; ich beschränke mich vielmehr darauf, die Hauptresultate der täg- lichen, zu Punta Arenas innerhalb des genannten Zeitraums angestell- ten Beobachtungen mitzutheilen. Der zuletzt verflossene Winter (Juni, Juli und August 1854) hatte zur 18 Tage, an welchen das Thermometer unter Null sank, meisten- theils nur —1° oder 2°, dreimal —4°, und ein einziges Mal —6,75 ° der Centesimalscala; diese Kälte beschränkte sich gewöhnlich auf die - Morgenstunden, und die Temperatur stieg im Laufe des Tages um mehrere Grade. Im Sommer (December 1853, Januar und Februar 1854) erreichte - das Thermometer im Schatten um Mittag sehr oft +14°, oder +15°, - zuweilen sogar 418° und 19°, und war um 8 Uhr früh nie unter +6° gesunken. In den dazwischen liegenden Monaten des Frühlings und des Herbstes zeigte sich ein gröfseres Schwanken der Temperatur; das - Thermometer stieg um Mittag zuweilen auf +14°, ja selbst auf +18°, ' und sank Morgens zuweilen aber selten, auf —1° und —2°; ge- wöhnlich zeigte es +6°, +7° bis +8°.

348 Das chilenische Colonisations - Territorium

Die mittlere Temperatur jedes Monats, die der vier Jahreszeiten und die des ganzen Jahres ist in folgender Tabelle zusammengestellt ?): 1853 September + 3,48° C. oder 2,78° R.

October + 8,54 - 1146,88 November -+ 9,49 =.17,59 December 11,16 - 18,93 1854 Januar —+ 11,96 - 9,57 Februar —+11,68 - 9,34 März + 9,95 - 7,96 April + 7,02 - 5,61 Mai + 4,21 -, 8,37 Juni + 3,24 2,59 Juli + 2,15 - 14,72 August + 3,01 an} Frühjahr + 7,17 - 5,78 Sommer —+-11,60 re Herbst + 6,05 - 4,84 Winter + 2,80 2 Ganzes Jahr + 7,16 - 5,73

Aus diesen Angaben läfst sich entnehmen, dafs weder die Win- terkälte noch die Sommerwärme excessiv ist, mag man auch in An- schlag bringen, dafs zwischen verschiedenen Jahren ein Unterschied waltet. Erwägt man die geographische Lage des Magalhaens-Landes, dafs es ein Litoral zwischen zwei grofsen Oceanen ist, so wird man von vornherein voraussetzen, dafs sein Klima dem Inselklima gleicht, d.h. dafs die mittlere Wintertemperatur von der mittleren Sommer- temperatur weniger abweicht, als es unter dieser Breite der Fall zu sein pflegt, oder mit anderen Worten, dafs der Winter weniger kalt und der Sommer weniger warm ist, als in anderen Ländern, die gleich- weit vom Aequator entfernt sind.

!) Vergleicht man die obigen Angaben mit denen King’s über die Temperatur von Port Famine, welches doch wohl geschützter liegt als Punta Arenas, so möchte man schliefsen, dafs das Jahr 1854 auffallend milde war. King giebt die Durch- schnittstemperatur an:

für Februar 51,10° F. oder 8,49° R. - März 49,37 217,12

- April 41,22 - 4,09

- Mai 35,47 - 1,54

- Juni 32,97 - 0,43

- Juli 33,03 - 0,46

- 12 Tage des August 33,25 - 0,55

Die höchste Temperatur-Angabe, die mir in seinem Werk aufgesto[sen ist, so- weit es sich um die Magalhaens-Strafse handelt, ist 67,5° F. (4+-15,8° 2) Eu die Freshwater Bay.

an der Magalhaens-Strafse. 349

Atmosphärische Niederschläge haben im verflossenen Jahre _ zwar nicht gefehlt, aber sie sind auch nicht so reichlich gewesen, dafs man das Klima mit Recht als regnerisch bezeichnen könnte. In Folge der Anziehung der Wolken durch die dichten Wälder ist der Himmel meistens bewölkt und umzogen gewesen, aber durchschnittlich hat man _ doch nieht mehr als 10 bis 11 Regentage in jedem Monat gezählt.

Im Allgemeinen hat es im Frühjahr und Sommer am häufigsten geregnet, aber in Platzregen von kurzer Dauer und geringer Wasser- menge, während im Herbst und Winter länger anhaltende und reich- lichere Regengüsse und Schneegestöber eintraten. Die folgende Ta- _ belle enthält die detaillirteren Angaben über die Niederschläge:

Niederschläge in Anzahl der Regen -

Metern. oder Schneetage. 1853. September 0,0488 12 October 0,0477 11 November 0,0592 13 December 0,0293 18 1854. Januar 0,0202 8 Februar 0,0260 15 März 0,0223 11 April 0,0475 10 Mai 0,0835 6 Juni 0,0873 12 Juli 0,0979 12 August 0,0378 10 Frühling 0,1557 36 Sommer 0,0755 41 Herbst 0,1533 7 Winter 0,2230 34 Ganzes Jahr 0,6075 138

\ Die Gesammtsumme der Regentage beläuft sich fast auf 38 Pro- {: En die Summe der Niederschläge auf 0,7268 Varas oder 26” 1,98” span.), sie ist also viel geringer als in Gegenden, die mit Recht für regenreich gelten. Regen und Trockenheit haben hier wirklich in recht günstiger Weise mit einander abgewechselt; keines von beiden t sich in empfindlicher Weise bemerklich gemacht oder nachtheilige

Starke Winde sind zwar häufig, aber Orkane von zerstörender tewalt kommen nicht vor. Frühling und Sommer sind die stürmisch- sten Jahreszeiten; im Herbst und Winter bilden die Tage mit Wind- ‚stille oder schwachem Winde die Mehrzahl. Im Laufe des ganzen Jah-

kam kein Gewittersturm mit Donner und Blitz. vor. Winde aus

350 Das chilenische Colonisations- Territorium

Westen und zum Theil aus Norden sind die gewöhnlichsten; sie wehten im Frühling und Sommer fast mit der Beständigkeit eines Monsuns. Bei den Bemerkungen über das Klima darf ich einen Punkt nicht mit Stillschweigen übergehen, die Salubrität. Glücklicherweise legt mir die klimatische Beschaffenheit nieht die peinliche Aufgabe auf, mich auf medieinische Diseussionen einzulassen, die ganz aufserhalb meines Berufs liegen. Doch zögere ich nicht einen Augenblick zu er- klären, dafs es in der ganzen Welt kein gesunderes Klima geben kann als dieses. Wie wir gesehen haben, ist die Kälte im Allgemeinen ge- mälsigt; dasselbe gilt von der Wärme; die fast ununterbrochene Be- wegung der Luft erleichtert den Verdunstungsprocels, so dafs die Feuch- tigkeit der Gesundheit nicht nachtheilig werden kann; die hiesige Atmosphäre besitzt, so viel man weils, keine Eigenschaft, die dem menschlichen Organismus nachtheilig wäre. Die Krankheiten, die den Bewohnern dieses Territoriums noch am häufigsten lästig geworden sind und die mit einigem Grunde dem Klima beigeschrieben werden können, sind katarrhalische und rheumatische Affectionen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dafs eine Bevölkerung, die sich in Bezug auf die Nahrungsmittel besser einrichtet, im täglichen Leben vorsich- tiger ist, für gutgeschützte und bequeme Wohnungen zu sorgen ver- steht, kurz die sich durch eine mäfsige und regelmäfsige Lebens- weise auszeichnet, grofsentheils von jenen Krankheiten frei bleiben wird, die überdiefs fast nie einen ernsten Charakter annehmen. Ziehen wir jetzt den Einfluls in Betracht, den das Klima auf die Cultur der Cerealien und Gartengewächse ausübt, so machen wir zuerst darauf aufmerksam, dafs in dieser Beziehung weder die durchschnittliche Jahrestemperatur noch die Winterkälte das Wichtigste ist, sondern die Wärme uud Dauer des Sommers. Bekannter Weise werden in den Ländern von Nord-Europa, in Schottland, Norwegen, Schweden, Dänemark und einem Theile von Rufsland, ungeachtet der starken und anhaltenden Winterkälte, mehrere Getreidearten, z. B. Wei- zen, Gerste, Roggen und Hafer mit Vortheil angebaut, weil der Som- mer als Ersatz eine so starke Wärme mit sich bringt und solange dauert, dafs die Saaten vollkommen zur Reife gelangen. Dasselbe ge- schieht sogar im Innern Sibiriens, wo die Winterkälte so excessiv und die mittlere Jahrestemperatur so niedrig ist, wie in keinem anderen Lande unter gleicher Breite. Woran liegt es nun, dafs Länder, die viel weiter vom Aequator entfernt sind als das Magalhaens-Land und eine niedrigere Durchschnittstemperatur besitzen als dieses, dennoch zum Anbau von Cerealien geeignet sind, während die in diesem Lande mit verschiedenen Früchten angestellten Versuche bis jetzt so wenig befriedigende Resultate geliefert haben? Um den Antheil festzustellen,

j an der Magalhaens- Strafse. 351

den das Klima an dem Mifslingen dieser Versuche haben könnte, darf © jeh nur bemerken, dafs bei Berechnung der Durchschnittstemperatur für jeden Monat, wie sie oben mitgetheilt ist, die Temperatur der Nacht, die unzweifelhaft eine bedeutende Reduction der Resultate verursachen mus, nicht in Anschlag gebracht ist. Aber wenn uns ein Thermo- meter fehlt, welches den niedrigsten Temperaturgrad der Nacht mar- kirt, gewährt uns die Natur selbst unzweifelhaften Aufschlufs darüber. Allem Anschein nach fehlt es hier im Sommer nie an einigen Nacht- frösten, dergestalt, dafs sich auf stehendem Wasser Morgens eine Eis- kruste von 3—4 Linien Dicke zeigt. Sie treten bei klarem und wol- kenfreiem Himmel ein, in Folge der Wärmeausstrahlung, die auf der ganzen Oberfläche der Erde und der sie bedeckenden Pflanzen vor sich geht. Man wird sagen dürfen, dafs diese Nachtfröste, wenn nicht voll- kommen zerstörend, so doch sehr nachtheilig auf die Saaten wirken. Wie man mir mittheilte, war im verflossenen Jahre ein treffliches Gersten- und ein kleines Roggenfeld durch einen Nachtfrost am 15. März total zu Grunde gerichtet. Im letzten Sommer habe ich diese Erschei- nung fünf Mal beobachtet: 1) in fünf auf einander folgenden Nächten, 40.—14. November 1853; 2) am 12. December ejusd.; 3) in drei fol- genden Nächten, 26.—28. Januar 1854; 4) am 18. Februar, und 5) am - 21. und 22. März. In Folge der November-Nachtfröste ging der Lauch - (?los porrotos) ganz zu Grunde, die beiden Erbsensorten und andere Gartengewächse litten sehr, erholten sich aber später. Glücklicher- weise entging der gröfsere Theil der Gemüse dieser Prüfung, da sie sich noch in den Beeten befanden, die während der Nächte mit Bret- tern bedeckt waren. Von den Feldfrüchten haben sich Kartoffeln und Bohnen am meisten empfindlich gegen Nachtfröste gezeigt. Von den ‚ersteren waren Mitte October 39 Metzen an drei verschiedenen Stellen _ gesetzt worden; eine Aussaat von 6 Metzen ging ganz verloren; die zweite von 23 Metzen lieferte einen Ertrag von 34 M. Kartoffeln von ‚der Gröfse einer Haselnufs; die dritte von 10 M. gab 14 M. Kartof- feln von gewöhnlicher Gröfse und guter Qualität. Eine Aussaat von 6 Metzen Bohnen, die verschiedener Umstände wegen zu spät (28. Oct.) ‚ausgeführt war, lieferte nur einen Sack Ertrag. Von Cerealien hat man im letzten Sommer nur Gerste und Ha- fer gesäet und folgende Resultate erzielt. Von Gerste wurden 274 Metzen in der Woche vom 13. bis 20. October an drei Stellen ausgesäet; das te Frühjahr gestattete eine frühere Aussaat nicht. Sie wurde erst am 11. April so reif, dafs sie geerndtet werden konnte. Den Ertrag ‚kann ich nicht genau angeben, da sie aus Mangel an den erforderli- ‚chen Geräthschaften noch nicht ausgedroschen war, aber Leute, die ‚eine Erndte gut taxiren zu können meinen, veranschlagen den Ertrag

aM

352 Das chilenische Colonisations- Territorium

auf 100 Fanegas, was mir übertrieben scheint. Die kleine Quantität Hafer, die am 17. October ausgesäet wurde, gab ein recht befriedigen- des Resultat; der weilse Hafer lohnte merklich besser als der schwarze.

An Versuchen mit Wintergetreide, wie Roggen und Weizen, fehlt es ganz. Man kann mit Grund annehmen, dafs der erstere hier gut lohnen wird, da er unter allen Getreidearten die Kälte am leich- testen erträgt und mit einem leichten und sandigen Boden zufrieden ist. Mit dem Weizen hat man in diesem Jahre einen Anfang gemacht, indem man auf einem dreimal gepflügten Felde am 18. Februar kleine Proben von 15 verschiedenen Arten aussäete, die sämmtlich gut auf- gingen und viel versprechend waren.

Aufser den bereits oben erwähnten Gartengewächsen hat man noch mit recht gutem Erfolge den Anbau folgender Arten versucht: Pastinaken, weifse und rothe; sechs Arten Kopfkohl; fünf Arten Salat; Sellerie; rothe Zwiebeln und kleine Zwiebeln (cebollines); Knoblauch; Blumenkohl; grofse weilse Rüben; Endivien; rothe Rüben; Petersilie; Porree.

Dasselbe gilt von den wenigen für die Industrie wichtigen Pflanzen, die hier gebaut wurden. Der Lein wuchs eine halbe Vara hoch; aber Niemand verstand ihn zu verwerthen. Rübsen (navo) und Senf wurden 2 Varas hoch. Von diesen drei Pflanzen brachte nur der Rübsen reife Saat. Der Hanf würde hier ohne Zweifel gut ge- deihen; aber man hat damit bis jetzt noch keinen Versuch gemacht.

Von Futterkräutern hat man eine Probe verschiedener mit ein- ander vermengter Arten ausgesäet, die gut, aber spät aufgingen. Es wäre zu wünschen, dafs man auch mit dem Klee und der Luzerne Ver- suche anstellte.

Im Allgemeinen mufs man sagen, dals die Ackerbaufrage noch weit von einer positiven Lösung entfernt ist. Es ist nicht zu leugnen, dafs man bisher roh, ohne Kunst und Sorgfalt verfahren ist. Versuche, die auf eine so mangelhafte Weise ausgeführt wurden, beweisen Nichts. Man mufs sich vielmehr darüber verwundern, dafs sie nicht absolut nichtssagende Resultate geliefert haben. Alle Erfahrungen beweisen mindestens die aufserordentliche Fruchtbarkeit des Bodens; es fehlt nur an erfahrenen Landwirthen, welche sie zu benutzen und die kli- matischen Schwierigkeiten zu besiegen wissen; es fehlt an beharrlichen und unermüdeten Colonisten, die sich durch einige vergebliche Ver- suche nicht abschrecken lassen, sondern den Kampf mit der Natur fort- setzen, bis ihre Anstrengungen mit einem glücklichen Erfolge gekrönt werden. Ich meinerseits hege nicht den geringsten Zweifel, dafs die- ses jetzt so kalte und für den Getreidebau so unsichere Land einst für jede Art von Production geeignet sein wird, und eben so sicher, wie

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_ die unter gleicher Breite gelegenen Länder der anderen Halbkugel. Es läfst sich annehmen, dafs die Entwässerung und Entwaldung‘des Bo- _ dens zu einer allmählichen Verbesserung des Klimas beitragen werden. - Man denke an die schreckliche Schilderung, welche die alten Schrift- _ steller von dem Aussehen, dem Klima und dem Boden Deutschland’s _ und England’s entwerfen, und jetzt? zu welchem Grade der Vollkom- menheit hat sich der Ackerbau in jenen Ländern gehoben!

Zur möglichsten Vervollständigung der Beschreibung des Ma- - galhaens-Landes bleibt nur noch übrig, einen flüchtigen Blick auf das - Thierreich und die Hilfsquellen zu werfen, welche dieses einer künf- tigen Colonisation darbieten könnte.

Von den Hausthieren wird das Rindvieh vermuthlich am meisten zum Wohlstande der Ansiedler beitragen. Es hat sich hier erfahrungs- mäfsig beträchtlich vermehrt; und dies ist auch bei einem Blick auf ‚die reichen, überall vorhandenen Weiden nicht zu verwundern. Das- ‚selbe kann man von den Pferden behaupten. Was die Schafe betrifft, - deren Zucht in den verflossenen Jahren keine befriedigenden Ergeb- nisse geliefert hat, so zögere ich nicht zu versichern, dafs auch sie hier gedeihen und sich vermehren werden, wenn man sie sorgfältiger pflegt, als es bei unseren Landleuten gewöhnlich ist. Man mufs sie vor Nässe "und vor der Nachtkälte hüten, indem man sie von Weiden, die von - stehendem Wasser überschwemmt sind, fern hält und sie in ‚kalten _ Nächten unter Dach bringt. Die Ziegen, die etwas mehr aushalten - können, pflanzen sich fort; zur Zeit der Wiederherstellung der Colonie nach dem Ruin, welcher der Uebersiedelung folgte, von Neuem wieder ‚eingeführt, haben sie sich allmählich vermehrt und werden einst für die Landwirthschaft eine grofse Bedeutung erlangen. Auch die Zucht der Schweine verlangt mehr Sorge, als man ihr hisher zugewendet hat. Wenn diese Thiere fett werden und nicht vor Kälte umkommen sollen, brauchen sie trockene und reinliche Ställe, in denen sie bei Schnee- wetter Schutz finden. Da die hiesigen Wälder nicht die Fülle von Eicheln hervorbringen, die in anderen Ländern zur Fütterung dienen, sieht man sich hier auf die Weide eingeschränkt, und wenn diese im "Winter fehlt, muls man zum Getreide seine Zuflucht nehmen. Dadurch wird die Zucht sehr kostspielig, und die Chanchos werden nicht so grols und fett, dafs damit ein Geschäft zu machen wäre. Aber wenn - sieh hier der Ackerbau entwickelt und die mit ihm verbundenen In- dustriezweige, Getreidemühlen, Pressen für Oelsamen und dergl. in Auf- nahme kommen, dann wird auch die Zucht der Schweine weniger schwierig und kostspielig sein und bessere Resultate und höheren Ge- winn liefern,

Zahmes Geflügel, wie Gänse, Enten und Hühner, vermehrt sich Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 23

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hier stark. Hinsichtlich der Hühner mufs ich aber doch bemerken, dafs die, welche aus der Ferne kommen, das Klima nicht vertragen, die Federn verlieren und zuweilen sterben; aber der erste Nachwuchs kann als acclimatisirt betrachtet werden. Man behauptet, dafs die Hühner der Colonie nicht so viel Eier legen wie an andern Orten; aber man mufs die Thatsache erst aulser Zweifel stellen, ehe man sie zu erklä- ren sucht.

An wilden Thieren ist der ganze Landstrich zwischen dem R. San Juan und dem C. Negro arm. Ein oder vielleicht zwei Hirsch- arten leben in den dichten Gebirgswäldern und kommen zuweilen, dem Laufe der Flüsse folgend, an die Küste herab. Der Löwe (Felis con- color oder F. puma), dessen Spuren während der wissenschaftlichen Expedition von King und Fitzroy (1826 —1836) zuweilen gesehen wur- den, hat sich, wie es scheint, in die Pampas zurückgezogen, wo er sich häufig findet und zu einer ansehnlichen Gröfse gelangt. Ich habe nicht gehört, dafs er in dem Colonisations-Territorium seit der Occupation durch die Chilenen irgendwo gesehen ist. Der Fuchs zeigt sich häu- fig, vielleicht in zwei Arten; aber er thut den Hausthieren keinen Scha- den. Das Guanaco (Auchenia Glama), welches mit dem Straufs (Stru- thio Rhea s. americana) und dem Chingue (Mustela zorrilla) den Ein- geborenen Nahrung und Kleidung giebt, verbreitet sich nicht südlich über das Cap Negro hinaus. Neuerdings hat man in Punta Arenas versucht, das Guanaco zu zähmen; aber der Versuch scheiterte aus Mangel an gehöriger Sorgfalt. Es scheint Nichts im Wege zu stehen, dafs dieses Thier sich an den Menschen gewöhnt und sich hier, in unmittelbarer Nähe der Pampas und unter denselben Bedingungen des Klimas und Bodens, auch fortpflanzt. Wenn andere Versuche ein günsti- geres Resultat lieferten, würde der Vortheil für die Bevölkerung un- berechenbar sein, da sie durch das schmackhafte Fleisch des Guanaco’s einen wünschenswerthen Zuschuls zu ihren Lebensmitteln erhielte.

Die zahlreichen Species der Familie Phoca (Seewolf, Seekuh u. a.), die sich an den labyrinthischen Küstenwindungen des Feuerlandes und Patagoniens so häufig finden, kommen nur sehr selten in das Cen- tral-Bassin der Meerenge; die Jagd auf sie ist also für die Bewohner dieses Territoriums ohne Bedeutung und wird es auch bleiben, bis sie geeignete Boote besitzen und jene Thiere auf den Inseln und Klippen des äufseren Litorals aufzusuchen im Stande sind, wie es die zahlrei- chen Seehundsfänger thun, die alljährlich aus fernen Ländern hierher kommen, um eine werthvolle Ladung von Fellen und Thran hier ein- zunehmen.

Seevögel sind hier beinahe ebenso spärlich. Zahllose Schwärme derselben finden sich auf den Inseln und Buchten im Westen, und im

an der Magalhaens- Strafse. 355

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Norden ist die Elisabeth-Insel reich daran; aber auf dem Küstenstrich zwischen der alten und neuen Colonie kann man weit marschiren, ehe man ein paar Enten trifft.

Von kleineren im Walde lebenden Vögeln will ich nur zwei er- ' wähnen, die sich merkwürdiger Weise in so hoher Breite und in so rauhem Klima aufhalten. Eine Kolibri- Art (Mellisuga Kingii), dieselbe, die sich in Chile einige zwanzig Grade weiter im Norden findet, be- sucht auch diese Regionen, und zum Beweise, wie viel dieses Vögelchen aushalten kann, berufe ich mich auf King, der es im Monat Mai auf - Feuerland mitten in einem Schneegestöber munter umherflattern sah. Der andere Vogel ist ein Papagei (Psittacus smaragdinus, bei dem Volke catita), der auch in anderen Theilen der Republik sehr gewöhn- lich ist. Es vergeht kein Jahr, in dem dieser grüne Papagei nicht zu den Wäldern der Meerenge kommt, wo er von den Samen der Winte- rana aromatica lebt, eines in den westlichen Theilen sehr verbreiteten Baumes, der sich vor den anderen durch die hellgrüne Farbe seines - auch im Winter nicht abfallenden Laubes auszeichnet. Das Fleisch die- ses Vogels ist zwar zäh und trocken, es liefert aber eine gute Suppe, die bei dem derzeitigen Mangel an Hausthieren nicht zu verachten ist. Eine der wichtigsten Subsistenzquellen für die Bewohner dieses Territoriums bildet die Fischerei. Man kann ohne Uebertreibung sagen, dafs Fische überall in der Meerenge reichlich vorhanden sind. Der Robalo und der Pejerrei sind die gewöhnlichsten ; aber zuweilen finden sich auch einzelne Exemplare von anderen Gattungen, und auf dem - Strande von San Felipe habe ich ächte Sardinen der besten Qualität - vom Meere ausgeworfen gesehen. Der Robalo, der besonders im Som- _ mer häufig ist, wiegt durchschnittlich 6—10 Pfund, viele sind 15 Pfund schwer, und es fehlt nicht an Exemplaren, die ein Gewicht von 25 Pfund ‚erreicht haben. Delicater und schmackhafter ist der Pejerrei, der im Winter häufiger ist und hier eine enorme Gröfse erreicht. Gewöhn- lich ist er 8—12 Zoll lang, aber es fehlt nicht an solchen, die eine ‚halbe Vara lang und 2 bis 3 Pfund schwer sind. Zahlreiche Schaaren von ihnen steigen mit der Fluth in die Flufsmündungen, wo sie leicht ‚durch ein quer darüber ausgespanntes Netz gefangen werden können; mit einem Zuge fängt man zuweilen 800 bis 1200, und in einer ein- zigen Nacht hat man einmal, wie man mir sagte, durch mehrere Züge ‚eine Beute von 30000 Stück zusammengebracht. Geräuchert erhalten sie sich lange Zeit, sie werden aber nie so fett und schmackhaft wie der Hering. Auch eine der vielen Centolla-Arten, die sich hier fin- det, erreicht colossale Dimensionen; das gröfste Exemplar, welches ich - gesehen habe, wog 6 Pfund. Schalthiere, die im Westen so häufig sind, dafs sie für die Be- 23*

356 Das chilenische Colonisations - Territorium

wöhner des Feuerlandes das wichtigste Nahrungsmittel bilden, finden sich auch im Hafen San Felipe und in der Nachbarschaft reichlich. Weiter im Norden ist das sandige Terrain ihrer Vermehrung nicht sehr günstig, da die meisten dieser Thiere Felsenufer lieben. Gleichwohl giebt es auch bei Punta Arenas verschiedene Arten von Schalthieren, z. B. den Choro, Cholgua, Taca, den See-Igel und zahlreiche andere, deren Aufzählung zu weit führen würde.“

Hier endet der erste Abschnitt der Denkschrift und mit ihm die geographische Beschreibung des Magalhaens-Landes. In dem zweiten Abschnitt, dessen Inhalt dem Zwecke dieser Zeitschrift ferner liegt, verbreitet sich der Verfasser über die Art und Weise, wie die Coloni- sation jenes Territoriums, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben solle, in die Hand genommen werden müsse. Den Gedanken, Chilenen als Ansiedler an die Meerenge zu schicken, weist er natürlich als unprak- tisch zurück: Chile selbst ist noch sehr dünn bevölkert, von seiner Bo- denfläche liegt noch ein grofser Theil unangebaut, so dafs, wer hier thätig sein will, im Lande selbst viel günstigere Bedingungen für sein Fortkommen findet. Schythe verweist deshalb auf die Emigration aus dem Norden Europa’s, namentlich aus der skandinavischen Halbinsel, aus Dänemark und dem nördlichen Deutschland. Mit Umsicht stellt er die Hilfsquellen des Landes, die von den Ansiedlern benutzt wer- den könnten, nochmals zusammen: in erster Linie die Viehzucht, dem- nächst den Ackerbau, den Fischfang, das Holzschlagen und die Ver- arbeitung des Holzes zu Brettern, Planken und hölzernen Geräthschaf- ten, die in Buenos Aires für die holzarmen Pampas bequemen Absatz finden würden, das Kohlenbrennen und endlich, bei einem vorgerück- teren Zustande der Ansiedelung, die Benutzung der Steinkohlengruben. Als den geeignetsten Punkt für eine Colonie empfiehlt er das Land am Rio de los Tres Puentes: auffallender Weise läfst er sich bei der Wahl durch die Rücksicht leiten, dafs dieser Punkt am Leichtesten gegen einen Angriff der Indianer zu vertheidigen ist.

Der Leser wird Herrn Schythe das Zeugnils, dafs er seinen Ge- genstand mit Gewissenhaftigkeit und auf Grund thatsächlicher Beobach- tungen erörtert hat, sicherlich nicht versagen wollen; aber dafs er mit ihm die Hoffnung theilen wird, europäische Ansiedler zu einer Colo- nisation des Magalhaens-Landes ausziehen zu sehen, glauben wir kaum. Niemand wird Schythe’s eigene Beschreibung lesen, ohne daraus die h Ueberzeugung zu entnehmen, dafs der Ackerbau auf jenem Terrain und unter jenem Klima überaus precär ist; und der Ackerbau ist doch die einzige solide Grundlage für eine Colonie europäischer Auswanderer. In einem Lande, wo man, wie aus Schythe’s Angaben erhellt, auch

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an der Magalhaens- Strafse. 357

im tiefsten Sommer vor Nachtfrösten nicht sicher ist, wo selbst im Spätsommer so starke Nachtfröste eintreten, dals sie das Getreide zur - Zeit seiner kräftigsten Entwickelung zerstören können, in einem sol- chen Lande kann zwar die Noth eine schon vorhandene Bevölke-

rung zu wiederholten Culturversuchen zwingen, aber für fremde Aus- _ wanderer hat es keine Anziehungskraft, so lange noch ein Fleckehen "Land unter einem günstigeren Himmelsstrich unbebaut liegt. Und _ dieser Gedanke ist es wohl, der den Verfasser der Denkschrift be- _ stimmt hat, den Ackerbau erst in zweiter Linie unter den Hilfsquellen _ des Landes namhaft zu machen. Schythe hat als gewissenhafter Be- _ obachter die Verantwortlichkeit nicht übernehmen mögen, die Anlage _ einer vorzugsweise auf den Ackerbau begründeten Colonie anzurathen und dadurch Hoffnungen zu erregen, deren Grundlosigkeit wahrschein- lich bald und zum Unglück der Getäuschten an den Tag treten würde. _ Wie eifrig er auch in dem oben mitgetheilten Abschnitt die Ansicht _ verficht, dafs der Anbau des Landes bei gröfserer Sorgfalt und Um- sicht auch bessere Resultate als bisher ergeben würde, fühlt er sich _ doch im zweiten Abschnitt, wo es auf praktische Rathschläge ankommt, - zu einer unumwundenen Aeulserung gedrungen, die über seine wirkliche Ansicht keinen Zweifel läfst. „Im Hinblick auf die Uebelstände,* sagt er, „denen der Anbau dieses Landes jetzt unterworfen ist und die sich noch lange fühlbar machen werden, wenn es auch wahrscheinlich ist, dafs sie allmählich mit der Einführung besserer Methoden und mit Hilfe der von geschickten und denkenden Landwirthen erworbenen Erfah- rungen beseitigt werden können, im Hinblick auf jene Uebelstände ‚ist es klar, dafs die Subsistenz der ersten Ansiedler nicht von dem "unsicheren Ertrage des Landbaues abhängig gemacht werden darf, sondern dafs sie ihren Haupterwerb aus der Viehzucht ziehen müssen, die hier, bei der raschen Vermehrung der meisten Hausthiere, so sichere Resultate verspricht. Damit soll nicht gesagt sein, dafs man den Acker- hau vernachlässigen möge; er wird immer noch von Vortheil sein, wenn er auch nur ein reichlicheres Viehfutter für die Winterzeit ge- "währen sollte; aber ich wiederhole es, weil man diesen Punkt meiner Ansicht nach nicht einen Augenblick aus dem Auge verlieren darf:

von Getreide und Mehl entschlagen könnten.*

Dieses besonnene Urtheil verdient um so mehr Beachtung, als _ das Jahr, in welchem Schythe an der Magalhaens-Strafse verweilte, ‚unserer Ansicht nach ein ausnahmsweise günstiges war. Dafs King’s 'Temperaturangaben für die Sommermonate niedriger sind, haben wir bereits hervorgehoben. Aber auch hinsichtlich der Trockenheit scheint

358 Das chilenische Colonisations- Territorium an der Magalhaens -Strafse.

der Sommer von 1854 ein bevorzugter gewesen zu sein. Die spe- ciellen Angaben, die wir älteren Reisenden über diesen Theil der Ma- galhaens-Strafse verdanken, lassen den Eindruck zurück, dafs auch die Ostküste der Halbinsel Braunschweig im Allgemeinen ein recht feuch- tes Klima besitzt, und die ausführlichen Berichte von King und Fitzroy über ihren wiederholten, zum Theil recht lange dauernden Aufenthalt in Port Famine tragen sicherlich dazu bei, diesen Eindruck zu ver- stärken. Ein gewichtiges, von der zufälligen klimatischen Beschaffen- heit eines einzelnen Jahres unabhängiges Zeugnifs bietet die Natur der Bäume dar. Es ist ganz richtig, dafs man hier Buchen von dem üppig- sten Wachthum findet, dafs eine derselben an der Basis 21 Fufs im Umfange und in der Höhe von 20 Fufs noch 17 Fufls im Umfange milst, dafs Bäume von 30 bis 40 Zoll im Durchmesser nicht selten sind. Aber die Seeleute, welche diese kräftigen Bäume als Schiffsbau- holz benutzen zu können glaubten, sahen sich bitter getäuscht: fast alle Bäume sind im Innern faul, wie es bei zu schnellem Wachsthum auf zu feuchtem Boden meistens der Fall ist. Im Mai liefs King ein- mal 13 Bäume von 2 bis 3 Fuls im Durchmesser fällen; davon waren nicht weniger als acht im Innern verfault.

Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung auch King’s Beschreibung seiner Excursion von Port Famine zum Mount Tarn. Der Weg führte zuerst durch dichtes Unterholz, dann zwischen umgeworfenen Baum- stämmen hindurch, die mit so dickem Moose überzogen waren, dafs man bei jedem Schritt knietief einsank, ehe man auf festen Grund kam. Alle Gruben und Vertiefungen des Bodens waren von demselben Moose so üppig überwuchert, dafs sie nicht eher bemerkt wurden, bis man hineinfiel. An anderen Stellen überzog eine kleine Pflanze (Chamitis) den morastigen Boden mit einem so dichten und starken Netz ihrer Verzweigungen, dafs man über das Strauchwerk hinweggehen konnte. Auch an dem Platze, den man zur nächtlichen Rast ausgesucht hatte, war der Boden so feucht, dafs man sich aus Aesten und Zweigen ein Lager, „mindestens einen Fuls dick,“ bereitete; aber als man in der Nacht aufwachte, lag man doch bereits wieder wie in einem Sumpfe (we found ourselves, in the night, Iying as if in a morass).

Nach seinen speciellen Erfahrungen urtheilte King, dafs dieser Landstrich zu einer Colonisation absolut untauglich sei. Er nennt den Boden sumpfig, kalt und zum Anbau ungeeignet, das Klima durch- aus unerquicklich, a region, where the soil is swampy, cold and un- fit for cultivation, and whose climate is thoroughly cheerless. So. un- gefähr urtheilten allerdings die alten Schriftsteller auch über Deutsch- land; aber diese Schriftsteller waren Italiäner, und Herr Schythe ist ein Däne, der graviora passus Grönland kennen gelernt hat.

359 Miscellen.

Census der tschudischen Bevölkerung in Norwegen.

In dem Bericht der British Association for the Advancement of Science zu - Cheltenham für das Jahr 1856, der zu London 1857 erschienen ist, hat Louis Kr. Daa in Christiania eine Tabelle veröffentlicht, in welcher die Anzahl der tschudischen Bevölkerung in den einzelnen Kirchspielen Norwegens nach dem Census von 1845 und dem von 1855 zusammengestellt ist. Wir geben darnach die Hauptresultate.

Die Lappen sind südwärts nicht über das Dovre-Fjeld vorgedrungen. In den nördlich von Dovre-Fjeld gelegenen Aemtern vertheilen sie sich folgendermalsen:

1845 1855

Söndre Trondhjem 75 76 Nordre Trondhjem 186 187 Nordland 7658 8226 Finnmarken 6545 7137 Summa 14464 15626

wobei zu bemerken ist, dafs für den Census von 1855 noch die Angaben von 3 Kirchspielen fehlen, die im Jahre 1845 eine lappische Bevölkerung von 338 Seelen zählten. Die Gesammtanzahl der Lappen in Norwegen wird sich also jetzt auf fast 16,000 Seelen belaufen; sie hat sich in zehn Jahren um anderthalb Tau- send vermehrt, freilich nicht ausschliefslich durch den Ueberschufs der Geburten über die Todesfälle, sondern auch durch Einwanderung aus dem russischen Ge- biet. Von diesen Lappen führten im Jahre 1845 noch 1235, im Jahre 1850 noch 1325 ein nomadisches Leben.

Von Finnen existirt seit drittehalb Jahrhunderten eine weit nach Süden vorgeschobene Colonie im Stift Christiania, im Thale des Glommen; aber sie hat ‚sich mit den Norwegern bereits so vermischt, dafs es nicht mehr möglich ist, zu entscheiden, in welchen Individuen reines finnisches Blut flie[st; auch die finni- sch e Sprache ist hier nur noch wenigen alten Leuten bekannt. Sieht man von ieser Colonie ab, so finden sich nur noch in den beiden nördlichsten Aemtern

im J. 1845: im J. 1855; Nordland 995 1884 Finnmarken 1692 2527 im Ganzen 2687 4411.

ne s Sie haben sich also während der letzten zehn Jahre noch beträchtlicher ver- mehrt, und die Gesammtbevölkerung rein tschudischen Blutes beläuft sich jetzt auf mehr als 20,000 Seelen.

- Dazu kommt noch eine Anzahl von Mischlingen. Eine genaue Zählung der- ] n Individuen, in deren Adern überhaupt etwas tschudisches Blut fliefst, ist atürlich nicht möglich. Beschränkt man sich auf Mischlinge der ersten Gene- ion, d. h. solche, die einen Lappen oder einen Finnen zum Vater oder zur ıtter hatten, so findet man 729 Norwego-Lappen und 593 Norwego-Finnen;

360 Miscellen:

und 295 Individuen waren aus der Verbindung von Lappen und Finnen hervor- gegangen.

Die ansälsigen Lappen und Finnen sind theils Gutsbesitzer, theils Pachter, theils Käthner mit oder ohne Land; 238 hatten sich auf wüsten Ländereien an- gesiedelt und sie in Cultur genommen. Zu einem Handwerk hatten sich nur fünf entschlossen. } —n.

Russische Expedition zur Erforschung von Khorasan und Herat. (Aus Petersburg.)

„Es wird Sie interessiren, zu vernehmen, dafs unter der besonderen Befür- wortung des Grofsfürsten Constantin abermals eine russische Erforschungs-Ex- pedition beschlossen ist. Ihr Hauptgebiet wird Khorasan sein. An der Spitze steht Dr. Chanykow, bekannt durch seine Reise nach Buchara und Samarkand, welche er im Jahre 1841 in der Gesellschaft von A. Lehmann u. A. zurücklegte. In der jüngsten Zeit lebte er als russischer General-Consul in Tabris und unter- nahm Ausflüge durch Aderbeidshan, auf welchen er den Sawällan mehrere Male erstieg und den Urmia-See mit seinen Inseln gründlicher, als zuvor geschehen war, untersuchte. Die erwünschteste Frucht dieser Ausflüge ist eine Reihe sorg- sam gefundener Höhenbestimmungen. So wird er denn auch auf der Reise nach Khorasan unter Mithilfe des Physikers Lenz, eines Sohnes des Akademikers, die Bestimmung der geographischen Lagen und Höhen übernehmen. Dazu fällt ihm, bei seinen ausgebreiteten ethnographischen und linguistischen Kenntnissen, vor- züglich die ethnographisch -politisch - statistische Erforschung der zu durchwan- dernden Gebiete zu. Es läfst sich, falls nicht besondere Gründe den Mund der Theilnehmer schliefsen, von dieser Seite mancher werthvolle Aufschlufs und hof- fentlich recht sorgsam gesammeltes ethnographisches und linguistisches Material erwarten. Dafs aber auch nach anderer Seite die wissenschaftliche Bedeutung dieser Expedition gesichert ist, ergiebt sich aus der Betheiligung des Professors der Botanik zu Dorpat, A. Bunge, der als Systematiker in seinem Fache und nach den bekannten Reisen, welche ihn in früheren Jahren in den Altai und bis nach Peking führten, die glänzendste wissenschaftliche Garantie bietet. Als Ge- hilfe begleitet ihn ein junger Botaniker, Bienert. Die geognostischen Unter- suchungen, namentlich auch die chemische Untersuchung der verschiedenen Quellen und des fliefsenden und stehenden Wüstenwassers übernimmt der bekannte, durch seine bisherigen Arbeiten hinlänglich empfohlene Chemiker Göbel. Für die Bo- taniker und Geognosten dürfte die Aussicht auf einen gründlichen Bericht über die Wüsten von Seistan und Kerman und die Salzfloren besonderes Interesse haben. Die Reise geht nämlich noch in diesem Jahre (November oder Decem- ber 1857) nach Tiflis und von da im Frühling nach Baku, sodann über das kaspische Meer nach Astrabad, von Astrabad durch Khorasan nach Meschhed und Herat; von Herat nach Süden zum Hamun-See in Seistan, ferner den Flufs Hilmend aufwärts, wo möglich bis Kandahar. Dann erfolgt die Umkehr nach Ispahan entweder auf der direeten Route über Jezd oder, wahrscheinlicher, über Kerman und Jezd. So wenigstens schreibt es der Entwurf vor. Natürlich wird

Die Pratas-Klippen im chinesischen Meere. 361

dabei viel von localen Einflüssen und nicht im Voraus zu berechnenden Verhält- nissen abhängen; um so mehr, als grade der erste Theil der Reise, von Astrabad nach Meschhed, manche Berührung mit den Turkmanen, die jetzt eben in Kho: zasan herumstreifen, herbeiführen mu/s. Jedenfalls freilich wird die Expedition von einer ausreichenden militärischen, wie zunächst verlautet, ausschliefslich per- sischen Escorte gedeckt sein. Zwischen Herat, dem Hilmend, Kerman und Jezd werden vielfach ganz unbekannte Landschaften durchzogen werden. Denn aufser der Route von Truillhier (1807) von Meschhed nach Jezd (Bull. de la Soc. de GEeogr. de Paris. II”“ Ser. IX. X. 1838), den Routen von Gibbons (1831) und neuerdings Abbott (1849) durch Kerman (Journ. of the Geogr. Soc. of London XZ, 1841; XXVI, 1856), den Berichten von Conolly, Leech und Forbes (Asiat. Soc. of Bengal X, 1840; XI, 1841; XIII, 1844, und Journ. of the Geogr. Soc. of London XIV, 1844) über Seistan und den jüngsten Mittheilungen Ferrier’s dürfte dieses östliche Persien seit 1838, dem Jahre, in welchem der siebente Band von Ritter’s Erdkunde erschien, nur von wenigen Europäern bereist und beschrie- ben sein. Zwar ist der Orientalist Petermann bis Jezd gelangt, wie ein interes- santer Brief in Ihrer Zeitschrift belegt, und der Botaniker Buhse hat selbst von Astrabad über Schahrud eine sonst unbekannte Wüstenreise in gerader Richtung nach Jezd ausgeführt, aber bisher fehlt es noch an ausführlicheren, zum Theil auch nur an vorläufigen Berichten über diese Touren. Jedenfalls ist es die erste, so vielseitig ausgerüstete wissenschaftliche Expedition, der man von ganzem Her- zen eine glückliche und beutereiche Rückkehr vom Atrek, vom Herirud, vom Hilmend und von den persischen Salzwüsten wünschen mag.“

Die Pratas-Klippen im chinesischen Meere.

Seit den letztverflossenen Jahren hat das gefährliche Korallenriff in den chi- nesischen Gewässern, the Pratas Shoals. wie die Engländer sagen, oder schlecht- hin die Pratas, wegen der wiederholt an demselben vorgekommenen Schiffbrüche die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aufser den aus älterer Zeit bekannten Schiffbrüchen, welche bei Horsburgh notirt sind, gedenken wir zunächst der nach- folgenden: der britischen Brig „Velocipede“, am 19. Mai 1851, und des zur Ret-

tung eines Theils ihrer Mannschaft, der auf der Klippe zurückbleiben mulste, aus- _ gesandten englischen Dampfers „Reynard“ am 31. Mai desselben Jahres; der von Madras nach Canton bestimmten „Charlotte“, mit 850 Tons Gehalt, am 17. Sep- tember 1852; der von Schanghai auf der Fahrt nach London begriffenen „Coun- tes of Seafield“, von 750 Tons Gehalt, am 21. März 1854; ferner der beiden - Strandungen im Januar 1855 des amerikanischen Schiffes „Living Age“ und des britischen „Tom Bowline“. Die Mannschaft der vier letztgenannten Fahrzeuge wurde gerettet, nur verlor die des „Tom Bowline“ vier Mann bei einem Ueber- falle von Piraten in unmittelbarer Nähe der Klippe, nachdem sie sich bereits in den Booten befand. Auch das zuletzt verflossene Jahr forderte mehrere Opfer, _ unter denen wir das portugiesische Barkschiff „Joven Idhap“, auf der Fahrt von "Manila nach Macao, im Januar, und das amerikanische Schiff „Mermaid“, von Bombay kommend, welches in der Nacht des 2. März von dem Unfall betroffen wurde, hier anführen. nn Diese unglücklichen Ereignisse, denen sich noch manche andere ähnlicher

362 Miscellen:

Art anreihen, haben nun einestheils das Verlangen nach Errichtung eines Leucht- feuers auf dieser höchst gefährlichen Klippe rege gemacht, worüber in letzter Zeit lebhaft in den indobritischen und anglochinesischen Blättern verhandelt wurde; theils haben sie zur genaueren Kunde des Riffs Manches beigetragen. Indem wir das in letzterer Beziehung Gewonnene hier mit den älteren zuverlässigen Nach- richten zusammenstellen, werden wir am Schlusse noch einige Worte über den erstgenannten Plan anführen.

Die Pratas liegen in 20° 44’ N. Br. und 116° 45’ O. Länge. Horsburgh beschreibt sie so: „Die Klippe besteht aus Korallenfelsen, welche an mehreren Stellen in gleichem Niveau mit dem Wasser liegen, an anderen mit 2 bis 8 Fufs Wasser bedeckt sind. An ihrer nordwestlichen Seite, ungefähr 2 bis 3 engl. Mei- len innerhalb ihres Randes, befindet sich eine niedrige Insel von beträchtlicher Gröfse, welche aus weifsen Korallen besteht und mit kurzem Gras und Gesträuch bewachsen ist. Von dem Verdeck eines grofsen Schiffes sieht man diese in einer Entfernung von 3% Lieues, auch wird sie, wenn man sich der Südspitze der Klippe nähert, wahrgenommen, ist aber noch deutlicher zu erblicken, wenn man von Westen oder von Norden kommt. Der südliche Theil der Klippe ist eine ununterbrochene Reihe von jähen Brandungen, welche sich in der Richtung von West-Nord-West nach Ost-Süd-Ost erstrecken; und obwohl hier das Wasser sehr seicht ist, so bricht sich hier die See doch nicht immer. An der Ostseite herrscht bei ruhiger See keine Brandung, denn die „Eugenia“ befand sich am 22. October 1805, Mittags etwa 3 bis 4 engl. Meilen von dieser Seite entfernt, ehe man von Bord aus der Klippe ansichtig wurde.“

Capitain Rofs fand bei seinen im Jahre 1813 angestellten Untersuchungen der Klippen in der chinesischen See auf den Pratas eine tiefe Einbuchtung, wel- che chinesischen Fischerbooten hinlänglich Schutz gewährte. Später hat dieser Hafen besonders chinesischen Seeräubern zum Aufenthalt gedient, welche die ge- strandeten Schiffe plünderten und an deren Besatzung die ärgsten Grausamkeiten begingen; und leider bildete er auch in letzter Zeit solch ein Piratennest, das um so schwieriger auszunehmen ist, als man sich ihm nur mit grofser Gefahr nähern kann, weshalb es auch zugleich den Seeräubern eine sichere Zufluchts- stätte vor Verfolgungen gewährt.

Capitain Cracroft, der den „Reynard“ führte, hat in dem Berichte über seine unglückliche Fahrt im April-Heft des Nautical Magazine 1852 ') manches Neue zur genaueren Beschreibung der Pratas beigebracht. Er begab sich von Hong- kong nach der Inselgruppe Lemas. Von hier stach er in See und steuerte nach den Pratas, also in der Richtung Ost-Süd-Ost. Um 10 Uhr Abends am 28. Mai war er von den Lemas abgesegelt, Nachts wehte ein heftiger Sturm, bei dem der „Reynard“ Focksegel und Jager einbüfste, und am folgenden Tage, den 29. Mittags, befand er sich in einer Entfernung von 94 engl. Meilen von den Pratas, die in südöstlicher Richtung vom Schiffe lagen. Darnach hatte also der „Rey- nard“ wahrscheinlich durch den Einflufs der Strömungen im Meere seinen ost- südöstlichen Cours bedeutend geändert und war nach Norden beträchtlich abge-

’) Vergl. einen Auszug daraus in einem Schreiben des Herrn Biden in Madras an den Herausgeber des Examiner d.d. 17. Mai, abgedruckt in der Overland China Mail vom 13. Sept. 1856, No. 130,

Die Pratas-Klippen im chinesischen Meere, 363

trieben, Von hier ab änderte sich die Strömung, denn Tags darauf, am 30. Mai, als der Morgen dämmerte, lag die Klippe im Osten, 3 Grad nach Süden, 26 engl. Meilen entfernt. „Ich fuhr nun,“ berichtet Herr Cracroft, „mit Dampf und Segel weiter, in der Hoffnung, spätestens um 10 Uhr Vormittags die Klippe zu errei- chen, aber meine Beobachtung am Mittag ergab, dafs das Schiff 45 engl. Meilen von den Klippen unterm Winde trieb und diese nördlich von demselben, 38 Mei- len gegen Osten lagen, wodurch sich das Vorhandensein einer nach Südwesten gerichteten Strömung herausstellte, welche seit dem Mittag des 29. das Schiff 49 Meilen aus seinem Cours gedrängt hatte.“ Diese bis jetzt keineswegs genau genug erforschten und auf Seekarten angegebenen Strömungen, gegen die, wie aus der Fahrt des „Reynard“ ersichtlich, weder Dampf noch Segel mit einander etwas auszurichten vermögen, erhöhen das Gefahrvolle der Vorüberfahrt an der Pratas-Klippe. Die Schiffe werden dadurch willenlos in das Bereich der Ver- derben bringenden Riffe gebracht ').

Um sich den Pratas zu nähern, mufste der „Reynard“ nun eine nordöstliche Richtung einschlagen. Hierzu war ihm auch am Nachmittage die abermals ver- änderte Strömung theilweise behilflich: um 4 Uhr 30 Minuten ergab die Beob- - achtung, dafs der Strom ostwärts laufe. Aber der Wind stand der Fahrt entge- _ gen, er war nach Norden herumgegangen und schwankte jetzt zwischen Nordost und Osten. Capitain Craceroft fuhr aus Vorsicht mit nur wenigen Segeln und bei _ Nachtzeit sehr langsam arbeitenden Maschinen; er erwartete, bei Tagesanbruch 25 oder 30 engl. Meilen südwestlich von den Klippen zu sein, oder falls sein Schiff wieder von derselben Strömung erfafst werden sollte, wie in den Tagen vorher, in noch etwas weiterer Entfernung. Er wollte also, da er wegen des ' widrigen Windes nicht nördlich hinaufkommen konnte, die Pratas an ihrer Süd- seite umsegeln. Es fehlten ihm aber genauere Daten über die Beschaffenheit der Klippen an dieser Seite; er wufste nur, was Horsburgh sagt, dafs sich hier kein Ankergrund finde, daher er jede weitere Annäherung scheute. Zu gröfserer Vor- sicht, und da das Wetter nebelig anliefs, verdoppelte er die Aussichtswache. Um halb vier Uhr Morgens am 31. Mai ergab seine Beobachtung eine Entfernung _ von beinahe 30 engl. Meilen zwischen dem Schiff und den Klippen. Kaum 40 Mi- _ nuten später, als eben der Tag anbrach, bemerkte er einen hellen Streifen auf dem Wasser, den er anfangs für den Reflex eines Mondstrahls hielt; da aber der Mond nicht am Himmel war, beruhigte er sich dabei, dafs es Laich sei. Allein schon nach einer halben Minute rief die Aufsichtswache: „Klippe vorn“, und der Steuermann, der das Senkblei führte und mit 15 Faden keinen Grund fand, be- fahl anzuhalten und schleunigst zurückzugehen, aber es war zu spät, das Schiff sals fest.

' Darnach also befindet sich im Südosten der Pratas eine von Westen nach Osten ausgedehnte Vorklippe, etwa 30 engl. Meilen von der eigentlichen Haupt- klippe, welche Capitain Cracroft bei seinen Beobachtungen im Auge hatte, ent- _ fernt. Zwischen beiden strömt das Meer wahrscheinlich, wie man es gewöhnlich bei den Korallenfelsen antrifft, in bedeutender Tiefe hindurch, so dafs diese Vor-

*) Der Schiffbruch der „Mermaid“ erfolgte hauptsächlich dadurch, dafs die Strömung das Fahrzeug auf die Klippe trieb. (Vergl. Overland China Mail 1856 No. 130, in der Anmerkung zu Herrn Biden’s Brief an den Herausgeber des Athe- näum.)

364 Miscellen:

klippe als eine Koralleninsel für sich erscheint; daher die gesammte Pratasklippe wir erinnern an die niedrige Insel, von welcher Horsburgh spricht das Bild einer Gruppe von gröfseren und kleineren Korallen-Inseln gewährt. Dafs dieses Bild das richtige ist, erfahren wir nun noch aus dem Logbuch der briti- schen Lorcha „Victoria“.

Im Juni 1854 scheiterte das Barkschiff „Topaze“ an der Pratasklippe. Der Capitain desselben, Edulfus Swinton, rettete sich nach Hongkong, miethete dort die eben erwähnte „Victoria“ und begab sich mit dieser zurück, um von seinem Schiffe zu retten, was noch übrig. Während Capt. Cracroft die West- und die Südseite der Korallengruppe beobachtete, namentlich die Südseite, führte der Cours, den die „Victoria“ nahm, zur genaueren Untersuchung der Nord- und Ostseite. Capt. Swinton kam ebenfalls wie Cracroft vom Westen her, die Pratas vor sich im Osten, aber er umschiffte zuerst die Nordwestseite der Klippe und zwar „sehr nahe“, segelte darauf nach Osten, wo er zuerst die Trümmer eines andern Schiffes fand, welche noch mit Schiffbrüchigen zahlreich bedeckt waren. Hier war er, wie es im Logbuch ') heifst, „10 Meilen von der Insel entfernt“, also auch an einer Vorklippe, die durch einen Wasserkanal von der Hauptklippe getrennt war. An dieser Vorklippe waren der „Topaze“ und das andere Schiff gescheitert. Dies wird noch weiter dadurch bestätigt, dafs Capt. Swinton, nachdem er sich nach dem Wrack des letztern begeben hatte, erfuhr, dafs dieses die „Hygieia“ sei, die am 31. April Whampoa mit 505 Chinesen und mehreren Kajütenpassagieren, aufser der Mannschaft, verlassen, und dafs von den Schiffbrüchigen 110 Personen „auf der Insel“ gelandet waren, während 336 auf dem Wrack blieben und 29 auf einem Fahrzeuge davon segelten. Von den „auf der Insel“ Gelandeten be- merkt Capt. Swinton, er fürchte, die Sterblichkeit und die Entbehrungen dieser armen Menschen seien schrecklich, da sie am Tage unter einer brennenden Sonne und Nachts in einem Nebel zubringen müfsten, ohne allen Schutz gegen das Wetter. Diese Insel, welche also von jener Vorklippe, an der die „Topaze“ und „Hygieia“ gestrandet, getrennt liegt, kann nichts anderes sein, als die am meisten hervortretende Insel unter der Korallengruppe der Pratas, welche demnach zufolge Capt. Swinton’s Beschreibung ein ebenso völlig ödes, fast vegetationsloses Eiland ist, wie die niedrige weilse Korallen -Insel, deren Horsburgh gedenkt. Wir ha- ben dieses am meisten in die Augen fallende Riff die Hauptklippe genamnt; es wird darnach den Anblick einer eigentlichen Korallen-Insel gewähren.

Die „Victoria“ nahm, als sie zuerst der Trümmer der gescheiterten Schiffe ansichtig wurde, eine solche Stellung zu der Hauptklippe ein, dafs diese sammt der vor ihr liegenden Insel in der Richtung nach Westen lag. „Ein heftiger Südwestwind und eine Nordost-Strömung hinderten nahe der Insel zu ankern“ heifst es in dem Logbuch; es war also nicht möglich, in den Canal zwischen der Hauptklippe und der Vorklippe einzudringen. Die „Victoria“ befand sich, nach- dem sie diesen Versuch aufgegeben, „Nordwest zu West von der Insel etwa drei englische Meilen von derselben entfernt“. Hier sandte der Capitain sein Gig und seine Pinasse an das Ufer „der Insel“, um die Schiffbrüchigen zu retten, was

’) Vergl. den Abdruck desselben in der Overland China Mail, Hongkong, 29. Juni 1854.

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auch zum Theil gelang; hier also konnte er, wenn auch nur mit weniger tief gehenden Fahrzeugen an der Hauptklippe landen; und von hier aus begab er sich nach Hongkong zurück, wo er nach einer schr glücklichen Fahrt von zwei- mal 24 Stunden ankam.

Darf man nach den vorstehenden Mittheilungen sich eine Vorstellung von der gesammten Inselgruppe zu entwerfen suchen, so wird es diese sein. Die Gruppe besteht (wahrscheinlich) aus einer durch ihre Gröfse und Höhe sich aus- zeichnenden Haupt-Insel, welche im Süden und Osten in bedeutenderer Entfer- nung von anderen kleineren Inseln oder Riffen umgeben ist, während im Norden und im Westen, ausgenommen ein vor der Nordwestspitze isolirt liegendes Riff, solche kleinere Inseln oder Vorklippen fehlen. Bei einem Durchmesser von min- destens 50 engl. Meilen wird das Gesammtareal dieser Inselgruppe, mit Einschlufs des die Haupt- und die Vor-Inseln trennenden Meeres, mindestens einen Umfang von 150 engl. Meilen besitzen. Diese Beschreibung wird, wie wir glauben, der Wirklichkeit ziemlich entsprechen; detaillirter läfst sie sich wenigstens bei dem gegenwärtigen Stande der Nachrichten nicht angeben.

Die Pratas-Klippe liegt nun an einer viel befahrenen und immer mehr fre- quentirten Handelsstrafse. Namentlich müssen alle zwischen Manila und China fahrenden Schiffe an ihr vorüber. Winde und Strömungen bringen aber auch nur zu leicht die von Europa oder Östindien nach China fahrenden Schiffe, sowie die _ von den Häfen in Süd-China nach den Nordhäfen segelnden in ihre Nähe, und häufige Nebel erhöhen überdies die Gefährlichkeit der Klippe. Ein Leuchtthurm auf derselben würde gewils eine grofse Wohlthat sein und viel Unglück abwen- den. Herr Biden, Hafenmeister zu Madras, der diese Angelegenheit eifrigst an- geregt und gründlich beleuchtet hat '), meint, der Leuchtthurm müsse aus Granit aufgeführt werden, den man in hinreichender Menge und Güte auf Gro/s-Lema und Hongkong (160 Meilen entfernt) brechen könne, wo ebenfalls treffliche Ar- beiter zu miethen sein würden, Der Grund der Pratasklippe gestatte die Auf- führung eines möglichst festen Gebäudes, welches für Fremde unzugänglich und für seine Bewohner hinlänglich wohnlich eingerichtet werden könnte. Ein Unge- nannter (in dem Supplement der Overland China Mail d. d. 28. October 1854 in einem Schreiben vom 12. October) meint: ein 60 Fufs hoher Leuchtthurm sammt Laternen, Wohnung für einen Aufseher und 10 Mann nebst deren Fami- lien, einschliefslich aller Transportkosten des Rohmaterials, der Arbeitslöhne und eines kleinen Fahrzeuges zur Unterhaltung der Verbindung mit Hongkong, würde auf 50,000 Dollars zu stehen kommen und jährlich eine Ausgabe von 5000 Doll. für Gehalte, Oel, Reparaturen etc. erfordern. Macht man sich mit den Einzeln- heiten der Schiffbrüche bekannt, von denen wir nur beiläufig einige erwähnt ha- ben, so mus man in der That wünschen, dafs bald ein weithin glänzendes Leucht- feuer auf der Pratasklippe den Vorübersegelnden seine warnenden Strahlen zu- sende; sie gehört zu den gefährlichsten Korallenriffen der Welt. B. #2) Vergl. das Athenaeum, worin ein Brief von Hermm Biden, d. d. Madras den

24. April 1856, und den Examiner, worin ein zweiter Brief, d.d. Madras den 17. Mai

1856. Beide sind abgedruckt in der Overland China Mail vom 13. Sept. 1856. Am in

366

Miseellen:

Tabellarische Zusammenstellung der Routen der Herren

Schlagintweit während ihrer Untersuchungen in Indien und Hoch-Asien.

Jahr

Hermann Schlagintweit Adolph Schlagintweit | Robert Schlagintweit

1854

reist durch Dekan und Süd-Indien mit seinen beiden Brüdern, über Punah und Bellary; von da nach Bangalore mit Robert; von Bangalore setzte er seine Forschun- gen nach Madras hinab allein fort;

reist über das Plateau von Mahabuleshwar, durch d. südlichen Theile des De-

reist durch Dekan und Süd - Indien zusammen mit seinen Brüdern bis

kan über Kaladghi nach | Bangalore, ging über den

Bellary mit seinen beiden Brüdern, ging allein über Cuddapah nach Madras, mit einem Besuche bei den Diamantdistrieten;

Coinbatur-Ghat nachMa- dras hinab;

1855

durch Bengalen, in den Himalaya’s von Sikkim und der Ostgrenze von Nepal, dann in den Naga- und Kossia-Gebirgen, in Assam, durch einen Theil von Butan, das Delta des Ganges und Brahmapu- tra;

reist durch Bengalen, die Nordwest-Provinzen, die Himalaya’s von Kumaon und Gurwhal, geht über den Himalaya nach Tibet mit seinem Bruder Ro- bert und untersuchte das Thal des Sutlej und die Quellen des Indus. Am Ibi Gamin: Höhe von 22,260 engl. Fufs. Be- sucht während der kalten Zeit Theile von Mittel- Indien, das Thal des Go- davery (Präsidentschaft Madras), die Neilgherries und das Fossilienlager zwischen Trichinopoly u. Cap Comorin;

reist durch Bengalen, die Nordwest-Provinzen, Ku- maon und Gurwhal im Himalaya, über den Hi- malaya mit seinem Bru- der Adolph nach Tibet, untersucht das Thal des Sutlej und Indus, ersteigt den Ibi Gamin - Pafs, 22,260 engl. Fuls hoch. Besucht während derkal- ten Jahreszeit Central-In- dien, Bundelkund, Ama- rakantak, die Quellen des Nerbudda, Tons, Sone;

1856

|

durch Hindostan, Oude, nach dem Himalaya-Ge- birge von Kunower, Spiti, den Salzseen von‘ Tibet, trifft seinen Bruder Ro- bert in Leh, setzt mit ihm die Reise fort über den Karakorum u. Kuen- luen nach Khotan (Kh. Yarkand), kehrt nach La- dak zurück und reistüber Sooroo nach Kaschmir;

durch Theile von Benga- len nach Zanskar und dem Himalaya - Gebirge, Balti und Gilgit in Tibet und dem Mustah-Pafs im Karakorum-Gebg., kehrt über Gurys nach Kasch- mir und dem Nord-Pand- shab zurück;

durch die Nordwest-Pro- vinzen nach Lahoul im Himalaya - Gebirge und Central-Ladak, traf sei- nen Bruder Hermann in Leh, setzte mit ihm seine Untersuchungen fort über die Ketten des Karako- rum und Kuenluen nach Khotan (Kh. Yarkand). Geht von Leh.über Dras nach Kaschmir und auf der nördlichsten Route über Hazarah nach dem Pandshab ;

Jahr

1857

Goyder’s Entdeckungen am See Torrens.

Hermann Schlagintweit

durch das südöstliche Pandshab, Central- Ne- pal und Bengalen. Ver- liefs Calcutta am 23. April, um nach Europa zu gehen, und hielt sich 14 Tage in Aegypten auf.

Adolph Schlagintweit

durch Nord - Pandshab (Peshawer), die Hügel zwischen Kohat und Ha- zarah und einen Theil des Soliman-Gebirges. Er ist jetzt beschäftigt, das Hi- malaya-Gebirge zwischen Kangra und Kaschmir zu

367

Robert Schlagintweit

reist durch das Pand- shab, Sind, Kutch, Katte- war und Guzurat nach Bombay u. Ceylon. Ver- liefs Ceylon am 11. Mai, um nach Europazu gehen.

untersuchen und wird Ende December (?) nach Europa zurückkehren.

Die Gesammtlänge der Linien, längs welcher die Untersuchungen auf ver- schiedenen Wegen ausgeführt wurden, beträgt nach einer annähernden Berech- nung 1800 englische Meilen.

Die Resultate dieser Reisen, welche in der tabellarischen Uebersicht ange- deutet sind, werden in etwa 9 Bänden unter dem Titel: „Resultate einer wissenschaftlichen Sendung nach Indien und Hoch-Asien von H,, A. und R. Schlagintweit“ veröffentlicht werden. ©. R.

Goyder’s Entdeckungen am See Torrens.

Von unserm geehrten Correspondenten in Adelaide erhalten wir eine Ueber- - setzung des amtlichen Berichts, den Herr Goyder über seine im vorigen Hefte _ der Zeitschrift S. 272 erwähnte Expedition nach dem Torrens-See abgestattet hat. Da der Bericht in der Sitzung der Londoner Geogr. Gesellschaft vom 9. Novem- ber zum Vortrag gelangen sollte, seine Publication also in Kurzem zu erwarten ist, verschieben wir die vollständige Reproduction desselben bis zum Erscheinen ‚des Originals und beschränken uns hier auf die Bemerkung, dafs er die im vori- gen Hefte enthaltenen Angaben im Wesentlichen bestätigt, namentlich darin, dafs der Torrens-See sü/ses Wasser enthält und einen gleichmälsigen Wasserstand be- hauptet. Goyder’s Nachrichten haben natürlich in Süd-Australien und den be- nachbarten Colonien die lebhafteste Aufmerksamkeit erregt. „Am 27. Juli,“ ‚schreibt unser Correspondent, „ist eine neue Expedition, bestehend aus zehn Per- sonen, unter Leitung des Surveyor General, Captain Freeling, abgegangen, wel- cher sich der als Gründer der Dampfschifffahrt auf dem Murray bekannte, durch "Energie und Fähigkeiten besonders zum Pionier der Wildnifs geeignete Captain Cadell als Freiwilliger angeschlossen hat. Diese Gesellschaft macht die Reise nach Port Augusta (an der Spitze von Spencer’s Golf) zu Wasser, ist mit Pro- viant auf 3 Monate versehen und führt, um schnell vorwärts zu kommen, nur Pferde bei sich. Sie wird Herrn Goyder’s Spuren folgen und nimmt ein geräu- miges eisernes Boot mit, um den Lake Torrens befahren zu können. Auch in unseren Nachbar-Colonien haben Herrn Goyder’s Entdeckungen grofses Aufsehen erregt: aus Victoria sind bereits mehrere unternehmende Heerdenbesitzer abge- gangen, um sich an Ort und Stelle von der Beschaffenheit des Landes zu über-

zeugen.“ 4 2;

368 Miscellen:

Die Stadt Humboldt ın Kansas.

Unter den neuen Ansiedlungen im südlichen Kansas hat keine einen so schnellen Aufschwung genommen und das rasche Wachsthum so alle, selbst die sanguinischsten Hoffnungen übertroffen, als die von einer deutsch-amerikanischen Gesellschaft angelegte Stadt Humboldt und die Umgegend derselben. Im Anfang Mai zogen die ersten Settler, meist von Hartfort, Connecticut, ein und schlugen ihre Zelte an dem linken Ufer des hier höchst romantischen Flusses auf. (Die Stadt liegt eirca 80 Meilen südlich von Lawrence, in Allen County.) Jetzt, nach dem Verlauf von kaum zwei Monaten, sind bereits die meisten Claims in der Umgegend der Stadt bis auf 4—6 Meilen Entfernung vergriffen und schon sind Fälle von Claim-Jumpen vorgekommen. Das Land und die Gegend ist aber auch wunderschön und täglich entdecken wir neue Reize. Ein besseres und ge- sunderes Klima können wir uns nicht wünschen, Krankheiten sind noch keine vorgekommen. Die Stadt selbst verspricht eine grofse Binnenstadt zu werden. Der Haupthandel wird mit den reichen Cherokee-Indianern und später mit Ar- kansas, Neu-Mexico und Texas betrieben werden. Wir haben hier bereits meh- rere Stores, die ausgezeichnete Geschäfte machen; Boardinghäuser und andere Geschäftslokale springen wie durch Zauber aus der Erde. Eine Dampf-Mahl- und Sägemühle von 40 Pferdekraft, die zugleich das Getriebe einer Möbelfabrik in Bewegung setzen soll, wird in diesen Tagen ihre Arbeit beginnen. Täglich strömen uns neue Ansiedler zu und wenn es so bis zum Herbst fortgeht, werden wir bald einen bedeutenden Platz bilden. Wir haben die richtige Entfernung von Lawrence, Kansas City, Ossawatomie etc., um einen Stapelplatz für den südlichen Handel zu bilden, liegen an einem schönen Flusse mit herrlichem Wasser und voller Fische, haben prachtvolles Holz und reiche Jagd, namentlich Hirsche, An- tilopen, Elennthiere u. s. w., so dafs jeder Laune in dieser Beziehung ohne Kosten genügt werden kann. Ein Post-Office wird hier nächstens errichtet werden (die Petition um dasselbe ist bereits abgegangen) und eine Stage-Verbindung mit Ossa- watomie und Lawrence ist im Gange. Kurz, Sie sehen, dafs wir nicht müfsig waren und für die kurze Zeit neben den Feldarbeiten das Möglichste geleistet haben. Wir fordern alle unsere Landsleute, namentlich Geschäftsleute mit eini- gen Mitteln, auf, ehe sie sich anderswo niederlassen, uns zu besuchen; sie wer- den selbst entscheiden können, ob wir zu viel sagen, dafs es keinen besseren, schöneren und für die Zukunft mehr versprechenden Ort giebt, als unser Hum- boldt.

b Ein Besuch ‚bei den Cherokee Indianern.

Ein deutscher Farmer, H. Horst, am Independence-Creek, K. T., wohnhaft, ritt kürzlich behufs Pferde- Ankaufs bis an die Grenze von Arkansas zu den Cherokee-Indianern. Er nahm seinen Weg über Hyatville, Prairie City, Burling- ton, Humboldt und von dort noch circa 80 Meilen südlich den Neosso entlang. Er beschreibt das Land, je weiter südlich er gekommen, als desto schöner und fruchtbarer; die Prairien seien dort viel ebener und von herrlichem Holze einge- fast; der Flüsse und Bäche gäbe es eine grofse Menge. Nachdem er das Land der noch sehr wilden Osage-Indianer durchritten, welche eben von ihrer jährli-

Ein Besuch bei den Cherokee-Indianern. 369

- chen Büffeljagd in einem sehr traurigen Zustande zurückkehrten, da sie auf den grofsen westlichen Prairien auf die Chayenne-Indianer gestofsen und von diesen tüchtig geschlagen worden waren, kam Horst in das Gebiet der Cherokees. Dies sind Halbblut-Indianer; sie sprechen unter sich meist französisch, doch ver- stehen und unterhalten sie sich auch englisch. Dort fand der Reisende die schön- sten Farmen, sowie überhaupt Alles von Reichthum und Wohlstand zeugte; aber leider herrscht hier Sklaverei. Sowohl die Cherokee- wie auch einige Osage- "Indianer haben Negersklaven, welche sehr streng und hart behandelt werden. Horst traf auch einige Deutsche, welche Indianerinnen geheirathet haben und sich _ dort ganz gemüthlich fühlen; einer derselben, Gottfried, abonnirte auf unsere - Kansas-Zeitung und will sich dieselbe von Humboldt regelmäfsig abholen. Ueber - die Lage der letzteren Stadt äufserte sich Herr Horst sehr günstig; es fehle dort ‚nur das nötige Capital, um es zu einer blühenden Stadt zu machen; die dort angesiedelten Deutschen seien zu arin, um dies zu bewirken. Es mülsten einige Capitalisten der herrlichen Natur, die dort so viel bietet, die Wege bahnen, und die nöthigen Anstalten treffen, um sie zu zwingen, ihre Schätze herzugeben. Der Süden von Kansas, bemerkte unser Berichterstatter, sei weit schöner und frucht- barer als der Norden; würde nur erst eine Eisenbahn dorthin, den Neosso ent- lang, ‘gebaut sein, so dürfte der Süden den Norden schnell an Reichthum und Einwohnerzahl überflügeln. Herr Horst selbst beabsichtigt, seine schöne Farm

hier zu verkaufen und sich nächstes BENADE Re! bei Humboldt anzusiedeln. wor

hr ide:

Neuere Literatur.

" Reise nach Mosul und durch Kurdistan nach Urumia. In brieflichen Mitthei- " Jüngen von C.Sandreczki. Drei Theile, Bd. I. und II. Stuttgart 1857, "bei Steinkopf.

_ Unter diesem Titel ist ein anspruchsloses Tagebuch veröffentlicht, das auf r im Dienste eines englischen Missionsyereins unternommenen Reise geführt ‚Voll warmen Eifers für den Zweck der Reise, verweilt der Verfasser türlich am lieheken nnd längsten bei sn rn die auf die Ben PotE

di ie geographische Wissenschaft ist das Werkchen unbedeutend; Se der Fri sche, mit der es aufgezeichnet ist, wird es sogar unter der für ein gröfseres ublicum bestimmten Reiseliteratur nur eine untergeordnete Stelle beanspruchen irfen. Die Reise ging von Samsum über Amasia, Tokat, Siwas und auf der gewöhnlichen Stralse bis Hekimchan, welcher Ort nach Sandreezki noch zum Pa- schalik ; Siwas gehört, bog hier links ab in das Euphrat - Thal bei Keban Ma’den,

=

11 ging am Göldjyk- Dee vorbei nach Diarbekr." Von. hier m! des; De au

Be füllt den ersten Band, Er giebt ein ziemlich lebhaftes Bild von der lan- BEI blichen Art zu reisen, hin und wieder eine landschaftliche Skizze, und sta- stis ji: Angaben über die Bevölkerung der von dem Verfasser berührten Orte, 1a r Stamm- und Religions-Verschiedenheit. In letzterer Beziehung hat cl MER ‚überall bemüht, genaue Nachrichten einzuziehen. Da er über- Zeitschr „allg. Erdk, Neue Folge. Bd. III, 24

370 Neuere Literatur:

dies Strabo, Xenophon, Arrhian und Plinius im Kopfe und bei der Hand hat, benutzt er oft die Gelegenheit zu Erläuterungen der alten Geographie, welche die Einförmigkeit des Berichts auf angenehme Weise unterbrechen.

Die gröfsere Hälfte des zweiten Bandes ist dem Bericht über den Aufenthalt in Mosul gewidmet, wo der Verfasser Layard im vollen Glanze seiner altassyri- schen Entdeckungen kennen und ehren lernte. Was er über Layard’s Persön- lichkeit, über seine unermüdliche Thätigkeit erzählt, wird man mit Theilnahme lesen. Geographisch am Interessantesten ist der Schlufs des Bandes, der die Reise von Mosul durch das kurdische Gebirge nach Urumia darstellt. Hier hielt sich S. nicht überall auf dem von Layard eingeschlagenen Wege. Die Reise ging von Mosul in nordöstlicher Richtung über Baaschika und die Ebene Navkur an den Fufs des kurdischen Hochlandes nach Akra, wo jetzt ein türkischer Mutesellim residirt, dann über einen Gebirgskamm, von dem man eine weite Fernsicht über den Djebel Maklub hinaus auf die Tigrisebene genie/st, nach dem an einem rau- schenden Bache gelegenen Heschtgah, von hier durch Thäler und über bewaldete Höhen auf einem beschwerlichen, viel gewundenen, von Wald und Gebüsch umsäum- ten Pfade in das Zab- Thal abwärts, wo die Zebari-Kurden wohnen. Unterhalb Resan setzte S. in einer Schlauchfähre über den hier sehr reifsenden Strom und reiste durch den Bezirk Schirwan, in welchem die Kurdendörfer Piran, Kuran, Kanialindscha liegen, das letztere an einem wohlbebauten Abhange und von Frucht- und Weingärten wie von Durrafeldern umgeben, meist über waldreiche Höhen und Thäler zu einem Flusse, der hier Barasgir (Wildschweinfluls) genannt, von S. aber für den Rukutschik gehalten wird, der unweit Resan in den Zab mün- det. Von den Höhen des jenseitigen Ufers erblickt man den zackigen Djebel Baradoscht, nach welchem auch der nun folgende Kurdenbezirk benannt wird, und im Norden den noch höheren Djebel Sati (so nennt $. stets, aber mit einem Fragezeichen, den Tura Djelu), auf dessen südlichem Abhange auch noch Ende Juli ausgedehnte Schneefelder lagen. Im Distriet von Baradoscht kam S. durch das Dorf Bermiseh im ungesunden Thale des Barasgir und jenseits des Serke- wir (ebenfalls eines Zab-Zuflusses) an der Basis des Dschia Resch zu der Burg des Bey von Gischni einem viereckigen Sieinbau mit halbrunden Vorsprün- gen an den Ecken und mit Schiefsscharten. Alle Thäler dieses Gebirgslandes sind schwer zugänglich und leicht zu vertheidigen; die Zersplitterung des Kur- denvolkes in zahlreiche Stämme und sein Sinn für Unabhängkeit finden in dem Charakter des Landes ihre Erklärung. Bei der Weiterreise blieb der Dschia Resch zur Rechten liegen; zur Linken sah man in tiefen Thalmulden vereinzelte Dörfer, auf den Höhen ähnliche Herrenhäuser wie die Burg von Gischni. End- lich wandte sich der Weg nach N., immer ansteigend, in der Richtung auf den Djebel Sati, zu einem hohen Gebirgskamme. Das erste Dorf, das man nach einem Marsche über Alpenweiden jenseits des Kammes erreichte, hiefs Dschena- ruki; es liegt in einer schönen, mit Eichen, Platanen und Weiden bestandenen Thalsenkung; bald zeigten sich auch Walnufsbäume und wilder Wein wieder; die Flüsse und Bäche der Thäler wenden sich hier noch dem Zab zu; man folgte dem Laufe des Nahra d’Schimun oder Rubari Schin aufwärts, der oft von steilen Felswänden eingeengt wird und zahlreiche Katarakte bildet, und wandte sich dann nach Osten, wo man nach beschwerlichem Marsche durch eine tiefe Schlucht an steilen Gehängen mühsam zu dem Dorfe Neri hinaufsteigen mufste, einer ansehn-

F. H. Ungewitter: Beschreibung des britischen Indien etc. 371

lichen, aus steinernen Häusern bestehenden Ortschaft. Von hier sah man den Djebel Sati im Westen. Jenseits des Dorfes führt der Weg zuerst bergan, dann in eines der wildesten Gebirgsthäler, in dessen Tiefen wieder der schaumbedeckte Nahra d’Schimun hinbrauste. Man folgte dem letzteren aufwärts in das Gebiet der Harki (?)-Kurden, bis zum Dorfe Holäneh, der ersten von Nestorianern be- wohnten Ortschaft, die der Verfasser auf seinem Wege antraf. Sie bestand aus niederen Hütten von roh zusammengefügten Steinmauern, mit flachen Dächern, die auf Balken von Pappelholz ruhten und mit Erde beschüttet waren; die Be- wohner vergleicht S. mit polnischen Juden, nicht blofs dem Aeufsern nach, son- dern auch wegen ihrer dem Hebräischen verwandten, aber rauh klingenden Sprache; sie sind sehr arm und stehen unter dem Kurdenhäuptling von Neri. Jenseits des Dorfes führt ein kahler Pafs, dessen Erhebung über den Spiegel des Urumia- Sees S. auf 4000 Fufs schätzt, über den Kamm, der die Wasserscheide zwischen dem System des Tigris und dem des Urumia-Sees bildet. Das Gebirge fällt auf der Ostseite steil ab in eine zum Theil versumpfte, aber doch ziemlich angebaute Thalebene, der man in nordöstlicher Richtung bis zu dem durch eine Mauer be- festigten Nestorianerdorfe Heschmaua folgte, der ersten persischen Ortschaft, die man erreichte. Die Ebene heist Mergowan; sie wird vom Barandus durchströmt, der sich in den See von Urumia ergie[st. Der Flufs schlängelt sich in nordöst- licher Richtung durch die Thalebene nnd verläfst sie in einem anfangs kahlen Pafs, der sich allmählich erweitert und in eine angebautere Gegend führt, in wel- ‚cher der Barandus sorgsam zur Bewässerung der Felder benutzt wird. Nach Ost - und Nördost hatte man die Aussicht auf die Ebene von Urumia und einen schma- len Streifen des Sees am fernen Horizont. An dem Abhange des die Ebene begrenzenden Bergzuges hinreitend gelangte man in das Dorf Seir, wo die Ame- rikaner ein stattliches Missionsgebäude besitzen.

Hier endet der Bericht. Ein Jahr später hatte der Missionär Marsch, im Vertrauen auf S.’s glückliche Reise, denselben Weg durch das kurdische Hochland eingeschlagen, er wurde aber von den Kurden vollständig ausgeplündert und ent- - rann nur mit genauer Noth dem Tode. Dafs S. unangefochten blieb, schreibt er dem Umstande zu, dafs kurz vor ihm Layard ungefähr auf demselben Wege in das Kurdenland vorgedrungen war. „Der Name Layaıd’s als eines mächtigen, einflufsreichen, englischen Begs flöfst den Kurden mehr Scheu ein, als die Pa- ‚schas von Mosul und Dschulamerk sammt ihren Nizamtruppen. Da ich so un- "mittelbar hinter ihm herkam, fiel der Schatten seiner Persönlichkeit auch noch auf mich, der überdiefs durch gar leichtes Gepäck und kleines Gefolge die Er- - scheinung eines in seinen Mitteln beschränkten Reisenden bot und so die Raub- ‚gier wenig reizte.“ ho wirken —n. Beschreibung des britischen Indien nach den neuesten amtlichen Angaben

zum praktischen Gebrauche, namentlich für Zeitungsleser eingerichtet.

Pn Nebst kurzgefalster Schilderung der Politik, Handlungsweise und innern

“r Zustände Englands, nach geschichtlichen Thatsachen. Von Dr. F. H. Un- gewitter. Mit einer Karte von Ostindien. Berlin 1857. 8.

Die erste Hälfte dieser Schrift besteht aus einer rabiaten Kapuzinade gegen

die englische Politik, über die der Verf. den Strom seiner sehr derben Rede aus- his Ru*

372 Neuere Literatur;

gielst, weil sie lediglich durch das Interesse des englischen Volks, nirgends durch uneigennützige Sympathien dietirt sei; um seinen Handelsinteressen zu dienen, suche England überall Revolutionen anzuzetteln; in Portugal und Spanien sei ihm dieses über die Mafsen geglückt u. s. w. Und da Thatsachen, die für eine andere Auffassung sprechen, stets „etwas anderes sind und nicht hierher gehören“, ‚ge- lingt es dem Verfasser, sich in einen Eifer hineinzureden, der seinen Gipfelpunkt in der Behauptung erreicht, dafs eine gesunde Politik den Völkern gerathen ha- ben würde, sich nicht gegen Napoleon I. zu verbinden, sondern mit ‘seiner Hilfe England zu demüthigen und dann erst dem Kaiser selbst den Gnadenstofs zu geben, wobei es uns schwer wird zu begreifen, wie cine so schnöde Behand- lung. des wichtigen Bundesgenossen in dem Kampfe gegen England mit den edel- müthigen Prineipien, die der Verf. seinem politischen Systeme zu Grunde legt, in Einklang steht. Aber dieses ist vermuthlich auch „etwas anderes und gehört nicht hierher“. Nachdem Herr Ungewitter das Ungewitter seines Zorms gegen England auf diese Weise hat austoben lassen, beschwichtigt er sich plötzlich zw einer schlichten Topographie Vorder-Indiens, deren Stille dem an. den Donner des ersten Abschnitts gewöhnten Leser fast unheimlich vorkommen würde, wenn nicht noch hin und wieder das dumpfe Grollen in einer giftigen Bemerkung wie, fernes Wetterleuchten hervorbräche. Man findet in dieser Topographie die Eintheilung des Landes und die wichtigsten Ortschaften mit Angabe ihrer Einwohnerzahl und kurzer Andeutung ihrer etwaigen Merkwürdigkeiten; hin und wieder ist-auch eine ethnographische Notiz eingestreut. Eine „Beschreibung des britischen Indiens“, ein Bild von Land und Leuten darf man hier also nicht erwarten; die trockene Topographie ist nicht zur Lectüre, sondern zum Nachschlagen bestimmt, welches durch ein alphabetisches Register erleichtert wird. Für die statistischen Notizen hat der Verf. die in diesem Jahre erschienene einbändige Ausgabe von Thorn- ton’s Gauzetteer of the Territories under the. Government of the East- India Com- pany benutzt. Auf der kleinen, der Schrift beigegebenen Karte sind manche Namen wunderlich verstümmelt, z. B. Barelin (Bareilly), Punan (Punah), Sahje- hanpur, Mahanudda, Barode, Indorre u. a. m

Reisen in Südwest- Afrika bis zum See Ngami in den Jahren 1850 bis 1854, von Ch. J. Andersson. Aus dem Schwedischen von Dr. Hermann Lotze. Mit 8 Stahlstichen in Tondruck von Alex. Alboth, und zahlreichen Holzschnitten. Erster Band. Leipzig 1858, bei H. Costenoble.

Andersson’s Werk über seine Reisen in Süd- Afrika wurde schon ein Jahr nach seinem Erscheinen von Gustaf Thomee in’s Schwedische übertragen. Dem Uebersetzer lag ein Exemplar vor, welches Andersson selbst durcheorrigirt, an mehreren Stellen abgeändert, an anderen mit Zusätzen versehen hatte. Dieses be- stimmte Herrn Dr. Lotze, seiner deutschen Uebersetzung das schwedische, auch mit einigen erläuternden Anmerkungen Thomee’s ausgestattete Werk zum Grunde zu legen, ohne jedoch deshalb das englische Original aufser Acht zu lassen. Alle diejenigen, denen die Lectüre englischer Werke Schwierigkeit be- reitet, werden dem Herın Verleger dafür, dafs er ihnen unter dem oben ange- führten Titel eine recht leserliche Uebersetzung von Andersson’s Werk darbietet, zu Dank verpflichtet sein; und das Werk, ein Buch voll wunderbarer Reise- und _

Ch. J. Andersson: Reisen in Südwest- Afrika ete. 373

Jagdabenteuer, mit seinen interessanten Nachrichten über verschiedene, vorher fast gar: nicht "bekannte Volksstämme, ist geeignet, die Theilnahme eines recht aus- gebreiteten Leserkreises zu erregen, und deshalb einer Uebersetzung in vorzüg- lichem Grade werth. Der vorliegende Band umfalst die Reisen, die Andersson mit Galton in den Jahren 1850 und 1851 unternahm, d.h. die Reisen von der Walfisch- Bai durch das Thal des Swakop hin und wieder zwischen den Missions- Stationen Scheppmannsdorf und Barmen, die Reise von dem letztern Orte nörd- lich durch das Gebiet der Damaras nach dem See Omanbonde, die Begleitung der Owampo-Karawane nach Nordwest bis Ondonga, der Residenz des Fürsten der Owampo, endlich einen kurzen Bericht über die Reiseunternehmung von Barmen ostwärts in der Richtung auf den See Ngami, bei welcher zwei Drittheile des Weges wirklich zurückgelegt wurden. Den Hauptreiz dieses Bandes bilden die ausführlicheren Nachrichten über die Damaras und Owampos und die lebhaften Schilderungen des afrikanischen Thierlebens. Der Verleger hat die Uebersetzung in derselben eleganten Weise ausgestattet, die wir bei Heine’s Expedition nach Japan zu rühmen Gelegenheit hatten. Die Stahlstiche in Tondruck stellen Da- ‚mara’s und Owampo’s und mehrere Jagdscenen trefflich dar; unter den Holz- ‚schnitten befindet sich ein Bild Jonker Afrikaners. —n.

I Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin Bons! vom 3. October 1857.

Der Vorsitzende, Herr Prof. Dove, eröffnete die Sitzung durch Ueberrei- . chung folgender Geschenke: 1) J. M. Ziegler, Neue Karte der Schweiz. Winter- thur 1857. 2) J.M. Ziegler, Erläuterungen zur Neuen Karte der Schweiz sammt Register für diese und die Hypsometrie der Schweiz. Winterthur 1857. 3) Zweites ‚Ergänzungsheft für die Besitzer des Schul- Atlas in 29 Karten. Schul- Atlas von Theodor Freih. v. Liechtenstern und Henry Lange. Dritte Section, 7 Special- Karten enthaltend. 4) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F. III, 2. 5) Vier- und dreifsigster Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cul- ‚tur. Enthält: Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im J. 1856. Breslau. 9 1856 1857 Victoria. ‚Second Meteorological Report, with Diagrams of Ba- ‚rometric Pressure et. 7) Deutschland und die angrenzenden Länder. Eine oro- ‚graphisch - -geognostische Skizze von Daniel Völter. Mit einer geognostisch - colo- tirten Karte. Zweite Aufl. Efslingen 1857. 8) Die Münzen Australiens. 9) Om _Dodeligheden i Norge. Bidrag til Kundskab om Folkets Kaar. Af Eilert Sundt. : „Christiania 1855. 10) Om Güftermaal i Norge. Bidrag til Kundskab om Folkets Kaar, og Saeder. Af Eilert Sundt. Christiania 1855. 11) Om Saedeligheds- Til- standen i Norge. Af Eilert Sundt. Christiania 1857. 12) Beretning om Fante- ‚eller Landstrygerfolket i Norge. Bidrag til Kundskab om de laveste Samfundsfor- Iohold Af Eilert Sundt. Andet Oplag. Christiania 1852. Herr Prof. Ehrenberg theilte zuerst der Gesellschaft mit, dafs Herr G. Neu- _ mayer ihm aus Neu-Holland zwei Blätter einer deutschen Zeitung in Folio-Format Derandt habe, welche in Melbourne jetzt erscheint. Ein in einer wissenschaft- lichen deutschen Gesellschaft daselbst gehaltener Vortrag des Herrn Neumayer, weicher von der Königl, Bairischen Regierung mit physikalischen Instrumenten

374 Sitzungsbericht

und sonstigen Mitteln versehen, daselbst sich niedergelassen hat, ist darin abge- druckt. Uebrigens bemerkte der Vortragende, dafs in No. 268 der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 25. Sept. d. J. in der Beilage von einer wichtigen geo- graphischen Entdeckung desselben Herrn Neumayer Nachricht gegeben wird, wo- nach er auf der Hinreise in 53° 4' S. Br. und 72° 24' O.L. eine neue Insel- gruppe berührt und mit dem Namen „König Max-Inseln“ bezeichnet hat. Die Lage dieser Inseln würde demnach zwischen die Meridiane der Crozet-Inseln und Kerguelens-Land fallen. Sie erstrecken sich bis 53° 47''S. Br. und 73°:40'’0. L und haben bis 1000 Fufs hohe Berge und bis zum Meere abfallende Eismassen. Eine Landung unterblieb. Von Vegetation ist nicht die Rede.

Hierauf theilte derselbe aus einem an ihn gerichteten Schreiben Herrn Alexander von Humboldt’s, vom gestrigen Tage, mehrere sehr interessante Nachrichten mit, deren Veröffentlichung gestattet ist. Herr von Humboldt schreibt: ö „Ich besitze zwei deutsche Kansas-Blätter, die ich beilege, in deren

einem Nachricht von einer neugegründeten Humboldtstadt enthalten ist, nicht zu verwechseln mit der älteren Stadt Humboldt etwas nördlich vom Cap Mendocino, in der seit mehreren Jahren ein in Californien vielgelese- nes Blatt unter dem Titel Zumboldt- Times herauskommt.“ ')

„Mehr, glaube ich, wird die geographische Gesellschaft Prof. Burmei- sters Aufnahme einer Ansicht der Cordilleren von Chile interessiren, von

Mendoza aus, also von Osten gesehen. Ich habe die Rolle über Buenos

Aires erhalten, ohne weitere Beschreibung. Es ist ein Werk rühmlichen

Fleifses und grofser Genauigkeit in. den Umrissen.... Später werde ich

die Zeichnung dem Archive der geographischen Gesellschaft übergeben, da-

mit Prof. Burmeister selbst nach seiner Rückkehr darüber disponiren kann.“

Diese Aufnahme besteht in einer colorirten Handzeichnung auf zwei zusam- mengehörigen Blättern, und ist dieselbe, die Burmeister in seinem Schreiben an Herrn A. v. Humboldt, d. d. Mendoza 16. April 1857 (abgedruckt in diesem Bande der Zeitschrift S. 73)-in Aussicht stellte. Er hatte sich damals durch die trübe Witterung verhindert gesehen, die Zeichnung sofort zu entwerfen. Ferner theilt Herr von Humboldt folgende interessante Nachrichten über Bonpland mit:

„Von meinem theuern Freunde Bonpland, der in bester Gesundheit am 28. August sein vier und achtzigstes Geburtsfest zu feiern gedachte, habe ich durch Herrn General-Consul v. Gülich angenehme und lehrreiche Briefe aus Corrientes vom 7. Juni 1857. Er hatte, ganz mit wissenschaftlichen Unterrehmungen lebhaft beschäftigt, einem jungen deutschen Reisenden, Herrn Julius Fischer, seine Herbarien gezeigt. Er suchte alle Doubletten zusammen für das neue Museum zu Corrientes, dessen Leitung ihm von der Regierung übertragen ist. „J’ai promis,“ heilst es in dem Briefe, „a Mr. le Gouverneur de la Province de Corrientes, Don Juan Pujol, homme

!) Ueber die Humboldt-Bai und Humboldt-City in Californien haben wir in dieser Zeitschrift (N. F. I, S. 256) bereits berichtet. Ueber die Humboldt -City in Kansas veröffentlichen wir unter den Miscellen dieses Heftes die Angaben der oben erwähnten Kansas-Blätter, denen auch die Notiz über den Besuch bei den Cherokee-Indianern entlehnt ist.

der Berliner geographischen Gesellschaft. 375

irds Eclaire, les doubles de toutes mes collections pour le Musee Public et je remplirai ma promesse. (Ce travail termine je devrais parcourir les differentes provinces de la Confederation Argentine, mais s’il m’est possihle je prefererais ‚porter moi-möme mes collections a Paris pour les deposer au Musee ainsi que mes manuscrits et prendre les mesures necessaires pour la publication de ce qwily a d’important dans mes herbiers qui ne laissent pas d’avoir de l’interet. Mon voyage en Europe doit Etre de courte duree, car je veux revenir 4 St. Ana je suis tranquille et heureux. Je veux Etre enterr€ sous les arbres que j’ai plantes.“ Diese Stelle des Briefes ist sehr beruhigend. Sie giebt die Bürgschaft, dafs mein Freund nie daran gedacht hat, seine botanischen, unedirten Schätze in einem unbesuchten Provinzial-Museum zu vergraben, sondern dafs er diese Schätze noch immer den Botanikern Europa’s bestimmt. Sollte er die Reise nach Paris und Berlin, von der er so oft in früheren Briefen ge- sprochen, nicht ausführen können, so wird er Vorkehrungen treffen, seine Herbarien und Manuscripte (letztere sind von grolser Wichtigkeit für die Geographie der Pflanzen) auf sicherem Wege an die Professoren des Jar- din des plantes zu Paris zu senden. Dort im Jardin des plantes werden schon aufbewahrt alle botanischen Tagebücher, welche Bonpland und ich (er zu drei Vierteln des Ganzen) in der gemeinschaftlichen Reise vom Juni 1799 bis August 1804 gehalten haben.“

„Am Ende des Briefes heifst es noch: „Je compte bientöt aller d’iei ü San. Borja et je serai de retour & Corrientes dans le courant de Septembre. Je travaillerai alors sans reläche aux herbiers et je mettrai & part pour la Prusse et de preference pour l’Universit& de Greifswalde qui m’a donnE tant de marques de son souvenir bienveillant, le plus de plantes possible propres ü cette partie de l’Amerique si peu visitee jusqu'ici.“

Demnächst legte Herr Prof. Dove mehrere neue Schriften vor und besprach in Kürze den Inhalt derselben. Aus dem Report of the British Association in Cheltenham for 1856 (London 1857) theilte derselbe die abweichende Behauptung eines Herrn Clibburn mit, dafs die europäische Race in Amerika aussterbe, wäh- rend die chinesischen Einwanderer das Klima vortrefflich ertrügen. Die „Grund- züge der Schlesischen Klimatologie von Dr. J. G. Galle, Breslau 1857“ wurden als eine Arbeit bezeichnet, wie sie sonst keine Provinz des preufsischen Staates besäfse. Aufserdem wurde auf die Wichtigkeit vorgelegter meteorologischer Beobachtungen vom Cap der Guten Hoffnung (First Number of Meteorological "Papers published by Authority of the Board of Trade. London 1857) hingewie- sen, indem dieselben bestätigten, dafs, wenn im Sommer die Luft sich über Asien auflockere und sich in Folge dessen der Luftdruck daselbst bedeutend vermindere, die dort aufsteigende Luft nicht der südlichen Erdhälfte zuströme, sondern seit- lich abflie[fse, wodurch eines Theils der Luftdruck in Amerika erhöhet, anderen "Theils aber der obere Passat gehemmt und gezwungen würde, sich zu früh auf die Erde herabzusenken, woraus dann weiter die bekannten Wirbelstürme in West- Indien und im chinesischen Meere entsprängen.

Herr Dir. August legte der Gesellschaft eine neue Sonnenuhr seiner Er- findung vor, die an jedem Orte sofort aufgestellt werden kann und die Zeit richtig angiebt, und besprach das Prineip, nach welchem sie construirt ist. 1 Herr Geh. Reg. R. Prof. Schubert aus Königsberg sprach über die wich-

376 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.

tigen Kataster- Karten Baierns und Würtembergs. In Baiern hatte man 1826 mit der Katastrirung des Landes begonnen und dieselbe mit einem Kostenaufwande von 20 Mill. Gulden ausgeführt. Gleichzeitig wurden die Ergebnisse chartogra- phisch verzeichnet, und auch diese grofse Unternehmung ist 1856 beendet worden. Jetzt besitzt Baiern eine Landeskarte im Mafsstabe von 1:5000 auf 26,000 Stei- nen; von allen Steinen sind Abzüge angefertigt und zu 12 Kreuzern für das Blatt verkäuflich; ‘in jeder Gemeinde sind Originalblätter ausgelegt, auf welchen jede Veränderung der Flur verzeichnet und so das Material zu einer alljährlichen Re- vision der Karte gewonnen wird. Nach diesen Katasterkarten ist denn auch die militärische Karte bearbeitet worden. Würtemberg fafste beinahe gleichzeitig denselben Gedanken, wählte für seine Katasterkarte aber einen doppelt so grofsen Mafsstab, 1:2500, der für die Stadtpläne abermals auf 1:1250 erhöht wurde. Auch in diesem Lande hat man von den Karten, die zu demselben billigen Preise wie in-Baiern käuflich sind, für die verschiedenen Zwecke der Landes-Cultur den mannichfaltigsten Gebrauch gemacht.

Herr Prof. Wolfers verglich den eben verstrichenen Sommer mit den Som- mern der Jahre 1842 und 1846 in Berlin und legte eine graphische Darstellung vor, welche die Temperatur-Verhältnisse derselben zur Anschauung brachte. Wenn man hiernach als Anfang und Ende des Sommers denjenigen Tag annimmt, an welchem die mittlere tägliche Temperatur wenigstens 415° R. beträgt, so hat der Sommer 1842 vom 28. Mai bis 9, Sept., der Sommer 1846 vom 22. Mai bis 12. Sept, der Sommer 1857 vom 21. Mai bis 18. Sept. gedauert. Der letzte Sommer unterscheidet sich von den beiden andern hauptsächlich dadurch, dafs er ein Extrem der Temperatur von '+27°,2 R. hervorgebracht hat, während die Extreme der Sommer von 1842 und 1846 beziehungsweise nur +25°,6 und —+24°,9 R. betrugen. In der durchschnittlichen, mittleren Temperatur überwiegt er nicht erheblich, denn die durchschnittliche Temperatur dieser drei Sommer beläuft sich auf beziehungsweise +14°,8, —+15°,1 und +15°,6 R. In allen drei Jahren war übrigens der August der heifseste Monat. Die Zahl der: Sommertage _ (mit mindestens +15" R.) belief sich 1842 auf 53, 1846 auf 67, 1857 auf 74. Gewitter- und Regentage gab es 19 im Sommer 1842, 21 im Sommer 1846 und 26 im Sommer 1857. |

Herr Prof. Dove fügte hinzu, dafs das Extrem der Wärme im preufsischen Staate innerhalb des letzten Augustmonats zwischen —+25° und +29° schwanke. Nur in Hela sei das Maximum nicht über —+20°,5 hinausgegangen. Uebrigens sei das Maximum der Wärme nach Osten hin etwas später eingetreten. Eine viel gröfsere Verschiedenheit zeige die im Laufe dieses Monats gefallene Regen- menge.

Herr Prof. Mahlmann überreichte seine „Politisch-statistische Karte vom Oesterreichischen Staate, Berlin 1857“ und besprach die dabei benutzten Mate- rialien. }

Schliefslich legte Herr Prof. Dove seine Schrift „über das Gesetz der Stürme. Mit einer Karte. Berlin 1857* vor, und indem er sich über die Entstehung der Stürme ausführlicher äufserte, bezeichnete er es namentlich als eine irrige Vor- stellung, dafs alle Stürme Wirbelstürme '(Cyelonen, wie sie Piddington genannt hat) wären.

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November December 1857. ala Fa FE,

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Dr. K, NEUMANN.

. NEUE FOLGE,

Inhalt.

‚Seite XIN. Ueber die Volksstäimme Bomeo’s. Von Oscar von Kessel. . 377 XIV. Zur Kunde der Insel Formosa. Mitgetheilt von Dr. Biernatzki 411

ER

XV. Ueber Erosionsformen der indischen Flüsse. Von Robert Schlag- EUER TEEN NER IR sn ie RA DE XVI P. Semenow’s Forschungen im Alatau 2 Thian EN Aus > 2 einem Schreiben Semenow’s an CarlRitter . ... rAI2 NE XVII. Die Gold- und Silber- Region im östlichen Hondaras, Vom Er ae ww ausgeber . - . a an AA TE XVII. Bemerkungen A. v. Humb oldt# s zu aene s Bellrerbeh über !

den Thian Schan. Mitgetheilt von Carl Ritter . . .. .. 4

Miscellen. N Die arabische Rene, des Ahmed Mo Be: Mitgetheilt von 3 Catl.BRitter 2. : a: ee ae ar aa ADS, a Zur Statistik der nah er Erde ISLIEREETE et Ueber die Verbreitung des albanesischen olkeipkibunien BER EAN AR Maulbeerbaumzucht und Seidenbau im Gouvernement Moskau . . . . 4907 Die herakleotische Halbinsel hinsichtlich ihres Einflusses auf den Gesunkr fi ® heitszustand . . . . EEE ec) Wen

- Zur russischen Expedition Ha horn A einem Schreiben Bunge’s 498 Die Reise des Hauptastronomen der ostsibirischen Expedition, L. Schwarz, a auf dem Wäitim. Von C. Schirren . 2 2 22 2.2 2020220499 Bi EMRAHTIOS VE ae et EN ER EN Lee, PET: 501%. 7

Freeling’s Bericht über Goyder’s Entdeckungen am Lake Toren 10035. Die südliche Gruppe der Kokos- oder Keelings-Insen . . . . 3 IB Ueber das ‚Klima des Caps der Guten Hoffnung. Von H. W. Dive rl Bemerkungen über die Sternwarte von Santiago, die geographische Länge

und Breite dieses Ortes, so wie die Länge von Valparaiso, Callao und 2

Lima." WVonTProk:Wolfers 20... is en... Zur Statistik der französischen Colonien . . . » . a Ueber die Sondirungen auf dem '„ Telegraphen - Plakean, © Aus einem »

Schreiben des Hrn. Lieut. Maury an Hrn. Prof. Ehrenberg . . 520 . Ueber die Wärme der Flüsse. Von H. W. Dove . . ....12,.82 3

XII. Ueber die Volksstämme Borneo’s.

Von Oscar v. Kessel ').

- Die Gesammtbevölkerung der 10,000 Quadratmeilen grofsen Insel Borneo kann nur annähernd bestimmt werden: sie mag sich auf 24 Mil-

sigentliche Malaien (Muhamedaner) und 150,000 eingewanderte Chine- en. Letztere sind über ganz Borneo vertheilt; zum gröfsten Theil be- wohnen sie aber die Küsten, namentlich die Landschaft Sambas im Yordwesten Borneo’s.

Die Malaien sind die eigentlichen Herren des Landes. Sie haben en gröfsesten Theil der Insel im Besitz und bilden 30 bis 40 kleinere der grölsere Staaten unter eigenen Fürsten, welche die Titel Sultan, ?ennimbahan, Pangheran führen. Alle diese Staaten sind mehr oder 'eniger Oligarchien. Den Fürsten werden zwar einige Ehrenbezei-

dentlich gering. Sowohl begangene Verbrechen als Staatsangelegen- iten werden nach der bestehenden Hadat ?”) durch eine Rathsver-

Die daijakschen Stämme werden von den Malaien als ihre recht- [sigen Unterthanen angesehen, als Heiden, die Allah seinen Gläu-

en grolsen Theil ihrer Ernten abgeben. Und zwar sind sie nicht nterthanen der Fürsten, sondern der ganzen malaiischen Bevöl- g. Ich habe einzelne gewöhnliche Malaien getroffen, denen nicht

er als 20 bis 30 daijaksche Familien gehörten. Seit alten Zeiten

R.;

378 Oscar v. Kessel:

{ waren diese von den Vorältern auf die Nachkommen vererbt worden. Doch ist dieses Verhältnifs nicht in allen Staaten dasselbe. In Brunei, Sambas, Landak, Pontianak, Banjer üben die Fürsten eine etwas grös- sere Gewalt aus, und die daijakschen Unterthanen gehören hier nur den Gliedern der fürstlichen Familie an, unter welche sie gleichmäfsig vertheilt sind. In anderen Gegenden wieder, die mehr im Innern der Insel liegen, wie Selimbau, Sweit, Junkung, Nangabunut, deren daijak- sche Bevölkerung nicht durch Waffengewalt unterworfen wurde, bean- spruchen die Malaien nur das Recht des Alleinhandels, wodurch sie beinahe eben so grofse Vortheile geniefsen, als wenn sie directe Ab- gaben von der Ernte empfingen; denn sie setzen ihre Waaren: Eisen, Salz, Taback, Kupferdraht, groben Kattun, grobes chinesisches Geschirr ete. zu willkürlichen Preisen ab. Keinem fremden Händler ist es ge- stattet, die daijakschen Distriete zu besuchen, noch weniger in ihnen Waaren zu verkaufen.

Die Unterjochung der Daijaks durch die Malaien ist eine allmäh- liche gewesen. Malaiische Seeräuber, Kaufleute und Ansiedler liefsen sich vor einigen hundert Jahren an den Küsten Borneo’s nieder, dran- gen allmählich in’s Innere vor und siedelten sich an den Ufern der grolsen Ströme an; unterstützt durch ihre bessere Bewaffnung mit Feuergewehren besiegten und unterwarfen sie die daijakschen Stämme. Auch jetzt noch liegen alle grölseren malaiischen Dörfer nur an den Küsten und an den Ufern der grofsen Flüsse, während die Daijaks die kleineren Flufsgebiete bewohnen. Namentlich sind es die Mündun- gen aller schiffbaren Nebenflüsse der gröfseren Ströme, an welchen sich die Malaien niedergelassen haben. Diese bieten ihnen, da fast alle Communication in Borneo nur zu Wasser vor sich geht, die beste Ge- legenheit, einestheils ihre Waaren den Daijaks zuzuführen, anderntheils dieselben im Zaum zu halten, indem sie ohne Bewilligung der Malaien ihr Flufsgebiet nicht verlassen können. In den daijak’schen Distrieten findet man nur einzelne kleine malaiische Ansiedlungen, die zur besse- ren Ueberwachung der einheimischen Bevölkerung dienen. Man kann annehmen, dafs von sämmtlichen Daijaks auf Borneo zwei Drittheile durch die Malaien mehr oder weniger unterworfen sind, während ein Drittheil noch frei ist.

Aufser diesen unterjochten und noch freien Stämmen leben im Mittelpunkte der Insel gegen 50,000 Nomaden. Ohne jede Cultur, ohne Häuser, Ackerbau und Viehzucht, streichen diese durch die Wälder un leben nur von Fischfang, Jagd und wildem Sago. Sie sind die eigent- lichen Wilden des Landes und die Feinde aller übrigen Bewohner, da bei feig, grausam und hinterlistig.

Was das Aeufsere sowohl der wilden als der cultivirten Daijak

Ueber die Volksstimme Borneo’s. 379

Weder die wilden noch die ackerbautreibenden Stämme der Dai- jaks können als die Urbevölkerung der Insel angesehen werden. Kleine Ueberreste einer schwarzen Race, wie sie auf den Philippinen, Neu- Britannien und den Hebriden zu finden sind, kommen auch noch im Innern Borneo’s, namentlich im Nordosten vor. Ich selbst hatte keine Gelegenheit, sie zu sehen. Malaiische Kaufleute aber, deren Aussage ich vollkommenes Vertrauen schenken konnte, schilderten sie mir als auf einer sehr niederen Culturstufe stehend, obschon in Häusern woh- nend und Ackerbau treibend.

In einem Lande wie Borneo, welches seit undenklichen Zeiten ste- ten Einwanderungen vom asiatischen Festlande und von den benach- jarten Inseln ausgesetzt war, kann es nicht auffallen, zwanzig bis dreifsig, verschiedene Sprachen redende Volksstämme zu finden. Na- mentlich ist dieses im Nordwesten und Norden der Fall. Einige dieser Stämme bestehen nur aus 50 bis 100 Familien. In Farbe und Gesichts- bildung ist übrigens, wie ich bereits erwähnte, kein Unterschied be-

welche Gegend man auch. kommen mag, man kann sicher sein, stets eine oder mehrere Personen zu treffen, die aufser ihrer Muttersprache

dene Dialeete gesprochen werden, von denen sich manche sehr fern tehen, obschon sie alle dem grofsen malaiischen Sprachstamme ange-

ann man auf die Sprachen der kleineren Stämme, die sich hin und vieder zerstreut in der Mitte der grölseren vorfinden, nicht Rücksicht nen; auch haben sie deren Sitten, religiöse Begriffe und Lebensart nommen, und ihre Kleidung, die Form ihrer Häuser, Waffen und thschaften ist ganz dieselbe. Von gröfseren Volksstämmen lassen echs Hauptabtheilungen unterscheiden, und zwar:

Die Stämme von Ost-Borneo, unter dem allgemeinen Namen

) Die Stämme des Nordwestens, ohne gemeinsamen Stammnamen. - Sie nennen sich nach den Flufsgebieten, die sie inne haben, und

380 Oscar v. Kessel:

bewöhnen die Landschaften Sambas, Landak, Serawak, Sadong und Sekaijam.

4) Die von Nord- und Central-Borneo, auch ohne gemeinsamen Stammnamen; sie bewohnen Brunei und den gröfsesten Theil des Flufsgebietes des Kapuas, namentlich auf dem linken Ufer desselben. Hierzu gehören auch die Seeräuber-Stämme von Ba- tang-lupar und Seribas.

5) Die ganz wilden Nomaden -Stämme des Innern, Punan, Manketta, Wutt oder Ott, und endlich

6) der erwähnte kleine Ueberrest schwarzer Urbevölkerng im Nord- Osten der Insel.

Alle diese Völkerschaften unterscheiden sich deutlich durch die Form und Art ihrer Waffen, den Bau ihrer Häuser, durch ihre reli- giösen Begriffe, den Grad ihrer Cultur und endlich durch ihre Sprachen, in denen die der kleineren Stämme gewissermalsen verschwinden. Nur mufs hier eine scharfe Scheidewand zwischen den fünf erstgenannten Stämmen, die sämmtlich der gelben Race angehören, und der zuletzt genannten schwarzen Urbevölkerung gezogen werden.

Der Name Daijak ist kein nationaler Name, noch von irgend einer historischen Bedeutung. Die Malaien gebrauchen dieses Wort ohne Ausnahme für alle Heidenstämme.

Die Malaien.

Wie ich bereits erwähnte, liegen die Dörfer der Malaien meist an den Küsten und an den Ufern der grofsen Ströme. Die gröfsten, an den Küsten gelegenen, wie Pontianak, Sambas, Kottaringin, Banjer, Kotte, Brunei, zählen durchschnittlich 400 bis 500 Häuser, die im In- nern des Landes nur 20, 40 bis 60, selten 100 Häuser, wie dies z. B. mit Sintang am Kapuas der Fall ist. Die Häuser der Fürsten und reichsten Einwohner sind von Eichenholz und auch mit kleinen Bret- tern von diesem Holze, in Form von Dachziegeln, gedeckt. Sie sind 5 bis 8 Fuls über der Bodenfläche auf Pfählen erbaut, mit hohen Dach- stühlen. Die ärmere Klasse bewohnt nur Bambushütten, nicht weil das Holz kostspieliger ist, denn der Wald ist wörtlich vor der Thüre, son- dern weil die Zurichtung der grolsen Baumstämme viele Arbeitskräfte erfordert, während der Bambus ') ein leichtes Material ist, welches ein

einzelnes Individuum aus dem Walde holen und ohne Hilfe zu einem. Bau zusammenfügen kann. Diese Bambushütten sind entweder mit _ Palmblättern oder mit dem langen indischen Grase (Allang Allang) ge-

1) Der Bambus erreicht eine Höhe von 50 Fufs und hat unten einen halben j

Fufs im Durchmesser.

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 381

deckt. Gewöhnlich sieht man in den malaiischen Dörfern 10 bis 12 der gröfseren Häuser, mit einem starken, 10 bis 12 Fufs hohen Zaune ‚von Eisenholz umgeben, der als Verschanzung dient. Dieser umzäunte Theil des Dorfes heifst Kotta oder Stadt. Hier wohnen die Fürsten und angesehensten Personen. Alle Dörfer liegen beinahe ohne Aus- nahme in einer Reihe unmittelbar am Flufsufer. Eine der Menge der Häuser entsprechende Anzahl Holzflölse sind am Ufer befestigt und dienen zum Baden, da es der Krokodile wegen gefährlich ist, ohne Weiteres in’s Wasser zu gehen. Auf einigen dieser Flöfse befinden sich kleine Badehäuschen von Bambus. Eine Menge Kähne, kleine und gröfsere Handelsfahrzeuge, liegen längs des Ufers zwischen und an diesen Flöfsen. Die gröfsten dieser Fahrzeuge, die man Bandong nennt, haben die Form unserer grofsen Flufskähne, nur sind sie mit einem Dache von Palmblättern oder von Allang gedeckt. In der Regel sind sie 80 Fufs lang und 10 bis 12 Fufs breit.

Die Dörfer bieten nur den Anblick einer schwarzen, von Wald - umgebenen Häuserreihe dar; von Gärten oder Feldern in ihrer Nähe ist wenig die Rede. Denn die trägen Malaien bauen nur selten etwas Reis; sie leben von der Ernte der Daijaks. Selbst Fruchtbäume er- _ bliekt man nicht; nur wenige Pisangstauden und einige Kokospalmen finden sich hier und dort; die Zahl der Dörfer, die gar keine Kokos- palmen besitzen, ist nicht gering. Von jenen mannichfaltigen schönen Früchten, die man auf Java und anderen Inseln in Ueberflufs besitzt, ist hier keine Spur zu finden. Die hiesigen Malaien scheinen nur für zwei Dinge Sinn zu haben, für Trägheit und für Handel, so wenig _ beides vereinbar scheint. Jeder Malaie, vom Fürsten bis zum gering- sten und ärmsten Mann, ist Händler, und da die Daijaks keine Gele- _ genheit haben, ihren Bedarf an Salz, Taback etc. anderswo einzukau-

d ie Daijaks verrichten müssen, sind sehr gering; sie beschränken sich Lieferung von Holz zum Häuserbau und Hilfe bei dem Aufbau

382 Oscar v. Kessel:

Münze, werden angenommen; erfolgen sie aber nicht, es sei wegen Mifsernte, die oft stattfindet, oder anderer Ursachen wegen, so werden Kinder der Familie mit Beschlag belegt. Man berechnet gewöhnlich den Preis für ein Kind von 7 bis 10 Jahren auf 50 Gulden, von 12 bis 16 Jahren auf 80 bis 100 Gulden. Schöne Mädchen gelten wohl das Doppelte. Diese Kinder sind alsdann für immer von ihren Eltern getrennt; sie werden Muhamedaner, bleiben aber nichtsdestoweniger zeitlebens Sklaven. Doch ist diese Sklaverei keine harte, und verdient kaum so genannt zu werden. Die Sklaven müssen während der Han- delsreisen ihrer Herren rudern, häusliche Arbeiten verrichten, auch Gold und Diamanten suchen, werden aber im Uebrigen mehr wie Mitglieder der Familie als wie Dienstboten behandet. In früheren Jahren wurden solche daijak’sche Kinder auch nach den Küstenplätzen und nach den benachbarten Inseln verkauft. Letzteres darf, seitdem die niederlän- dische Regierung die Küste besetzt hat, nicht mehr geschehen; werden jetzt solche Sklaven dennoch nach den Küstenstädten verkauft, so steht es ihnen zu jeder Zeit frei, sich für dieselbe Summe wieder auszulösen, für die sie verkauft wurden. Sie fallen alsdann in eine Kategorie mit den Orang ber Utangs ').

Dieses ist ein Borneo eigenthümliches Abhängigkeitsverhältnifs. Will sich Jemand als Orang ber Utang engagiren, so leiht er eine Summe Geld von 10 bis 100 Gulden, selten mehr. Er bleibt dann so lange als Pfand im Hause des Gläubigers und arbeitet für diesen, bis die geliehene Summe zurückgezahlt ist. Lohn erhält er nicht, sondern nur Essen und Kleidung. Gefällt ihm sein Schuldherr nicht, so geht er zu einem andern und leiht eine zweite Summe, womit er die erste bezahlt, und tritt in des zweiten Herrn Dienste. In den Küstenplätzen besitzt jeder etwas wohlhabende Einwohner einen oder mehrere dieser Schuldner; die Fürsten 20 bis 40. Da diese Leute kein Gehalt be- ziehen und Essen und Kleidung nur dann erhalten, wenn ihre Arbeit verlangt wird, so fällt es den Fürsten leicht, bei öffentlichen Gelegen- heiten ein zahlreiches Gefolge zu zeigen und eine Art Scheinpomp zu entfalten.

Während die nach den Küstenplätzen verkauften daijak’schen Kin- der daselbst das Recht haben, sich für dieselbe Summe wieder frei zu kaufen, für welche sie verkauft wurden, ist dies im Innern der Insel, wo die niederländische Regierung keine Macht ausübt, nicht der Fall. Uebrigens werden von den Malaien allerlei Ränke ausgesonnen, um nicht nur Kinder, sondern ganze Familien zu Leibeigenen zu machen. Die beste Gelegenheit bietet sich, wenn in den daijak’schen Distrieten

!) Schuldner, wörtlich verschuldeter Mann.

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 383

Hungersnoth herrscht, was leider nur zu oft vorkommt. In diesem Falle leihet der Malaie gern, aber natürlich nur gegen 1000 bis 2000 Procent Zinsen. Gewöhnlich sind dann die armen Leute, die vielleicht 50 Maals Reis empfangen haben, nicht im Stande, 500 oder gar 1000 Maals dafür zurückzugeben, und die Folge ist Sklaverei. Aulser der Verwendung für die gewöhnlichen Hausarbeiten und das Rudern werden diese Sklaven auch zum Sammeln von Diamanten oder Goldstaub benutzt. Diamanten kommen im Nordwesten und Süd- Osten der Insel, Gold überall vor. Die Malaien erkennen an der Ober- fläche des Bodens, an der Art und Farbe des Erdreichs die Stellen, wo Diamanten wahrscheinlich vorhanden sind. Man gräbt Gruben von 10 bis 12 Fufs Durchmesser und eben so viel Tiefe, und die heraus- geworfene Erde wird sorgfältig untersucht. Im Allgemeinen ist aber sowohl der Gewinn des Diamantensuchens wie der des Goldsammelns sehr unbedeutend und beträgt durchschnittlich kaum 6 bis 10 Sgr. täg- lieh von dem einzelnen Arbeiter. Denn bisweilen wird Monate lang vergeblich gegraben, oder es werden nur sehr kleine Steinchen gefun- _ den. Das Diamantensuchen ist Jedem gestattet; alle Steine über 4 Ka- _ rat müssen aber an die Fürsten verkauft werden, und diese bezahlen - natürlich eine im Verhältnifs der Gröfse nur sehr unbedeutende Summe; - einen Stein von 20 bis 50,000 Gulden an Werth vielleicht mit 1000 _ bis 2000 Gulden. Daher werden, wo es nur immer geschehen kann, grofse werthvolle Steine verheimlicht und unter der Hand in den Küsten- plätzen verkauft, natürlich auch nur für kleine Summen. Man kauft auf diese Weise bisweilen die kostbarsten Steine für ein Zehntheil des wirklichen Werthes. In Pontianak, Sambas und Banjermassing werden = die Diamanten durch malaiische Schleifer sehr fein und schön geschliffen. "Der Goldstaub wird entweder aus dem Flufsbett genommen und mit run- den hölzernen Schüsseln in den Flüssen gewaschen, oder man gräbt einige Fufs tief und wäscht das Erdreich auf dieselbe Weise. u Die Kleidung der Malaien besteht in kurzen, bis an die Knie 'reichenden, weiten Beinkleidern, einem 3 bis 4 Ellen langen, schmalen _ Shawl als Leibgürtel, kurzer Jacke, die auf dem blofsen Leibe getra- gen wird, einem Kopftuch, das die Stelle des Turbans vertritt, und "dem Sarong; dies ist ein 4 bis 5 Ellen langes und 2 Ellen breites Stück Zeug, dessen beide Enden zusammengenäht sind, während es oben und unten offen bleibt. Diese Art Tunika wird bald über der achts dient der Sarong als Decke. Die Frauen haben nur zwei Haupt- Kleidungsstücke: den bereits beschriebenen Sarong, den sie wie einen

384 Oscar v. Kessel:

Aermeln. Eine Kopfbedeckung tragen sie nicht. Nur wenn sie lange der Sonne ausgesetzt sind, bedecken sie den Kopf mit einem grolsen runden Hute aus Flechtwerk. |

Die Waffen der Malaien bestehen in einem 24 Fufs langen, wenig gekrümmten Säbel (Padang), Dolch und Schiefsgewehr. Auch findet man in allen gröfseren malaiischen Dörfern mehrere Geschütze, meist von Metall, einige davon sind Zwölfpfünder, doch sind die Lafletten, auf denen sie ruhen, selbst gezimmert und sehr unpraktisch. In Er- mangelung von Kugeln schielst man mit runden Steinen. Diese Ka- nonen sind meist alte Schiffsgeschütze, die auf Java oder Singapura oder in früheren Zeiten von Seeräubern aufgekauft und von den Küsten- plätzen in’s Innere verhandelt wurden.

Die Lebensart des Malaien ist ungefähr folgende. Um 6 Uhr des Morgens mit Tagesanbruch steht er auf und geht sogleich zum Bade, wo er sich mittelst eines Gefälses Wasser über Kopf und Körper gielst. Etwa um 8 Uhr frühstückt er Reis, der so trocken gekocht ist, dafs man ihn mit den Fingern essen kann, ohne sich diese nals zu machen, und gewöhnlich noch etwas Fisch, meist getrocknet, mit rothem Pfeffer und Salz gewürzt. Um 1 Uhr nimmt er die zweite Mahlzeit zu sich, und um 6 Uhr die dritte, die ganz aus denselben Speisen bestehen. Der Reis hat in Indien eine weit grölsere Bedeutung als bei uns Brod und Kartoffeln. Jede Mahlzeit, ohne Unterschied, besteht aus trocken gekochtem Reis, mit gepfeffertem Fisch oder Fleisch dazu. Sehr oft wird aus Gurken, Kürbissen, oder Blättern verschiedener Pflanzen ein Gericht bereitet, welches man an Stelle von Fisch oder Fleisch zum Reis genielst. Dennoch steht die malaiische Kochkunst nicht gerade auf niedriger Stufe. Die Gerichte, die man bei festlichen Gelegenheiten auftragen sieht, sind sehr mannichfaltig; da giebt es Fische, kleine Krebse, Hühner und Enten auf die verschiedenste Weise zubereitet, aber Alles so stark gepfeffert, dafs eine europäische Zunge zurück- schrecken würde; aufserdem die verschiedensten Arten Backwerk, aus Reis oder Reismehl, Kokosöl und Zucker bereitet, und endlich auch Früchte. Bei manchen Festen habe ich zwanzig bis dreilsig Gerichte bemerkt. Doch sind sie eigentlich nur Beigaben zum Reis, und Nie- mand wird es einfallen, sich an Fisch oder Geflügel satt essen zu wollen. Für gewöhnlich lebt der Malaie sehr mäfsig, und selbst der vornehme und reiche hat aufser dem Reis selten mehr als eine oder zwei Schüsseln mit Fischen oder Geflügel. Viele Malaien trinken des Morgens etwas Kaffee, jedoch so schwach, dafs er kaum von Wasser zu unterscheiden ist; übrigens wird auf Borneo kein Kaffee gebaut, und der wenige, der verbraucht wird, ist von Java eingeführt. Ebenso werden zwei andere wichtige Artikel des malaiischen Haushalts, Kokosöl

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und Zucker, von den Küstenplätzen in’s Innere geführt. An der Meeres- küste findet man eine grofse Menge Kokospalmen, während die Ma- Er laien im Innern zu träge sind, diese Bäume in hinreichender Anzahl zu ziehen.

a Ein Hauptbedürfnifs der Malaien, welches eine beinahe eben so wichtige Stelle als Essen und Trinken einnimmt, ist der Zirie (Bethel). Bi Meine Ruderer konnten eher Hunger und Durst ertragen, als den Man- gel an Zirie-Blättern. Sie wurden ganz matt und schwach, wenn es - sich bisweilen zutrug, dafs diese Blätter nicht zu haben waren. Das Kauen von Taback ersetzt den Zirie nur sehr unvollkommen. Die Zirie-Pflanze ist eine Pfefferart, deren Blatt die Gröfse und Gestalt _ eines Lindenblattes hat, nur etwas länglicher ist. Auf dieses Blatt wird ein wenig feiner, gewöhnlich aus Seemuscheln präparirter Kalk gestrichen; hierauf ein Stückchen Pinang-Nufs von säuerlich-bitterem, _ zusammenziehenden Geschmack, und Gambir, eine Substanz aus den bitteren Blättern der Gambir-Staude bereitet, endlich noch ein klein _ wenig Taback gelegt. Diese Composition wird gekaut und ungefähr 40 bis 15 Minuten im Munde behalten.

Die Daijaks.

Die Bekleidung aller Daijaks besteht eigentlich nur aus einem Hauptstück und bleibt der Form nach bei allen Stämmen gleich, wenn. auch Farbe und Stoff verschieden sind. Die Männer tragen einen Leib- - gürtel, die Frauen ein kurzes, sehr eng anschliefsendes Kleidchen. Da- _ gegen sind Waffen, Kopfbedekungen und Schmuckgegenstände von ver- - schiedener Art und Form, und man kann hieran die Stämme deutlich _ unterscheiden. Der Leibgürtel der Männer besteht aus einem 4 bis 5 Ellen langen und 1 Fufs breiten Shawl von weicher präparirter Baum- 'rinde oder eigends dazu gewebtem Stoffe. Dieser Shawl wird zwischen ‘den Beinen durchgezogen und dann zwei bis drei Mal um die Hüften gewunden. Die Enden hängen vorn und hinten herab. Durch die rt und Weise, wie man dieses Kleidungsstück anlegt, wird den Er- fordernissen der Schamhaftigkeit vollkommen genügt. Die daijak’schen Dörfer gewähren einen höchst eigenthümlichen Anblick, namentlich die von Süd- und Ost-Borneo (Bijadju und Pari). Gewöhnlich besteht ein solches Dorf nur aus einem, 100 bis 120 Schritt langen Gebäude; ist die Einwohnerzahl grofs, auch wohl aus mehreren, Ein solches Haus ruht auf einigen hundert Pfählen, 20 Fufs über der Bodenfläche. An den Eingängen, deren es gewöhnlich nur zwei giebt, befinden sich Baumstämme mit Einschnitten, die als Stiegen dienen. Auf diese Weise ist ein solches Gebäude nicht nur eine Art Kaserne, i Ber 50 bis 60 Familien wohnen,- sondern auch zugleich Festung, Zeitschr. f. allg. Erdk, Neue Folge. Bd. III. 25

386 Osear v. Kessel:

die, wenn die Stiegen weggenommen sind, nicht leicht zu erobern ist. Im Innern ist das Haus der Länge nach in zwei Hälften getheilt. In der hinteren Hälfte befinden sich neben einander eben so viele kleine Kammern, als Familien vorhanden sind. Die ganze vordere Hälfte ist gemeinschaftlicher Besitz, sie ist der Vereinigungsplatz für Männer und Weiber, Kinder und Hunde. In jeder Zelle befindet sich ein mit Erde gefüllter kleiner Kasten, der als Feuerheerd dient; der Rauch der 50 bis 60 Heerde mufs sich durch die feinen Zwischenräume des Daches einen Ausweg suchen. Im Allgemeinen wird man indefs, da die Dach- stühle hoch sind, nicht sehr vom Rauch belästigt. Die Pfähle, auf denen das Haus ruht, sind in der Regel von Eisenholz, da dieses Holz allein im Stande ist, 15 bis 20 Jahre den Einwirkungen des feuchten tropischen Klima’s zu widerstehen. Die übrigen Bestandtheile des Ge- bäudes sind auch sämmtlich von Holz, jedoch von minder dauerhaftem. Das Dach ist, wie das der malaiischen Häuser, mit kleinen, in Form von Dachziegeln geschnittenen Brettern gedeckt, bisweilen auch mit dem Bast der Sacca-Palme. Vier bis fünf kleine, auch auf Pfählen ruhende Reismagazine stehen an der Vorderseite jedes Hauses. Die Wohnungen der nordwestlichen Stämme und grölstentheils auch der von Central-Borneo kann man füglich nur Hütten nennen. Sie sind nicht von Holz, sondern von Bambus, ruhen auch auf Pfählen, die aber nur 8 bis 10 Fufs hoch sind. Hier besteht das Dorf nicht aus einem Gebäude, sondern aus 30 bis 100 Hütten; es giebt sogar einzelne Dör- fer, wie Sunkung, die über 200 Hütten zählen. In jeder Hütte woh- nen zwei, drei, bis vier Familien. Die innere Einrichtung ist übrigens dieselbe, die wir eben beschrieben haben. Nach der Anzahl der Fa- milien enthält jede Hütte 2 bis 4 Zellen, aber die Scheidewände haben hier keine Fensteröffnungen, wie es in den Häusern der Pari und Bi- jadju der Fall ist. Dagegen hat jede Hütte an der Vorder- und Hinter- seite Klappen im Dach, die durch Stützen geöffnet und bei Regenwetter geschlossen werden; im letztern Falle ist es im Innern ziemlich dunkel, da alsdann nur durch den Eingang und die Ritzen der dünnen Bambus- wände etwas Licht eindringen kann. Das Dach ist mit Palmblättern oder dem langen indischen Grase (Allang Allang) gedeckt. Diese Hütten bilden eine oder mehrere Reihen und stehen so dicht an einander, dafs man, wenn sie nicht von verschiedener Höhe wären, die ganze Reihe für ein Gebäude halten könnte. Eine andere Abweichung von den im

Vorhergehenden beschriebenen Häusern besteht darin, dafs sich an der E

Vorderseite jeder Hütte eine Art Veranda befindet, die 6 bis 10 Schritte breit, aber nicht bedacht ist. Jedes Dorf hat mehrere Berathungshütten: kleine runde Gebäude, die auf 20 bis 25 Fufs hohen Pfählen stehen. In diesen hängen die erbeuteten Schädel, und die jungen unverheirathe-

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 387

_ ten Männer schlafen in denselben. Vermuthlich sind sie deshalb so hoch, um im Falle eines feindlichen Angriffs von hier aus das umlie- gende Terrain gut übersehen und sich besser vertheidigen zu können !). ' Während die südlichen und östlichen Stämme in festen Wohnorten - leben und ihre dauerhaften Häuser selten verlassen, um in einer an- _ dern Gegend sich anzusiedeln, bauen die nordwestlichen Stämme sich - jährlich in einer neuen Gegend an. Diese Sitte hängt mit der Art und _ Weise, wie sie ihre Felder bewirthschaften, zusammen. Jedes Dorf be- sitzt nämlich einen gewissen Distriet Land, der in sieben Schläge ge- heilt ist, wovon jährlich einer bebaut wird. Die Daijaks verlegen dann ihr Dorf jedesmal nach derselben Gegend, wo das zu bebauende Feld liegt. Nach sieben Jahren langt man bei dem siebenten und letz- ten Schlage an, und fängt das achte Jahr bei dem ersten wieder an. _ Die Art der Bebauung ist folgende. Man haut den Wald da, wo man die Reisfelder anlegen will, nieder und verbrennt nach einigen Wochen die umgehauenen Stämme, deren Asche zugleich als Düngungsmittel dient; das Erdreich wird dann nur sehr oberflächlich aufgelockert, und

- mit spitzen Stöcken eine Menge Löcher in das Erdreich stölst, wäh- ‚rend die Frauen folgen und möglichst schnell die jungen Pflanzen in die Oeffnungen bringen. Ein solcher in sieben Schläge getheilter Be- zirk ist gewöhnlich 3 bis 4, bisweilen aber auch, wo die Bevölkerung spärlich ist, 15 bis 20 Quadratmeilen grols. In den gröfseren Distrieten - werden natürlich nur die fruchtbarsten, an kleinen Flüssen gelegenen Stellen bebaut. In Folge des regelmäfsigen Umhauens der Waldung ist in bevölkerten Gegenden das Aussehen der Gehölze auch sehr ver- schieden: bald trifft man auf undurchdringliches, erst wenige Monate tes Buschwerk, bald auf drei- bis vierjährigen, und an einer andern Stelle auf siebenjährigen, schon ziemlich hohen Wald, denn die Vege- tation in den Tropenländern ist so üppig, dafs sie mit derjenigen in ‚der gemälsigten Zone nicht verglichen werden kann. Um den Reis, wenn er der Reife nahe ist, vor den Vögeln zu schützen, werden in den Feldern kleine Wachthäuschen errichtet, die 20 Fufßs hoch auf Pfählen steben. Von diesen Häuschen aus gehen nach allen Richtungen des Feldes eine grofse Anzahl dünner Schnüre, an deren Enden sich Klappern befinden. Kinder von 10 bis 12 Jahren sind in der Regel "Wächter; so oft nun ein Schwarm Vögel sich niederläfst, ziehen

Fin: ") Im königlichen Museum zu Berlin befinden sich getreue Modelle aller die- ser Häuser, die ich in Indien habe anfertigen lassen.

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388 Oscar v. Kessel:

sie an den Schnüren, die nach der Gegend hinleiten, wo die Diebe sich befinden. Auf diese Weise hört man um die Zeit der Ernte ein unaufhörliches Geklapper in den Feldern.

Der Reis wird nicht wie unser Getreide unmittelbar über der Boden- fläche abgeschnitten, sondern mit eigenthümlich geformten kleinen Mes- sern nicht weit unter der Aehre, da man von dem Stroh keinen Ge- brauch zu machen weils. Die Aehren werden in einem niedrigen Kasten, dessen Boden aus dicht an einander liegenden Latten besteht, theils ausgetreten, theils mit Stäben ausgeschlagen. Die Körner fallen durch die engen Zwischenräume der Latten, auf eine grolse, unter dem Kasten liegende Matte. Um sie von den Hülsen zu befreien, werden sie in hölzernen Blöcken gestampft. Das Pflanzen, Schneiden und Stampfen des Reises verrichten die Frauen. Auch sammeln sie Brennholz und holen in langen armdicken Bambusröhren das nöthige Wasser aus dem stets nahe gelegenen Flusse.

Obschon die östlichen und südlichen Stämme nicht diese Art No- madenleben führen, sondern gewöhnlich 20 Jahre und länger auf einer Stelle wohnen, so bebauen sie doch nicht stets ein und denselben Land- strich, sondern wechseln mit den Feldern ab, wenn auch nicht in der regelmäfsigen, eben beschriebenen Weise. Ihre Felder liegen gewöhn- lich auch in gröfserer Entfernung vom Dorfe. Man findet daher in jenen Gegenden bisweilen kleine Häuser, die auf einem oder mehreren dicht neben einander stehenden Bäumen errichtet sind und die von einer Familie oder von einigen Männern, welche das Feld bewachen, be- wohnt werden.

Die einzigen Hausthiere, welche die Daijaks halten, sind Hunde, Schweine und Hühner. Bei den Malaien findet man nur Hühner und Enten, hin und wieder auch Ziegen; im südlichen Borneo auch einige wenige Büffel, doch sind diese sehr theuer und gelten den vierfachen Preis, den sie auf Java kosten.

Die Mahlzeiten der Daijaks bestehen, wie die der Malaien, haupt- sächlich nur aus Reis, und finden eben so oft und regelmäfsig statt. Aulser Schweinen, die sie nur bei festlichen Gelegenheiten schlachten, und Wild essen sie auch Hunde, Affen, Krokodile und verschiedene andere Thiere, welche die Malaien für unrein halten und verabscheuen. Doch giebt es auch einige daijak’sche Stämme von Central-Borneo (Se- limbau, Si-Bruang, Nangabunut, Kantoh), welche diese letzteren ekel- haften Thiere nicht essen, überhaupt gesitteter und reinlicher scheinen, als die meisten übrigen Stämme der Insel. Zirie ist allgemein in Ge- brauch, und den Daijaks eben so unentbehrlich, als den Malaien.

Die Frauen werden ohne Ausnahme bei allen daijak’schen Stäm- men liebevoll behandelt, obschon sie den grölsten Theil der Arbeit ver-

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 389

_ riehten müssen. Die Frauen aller Stämme, mit Ausnahme der wilden Nomaden, weben grobe Stoffe, theils aus Baumwolle, theils aus den Fasern des jungen Bambus oder der Lumba-Pflanze, einer schilfartigen Grasart. Dagegen verfertigen die Frauen von Central- und Nord- - Borneo (Brunei, Battang-lupar, Seribas, Selimbau, Katungau, Junkung, Bweit etc.) ausgezeichnet feine baumwollene Stoffe mit den schönsten Mustern. Die Zeuge, die sie weben, kommen in den entferntesten - Theilen der Insel im Handel vor. Namentlich sind es ihre baumwolle- _ nen Tschawat’s (Kleidungsstück der daijak’schen Männer), die bei allen Stämmen getragen werden und das eigentliche Festkleid der Daijaks - bilden, wenn sie ihren Gürtel von Baumrinde auf einige Zeit ablegen. 3 Die jungen Männer heirathen mit dem 17. oder 18. Jahre, die - Mädchen frühestens mit dem 14ten. Vielweiberei findet gar nicht statt. - Der Heirath geht eine Art Verlobung voraus. Erst fragt der junge . Mann bei den Eltern des Mädchens an, die mit der Tochter sprechen und nach einiger Zeit, gewöhnlich nach einem Monat, entscheidende _ Antwort ertheilen. In einigen Gegenden giebt der junge Mann an die - Eltern des Mädchens einen Ring; letzteres nimmt nun entweder den _ Ring an oder weist ihn zurück, womit die Sache entschieden ist. Be- - sondere Ceremonien finden bei der Heirath gar nicht statt. Der Bräu- tigam mufs aber Geschenke an die Eltern der Braut ertheilen. Bei einigen Stammen bestehen diese aus einem Tapaijan, über den wir unten berichten werden, 10 bis 20 Gulden an Werth, und grobem chi- _ nesischen Geschirr, Tellern und Näpfen, wie sie die Daijaks in Ge- brauch haben. Ueberall ist der Bräutigam verpflichtet, ein Fest zu ä veranstalten, wozu mehrere Schweine, Hühner, Reis, Tuak (ein säuer- - lieh schmeckendes Getränk aus gegohrenem Reis), nebst Zirie und Kautaback erforderlich ist. Bei den meisten Stämmen bleibt der junge Ehemann ein Jahr im Hause der Schwiegereltern, während welcher _ Zeit er für seine eigene Ausstattung sorgt, das heist: Schweine und - Hühner grofs zieht und sein eigenes Reisfeld bebaut. Nach einem Jahre kehrt er mit seiner Frau nach seinem Dorfe zurück, oder bezieht, wenn er aus einem und demselben Dorfe ist, eine eigene Kammer, und giebt

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grolsartigeren Festlichkeit Veranlassung giebt. Die Sittenverderbnifs hinsichtlich des Umgangs beider Geschlechter

als bei den Malaien. So sieht man z.B. in der Landschaft Ambalau (Central- -Borneo), wenn man den Flufs gleiches Namens aufwärts fährt, sehr oft 10, 20 bis 30 Bambusstangen verschiedener Höhe am Ufer au ufgerichtet stehen. Dies sind prahlerische Zeichen von verschiedenen

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jungen Männern, welche hierdurch öffentlich kundgeben, wie viele Frauen oder Mädchen ihnen Gunstbezeugungen erweisen. Die Anzahl der Stangen zeigt die Anzahl der Damen, und die verschiedene Höhe derselben vermuthlich die gröfsere oder mindere Schönheit derselben an. Es bleibt aber Jedem überlassen, zu errathen, wer sie sind.

Die junge Frau nimmt, sobald sie sich in gesegneten Umständen befindet, ihre Zuflucht zu einem Talisman (Eijun oder Upak), einem klei- nen Körbchen, welches mit allerlei Blättern, Wurzeln und Stückchen Holz, namentlich aber mit einer grofsen Anzahl Gehäusen von Land- schnecken behangen ist. Ohne dieses wichtige Stück wagt sie aus Furcht vor den bösen Geistern nicht, das Haus zu verlassen.

Bei der Geburt eines Kindes finden keine besonderen Ceremonien statt, auch keine Festlichkeiten. Bei der Entbindung sind erfahrene Frauen des Dorfes behilflich und erhalten dafür Geschenke. Um das Kind vor bösen Geistern zu schützen, bleibt das Zauberkörbehen, bis es ein Jahr alt ist, stets in seiner Nähe, In einigen Gegenden von Central-Borneo werden dem Kinde gleich nach der Geburt die Haare abgeschnitten, und es darf vor dem siebenten Tage nicht aus dem Hause getragen werden.

Die Kinder, sowohl die der Malaien, als die der Daijaks, werden selten gescholten, niemals geschlagen, und es scheint fast, als ob sie solcher Züchtigung auch nicht bedürften. Die Ausgelassenheit unserer europäischen Jugend sieht man bei ihnen nicht. Ueberhaupt erschei- nen alle malaiischen Völkerschaften in ihrem Betragen ruhig und ge- sittet. Man hört nie ein rohes Zanken oder Toben, selbst nicht unter den Weibern, Entstehen Streitigkeiten unter den Männern, was selten vorkommt, so flielst gewöhnlich Blut; man tödtet sich, ohne dafs irgend eine tobende Scene vorangegangen ist, oder man halst sich zeitlebens. Zu einer Versöhnung kommt es sehr selten.

Von Krankheiten sind es besonders Fieber, Hautkrankheiten und ekelhafte Geschwüre an verschiedenen Theilen des Körpers, namentlich an den Gelenken, auch Elephantiasis, unter denen die Daijaks zu leiden ha- ben. Eine unter ihnen allgemein verbreitete erbliche Hautkrankheit ist der Kurrap. Die Haut ist hierbei wie mit kleinen Schuppen bedeckt, bei Einigen nur an einzelnen Theilen des Körpers, bei Anderen am ganzen Körper und auch im Gesicht. Die mit dem Kurrap Behafteten haben ein ekelhaftes Aussehen, sind übrigens dabei sonst gesund und kräftig. Man findet diese Krankheit hauptsächlich nur da, wo sie er- erbt ist. Die Kinder werden damit geboren und man kennt kein Mittel der Heilung. Im Allgemeinen kann man annehmen, dafs der zehnte Theil der daijak’schen Bevölkerung mehr oder weniger am Kurrap lei- det; namentlich sind es einzelne Familien, in denen diese Hautkrankheit

Ueber die Volksstimme Borneo’s. 391

E sich fortpflanzt. Auch verheirathen sich mit wenigen Ausnahmen die - mit dem Kurrap Behafteten nur unter einander, da das widerliche Aus- sehen solcher Personen abschreckend wirkt. Bei den Malaien findet man den Kurrap weit seltener, und da, wo er sich vorfindet, ist die Familie gewöhnlich theilweise von daijak’scher Abstammung. Die Fie- _ ber sind verschiedener Art. Die Bewohner der Küsten bekommen, so- bald sie sich im Innern der Insel längere Zeit aufhalten, Milzfieber, _ und es dauert oft Jahre lang, ehe sie sich acclimatisiren. Die Milz 4 schwillt auf eine ungewöhnliche Weise an, ohne dafs besondere andere Beschwerden damit verbunden sind oder das Fieber selbst sehr angrei- fend ist. In vielen Fällen erfolgt aber der Tod, wenn die Geschwulst zu sehr zunimmt. Die Malaien machen entweder zertheilende Um- schläge von der zerstampften Rinde einiger Baumarten, oder sie stechen mit einer feinen Nadel in die Milz. Die Bewohner des Innern leiden _ ebenfalls eine Zeit lang an Fiebern, wenn sie die Küstengegenden be- Ir suchen, doch währen diese in der Regel nicht lange.

Die daijak’schen Aerzte (Dukun) suchen alle Arten Krankheiten - zu beschwören, indem sie die Nacht über bei dem Patienten singen und denselben mit Zaubersteinen bestreichen, die sie angeblich von _ gewissen Geistern (Antoh) empfangen haben.

In der Landschaft Silat (Central-Borneo) befinden sich auf einem E _ Berge (Benturan) drei Stellen, wo so schädliche Ausdünstungen aus _ dem Erdreich strömen, dafs Thiere, welche zufällig über diese Stellen gehen, leblos niederfallen. Hier kommen drei verschiedene Erdarten _ vor: rothe, schwarze und weilse, welche die Daijaks mittelst langer Stangen hervorholen. Die rothe Erde gebrauchen sie als Universal- mittel bei Verwundungen, die schwarze gegen Unterleibskrankheiten, "indem sie sich den Leib damit bestreichen, und die weilse als glück- _ bringenden Talisman bei allen Unternehmungen.

Die Todten werden bei den verschiedenen Stämmen auf verschie- ‚dene Weise beerdigt. Vor 50 Jahren verbrannten die Bewohner von Nordwest-Borneo ihre Todten noch und sammelten die Asche in klei- ‚nen irdenen Gefälsen, die dann beigesetzt wurden. Heute findet das Verbrennen der Leichen nur noch in einigen wenigen Dörfern am oberen Sekaijam statt, z. B. in Sunkung und Sikadjang, die noch nicht ‚unter malaiischer Herrschaft stehen. In den meisten Gegenden Central- Borneo’s wird die Leiche aus der Kammer in den vorderen gemein- aftlichen Raum gebracht und hier mit einem Verschlage umgeben.

littelst hölzerner Riegel werden Arme und Beine und auch Brust, Hals und Leib so an den Boden befestigt, dafs auch ein lebender Mensch sich in dieser Lage nicht aufrichten könnte. Dies geschieht, damit der Geist des Verstorbenen (Bankit) nicht etwa auf den Einfall

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kommen möge, in den Körper zurückzukehren und alsdann Unglück anzurichten. Eine Anzahl Männer stimmt ununterbrochen Todtenlieder an, die theils gesungen, theils gesprochen werden, während die Weiber wehklagen und weinen. So lange die Leiche nicht beerdigt ist, wel- ches gewöhnlich erst am dritten Tage stattfindet, unterbleibt alle Arbeit, während die nächsten Verwandten des Verstorbenen ein Festessen ge- ben müssen. Die Bewohner des Hauses sind während der Nacht in steter Furcht vor dem Bankit. Der Sarg wird aus einem Baumstamme verfertigt; er ist von ovaler Form und hat einen Deckel. Am untern Ende befinden sich geschnitzte Verzierungen, am Kopfende ein ausge- schnittener Kopf.

In der Landschaft Scadan wird während der Todtenfeier des Nachts ein eigenthümlicher Tanz ausgeführt, welcher main api heilst. Zwei Männer sitzen unter einem rechten Winkel neben einander, in jeder Hand einen scharfen armdieken Stock, mit dem sie nach einem ge- wissen Tact auf die Erde schlagen, während ein Dritter zwischen die- sen Stöcken herumspringen mufs. In Nordwest-Borneo (Landak und Sekaijam) werden, wenn ein Häuptling stirbt, weit mehr Umstände ge- macht. Der Todte wird bei dieser Gelegenheit, nachdem der Körper mit einer Wurzel (Kunir) gelb gefärbt ist, auf einem erhöhten Sitz be- festigt, seine besten Kleider werden ihm angezogen und seine Waffen, Schild, Schwert und Lanze, ihm in die Hände gegeben. Die männlichen Anverwandten begeben sich hierauf in den Wald und holen einen Baumstamm. Aus diesem hauen und schneiden sie das Bild des Ver- storbenen so getreu als möglich; kein Fleck, keine Narbe wird ver- gessen. Hierauf werden die Kleider des Verstorbenen dem hölzernen Bilde angezogen und dasselbe wird auf den erhöhten Sitz gesetzt, der _ Todte aber wird begraben. Während des Todtenfestes, welches sieben Tage dauert, schmaust und trinkt man, und die hölzerne Figur bleibt während dieser Zeit auf ihrem Platze als Hauptperson und Ehrenglied der Versammlung. Nach beendigtem Feste wird die Figur vor dem Hause in eine Umzäunung von Bambus gestellt und bleibt hier so lange, bis ein Menschenopfer gebracht oder ein Kopf erbeutet ist. Dann erst wird sie an eine besondere Stelle in den Wald gebracht, wo be- reits mehrere Bilder von früher verstorbenen Tapfern im Kreise stehen. Hier wird sie im Kriegscostüm und mit den Waffen in der Hand auf- gestellt.

Der Gebrauch, die Verstorbenen nicht eher zu beerdigen, bis ein Menschenopfer gebracht oder ein Kopf herbeigeschafft ist, findet auch in einigen Gegenden von Central-Borneo, z. B. in den Landschaf- ten Silat und Melawie statt. Hier wird aber kein Bild als Stellver- treter angefertigt, sondern der Todte wird im Kriegscostüm und mit

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 393

allen zu einer Reise nöthigen Gegenständen versehen in den Sarg ge- legt und dieser so lange vor dem Hause in einem umzäunten Platze aufbewahrt, bis die zur Beerdigung erforderlichen Bedingungen wirklich erfüllt sind, wenn auch Jahre hierüber vergehen sollten. Findet endlich das Begräbnifls statt, so werden noch mehrere Tapaijan nebst einem kupfernen Becken (Tawak) ') auf das Grab gestellt. Den Ta- paijan schlägt man aber, damit sie nicht etwa Diebe anlocken, den Boden ein. Ist der Verstorbene ein berühmter Häuptling und reich gewesen, so werden werthvolle Tapaijan hierzu verwendet, und das Begräbnifs kostet in solehem Falle bisweilen 600 bis 800 Gulden. Die Begräbnifsplätze befinden sich stets in der Nähe von Flüssen, weil man annimmt, dafs der Geist des Verstorbenen seine Reise nach jenseits zu Wasser antritt ?). Einen Tag nach der Beerdigung gehen sämmtliche Dorfbewohner, geschmückt mit einer rothen Blüthe (Kesunsung), nach dem Grabe und pflanzen den Zweig Daun Germis oder Daun Kapak auf dasselbe.

Die Pari von Ost-Borneo sind die einzigen, die ihre Todten nicht beerdigen. Der Sarg wird an einem gewissen Orte des Waldes auf ein niedriges Gestell, eine Hand breit über der Erde, niedergesetzt. Ueber der Todtenkiste wird ein zweites, 3 bis 4 Ellen hohes Gerüst aufgebaut, in welchem sich oben eine Art Kasten befindet. In diesen werden Waffen, Schmuck, Kleider und die zu einer Reise nöthigen - Gegenstände gelegt, nebst Tapaijan und Tawak. Das Ganze ist mit einem Dache bedeckt. Auch hier finden Festlichkeiten in der sonst üblichen Weise statt.

Ist keine Gelegenheit vorhanden, ein Menschenopfer zu bringen, so mufs ebenfalls ein Kopf herbeigeschafft werden. Doch sind es im Allgemeinen nur Häuptlinge oder besonders angesehene und reiche _ Leute, denen man solche Ehre erweist; sonst würde man nicht Men- schen genug schlachten und nicht Köpfe genug abschlagen können. _ Die Daijaks glauben, dafs die Seele des Geopferten oder auch des Er- schlagenen, dessen Kopf sie mit Gefahr ihres Lebens erworben haben, ein Sklave des Verstorbenen wird und ihm dienen mufs.

2 In früheren Zeiten war, wie auf Java und Sumatra, so auch auf Borneo die buddhistische Religion verbreitet; wenigstens findet man noch Ruinen von Buddha-Tempeln, auch Inschriften, bei Sangan und in andern Gegenden der Insel. Die jetzigen Daijaks haben nur einige

!) Eine Art Musik-Instrument.

2) Wahrscheinlich weil überhaupt nur wenig Landcommunication auf der Insel stattfindet.

394 Oscar v. Kessel:

eines Qultus findet gar nicht statt. Aufser einer Menge guter und böser Geister, die sie fürchten und verehren, findet man bei den Stämmen von Nord- und Central-Borneo noch einige Ueberreste ihrer früheren religiösen Begriffe; jedoch weils der gewöhnliche Daijak hiervon Nichts, nur einzelne Häuptlinge konnten mir darüber einige Mittheilungen machen.

Hiernach glauben sie an sieben gute Gottheiten und eine böse, und zwar: Di-Battah oder Ju-Battah, ein allmächtiges Wesen, das Alles geschaffen hat, und dem die folgenden Gottheiten untergeordnet sind; Pa-Nitah, der auf Di-Battah’s Befehl die Welt gemacht hat; Pa-Nampa, der das Licht erschaffen hat; Pa-Jadjih oder Pa-Jädi, der Erde und Menschen gemacht hat; Pa-Jinjoh, der die Menschen erhält; Pa-Niring, der die Menschen während ihrer Lebenszeit leitet. Aufser diesen sechs Gottheiten erkennen sie ein gutes Wesen, Pa-Jihrah, an, welches die Menschen stets zu guten Handlungen ermahnt, und eine böse Gottheit, Pa-Nadu, wel- che stets zum Bösen verleitet. Die Stimmen Beider sprechen in dem Gewissen des Menschen.

Ferner glauben sie, dafs 15 Welten bestehen, die ihrer Form nach Halbkugeln sind und von denen unsere Erde in der Mitte steht, so dafs von den übrigen Weltkörpern sich sieben über der Erde und sie- ben unter derselben befinden. Alle diese Welten sind ebenfalls be- wohnt.

Die vornehmsten bösen Geister sind: 1) Nesi-panjang (auch Kamang). Dieser Geist hält sich in dem dichtesten Theile des Wal- des auf, doch nur bei Flüssen. Er ist erst klein, wird aber zusehends gröfser, bis er so grofs ist, dafs jeder Fuls auf einem Ufer des Flusses steht. Die in ihren Kähnen den Strom befahrenden Daijaks können dann nicht mehr entrinnen. Wenn er seine volle Gröfse erreicht hat, so steht er mit einem Fufse am Meeresufer und mit dem anderen an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsorte. 2) Belauwan, eine Art Teu- fel (weiblichen Geschlechts), der überall störend und verderbenbringend einwirkt. Man sucht ihn durch kleine Speiseopfer zu besänftigen, oder ruft auch seine Hilfe an, wenn man Jemand etwas Böses zufügen will.

Die guten Geister, welche in einigen Gegenden von den Daijaks aufserdem bei verschiedenen Gelegenheiten angerufen werden, sind: Tepang, zum Schutz der Reisfelder; Tetingi, gegen wilde Thiere und auf Reisen; Tukar, bei Kriegszügen; Tugan, bei Krank- heitsfällen; Inaija, im Walde, Auwi, bei Anfertigung von Waffen; Mudjang, der Beherrscher des Feuers; Eijong, der Beherrscher der Winde,

Ferner fürchten die Daijaks die Geister der Verstorbenen. Pugak

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 395

oder Bukang ist das Gespenst eines Ermordeten, dessen Körper nicht beerdigt wurde. Man kann seinen Spukereien entgehen, indem man die Stelle, wo der Körper liegt, umzäunt. Bankit ist das Gespenst eines Verstorbenen, der einen natürlichen Tod gefunden. Es erscheint im Dorfe, wenn die für die Beerdigung vorgeschriebenen Gebräuche verabsäumt wurden.

Die Gipfel der höchsten Berge betrachten die Daijaks als den Aufenthalt der mächtigen Gottheiten. Hier werden kleine Speiseopfer aufgestellt oder auch Hühner geopfert. Bei besonders wichtigen Ver- anlassungen bringen sie drei Tage und drei Nächte auf einem solchen Berge zu, ohne während dieser Zeit zu essen oder auch nur Zirie (Bethel) zu kauen. Während dieser Zeit rufen sie den Schutz der Gott- heit an, und im günstigen Falle erscheint der Geist selbst, welches als eine grolse Gunst angesehen wird. Für die gewöhnlichen Spukgeister werden an den Stellen, wo sie sich aufhalten, auch kleine Speiseopfer, bestehend in gekochtem Reis mit etwas Fisch oder Fleisch in einem _ Bambusgefälse aufgestellt. Auch werden gewöhnlich einige Zirieblätter mit Taback hinzugefügt.

Die Stämme von Ost-Borneo (Pari) haben ebenfalls eine Menge böser und guter Geister, denen sie opfern. Ihre religiösen Ansichten sind aber von den eben angeführten ganz verschieden. Freilich herrscht auch hier eben so wenig ein religiöser Cultus oder irgend eine An- betung. Aber man verehrt Sonne, Mond und Sterne, und zwar die Sonne als weibliche Gottheit, den Mond als männliche, und das Stern- bild (Petrus-Stab), welches Baruga genannt wird, als Kinder. Die noch vorhandenen Ueberreste ihrer Mythologie sind verworren; es scheint, dafs man viel vergessen und viel beigefügt hat.

‘Als ursprüngliche Gottheiten nennen sie den Gott Minjanni und + die Göttin Sempulu, welche die Erde erschaffen und aus Steinen Menschen und Thiere gemacht haben. Sonne und Mond sind ihre Kin- der. Sie haben vier verschiedene Oerter für die verstorbenen Seelen: 4) Den Himmel Langit-suka. Hier kommen die Krieger hin, die _ viele Köpfe erbeutet haben. Es ist der herrlichste Aufenthalt voller _ Freuden und Genüsse. 2) Lamur-Niang. Hier kommen alle die- jenigen hin, welche an gewöhnlichen Krankheiten sterben. Die Genüsse ' sind hier nicht so zahlreich, als im vorhergenannten Langit-suka. 3) Tai-Assoh. An diesen Ort kommen alle Frauen, welche in Kindes- _ nöthen sterben. 4) Rarau-Saban. Dies ist die eigentliche Hölle. Hier kommen die Seelen derjenigen hin, deren Köpfe in Feindeshände _ gefallen sind. Statt in Wasser wird hier in Blut gebadet, statt Zirie ‚erhält man Menschenaugen, und statt des dazu gehörenden Kalks Ge- hirn.

396 Oscar v. Kessel:

Die Daijaks haben aufserdem eine Menge Orakel, welche erst be- fragt werden, ehe eine wichtige Angelegenheit, ein Kriegszug oder eine Reise unternommen, ein Feld bebaut oder das Dorf nach einer andern Gegend verlegt wird. Namentlich ist es der Flug und das Geschrei gewisser Vögel, welche hierüber entscheiden. Manche Vögel verkünden Glück, wenn sie rechts gehört, und Unglück, wenn sie links gehört werden, und bei anderen ist das Umgekehrte der Fall. Es sind unge- fähr zehn oder zwölf, meist kleine Vögel, deren Stimmen man als glück- oder unglückbringend betrachtet. Jede noch so wichtige Unter- nehmung unterbleibt, wenn das Orakel Unglück verkündet.

Von beinahe gleicher Wichtigkeit sind die Träume.. Wenn die Mehrzahl der Dorfbewohner schlecht träumt, so unterbleibt ein bereits für einen bestimmten Tag festgesetzter Kriegszug.

In einigen anderen Gegenden, wie z. B. in der Landschaft Silat (Central-Borneo), untersucht man die Eingeweide frischgeschlachteter Thiere und prophezeiet nach denselben.

Eine gleich wichtige Rolle spielen bei allen Daijaks, mit Ausnahme der Stämme von Ost-Borneo, die Talismane (Agit, Ussak). Jeder Krie- ger besitzt einen solchen, der gewöhnlich am Griff des Schwertes be- festigt ist, oder auch, wie bei den Stämmen des Nordwestens, an einem Gürtel um den Leib getragen wird. Diese Zauberstücke bestehen aus allerlei Zähnen wilder Thiere, kleinen Stückchen Holzes, Steinchen, welche die Zauberer des Dorfes von den Geistern empfangen haben wollen u.8. w. Manche dieser Talismane sind sehr alt, und man würde die- selben für keinen Preis verkaufen. Die Daijaks sind der Meinung, dafs sie durch die Kraft derselben nicht nur vor Wunden geschützt werden, sondern in manchen Fällen sich auch unsichtbar machen können.

Bei allen Stämmen, mit Ausnahme der Pari des Ostens, findet man die schon mehrfach erwähnten Tapaijan, antike Gefäfse, die von den Daijaks sehr hoch geschätzt und als heilig betrachtet werden. Aus welcher Zeit sie stammen, ist nicht zu ermitteln. Wahrscheinlich ge- hören sie einem, in früherer Zeit auf der Insel allgemein herrschenden Religionscultus an. Sie haben die Form gewöhnlicher Vasen ohne Hen- kel, mit verschiedenen Abbildungen, die meist Blumen und Drachen vorstellen. Nach diesen Abbildungen und besonderen, nur von den Daijaks gekannten Zeichen wird ihr Werth bestimmt. Bisweilen gilt ein Krug einige hundert Gulden, ja es giebt einzelne Arten Tapaijan’s, die man mit 4000 bis 5000 Gulden in Goldstaub bezahlt und für be- sonders heilig hält. Diese kostbaren Gefäfse werden natürlich nicht in gewöhnlichen Gebrauch genommen, sie machen den Reichthum der Daijaks aus, und oft werden blutige Kriege um dieselben geführt. Nach den verschiedenen Abbildungen werden sie auch mit besonderen

Ueber die Volksstämme Bormeo’s. 397

Namen benannt. Ihre Gröfse variirt von 14 bis 4 Fufs Höhe. Die kostbarsten Krüge haben folgende Namen: Blanga, 24 Fufs hoch, mit zwei Drachenbildern, 3000 Gulden an Werth; Allang-Allang, mit zwei Drachenbildern und einigen anderen Verzierungen, 4000 Gulden werth; Lakkian, mit zwei Drachen ohne jede andere Verzierung, 2000 Gulden werth; Sebangka, mit Blumenverzierung, 24 Fufs hoch; Galagiu, mit Blumenverzierung, 1500 Gulden werth; Marjang, ohne jede Verzierung, 2 Fufs hoch, 200 Gulden Werth. Aufser diesen, die selten sind, giebt es noch eine Menge anderer von geringerem Werthe.

Dafs diese Krüge nicht nur auf Borneo, sondern in früheren Zei- ten auch auf Sumatra und Java verbreitet waren und wahrscheinlich demselben Cultus angehörten, geht daraus hervor, dafs sie sich biswei- len auch noch auf beiden genannten Inseln vorfinden, wo sie aber, da die Bevölkerung muhamedanisch ist, keinen religiösen Werth mehr haben. Bisweilen geschieht es, dafs malaiische oder bugische Händler, die den Preis kennen, den man im Innern Borneo’s für diese Krüge zahlt, dieselben für wenige Gulden auf Sumatra oder Java kaufen und auf Borneo für 3000 bis 4000 wieder verkaufen. Die Chinesen, die in allen Dingen sehr schlau sind, wollten auch ihrerseits sich diesen Aber- glauben zu Nutze machen. Sie fertigten ihrerseits Gefälse von täuschen- der Aehnlichkeit an. Doch wurden diese von den Daijaks sehr bald als unächt erkannt.

Die Tapaijans gehören entweder dem ganzen Dorfe oder auch ein- zelnen Familien. Die gewöhnlichen, von denen in jedem Dorfe einige vorhanden sind, gelten nur 20, 30 bis 100 Gulden. Bei den kostbaren und als besonders heilig betrachteten Gefäfsen haben die Besitzer in- sofern Vortheil, als die Bewohner der Umgegend dahin wallfahrten, _ um von Krankheiten oder Bezauberungen befreit zu werden. Sie brin- gen in diesem Falle dem Besitzer Geschenke, und besprengen sich mit dem in dem Kruge befindlichen Wasser.

Menschenopfer (Djaum) waren früher in ganz Borneo in Gebrauch, _ finden aber jetzt nur noch bei den freien daijak’schen Stämmen statt. Der Zweck scheint kein anderer zu sein, als dem Verstorbenen einen Diener nachzusenden. Besondere Ceremonien finden bei dem Opfer _ nicht statt. Der dem Tode Geweihte wird an einen bestimmten Ort geführt und hier von 20 bis 30 Lanzen plötzlich durchbohrt, denn alle Männer des Dorfes nehmen an dem Djaum thätlichen Antheil. Jeder sucht wo möglich seine Lanze in den Körper des Opfers zu stolsen. Wenn im Beginn nicht Raum genug für alle Theilnehmer ist, so durch- _ bohren die übrigen später noch mit ihren Speeren den bereits Nieder- gestreckten,

In der Regel sind es Kinder von 8 bis 15 Jahren, sowohl Knaben

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als Mädchen, die geopfert werden. Die wilden Nomadenstämme Pu- nan, Manketta und Wutt rauben diese in anderen entfernten Gegenden der Insel, und vertauschen sie an die ackerbautreibenden Stämme ge- gen Waffen und andere Dinge. Entweder werden solche Kinder später in den Stamm selbst aufgenommen, verheirathen sich und vergessen ihre Heimath und Eltern, oder sie sterben auf die beschriebene Weise. Bisweilen sind es auch blödsinnige oder verkrüppelte Kinder des Stam- mes selbst, welche die Eltern gegen eine Summe von 200 bis 400 Gul- den (Goldstaub) an die Verwandten des Verstorbenen überlassen.

Die politischen Zustände der Daijaks sind sehr einfacher Art. Bei den unterworfenen Stämmen werden die Häuptlinge durch die Malaien angestellt, bei den freien werden sie durch Stimmenmehrheit gewählt. Gewöhnlich sind es weniger durch Tapferkeit ausgezeichnete, als viel- mehr wohlhabende Personen, die durch eine zahlreiche Verwandtschaft begünstigt sind. Ihre Gewalt ist jedoch sehr beschränkt. Alle wich- tigen Unternehmungen werden durch Stimmenmehrheit entschieden, wobei auch wieder mehr oder weniger einzelne einflulsreiche Redner den Ausschlag geben. Begangene Verbrechen werden nach der be- stehenden Hadat bestraft.

Die Stämme der Pari sind die einzigen, welche angestammte Häuptlinge haben. Die Glieder der Häuptlingsfamilien unterscheiden sich durch tätowirte besondere Zeichen an einzelnen Körpertheilen. Aber die Gewalt der Häuptlinge ist auch hier nicht viel gröfser, als bei den anderen Stämmen.

Werfen wir jetzt noch einen Blick auf die Beschäftigungen der Daijaks. Wie die Frauen im Weben grofse Fertigkeit besitzen, sind die Männer besonders geschickte Schmiede. Ihre Waffen verfertigen sie sich ohne Ausnahme selbst, und zwar mit sehr unvollkommenen Werkzeugen. Die Schwerter, welche die Pari und Bijadju anfertigen, sind von aulserordentlicher Güte; einige derselben sind so gehärtet, dafs man, ohne die Klinge zu beschädigen, einen gewöhnlichen Nagel damit durchschlagen kann. An Eisenerz ist Borneo reich, und die Pari und Bijadju verstehen es, dieses Erz in thönernen Schmelzöfen so zuzubereiten und zu reinigen, dafs es verarbeitet werden kann. Die- ses Eisen scheint von vorzüglicher Qualität zu sein; die Bijadju treiben Handel damit nach anderen Gegenden der Insel. Die Stämme des Nordwestens schmieden zwar auch ihre Waffen selbst, verarbeiten je- doch nur von Java und Singapore durch die Malaien eingeführtes Eisen, welches sie nicht zu härten verstehen. Kupferne Ketten und andere Schmucksachen aus diesem Metall werden ebenfalls durch die Daijaks selbst angefertigt.

Bei allen Stämmen findet man durch die Malaien eingeführtes

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 399

grobes chinesisches Geschirr: Teller und Näpfe. Die irdenen Töpfe aber, in denen sie ihre Speisen kochen, fertigen sie selbst an.

Auch an Musikinstrumenten fehlt es ihnen nicht, freilich sind sie sehr unvollkommen. Sie bestehen aus einigen Arten Bambus-Flöten von verschiedener Grölse, die kleinste Art wird mit der Nase ge- blasen, ferner aus zwei Arten Saiteninstrumenten von sehr roher Beschaffenheit; das eine ist von Holz nach Art einer Violine gebaut, aber oval und viel kleiner, das andere besteht nur aus der halben Schale einer Kokosnufs, die mit einer groben Fischhaut überzogen ist. Ein eingepafster ellenlanger Stock bildet den Hals des Instruments, an welchem nach Umständen zwei oder vier Saiten, aus vegetabilischen Stoffen verfertigt, entlang und über die Fischhaut laufen. Diese In- strumente werden auch auf verschiedene Weise entweder wie eine Vio- line mit einem Bogen gestrichen oder wie eine Guitarre mit den Fin- gern gespielt, wobei der begleitende Gesang die Hauptmusik bildet. Alle malaiisehen Völkerschaften singen durch die Nase, so auch die Daijaks, und sie finden den gewöhnlichen europäischen Gesang sehr possirlich. Die genannten Instrumente dienen nur einzelnen Virtuosen, die sich damit ergötzen oder ihren Schönen Etwas vorsingen. Dage- gen sind bei festlichen Gelegenheiten einige andere Instrumente in Ge- brauch, die durch ihre lauteren Töne die ganze Versammlung unter- halten. Dies sind kupferne Becken (Tawak) und hölzerne Trommeln. In jedem Dorfe findet man mehrere Tawak, wenn aber die Musik voll-

kommen sein soll, so werden 7 oder 9 Stück von verschiedener Gröfse - im einer Reihe aufgehangen und nach einem gewissen Tacte geschla- gen, welches sich wie das Läuten verschiedener Glocken anhört. Der _ gröfste Tawak hat in der Regel 14 Fufs im Durchmesser und wiegt 415 bis 20 Pfund. Sie werden von Java oder Singapore nach den Küstenplätzen gebracht und von hier in’s Innere eingeführt.

Trommeln hat man zwei von verschiedener Gröfse. Die gröfsere ist etwa 3 Fufs lang und hat 4 Fufs im Durchmesser, die zweite ist _ ein Drittheil kleiner. Sie sind von Eisenholz, aus einem Stück gefer- tigt, und an beiden Enden mit feinem Wildleder überzogen. Diese _ Trommeln werden nach einem gewissen Tacte mit den Fingern ge- schlagen, wobei entweder gesungen wird oder auch Tänze aufgeführt werden. Mit der Jagd beschäftigen sich die Daijaks im Allgemeinen nur wenig. Sie ziehen es vor, Selbstschüsse auf den verschiedenen Wech- 'seln im Walde zu stellen. Ein solcher Selbstschufs (Lanting) besteht "aus einem starken, horizontal zurückgebogenen Aste, an dessen äufser- ‘stem Ende eine scharf zugespitzte Bambuslanze unter einem rechten "Winkel befestigt ist. Eine Schnur, die über den Wechsel läuft, bewirkt,

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400 Oscar v. Kessel:

dafs, sobald das Wild an dieselbe stölst, der Ast zurückschnellt und die Lanze das Thier durchbohrt. Bei der Jagd selbst sind sie nur mit Wurflanzen bewaffnet, in deren Handhabung sie sehr geschickt sind. Während einige der Jäger mit den Hunden den Wald abtreiben, stellen sich die übrigen auf den Hauptwechseln an und werfen das hervor- brechende Wild mit den Lanzen, bisweilen auf 20 bis 25 Schritte. Die Flüsse sind aufserordentlich fischreich und man fischt auf ver- schiedene Weise. Gewöhnlich brauchen die Malaien ein Wurfnetz (Jallahr); bei den Daijaks ist dieses seltener, weil sie es nicht anzu- fertigen verstehen und den Malaien mindestens 20 Gulden dafür be- zahlen müssen, obwohl es meistens nur die Hälfte dieser Summe werth ist. Der Jallohr hat die Form eines Zuckerhuts; der Durchmesser der unteren Weite des Netzes beträgt ungefähr 30 Fufs, die Länge von oben nach unten eben so viele Um den unteren Theil des Netzes läuft eine bleierne Kette. Es gehört Geschicklichkeit und Uebung dazu, den Jallohr so auszuwerfen, dafs die Kette einen möglichst vollständigen Kreis auf dem Wasserspiegel beschreibt. Durch die Schwere der Kette sinkt das Netz sogleich unter und bedeckt alle Fische, die sich auf dieser Stelle des Wassers befinden. Man hat alsdann nur nöthig, das Netz wieder langsam in die Höhe zu ziehen, wobei sich die Kette nach und nach im Mittelpunkte zusammenschlielst, während die Fische in den oberen Theil des Netzes flüchten und mit in die Höhe gezogen werden. Eine bei den Daijaks mehr gebräuchliche Weise zu fischen, ist fol- gende. Da, wo die Flufsufer flach und morastig sind, befinden sich viele kleine Lachen, die mit dem Flusse in Verbindung stehen. In diesen halten sich gewöhnlich viele Fische auf. Nachdem die meist schmale Verbindung des Teiches mit dem Flusse durch Flechtwerke abgesperrt ist, so dals die Fische nicht mehr entrinnen können, werfen die Daijaks eine gewisse Quantität zerstampfter Wurzeln von betäu- bender Eigenschaft in das Wasser. Nach kurzer Zeit erscheinen die Fische wie trunken auf der Oberfläche und werden hier entweder mit den Händen gegriffen oder vermittelst kleiner, mit Widerhaken ver- sehener Speere selbst auf weite Entfernungen sehr geschickt getroffen. Die Fische werden dann in der Regel über einem Feuer geräuchert, da sie sonst bald ungeniefsbar sein würden und nicht nach der Hei- math transportirt werden könnten. Aufser dieser Fangmethode angeln auch die Daijaks oder stellen aus Zweigen geflochtene Fischreusen auf. Ebenso wie es den Daijaks an Jagdpassion fehlt, scheint ihnen auch der eigentliche kriegerische Geist abzugehen. Freilich liegt der Hauptgrund, der den Malaien die Besiegung der Daijaks so leicht ge- macht hat, in der Uneinigkeit der letzteren unter einander: obschon durch einerlei Sprache, landschafts- und stammweise verbunden, bildet

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 401

doch jedes Dorf für sich einen eigenen kleinen Staat. Gemeinschaft- liche Kriege werden nie geführt, und eben so wenig vertheidigen sie sich gemeinschaftlich oder leisten sich gegenseitige Hilfe. Im Gegen- theil bekriegen sie sich wohl noch unter einander. Aber im offenen Felde scheint es ihnen überhaupt an Muth zu fehlen, namentlich den Feuergewehren der Malaien gegenüber. Offene Feldschlachten sind auf Borneo unbekannte Dinge. Alle Angriffe der Daijaks beschränken sieh auf nächtliche Ueberfälle; nur bei grofser Uebermacht wagen sie es, bei Tage ein Dorf anzugreifen. Die Malaien im Innern der Insel (Sintang, Silat, Sepauk, Nanga- - bunut) breiten daher ihre Macht stets mehr und mehr unter den noch - freien Stämmen von Central-Borneo aus. Und diese Kriege sind heut- zutage leider reine Vernichtungskriege geworden, bei denen es haupt- sächlich darauf abgesehen ist, eine möglichst grofse Anzahl von Kin- _ dern zu Sklaven zu machen und Beute zu gewinnen. Die daijak’schen - Dörfer einer und derselben Landschaft bleiben, während ein Dorf aus - ihrer Mitte durch die Malaien zerstört wird, ruhige Zuschauer, anstatt ihren Brüdern Hilfe zu leisten, bis auch an sie die Reihe kommt. Die Art und Weise, wie die Malaien diese Kriege führen, ist ungefähr fol- _ gende. Die malaiischen Oberhäupter schicken Abgeordnete nach dem _ einen oder dem andern Dorfe und fordern dasselbe auf, sich zu unter- werfen, die Malaien als ihre Herren anzuerkennen, jährlich eine be- stimmte Summe von Abgaben zu entrichten und etwa vorhandene _ werthvolle Tapaijan zu überliefern. Auf diese Aufforderung wird in der Regel abschläglich geantwortet, worauf die Malaien zum Angriff _ schreiten. Hundert bis zweihundert meist mit Feuergewehren bewaff- nete Malaien, bisweilen von 400 bis 500 Daijaks aus den bereits unter- worfenen Stämmen anderer Landschaften begleitet, fahren in 50 bis 100 Kähnen nach der Gegend, wo sich das daijak’sche Dorf befindet. In den meisten Fällen können die Angreifenden zu Wasser nicht bis in die unmittelbare Nähe desselben gelangen und man rückt deshalb vorsichtig auf den vorhandenen schlechten Fufspfaden vor. Eine bei allen malaiischen Stämmen der Sunda-Inseln gebräuch- liche Vertheidigungswaffe sind die sogenannten Ranju, auf Borneo Suda genannt. Die Umgegend des Dorfes, mehrere hundert Schritte im Um- k eise, ist mit kleinen, 4 bis 5 Zoll langen, zugespitzten Pfählchen aus harten Holzarten, Bambus oder Eisenholz, bepflanzt; ebenso alle Pas- sa gen durch Moräste und Flüsse und die nach dem Dorfe führenden 'y ulspfade. Jeder Tritt auf diese, im Grase und Laube verborgenen >fählchen durehbohrt den nackten Fuls; es erfordert also grofse Vor- ‚sieh t, zu Lande vorzurücken; jeder Schritt muls untersucht werden. Hi erzu gebrauchen die Malaien ein eigenthümliches Instrument. Mit Zeitschr. f, allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 26

402 Osear v. Kessel:

einem 15 bis 20 Zoll breiten und 5 bis 6 Zoll dicken Brett von einer korkähnlichen, aber viel weicheren Holzart, an welchem sich ein langer Stiel, ungefähr in Form eines Kehrbesens, befindet, wird der Fufspfad untersucht. Ein dem Zuge voranschreitender Mann stöfst an den mit Gras oder Laub bedeckten Stellen wiederholt und kräftig das Brett mit seiner breiten Fläche auf den Boden, die vorhandenen Pfählchen drin- gen in das weiche Holz ein und werden entweder aus dem Erdreich gezogen oder abgebrochen.

Langt man endlich in der Nähe des Dorfes an, das aus einem, höchstens zwei bis drei langen Häusern besteht, dann kann man nicht eher zum Angriff schreiten, als bis die Mehrzahl der kleinen Pfählchen, mit denen die ganze Umgegend bedeckt ist, weggeräumt ist. Diese haben verschiedene Formen. Einige z. B. sind nur einen Zoll lang und nicht in die Erde gepflanzt: acht bis zehn derselben sind mit den Spitzen nach oben in kleinen Erdklöfsen verborgen, die harmlos auf dem Erdreich liegen, so dafs sie gar keine Aufmerksamkeit erregen. Wenn sie auch nicht so tief wie die langen Pfählchen in den Fufs eindringen können, so sind doch die dadurch verursachten Wunden recht gefährlich und heilen nur langsam. Bisweilen sind die Spitzen sogar mit Upas vergiftet. Die Malaien eröffnen ihr Feuer, wenn sie sich bis auf 200 Schritte genähert haben; von einer sofortigen Ein- nahme mit Sturm ist nicht die Rede; hierzu fehlt ihnen einestheils der Muth, andererseits sind die Häuser wegen ihrer Höhe schwer zu neh- men, auch würden die Malaien im Handgemenge mit der blanken Waffe leicht den Kürzeren ziehen. Die Daijaks können auf diese grolse Ent- fernung sich nicht gut vertheidigen. Die vergifteten Pfeilchen, die sie aus ihren Blaseröhren schiefsen, reichen höchstens 60 bis 70 Schritte, ihre Wurflanzen 20 bis 30 Schritte. Sie müssen also abwarten, bis der Feind sich mehr nähert, und dies geschieht, nachdem die hindern- den Fufspfählchen mehr und mehr weggeräumt sind. In den Gegenden Central-Borneo’s bestehen die Seitenwände der daijak’schen Häuser aus dicken Brettern von Eisenholz, durch welche die Gewehrkugeln nicht leicht durchdringen. Die Schüsse der Malaien sind also dann erst wirksamer, wenn sie aus grölserer Nähe abgefeuert werden, und die Daijaks sich mit ihren Blaseröhren an den schmalen Fensteröffnungen zeigen. In den meisten daijak’schen Dörfern finden sich auch ein paar Gewehre vor, gewöhnlich sind sie aber in schlechtem Zustande, und aulserdem versteht das Volk auch nicht mit ihnen gut umzugehen; dennoch thun sie vielleicht dem Feinde einigen Schaden. Ebenso sind die Daijaks im Besitz von Lila’s, kleinen metallenen Geschützen, die vier- bis fünflöthige Kugeln schiefsen, in Ermangelung der letztern aber gewöhnlich mit Steinen geladen werden. Freilich verstehen sie auch

Ueber die Volksstimme Borneo’s. 403

diese Feuerwaffen eben so wenig zu handhaben: der Knall bleibt die | Hauptwirkung, um so mehr, als die Malaien ber Nacht Baumstämme und dergleichen herbeischaffen, hinter denen sie sich decken und all- mählich immer weiter vorrücken. Die Malaien schiefsen im Allgemei- nen ziemlich gut, und wenn sie sich bis auf 60 oder 70 Schritte ge- nähert haben, verfehlen ihre Kugeln selten das Ziel, sobald ein Kopf oder anderer Körpertheil sich an den Fensteröffnungen oder Ritzen der Holzwände sehen lälst.

Die Vertheidigung der Daijaks ist hartnäckig, und man kann nicht begreifen, weshalb sie nicht gleichen Muth zu einem nächtlichen Aus- falle besitzen; ein solcher findet jedoch fast nie statt. Die Belagerung dauert in der Regel lange, oft mehrere Wochen, bis der letzte Ver- theidiger des Hauses gefallen ist. Dann treten die alten Weiber an die Fensteröffnungen, an der Hand die jungen Mädchen führend, und _ zeigen diese dem lüsternen Malaien als seine Beute, obgleich sie selbst keine Gnade zu erwarten haben. Das Haus wird nun erstiegen und R Alles ohne Barmherzigkeit niedergemacht, bis auf die Kinder und jun- gen Mädchen. Die Letzteren theilen die Malaien unter sich, die Kin- der werden Eigenthum des Fürsten, der sie an die verschiedenen ma- _ laiischen Familien in seinem Dorfe gegen geringe Preise verkauft, einige auch selbst behält. Die übrige Beute an Reis, Tapaijan, Lila’s, kupfer- nen Becken (Tawak) etc. wird getheilt. Die werthvollen Tapaijan nimmt ebenfalls der Fürst, gegen Auszahlung einer verhältnifsmäfsig _ unbedeutenden Summe, in Beschlag. Sind daijak’sche Hilfstruppen bei dem Angriff thätig gewesen, so theilen diese unter sich die Waffen, Kleidungsstücke und Schmucksachen, ebenso erhalten sie ihren Antheil am Reis. Vor Allem aber nehmen sie die Köpfe der Erschlagenen als Kriegstrophäen nach ihrer Heimath mit, wo sie die Schädel in den E Häusern aufhängen.

} Als ich mich im Jahre 1847 in Nangabunut am Kapuas befand, in gerader Richtung 70 geographische Meilen von der Westküste ent- - fernt, hatte Pangheran Mahomed, der Fürst von Nangabunut, ein Dorf in der Landschaft Ambalau belagert. Diese Landschaft besteht aus- 12 bis 15 grofsen Dörfern, die indefs den Belagerten nicht zu Hilfe zu kommen wagten. Nachdem die Belagerung einige Tage gedauert hatte, prach plötzlich Feuer in einem Hause des Dorfes aus, wobei einige 80 i Be Männer, Brauen und Kinder, umkamen. Die kostbaren Ta-

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\ Die übrigen Häuser Fe unter ziemlich günstigen { BE sen Der Rachedurst gegen die Malaien von Nangabunut, die ei s alten Zeiten mit ihnen gehandelt und hierdurch stets Een Vor-

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404 Oscar v. Kessel:

einig und zu feige, um Nangabunut selbst anzufallen, das kaum 200 kampffähige Männer zählte, wählten sie ein anderes Mittel. Sie stan- den mit einigen der wilden Nomadenstämme der Punan in Handels- verbindung, und diesen gaben sie den Auftrag, ein malaiisches Haus, das abgesondert in einiger Entfernung von Nangabunut lag, des Nachts zu überfallen. Der Anschlag wurde ausgeführt: die Punan’s steckten das Haus, in dem sich 18 Menschen befanden, in Brand. Als die Be- wohner entrinnen wollten, wurden sie, Männer und Frauen, bei dem Heraustreten aus der Thüre von den Wilden mit Lanzen durchbohrt. Die Kinder schleppten die Punan’s mit fort, um sie in einer anderen Gegend der Insel zu verkaufen. Obgleich dies auf Anstiften der Am- balauer geschehen war, konnte man es ihnen doch nicht beweisen. Bei allen daijak’schen Stämmen ohne Ausnahme ist das sogenannte Menaijau oder Köpfeerbeuten ein Hauptbestreben, entweder, wie wir bereits erzählten, um ein Opfer für einen Verstorbenen, oder auch nur um Kriegstrophäen zu erringen. Wie es scheint, hat früher bei den meisten Stämmen die Sitte geherrscht, dafs der mit einer solehen Beute glücklich Wiederkehrende die Gunst aller Mädchen beanspruchen konnte, welche ihrerseits in dem Umgange mit solchen Tapfern eine besondere Ehre erblickt zu haben scheinen. Wenigstens herrscht diese Sitte noch jetzt bei den Stämmen von Seribas und Battang-Lupar in Nord-Borneo. Zum Menaijau vereinigen sich mehrere junge Männer, meist 10 bis 25, bisweilen aber auch nur zwei oder drei. Ehe sie den Zug antreten, müssen sie mindestens die Stimmen von drei glückverkündenden Vögeln vernommen haben; hören sie einen Unglückspropheten, so unterbleibt der Zug. In einigen Gegenden Central-Borneo’s schlachtet man aulser- dem noch Schweine, und die Beschwörer des Dorfes untersuchen die Eingeweide, um daraus zu sehen, ob Glück oder Unglück zu erwarten ist. Der Zug wird meist nach Gegenden unternommen, mit deren Be- wohnern sie in Feindschaft leben. Gelingt es, unbemerkt bis in die Nähe eines Dorfes zu gelangen, so legen sie sich in den Hinterhalt und warten ab, ob sich Gelegenheit bietet, einzelne Personen zu über- fallen, die zur Feldarbeit gehen oder sich aus anderen Ursachen vom Dorfe entfernen, gleichviel ob Mann, Weib oder Kind; die Hauptsache bleibt der Kopf. Ist die Anzahl derer, die im Hinterhalt liegen, be- deutend, so warten sie auch wohl den Augenblick ab, wo die meisten Männer mit Feldarbeit beschäftigt sind, und überfallen dann das Haus, schlagen so viele Frauen und Kinder als möglich und die etwa zurück- gebliebenen Männer nieder, und machen sich mit den Köpfen eiligst aus dem Staube. Wenn sie verfolgt werden, was in der Regel später durch die heimgekehrten Männer geschieht, so bleiben die beiden Muthig- sten der verfolgten Schaar zurück, um Suda, die im Vorhergehenden

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 405

beschriebenen kleinen Pfählchen, zu pflanzen; ein paar Andere be- schützen diese mit ihren Wurflanzen und Blaseröhren; diese Operation heifst im nordwestlichen Borneo Penutup. Die Anderen suchen wäh- rend der Zeit mit den erbeuteten Köpfen zu entkommen. In solchen Ueberfällen bestehen die Kriege der Daijaks unter einander. Regel- mälsige Gefechte finden niemals statt, eben so wenig oflene Angriffe auf feindliche Dörfer. Sind es nur zwei oder drei Personen, die Me- - naijau gehen, so verbergen sie sich so lange in der Nähe des Dorfes, * bis sich Gelegenheit bietet, eine einzelne Person zu überfallen.

Ehe man dem Gefangenen oder Getödteten mit dem Schwerte den Kopf abschlägt, wird in denselben unter der Kinnlade ein eiserner Haken, Taut, hineingetrieben. Aus welcher Ursache dies geschieht, ist mir unbekannt, aber alle Stämme gebrauchen diesen Haken, der an der inneren Seite des Schildes seinen Platz hat. Ist der Kopf vom Rumpfe getrennt, so wird er ebenfalls mit dem Haken in den Ottot oder Briut gethan, einen aus spanischem Rohr geflochtenen kleinen Korb, der wie ein Tornister an zwei Achselbändern auf dem Rücken _ getragen wird. Die nordwestlichen Stämme verzieren diesen Korb mit - Muscheln, Feindeshaaren und Malerei, und er hat eben keinen andern Zweck, als den Kopf aufzunehmen. Als Zeichen von Unerschrocken- heit und Muth gilt es, wenn der Sieger den Kopf emporhebt und das _ herabfliefsende Blut mit dem Munde auffängt. Der zurückbleibende Körper des Erschlagenen wird, sobald er von den Dorfbewohnern ge- _ funden wird, mit einer Umzäunung umgeben, damit der Geist des _ Todten (Bankit) keinen Spuk treibe. Auch darf eine solche Stelle _ während mehrerer Jahre nicht bebaut werden.

% Sobald die glücklichen Kopfräuber in ihrer Heimath anlangen, _ herrscht hier grolse Freude. Der Kopf wird auf einen hölzernen Teller gelegt und vor dem Hause auf eine hoch aufgerichtete Bambusstange (Takkalak) gestellt. Alle Dorfbewohner schmücken sich das Haar mit _ einer rothen Blüthe (Kesunsung), welche noch einen Monat später zu tragen das Vorrecht des Siegers und seiner Frau oder Braut ist. Als- _ dann werden Schweine geschlachtet und ein grolses Fest bereitet. Der Kopf wird, ehe das Fest seinen Anfang nimmt, in Procession in’s Haus getragen und hier in der Mitte des gemeinschaftlichen vorderen Rau- mes auf einen umgekehrten Schild niedergesetzt. Die Dorfbewohner setzen sich im Kreise um denselben herum, essen und trinken, und reichen dem Kopfe von den besten Speisen dar.

In einigen wenigen Gegenden werden Herz und Stirnhaut des Er- ‚schlagenen gekocht und gegessen; namentlich giebt man den Knaben von dieser Speise, um sie muthig zu machen.

Sobald der Kopf in das Haus gebracht ist, wird an der Stelle,

406 Oscar v. Kessel:

wo der Bambus stand, ein 30 bis 40 Fufs hoher Mast errichtet, auf dessen äufserster Spitze ein aus Holz geschnittener Vogel (Angang) befestigt wird. Diese Trophäe heifst Schandong und bleibt so lange stehen, bis sie morsch wird und von selbst umfällt. Der Holzvogel soll den grofsen Rhinoceros- Vogel darstellen, welcher bei den Daijaks dieselbe Bedeutung hat, wie der Kriegsadler bei den Indianern Nord- Amerika’s. Jeder, der einen Kopf erbeutet hat, ist berechtigt, eine Schwanzfeder des Angang als Kopfschmuck zu tragen; die Anzahl dieser Federn zeigt die Anzahl der erbeuteten Köpfe an. Der Schädel wird in dem vorderen gemeinschaftlichen Raume als Trophäe aufge- hangen, wo sich meistens bereits eine Menge anderer befindet.

Da ich schon oben erwähnt habe, dafs die daijak’schen Männer als einziges Kleidungsstück einen langen Schawl um die Hüften und die Frauen ein kurzes Kleidchen tragen, so bleibt mir nur noch übrig, die Schmuckgegenstände und Waffen zu beschreiben, sowie einiger Kleidungsstücke, die seltener getragen werden, zu gedenken. Die Schmuckgegenstände bestehen aus Arm- und Beinringen von Elfenbein, Muscheln, Ebenholz, Kupfer und Flechtwerk; Halsbändern von Glas- perlen, aufgereihten länglich geschliffenen Agatstückchen, Leoparden- und Bärenzähnen; endlich aus Ohrringen von verschiedener Form, theils von Holz oder Bambus, von Kupfer oder Blei.

In einigen Gegenden tragen die Männer bisweilen kurze Jacken ohne Aermel von gefärbter und mit Pflanzenfasern durchnähter Baum- rinde oder von selbstgewebtem Stoff mit schönen Mustern. Die Frauen haben ganz ähnliche, aber mit Aermeln versehene Jacken. Ihr Schmuck besteht in Halsbändern von Glasperlen und in Ohrringen, je nach dem Stamme von anderer Form. Zum Schutz gegen Regen und Sonne tra- gen sie auf Reisen und bei der Feldarbeit grofse buntbemalte, mit klei- nen Muscheln und anderen Verzierungen geschmückte Kopfbedeckungen.

Die Waffen kann ich nicht besser beschreiben, als wenn ich die vollständige Kriegsrüstung jedes einzelnen Stammes namhaft mache.

Ein Krieger des Nordwestens trägt: 1) als Kopfbedeckung (Upang) einen mit rothem Zeuge überzogenen Reifen, mit einer Feder des An- gang, wenn der Träger einen Kopf erbeutet hat; 2) ein Halsband von aufgereihten Leopardenzähnen (Traring-gigit); 3) einen kurzen, mit schwarzen Figuren bemalten Panzer, von dieken Schnüren gefloch- ten oder geknüpft und mit kleinen Muscheln besetzt (Baadju-Tali); 4) einen blauen Schawl mit rothen und weilsen Verzierungen an den Enden (Tschawat); 5) Ringe am Oberarm, von Ebenholz oder aus _ Seemuscheln ') verfertigt (Lojang); 6) einen Talisman aus allerlei

!) Diese Armringe aus Muscheln werden aus China eingeführt.

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 407

Zähnen, Steinchen und anderen Dingen, der an einem schmalen Bande um den Leib gebunden ist (Ussak) ; 7) ein Schwert in Form eines zurückgebogenen Rasirmessers (Tankin); 8) eine 5 bis 6 Fufs lange Wurflanze mit Widerhaken (Boling); 9) einen kleinen runden Schild von Baumrinde mit oder ohne Malerei (Gunam); 10) einen eisernen Haken, der bei der Procedur des Kopfabschlagens in der beschriebenen Weise verwendet wird (Taut); 11) ein Körbchen von buntem Flecht- werk, mit Muscheln und Feindeshaaren verziert (Ottat); 12) eine Bambusbüchse, mit Malerei und Verzierungen, die an dem Ottat befestigt - ist und Fufspfeile enthält (Palong-Suda).

Diese Stämme haben die Gewohnheit, ihre Waffen, namentlich Schwert und Lanze, mit dünngeschlagenem Blei theilweise zu über- ziehen und zu verzieren, ebenso die Schädel, die sie in ihren Häusern aufhängen.

i Zur Ausrüstung eines Kriegers von Central-Borneo gehört: 1) eine _ aus spanischem Rohr geflochtene Mütze oder ein Helm, mit Hahnen- _ federn verziert, wenn der Träger noch keinen Kopf erobert hat; 2) ein Panzer von grofsen Fischschuppen, die auf Baumrinde aufge- - näht sind (Bahdju-Sisit); 3) ein weilser Schawl mit rothen Verzie- rungen, eigene Weberei; 4) Armringe von Flechtwerk und aufge- ' reihten Kupferringen; 5) Ohrringe, aus acht bis zehn messingenen - Ringen von verschiedener Gröfse bestehend, die in eben so vielen Lö- - ehern in den Ohren getragen werden; 6) Beinringe von Flechtwerk, zwischen Knie und Wade getragen; 7) ein länglicher kleiner Schild _ von Flechtwerk (Talabang); 8) ein eiserner Haken (Arang); ; 9) mehrere Wurflanzen mit und ohne Widerhaken (Tumbah); 10) B ein kurzes grades Schwert von eigenthümlicher Form (Niabor); 4) ein Reisesack von Flechtwerk (Briut); 12) eine Matte aus Palm- _ blättern, um des Nachts darunter zu schlafen (Katjang); 13) ein _ Behälter für Taback und Zirie, an einem Bande um den Leib gewun- - den; endlich 14) ein Talisman (Agit). 4 Ein Krieger von Ost-Borneo aus dem Stamme Pari trägt: 1) einen Helm in Form eines Thierkopfes oder einen Turban von Baumrinde, _ mit Federn verziert; 2) einen Panzer von Leoparden- oder Bären- haut, der nur den Rücken und die Schulter bedeckt; 3) einen Schawl h von gelbgefärbter Baumrinde oder gewebtem Stoff; 4) einen grofsen, 4 Fuls hohen und 2 Fufs breiten hölzernen Schild (Klau), entweder roth gefärbt oder mit Malerei und Feindeshaaren verziert; 5) ein i 6 Fufs langes Blaserohr von Eisenholz, mit Bajonnet (Sumpit); 6) einen Pfeilköcher (Tamila); 7) ein 2 Fufs langes Schwert, dessen "Griff mit, einem Büschel von Feindeshaaren verziert ist, mit grader Klinge, die nach der Spitze zu breiter wird (Appang); 8) Armringe

408 Oscar v. Kessel:

von Holz, Muscheln oder Elfenbein; 9) Ohrringe von polirten schö- nen Steinen, die aber so schwer sind, dafs die Ohrläppchen bis auf die Schultern herabgezogen werden, oder 5 bis 6 grofse messingene Ringe von derselben Schwere.

Ein Krieger von Süd-Borneo aus dem Stamme Bijadju ist an sei- nem ganzen Körper aufser dem Gesicht prächtig tätowirt. Zu seiner Ausrüstung gehören folgende Stücke: 1) ein weilses Band von Baum- rinde um den Kopf gewunden oder ein Reif von Flechtwerk, mit den langen Federn des Argus-Fasans verziert; 2) ein Panzer von selbst- gewebten Stoffen, mit Baumwolle diek wattirt; 3) ein Schawl; 4) ein Blaserohr mit Bajonnet; 5) ein Pfeilköcher mit Pfeilen; 6) ein Schwert wie das der Pari, mit daran befestigtem Talisman ; 7) ein 3 Fufs langer und 1 Fufs breiter hölzerner Schild; 8) ein eiserner Haken; 9) eine Wurflanze; 10) ein Halsband von ge- schliffenen Achat-Stückchen; 411) Armringe von Muscheln oder Holz; 12) Ohrringe von Holz mit Verzierungen.

Das Blaserohr gehört ursprünglich nur den Stämmen der Pari und Bijadju an; doch haben die von Central-Borneo diese Waffe theilweise auch angenommen. Bei den Stämmen von Nordwest-Borneo findet man sie höchst selten; gewöhnlich ist sie hier nur durch Tauschhandel erworben. Die Spitzen der 7 bis 8 Zoll langen Pfeilchen sind mit Upas-Gift überzogen. Die Wirkung dieses Giftes ist nicht so verderb- lich, wie die des Giftes, welches die südamerikanischen Stämme be- nutzen. Die Malaien binden Salz oder Asche von türkischem Weizen auf die Wunde, und es entsteht dann nur ein leichtes Fieber. Ohne dieses Mittel erfolgen allerdings schwere Fieber und selbst der Tod. Das Wort Upas ist das allgemeine malaiische Wort für Gift und be- zeichnet keine besondere Art. Man nennt alle Giftbäume Upasbäume. Es giebt jedoch verschiedene Arten, die mehr oder weniger gefährlich sind. Das Gift der alten Bäume ist besonders kräftig, und die Dai- jaks bohren diese mittelst langer Stangen an, da sie sich in die un- mittelbare Nähe des Baumes nicht wagen. Von den jungen Stämmen dagegen wagen sie die Rinde abzuschälen, die präparirt ganz weils wie Leinen ist, während die Rinde aller übrigen Baumarten eine rothe Farbe hat.

Die wilden Nomadenstämme (Punan, Manketta, Wutt oder Ott).

Diese Wilden, die nur im Mittelpunkt der Insel in den Wäldern E stammweise umherschweifen, sind die Feinde aller übrigen Bewohner. Da sie keine Werkzeuge besitzen, sich Waffen anzufertigen, tauschen sie Schwerter, Blaseröhre und Lanzen von den Pari und Bijadju ein,

Ueber die Volksstämme Borneo’s. 409

an deren Grenzen sie umherschwärmen. Ihre ursprünglichen Waffen sind nur Keulen und Holzlanzen. In einigen Gegenden des oberen Kapuas, wo sie mit den ackerbautreibenden Stämmen der Daijaks in Handelsverkehr stehen, ist es diesen in den letzten 30 Jahren gelungen, einige Stämme zur Ansiedelung und zum Ackerbau zu bewegen, und wahrscheinlich werden auch nach und nach die übrigen diesem Bei- spiele folgen. Ich liefs, als ich mich in jenen Gegenden befand, einen Stamm der Punan, durch Vermittelung der Daijaks von Lunza, aus den Wäldern holen. Sie kamen unter deren Geleite, da man ihnen Taback versprochen hatte. In ihrer äufseren Erscheinung sind sie durchaus nieht von den Malaien oder ackerbautreibenden Stämmen der Daijaks verschieden. Sie tragen als Bekleidung den im Vorhergehen- den beschriebenen Schawl von Baumrinde. Ihre Sinne sind äufserst scharf; auf grofse Entfernung riechen sie Wild oder Feinde, von de- nen sie verfolgt werden, und die Daijaks können ihnen daher wenig anhaben, wenn es ihnen einmal gelungen ist, einen erfolgreichen Raub- zug auszuführen. Sie verschwinden spurlos im Walde mit ihrer Beute, um sie 60 bis 80 Meilen weiter an andere daijaksche Stämme zu ver- kaufen. Uebrigens sind sie feig und wagen nur mit zehnfacher Ueber- macht einen Angriff. Das Gift, welches sie verfertigen, ist weit ge- fährlicher, als das der Daijaks; wahrscheinlich benutzen sie dazu auch Schlangengift. Aufser Goldstaub, den sie in kleinen Quantitäten sam- meln und gegen Waffen und Taback vertauschen, liefern sie noch einen eigenthümlichen Handelsartikel, den man auf Borneo Galiga nennt. Es ist dies eine harte, grünlich graue Substanz, die sich in Nichts von einem Kieselsteine unterscheidet, als durch ihre Leichtigkeit. Diese Galiga bildet sich bisweilen in den Eingeweiden von Thieren, nament- lieh von Affen. Sie hat die Gröfse einer Pflaume, wenn sie sehr grols ist, gewöhnlich aber nur die einer Haselnufs, ist selten rund, meist _ platt. Von Borneo wird die Galiga nach China ausgeführt, wo man ihr grofse Heilkräfte zuschreibt; ebenso nach Klein-Asien, Aegypten

gegen die Pest sei. Durchschnittlich reisen jährlich einige Malaien von Borneo nach Mekka und nehmen bei dieser Gelegenheit so viel Galiga mit, als sie aufkaufen konnten. In Borneo gilt ein Stückchen von der Gröfse einer Haselnufs 4 bis 5 Gulden, in Mekka das Vierfache dieser

Die Chinesen.

Die Chinesen beschäftigen sich hauptsächlich mit Goldsuchen, nur ‚ein kleiner Theil mit Landwirthschaft, namentlich mit dem Anbau von Zuckerrohr, Früchten und Gemüsen, und mit der Zucht von Hühnern,

410 Oscar v. Kessel: Ueber die Volksstämme Borneo’s.

Enten und Schweinen. Wenn diese Chinesen hier nicht lebten, würde man auf Borneo beinahe nichts anderes als Reis zu essen haben. An den Küsten, namentlich in Sambas, wo 60 bis 70,000 Chinesen meist mit Goldgraben beschäftigt sind, geniefsen sie eine grölsere Freiheit, als im Innern der Insel, wo sie einzeln und zerstreut in den malaü- schen Dörfern leben und sich der Herrschaft der Malaien in der Hoff- nung unterworfen haben, irgend eine reiche Goldmine zu finden, die sie alsdann verheimlichen, so lange es geht. Sie bezahlen bedeutende Abgaben an die malaiischen Fürsten. Sehr oft gerathen sie in Schul- den, wenn der Golderwerb nicht so ausfällt, als sie hofften, und in diesem Falle nehmen ihnen die Malaien die Kinder ebenso ab, wie den Daijaks.

Bis jetzt hat Holland, welches nur die Küsten der Insel besetzt hat, keine Schritte gethan, um Einflufs im Innern zu erlangen, obschon dies sehr leicht wäre, da die grofsen Wasserstrafsen sich zur Dampf- schifffahrt sehr gut eignen und alle grofsen malaiischen Dörfer an den Ufern der Flüsse liegen. Bei den Malaien Einflufs erlangen, heilst nichts anderes, als ihnen Furcht einflöfsen. Sobald die Kanonenmün- dungen eines Dampfers sichtbar werden, der dicht an ihren Dörfern vorüberfährt, ist man Herr dieses Volkes und hat nichts weiter zu thun, als ihm energisch die Befehle zu ertheilen, die zum Wohle des Landes erforderlich sind. Bis jetzt ist dies von Holland noch nie ge- schehen, im Gegentheil sind die trägen Malaien stets verhätschelt wor- den; einestheils weil man den wahren Zustand des Landes nicht kannte, anderntheils weil man nicht genug Dampfer hatte, und endlich, weil die Colonien Hollands im Verhältnifs zur Macht des Staates viel zu ausgebreitet sind. Seit 1840 bereitet sich eine Krisis auf der Insel vor. Das verständige und kräftige Benehmen des englischen Gouver- neurs Sir James Brook auf der Nordküste, die durch ihn bewirkte Be- freiung der Daijaks von dem unerträglichen Joche der Malaien und die ebenfalls durch ihn eingeführte Freiheit des Handels hat einen ge- waltigen Eindruck auf sämmtliche daijak’sche Stämme von Nordwest- und Central-Borneo ausgeübt. Sie warten mit Sehnsucht auf den Augenblick, wo auch ihnen die Freiheit zu Theil werden wird, die ihre Brüder in Serawak und Sadong jetzt geniefsen.

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XIV. Zur Kunde der Insel Formosa.

Mitgetheilt von Dr. Biernatzki.

Was vor 22 Jahren Carl Ritter über die grofse Gestade-Insel Formosa niederschrieb '), „dafs alle Kenntnifs derselben nur auf der westlichen, der chinesischen Seite beruhe, die weniger bergig, aber fruchtbarer und bevölkerter sei, als die östliche, welche eine terra in- eognita,“ das gilt auch noch heutzutage. Oestlich vom Ta Schan, dem Hochgebirge, welches die Insel von Süden nach Norden durchzieht, hört alle Kunde auf, ja selbst bis an den westlichen Fufs desselben ist sie noch sehr mangelhaft. Was die Westküste betrifft, so kann man _ wenigstens sagen, dafs neuerdings hier und dort ein Hafenplatz aus dem Dunkel emporgetaucht ist, der bisher unbekannt war. Nachdem nämlich der gegenüberliegende Hafen Amoy in der Provinz Fukian, zufolge des Friedens von Nanking 1842, unter die Zahl der sogenannten Freihäfen aufgenommen worden ist, ein Hafen, mit welchem Formosa schon seit Alters in lebhaftem Verkehr gestanden, ist der Besuch der Westseite der Insel erleichtert worden. Und wenn freilich bis jetzt noch nicht ein von den abendländischen Nationen frequentirter Handels- weg nach der formosanischen Küste führt, so ist doch in dem letzten i _ Jahrzehnt die Insel zugänglicher geworden, und selbst die Augen der - Förderer der evangelischen Mission unter den Chinesen haben prüfend nach jener Insel hinübergeblickt, um dort zu geeigneter Zeit eine Mis- _ sionsstation zu gründen.

Die Chinesen nennen die Insel, welcher bekanntlich die Portu- giesen, die ersten an ihr vorüberfahrenden Europäer, den Namen der „Schönen“ gaben (Hermosa, Formosa), Taiwan, welches W. Wil- liams ?) mit terrace beach übersetzt. Jenen, die von den flachen Ge- staden Fukians kamen, imponirten wohl die hinter dem breiten sandigen R ‚Vorlande gelegenen Dünen und hinter diesen ‚die She

!) Erdkunde Bd. III, S. 867. 2) The Middle Kingdom. New York & London 1848. Vol. I, p. 118. Ritter "übersetzt a. a. O. S. 864 nach Klaproth und Anderen: die Stadt der Bai der hohen

412 Zur Kunde

auf sie machte, bei Benennung derselben gefolgt zu sein. Eigentlich kommt der chinesische Name, wie W. Williams a. a. OÖ. bemerkt '), nur dem chinesischen Distriete auf Formosa, nicht der ganzen Insel zu. Und dieser Distriet, ausschliefslich die Westhälfte, ist 250 engl. Meilen lang und 80 engl. Meilen breit; er umfafst ein Areal von 12 bis 15,000 engl. Geviertmeilen, welches also ungefähr so grofs ist wie die Niederlande (13,598 engl. Geviertmeilen). Die Bevölkerung der ganzen Insel beträgt nach W. Williams 2,500,000 Seelen; die Zahl der chinesischen Ansiedler pflegt man schon seit früher auf mehr als eine halbe Million zu schätzen (Ritter a. a. Ö. 8. 875). Der chinesische Distriet reicht von der Südspitze der Insel bis zu ihrer Nordspitze, wie denn auch die obige Längenangabe 250 engl. Meilen mit frühe- ren Bestimmungen übereinkommt, wonach die Nordspitze unter 25° 18’ N. Br., die Südspitze unter 21° 53’ 30" N. Br. gelegen ist. Ueber die Breite der Insel liegen anderweitige Data nicht vor; es mag aber nicht weit von der Wahrheit entfernt sein, wenn man den chinesischen Distriet für ungefähr die Hälfte der ganzen Insel annimmt, die dem- nach im Ganzen ein Gebiet von 25 bis 30,000 engl. Geviertmeilen umfassen würde,

„Die Westküste schreibt Ritter a. a O. S. 870 nach älteren Berichten hat viele kleine Baien und einige gröfsere Häfen; der beste soll der Hafen der Capitale Taiwan sein, der Ta yuan Kiang genannt wird.“ Dieser gehört unter den bekannten Häfen zu den süd- lichsten die Stadt Taiwan, oder mit ihrem Zusatz als Distrietsstadt Tai wan fu, wird unter 23° N. Br. gesetzt. Der nördlichst gelegene Hafen, welcher zum Theil schon der Ostküste angehört, ist Pekiang, jetzt Kelung genannt, unter 25° 16’ 48’ N. Br. (Ritter ebend.) Aulser diesen Punkten sind neuerdings noch einige andere ihrer geographischen Lage nach bekannt geworden, theils durch Capt. Richards, Befehls- haber des britischen Schooners „Saracen“, der im verflossenen Jahre zur Untersuchung der Küsten der Insel beordert war und über die Resultate seiner Explorationen Bericht erstattet hat, theils durch den Hauptbevollmächtigten auf dem britischen Consulate zu Amoy, Herrn Swinhoe, der ebenfalls im vorigen Jahre einen Bericht über seinen Ausflug nach Formosa in der Versammlung der chinesischen Zweigge- sellschaft der Royal Asiatie Society auf Hongkong vorgetragen hat ?). Wir theilen aus diesen Berichten das Wichtigste im Folgenden mit.

!) Vergl. auch Ritter a. a. O. S. 864.

>) Dieser Bericht findet sich abgedruckt in der auf Hongkong erscheinenden Overland China Mail vom 28: August v. J. Supplem. zu No. 130, aus der ich ihn kennen gelernt habe. B.

der Insel Formosa. 413

1) Capt. Richards’ Bericht über einige Häfen an der Westküste von Formosa.

Am 24. Februar um 2 Uhr Vorm. fanden wir Grund auf 37 Fa- den, um 4 Uhr auf 40 Faden, um 5 Uhr. 30 Min. auf 65 Faden und um 8 Uhr 20 Min. auf 45 Faden. Um Mittag ergab unsere Beobach- tung, dafs wir uns unter 22° 54’ 46” N. Br. und 119° 42’ 0" O.L. be- fänden. Das Barometer stand 29,96, das Thermometer 74,0; der Wind war WNW. Die Südspitze der Fischer -Inseln (Pescadores) war gerade von dem Mastkorbe aus in Sicht und lag WNW.4W. 18 Meilen ent- fernt.

Nachmittags 2 Uhr sahen wir den Affenberg (Ape’s hill) und um 4 Uhr 40 Min. gewahrten wir mehrere Dschunken, welche auf der Binnenseite einer Sandbank vor Anker lagen. Unserer Berechnung nach befanden wir uns 16 Meilen vom Ankerplatze unter den West Plates entfernt, wo ich, den Angaben der Karten folgend, es am ange- messensten halten mufste, zu warten, um von hier aus mit den Behör- den der Hauptstadt mich in Verkehr zu setzen, ehe ich meine Unter- suchungen beginnen konnte. Bei Sonnenuntergang trat Windstille ein, daher ich für die Nacht vor Anker ging. Am folgenden Morgen sandte ich bei Tagesanbruch einen Offizier nebst dem Dolmetscher an’s Land, um Erkundigungen einzuziehen, und nachdem derselbe wieder an Bord zurückgekehrt war und mir berichtet hatte, nahm ich einen Fischer als Lootsen auf das Schiff und lief in den kleinen Hafen Cocksicon ein. Hier trafen wir 16 kleine Segel-Dschunken, welche den besten Raum

des Ankerplatzes einnahmen, daher wir uns mit einer Stelle aufserhalb begnügen mufsten, die uns nur unvollkommen Schutz gewährte.

f Die Insel Formosa ist in dieser Gegend gänzlich von Sandbän- _ ken umgürtet, welche sich 2 oder 3 Fufs über dem Wasser erheben. Sie liegen in Reihen, die meistens parallel mit der Küste und von zwei Kabellängen bis eine halbe Meile breit sind. Ungefähr auf jede Meile _ Distanz sind sie von engen Canälen durchschnitten, deren Tiefe zwi- schen 7 Fuls und darunter varürt. Man sieht von diesen westlichen Sandbänken aus keine Vegetation, das Festland der Insel selbst ist nur - bei heiterem Wetter sichtbar und der ganze, zwischen den Bänken und _ der Insel liegende Raum scheint ein Gemisch von Sand- und Schlamm- 'bänken und von Untiefen zu sein, die mitunter durch Gruppen von 'Sehilf unterbrochen sind. Auf diesen Sandbänken wohnen einige arme Fischer, deren elende Hütten und Bambusfahrzeuge das Einzige sind, Das dieser traurigen Oede einiges Leben verleiht.

Der Hafen Cocksicon kann von einem Fremden nur an seinen Bo Tppen von Hütten, die gröfser als diejenigen sind, welche auf

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A414 Zur Kunde

den äufseren Sandbänken stehen, erkannt werden, sowie an der Anzahl gröfserer Dschunken, welche gewöhnlich bier vor Anker liegen.

Der Affenberg im Süden und die Südspitze der Pescadores -In- seln im Westen bilden für den, der in den Hafen einlaufen will, die besten Merkzeichen. Der alte holländische Hafen Tayowan liegt gerade vom Ankerplatze aus in Sicht. Ich nahm die Südspitze am Eingange des Hafens auf und fand sie unter 23° 5’ 22” N. Br. und 120° 5'0" ©. L., bei einer Abweichung von 0,334 westlich. Der Wasser- stand änderte sich um 11 Uhr 30 Min., die Fluth steigt bis zu 3 Fuls auf, aber sehr unregelmälsig.

Der Hafen ist zugleich die Mündung mehrerer kleinen seichten Flüsse, welche hier sich vereinigen und durch die der Küste vorliegen- den Sandbänke einen Canal gebildet haben. Derselbe wendet sich nach Nordosten, und nimmt man einen 3 Faden tiefen Strich Wasser als seine Binnengrenze an, so ist er % Meilen lang und etwa 2 Kabeln breit, in der Mitte mit einer Tiefe von 4+ Faden. Die Bai hat 12 Fufs Tiefe bei niedrigem Wasserstande; die tiefsten Stellen sind von den Eingeborenen mit Bambusstangen bezeichnet. Da aber der Canal so- wohl weit als auch gerade ist, so ist das Einlaufen für Schiffe mit 12 bis 13 Fufs Tiefgang bei hohem Wasserstande durchaus nicht mit Schwierigkeiten verbunden. Der „Saracen“ segelte mit 13 Fuls 2 Zoll Tiefgang hinein, die See war aber damals ungewöhnlich ruhig. Schiffe, welche mehr als 13 Fufs tief gehen, müfsten, meiner Ansicht nach, nicht versuchen, hineinzukommen, besonders nicht bei frischem Winde. Die Strömung von der Binnenseite der Bänke geht den Canal hinauf, ihre gröfste Schnelligkeit beträgt ungefähr eine Seemeile in der Stunde. Aufserhalb der Barre, welche die Sandbänke bilden, strömt die Fluth nordwärts die Küste entlang, die Ebbe südwärts, ihre Heftigkeit ist an verschiedenen Stellen verschieden, sie fliefst mit grölserer Schnelligkeit westwärts der Sandbänke an der Ecke, wo das Wasser tiefer wird, als in der seichten Bai von Tayowan, wo sich bei veränderten Um- ständen auch ihre Stärke und Richtung verändert.

Frisches Wasser und frische Vorräthe werden von der Stadt Tayowan herbeigeschafft. Wenn ein Schiff nur dieser Dinge benöthigt ist, so thut es besser, sofort eirca 2 Meilen vom Ufer vor der Stadt Tayowan selbst vor Anker zu gehen, wo sich im Nordosten von dem alten holländischen Fort ein trefflicher Ankergrund, mit 54 Faden Tiefe und gutem Schutz während der Zeit vom December bis März, befindet. Während der übrigen Monate macht der Wechsel des Südwestwindes diesen Ankergrund unsicher, daher dann Schiffe hier nicht anlegen sollten.

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der Insel Formosa. 415

a N.

In einer Entfernung von 13 Meilen nordwestlich von dem alten holländischen Fort von Tayowan befindet sich auf der äufseren Sand- bank eine ansehnliche Baumgruppe.

Die Ruinen des alten holländischen Forts liegen eirca $ Meilen innerhalb der Sandbänke. Das Fort selbst ragt circa 60 Fuls über dem Niveau des Meeres empor und ist das einzig sichtbare Merkzeichen am Lande in dieser Gegend; man kann es auf 8 bis 9 Meilen Ent- fernung vom Verdeck aus gewahren. Die Hauptstadt der Insel For- mosa liegt 2 Meilen südöstlich von dem holländischen Fort. Grolse Handelsdschunken, die zur Zeit des Nordost-Monsoons hierherkommen, gehen gewöhnlich unterhalb des Forts vor Anker und schicken von hier aus ihre Ladung nach der Stadt.

Das Festland von Formosa nähert sich hier bis auf eine Meile den seine Küsten umgürtenden Sandbänken und obwohl es im Allge- meinen sumpfig und flach ist, so ist es doch mit Reis ete. angebaut. Die Sandbänke sind von hier ab in südlicher Richtung mit Gebüsch und Gras bewachsen und dicht von Fischern bewohnt, welche, wohl genährt und gekleidet, ein glückliches und zufriedenes Volk zu sein scheinen. Diese Fischer gehen ihrem Berufe gewöhnlich in Gesell- schaften nach, welche von einem Anführer geleitet und befehligt wer- den; ihre Fahrzeuge liegen am Ufer in Reihen aufgestellt. Ueberall, wo wir an’s Land gingen, wurden wir mit der gröfsten Höflichkeit und Ehrerbietung empfangen und unsere Merkzeichen, welche wir häufig von einem Zeuge machten, das von ihnen sehr begehrt wird, von weilsem Baumwollenzeuge, wurden doch niemals geraubt.

Die Küste bietet durchaus nichts Bemerkenswerthes; nur 8 Mei- - len vom Affenberge beginnt eine Reihe niedriger Klippen, auch be- findet sich dort eine Meile landeinwärts eine kleine Hochebene. Die Küste zwischen dem alten holländischen Fort bei Tayowan und dem Affenberge ist fast eine gerade Linie, welche von vier kleinen, nur für Boote schiffbaren Flüssen durchschnitten wird. Der Affenberg, von den Eingeborenen Takau genannt, liegt 224 Meilen von dem hollän- 2“ dischen Fort entfernt, Süd zu Ost. Er gleicht, von der Nord- und L Südseite her gesehen, einem abgestumpften Kegel, ist 1100 Fufs hoch _ und, indem er sich landeinwärts sanft abdacht, sieht er einer Insel _ ähnlich. Ich fand seine Lage unter 22° 38’ 3” N. Br. und 120° 16’ 80” O.L. In einer Entfernung von 44 Meilen nordöstlich vom Affen- - berge liegt ein anderer merkwürdiger Berg, den ich, weil er wie ein _ ungeheurer, auf dem Wasser schlafender Walfisch aussieht, „Walfisch- _ rücken“ nannte. Nach NNO., 12 Meilen entfernt, liegt ein dritter, _ dreieckig geformter Berg, ein Theil einer Hochfläche, der einem Keil

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416 Zur Kunde

ähnlich ist, wenn man ihn von seiner Nord- oder Südseite aus be- trachtet. Diese Höhen sind die einzigen, am Lande befindlichen Merk- zeichen auf der überall sehr niedrigen Küste. Der Affenberg leistet den Schiffern die meisten Dienste, sich zurecht zu finden, weil er von der Küstenfläche bedeutend hervortritt und oft ganz allein gesehen werden kann, wenn alle übrigen in Nebel eingehüllt sind.

Er ist ein grofser, mächtiger Korallenfelsen, der einem Krater ähnlich sieht. Von seinem Gipfel steigt man nach Süden einen etwas rauhen, sich allmählich abdachenden Abhang hinunter, der an einem grolsen, fast ganz flachen, einem Damme ähnlich gestalteten Felsen endigt, welcher, da er ungefähr 300 Ellen in die See hinaus- ragt, für kleine Schiffe bei den Nordost-Monsoons einen geschützten Ankergrund bildet. Dieser Felsendamm ist vom Affenberge durch eine tiefe, 50 Fufs weite Kluft getrennt, innerhalb welcher der kleine Hafen Takaucon liegt.

Die Südwestspitze des Felsdammes, ein steiles Kliff, nannte ich „Saracen’s Spitze“. Es liegt unter 22° 36’ 15” N. Br. und 120° 16’ 41” O.L. Die Magnetnadel hat hier 0,34% westliche Abweichung.

Vor der Einfahrt in den Hafen von Takaucon liegt eine Barre, die eine Tiefe von 11 Fuls bei niedrigem Wasserstande hat; sie er- streckt sich von der Südseite der Bucht in einer krummen Linie nach NW. und NNW. in der Richtung nach dem Affenberge. Sobald man aber über diese Barre hinweg ist, vertieft sich das Wasser im Hafen sofort bis zu 4, 6 und 9 Faden.

Obgleich die Einfahrt in den Hafen enge ist, so gewährt er doch vollkommene Sicherheit, nur ist der eigentliche Ankergrund leider so wenig geräumig, dafs ein Schiff sich nieht drehen kann, es sich daher nach hinten und nach vorn festlegen mufs. Auch sind die Strömungen bei Springfluthen sehr heftig; allein dieser Ankerplatz könnte mit ge- ringen Kosten bedeutend verbessert werden und würde Formosa dem Welthandel zugänglich gemacht, so wäre gewils dieser Platz von aulser- ordentlicher Wichtigkeit.

Unser Dolmetsch erfuhr von Fischern noch folgende, nicht un- wichtige Notizen: Die beste Jahreszeit für Schiffe, die an dieser Küste Handel treiben wollen, ist während der Nordest-Monsoons vom No- vember bis März. Im Juni und Juli ist das Wetter meistens stürmisch, besonders ereignen sich die Typhons (Taifuns) während dieser Monate. Die See hat zur Zeit der Südwest-Monsoons einen höheren Wasser- stand, als zu andern Zeiten, die westlich gelegenen Sandbänke stehen dann häufig unter Wasser. Deshalb pflegen im April die Fischer ihre Hütten an’s Festland zu versetzen und bringen sie erst während der Nordost-Monsoons wieder an ihre alten Plätze.

der Insel Formosa. 417

) | | Wenn dies sich so verhält, so ist es von grolser Wichtigkeit, denn

| dadurch würde die Küste in dieser Jahreszeit sehr gefährlich sein. f Nachfolgende Preise bezahlten wir in Takaucon für Lebensmittel:

Sehr gutes Wasser, welches aber des schwierigen Transportes wegen - nieht in grofsen Quantitäten herbeigeschafft werden kann, kostete 50 Cents pro Tonne; junges Rindvieh, je nach der Gröfse, 4 bis 6 Dollars pro Stück, Schweine 1 bis 5 Dollars, Geflügel 1 D. bis 1 D. 75 Cts. pro Dutzend, Enten 50 bis 75 Cts. pro Dutzend, Eier pro 300 Stück 1 D., Reis 1 D. 25 Cts. bis 1 D. 75 Cts. pro Picul, Zucker gleichfalls pro Pieul 1 D. 25 Cts. bis 2 D. 50 Cts. Fische und Gemüse waren aufser- ordentlich wohlfeil.

2) Aus Swinhoe’s Bericht über die Westküste von Formosa.

Swinhoe’s Angaben beziehen sich auf den nördlicheren Theil der Westküste. Nördlich von Taiwan hat er die Lage der Hafenstadt Hongsan unter 24° 44’ N. Br. bestimmt. Hongsan heifst „duftender Berg“ oder „Berg der Wohlgerüche“. Zwölf englische Meilen südlich von diesem Hafenplatze liegt Tschung kong, d.h. „mittlerer Hafen“ oder „Hafen der Mitte“; meistentheils wird dieser Ort auch Lo kong, d.h. „Kampfer-Hafen“, genannt. Dreizehn englische Meilen dagegen nördlich von Hongsan liegt Teksan, d.h. „Bambus-Graben“. Ueber diese drei Ortschaften bringt Herrn Swinhoe’s Bericht folgende detail- lirtere Beobachtungen: „Die Fluth war vorüber, als wir vor der Ein- fahrt des Hafens von Hongsan ankamen und nur mit Mühe vermochten wir das eigentliche Fahrwasser herauszufinden, da eine grolse Sandbank, welche den Hafen einschlofs und ihn bildete, sich gerade südwärts er- - streckte, die Mündung verengte und gleich einer Barre vorlag, welche _ bei niedrigem Wasserstande mit nur zwei Fuls Wasser bedeckt ist. Ein Boot der Eingeborenen kam uns entgegen und lootste uns hinein, sobald die Fluth gestiegen, was nicht vor Anbruch der Abenddämmerung ‚eintrat. Das Erste, was uns auffiel, war der Kampfer-Geruch, welcher _ die Luft erfüllte; eine grofse Dschunke nahm nicht weit von unserem _ Ankerplatze eine Ladung Kampfer nach Canton ein; mehrere kleine - Dschunken kamen bald nach uns in den Hafen und fuhren bis nach dem Städtchen (village). Der nächste Morgen gewährte uns einen ‚herrlichen Anblick: das Städtchen Hongsan lag gegen Norden, etwa ‚3 engl. Meilen entfernt, mehrere kleine Dschunken waren in der Nähe neben einander an den Strand hinaufgezogen. Weiter nach Norden erblickte man eine kleinere Ortschaft, und Häuser mitten unter den iumen, hinter welchen mit Gras bewachsene Hügel hervorragten, standen zerstreut am Gestade. Mehr zurück, fast ganz in blauer Ferne - Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. II. zn

418 Zur Kunde

verschwimmend, erhoben sich majestätische Gebirge, eine Kette über die andere, welche mit dichter Waldung von Kampferbäumen bedeckt waren; weiterhin zeigte sich ein Berg, dessen steiles felsiges Haupt beschneit war. Eine Strafse im Süden des Städtchens lief in einiger Entfernung die Küste entlang, wand sich dann eine sandige Anhöhe hinauf und führte nach Tschung kong.“

Es ist zu bedauern, dafs Herr Swinhoe weder den Namen der Gebirgsketten, noch den des einzelnen, mit Schnee bedeckten Berges erkundete. Obwohl es kaum zweifelhaft sein kann, dafs der letztere eine Kuppe des Ta Schan war, dessen absolute Erhebung von Alex. v. Humboldt auf 11,400 Fufs (1900 Teisen) berechnet worden (Ritter a. a. 0. S. 867), so ist es doch unmöglich, zu sagen, ob es eine der bisher schon bekannten Gebirgsspitzen gewesen.

Herrn Swinhoe’s Angaben bieten uns für eine Kenntnifs der im Innern der Insel liegenden Gebirge überhaupt keine irgend nennens- werthe Ausbeute; sie vervollständigen nur, in Verbindung mit dem älteren Material, unsere Kenntnils des westlichen Gestades, welches im Allgemeinen überall denselben Charakter, nämlich den eines ausgedehn- ten flachen, sandigen Uferlandes zu besitzen scheint.

K. Ritter macht auf der Westküste drei Hafenplätze namhaft. „Der Hafen der Hauptstadt Taiwan bemerkt er über den wichtig- sten a. a. O. S. 870 hatte früher zwei Einfahrten, von denen aber die gröfsere, Ta Kiang, versandet ist; die geringere, Lu eul men, drei Stunden (30 Li) von der Stadt, hat bei Fluth nur 9 bis 10 Fuls Tiefe, kann also nur für chinesische Dschunken zur Einfahrt dienen, deren aber wohl tausend darin sicher vor Anker liegen können.“ Aufser diesem erwähnt er den Hafen Tan schuy Kiang im Nordwesten, der einige hundert Schiffe beherbergen kann. La Perouse bestimmte den- selben, obwohl er ihn nicht mit Namen nennt, unter 23° 25’ N. Br., 10 Lieues vom Hafen von Taiwan; denn er befindet sich an der Mün- dung eines grolsen Flusses, des Tan schuy Khy; hier sah er eine grofse chinesische Kriegsflotte, die auch noch einen Theil des Flusses bedeckte, vor Anker liegen (vergl. Ritter a. a. ©. S. 870). Noch nörd- licher liegt der uns erst im Jahre 1832 bekannt gewordene Hafenplatz Wu teaou kiang, in welchem Lindsay und Gützlaff zwei Tage sta- tionirten. Sie fanden ihn voll Dschunken aus Fukian, und die Stadt gleiches Namens lag auf einer öden Sandküste unter 23° 38’ N. Br. (Ritter a. a. O. $. 874). Wie alle diese Häfen an der Westküste, von der W. Williams ') bemerkt: „sie besitze keine Häfen, die Schiffe lä- gen in grolser Entfernung vom Ufer und das Landen sei mit grolsen

!) The Middle Kingdom. Vol. I, p. 118.

der Insel Formosa. 419

Unbequemlichkeiten verbunden“, im Allgemeinen beschaffen sein mö- gen, ersehen wir am deutlichsten aus Herrn Swinhoe’s genauer Be- schreibung des Hafens von Hongsan, der nach dem Obigen über einen Breitengrad nördlicher liegt als der zuletzt genannte Ankerplatz.

„Der Hafen von Hongsan so schreibt derselbe milst auf's Höchste etwa 6 engl. Meilen in der Länge, aber zur Hälfte auf dieser Längenausdehnung liegt er bei Ebbezeit trocken '). Das Riff zwischen ihm und der offenen See, etwas mehr als eine englische Meile breit, steht bei hoher Fluth gänzlich unter Wasser. Dieses Riff besteht aus einer feinen Mischung von Schlamm und Sand; der gröfsere Theil des- selben hat sich nach den Berichten der Einwohner von Hongsan erst in den letzten Jahren gebildet; sie versichern, dafs früher die Einfahrt in den Hafen um ein Bedeutendes breiter war, als gegenwärtig. Ein kleiner Fluls strömt zwischen den Bergen herab, ein sandiges Bette entlang und mündet von Südosten her in den Hafen. Aus der Ent- fernung zwischen seinen Ufern und der Menge reinen Sandes, der sich mehrere Meilen weit findet, möchte man schliefsen, dafs vor Zeiten dort ein ansehnlicher Strom seine Gewässer in das Meer ergols ?). Auch jetzt noch bei heftigen Regengüssen zeigt sich der durch die von den Bergen herabstürzenden Gewässer angeschwollene Strom höchst ungestüm und braust wie ehemals in den Ocean. Bei der Einfahrt in den Hafen bemerkt man zur Rechten zwei kleine, aus grolsen schiefer- artigen Steinen erbaute Forts, die durch ihre Lage die Mündung des Hafens beherrschen ?). Das Landen von den im Hafen ankernden Schiffen aus ist sehr unbequem, da die Boote nur bis auf hundert Ellen dem Ufer nahe kommen können; die übrige Entfernung mufs entweder _ auf dem Rücken der Bootsleute oder mit den Schuhen in der Hand _ und mit aufgeschürzten Beinkleidern zurückgelegt werden. Alle kleinen _ Dschunken fahren geradeswegs nach dem Städtchen (Hongsan), um _ dort ihre Ladung einzunehmen, die gröfseren Fahrzeuge aber bleiben _ ungefähr in der Mitte des ER dem Ufer so nahe als möglich, lie- gen; ihre Ladung wird bis an den Rand des Wassers auf Räderkarren befördert und von da mittelst Tragbahren auf die Schiffe.*

1) An dieser Stelle schaltet Herr Swinhoe eine Hinweisung auf die seinem Be- richte anliegende Karte, auf welcher die Tiefe des Fahrwassers im Hafen verzeichnet ‚stehe, ein; die Karte ist mir jedoch nicht zu Gesicht gekommen, weshalb ich diese hi nweisende Notiz ausgelassen habe. B. 2) Es hat hier also eine ähnliche Versandung stattgefunden, wie früher schon im Hafen von Taiwan, was bereits oben, nach Ritter erwähnt wurde. B.

_ ®) Hongsan gehört darnach zu denjenigen Städten, von denen Ritter, nachdem er Taiwan näher beschrieben hat, a. a. O. $. 874 sagt: „die übrigen Städte auf For- ' mosa haben nur als Hafenstationen durch ihre Schifffahrt oder durch kleine Fortifi- cationen einigen Werth, sind aber an sich unbedeutend. * B.

218

420 Zur Kunde

Wir ersehen daraus, dafs Hongsan eben so, wie die anderen Hä- fen (richtiger Einbuchtungen) der Westküste, zum Theil stark versandet ist und nur ein schmales Fahrwasser besitzt, und dafs die aufserordent- lich flachen Gestade es selbst Booten unmöglich machen oder doch sehr erschweren, nahe an’s Ufer zu gelangen. Was sonst von den „meist steilen und felsigen Küsten Formosa’s* erzählt worden (Ritter a. a. ©. S. 870) findet wenigstens auf die vorherrschend flache West- küste keine Anwendung. Sie besitzt, wie es nach Richards Bericht auf der südlichen Hälfte der Fall ist, so auch im Norden ein breites sandiges Vorland; an nicht wenigen Stellen ist diese Sandstrecke aufser- ordentlich ausgedehnt. So beschreibt Herr Swinhoe die letzte Strecke Weges auf seiner Rückreise von Lokong nach Hongsan, die er in einem von drei Männern beförderten Tragsessel zurücklegte, als „sehr san- dig“ und fügt hinzu: „da der Wind heftig wehte, wurden unsere Au- gen und unser Mund mit grofsen Wolken feinen Sandes angefüllt und die Reise dadurch nichts weniger als angenehm gemacht.“ Der einzige Schutz, den Schiffe in den hier gelegenen Buchten finden, wird ihnen durch die vor dem Eingange gelegenen Sandbänke gewährt, welche bei gewöhnlicher Fluthhöhe den heftigsten Andrang der Meereswogen ab- halten; bei höherer Fluth werden aber auch sie überströmt.

So unfruchtbar nun auch dieses sandige Vorland ist und so kahl es aussehen mag, so ist dessen ungeachtet der Anblick von Formosa von der Westseite her ein anmuthiger und schöner. Der chinesische Name Taiwan im Sinne von terrace beach ist eben so malerisch als treffend. Denn zwischen den einzelnen Dünen hindurch erblickt man jenseits derselben die weiter entfernten Berge, deren Abhänge mit saftig grünem Grasteppich bedeckt sind; aufihren Gipfeln tragen sie majestäti- sche Waldungen von Kampferbäumen. An einigen Stellen treten diese Berge näher in den Gesichtskreis, man sieht die Thiere, die an den Abhängen weiden, man erkennt die gerade aufsteigenden Stämme, die kahlen, gelblich grauen Aeste, das immergrüne herabhängende Laub der Kampferbäume; an anderen Stellen sind sie entlegener und wei- chen in blaue duftige Fernen zurück. Und jenseits dieses Hügellandes erhebt sich kühn und erhaben die letzte oberste Bergterrasse, der Ta Schan, das Schneegebirge mit seinen zum Theil nackten Felskuppen, zum Theil von ewigem Schnee bedeckten Gipfeln. Wolken ziehen an demselben vorüber und entziehen dem Auge des Beschauers für eine Zeit lang den Anblick der hohen Kuppen. Aber bald theilt sie der Landwind, der aus den Schluchten des Gebirges hervorbricht, und blen- dend von der Sonne beschienen schimmern die Gletscher und die Schnee- felder herüber. Wie eine Cyklopenmauer fest und unbeweglich säumen diese höchsten Berge den Hintergrund, erhaben und imponirend.

der Insel Formosa. 421

Diese Westseite von Formosa, so weit sie bis jetzt erforscht wor- den, besitzt die einzigen Culturdistriete der Insel, an der Küste sowohl, wie weiter landeinwärts; erst zwischen den mit den Waldungen von Kampferbäumen besetzten Vorbergen und dem Ta Schan liegen noch unangebaute Strecken. Bis an den westlichen Fufs jener Berge, deren Abhänge zur Weide dienen, reicht meistentheils der Anbau des Bodens. Herrn Swinhoe war es vergönnt, diesen Distriet in der Nähe zu sehen, und zwar nicht blofs an einer Stelle; aufserdem warf er auch einen Blick weiter hinein in das Innere von Formosa. Was er zunächst bei dem Städtchen Hongsan sah, erzählt er mit folgenden Worten:

„Sobald wir das Gestade hinaufgegangen waren, wurden wir durch den Anblick schmaler Wege erfreut, an deren beiden Seiten Gärten lagen, welche von Stechpalmhecken eingefalst waren. Auf diesen We- gen liefen Wagengeleise hin; doch waren sie nicht lang und mündeten auf Reisfelder. Die Hütten der Dorfbewohner waren meistens aus Thon und Holz gebaut und mit Stroh gedeckt. Alles Holz, was zum Bauen verwendet wird, ist vom Kampferbaum, auch das, was als Brenn- material und zu anderen Zwecken dient. In dem Städtehen Hongsan selbst gab es nur, mit Ausnahme der Wirthshäuser, sehr wenige Ge- bäude, welche aus Backsteinen erbaut und mit Ziegeln gedeckt waren.*

Aufser Hongsan sah Herr Swinhoe noch die schon öfters erwähnte Ortschaft Lo kong, d. h. Kampferhafen. Er berichtet, wie er sich auf einem seiner Ausflüge landeinwärts, dessen wir noch weiter unten ausführlicher gedenken werden, in der Lage befand, sich nach einem Obdach für die Nacht umzusehen. „Aus diesem Grunde“, schreibt er, _ „vertraute ich mich den Händen eines Eingeborenen, der sich nach _ dem Kampferdorfe (Lo kong) begeben wollte. Er führte mich auf einen -_ wohlunterhaltenen Feldweg '), an dessen beiden Seiten Reis- und Kar- toffelfelder lagen, und über zwei aus einzelnen Bohlen gebaute Brücken, _ von denen ich die eine, als ich sie mals, 24 Schritte lang, eine Elle breit und (die Bohlen) 8 Zoll dick fand. Nachdem wir in dem Städt- chen angekommen waren, welches von einer Mauer umgeben ist, wurde _ ich in die Wohnung eines Kampferhändlers geführt, der mich wegen

!) Im englischen Text steht country road, was ich deshalb mit Feldweg über- ‚setzt habe, weil die an diesem Wege gelegenen Brücken durch ihre geringe Breite von nur einer Elle beweisen, dafs es keine Strafse für Fuhrwerk war. Denn selbst _ die noch weiter unten zu beschreibenden Räderkarren, welche von einem Ochsen, mit einer Kuh an beiden Seiten, gezogen werden, sind wahrscheinlich breiter, als dafs sie so schmale Brücken sollten passiren können, wollte man auch annehmen, dafs beim Uebergang über dieselben die beiden Zugkühe abgespannt werden. B.

422 Zur Kunde

herein !). Als er aber vernahm, dafs ich aus dem Hafen käme, wurde seine Furcht etwas beschwichtigt, und er lud mich ein, in sein Privat- zimmer zu treten. Aber die Leute vor der Thüre machten einen sol- chen Lärm, dafs er mir rieth, wieder hinaus zu gehen und mich ihnen zu zeigen, was ich auch that.“

Bei dieser Gelegenheit erfabren wir auch, wie es in den Strafsen des Städtchens aussah, denn Herr Swinhoe fährt fort: „Wir schlender- ten durch die Stralsen, besahen die Holzlager, wo grofse Haufen von Kampferholz, das bereits in Bohlen zersägt war, aufgestapelt lagen. In anderen Verkaufsläden waren Tische und kleine Schränke, aus dem- selben Holze verfertigt, ausgestellt, wie auch Schüsseln und Wasch- näpfe, von denen die Bootsleute unseres Fahrzeuges aus Amoy eine Menge kauften. Wir kamen an einem Yamun (einem Rathhause) vor- über, der Mandarin war aber abwesend; und nachdem wir in einem grofsen Gasthause Thee getrunken hatten, kehrte ich zurück, um mit meinem Hauswirthe zu Mittag zu speisen.“

Am folgenden Morgen machte Herr Swinhoe noch einen Gang durch das Städtchen. „Wir sahen,“ berichtet er, „mehrere Felle, wel- che aufsen vor der Thür eines Verkaufsladens aufgehängt waren. Die meisten waren Felle von wilden Katzen, nur eins gehörte einem bor- stigen Ameisenfresser an. Eine sehr niedliche Schwalbenart nistete an den Dächern der Kampferholz-Schuppen, offenbar wenig achtend auf den Alles überwältigenden Geruch dieses Holzes.*

So war der Anblick der Culturdistriete an der Küste und ein wenig weiter landeinwärts, welche Herr Swinhoe durchwanderte. Eine wei- tere Fernsicht liefs ihm die Berge mit einem natürlichen Wiesenteppich bedeckt erscheinen, auf welchem Thiere weideten. An diesen Wiesen fand sich keine Spur von Anbau. Aber die ausgedehnte Ebene zwi- schen der Küste und den an ihren Abhängen mit Gras überzogenen Bergen war mit Reis, Kartoffeln u. s. w. bepflanzt. An den Berghöhen entlang zog sich eine schöne Militairstrafse, welche 10 Fufs breit war, von Teksan nach Lokong; „ehe sie jedoch den letzteren Ort erreicht, mündet sie in die sandige Stralse, die von Westen herkommt“ ?).

') An einer anderen Stelle seines Berichts, wo er das Städtchen Hongsan be- schreibt, sagt Herr Swinhoe: „Die Eingeborenen (natives, was doch wohl nicht blofs von den Bewohnern von Hongsan, sondern von den Formosanern überhaupt zu ver- stehen ist) waren ungewöhnlich höflich und gewandt und zeigten nichts von jener rohen und lästigen Neugierde, welche der grofsen Menge an der gegenüberliegenden Küste (d.h. auf dem Festlande von China, zunächst in Amoy) eigen ist.“ In Lo- kong, wohin wahrscheinlich noch viel seltener Fremde kommen, als nach Hongsan, scheinen die Leute doch zudringlicher gewesen zu sein. B.

2) Diese Militairstrafse ist ohne Zweifel die schon oben erwähnte, von der es dort hiefs: sie winde sich im Süden von Hongsan über einen sandigen Hügel nach

Lokong. Da nun Lokong südlich, Teksan dagegen nördlich von Hongsan liegt (wie

der Insel Formosa. 423

Zwischen die Gebirge hinein in das Innere der Insel drang Herr Swinhoe freilich nicht, aber er unternahm doch Ausflüge, welche ihn fast eine deutsche Meile weit von der Küste entfernten. Von einem derselben, wobei er zur Rechten hin dem Laufe des Flusses folgte, des kleinen Flusses, der bei dem Städtchen Hongsan sich in’s Meer ergielst, erzählt er: „Ich gelangte, etwa 4 englische Meilen von der Küste, auf eine anmuthige Ebene, auf der sich mehrere, von verschiedenen Ort- schaften herkommende Wege kreuzten. Etwas weiter nach den Bergen hin war diese Ebene von einem niedlichen Bambusgebüsch eingefafst, und ein Blick auf die im Winde zitternden Blätter in das tiefer liegende Thal gewährte eine wirklich ganz entzückende Aussicht. Mehrere Mei- len weit dehnten sich wohl abgegrenzte und sorgfältig angebaute Reis- felder aus; hie und da schauten die Wohnungen ihrer Bebauer freundlich aus anmuthigen Baumgruppen hervor, eine Reihe mittelhoher Hügel umsäumte den Hintergrund der Ebene, darüber ragten die Berge empor in blauer Ferne.“

Ein weiteres Vordringen in das Gebirge bis zu einer Kampfer- baumwaldung wurde Herrn Swinhoe leider verwehrt. Als er seinem wohlwollenden Hauswirthe in Lokong diesen Wunsch ausdrückte, rieth ihm derselbe dringend davon ab. Denn die in der Nähe der Wälder wohnenden Leute, ein Mischvolk von Schwarzen !) und Cantonesen, lägen mit einander beständig in Streit, und wenn sie ihn überfallen und milshandeln würden, so wäre die Folge, dafs die Mandarinen dann dem Hauswirth den Unfall zur Last legen und ihn wegen der Auf- nahme eines Fremden bestrafen würden. Herr Swinhoe gab deshalb

sein Vorhaben auf und begnügte sich damit, sich die Gewinnung des Kampfers und die Bearbeitung des Kampferholzes erzählen zu lassen ?).

_ gleichfalls oben erwähnt worden), so führt die Strafse zwischen Teksan und Lokong _ über Hongsan hinweg. Herr Swinhoe sah an dem Tage nach seiner Ankunft in Hongsan ein angeblich 1200 Mann starkes Soldatencorps, „von welchem die Meisten von Teksan herabgekommen waren‘‘ also jene an den Berghöhen entlang führende Militairstrafse zurückgelegt hatten nach einem „Pokong‘‘ genannten Orte abmar- schiren, um eine aufrührerische Bande von Cantonesen zur Ruhe zurückzubringen. B. !) Von einer „sehr grofsen schwarzen Race der Aboriginer‘“ auf Formosa be- _ riehten auch die Holländer und Fr. Valentyn. Vergl. Ritter a. a. O. S. 879. Ebenso ' stammen die Fehden zwischen den Urbewohnern und den chinesischen Ansiedlern aus alter Zeit. Die letzteren haben zwar die Urbewohner der Westseite der Insel unter- _ worfen; von diesen sind aber die Urbewohner der Ostseite zu unterscheiden, welche ihre Unabhängigkeit bis heute behauptet haben. Uebrigens ist die Unterwerfung der Aboriginer im Westen auch keineswegs vollständig; diese sind sehr zu Aufständen geneigt, und der Kaiser von China ist genöthigt, stets eine starke Besatzung auf der - Insel zu halten. (Vergl. W. Williams 1. c. Vol. I, p. 118.) B. - 2) Der bereits mehrfach erwähnte Kampferbaum ist Laurus Camphora Linn., - den namentlich Kämpfer beschreibt. Er erreicht die Höhe der gröfsten Linden und hat einen graden Stamm von beträchtlichem Umfange, eine sehr rissige und leicht _ ablösbare Rinde, kahle grade aufsteigende Aeste und auf zolllangen Stielen in ab-

BDA: Zur Kunde

„Ist ein Baum gefällt worden, so werden die besten Stücke in Bohlen zersägt, das übrige wird klein gehauen und ausgekocht. Der so ge- wonnene Kampfer wird auf Räderkarren nach dem Städtchen gebracht, wo man ihn in grofsen Fässern, die neben einander auf dem Hofe la- gern, aufbewahrt. Jedes Fals ist mit einem runden Deckel verschlossen, der von einer hölzernen Stange, welche durch die beiden Handgriffe des Fasses hindurchgeht, niedergehalten wird. Nach einem Regen- schauer werden die Fässer auf die Seite gewendet. Wird ein Auftrag gegeben, so wiegt man den Kampfer aus den Fässern in Säcke, von denen jeder 1 Pikul fafst und mit 9 Dollars bezahlt wird; die Waare ist von bester Güte und sehr weils.“

Aufser dem Kampfer nennt Herr Swinhoe keine anderen Producte; wir dürfen deshalb auf das von Ritter a. a. O. $S. 871 u. f. darüber Mitgetheilte verweisen. Dagegen stellte er über die Vögel auf Formosa genauere Beobachtungen an; die meisten erschienen ihm dieselben, welche zu Amoy angetroffen werden, einige waren ihm aber völlig neu und auf andere wurde er erst später auch in der Umgegend von Amoy aufmerksam und fand sie dort heimisch. Zu letzteren gehörte die Schwalbe, deren Nester er an den Kampferholz-Schuppen zu Lokong antraf; er sagt von ihr: „ihr Nacken und ihr Rumpf waren an den Seiten ziegelroth und ihre Brust schwarz gestreift.“ Später schofs er sie auch in der Nähe der Stadt Tschangtschau in der Umgegend von Amoy. Ferner gehörte dazu eine Species Edolius, einen Fufs lang, mit ganz grünlich schwarzem Gefieder und einem sechs Zoll langen, tief gabelförmig gespaltenem Schwanze; bei den Eingeborenen wurde dieser Vogel Otsew genannt. Er wurde ebenfalls später von Herrn Swinhoe in der Nachbarschaft von Amoy bemerkt. Endlich fand sich auch noch eine Species Regenpfeifer, die auch in Amoy während des Winters häufig vorkommt. Ausschliefslich auf Formosa heimisch er- schienen ihm folgende Arten: ein kleiner niedlicher Vogel, den die Eingeborenen Mangtang nennen, womit man in Amoy den Schneider- vogel bezeichnet, dem dieser auch nahe verwandt schien; er war von brennend gelber Farbe, mit schwarzen Sprenkeln; in den flachen Ge- genden kam er sehr häufig vor und sein wie Glockenton klingender Gesang, bei dem er in der Luft mit ausgebreiteten Flügeln sich wiegte, machte einen angenehmen Eindruck. Von zwei Drosselarten hatte die eine eine dunkel orangefarbige Brust und ganz das Ansehen von Tur-

wechselnder Reihenfolge immergrüne herabhängende Blätter. Er gehört zur Ordnung der Proteinen (Bartl.) und zur Familie der Laurineen oder Lorbeerbäume. Weiteres über diesen Baum, die Gewinnung des Kampfers, den Handel mit demselben etc. siehe in Eichelberg „Naturgetreue Abbildungen und ausführliche Beschreibung aller in- und ausländischen Gewächse ete. Zürich 1845.“ S. 152 ff. B.

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der Insel Formosa. 425

dus; die andere glich dagegen der bei den Chinesen Hwa mei (Turdus perspicillatus) genannten Species, nur war das Gefieder nicht so reich an Farben und mit zahlreichen dunklen Streifen geziert. In dem Ma- gen der einen von diesen, welche Herr Swinhoe geschossen, fand er den Schenkel eines kleinen Vogels, woraus er schlofs, dafs diese Spe- - eies den Würgern nahe verwandt sei. Ein 8 Zoll langer, dem Baum- - läufer (Certhia europaea) an Farbe ähnlicher Vogel hatte einen 4+ Zoll | langen, dünnen Schweif; eine gelbe Species, die nur 6 Zoll lang ist | und in Amoy vorkommt, war auch auf Formosa häufig. Ein anderer, |

WW. E22 TEL EEEBE, WESEL. EEE SEE RE

der Certhia hortensis ähnlicher Baumläufer, der beinahe 7 Zoll in der Länge mals, hatte einen rothen Federbusch auf dem Kopfe. Ein Pie- per, vielleicht mit Anthus spinoletta identisch, zeichnete sich durch seine rostfarbige Brust aus. Aufserdem fand Herr Swinhoe noch das Nest eines kleinen zwitschernden Calamodyta, konnte aber des sehr schnellen Vogels selbst, sowie mehrerer anderer Arten, die er noch sah, nicht habhaft werden.

Wild schien zur Zeit, als Herr Swinhoe sich auf Formosa auf- hielt, nur sparsam vorhanden zu sein; doch lagen Anzeichen vor, dafs im Winter eine Jagd recht ergiebig ausfallen könne. „Einige Strand- läufer zögerten, wie wenn es ihnen unlieb wäre, den Ort, wo sie den Winter zugebracht, zu verlassen. Mehrere Regenpfeifer in ihrem Sommer- gefieder liefen über den Sand, wahrscheinlich um in den Sandhöhlen längs der Küste ihr Nest zu bauen.“ Für neu hielt Herr Swinhoe die eine Art der letzteren, mit gelben Beinen und einem orangefarbenen Bande, welches das Auge einfalste, die dem Sand-Regenpfeifer (Cha- - radrius hiaticula Linn.) nicht unähnlich war; die andere Art dagegen kam, wie oben schon erwähnt, auch bei Amoy vor.

Von dem Geschlechte der Amphibien gab es eine grolse Eidechse und eine Schlange, beide zahlreich; sie wurden aber nicht näher be- obachtet. Von einem sehr grofsen Python erhielt Herr Swinhoe die Haut; der Kopf fehlte daran; es mals 14 Fufs in der Länge.

Unter den Hausthieren gedenkt Herr Swinhoe nur des Büffels und zwar als eines Zugthieres. Bei dieser Gelegenheit giebt er eine genaue - Beschreibung der seltsamen Räderkarren, welche von den Eingeborenen "zum Waarentransport gebraucht werden. Schon Lindsay und Gützlaff bemerkten diese Karren. „Aus dem Innern der Insel,“ schreibt Ritter -a.a.0. S. 874 u.f. bei Erwähnung ihres Reiseberichts, „brachten sehr viele Räderkarren mit Büffeln bespannt die Landesproducte herbei, die "in Magazinen von Bambus, mit Matten umhängt und gedeckt, aufge- häuft, dann auf die Dschunken verladen wurden.“ Von diesen Karren sagt nun Herr Swinhoe: sie waren in sehr kunstloser Weise gebaut ' und bestanden aus alten, mit Pflöcken verbundenen Bohlen, die einen

426 Zur Kunde

viereckigen Kasten bildeten. Die an dem hinteren Ende dieses Kastens befindlichen beiden Bohlen werden herausgenommen, wenn man den Karren beladen will. Vorn befindet sich ein Brett für den Fuhrmann, der nach Belieben sitzt oder steht. Der Kasten ruht auf zwei aus dickem Kampferholz gemachten Rädern. Auf jeder Seite desselben ist eine Deichsel befestigt; dazwischen wird gewöhnlich ein Büffel (water buffalo) gespannt, neben welchem an beiden Seiten eine Kuh mit einem langen, um den Nacken des Thieres geschlungenen Seil an dem Wa- gen befestigt ist. Diese sonderbar aussehenden Fuhrwerke bewegen sich langsamen Schrittes über die unebenen Strafsen und schleppen sich die sandigen Berge hinauf. Das Kreischen ihrer Räder, so unan- genehm es sich auch in der Nähe anhört, gleicht in einiger Entfernung dem anmuthigen Klange der Glocke einer Dorfkirche.“

Ueber die Bewohner Formosa’s selbst sind Herrn Swinhoe’s Mit- theilungen sehr dürftig. Er traf natürlich nur mit den chinesischen An- siedlern und den von diesen unterworfenen Eingeborenen, die zum Theil selbst Chinesen geworden sind, zusammen. Des gastfreien Kaufmanns in Lokong ist bereits gedacht worden; derselbe sprach den chinesischen Mandarin-Dialekt. Ebenso wurde des gefälligen „Eingeborenen* er- wähnt, der Herrn Swinhoe nach Lokong führte; ob das ein Chinese oder ein ächter Formosaner gewesen, läfst sich aus dem Zusammen- hange nicht mit Bestimmtheit ersehen. Anders von Charakter als diese beiden Männer scheinen die Bewohner in Lokong gewesen zu sein, die mit ihrer grolsen Zudringlichkeit Herrn Swinhoe plagten; sie betrugen sich darin gerade so, wie die Chinesen, woraus wir schliefsen möchten, sie hätten vorzugsweise den chinesischen Ansiedlern auf Formosa an- gehört. Die „Eingeborenen“ in Hongsan ob chinesische Einwanderer oder ächte Formosaner, ist nich? zu entscheiden, doch wahrscheinlich erstere rühmt Herr Swinhoe wegen ihres wohlerzogenen und höf- lichen Betragens, sie besafsen nicht die bei den Festlands-Chinesen so lästige Zudringlichkeit. „Ihre Sprache war die, welche in Amoy ge- sprochen wird, mit sehr wenigen Abweichungen, was wahrscheinlich von ihrer Vermischung mit Leuten aus den verschiedenen Distrieten von Fukian herrührt.* In fortwährendem Frieden leben die eingewan- derten Chinesen mit den Formosanern indessen nicht. „Ungeachtet der Zahl der ersteren,“ sagt Ritter a. a. O. 8.875, „und der starken Mann- schaften, die zu ihrem Schutze auf der Insel garnisoniren und stets in Fehde mit den Urbewohnern stehen, haben sie diese doch bis jetzt nicht bändigen oder überwältigen können.* Auch an dem gegenwär- _ tigen Bürgerkriege haben sich die Formosaner durch einen Aufstand wider die Mandschu-Dynastie im Jahre 1852 betheiligt, der aber wie- der gedämpft worden. Herr Swinhoe fand indessen von den Kämpfen

der Insel Formosa. 427

auf der Insel noch unverkennbare Spuren. „An der Küste,“ erzählt er, „lagen die bleichenden Gebeine der Aboriginer, die in einem Ge- fechte mit den Chinesen gefallen waren. Eines Schädels versicherte ich mich, der augenscheinlich einer jungen Person angehört hatte, was deutlich an der vollen Zahnreihe zu erkennen war. Die Vorderzähne traten sehr hervor und das Kinn bog sich nach innen, die Stirn war sehr schön entwickelt. Ich würde noch mehr von den Schädeln mit- genommen haben, wäre es nicht so, schwierig gewesen, sie unbemerkt an Bord zu bringen.“

Mit dem Schlufs von Herrn Swinhoe’s Berieht, der noch einen Wink giebt über die zwischen Formosa und dem Festlande von China herrschende Strömung, mögen auch diese Mittheilungen schliefsen. „Nachdem wir unsere Ladung eingenommen hatten, verliefsen wir den Hafen und steuerten nach Amoy; und obgleich unserer Lorcha Bug- spriet gerade nach unserem Ziele hinwies, so fanden wir doch am näch- sten Morgen, dafs die Strömung uns so weit hinauf, wie Ocksew liegt, getrieben hatte.* Ocksew sind ein paar Klippen unter 25° N. Br., also um einen halben Breitengrad nördlicher als Amoy ').

!) Stellen wir die an der Westküste Formosa’s bekannten Punkte zusammen, so erhalten wir, von Süden nach Norden, folgende Reihe:

Südeap der Insel .. . 21° 53' 30” nach Broughton, Saracen’s Point ... .. 22° 36'15” - Richards, Hafen Takaucon neben dem vorigen,

Aftenberg ...... . 22° 38’ 3” nach Richards, Hafen Taiwanfu .. . 23°

Hafen Cocksieon .... 23° 5’ 22” nach Richards, Hafen Tan schuy kiang 23° 25’ - La Perouse, Hafen Wuteaou kiang 23° 38’ - Gützlaff, Tschung kong, 12 Seemeilen südlich von dem folgenden, Klanpsams. uk. 24° 44' nach Swinhoe, Teksan, 13 Seemeilen nördlich von dem vorigen, NGrdcap nee, 25718.

Die vier Flüsse, deren Richards zwischen dem Affenberge und Taiwan gedenkt, _ sind wol dieselben, die v. Siebold auf seiner Karte Rivier Vantin, Canaal van Jockan, Versche Rivier und Zout-Rivier nennt. Hongsan scheint der Bucht zu entsprechen, _ die Siebold als „‚de Lockbaai‘ bezeichnet. Den Affenberg setzt dieser Gelehrte um mindestens 10 Minuten südlicher als Richards.

' Auf der Karte des Stillen Oceans in 11 Blättern sind aufser Taiwan noch verzeich- net: Mattau (bei v. Siebold: Matua) etwa unter 23° 28’; Gilim unter 24°; P. Teuk- cham unter 24° 40'; endlich südlich vom Nordcap der Hafen Tamsuy, den auch Sie- bold unter dem Namen Tamisuy kennt. K.N.

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XV, Ueber Erosionsformen der indischen Flüsse.

Von Robert Schlagintweit.

Zu den Erscheinungen, die den Lauf grofser tropischer Flüsse charakterisiren und die bei europäischen Flüssen zwar nicht gänzlich fehlen, aber doch nur sehr unvollkommen entwickelt sind, gehören die bedeutenden, in den verschiedenen Jahreszeiten periodisch wiederkeh- renden Veränderungen ihrer Wasserfülle, die Quantität ihrer Suspen- sionen und insbesondere die überraschende Mächtigkeit ihrer Erosionen. Die Erosion der Flüsse besteht darin, dafs sie ihr Bett stets tiefer graben und so von der allgemeinen Oberfläche langsam, aber stetig herabrücken.

Gerade die Erosion ist es, welche in den indischen Flüssen, so- wohl in ihrem unteren Laufe in den Ebenen, als besonders in ihrem mittleren und oberen im Gebirge, im Himalaya und in Tibet, auf das Höchste und Allgemeinste entwickelt ist. Wenn richtig erkannt und bestimmt, hat sie noch überdies das Interesse, dafs sie wichtige Anhalts- punkte zur Erklärung vieler geographischer, geologischer und physi- kalischer Verhältnisse giebt.

Ehe ich jedoch einige von den zahlreichen Phänomenen anführe, die theils im innigen Zusammenhange mit der Erosion der Flüsse stehen, theils eine unmittelbare Folge derselben sind, erlaube ich mir, die Mächtigkeit und allgemeine Ausdehnung der Erosion indischer Flüsse durch einige Beispiele und Zahlen zu erläutern.

Am grölsesten ist die Erosion im oberen Laufe der Flüsse, im Gebirge. Doch auch in den Ebenen ist sie allgemein erkennbar, und sie erreicht auch hier nicht selten die Grölse von 80 bis 120 Fufs.

Im Himalaya und in Tibet aber beträgt die mittlere Gröfse der Erosion der Flüsse, selbst der kleinen, 1200 bis 1500 engl. Fufs, doch übersteigt sie häufig 2000 Fufs und erreicht in einigen Fällen, wie in dem oberen Laufe des Ganges, des Satledsh und des Indus sogar die erstaunliche Gröfse von 3000 Fufs, oder, um mich allgemeiner auszu- drücken: es war ursprünglich das Bette eines jeden dieser Flüsse 3000 Fufs höher gelegen, als jetzt, und jeder dieser Flüsse hat eine Schicht theils festen Gesteins, theils Alluviums von einer Dicke von 3000 Fufs entfernt.

Ueber Erosionsformen der indischen Flüsse. 429

Diese Gröfsenverhältnisse waren so überraschend und die Wir- kungen der Erosion waren überhaupt ein so neuer Gegenstand der Untersuchung, dafs wir anfangs viele Schwierigkeiten hatten, diejeni- gen Anhaltspunkte zu finden, die uns bei der definitiven Bestim- mung der Gröfse der Erosion leiten konnten. Eine Zusammenstellung der verschiedenen topographischen Formen, die uns bei der Bestimmung der Gröfse als gut definirte Anhaltspunkte dienten, sowie eine kurze Besprechung des Werthes einer jeden dieser Formen dürfte nicht ohne Interesse sein.

Die wesentlichsten positiven Anhaltspunkte zur Bestimmung der Erosion sind:

Löffelförmig gerundete Auswaschungen an den Thalwänden, Ge- schiebe, theils verschieden, theils identisch mit den jetzt im Flusse vor- handenen (die oft in ebenen Flächen abgelagert sind), und zusammen- hängende Linien von Conglomeraten von Sand und Sülswassermuscheln längs den steilen Wänden der 'Thäler. Im Himalaya und in Tibet fan- den sie sich oft auf das deutlichste markirt in Höhen, welche 3000 Fufs das Niveau des jetzigen Flufsbettes überragten.

Bei den verschiedensten Flüssen, unter den mannichfaltigsten Ver- hältnissen, waren zwar nicht immer alle, aber doch stets einige der Formen vorhanden, die wir so eben als für Erosion charakteristisch anführten, so dafs es uns möglich war, fast an allen Stellen die Ero- sion direet zu messen und genauer zu bestimmen, als der Gegenstand es anfangs erwarten liefs.

In den Ebenen ist, wie bereits erwähnt, die Gröfse der Erosion

_ eine viel geringere, nämlich 80 bis 120 Fufs, aber die Form ist eine ganz verschiedene.

Vom Kaveri, Pener, Kistna und Godaveri, im Süden von Indien, sowie von den Flüssen Central-Indiens bis hinauf zur Ganges-Ebene haben alle Flüsse ein deutlich markirtes Erosionsbett, in dem zwei Stufen zu unterscheiden sind, die eine für die mittlere Höhe des niede- ren oder gewöhnlichen Wasserstandes, und die andere, das Regenfluls- bette, für das Maximum des Wasserstandes.

i Die Gröfse des Regenflulsbettes ist überraschend; sie beträgt im ‚unteren Laufe des Ganges, des Brahmaputra und des Indus mitunter 3 bis 4 englische Meilen, während das Bette für den mittleren Wasser- stand eine Breite von etwa einer englischen Meile hat. , Bemerkenswerth ist, dafs das Regenflufsbett an relativer Gröfse zunimmt, je kleiner das regelmäfsige Bett des Flusses ist.

Während 9 Monaten des Jahres läuft der Fluls in seinem regel- mälsigen Bette, während sein Regenflufsbett trocken liegt, und theils bei einigen Flüssen, wie vorzüglich beim Ganges und Dshamna, frucht-

ne

Dee mad 20 u 0.22

A

430 Robert Schlagintweit:

bare Ernten trägt, bei anderen hingegen, wie beim Indus und Satledsh, mit feinem Sande und Muscheln erfüllte, sterile Zonen längs den Ufern bildet.

Das Uebertreten des Flusses beginnt schon wenige Tage nach dem Beginn der Regenzeit; bei zunehmender Regenzeit wächst er so rasch, dafs sich bei aufmerksamem Beobachten, selbst ohne Instrumente, ähn- lich dem Steigen des Meeres zur Fluthzeit, von Stunde zu Stunde das Zunehmen des Flusses verfolgen läfst, bis er nach ununterbrochenem Regen sein regelmäfsiges Bett sowohl, als sein Regenflufsbett vollständig ausfüllt und nun eine Breite von 4 bis 5 engl. Meilen hat, eine Gröfse, die von manchen Flüssen selbst noch bei Weitem übertroffen wird.

In ähnlicher Weise, wie die grolsen Flüsse, füllen sich die klei- nen; da aber, wie ich oben bemerkte, das Regenflufsbett um so grölser ist, je kleiner der Flufs, so entstehen jetzt unpassirbare Ströme, wo vor einigen Tagen kleine, kaum zolltiefe, mit Wasser erfüllte Canäle standen.

So lange der Flufs nur sein Regenflufsbett erfüllt, es mag 4 oder 5 Meilen breit sein, ist dieses Steigen noch keine Ueberschwemmung geworden. Die Wassermenge ist ganz zwischen den beiden Seiten des Regenflufsbettes eingeschlossen. Eine Ueberschwemmung tritt erst dann ein, wenn der Flufs, angeschwollen durch ungewöhnlich stark anhal- tende Regengüsse oder durch stärkeres Schmelzen des Schnee’s im Gebirge, sein von hohen Uferbänken eingeschlossenes Regenbette über- tritt und nun seeartig die angrenzenden Flächen bedeckt.

Verschieden von den Flüssen Europa’s sind zerstörende Ueber- schwemmungen in den meisten indischen Flüssen selten.

Der Anfang der Delta-Bildung liegt da, wo die periodischen An- schwellungen des Flusses die volle Höhe des Regenbettes etwas über- schreiten. Hier sind Ueberschwemmungen, aber ungefährlicher Art, regelmäfsig jährlich wiederkehrend, wie z. B. südlich von Dakka und Berhampur im unteren Bengalen.

Aber im oberen Theile fast aller grofsen Stromgebiete finden nicht regelmäfsig, sondern nur zuweilen Ueberschwemmungen statt, die eben so rasch eintreten, als sie zerstörende Wirkungen hinterlassen. Eine der gröfsten Ueberschwemmungen war längs des Indus im Sommer 1856, in seinem mittleren Laufe zwischen Dera Ismael Khan und Mithankot, wo der Flufs eine Breite von nahezu 7 engl. Meilen erreichte, sein eigentliches Regenflufsbett 2 Meilen an Breite ausdehnend, und wo ich im Winter 1857, noch nach 6 Monaten, in Pfuhlen und Canälen, die _ der Indus beim Zurücktreten hinterliels, ergiebigen Fischfang an Stellen betreiben sah, auf denen seit Jahren nur Saaten gestanden.

Dafs die Phänomene der Erosion in den Ebenen ähnliche Erschei-

Ueber Erosionsformen der indischen Flüsse. 431

nungen in Europa so vielmal übertreffen, läfst sich hier durch die

Gröfse der Wassermasse und durch die periodische Anhäufung dersel-

ben zu einzelnen Jahreszeiten genügend erklären.

Schwieriger jedoch ist die Erklärung der ungeheuren Erosionen in den Gebirgen im Norden von Indien. Im Himalaya selbst ist die Regenmenge eine der wesentlichsten Ursachen, aber hier sowohl als in Tibet verbindet sich damit die Enge und Steilheit der Thäler, die Wirkung aulserordentlich zu steigern. Dadurch geschieht es, dafs die ganze ero- dirende Kraft der niedergeschlagenen Wassermenge in der Mitte der Thäler gut definirt sich concentrirt. Wasserfälle und Süfswasser-Seen sind, wo sie immer vorkommen, nur möglich, so lange die Erosion ein

| gewisses Maximum noch nicht erreicht hat. Im Himalaya und in Tibet

} fehlen beide. Sülswasser-Seen sind durch die immer fortschreitende Erosion entleert worden, wie zahlreiche, jetzt trockene Seebetten zei-

gen; in manchen Fällen hat später die Verdunstung, nachdem so viele

Wasserfälle aufhörten zu existiren, so sehr zugenommen, dafs die noch

übrig bleibenden Seen anfangen, salzig zu werden.

Wasserfälle haben ebenfalls früher bestanden, aber jetzt sind die Seitenthäler in den unteren Theilen so nahe gleich dem Niveau der Hauptthäler geworden, wo die Erosion der geringeren Neigung wegen verhältnifsmäfsig langsamer fortschreitet, dafs sich die Nebenflüsse mit den Hauptströmen kaum durch Stromschnellen vereinigen.

Dieses allmähliche Entstehen von Thälern, deren Sohle sich um Tausende von Fulsen tiefer gelegt hat, mufs natürlich auch auf die phy- sikalischen Verhältnisse von dem gröfsten Einflusse gewesen sein.

Ich fürchte meinen Gegenstand zu weit auszudehnen, wenn ich _ mehr als andeute, worauf ich vielleicht später Gelegenheit haben werde zurückzukommen, und ich nenne hier zum Schlusse als die wesent- lichen Folgen der Erosion nur: Temperatur-Erhöhung, thermische Wir- kung der längs steilen Wänden thalaufwärts ziehenden Luftströme, Veränderung der Feuchtigkeitsverhältnisse und die mit ihnen so wesent- lich zusammenhängenden Veränderungen in der Vertheilung der Vege- tation und Ausdehnung der Gletscher.

432

XVI.

P. Semenow’s Forschungen im Alatau und Thian Schan.

(Aus einem Briefe Semenow’s an Carl Ritter, d. d. Semipalatinsk, den '#. October 1857.)

Mit herzlicher Freude habe ich die Ehre, Ihnen zu berichten, dafs in diesem Augenblicke meine Reise nach Central- Asien, die schon in den Jahren 1853—55, als ich die Ehre und das Glück hatte, Sie per- sönlich kennen zu lernen, das Ziel meiner sehnsüchtigen Wünsche war, jetzt vollendet ist.

In zwei Sommern ist es mir gelungen, so weit vorzudringen, wie es bei den jetzigen Verhältnissen Central- Asiens dem unternehmend- sten russischen Reisenden möglich ist. Im Sommer 1856 besuchte ich zuerst einen Theil des westlichen Altai und ging später über Semi- palatinsk, Ayagus, Kopal bis nach Almaty, einer russischen Colonie in der Transilensia (Zailisky krai), am Fufse des hohen Transilenser Ala- tau’s '). Von da aus ist es mir gelungen, ganz glücklich drei sehr ge- wagte Ausflüge zu Stande zu bringen, nämlich: 1) zum Ostende des Issyk-kul’s, 2) zum Westende desselben, 3) nach Kuldja am Li ?).

Da ich mich von der Zugänglichkeit dieser Gegenden überzeugt hatte, falste ich den bestimmten Entschlufs, im nächsten Sommer bis in’s Innere des Thian Schan vorzudringen. Bis zum Santasch, einem Plateau-Passe zwischen der Karkara (Zuflufs des Di) und dem Tüb (Zufluls des Issyk-kul), ging es ziemlich leicht, allein von da aus war meine Reise in Folge eines blutigen Zwistes zwischen zwei mächtigen Buruten-Stämmen (der eine, Bogu, ist Rufsland ergeben, der andere, Sara-Bagisch, dem Khan von Khokand) sehr beschwerlich. Ich ging zuerst nach Westen, dem Fufse des Thian Schan folgend, längs des Dzirgalan-Thales und des Terskei (am Südgestade des Issyk-kul), wendete mich dann direet nach Süden, quer über das Gebirge, bis zum Gipfel des unter den Asiaten berühmten Zauku-Passes. Hier erreichte

') Almaty ist der einheimische Name des Ortes, den die Russen Wjernoje ge- nannt haben. Er liegt südlich vom Balkasch, im Quellgebiet des Keskelen (Kasch- kaler), der sich von Süden her in den Ili ergiefst, nicht weit von der Mündung des- selben in den Balkasch. K.N.

2) Ueber die beiden ersten Expeditionen haben wir in dieser Zeitschrift N. F. Bd. II, S. 466 einen Bericht mitgetheilt.

P. Semenow’s Forschungen im Alatau und Thian Schan. 433

ich die am Ende Juni noch beeiseten kleinen Alpenseen, welche eine der Quellen des Naryn speisen und folglich als der nordöstlichste Aus- gangspunkt des Iaxartes-Systems zu betrachten sind. Die zweite Wan- derung, die mich in die wildeste Mitte des Thian Schan brachte, ging auch vom Santasch aus, nach Südosten, die Karkara aufwärts. Ich überstieg hier den Kok-djar-Wasserscheidepafs und besuchte die Quellen des Sary-djas, eines bedeutenden Zuflusses oder vielmehr Stammflusses des klein-bucharischen Aksu (System des Tarimgols und Lobnor). Der Versuch eines dritten Ausfluges, den Tekes !) aufwärts, mit der Absicht, den Mussart-Pafs und den Pe Schan zu erreichen, ist leider geschei- tert. Ich war dadurch genöthigt, am Ende Juli mich nach dem Innern des Transilenser Alatau zu wenden, um die Querpässe und Längen- thäler (Tschilik und Kebin) dieses mächtigen Gebirges zu erforschen. - Mitte August kam ich nach Almaty zurück und untersuchte noch flüch- tig die interessanten niederen Hügelketten des Ili-Thales und den süd- lichen Theil des dzungarischen oder Cisilenser Alatau’s. Im Monat - September, zum Schlufs der ganzen Reise, besuchte ich noch die Quellen der Lepsa am Nordende des dzungarischen Alatau’s, ging am westlichen Alakul vorbei, besuchte zwei Gebirgspässe des Tarbagatai und traf _ erst am 5. October in Ayagus ein.

Ohne Gehilfen und nur auf eigene Kräfte in der Erforschung der wildesten Thäler des Thian Schan und der beiden Alatau angewiesen, recht oft von milstrauischen und sogar feindseligen Völkerschaften um- ‘geben, kann ich mir natürlich nicht schmeicheln, mein ausgedehntes Reisegebiet gründlich erforscht zu haben; ich werde mich schon glück- ‚lieh schätzen, wenn diese Reise, die ich selbst nur als eine wissen- schaftliche Recognoscirung betrachte, sichere Wege und- Anhaltspunkte für eine spätere gründlichere Erforschung durch eine zahlreiche wissen- schaftliche Expedition liefert.

Meine Aufmerksamkeit war hauptsächlich auf die Gebirgspässe ge- wendet, auf hypsometrische Bestimmungen der Pässe, der Längenthäler, Plateau’s, Gletscher, Schnee- und Pflanzenzonen, auf die allgemeinen Züge des geognostischen und orographischen Baues der Gebirge und i ie vertikale und horizontale Verbreitung der Pflanzen. Meine Baro- irgisen-Steppe nicht aushalten, und ich fand mich genöthigt, mich init hypsometrischen Bestimmungen nach dem Siedepunkte des destillir- ten Wassers zufrieden zu stellen. Da ich aber meine Beobachtungen

sorgfältig zu wiederholen und zu vergleichen Gelegenheit hatte, glaube

4) Der Tekes ist einer der Quellflüsse des Ili. Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge, Bd. II. 28

A434 P. Semenow’s Forschungen

Im Ganzen habe ich eine bedeutende Anzahl Gebirgspässe erstie- gen und untersucht. Es sind nämlich folgende: A. Im Tarbagatai: n a Querpässe. B. Im dzungarischen Alatau:

3) Keyssyk - Aus

4) Aral-djel Querpässe der parallelen ©. W.-

5) Karakol Ketten.

6) Altyn ymel

7) Uigentas, Querpals der Haupt-NO.—SW.-Kette.

C. In der Transilenser Alatau-Nordkette:

8) Suok Tübe

9) Keskelen 10) Almaty 11) Tehin Bulak 12) Turghen-Arsy, Längenpals. 13) Turaigyr, Querpafs des niedrigeren östl. Flügels. 14) Seyrek-Tas, Querpals der Vorkette. 15) Dalashik, Querpafs einer parallelen Zwischenkette.

D. In der Transilenser Alatau-Südkette: 16) Dürenyn 17) Kurmety | 18) Shaty 19) Tabulgaty 20) Santasch, Längen- und Plateaupafs. E. Im Thian Schan:

21) Zauku, Quer- und Hauptpafs !). 22) Kok-djar, Quer- und Wasserscheidepals. 23) Tekes, Längenpafß.

Ich gebe hier die Höhenzahlen nicht an, da die Temperaturcor- rectionen noch nicht berechnet sind. Folgende runde Zahlen können Ihnen jedoch vorläufig eine genaue Idee über die plastische Beschaffen- heit der Dzungarei und Transilensia geben.

Querpässe der hohen Hauptkette.

Querpässe der hohen Hauptkette.

Par. Fufs 1) Alakul-Niederung . . “her. ‚über .. 600 2) Spiegel des Ili im Be äign a Mitte des Issyk-kul 1000 3) Tarbagatai-Päse . . ...3000 6000 4) Pässe der niedrigen Ausläufer FR; 0. BB ran. ketten im Dzungaren-Alatau . . . . . . 3500 4500

') Der Name dieses Passes ist im Manuscript überall deutlich so geschrieben; er ist ohne Frage derselbe, der bisher als Sanku-Pafls bekannt war. Vergl. A. von Humboldt’s Asie centrale II, p. 400 u. a. O. K.N.

im Alatau und Thian Schan. 435

Par. Fufs 5) Pässe der Hauptparallel-O.—W.-Ketten desselben 7500 6) Pafs der Haupt-NO.—SW.-Kette des dzung. Alatau 6000 7) Plateau’s und Längenthäler des dzungar. Alatau . 2000 4000 8) Ebene dicht am Fufse des Transilenser Alatau . 2000 3000 9) Pässe der hohen Mitte beider Transilenser Alatau- | Ketten, der ganzen Länge des Issyk-kul-Pla-

| teau’s entsprechend . . . 2.8000 9900 - 10) Pässe der Flügel des Transilenser HAlatäu . + 4700 7000 - 11) Wasserscheidepässe des Thian Schan . . . . . 10000 10600

12) Plateau’s und Längenthäler zwischen dem Thian Schan und Transilenser Alatau . . . . . 3400 6000

13) Längenhochthäler des Thian Schan . . . .. 8000 10000 14) Schneegrenze im Thian Schan und Thansitenser Alatau (Nordabhänge) . : 2 2 2... 11000 11500 15) Untere Gletschergrenze . . 9000 - 46) Obere Grenze der Baum- (Nadelhölzer-) REN 7500 7800 17) Obere Urück- (Aprikosenbaum-) Grenze . . 4000 - 18) Grenze (obere) der echten Steppenflora der Tura- tüschen ‚Niederung in wma 20,7% 0.7:2000 19) Spiegel des Issyk-kul . . . . .. .. . circa 4000 20) Gröfste Höhe, auf welcher Kollenkalkvärsteins- rungen im Thian Schan beobachtet wurden . 10000 Ich schlage die mittlere Höhe des Tarbagatai auf 4500 Par. Fuls, die des dzungarischen Alatau auf 6000, des Transilenser Alatau auf 8000, des Thian Schan auf 11,000 Par. Fufs an. Die schönen Gletscher des Thian Schan hatte ich das Glück zu erreichen: ich habe fünf grofse Gletscher gesehen. Weniger glücklich war ich auf dem Boden der vulcanischen Erscheinungen. Die Vulcane - Central-Asiens zu erreichen war doch, in den schwülen Tagen der Steppe, sowie in den Eisnächten des Hochgebirges, fortwährend mein _Lieblingstraum; vergebens aber sind meine Bemühungen dazu geblieben. Positiv kann ich nur versichern, dafs auf der Nordseite des Thian 'Schan, bis zu seinem Schneekamme, zwischen den Zauku- und Mussart- Pässen, weder Vulcane noch vulcanische Felsarten vorhanden sind. Was aufserhalb dieses Gebietes im Himmelsgebirge liegt, ist mir un- zugänglich geblieben, Ein Berg am Tekes, der Ulabas nämlich, den mir die chinesischen Grenzkalmüken (Turgut-Ölöt) als einen feuer- ‚speienden und beständig rauchenden angezeigt haben, trägt keine Spur weder von einer vulcanischen Thätigkeit, noch von einer vulcanischen elsart; er besteht aus Kohlenkalk, rothem und Grünsteinporphyr. Einen anderen Berg an den Quellen der Karagol- und Mussart-Flüls- F 28*

436 P. Semenow’s Forschungen

chen, Sümürül genannt, der auch für einen Vulcan ausgegeben wird, war ich im Begriffe zu erreichen und nur noch eine Tagereise davon entfernt, als eine Revolte gegen den mit mir befreundeten Sultan der Albanen, meine Karawane und wenig zahlreiche Kosakenescorte be- drohend, mich zum Rückzuge nöthigte. Nach den späteren Aussagen der gewandertsten Kirgisenjäger erwies es sich, dafs dieser Sümürül auch nichts Vulcanisches an sich hatte. Noch ein Berg war mir von den kaschgarischen Handelsleuten als ein Vulcan angezeigt. Er be- findet sich im Süden des Naryn, soll beständig rauchen (?), aus schwar- zen Felsarten bestehen, und heilst Bete Kara. Diesen Berg konnte ich, wegen der feindseligen Bevölkerung am oberen Naryn, nicht er- reichen. Vergebens habe ich auch nach einer Gelegenheit gesucht, bis zum berühmten Pe Schan vorzudringen. Bei den in Folge verschiede- ner Streitigkeiten gespannten Verhältnissen zwischen Rufsland und China konnte ich mich nicht so weit auf den chinesischen Boden wa- gen. Die chinesischen Grenzkalmüken kennen auch selbst die Namen Pe Schan und Eschik-Basch gar nicht. Es ist mir recht begreiflich, da die Stadt Ku-Tscha und der benachbarte Pe Schan viel weiter lie- gen, als man es nach unseren Kartenzeichnungen glauben würde. Es sind nämlich, wie es mir scheint, die Punkte des Pe-lu und Nan-lu gegenseitig stark verschoben, so dafs entweder die Hauptpunkte des Nan-lu zu weit nach Westen oder die des Pe-lu zu weit nach Osten gebracht sind. Ein Beweis davon ist, dafs in der Wirklichkeit die Quellen des Naryn dem Meridiane des Zauku-Passes, die Stadt Usch- Turpan dem Meridiane der Tüb-Quellen !), die Sary-djas- Quelle des Aksu-Flusses dem Meridiane der Tekes-Quelle entsprechen. Um die- sen Fehler zu berichtigen, mufs man, die respectiven Entfernungen der Naryn-Quelle, der Städte Turpan, Aksu und Kutscha beibehaltend, diese letzte bis zu dem Meridian der Kunges- Quelle (etwa 2 Längen- grade) verschieben, und dann wird es begreiflich, warum die östlichen Buruten, welche zuweilen die benachbarten Städte des Nan-lu (Usch- Turpan und Aksu) besuchen und bis zur chinesischen Mussart-Strafse nomadisiren, von der Stadt Kutscha kaum Etwas wissen und mit Be- stimmtheit behaupten, dafs diese von ihrem Lande sehr entfernt ist. Auf meine Vorstellung wird hoffentlich von der Regierung ein Astro- nom in die beiden Alatau ausgeschickt werden, um genauere Ortsbe- stimmungen anzustellen, welche der Kartographie des Landes eine sichere Grundlage geben werden.

Ueber die Urumtschi-Solfatara habe ich von Augenzeugen gehört,

!) In diesem Falle z. B. beträgt die Differenz auf den älteren Karten fast drei

Längengrade; um so viel war Utsch Turpan westlich von den Tübe- Quellen ange- setzt. K.N.

im Alatau und Thian Schan. 437

dafs es ein konischer Berg ist, von geringer Gröfse, der beständig - raucht, und ganz isolirt in einiger Entfernung vom Hochgebirge steht. Schwefel und Salmiak hatte ich Gelegenheit auf dem Markte von Kuldja anzuschaffen. Diese Producte kommen hierher aus den Umgegenden von Urumtsehi, Kutscha und Aksu, schon im verarbeiteten Zustande. Nur am Ende meiner Reise in der Transilensia ist es mir endlich ge- - lungen, nördlich vom Ili-Flusse, in der niedrigen Katu-Hügelreihe,

eine Art Solfatara, aber völlig erloschen, zu entdecken. Die Dämpfe | brachen offenbar aus Spalten hervor auf dem Boden eines Kesselthales. - Die Form dieses Thales ist von der charakteristischen Kraterform der Solfatara von Puzzuoli verschieden; die Spalten und die Wirkung der Dämpfe auf das Gestein haben mit dem, was ich in der Puzzuoli-Sol- fatara gesehen habe, Analogie, allein die krystallinische Felsart ist we- der Basalt noch Trachyt. Eine gründliche Analyse der von mir in _ dieser Localität gesammelten Producte und Felsarten wird die ganze Erscheinung in’s Klare bringen.

Um die klimatischen Verhältnisse des von mir untersuchten Lan- des zu erörtern, habe ich thermometrische Beobachtungen in Kopal, _ am Fufse des dzungarischen Alatau, veranlafst, und bin schon im Be- - sitze einer Jahresreihe. In Almaty, am Fufse des Transilenser Alatau, werde ich erst später dazu kommen. Alles, was ich persönlich oder _ durch Dolmetscher über die Ethnographie der Grossen und Schwarzen Horden (Kasak und Kirghiz oder Kara-Kirghiz) an Daten zu sam- meln vermochte, habe ich gesammelt. Mit dem Typus der Lebensart und den Sitten dieser Völkerschaften bin ich gut vertraut. Es wird Sie wohl interessiren, dafs ich unter den Kara-Kirghiz sehr viele blonde, rothbärtige, rothhaarige gefunden habe, dafs unter ihnen auch helle Augen vorkommen und dafs der Colleetiv-Name der Kirghisen der grolsen Horde (sie bestehen aus drei Tribus: Dulat, Alban, Djalair) -_ Usun ist. Sind es nicht Spuren der früheren Mischung blonder indo- germanischer Stämme mit den jetzt hier durch ihre Sprache und Sitten herrschenden ost-türkischen Völkern? ')

Das hiesige Grenzarchiv habe ich durchsuchen lassen, um alle Materialien für eine Geschichte unserer Verhältnisse mit dem Dzun- ren-Reiche im vorigen Jahrhundert zusammenzubringen. Es wird meiner Reisebeschreibung Stoff für ein paar nicht uninteressante Ka- itel geben und wohl auch einige geographische Data liefern. Marsch- outen, Notizen der Grenzbeamten, einzelne statistische Angaben habe

») Die „blonden Usün“* leben also noch in denselben Sitzen, in denen die älte- ten chinesischen Schriftsteller (Se ma thsian) sie kennen. Als die Yue tschi, im weiten Jahrhundert vor Chr. von den Hiungnu bedrängt, an die Ufer des Tli flüchte- , vertrieben sie von hier die Szü, und wurden Nachbarn der blonden Usün. K.N.

438 P. Semenow’s Forschungen

ich, wo sich Gelegenheit dazu bot, gesammelt und mich überhaupt be- müht „to pick out knowledge“, wie es die Engländer nennen. Mit dem besten Willen konnte ich aber keine vollstäudige Waaren- und Pro- ductenkunde Central- Asiens zusammenbringen. Eine solche Arbeit fordert einen viel längeren Aufenthalt in Semipalatinsk und Kuldja. Ein Mann, der in dieser Hinsicht recht viel wegen seiner Stellung und Localkenntnisse leisten könnte, ist unser ausgezeichneter Sinolog, Herr Zacharoff, russischer Consul in Kuldja. Er hat auch manches Wich- tige über die Geographie der Si-yu zusammengebracht, leider aber fast gar nichts veröffentlicht; er betrachtet die Schätze seiner sinologi- schen Wissenschaft von einem wenig liberalen Gesichtspunkte.

Was meine naturhistorischen Sammlungen betrifft, so zählt meine Felsarten-Collection über 300 Stücke, aufser den ziemlich zahlreichen Exemplaren von paläozoischen Versteinerungen, mein Herbarium 1000 Arten, worunter die Gebirgs-Phanerogamen-Flora des Thian Schan und Transilenser Alatau ziemlich vollständig vertreten ist. Zoo- logische Collectionen konnte ich in Ermangelung eines Präparators bei meiner eigenen Ungeschicklichkeit leider nicht zusammenbringen. Auf meiner zweiten Reise (1857) war ich zu meiner grofsen Freude von einem sehr geschickten akademischen Künstler (Maler Herr Koscharoff) begleitet und mein Reisealbum zählt eirca 100 Ansichten und Völker- typen, aufser einer guten Anzahl ethnographischer Zeichnungen. Vier- unddreifsig der schönsten und lehrreichsten Ansichten hoffe ich mit meiner Reisebeschreibung ausgeben zu können. Besonders gut vertreten in dieser ausgewählten Collection sind die malerischen, grofsartigen Ansichten des Issyk-kul’s, die Hochthäler und herrlichen Gletscher des Thian Schan und die wahrhaft erhabene Gruppe des Tengri Khan. Ich möchte fast bezweifeln, dafs die Bogdo-oola- Gruppe viel höher als der Tengri Khan ist. Die Berner Alpen vom Faulhorn, die Montblanc- Gruppe vom Mont Anvert betrachtet erscheinen viel weniger majestätisch als der Tengri Khan vom 10,600 Par. Fuls hohen Kok-djar-Passe.

Zwei Tagereisen hinter mir war die obere Grenze der Baumvege- tation geblieben, die letzten Alpensträucher (Juniperus sabina, Spi- raea, laevigata, eine Potentilla, eine Salix-Art und eine sonderbare stachlige Caragana) waren auch verschwunden. Am letzten Nachtlager fror (Ende Juli) mein Zelt ganz starr zusammen, als ich zum ersten Male diesen erhabensten und wildesten Kamm des Thian Schan er- blickte. Unvergleichbar, unvergefslich ist dieses Hochgebirge, „beauti- ful and dreadful like a dream“ möchte ich sagen! h

Der östliche oder linke Flügel des Hochgebirges besteht aus der herrlichsten Schneegruppe, die ich jemals gesehen habe. Nicht weniger als zwanzig Schneegipfel, alle ziemlich gleich an Höhe, treten in einen

im Alatau und Thian Schan. 439

dichten Haufen zusammen, von oben bis unten in eine fleckenlose, blendend weilse Schneedecke gehüllt. Aus ihrer Mitte ragt majestätisch, unübertrefflich der wunderbarste Gipfel hervor, und klein im Vergleich mit ihm erscheinen die erhabenen Kolosse der Gruppe, da er dieselben - noch fast um die Hälfte seiner relativen Höhe überragt und eben so - blendendweifs und fleckenlos erscheint, trotz des steilen Fallens seiner | Abhänge. Wenn der ursprüngliche Name dieses Gipfels Tengri Khan

d.i. der König der Geister sein sollte, wie es mir die Kalmüken ver- sicherten, so ist derselbe trefflich und poetisch ausgewählt. In der - wunderbar dichten Gruppe dieser blendendweilsen Kolosse eine Welt erhabener Geister zu erblicken, ist eine schöne, poetische Vorstellung,

und der majestätische Tengri Khan stellt vortrefflich ihren ehrwürdigen

greisen König vor. Als ich zum ersten Male dieses Hochgebirge er-

blickte, und die einheimischen Namen der Berge nicht kannte, fiel mir das Bild des Alles königlich überragenden Schneegipfels so sehr auf, dafs ich ihn unwillkürlich mit dem Könige der Geister in der Wissen- schaft verglich und A. v. Humboldt’s Pik nennen wollte ein ‘Vergleich, der auf demselben Eindruck beruht, welcher die Kalmüken bei ihrer Namengebung leitete. Möchte auch meine Benennung als - eine der einheimischen analoge in der geographischen Terminologie Asiens eine bleibende Stelle finden und den weltberühmten Namen des grolsen Forschers von Central-Asien an das centralste Hochgebirge dieses Erdtheils fesseln ').

Es wird mich herzlich freuen, wenn ich recht bald die Gelegenheit hätte, Ihnen die schönen Ansichten dieser Gegenden persönlich in Berlin vorzulegen. Sie werden mich vielleicht durch Ihren gütigen Rath bei _ der Herausgabe meiner Reisebeschreibung unterstützen wollen, da ich aufser der russischen Ausgabe auch noch eine in einer andern Sprache herauszugeben beabsichtige: ob eine französische oder eine deutsche, _ sollen Sie entscheiden. Ich strebe nicht nach Ruf und möchte nur durch meine Beobachtungen und meine Reisebeschreibung der Erdkunde von Asien einen bescheidenen Tribut darbringen.

Ist die Bearbeitung dieser Beobachtungen und des von mir gesam- melten Materials in ein paar Jahren vollendet, so bin ich frei, aufs Neue eine grofse Reise nach Central-Asien zu unternehmen. Das wildeste der Sajaner Gebirge, das obere Jenissei-Thal und die Tangnu-Kette kann diesmal mein Reiseziel werden. Wenn Sie mir aber ein anderes Reisegebiet zu empfehlen haben, so stelle ich mich Ihren Ideen zu Dienste. Es wird mir an Unermüdlichkeit, Kühnheit und Ausdauer beim Aufsuchen der Mittel für so ausgedehnte Unter-

1) Ich zweifle nicht, dafs wir Alle mit Herz und Mund diesem Vorschlage bei- stimmen werden. C. Ritter.

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AAO Die Gold- und Silber-Region

nehmungen nicht fehlen, und sollte auch der Zustand meiner Kennt- nisse denselben nicht entsprechend sein, so hoffe ich, dafs die Gelehrten Deutschlands mit Liberalität die Wege zu einer weiteren wissenschaft- lichen Vorbereitung einem unerschrockenen, der Wissenschaft treu zu- gethanen russischen Reisenden öffnen werden und dafs der verehrte Vater der Erdkunde von Asien ihn zu neuen wissenschaftlichen Unter- nehmungen aufmuntern und kräftigen wird.

XVI.

Die Gold- und Silber-Region im östlichen Honduras. (Hierzu eine Karte, Taf. VI.)

Dafs der Besuch einer Landschaft mit Städten in spanisch-mauri- schem Styl, in denen der Ton der Kirchenglocken die gläubige Ge- meinde zur Feier der katholischen Feste versammelt und Abends aus hell erleuchteten Sälen eine moderne Tanzweise oder zum Klange der Guitarre ein Lied in gutem Castilianisch erschallt, jetzt, in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, wie eine wichtige Entdeckungsreise be- trachtet werden muls, ist sicher eine wunderliche und doch zugleich ernste Thatsache. Das Befremdliche derselben wird noch durch den Umstand erhöht, dals der Reichthum dieser Landschaft an Gold dem unwiderstehlichen Magnet für die Wanderzüge glücksuchender Menschen schon am Anfange des sechszehnten Säeulums den ersten Entdeckern bekannt, dann drei Jahrhunderte hindurch von den spani- schen Herren in nicht unbeträchtlichem Umfange benutzt wurde und auch der jetzigen Bevölkerung nichts weniger als ein Geheimnils ist. Und wenn wir noch hinzufügen, dafs diese Landschaft nicht etwa weit entfernt von allen Strafsen der Menschen tief im Innern eines schwer zugänglichen Continents, sondern auf dem schmalen centralamerikani- schen Isthmus liegt, so erscheint es uns fast wie ein Traum, wenn an einer Stelle, die wir unseren Karten zufolge als eine vielleicht nur von Indianern durchstreifte Wüstenei betrachteten, plötzlich vor uns das_ Bild eines der europäischen Cultur entsprossenen Gemeinwesens ersteht, dessen Existenz uns in demselben Mafse problematisch erschien, als die Erinnerung daran verschollen und erblalst war.

im östlichen Honduras. 441

Solche Betrachtungen drängten sich uns auf, als wir das Werk von William V. Wells über das östliche Honduras lasen. Seine Erzählung von den reizenden Hochebenen unter der Tropensonne, von einem glücklichen Hirtenlande, das von reichen spanischen Familien in altererbtem Besitz gehalten wird, von dem bunten Leben in seinen - Städten und Dörfern, deren Namen uns theils ganz unbekannt, theils erst vor vier Jahren durch Squier wieder in Erinnerung gebracht wa- ren, gemahnt an die Sagen von den wunderbaren Städten, die vor Zeiten mit aller ihrer Herrlichkeit in den Schools des Meeres versunken sind und jetzt zuweilen durch einen aus der purpurnen Tiefe leise und klagend emporsteigenden Glockenton dem einsamen Fischer die Seele mit Bangen und thörichter Sehnsucht erfüllen: so war auch Olancho in die Nacht der Vergessenheit gesunken; nur hin und wieder erkun- dete ein Reisender in benachbarten Provinzen die Namen seiner Ort- schaften und hörte wunderbare Reden über seinen Goldreichthum, aber ‚sie klangen so seltsam wie alle Legenden von verborgenen und ver- zauberten Schätzen und fanden eben deshalb keine weitere Beach- tung.

Wenn diese schönen und reichen Gebirgslandschaften erst jetzt durch einen Augenzeugen beschrieben werden, so liegt hierin wieder ein recht schlagender Beweis für die dünkelhafte Abgeschlossenheit des spanischen Nationalcharakters und für die Geheimnifskrämerei der spa- nischen Colonialpolitik, die das in bestaubten Archiven angehäufte, ohne Frage sehr werthvolle Material zur Kenntnils der neuen Welt unbenutzt vermodern liefs. Allem Anschein nach ist der Bergbau in Olancho einst mit gröfserem Nachdruck betrieben worden; und ein Land, wel- ches einen bedeutenden Beitrag zu der Ladung der Silbergaleonen lie-

ferte, konnte den Herrschern nicht füglich unbekannt bleiben. Gerade _ deshalb aber vernahm das Ausland desto weniger von ibm. Und als _ das spanische Joch abgeschüttelt, die Neger, die in den Gruben arbei- teten, für frei erklärt wurden, wanderten die aristokratischen Familien, die reichen Grubenbesitzer, die über ein hinlängliches Betriebscapital _ verfügten, meistentheils aus; die Minen wurden verlassen, zum Theil 3 verschüttet, und die zurückbleibenden Grundbesitzer, grofse Viehzüchter, fuhren fort, wie ihre Väter es gethan hatten, in althergebrachter Weise _ von dem Ertrage ihrer Heerden zu leben, ohne sich um die Benutzung der mineralischen Schätze ihres Heimathlandes zu kümmern. Was sie | gewährten ihnen die Heerden reichlich; wenn alljährlich eine La päung von a, von a vielleicht ein paar es Vanille nach

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beschafft und kein Anlafs vorhanden, die süfse Gewohnheit eines Da- seins zu unterbrechen, welches seinen höchsten Genufs darin fand, eigarrenschmauchend sich in der Hängematte zu wiegen und sich von den lauen Lüften umfächeln zu lassen.

Man kann fast sagen, dafs man es der weiblichen Eitelkeit ver- dankt, wenn der Goldreichthum Olancho’s nicht ganz in Vergessenheit gerathen ist. Vor den grofsen katholischen Festen, namentlich vor der Funcion de la Virgen, die in der Departements-Hauptstadt mit grofsem Jubel begangen wird, pflegen Weiber und Dirnen von den grofsen Grundbesitzern, die dadurch ihre Besitztitel gegen jeden Zweifel sichern wollen, eine Licenz zum Goldwaschen zu lösen. Sie füllen in den Schluchten oder am Ufer der Flüsse ein paar Schüsseln mit Sand, schwingen sie, hochaufgeschürzt im Flusse stehend, hin und wieder, und schwemmen die leichteren Theile fort, bis sie aus dem schweren schwarzen Bodensatz den Goldstaub, vielleicht hin und wieder ein Gold- körnchen auflesen können. Haben sie von dem kostbaren Metall eine Federspule voll gesammelt, so wird ein Theil davon dem Padre zu Fülsen gelegt, damit er für die Geberin zur gebenedeiten Jungfrau bete; der Rest wandert für bunte Bänder und anderen Flitterkram in die Tiendas, damit man die frohe Funcion in ansehnlicherem Putz begehen könne. Zuweilen mischen sich auch junge Bursche zu demselben Ge- schäft unter die „Lavaderas*“, nicht gern, denn „es ist eine Weiber- arbeit“ sagen sie; aber der Gedanke an die Spielbuden, die während der Festzeit ihre Glückstafel aufschlagen dürfen, wirkt verlockend: es ist gar zu reizend, auf den Spieltisch ein paar Goldblättchen hinlegen und das Glück auf die Probe stellen zu können.

So erhielt sich der Ruf von dem Goldreichthum Olancho’s in den Nachbarprovinzen lebendig. Squier, der uns die Kenntnifs von Hon- duras wieder aufgeschlossen, hörte viel davon und traute den Anga- ben; er spricht mehrmals die Ueberzeugung aus, dafs die Goldfelder Olancho’s an Ergiebigkeit vielleicht mit denen Californiens rivalisi- ren dürften. Scherzer nahm alle solche Nachrichten mit viel grölse- rem Mifstrauen auf; in der gewils sehr richtigen Ueberzeugung, dafs diese herrlichen Gebirgsthäler durch eine ackerbautreibende Bevölkerung viel schneller zu Wohlstand und Bedeutung gebracht werden könnten, sah er mit Unmuth die menschliche Thätigkeit dem Bergbau zugewen- det, der bei der Mangelhaftigkeit des Betriebs doch keine erhebliche Ausbeute liefern konnte; aber es scheint uns, dafs er bei seinem Ur- theile über die Reichhaltigkeit der Minen eben die unzulängliche Art des Betriebs zu wenig in Anschlag bringt. In Olancho selbst war weder Squier noch Scherzer; die Kenntnils dieses Departements ver- danken wir Wells, der fast ein Jahr im östlichen Honduras umherge-

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reist ist, mit dem Zweck, die mineralischen Schätze dieses Landes an Ort und Stelle zu untersuchen und eventuell mit der Regierung des- selben ein Abkommen zu treffen, durch das die Anwendung fremden Capitals auf bergmännische Unternehmungen in Honduras gestattet würde.

Die Frucht dieser Reise ist ein interessantes Werk, welches sich hauptsächlich mit den Departements Tegucigalpa und Olancho beschäf- tigt. Indem wir die Würdigung desselben in den literärischen Theil dieser Zeitschrift verweisen, beschränken wir uns hier auf die Bemer- kung, dafs es unsere Kenntnifs des zuerstgenannten Departements we- sentlich vervollständigt und von dem zweiten, über welches Squier und Scherzer nur nach Hörensagen einige spärliche Mittheilungen machen konnten, auf Grund eines längeren Aufenthalts ein ausführliches Bild entrollt, welches durch eine, freilich nur nach Distanz- Angaben und Compafspeilungen entworfene, aber doch in Anbetracht unserer bis- herigen Unkenntnils recht dankenswerthe Karte erläutert wird. Wir versuchen im Folgenden eine Skizze der von Wells durchzogenen Land-

- schaften zu geben, und ziehen auch das Departement Tegueigalpa, ob- i gleich es auf der reducirten Karte, die Herr Dr. Kiepert diesem - Hefte beizugeben die Güte hatte, nicht vollständig dargestellt ist, in den Kreis unserer Besprechung, da es als eine wichtige Silber-Region an den mineralischen Schätzen participirt, welche das östliche Hondu- ras auszeichnen.

1) Das Departement Tegueigalpa.

Jenseits der hohen Sierra, welehe das die Cordillere durchsetzende

Querthal von Comayagua, das Terrain der projectirten Honduras-Bahn, ; im Osten einfafst, liegt das Departement Tegueigalpa, ein Gebirgs- f gau, der seinem grölseren Theile nach zum Flufsgebiet des Stillen - Oceans gehört. Nur im Norden schliefst er noch einige Hochthäler - ein, deren Gewässer, die Quellen des Rio Sulaco, bereits zum Gebiete des Atlantischen Meeres gehören; die südlichere, bei Weitem gröfsere Hälfte umfafst dagegen das Quellgebiet des in die Bai von Fonseca mündenden Rio Choluteca, der in seinem oberen Laufe den Namen Rio Grande führt. Wie im Westen von dem Departement Comayagua, ist Tegueigalpa auch im Osten von dem Departement Olancho durch _ eine hohe Sierra geschieden, über die nur höchst beschwerliche Maul- _ thierpfade führen; und da auch von Süden her das Thal des Choluteca einen bequemen Zugang zu ihm nicht zu eröffnen scheint, der Weg von der Fonseca-Bai vielmehr längs des Rio Nacaome und dann über rauhe _ und hohe Bergketten geführt ist, kann man das Departement Teguci- galpa als einen auf allen Seiten von Sierren eingefalsten, abgeschlosse-

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nen Gebirgsgau betrachten, welcher namentlich im Norden aus einem wilden, nur von wenigen dürftigen Hochthälern durchsehnittenen Alpen- lande besteht.

Der erwähnte Weg von Süden her, von Nacaome nach Teguei- galpa, führt zwar den stattlichen Namen camino real, ist aber in Wahr- heit nur ein elender Maulthierpfad. Er erreicht schon bei Pespire, noch innerhalb des Departements Choluteca, die Vorhügel und führt dann, anfangs noch oft an Getreidefeldern und Pisangpflanzungen vor- bei, nordwärts über stets höher ansteigende Bergreihen nach dem Pals el Diablo, dessen Namen minder angenehme Vorstellungen über die Natur der „Königsstralse* erregt. Auf schmalen, oft sehr steilen Pfa- den und an jähen Abhängen vorbei durchzieht der Reisende das öde Gebirgsland, wo er nur an den sanfteren Gehängen vereinzelte Baum- gruppen und hin und wieder eine ärmliche, von einem Korn- oder Bohnenfelde umgebene Ansiedelung erblickt. Pisangpflanzungen kün- den die erste, freilich auch nur aus elenden Lehmhäusern bestehende Ortschaft an, La Venta mit 600 Einwohnern, in einem von steilen Bergen eingefafsten Thale, 2600 Fuls über dem Meeresspiegel. Jen- seits dieses Ortes mufs man wieder eine hohe Sierra ersteigen, welche die Grenze zwischen den Departements von Choluteca und Tegueigalpa bildet. Hier erreicht man die Region des Nadelholzes (vorherrschend Pechtannen), die auf den Gehängen der paecifischen Seite in Honduras sowol, wie nach Scherzer auch im nördlichen Nicaragua, nicht tiefer als 2500 Fufs über dem Meeresspiegel herabsteigt. Wo sich ein freier Rückblick eröffnet, überschaut man im Süden die Reihen der Vorberge, welche sich meist nach Südosten ziehen, und die in blauen Duft ge- hüllten Ebenen am Saume der Fonseca-Bai. Nach einem Marsche von 4Leguas auf einsamen Gebirgspfaden und über Giefsbäche, die in brausenden Cascaden herabstürzen, erreicht man Savana Grande, die erste Ortschaft des Departements Tegucigalpa, ein hübsch gebautes Städtchen mit einer Kirche von Ziegeln und einer gepflasterten Plaza, in einem von kahlen Bergen eingeschlossenen Thale. Und hier betritt man die Region silberreicher Gesteine: in Savana Grande sah Wells bei dem Padre die ersten Proben von Silbererz, die angeblich einer in der Nähe befindlichen Grube entnommen waren. Nichtsdestoweniger ist die Bevölkerung arm und lebt fast ausschlielslich von Pisang, der in allen Formen, roh und geröstet, bei allen Mahlzeiten auf dem Tische der Armen wie der Reichen erscheint.

Zwischen dem Thale von Savana Grande und dem oberen Laufe des Rio Grande erhebt sich ein hohes Plateau, das sich im Westen an den eirca 5000 Fufs hohen Cerro de Ule anlehnt. An dem Ab- hange dieses Berges führt ein sehr gewundener und beschwerlicher

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Saumpfad zu dem ärmlichen Gebirgsdorfe Nueva Arcadia, das

4600 Fuls über dem Meeresspiegel liegt, meist durch Tannenwälder,

die nur hin und wieder mit Gruppen von niedrigen Eichen und mit

Strauchwerk abwechseln. Auch die Roth- und Pechtanne zeichnet sich

hier nicht durch einen stattlichen Wuchs aus; selten sieht man Stämme,

die mehr als 25 Zoll im Durchmesser und eine Höhe von mehr als

40 Fufs besitzen; in der dünnen Erdschicht, welche das Gestein be-

deckt, breiten sich die Wurzeln horizontal weithin aus, ohne dem

Baume festen Halt geben zu können, so dafs oft weite Strecken vom

Winde niedergeworfen sind. Ueberhaupt kann man nicht sagen, dals

diese Waldungen den Eindruck einer üppigen Vegetation hervorbrin-

gen: die hochstämmigen Bäume stehen weit von einander getrennt, und zwischen ihnen ist ein dichtes nutzloses Unterholz emporgeschossen. _ Auch ist das Hochland nur schwach bevölkert und spärlich angebaut; die Zahl der Ansiedelungen ist gering, ihr Aussehen wenig erfreulich.

Erst wenn man die bedeutendste Erhebung hinter sich gelassen und - den Theil des Plateau’s betreten hat, der sich sanft nach Nordosten - abdacht, ändert sich die Scenerie. Eine besser bewaldete und gut be- wässerte Ebene zieht sich einige Leguas weit in der Richtung nach Tegueigalpa hin; man trifft häufiger auf Getreideäcker, hin und wieder | auch auf ein Feld irischer Kartoffeln, die von den wohlhabenderen Be- i wohnern der Departements-Hauptstadt als eine Delicatesse gern ge-

kauft werden; auch die Viehzucht ist ansehnlich; jede der 22 Hacien- da’s, durch welche der Weg führt, ist von Heerden und Feldern um- geben und bildet in ihrer äufseren Erscheinung einen bemerkenswerthen Contrast zu der Armuth der Gebirgsdörfer, die man in den Grenz- distrieten kennen gelernt hat.

Sehr steil steigt man von diesem Plateau in das Thal des Rio Grande hinab, wo bald Alles die Nähe der Hauptstadt ankündigt. Eine gute Stralse führt über die Ebene; die Landhäuser, bald mit Palmblättern, bald mit Ziegeln gedeckt, drängen sich dichter an ein- ander; Züge von Maulthieren, Reiter, die von einem Besuche heim- kehren, und Schaaren von Landleuten, die mit Körben voll Gemüse - und Früchten auf dem Kopfe zu Markte ziehen, deuten an, dafs man sich einem Centralpunkte des gesellschaftlichen Lebens und eines er- giebigen, ackerbautreibenden Distrietes nähert.

In der That ist Tegucigalpa nicht blofs die gröfseste, sondern auch die betriebsamste Stadt in Honduras und macht auf den Reisen- j den, der Central- Amerika kennt, einen überraschenden und erfreulichen Eindruck. Denn es trägt die Spuren des Verfalls und der Zerstörung nicht in dem Malse zur Schau, wie es bei andern centralamerikanischen ‚Städten der Fall ist. Tegueigalpa ist regelmälsig gebaut, die Stralsen

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sind gepflastert, die Häuser von Stein oder von Ziegeln erbaut, die Wände mit Kalk beworfen und je nach dem Geschmack der Besitzer blau, roth oder weils angestrichen. Man bemerkt nicht, dafs die Be- wohner sich damit begnügen, die Arbeit früherer Generationen abzu- nutzen. Schon die Brücke, welche den von Süden kommenden Rei- senden über den Rio Grande in die am rechten Ufer des Flusses ge- legene Stadt führt, ist ein in Central- Amerika auffallendes Bauwerk. Sie ist erst 1830 erbaut, aus einem weilsen Sandstein, der sich leicht bearbeiten läfst, in der Luft aber an Festigkeit gewinnt, und trägt auf zehn Bogen in der Höhe von 40 Fufs über dem Flufse einen 100 Varas langen und 4 Varas+breiten Fahrdamm, der durch eine 4 Fufs hohe steinerne Balustrade eingefalst ist. Nach Scherzer verursachte der Bau einen Kostenaufwand von 23,000 Dollars. Unter den Gebäuden ziehen mehrere Kirchen schon aus der Ferne die Aufmerksamkeit des Rei- senden auf sich; vor allen die Parochialkirche, die in Central-Amerika an Gröfse und Schönheit nur den Kathedralen von Guatemala und Leon nachsteht. Sie ist im Jahre 1782 von einem Priester aus der Familie der Zelayas, der reichen Grundbesitzer, denen ein beträcht- licher Theil des Departements Olancho gehört, erbaut und bildet ein Quadrat mit imposanter Facade, die durch Heiligenstatuen in Nischen und andere Sculpturen verziert ist; eine massive Kuppel mit einer Krone, auf der sich ein goldnes Kreuz erhebt, überragt den Haupttheil der Kirche. Aber die Ausstattung des Innern ist geschmacklos und ärmlich: aufser einigen bunten Draperien sieht man nur roh gemalte Bilder der Apostel und der heiligen Familie und eine kleine schadhafte Orgel. Aller werthvolle Schmuck ist, mit Ausnahme eines silbernen Granatapfels, der die Monstranz umschliefst, in die Münze gewandert; den Finanz-Calamitäten des Staates ist hier wie überall in Central- Amerika auch das Eigenthum der Kirche zum Opfer gefallen, von einer anderen, in maurischem Styl erbauten Kirche Tegucigalpa’s, von der Kirche der Santa Maria de los dolores, berichtet Scherzer, dafs auf den Altären statt der Blumenvasen einige alte Flaschen stehen, auf denen die gläubige Gemeinde noch die alten Etiketts: Old Cognac, Double Stout u. s. w. lesen kann.

Denn in Wahrheit ist auch Tegucigalpa seit der Unabhängigkeits- Erklärung in seinem Wohlstande zurückgegangen. Nach Squier und Wells zählt die Stadt jetzt 12,000 Einwohner; früher war sie viel volk- reicher. Aber bei der Lostrennung von Spanien wanderten die meisten aristokratischen Familien aus und nahmen das bei dem Bergbau ge- wonnene Vermögen mit; theils waren sie mit dem politischen Wechsel unzufrieden, theils war auch der Bergbau durch verschiedene Regierungs- malsregeln, namentlich durch die Emaneipation der Sklaven, durch eine

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hohe Besteuerung der Bergwerke, durch zwangsweise Einreihung der jungen Leute in’s Militär, erheblich erschwert worden. In Folge dessen wurde die Arbeit in den meisten Gruben eingestellt und eine der wich- tigsten Erwerbsquellen versiegte. Erst seit zehn Jahren hat man sich an einigen Orten wieder der bergmännischen Thätigkeit hingegeben; aber es fehlt an Capital, an Intelligenz und Energie, so dafs von einem Aufschwunge des geschäftlichen Lebens noch immer nicht die Rede sein kann.

In der Bevölkerung sind alle Racen und alle Farbenschattirungen vertreten; aber die Weilsen befinden sich in einer winzigen Minorität, und solchen Personen, die ganz frei von einer Beimischung fremden Blutes sind, begegnet man eigentlich nur noch in einigen aristokrati- schen Familien. Besonders auffallend ist das Vorherrschen der Negerrace in ihren Mischlingen: Mulatten und Zambo’s bilden den überwiegenden Theil der Bevölkerung, und selbst unter der Geistlichkeit erblickt man viele Negerphysiognomien. Dafs eine solche Bastardbevölkerung dem Staate keine günstige Entwickelung verspricht, braucht kaum bemerkt zu werden; es zeigt sich auch hier, dafs der Neger im Allgemeinen - weder dienen noch mit der Hand arbeiten will; Wells nahm im Hause eines angesehenen Bürgers an einer Festlichkeit Theil, bei welcher der Wirth selbst die Weingläser herumtrug, da es hier sehr schwer hält, Diener zu finden, und die Mulatten, die etwa dazu bereit sein möchten, wenig Geschicklichkeit und desto mehr Widerspenstigkeit an den Tag legen. Das Vorherrschen der farbigen Bevölkerung ist für die Zukunft des Staates um so verhängnifsvoller, als dieser Theil der Bewohner einer fremden Einwanderung meistentheils entschieden abgeneigt ist; er fürchtet, durch eine Verstärkung der weilsen Race in eine unterge- ordnete Stellung zurückgedrängt zu werden. Auch von der spanischen Bevölkerung und den Ladinos den Abkommen von Spaniern und Indianern läfst sich im Allgemeinen nicht viel Rühmliches melden, wenn man auch ihrer Höflichkeit und Gastfreundschaft alle Anerken- nung zollen mag. Von einer praktischen, regelmälsigen Thätigkeit zeigt sich bei ihr keine Spur. Vormittags thut man absolut Nichts; und Nachmittags, bemerkt ein Spötter, sitzt man an dem vergitterten Fen- _ ster und erholt sich von den Mühen des Vormittags. Cigarren zu rau- _ chen auch die Damen haben sich hier mit den Papiereigarren be- freundet, sich in der Hängematte zu schwingen, oder langsam durch die Strafsen zu schlendern und jeden Augenblick still zu stehen, um mit der gröfsesten Naivetät die Unterredung wildfremder Menschen mit anzuhören, oder stundenlang die equestrischen Künste einer abreitenden Cavalcade, das Abpacken eines eben eingetroffenen Maulthierzuges an- _ zusehen, das sind in der That die Hauptbeschäftigungen des ein-

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geborenen Spaniers, und selbst solche Personen, die ein Handwerk trei- ben, halten eine schleunige Ausführung der Bestellungen für unanständig und für unvereinbar mit der chevaleresken Grandezza, die auch diesen entarteten Söhnen des Mutterlandes noch immer angeboren ist und sich namentlich wenn sie zu Pferde sitzen im besten Lichte entfaltet. Nur im Kleinkram zeigt das Volk einige Regsamkeit, und Tegueigalpa ge- währt deshalb an Sonntagen, wo die Läden geöffnet bleiben und das Landvolk herbeiströmt, einen recht belebten Anblick. Schon in der Frühe füllt sich die Plaza mit Gemüse- und Fruchtverkäuferinnen, die hier, mit einander und den sie umschwärmenden dunkelfarbigen Bur- schen laut plaudernd, Orangen, Nisperos, Papayas, Cocosnüsse, Limo- nen, Ananas, Bananen, Jocotes, Feigen, Melonen u. s. f. in solcher Fülle und zu so billigen Preisen feilbieten, dafs man für 6 Cents mehr kauft, als man den Tag über verzehren kann. Dann öffnen sich die Läden die fiendas, die hier sehr zahlreich sind, da die meisten Fa- milien, bei der Dürftigkeit ihrer Vermögensverhältnisse, den dadurch dargebotenen bequemen Nebenerwerb nicht verschmähen mögen und auch nur wenige Damen sich für zu vornehm halten, um als Verkäu- ferinnen hinter den Ladentischen zu sitzen und mit den eintretenden Ca- balleros die Zeit zu verplaudern '). Die Waaren, die hier feilgeboten werden, sind nichts weniger als werthvoll; sie bestehen meistens aus ordinären Putzsachen, baumwollenen Stoffen, Drillich, Schnittwaaren u. 8. f. Auch haben die einzelnen Läden fast nie ausschliefslich eine bestimmte Art von Vorräthen; gewöhnlich findet man, natürlich in sehr winzigen Posten, das Mannichfaltigste in einem und demselben Laden beisammen, Medicamente und Bänder, Gewürze und Schuhe, Sättel und Bücher, Confitüren und Papier. Unter den Manufacturen sind englische überwiegend, namentlich in Stahlwaaren, Calico’s, hölzernen und zin- nernen Geräthschaften; auch Ale wird über Amapala auf Tigre-Island eingeführt. Die Vereinigten Staaten liefern Fulsbekleidungen, Seife, Lichte das heerdenreiche Olancho grenzt an Tegueigalpa! auch Liqueurs und Pickles; aber der amerikanische Handel ist noch immer verhältnifmäfsig unbedeutend. Aus Frankreich kommen Wein, Seide, bedruckte Stoffe, Käse, Senf, Handschuhe, Casimir; aus Italien Oel und Oliven, Sardinen, Maccaroni, grüner Käse, Würstchen, auch einige Seidenwaaren. Die Bücher werden meist aus Havana und Guatemala eingeführt. Die zuletzt genannte Stadt ist für Central- Amerika noch immer der Mittelpunkt gelehrter Bildung. Allerdings hat Präsident Cabanas im Jahre 1847 auch in Tegucigalpa eine literärische Akademie

!) Diese Sitte ist in Central-Amerika weit verbreitet. In Santa Rosa (Honduras) hielt, wie Scherzer berichtet, sogar die Frau des Commandante einen Liqueurladen.

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begründet, die durch eine Steuer und durch freiwillige Beiträge unter- halten wird und in der etwa 30 Zöglinge, meist für den geistlichen Stand bestimmt, von Geistlichen unterwiesen werden; aber Wells be- merkte bei einer öffentlichen Prüfung, der er beiwohnte, dafs die Lehrer viel weniger die praktischen Kenntnisse des Examinanden zu ergrün- den, als durch wunderliche Fragen seinen Scharfsinn und seine Geistes- gegenwart auf die Probe zu stellen suchten; gab der Vorsitzende durch Klingeln mit einer Glocke seine Zufriedenheit zu erkennen, so äufserte das anwesende Publicum, wie in einer Comödie, durch enthusiastischen Beifall und Händeklatschen seine Theilnahme. In der That scheint das heimische Institut bei den gebildeteren Klassen noch wenig Ver- trauen zu genielsen: wohlhabende Leute schicken ihre Söhne nach wie vor zum Studium nach Guatemala.

Wenn die Bevölkerung nicht so kräftig erscheint wie in dem be- nachbarten Departement Olancho, so ist der Grund vielleicht darin zu suchen, dafs sie überwiegend von vegetabilischer Nahrung lebt. Auf

- den Tischen der Vornehmen erscheinen allerdings wenigstens zu Mittag auch Fleischspeisen, Roastbeef, Picadillo (gehacktes Fleisch), Sal- - chichas (Würste) und besonders die sehr beliebte gebratene Leber (hi- gado) aber Reis in Butter (mantequilla) gekocht, Bohnen (frijoles) und Früchte bilden doch auch hier die wichtigste, wie bei den ärmeren Volksklassen die ausschliefsliche Nahrung. Auch Weizenbrod wird ge- backen und an den Strafsenecken von den Panaderos feilgeboten; es ist aber schlecht zubereitet, schwer verdaulich und bei Weitem nicht so beliebt wie die Zortillas, Kuchen, die aus leicht gekochtem, dann in einem steinernen Mörser zerriebenem Mais geknetet und auf einem Eisenblech oder auf heifsen Steinen gebacken sind. In den Gebirgs- distrieten lebt das Volk fast nur von tortillas und frijoles; in den Thä- lern tritt der Pisang als gleich wichtiges Nahrungsmittel hinzu. Auf allen Hacienda’s, ja bei jeder einzelnen Ansiedelung, findet man diese werthvolle Staude, deren Fruchttrauben oft einzig und allein die Be- : völkerung vor dem Hungertode geschützt haben. Der Pisang wird durch Stecklinge fortgepflanzt, auf grölseren Ansiedelungen gewöhnlich _ in Reihen, die 8 Fuls von einander entfernt sind; sie tragen schon _ nach einem Jahre Früchte; nach dem Reifen derselben verfällt der "Stamm, aber aus der Wurzel sind inzwischen zahlreiche Schöfslinge emporgesprolst, welche Blüthen und Früchte treiben, so dafs die Pflanze _ das ganze Jahr hindurch ohne weitere Pflege ihren Fruchtsegen spendet. Alle Reisende stimmen darin überein, das Klima Tegucigalpa’s als ‚ein herrliches und durchaus gesundes zu preisen. Da die Ebene, an deren nordwestlichem Ende die Stadt liegt, sich nach Squier 3420 Fuls ‚über den Meeresspiegel erhebt, ist Tegucigalpa frei von der tropischen Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 29

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Hitze und der Fieberluft, welche die atlantische Küste Central- Ame- rika’s berüchtigt gemacht haben. Nach Wells zeigt das Thermometer

hier in den Morgenstunden 56° bis 70° F. (10,7° 15,8° R.), Mittags

72° 80° F. (17,7° 21,3° R.), Abends 70° 78° F. (15,80 =

20,4° R.). Aus der meteorologischen Tafel, die sich auf seinen ersten

Aufenthalt in der Stadt, vom 18. October bis 8. November 1854, be-

zieht, ergiebt sich eine auffallende Gleichmälsigkeit der Temperatur:

um Sonnenaufgang zeigte das Thermometer nie unter 63°, und nie

über 67° F.; um Mittag nie unter 74° und nie über 78° F.; um Sonnen-

untergang zwischen 70° und 73° F. In den Morgenstunden weht mei-

stens eine kühle, sehr frische Luft, und in den Wintermonaten kommt es oft genug vor, dafs man sich nach dem Kamin sehnt. Der niedrig- ste Temperaturgrad, den Wells in den Bergen von Honduras persön- lich beobachtet hat, betrug 52° F. (+9° R.), am 18. März 1855, aller- dings in der bereits erwähnten bedeutenden Höhe von Nueva Arcadia am Abhange des Cerro de Ule. Aber in Tegucigalpa hörte er sehr auffällige und übereinstimmende Berichte über ein furchtbares Hagel- wetter, welches im December 1848 die Bevölkerung in Schrecken ge- setzt hatte: Nordostwinde trieben ein schwarzes Gewölk herauf, wel- ches sich südwestlich von der Stadt entlud; während einer Stunde „fiel Eis vom Himmel“, zum Entsetzen der Bewohner, denen Schnee und Eis ganz unbekannt waren; in einigen Schluchten lag „die gefrorene Masse“ vier Fuls tief und verschwand vollständig erst nach zwei Wo- chen; die Wasserträgerinnen brachten in dieser Zeit „Eiskuchen* nach der Stadt, wo sie begierig gekauft wurden. „Dieses sonderbare Phä- nomen“, sagt Wells, „wurde mir von allen Einwohnern der Stadt be- stätigt; nur wenige von ihnen hatten jemals Eis gesehen. Die Herren Vigil, Losano, Ferrari und eine grofse Anzahl von Bürgern haben es mit eigenen Augen beobachtet. In den Kirchen wurden Dankgebete veranstaltet, dafs der grolse chubasco de hielo von den Heiligen seit- wärts gelenkt worden und nicht die ganze Stadt zerstört habe.“ Solche Erscheinungen sind also überaus selten; von einem eigentlichen Winter kann in Tegucigalpa nicht die Rede sein. Auch die trockne und die nasse Jahreszeit, welche letztere vom Mai bis November dauert, unter- scheiden sich nur dadurch, dafs in der trockenen Saison grölsere Zeit- räume zwischen den einzelnen Regengüssen verflielsen; ein absoluter Regenmangel herrscht auch in dieser Jahreszeit nicht, wenigstens nicht in den Monaten vom November bis März; Wells erlebte z. B. im Fe- bruar einen der heftigsten Gewitterregen, die ihm in Oentral-Amerika vorgekommen sind. Eben so wenig ist die sogenannte nasse Jahreszeit durch anhaltende Regengüsse bezeichnet; gewöhnlich fallen nur Nach- mittags oder in der Nacht einige kurze Regenschauer, nach denen bei

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hellem Sonnenschein eine so frische balsamische Luft weht, dafs gerade diese Monate mit ihrer Vegetationsfülle auf der Hochebene von Teguci- galpa den angenehmsten Theil des Jahres bilden.

In Folge seines gleichmälsigen Klima’s kann das eben genannte Hochthal noch an der Cultur der wichtigsten tropischen Gewächse Theil nehmen, während auf den Gehängen der dasselbe einschliefsen- den Berge Weizenfelder mit Waldungen von Tannen und Eichen, wie sie der gemälsigten Zone eigen sind, abwechseln; bei St. Lucia, 4500 F. über dem Meeresspiegel, hat man sogar irische Kartoffeln mit gutem Erfolge angebaut. Vergleicht man die Ebene von Tegueigalpa mit an- deren Landstrichen Central- Amerika’s, so kann man sie, obgleich sie noch mit ausgedehnten Waldungen bedeckt ist, als ziemlich eultivirt bezeichnen. Der Weg führt den Reisenden durch zahlreiche Rancho’s und Hacienda’s, die mit Pisangpflanzungen, mit Getreidefeldern, mit Gemüse- und Obstgärten umgeben sind. Und auf den bedeutenderen Ansiedelungen pflegt man auch die werthyolleren Culturpflanzen der Tropenzone, die bei gröfserer Thätigkeit den Bewohnern Tegucigalpa’s einen wichtigen Exporthandel sichern könnten.

Unter den tropischen Producten des Departements führt Wells zwar auch Cacao und „etwas“ Indigo auf, aber es ist nicht recht - ‚glaublich, dafs diese Pflanzen, welche ein feuchtes und heilses Klima lieben, auf der Hochebene besonders gedeihen sollten. Die Tiefländer des Staates Honduras, namentlich der atlantische Küstenstrich, erzeu- gen allerdings eine vortreffliche Cacaobohne; nach Squier wächst an der Küste eine eigenthümliche Art, der sogenannte Cacao mico, wild - in den Wäldern und zeichnet sich vor der eultivirten Species durch die Gröfse und angeblich auch durch den feineren Geschmack ihrer Bohnen aus. Ebenso wird die Indigo-Cultur auf der Hochebene schwer- lich bedeutenden Fortgang nehmen: der viel heifsere Nachbarstaat Sal- vador, welcher den besten Indigo producirt, ist für diesen Culturzweig in ungleich höherem Grade geeignet. Auch die Vanille ist in Te- gueigalpa nicht so häufig, wie in den tiefer gelegenen Gegenden; schon - in dem Nachbardepartement Olancho wächst sie wild und so reichlich, dals sie für den Export genutzt werden könnte. Dagegen gedeiht das Zuckerrohr auf der Ebene von Tegueigalpa vortrefflich; es wird hier sehr hoch, ist von vorzüglicher Qualität und liefert ein ausgezeichnetes Product. Auf allen gröfseren Hacienda’s sieht man mehr oder minder ausgedehnte Plantagen, hin und wieder auch Zuckermühlen, in denen das Rohr von Mahagony-Walzen zermalmt wird. Man produeirt hier nur Braunzucker Raffinade ist unbekannt oder verwendet das Rohr zur Destillation des Aguardiente, des beliebtesten geistigen Ge- ' tränks in ganz Central- Amerika, das von dem Volke fast als eine

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Panacee betrachtet und den eingeführten, verfälschten Weinen bei Wei- tem vorgezogen wird. Sehr gerühmt wird auch der Taback des De- partements, wenn er auch vielleicht mit dem vorzüglichen Product der nordwestlichen Theile des Staates, der Umgegend von Gracias, nicht rivalisiren kann. Chile-Pfeffer wird an vielen Orten gezogen, da die Eingeborenen dieses scharfe Gewürz sehr lieben und es zu den tortillas eben so gewöhnlich genielsen, wie wir Butter oder Käse zum Brod. Der runde und sogenannte sülse Pfeffer kommt auch wild vor, wird aber nicht sehr beachtet. Der Wurzeln wegen baut man die Ca- sava, eine Pflanze mit glatten, oblongen Blättern und hellfarbigen Blüthen, die auf den Plateau’s nur 3 Fufs, in den Niederungen doppelt so hoch wird, und zur Blüthezeit eine besondere Zierde der Landschaft bildet. Die Wurzel gleicht einer langen, dünnen Yams-Wurzel, man kann sie zu jeder Jahreszeit aus dem Boden nehmen; wenn sie ge- kocht ist, schmeckt sie ähnlich wie die Kartoffel. Die Casava und eine Abart derselben, die Yuca, wird auch vornehmlich zur Stärke-Fabri- cation benutzt. Die Yuca wird wol acht bis zehn Fufls hoch; das ganze Jahr hindurch trägt sie Blüthen und Früchte; die Wurzel wird getrock-

net in Bündeln von zwei bis drei Pfund auf den Märkten feilgeboten |

und conservirt sich sehr lange. Süfse Potaten werden da, wo der Boden bewässert werden kann, das ganze Jahr hindurch gezogen; an anderen Stellen pflanzt man sie im April, vor dem Beginn der Regen- zeit; sie liefern oft einen reichen Ertrag von ovalen, weiflslichen Knollen. Dafs mit dem Anbau der irischen Kartoffel an höher gelegenen Berglehnen Versuche gemacht sind, haben wir bereits erwähnt. Eben solchen Localitäten gehört die Cultur der Cerealien aus der gemäfsig- ten Zone an; auf den Hochebenen baut man gewöhnlich Mais und Reis und säet den erstern gern kurz vor dem Beginn der Regenzeit in ein Terrain, auf dem man eben den Wald durch Feuer vertilgt hat. Von Nutzhölzern und officinellen Pflanzen verdienen der Caut- schuk-Baum, Gelbholz, Mastix, Ipecacuanha, Drachenblut, Tamarinde und die sogenannte Contrayerba erwähnt zu werden, deren bittere Wur- zel purgirend wirken und auch als Vomitiv verwendbar sein soll. An Bauholz (Tannen, Cedern, Eichen) ist das ganze Departement, ins- besondere auch die Ebene von Tegucigalpa überreich. Aber man hat hier die Bemerkung gemacht, dafs gewisse Holzarten, namentlich das Cedernholz, durch ein kleines Insect sehr schnell zerstört werden; es frifst sich der Länge nach durch den Balken und macht vor dem Ende

desselben eine Wendung, um in einer neuen Röhre wieder zurückzu-

kehren, so dafs das Gebälk oft schon nach ein paar Jahren, bei ganz gesundem Aussehen, im Innern vollständig zerfressen ist und wie ein durchweg verfaulter Stamm mit einem Stock durchstofsen werden kann.

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Die Eingeborenen nennen das Insect Comojen, und wollen bemerkt haben, dafs es einige Tannenarten sowie die Bäume, welche unmittel- bar nach Vollmond gefällt werden, mit seinen Angriffen verschont. Eben so reich wie an Bauholz ist Tegueigalpa an edlen Obstbäumen, deren Früchte die nordischen Reisenden nicht genug zu rühmen wissen. Jede ansehnliche Hacienda hat in ihrer Nähe ein Orangenwäldchen, und in den Gärten erblickt man Ananas, Limonen, Cocospalmen, Pi- sang, Bananen, Feigen, Melonen, Aprikosen u. s. Auch mit Pär- sichen hat man Versuche gemacht; aber sie scheinen unter dieser Breite eine bedeutendere Bodenerhebung zu verlangen; Scherzer fand sie auf dem fast 5000 Fuls hohen Plateau von Intibucat, westlich von Comayagua, in Gärten; sie blühten hier im März und hatten im Juni reife Früchte. Der Weinbau, der unter der spanischen Herrschaft ver- boten war, ist auch jetzt noch nicht in Aufnahme gekommen.

In Folge der vortrefflichen Bodenbeschaffenheit und des ausge- zeichneten Klima’s macht die Ebene von Tegucigalpa schon jetzt den Eindruck einer angenehmen Oase inmitten eines armen Gebirgslandes und wird bei fortschreitender Entwickelung diesen Charakter noch ent- schiedener annehmen. Ebenso wie im Süden, ist sie auch nach den anderen Himmelsrichtungen hin von hohen Waldgebirgen eingeschlossen, in denen der Reisende nur selten eine Ansiedelung mit einigen Ge- treidefeldern findet. Dies gilt sogar von dem westlichen Theile des Departements, durch den der Weg nach der 24 Leguas entfernten Hauptstadt des Staats, nach Comayagua führt, eine Tour, die Scher-

zer zurückgelegt und beschrieben hat. Gleich westlich von Tegueigalpa - erhebt sich die Cuesta Grande, ein ziemlich hoher Berg, von dem man - zum letzten Male den Blick auf das schöne Hochthal genielst, um dann auf schmalen Saumpfaden die Waldwüste des Gebirgslandes zu durch- - ziehen. Innerhalb des Departements liegen hier nur ein paar Ansie- delungen, darunter Tamara und höher im Gebirge in einer Lichtung des Tannenwaldes La Proteceion, eine Ortschaft von acht oder zehn - hölzernen Hütten, deren arme Bewohner sich vom Holzschlagen näh- ren, da der magere sandige Boden zur Cultur nicht sehr geeignet ist. Die Höhe des Gebirgskammes, der die Departements Tegucigalpa und - Comayagua von einander scheidet, giebt Squier ') auf 4900 Fufs an. Man steigt von hier also sehr steil zu der Ebene von Comayagua hinab, die sich nur 1900 Fufs über den Meeresspiegel erhebt. Mannichfaltiger und ergiebiger ist der östliche Theil des Departe- ments. Aus dem beigegebenen Kärtchen ersieht der Leser, dafs der Rio Grande sich gleich unterhalb Tegucigalpa’s nach Norden wendet,

") Notes on Central America. New York 1855, p. 71.

AA Die Gold- und Silber-Region

dann unter starken Krümmungen die Hauptrichtung nach Osten ver- folgt, um sich endlich mit südlichem Laufe durch das Gebirge einen Ausweg zum’ Meere zu suchen. Der ausgedehnte Landstrich, den der Flufs bei diesem bogenförmigen Laufe umfafst, wird durch das Thal des Rio Yeguare in zwei Hälften getheilt. Die nordwestliche ist durch Gebirgsmassen ausgefüllt, welche eine östliche Verzweigung der Sierra de Lepaterique und des Cerro de Ule bilden, und enthält die Silber- districete von Santa Lucia und San Antonio. Santa Lucia ist von Wells besucht worden. Schon ein Ritt von ein paar Stunden in süd- östlicher Richtung führt von Tegueigalpa in das Gebirge, das mit der Waldvegetation der gemäfsigten Zone, mit Tannen und Eichen bekleidet ist. Der Pafs liegt 4320 Fufs über dem Meere, nicht viel niedriger die erwähnte Ortschaft, die während der Wintermonate ihres rauhen Klima’s und der häufig wiederkehrenden Hagelstürme wegen von den schlecht bekleideten Einwohnern verlassen wird, während sie in der heifsen Jahreszeit den wohlhabenden Bewohnern Tegucigalpa’s ein be- liebter Zufluchtsort, eine angenehme Sommerfrische ist; dann blühen Tausende von Rosenbüschen, mit denen die Berglehnen bedeckt sind. Südlich von der Ortschaft erheben sich zwei Piks weit über die sie umgebenden Bergreihen; Wells schätzt ihre Höhe auf mehr als 5000 F.; sie gehören zu den höchsten Spitzen der Sierra Lepaterigue und man geniefst von ihnen eine weite Rundsicht über das reichbewaldete Alpen- land, im Westen bis zu den hohen Bergen von Comayagua, im Norden und Nordosten über eine Hügellandschaft bis zu den fernen Kegeln von Guaymaca und Tiupacente, die in der Richtung nach Olancho sehr deutlich wahrgenommen werden können. Auch im Osten sieht man über ein Labyrinth von Bergen, die anscheinend sämmtlich bewaldet sind. In derselben Gebirgsmasse, nordöstlich von Santa Lucia '), liegt San Antonio, auf dem östlichen Abhange des Alto de Tegueigalpa, zu dem man von der Departements-Hauptstadt allmählich hinansteigt. Das Städtchen hat eine stattliche Kirche und 1200 ziemlich bemittelte Einwohner, die ausschliefslich vom Bergbau leben. Da die Regengüsse bei der Abschüssigkeit des Terrains, auf welchem die Stadt erbaut ist, grofsen Schaden an den Häusern und in den Gruben verursachten, beabsichtigten die Einwohner zu der Zeit, als Scherzer die Stadt be- suchte, sich in dem romantischen und fruchtbaren Thal des Yeguare

2) Auf der beigegebenen Karte ist für diese Ortschaften die ihnen von Squier angewiesene Lage beibehalten worden, nach welcher der Weg von Yuscaran nach Santa Lucia und Tegueigalpa über San Antonio führt. Nach Wells liegt San An- tonio nordöstlich von Santa Lucia, und Scherzer, der von Yuscaran nach dem zuerst- genannten Orte gereist war, gelangte von hier nach Tegucigalpa, ohne dafs er Santa Lucia’s gedenkt.

im östlichen Honduras. 455

anzusiedeln, zu dem man von San Antonio steil abwärts steigen mufs. Dieses von grünen Berghalden eingeschlossene, reich bewässerte Thal ist 6 Leguas lang und etwa eine Legua breit und würde nach Scher- zer’s Urtheil zum Anbau vorzüglich geeignet sein; jetzt ist es ganz uncultivirt und wird nur von einigen Viehheerden durchzogen. Jenseits des Yeguare erhebt sich ein noch wilderes Gebirgsland, „riesige Berg- rücken“, wie Scherzer sagt, über welche ein schmaler Saumpfad oft so steil hinauf- und hinabführt, dafs man sich versucht fühlt, von dem Maulthier abzusteigen, eine der schlechtesten Stralsen, die man in Central-Amerika finden kann. Auch hier besteht die Vegetation vor- züglich aus Nadelholz, nur hin und wieder zeigen sich Eichen und an- deres Laubholz, aber selbst in einer Höhe von 4000 Fufs über dem Meere erscheint noch ziemlich häufig die hier 10 15 Fufs hohe Gua- yape-Palme mit ihren fächerförmigen Blättern, und erinnert den Rei- senden, dafs er sich innerhalb der Tropen befindet. An dem südlichen Abhange dieses Gebirgsrückens, aber nach Scherzer noch in einer Höhe von 5000 Fufs, liegt das Städtchen Yuscaran, auf einem ganz schma- len Felsenrücken dergestalt erbaut, dafs nur die Plaza mit den sie ein- schliefsenden vier Häuserreihen auf dem Kamme selbst liegt, während die anderen Häuser terrassenförmig an beiden Abhängen erbaut sind. Diese Bauart, die weilsen Mauern und rothen Ziegeldächer geben dem - Städtehen ein freundliches Aussehen. Es zählt etwa 6000 Einwohner, meist Neger und Zambo’s, die zum grölsesten Theil bei dem Bergbau beschäftigt sind. Das Klima ist in einer so bedeutenden Höhe sehr angenehm und milde; von einem dort lebenden Deutschen erfuhr Scher- zer, dafs die Hitze selten über +20° R. steige und das Thermometer - auch in der rauhen Jahreszeit selten weniger als +14° R. zeige. In _ der That bemerkte der genannte Reisende, dafs auf den der Abend- sonne zugekehrten Gehängen noch Bananen, Zuckerrohr, selbst Palmen fortkämen. Im Allgemeinen aber ist der Boden in der Umgegend un- fruchtbar. Von Yuscaran steigt man auf steinigen und sehr schlechten - Pfaden abwärts in das Thal des Rio Grande, anfangs noch durch - Nadelholzwaldungen; aber auch hier erstrecken sich diese nicht auf - Höhen, die niedriger als 2500 Fufs sind; und unterhalb der Grenze - des Nadelholzes fand Scherzer, der das Gebirgsland in der dürren - Jahreszeit durchzog, die Gegend durchaus öde, da die Vegetation ver- - sengt und vertrocknet war. Der Rio Grande war zu dieser Zeit so flach, dafs man in ihm nicht schwimmen konnte; während der Regen- periode kann man indefs nur in Kähnen zum andern Ufer gelangen. Jenseits des Flusses liegt in einer öden Gebirgsgegend das noch zu Honduras gehörige Dorf Alauca mit 200 sehr armen Einwohnern, die fast nur von Bananen leben. Das Grenzgebirge gegen Nicaragua, die

ir

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Chile-Berge, überschreitet man nach Woodhouse’s von Squier mit- getheilter Angabe in einer Höhe von 3400 Fuls, an einer Stelle, die Scherzer den Cerro Colorado nennt. Auf dem östlichen, mit lichten und imposanten Tannenwaldungen bedeckten Abhange liegt das schon zu Nicaragua gehörige Bergwerksstädtchen Dipilto, noch 3000 Fufs über dem Meeresspiegel.

Auch der nordöstliche Theil des Departements, den Wells auf seiner Reise nach Olancho durchzog, besteht aus einem armen Berg- lande. Die Gebirgsmasse, welche das Gebiet des Rio Grande und des Rio Sulaco scheidet und die Quellen des zuletzt genannten Flusses um- giebt, sendet nach Süden mehrere Abzweigungen, zwischen denen die Thäler der zum Rio Grande abfliefsenden Gebirgsbäche liegen. Ueber diese, vorherrschend aus Kalkstein bestehenden Querjoche führt der Weg nach Olancho. So hat man gleich jenseits Cofradilla, einer armseligen Ansiedelung, ein wildes Gebirgsland zu durchziehen, ehe man in das Thal des Rio Ylimapa gelangt, der sich in den Rio Grande ergiefst. Von den Kalkbergen am linken Ufer dieses Gebirgs- baches erblickt man fern im Osten die Montanas de los Ranchi- tos, welche den klaren und reifsenden Rio Zorilla, einen anderen Zu- flufs des Rio Grande, auf dem linken Ufer begleiten. Alle diese Berg- ketten sind nur spärlich mit Tannen und Eichen bewaldet; das Gestein ist nur mit einer dünnen Erdschicht bedeckt, in welcher die Waldvege- tation weder Halt noch Nahrung findet. Von den Montanas de los Ranchitos im Westen und den Vindel-Bergen im Osten eingeschlossen liegt das ausgedehnte und fruchtbare, zum Theil aber sumpfige Thal von Talanga. An steilen Abhängen steigt man von der Ranchito- Kette in das Thal hinab. Der Pfad führt anfangs über verwittertes Gestein, dann über einen zähen, schwarzen Thonboden mit üppiger Strauchvegetation zur Quebrada de Talanga oder dem Rio Salado, an- geblich schon einem Zuflusse des Rio Sulaco. Zur Linken liegen aus- gedehnte Sümpfe, mit undurchdringlichem Knieholz bedeckt, zur Rechten finstere Wälder. Nach mühsamem Ritt durch dieses Sumpfland, wel- ches den östlichen Fufs der Ranchito-Kette umgiebt, gelangt man auf die Ebene von Talanga. Sie ist nur hin und wieder mit Gruppen von niedrigen Bäumen bestanden und sehr wenig angebaut, gilt auch für ungesund, soll aber einen fruchtbaren Boden besitzen. Das gleichna- mige Städtchen besteht nur aus elenden Häusern von Luftziegeln; die Kirche ist das einzige ansehnliche Gebäude. Ein Ritt von einer Stunde führt über die Ebene an den Fufs der Vindel-Berge. Diese Kette fällt in das Thal von Talanga steil ab, senkt sich aber allmählich nach Nordost zu dem Thale von Guaimaca und ist bier reich an schönen Triften, welche darauf hindeuten, dafs man sich Olancho, dem Lande der

im östlichen Honduras, 457

Viehzucht, nähert. Hier sah Wells auch den Piment-Baum wild wach- send, der sich in Olancho häufig findet und sich dort sehr schön ent- wickelt. Er wird hier etwa 20 Fufs hoch, hat eine dunkelbraune glatte Rinde, ein dichtes grünes lorbeerartiges Laub, blüht im Juli und Au- gust, und kündigt namentlich nach Regen oder bei Wind durch einen angenehmen aromatischen Duft seine Nähe an. Die Eingeborenen sammeln seine Früchte grün, trocknen sie in der Sonne und verkaufen sie unter dem Namen pimiento gordo an die Händler von Tegucigalpa, welche auch nach Salvador kleine Quantitäten ausführen. Das Gewürz ist ausgezeichnet, so dafs es wohl der Mühe werth sein dürfte, den Baum künstlich anzupflanzen. Aber dieses Gebirgsland hat nur sehr spärliche Ansiedelungen; zwischen Talanga und Guaimaca führt der Weg nur durch ein Dorf, Las Cuevas; ein anderes, Ojos de Agua, bleibt seitwärts liegen; und Guaimaca selbst ist ein elender Flecken, der nur aus 14 Lehmhütten besteht. Eine halbe Stunde jenseits des Dorfes erhebt sich die Gebirgsmasse, welche Tegueigalpa von Olancho scheidet. „Die Sonne“, sagt Wells, „stand schon hoch über den Wäl- dern und schien hell herab auf die flatternden Guirlanden von grauem Moos, die von den Aesten herabhingen. Die Baumstämme, mit silber- hellen Lichenen bekleidet, glänzten aus dem düsteren Laubdickicht her- vor und wanden sich in phantastischen Formen um die wunderbar ge- stalteten Felsen, die sich gleich verfallenen Burgen rings umher erho- - ben. Eine Stille, so feierlich, als wäre sie seit Jahrhunderten nie - unterbrochen worden, lag schwer auf den Höhen. Mit heiligem Schauer _ durchzogen wir diese ernsten Einöden: das Auge weilte mit Vergnügen 3 auf den kleinen Gebirgsblumen, die aus dem feuchten Laube, welches _ den Boden bedeckte, emporschauten, oder folgten dem Fluge des Berg- { habichts, der in seinem einsamen Reiche plötzlich aufgestört, mit schril- - lem Geschrei aufstiefs, um sich auf einer fernen Klippe niederzulassen. Ich glaube nicht, dafs irgend eine Beschreibung von dem belebenden Einflufse der Morgenluft in diesem Hochlande eine klare Vorstellung _ geben kann. Diese Wirkung wird namentlich nach einem nächtlichen Regen verspürt; es ist dann ein wahrer Segen, zu athmen, und die Luft dringt wie ein Strom reinen kalten Wassers erfrischend durch die Lungen Nach 10 Uhr wird die Hitze grölser, und eine Stunde vor und nach Mittag ist es immer angenehm, in einem Walddickicht oder hinter einem Felsen Schutz vor den Sonnenstrahlen zu finden.* Der Pafs führt hier über einen Gebirgsknoten, von dem sich nach Nordwesten die Montanas de Galan, nach Nordosten die Mon- tanas de Salto abzweigen; im Norden erhebt sich der Kegel von Guaimaca, nach der Aussage der Eingeborenen ein erloschener Vulcan, 2000 Fufs über der benachbarten Ebene und 4000 Fufs über dem Meere.

458 Die Gold- und Silber-Region

Das Auge kann jene Gebirgsketten weit verfolgen; sie zeigen sich in scharfen Umrissen und in der tiefblauen Indigofarbe, welche den ge- birgigen Hintergrund central-amerikanischer Landschaften so eigen- thümlich anziehend macht. Die Salto-Kette bildet die Grenze zwischen den beiden Departements; ostwärts von ihr streicht in paralleler Rich- tung der Gebirgszug von Campamento, jenseits deren das Gebiet der Zelayas liegt, der reichsten Grundbesitzer in Olancho.

Aus diesen Routen, welche nur den nordwestlichen Theil des De- partements, am oberen und mittleren Sulaco, ganz unberührt lassen, ergiebt sich, dafs Tegucigalpa aus einer Reihe von Hochthälern be- steht, von denen sich das wichtigste mit der Hauptstadt des Departe- ments 3420 Fufs über den Meeresspiegel erhebt. Dagegen sind sie leider bei Weitem noch nicht genügend, uns über den Zusammenhang der einzelnen Gebirgsmassen, welche das Departement erfüllen, auch nur einigermalsen zu unterrichten. Auch von Wells’ Karte können wir nicht sagen, dafs sie die Lücke ausfüllt; denn sie recipirt aus Squier’s Zeichnung einige Namen und Gebirgszüge, die, wie wir vermuthen, auf derselben irrig niedergelegt sind, und trägt dadurch eher zur Ver- mehrung der Undeutlichkeit bei. Klar werden wir in dieser Beziehung wahrscheinlich erst dann sehen, wenn wir über den Lauf der Cordillere östlich von den grolsen Seen in Nicaragua genau unterrichtet sind. Im Westen des Managua-See’s streicht die Wasserscheide zwischen beiden Meeren, d. h. zwischen den Zuflüssen des Estero Real und den Quellen des Rio Escondido, von Südost nach Nordwest, parallel der Reihe der Marabios-Vulcane und 7 bis 10 deutsche Meilen von ihr entfernt; man überschreitet sie auf dem Wege von Leon nach Segovia bei San Juan de la Maya in einer Höhe von 1900 Fufs (nach Squier); aber diese Wasserscheide ist nicht der Hauptzug der Cordillere, der jenseits der- selben in bedeutenderer Höhe hinzieht und von dem Rio Escondido in seinem oberen Laufe, vielleicht auch von den Quellflüssen des Wanks durehbrochen wird. Der Richtung nach könnte man den Gebirgszug, der die Departements Tegucigalpa und Choluteca von einander trennt, als eine Fortsetzung jener Wasserscheide betrachten; Squier bemerkt, dafs der Rio Choluteca das Gebirge „in einer Schlucht“ durchbricht, aber wir müssen es dahin gestellt sein lassen, ob diese Angabe auf positiven Nachrichten beruht. Jenes Grenzgebirge erfüllt mit seinen Abzweigungen das ganze Terrain, welches der Rio Grande oder Rio Choluteca in seinem oberen Laufe halbkreisförmig umfalst, und erreicht eine Kammhöhe von durchschnittlich 4500 Fufs, sowol in seiner süd- lichen Hälfte, wo die Gebirgsstadt Yuscaran fast 5000 Fuls hoch liegen soll, wie in dem nördlichen Zuge zwischen dem Rio Yeguare und dem oberen Rio Grande, wo der Pafs von Santa Lucia 4320 Fufls und der

im östlichen Honduras. 459

Pafs von Nueva Arcadia 4600 Fufs hoch liegen, während einzelne Spitzen, der Cerro de Ule und die Piks im Süden von Santa Lucia die Höhe von 5000 Fufs übersteigen. Squier nennt diesen Gebirgszug die Sierra Lepaterique; aber es scheint, dafs dieser Name nur dem westlichen Theile des Gebirges zukommt, wo dasselbe, mehr und mehr nordwärts abbiegend, die Quellen des Rio Humuya von denen des Rio Grande scheidet.

Im Osten wird das Departement von dem Staate Nicaragua durch die Chile-Berge getrennt, die man in einer Höhe von 3400 Fufs über- schreitet. Als nördliche Fortsetzung derselben müssen ohne Zweifel die Montanas de Salto betrachtet werden, mit denen uns Wells bekannt macht. Sie bilden die Grenze zwischen Tegueigalpa und Olancho und senden nicht weit von Guaymaca eine Abzweigung nach Nordwest, die Montanas de Galan, die das Thal des Rio Sulaco im Norden ein- schliefsen und deshalb weiter westlich von Squier als Sierra de Sulaco bezeichnet werden. Zwischen dem Sulaco und dem Rio Grande erhebt sich eine dritte Gebirgsmasse, anscheinend von geringerer Höhe als die beiden erwähnten. Sie wird von Squier „Sierra de Misocco* ge- nannt und sendet nach Süden Abzweigungen, welche die Thäler des Rio Ylimapa und des Rio Zorilla, zweier Zuflüsse des Rio Grande, ein- schliefsen. Ganz im Dunkeln bleiben wir über das Thal von Talanga: nach der Karte von Wells gehört es ebenfalls noch zum System des Rio Grande; im Text aber wird bemerkt, dafs das Flülschen desselben zum Rio Sulaco rinnen soll.

} Alle diese Gebirge innerhalb und an den Grenzen des ee - ments sind reich an silberhaltigen Erzen, die in früheren Zeiten _ mit gröfserem Nachdruck als jetzt bearbeitet wurden. Wir haben oben schon die Umstände angedeutet, welche den Bergbau in Verfall ge- rathen liefsen: die Auswanderung der reichen aristokratischen Fami- lien, die mit dem politischen Umschwung unzufrieden waren, die Eman- eipation der Neger und die zwangsweise Einreihung der jungen waffen- fähigen Mannschaft in’s Militär, wodurch dem Bergbau die kräftigsten - Arbeiter entzogen und die Betriebskosten unendlich erhöht wurden, - endlich die hohe Besteuerung der Bergwerke, zu der sich die Macht- _ haber in ihrer andauernden Finanz - Verlegenheit verleiten lielsen. Dazu

kam noch die politische Unsicherheit in Folge der fortwährenden Bürgerkriege, welche der Unabhängigkeits-Erklärung folgten, und vor Allem auch die Bequemlichkeit des spanischen National-Charakters, der am Althergebrachten klebt und sich um die Fortschritte des Berg- _ wesens, um die Einführung verbesserter Methoden wenig kümmert. Wenn nun auch durch das Zusammenwirken dieser Umstände die mei- sten Gruben in Verfall gerathen sind, so wird doch eine Uebersicht

460 Die Gold- und Silber-Region

der wichtigsten Erzlagerstätten den Beweis liefern, dafs das Departe- ment Tegucigalpa noch immer ein weites und ergiebiges Feld für die bergmännische Thätigkeit bildet.

Im äufsersten Südosten liegt der Grubenbezirk von Yuscaran, dem auf dem östlichen Abhange der Chile-Berge, innerhalb der Gren- zen des Staates Nicaragua, der Bergwerksdistriet von Dipilto entspricht. Es befinden sich hier in den Händen von zehn Besitzern 25 Gruben, von denen gegenwärtig nach Wells 12, nach Scherzer nur 5 regel- mäfsig bearbeitet werden. Einige derselben gehören zu den berühmte- sten Minen des Staats, über deren Erträge unter dem Volke die wun- derbarsten Nachrichten eireuliren; so namentlich die Guayabilla-Mine, die im Jahre 1771 entdeckt, bis zur Unabhängigkeits-Erklärung von der reichen Familie der Arjenals, seit 1838 durch Bennett und eine Actien-Compagnie mit Vortheil bearbeitet wurde, bis einer der Erben die Präsidentschaft seines Gönners Ferrara benutzte, die anderen Mit- besitzer zu verdrängen und die gesetzliche Bestimmung aufheben zu lassen, welche die Aufrechthaltung der zum Stützen der Gruben zurück- gelassenen Erzpfeiler anordnete. Mit Rücksicht auf die Unsicherheit seiner Besitztitel betrieb nun der Eigenthümer aufs Schleunigste durch die Wegräumung jener Pfeiler einen Raubbau, der mit dem völligen Zusammensturz der Grube endigte. Zur Ausräumung derselben würde ein Capital von etwa 10,000 Dollars erforderlich sein, und solche Summen sind jetzt in Honduras nicht aufzutreiben. Von den zur Zeit in Betrieb befindlichen Gruben sind die von Montserrate und die des Santissimo Sacramento die einträglichsten.

Das südliche Grenzgebirge zwischen Rio Grande und Rio Yeguare zerfällt in drei Bergwerksdistriete, die (von W. nach O.) die Namen Mineral de Plomo, de Santa Lucia und de San Antonio führen. Das Erz des ersteren besteht aus einem silberhaltigen Bleiglanz, der hier, nach Wells’ Beschreibung, einen ausgedehnten Lagergang ausge- füllt bat’). Im Bezirk von Santa Lucia sollen während der letzten drei Jahrhunderte nicht weniger als 200 Gruben eröffnet sein; jetzt sind nur vier im Betriebe. Der Distritt von San Antonio enthält nach Wells 30, nach Scherzer 12 Minen, von denen einige einen be- deutenden Ertrag liefern. Auch hier füllt das Erz einen Lagergang.

Auf dem östlichen Abhange des Grenzgebirges gegen Comayagua liegt der Grubendistriet von Villanueva, in dem man Spuren eines sehr alten Bergbaues findet. Jetzt sind die meisten Minen verschüttet.

1) The veins are suid to rum like those of some coal mines, in flat horizontal layers, compressed between the ‚„majistral‘‘, or formation, or strata, which preserves, in every instance, a similar dip amd inclination. Wells p. 525.

im östlichen Honduras. A461

Auch die Gebirgsmasse zwischen dem Thal des Sulaco und dem des Rio Grande ist reich an silberhaltigen Erzen. Der Südabhang zer- fällt in die Grubendistriete von Barajana (westlich) und von San Juan de Cantaranos (östlich), dessen Erz auch einen Zusatz von Gold enthält; auf dem Nordabhange liegt der Grubenbezirk von Ce- dros, in welchem eine Mine, La Veta Azul, als ganz erstaunlich reich geschildert wird, und der bereits zu Comayagua gehörige Distriet de las Minas de oro, der nur Gold- und Kupfererze, aber kein Silber enthält.

Silbererze sind also in sämmtlichen Gebirgsmassen über das ganze Gebiet des Departements verbreitet. Will man sich nun eine Meinung darüber bilden, ob diese Erze abbauwürdig sind, so thut man sehr Recht, mit Scherzer alle Aussagen der Eingeborenen über die frühere Ergiebigkeit der Minen als einen durchaus unzuverlässigen Mafsstab zu verwerfen: die Aussagen können übertrieben, die Minen inzwischen er- schöpft sein. Aber man macht sicher eben so grofse Fehlschüsse, wenn man, wie Scherzer es thut, den gegenwärtigen Ertrag der zur Zeit be- arbeiteten Minen und die finanzielle Lage der Grubenbesitzer zum Mals- stab wählt. Denn der bergmännische Betrieb steht hier auf einer so niedrigen Stufe der Entwickelung, dafs er mit einem rationellen Ver- fahren keinen Vergleich duldet. Wo die Grubenwasser noch immer in Schläuchen von Wasserträgern fortgeschafft, die Erze auf dem Rücken von Negern, die an Baumstämmen mit Einkerbungen aus den Schach- ten emporklettern, zu Tage gefördert werden, da fehlt es noch an den vulgärsten Einrichtungen zur Verringerung der Betriebskosten. Auch

- zum Zermalmen der Erze bedient man sich wo sie nicht noch in - der primitivsten Weise von Menschen zerklopft und zwischen zwei > . £

- Steinen zerrieben werden nur der allerrohesten Vorrichtungen. An

einer verticalen Welle, die durch Ochsen in Bewegung gesetzt wird,

befindet sich ein Querbalken, an dessen beiden Enden mühlsteinartige

Felsblöcke befestigt sind; diese bewegen sich in einer steinernen Rinne - und zermalmen die hineingeworfenen und mit Wasser befeuchteten Erz- stückchen zu einer breiartigen Masse. Nur an einem einzigen Orte hat man die Welle mit einem horizontalen Schaufelrade versehen, welches durch Wasserkraft in Bewegung gesetzt wird, und diese Verbesserung gilt in Honduras als ein Wunder menschlicher Erfindungsgabe. So rohe Vorrichtungen zermalmen täglich etwa eine halbe Tonne Erz in sehr unvollkommener Weise, während eine ordentliche Maschine und selbst die californischen Quarz-Stampfer mehr als das Zwanzigfache leisten. Dafs auch der Schmelzprocefs durch ein eben so mangelhaftes - und primitives Verfahren charakterisirt ist, braucht nach dem Obigen kaum bemerkt zu werden.

462 Die Gold- und Silber-Region

Wir werden uns also bei Beurtheilung der Bauwürdigkeit dieser Minen auf positive Angaben über den Metallgehalt der Erze stützen müssen, und in dieser Beziehung sind uns einige Bemerkungen Scher- zers gerade deshalb, weil er dem Bergbau in Honduras kein günstiges Prognostikon stellt, von besonderem Werth. Im Allgemeinen kann ein Silbererz, von dem die Tonne einen Metallgehalt von 20 Dollars an Werth liefert, als ergiebig betrachtet werden; in Deutschland nutzt man auch ärmere Erze noch mit Vortheil. Nun liefert das Erz der Mine des Santissimo Sacramento bei Yuscaran nach dem gegen- wärtigen mangelhaften Verfahren, wie Scherzer berichtet, aus 2500 Pfund 5 bis 6 Mark Silber, also aus einer Tonne mindestens 4 Mark, welche einen Werth von 36 Dollars besitzen. Von der Grube Montserrate desselben Bezirks liefern 2500 Pfund Erz einen Ertrag von 55 Dollars Silber und 5 Dollars Gold, eine Tonne also 44 Dollars Silber und 4 Dollars Gold. Aus dieser Grube werden wöchentlich 10 Tonnen Erz verarbeitet, so dafs sie jährlich einen Brutto-Ertrag von c. 25,000 Dollars, und nach Abzug des Arbeitslohnes einen Ertrag von c. 16,000 Dollars liefert. Die Grube ist also ein werthvolles Be- sitzthum. Wenn Scherzer aufserdem noch berichtet (S. 274), dafs aus einer Grube des Bezirks San Antonio drei Arrobas (75 Pfund) Erz sechs bis zwölf Unzen Silber liefern, d.h. dafs man von einem Cent- ner Erz eine bis zwei Mark, von einer Tonne 20 bis 40 Mark Silber im Werth von 180 bis 360 Dollars erhält, so wissen wir in Anbe- tracht eines so erheblichen Reichthums nicht, welche Ansprüche er an die Ergiebigkeit eines Erzes zu stellen gedenkt.

Und nach Allem, was Wells mittheilt, sind wir nicht berechtigt, ohne Weiteres vorauszusetzen, dafs die letzte Angabe Scherzers auf einem Irrthum beruht. Wells hat mehrere Erzstufen aus verschiedenen Gruben nach Californien gebracht und ihren Metallgehalt in San Fran- eisco durch den Münzmeister untersuchen lassen. Darnach enthielt eine Tonne Erz aus einer Grube im Distriet Villanueva Silber im Werth von 32 Dollars 75 Ots. Aus dem Grubenbezirk von Santa Lucia la- gen sieben verschiedene Erzstufen vor, deren Silbergehalt pro Tonne beziehungsweise 17 D. 97 Cts., 34 D. 85 Cts., 46 D. 48 Cts., 52 D. 82 Cts., 53 D. 85 Cts., 108 D. 77 Cts. (Mina Grande), und 218 D. 58 Cts. (Mina de San Martin) werth war. Die grofse Verschiedenheit des Gehalts zeigt, dafs bei der Auswahl der Stufen nicht etwa die Rücksicht auf ihre besondere Reichhaltigkeit, sondern der Zufall leitend gewesen ist, denn es befinden sich darunter Erze, die zwar noch immer abbauwürdig sind, aber doch für arm gelten müssen, während andere den Beweis liefern, dafs sich im Distriet von Santa Lucia auch aufser- ordentlich reiche Adern befinden.

im östlichen Honduras. 463

Da nun aufserdem nirgends berichtet wird, dafs eine einzige der zahlreichen Gruben, die seit der Unabhängigkeits-Erklärung in Verfall geriethen, deshalb aufgegeben wurde, weil sie erschöpft war, so glau- ben wir, dafs das Departement dem Bergbau zur Zeit noch vorzügliche Aussichten eröffnet. Er wird an sich, wenn er in rationeller Weise betrieben wird, sehr lohnend sein und unvermeidlich einen heilsamen Einflufs auf die Hebung anderer Industrie-Zweige, namentlich aber der landwirthschaftlichen Production äufsern. Das Departement erfreut sich eines gesegneten Klima’s; es erzeugt die wichtigsten Nahrungspflanzen der Tropenzone, Pisang, Yuca und Cassava, ohne besondere Pflege; der Mais liefert in ihm jährlich drei Ernten; Kaffee und Zuckerrohr gedeihen vorzüglich in den Thälern, während die Höhen zur Cultur der europäischen Cerealien trefflich geeignet sind; an Wäldern fehlt es weder auf den Ebenen noch im Gebirge, eben so wenig an üppigen Weidestrecken. Ein solches Gebiet vereinigt in der That alle Bedin- gungen, die einem Lande eine glänzende Zukunft sichern können: es fehlt ihm nur die Energie einsichtsvoller, thätiger Menschen, um seine reichen Hilfsquellen flüssig zu machen. Ein rationell geleiteter Berg- bau könnte den Anstofs zu einer heilsamen Entwickelung geben, wie er seinerseits in den eben hervorgehobenen Vorzügen des Landes eine gesunde Grundlage und eine kräftige Unterstützung finden wird.

2) Das Departement Olancho.

Olancho ist selbst für die unmittelbar benachbarten Provinzen eine terra incognita. Allerdings kennt man seinen Gold- und Heerden- reichthum: aber es mag in Honduras nur wenige Personen geben, die

das Departement besucht haben und aus eigener Beobachtung Aufschlufs _ darüber geben können. Von Tegucigalpa durch eine hohe Gebirgskette - geschieden und den östlichsten Theil des Staates Honduras bildend, ist Olancho von den revolutionären Stürmen, die Central- Amerika ver- wüstet haben, wenig berührt worden, und seine Bewohner haben keine Neigung gezeigt, sich in die politischen Wirren einzumischen. In Folge dessen ist auch die politische Verbindung mit Honduras sehr locker. Das Ländchen bildet eine Oligarchie. Ein grofser Theil des Bodens befin- det sich im Besitz der Zelaya’s, einer reichen spanischen Familie, die in dem Lande mafsgebenden Einflufs besitzt und eine Art patriarcha- - lischer Regierung führt. Andere wohlhabende Grundbesitzer hängen - mit den Zelaya’s durch die Bande der Verschwägerung zusammen; das _ Volk schätzt die herrschende Familie und ist in vielen Beziehungen _ von ihr abhängig. Was das Ländchen an fremden Manufacturen be- darf, wird durch die Zelaya’s herbeigeschafft, welche ihre Maulthier- Karawanen, mit Häuten und Käse beladen, von Zeit zu Zeit nach

I

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Truxillo schicken und von dort Kleiderstoffe, Hausgeräth u. s. f. zurück- führen. Begreiflicher Weise wollen diese Oligarchen sich in ihrem patriarchalischen Regiment nicht stören lassen; einträchtig weisen sie jede Einmischung, selbst die der Staatsregierung, zurück; gegen die letztere haben sie auch in Steuersachen ihre Prärogative mit Erfolg aufrecht erhalten, und nur durch die Nachgiebigkeit der Präsidenten von Honduras ist es möglich gewesen, einer formellen Loslösung Olan- cho’s von dieser Republik vorzubeugen. Der Präsident hat einen der Zelaya’s zum Jefe politico des Departements ernannt, weil eine an- dere Wahl im Lande schwerlich Anerkennung gefunden hätte. Und dieses ist fast das einzige Band, welches Olancho mit Honduras ver- knüpft. Selbst die Werbeoffiziere, die das Gebiet der Republik durch- streifen und jeden jungen Mann, jedes kräftige Maulthier, dessen sie habhaft werden können, ohne Weiteres für den Dienst der Armee con- fiseiren, wagen sich nicht mehr über das Gebirge, um in Olancho „Soldaten zu fangen“, seitdem sie mehrmals, wie es scheint recht un- sanft, zurückgewiesen worden. In Folge dessen hat sich in den Nach- bardepartements sogar die Meinung verbreitet, die Olanchanos wären Leute von einem gewaltsamen, argwöhnischen Charakter, die stets be- waffnet ausgingen und jeden Fremden aufs Uebelste behandelten. Selbst von den Staatschefs hat aufser Morazan, der nur bis Lepaguare kam und dort ein gütliches Abkommen traf, Niemand gewagt, Olancho zu besuchen, und Präsident Cabanas knüpfte an Wells’ Reiseprojeet leb- hafte Besorgnisse. Gleichwohl machte Wells die Erfahrung, dafs Olancho aufser anderen Tugenden patriarchalischer Hirtenländer auch die der Gastfreundschaft in ausgezeichnetem Malse besitzt.

Das Departement liegt ganz auf dem atlantischen Abhange der Cordillere, niedriger als Tegueigalpa, und fällt zum Ocean, den es mit seinen dichten, noch wenig betretenen Mahagonywäldern berührt, stufen- weise ab. Schon das Thal von Campamento, eines der höchsten im Departement, am östlichen Abhange der Salto-Kette; liegt nur 2500 Fufs über dem Meeresspiegel, 900 Fufs niedriger als das Thal von Teguci- galpa; das Thal von Lepaguare erhebt sich nur 2100 Fufs, die Haupt- stadt Jutecalpa nur 1100 Fufls über den atlantischen Ocean !). Den Flächeninhalt des Departements schätzt Squier auf 11,300 Quadrat- Miles (den von Tegucigalpa auf 1500 Quadrat-Miles), die Einwohner- zahl mit Ausschlufs der Indianer auf 45,000 Seelen. Olancho würde demnach fast den dritten Theil des Areals der Republik Honduras

') Wells p. 542, 542. An einer andern Stelle (p. 299) giebt er die Höhe von Lepaguare nur auf 1800 Fufs an und sagt, dals Jutecalpa fast 1000 Fufs niedriger läge.

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nen. ne

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umfassen. Es gehört ausschliefslich zum Flufsgebiet des Guayape, der in seinem unteren Laufe den Namen Patuk oder Patuca führt und sich östlich vom Cap Cameron in das Meer ergiefst. Von seinen Neben- flüssen auf dem linken Ufer ist der Rio de Jutecalpa, an welchem die Hauptstadt liegt, der bedeutendste. Mächtigere Zuflüsse empfängt er von Süden her, namentlich den Rio Guayambre, der in seinem weiten Laufe ein ausgedehntes, noch ganz unbekanntes Thal durchströmt; demnächst den R. Jalan, R. de Espana und R. Moran.

Olancho ist bei Weitem nieht so gebirgig, wie das Nachbardepar- tement. Seine Thäler sind weit ausgedehnter und von niedrigeren Ge- birgszügen eingeschlossen. Das Klima mufs natürlich sehr verschieden sein, da das Land von dem Thale von Lepaguare terrassenförmig zu der tierra caliente des Küstenstrichs abfällt; auch kann es der im All- gemeinen viel geringeren Bodenerhebung wegen den Bewohnern der gemäfsigten Zone nicht so angemessen sein, wie das Tegucigalpa’s. Wells hat das Departement in der kühlsten Jahreszeit besucht, und seine Angaben, die übrigens nur für die beiden höchsten Stufen (von Lepaguare und Jutecalpa) gelten, lauten deshalb auffallend günstig. Von der Mitte des December bis zur Mitte des Januar schwankte in Lepaguare die Temperatur des Morgens zwischen 52° (?) und 61°, des Mittags zwischen 72° und 80°, des Abends zwischen 69° und 75° F.; die durchschnittliche Temperatur für die drei Tageszeiten betrug 59°, 78° und 74°. Das Vorherrschen der Nordwinde während des Winters trägt sicherlich viel dazu bei, die Temperatur in so auffallender Weise herabzudrücken. Allerdings versichert Herr Wells, dafs es auch im Sommer in Jutecalpa selten so heifs ist wie in New-York; aber diese Angabe werden wir mit seiner Erlaubnifs als eine kühne Verschöne- rung betrachten dürfen.

Werfen wir nun einen Blick auf die wichtigsten Sammelpunkte der Population, soweit sie von Wells besucht sind, so bietet sich uns im Westen zunächst das Thal von Lepaguare dar. Auf dem Wege von Guaimaca nach Olancho erreicht man noch innerhalb der Sierra de Salto das Thal des Rio Rodondo, der bereits zum System des _ Gwuayape gehört. Jenseits desselben steigt man wieder 1500 Fufs zu einem ausgedehnten Tafellande empor, das sich allmählich nach NO. { abdacht, und gelangt, dem Laufe des Rio Concordia folgend, in das

kleine Thal, in welchem das Dorf Campamento mit seinen 200 Be- wohnern, meist Zambos, 2500 Fuls über dem Meere liegt. Die Gebirgs- NY

flüfschen dieser Gegend führen schon sämmtlich Gold mit; ihr Geröll

besteht aus Schiefer, Sandstein und Quarz, der letztere ist überwiegend.

Von Campamento steigt man aus den Tannenwaldungen des Gebirgs-

landes längs des Rio Guayapita rasch abwärts in das Thal des Rio Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge, Bd. III. 30

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Almendarez !) und betritt die nur hin und wieder von einer Fächer- palme überragten reichen Prairien, welche dem Gedeihen der Viehzucht in Olancho so überaus günstig gewesen sind. Ueberall erblickt, man ausgedehnte Heerden von Rindvieh, Pferden und namentlich Maulthie- ren, welche letztere von hier aus weit und breit durch Central-Amerika bis nach Guatemala hin ausgeführt werden. Jenseits der Hacienda La Lima führt ein Ritt von einer Stunde an die Furth des Guayape, der hier bereits 90 Fufs breit ist und ohne Stromschnellen in einem Bett von gelbem Sande dahinflielst; dann gelangt man über ein schwach undulirtes Terrain durch die Hacienda San Juan in das weite, park- ähnliche Thal von Lepaguare, wo der Chef der Zelaya-Familie residirt und wo „ihm die Vettern weitverbreitet wohnen“.

Das Thal ist auf allen Seiten nur von niedrigen Höhen einge- schlossen. Im Westen erhebt sich auf einer mit Baumgruppen, haupt- sächlich aber mit Buschwerk bestandenen Bodenanschwellung der Cerro Gordo.., Die Vanille klettert hier an den. Bäumen oft zu einer Höhe von 40 Fufs empor, aber die Eingeborenen verstehen nicht, die Pflanze zu cultiviren; sie sammeln in den Wäldern des Departements jährlich nur etwa 20 Arroba’s (500 Pfund) und führen sie nach Tegucigalpa, in ganz kleinen Quantitäten auch nach Belize, Truxillo und. Omoa. An dem zuerst genannten Orte verkauft man das Pfund für 7 bis 124 Cents, während es auf dem Markt von San Miguel zwei bis vier Dollars gilt. Aufser der Vanille gedeihen hier noch Cocospalmen, Pi- sang, Kork-, Gummi- und Cautschuk-Bäume, und ein Baum mit schwar- zen glänzenden Beeren von sülsem, traubenartigen Geschmack, den die Eingeborenen Salsi nennen. Im Süden ist das Thal von einem Höhen- zuge eingeschlossen, den der R. Guayape bei Espumoso zu durchbrechen

2). Zum Beweise, dafs die Karte, welche Wells seinem Werke beigegeben hat, von Zuverlässigkeit noch weit entfernt ist und nicht einmal mit seinen eignen An- gaben im Text übereinstimmt, machen wir auf den Lauf dieser Flüsse aufmerksam. Der R. Concordia soll bei Campamento vorbeifiefsen; auf der Karte ist er weit da- von entfernt, Vom R. Almendarez bemerkt Wells ausdrücklich (p. 267), dafs er aus den Gebirgen in der Richtung von Yuscaran und dem Tiupacente herkommt und nach NO. fliefst; auf der Karte aber giebt er diesen Namen einem Flusse, der in das linke Ufer des R. Guayape mündet, aus den Bergen im Norden herkommt und von Norden nach Süden, dem oberen Laufe des Guayape parallel und östlich von diesem fiefst. Der Flufs, der auf seiner Karte R. Almendarez heifst, wird im Text mehr- mals als ein unbedeutendes Gewässer erwähnt, dessen Namen nicht einmal angeführt wird. Auch die Bezeichnung, „aus der Richtung von Yuscaran und dem Tiupacente* ist mit der Karte unvereinbar; von Campamento liegt das erstere im SW., der letz- tere Berg in OSO. Wir neigen uns zu der Ansicht, dafs auch in Bezug auf den Tiupacente die Karte fehlerhaft ist. Diesen Berg sah Wells von den Höhen bei Sta. Lucia zugleich mit dem Kegel von Guaymaca und in derselben Richtung, und diese Angabe stimmt sehr wohl mit der Notiz, dafs der zwischen Campamento und La Lima nach NO. fliefsende R. Almendarez „aus der Richtung von Yuscaran und dem Tiupacente“ herkommt.

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seheint; der Flufs bildet hier einen Wasserfall und auch. unmittelbar an seinem rechten Ufer nach dem R. Moran hin, der in seinem untern Läufe ebenfalls einige Schnellen und Absätze bildet, wird ein mit Tan- nen und Eichen bewaldeter Gebirgszug erwähnt. Die Höhen am linken Ufer des: Guayape sind in der Nähe des Flusses, namentlich bei Mur- cielago, vielfältig von Schluchten zerrissen, in denen die Goldwäsche- rinnen ihrer Beschäftigung nachgehen; die alten Spanier hatten hier den Goldsand aus tiefen Schachten hervorgehoben, in denen man noch vor: 20 Jahren viele verrostete Geräthschaften vorfand; auf dem Boden der Schachte stehen jetzt Bäume, von denen einige über hundert Jahre alt sind. Nach dem Thale von Lepaguare dacht sich der Höhenzug, über den ein guter Saumpfad führt, allmählich ab; er trägt hier üppige Nadelholzwaldungen, in denen Tannen von 3 Fufs im Durchmesser, Cedern, Eichen, Mahagony- und Kautschuk-Bäume vorkommen. Auch die Hügel, welche das Thal von Lepaguare und .die Quellen des Rio de Jutecalpa scheiden, haben nur eine geringe Erhebung; ihre Abdachung nach dem viel tiefer gelegenen Jutecalpa. ist: so gleich- mälsig, dals man den ganzen Weg im Galopp zurücklegen kann. In den Flufsthälern entwickeln sich die Cedern zu einem: so. stattlichen Wuchs, dafs sie. alle anderen Bäume, mit Ausnahme des Mahagony- Baumes, in den Schatten stellen; sie erreichen eine Höhe von 100 Fufs, einen Durchmesser von 6 bis 10 Fuls; in den Hacienda’s findet man Tischplatten von Cedernholz, die 11 Fufs lang und 7 Fufs breit. sind, ohne Rifs und Fehler. Viel schwieriger zu bearbeiten ist das sehr harte Holz des Lignum vitae; dieser Baum wird gewöhnlich ‚40 Fufs hoch und nur von den Mahagonyschlägern gefällt; die Poyas-Indianer benutzen ‚seine Rinde und sein Harz, denen sie einige medizinische Wirkungen zuschreiben. Fast eben so hart, aber von den Eingebore- nen häufiger benutzt ist das Holz des Lorbeerbaumes, der namentltch an feuchten Orten auch gegen 40 Fufs hoch wird und den knotigen Stamm meistens in eine dünne Moosdecke gekleidet hat; man verwen- _ det das Holz gern zu Wagenachsen, benutzt es aber auch als Brenn- material. Der Weg nach der Departements-Hauptstadt Jutecalpa führt über _ ebene Savannen, die hin und wieder mit Buschwerk bestanden sind, längs des gleichnamigen Flusses, den man nicht weniger als acht Mal _ überschreiten muls. Zahlreiche Hacienda’s liegen hier zerstreut inmitten ihrer Felder von Bohnen, Reis, Kürbissen, und ihrer Orangenwäldchen. Orangen sieht man auch häufig an den Strafsen, ebenso den bereits _ erwähnten Salsi-Baum. Kurz vor Jutecalpa wird die Gegend wieder & hügelig; von den Höhen eröffnet sich der Blick auf die Stadt und ihr sehönes Thal, eine ausgedehnte Ebene, die sich weit nach: Norden

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und Osten ausdehnt und in der Ferne von runden, dicht bewaldeten Hügeln eingeschlossen wird.

Während der ersten Zeit der spanischen Herrschaft war Olancho Viejo, im Norden von Jutecalpa, die Hauptstadt des Departements. Die Einwohner sollen, wie das Volk erzählt, durch den Bergbau er- staunliche Reichthümer gewonnen, aber in Folge dessen sich einem frevelhaften Uebermuth hingegeben haben, der den göttlichen Zorn er- regte. Zu einem fast beendigten Standbilde der heiligen Jungfrau wei- gerten sie sich, das noch erforderliche Gold darzubringen, und setzten der Himmelskönigin eine Lederkrone auf das Haupt. Da brach das göttliche Strafgericht über die sündige Stadt herein: ein Erdbeben, oder wie Andere erzählen, der Ausbruch eines benachbarten Vulcans zer- störte sie bis auf den Grund. Der Ort wurde verflucht; kein frommer Olanchano wagt es, ihn zu besuchen; ja man gedenkt der Trümmer nicht einmal, ohne ein Kreuz zu schlagen. Wells hat die Ruinenstätte aufgesucht; sie liegt in öder, ganz verwilderter Gegend am Monte Bo- queron; von der Stadt selbst, die nicht grofs gewesen und höchstens 3— 4000 Einwohner gezählt haben kann, sind nur noch wenige Reste von Ziegelmauern erhalten, die von einer spärlichen Vegetation über- wachsen sind. Nach der Katastrophe, welche das alte Olancho zer- störte, wurde Manto die Hauptstadt des Departements; da sie aber hart an der Grenze desselben lag, gab man bald Jutecalpa als einem mitten im Lande und in fruchtbarer Gegend gelegenen Centrum der Population den Vorzug. Auch Jutecalpa hat während der spanischen Herrschaft bessere Tage gesehen; es zählte früher 8000 Einwohner, jetzt nur die Hälfte; der Verfall des Handels und Bergbau’s, seit meh- reren Jahren auch die stets wiederkehrende Heuschreckenplage haben den Wohlstand erheblich gemindert. Gleichwohl ist die Stadt noch ziemlich lebendig, und ihre Menschenmenge steigt namentlich zur Zeit der grolsen Feste um das Dreifache. Fast alle Heerdenbesitzer in wei- tem Umkreise haben in der Stadt ihre eigenen Häuser und besuchen sie häufig; einige derselben sind sehr wohlhabend und besitzen Heer- den von 10,000 Häuptern, die auf den verschiedenen Hacienda’s ver- theilt sind. In Folge dessen fehlt es der Stadt auch nicht an hübschen, zweistöckigen, in gutem Stande gehaltenen Häusern, die in demselben Styl wie in Tegucigalpa, mit Veranda’s, vergitterten Fenstern u. s. w. erbaut sind. Aber die meisten Gebäude sind doch unansehnlich, ein- stöckig, die Strafsen meist eng, schlecht gepflastert, unreinlich; die Hitze in ihnen wird durch die weils angestrichenen Wände noch ge- steigert. Aus einiger Entfernung gesehen gewährt Jutecalpa dagegen ein höchst anmuthiges Bild; die Obstgärten, die hinter jedem Hause liegen, die Tamarinden mit ihren ausgebreiteten Laubkronen auf den

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Strafsen, die rothen Ziegeldächer, mit denen alle Häuser versehen sind, endlich die aus dem dichten Grün hervorschauenden gröfseren Gebäude tragen wesentlich dazu bei, das Bild einer hübschen und wohlhabenden Landstadt zu vollenden. Die Kirche gleicht ganz der Hauptkirche von Tegueigalpa; man hat zehn Jahre an ihr gebaut und dazu hauptsäch- lich die freiwilligen Beiträge der Goldwäscherinnen verwendet; im In- nern ist sie mit Cederbrettern, der Fulsboden aber nur mit Ziegeln ausgelegt. Das bunteste Leben herrcht in der Stadt während des Festes der heiligen Jungfrau, das im December mit grofsem Jubel begangen wird. Dann strömt das Volk aus allen Theilen des Departements nach der Hauptstadt; die grofsen Grundbesitzer halten, von zahlreichen Caval- caden begleitet, mit ihren Familien ihren Einzug; aus allen Städten, aus Manto, Silea, Culmi, ja selbst aus Danli, einem der Hauptorte der Provinz, stellen sich Schaaren von Gästen ein; sogar die Indianer aus den entfernteren östlichen Ansiedelungen lassen sich häufig blicken und bieten zuweilen noch die Erzeugnisse ihres früher viel mehr geschätz- ten Kunstfleifses feil, Kleidungsstücke, Kopfschmuck u. dgl., die höchst geschickt und mit beachtungswerthem Geschmack in der Farben- zusammenstellung aus Federn verfertigt sind. Die Stadt und ihre Be- wohner ziehen ihr Festkleid an; die vorspringenden Dächer werden mit Palmen- und Cedernzweigen geschmückt, über die Strafsen von Dach zu Dach Guirlanden von Schlingpflanzen geflochten, an denen Bündel harzreichen Holzes für die Abend -Illumination aufgehängt wer- den. Das lebhafteste Treiben concentrirt sich auf der Plaza. Hier sind Buden aufgeschlagen, in denen Tiste, Chocolade, Punsch von Aguardiente, Eier, Zuckerwerk, Kuchen, Feuerwerkskörper, Früchte und Marienbilder feilgeboten werden; um die Spieltische drängen sich die athletischen Hirten (Vaqueros), die an Kraft und Geschicklichkeit im Reiten mit den Tabunschtschik’s der südrussischen Steppen wetteifern könnten, die Mahagonyschläger, die Sarsaparilla-Sammler, die Jäger und Maulthiertreiber, meist in Gesellschaft ihrer zum Feste hoch auf- geputzten Schönen; still, aber nicht minder lebhaft drängt sich durch die Menge der dunkelfarbige behende Indianer, der aus dem fernen

Catacamas zur Theilnahme an dem Festjubel herübergekommen ist.

_ Ueberall Lärm, Jauchzen, Gesang und Guitarren-Geklimper; auf offe- ; nem Platze bilden sich Kreise, um dem Tanze des Fandango oder des Bolero zuzuschauen. Die kirchlichen Feierlichkeiten, die Processionen, bei denen ein Bild der heiligen Jungfrau in dem grellen und bunten Bantputz einer Landschönen durch die Stadt getragen wird, wechseln _ ab mit ausgelassenen Maskeraden, und Abends mit Illumination und _ Feuerwerk, das an allen Enden der Stadt emporprasselt. Auch auf

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der Plaza lodern Abends viele Freudenfeuer auf, in deren Beleuchtung die bunten Gruppen verschiedenfarbiger Menschen einen eben so eigen- thümlichen wie malerischen Anblick gewähren. Am Tage hat man Gelegenheit zu bemerken, dafs das Hirtenvolk Olancho’s ein eben so ausgezeichnetes Reitervolk ist. Von Jugend auf unter Pferden und Maulthieren aufgewachsen sind die Olanchanos, Männer sowol wie Weiber, überaus geschickte Reiter, die ihre Freude daran finden, in der Bändigung junger Thiere ihre Kraft und Kunst zu zeigen. Wenn unser Gewährsmann solche Reitertrupps über die Ebenen mit der wil- desten Ausgelassenheit dahinbrausen sah, mufste sich ihm wol die Be- merkung aufdrängen, dafs in ganz Central- Amerika keine Cavallerie zu finden sein dürfte, die sich mit den ÖOlanchanos messen könnte, und dafs vielleicht hierin, wie überhaupt in der kräftigen, gesunden Körperconstitution dieses Volksstammes der eigentliche Grund seiner Unabhängigkeit liegen dürfte. Während der Festzeit versammeln sich täglich die grofsen Clans zu solchen Reitertrupps, um irgend einem angesehenen Familienmitgliede entgegen zu ziehen und ihm einen im- posanten Einzug zu bereiten; namentlich aber steigt Alles zu Pferde, wenn die Ankunft der Stiere gemeldet wird, die einer der reichsten Patricier Jutecalpa’s, Senor Garay, schon seit einem halben Jahrhun- dert, wie seine Vorfahren in älterer Zeit, zu den Stiergefechten bei der Funcion de la Virgen zu stellen die Ehre und das Vorrecht genielst. Von verwegenen und ausgelassenen Reitern umschwärmt, werden die durch die Unannehmlichkeiten der Reise, durch den Lärm, durch die unaufhörlichen Neckereien in Wuth versetzten Thiere im Triumph nach der Stadt getrieben, wo sie mit verbundenen Augen und ohne Futter in einer starken Umzäunung (corral) der Stunde des Kampfes ent- gegensehen müssen. Dafs bei dem letzteren der Enthusiasmus des Volks seinen höchsten Gipfel erreicht, ist bei dem spanischen National- charakter selbstverständlich. Besondern Beifall findet das Reiten der Stiere: einer der Kämpfer wirft dem Thiere eine Schlinge über die Hörner und das Ende derselben über die Barriere dem Publicum zu; dann wird der Stier, wie sehr er sich auch sträubt, an die Umzäunung gezogen und sein Kopf kräftig niedergehalten, bis ihm ein starker Sattel aufgelegt ist. Ein verwegener Bursch schwingt sich hinein, der Stier wird losgelassen, und wie das vor Wuth schäumende Thier sich nun durch die verzweifeltsten Sprünge der ungewohnten Last zu ent- ledigen sucht und der Reiter in seiner gefahrvollen Situation Gelegen- heit findet, Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart an den Tag zu legen, erbebt die Luft von dem donnernden Beifall der Menge. Wie weit mögen diese Stiergefechte in dem von aller Welt abgeschlossenen Jute- calpa hinter dem Pomp und den grofsartigen Zurüstungen zurückstehen,

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mit denen solche Volksfeste in Madrid oder Cadix begangen werden! Aber der leidenschaftliche Enthusiasmus des Spaniers für das grau- same Schauspiel ist diesseits und jenseits des Oceans unverändert der- selbe. Von Jutecalpa aus hat Wells die Umgegend nach verschiedenen Richtungen hin durchstrichen; aber sein Bericht über diese Ausflüge ist meist so kurz oder beschäftigt sich so ausschliefslich mit Aufzeich- nung der Angaben über das.Vorkommen von Goldsand, dafs wir hin- sichtlich des Bodenreliefs wenig aus ihm entnehmen können; nament- lich bedauern wir, dafs wir über die Berggruppen, die er auf seiner Karte mit dem Namen Los Volcaneitos bezeichnet, keinen Aufschlufs erhalten, und nieht minder, dafs er den El Boqueron bei den Ruinen von Alt-Olancho, der auch für einen erloschenen Vulcan gilt, nicht wirklich bestiegen hat. Im Süden von Jutecalpa, etwa 90 Fufls höher als die Stadt, liegt das grofse Thal von Concepeion, eine der treff- lichsten Weidelandschaften in der Provinz. Ueber diese reichen Trif- ten führt ein Weg zwischen Akazien und Gummibäumen, hin und wieder durch Buschwerk, nach el Retiro, wo der Guayape, hier ein breiter, ruhig dahinfliefsender Strom, in einer Furth überschritten wer- den kann. _Am jenseitigen Ufer steigt man allmählich die Hügelreihe hinauf, welche sich zwischen dem R. Guayape und dem R. Jalan hin- zieht und bei Monterosa ihre bedeutendste Erhebung erreicht. Dieser Ort selbst liegt 1600 Fufs höher als Jutecalpa, also 2700 Fufs über dem Meere. Die Gehänge sind reichlich mit Tannen, Cedern und Ma- hagony-Bäumen bewaldet; die letzteren werden immer häufiger, je - weiter man ostwärts vorschreitet, d: h. je mehr man sich den tiefer gelegenen Landschaften nähert; die unabsehliche Waldwüste, die man

von den Höhen bei Monterosa jenseits des R. Jalan sich ausdehnen

sieht, besteht schon überwiegend aus Mahagony-Bäumen und anderen

werthvollen Nutzhölzern. Besondere Erwähnung verdient noch der

Amberbaum, der den flüssigen Storax liefert. Er ist in verschiedenen

Gegenden Central- Amerika’s heimisch, aber auf den höheren Terrassen - von Olancho gedeiht er besonders üppig. Die durchschnittliche Höhe - der Bäume in der Nähe der Stadt betrug 30 Fufs; doch sollen sie im - Norden auf den Jutequile-Bergen zuweilen 80 Fufs hoch und an der - Wurzel 3 Fufs im Durchmesser stark werden. Der glatte Stamm ist bis zur Höhe von 20 Fufs astlos; dann bilden die Zweige eine kegel- _ förmige Krone, wie bei der Tanne. Das Holz ist hart, schön gema- sert und einer vorzüglichen Politur fähig; aber es wird an Ort und Stelle fast gar nieht benutzt. Der Saft quillt aus den Poren hervor, _ hängt in kleinen Knollen an dem Staimme und macht den letztern so klebrig, dafs er oft dicht mit Bienen bedeckt ist, die, durch das süfse

an ma Sie ar a ana

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Harz angezogen, daran haften geblieben sind. Aus Einschnitten quillt der Saft in klaren Tropfen hervor; um ihn aufzufangen, begnügt man sich meistens damit, eine Rinne von Pisangblättern um den Baumstamm zu legen. In Flaschen gefüllt wird er dick wie Syrup. Man verwendet ihn in Olancho hauptsächlich dazu, Fleischwunden bei Thieren zu hei- len; aber auch die Mahagonyschläger sollen, wenn sie sich verwundet haben, mit gutem Erfolge zu diesem Baume ihre Zuflucht nehmen. Am wirksamsten und werthvollsten ist der Saft, der unmittelbar unter der Stelle, wo sich die Aeste abzweigen, abgezapft ist. Auch der Weihrauch, der in den Kirchen Jutecalpa’s verwendet wird, kommt von einem kleinen einheimischen Baume, der sich auf den Savannen Olancho’s häufig unter den Gummibäumen findet; man sammelt den Weihrauch in Gestalt kleiner blafsgelber Stückchen, die wie gedörrtes Getreide aussehen; er liefert ein auch für Krankenzimmer sehr belieb- tes Räucherwerk von angenehmem Duft.

Das rechte Ufer des Rio Jalan, an das sich, wie wir bereits be- merkten, ausgedehnte und fast noch ganz unberührte Mahagonywälder lehnen, ist grofsentheils von Sümpfen umgeben, die sich stromaufwärts bis Quebracha erstrecken. Hier liegt ein nicht unbeträchtlicher, wild- und fischreicher See, in dem es auch an Alligatoren und Tapiren nicht fehlen soll. Die Umgegend ist vorzüglich reich an Sarsaparilla, die sich überall um Bäume, Felsblöcke und Sträucher schlingt; die grau- braune, zuweilen rothe Wurzel wird hier wie in anderen Gegenden Olancho’s von den Eingeborenen, namentlich auch von den Indianern gesammelt und an die Kleinhändler in den Städten verkauft. Dort wird sie sortirt, in Päckchen von 24 bis 4 Pfund zusammengebunden und dann in Ballen von 3 bis 5 Arrobas (75 bis 125 Pfund) nach dem nächsten Seehafen, meist nach Truxillo geschickt. Die Eingeborenen sind mit dem medizinischen Gebrauch der Wurzel unbekannt.

Auf den Ebenen im Norden von Jutecalpa wächst viel Krapp; Wells hält die Art mit der von Neuseeland für identisch. Die India- ner am untern Guayape sammeln und verkaufen ihn in den Seehäfen; bei einiger Betriebsamkeit könnte er ein wichtiger Handelsartikel wer- den. Die Jutequile-Kette scheint wenigstens da, wo man sie auf dem Wege nach Telica überschreitet, nicht besonders hoch zu sein; ihre Abhänge sind weidenreich, der Rücken trägt Tannenwald. Hier zeigt sich auch der Kautschuk-Baum, Siphonia elastica, häufig; er wird zuweilen 50 Fufs hoch, hat einen runden, glatten Stamm mit heller Rinde; die länglichen, etwa einen Fufs langen Blätter stehen in Bü- scheln zu je dreien neben einander. Wird der Baum angezapft, so fliefst aus der Wunde eine gelbe dicke Substanz, die man hier zu Lande nachlässig genug in eine am Fufse des Baumes in dem

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Sande ausgehöhlte Grube rinnen läfst. In Folge dessen wird das Pro- duct schmuzig und für den Handel ziemlich werthlos. In Telica baut man, wie auf den meisten Hacienda’s dieser Gegend, viel Taback; er kommt auch wild vor und wird von den Indianern bei Catacamas fleilsig gesammelt; der Haupterwerbszweig besteht aber in Telica wie in der nächsten Hacienda San Roque aus der Viehzucht. Auf den schönen Ebenen, die sich zwischen Telica und Herradura hinziehen und im Norden von den dunkeln Wäldern zwischen dem Boqueron und Penuare eingefalst werden, erhebt sich häufig die Coyol-Palme, die ihres erfrischenden Saftes wegen überall hoch geschätzt wird. Die Indianer klettern an dem Stamme hinauf, bohren ihn unmittelbar unter der Laubkrone an, stecken ein Rohr oder ein zusammengerolltes Blatt in die Wunde und lassen den Wein in ein am Ende der Röhre befind- liches Gefäls rinnen. Auf den Hacienda’s haut man meistens den gan- zen Baum um; der Stamm giebt dann fünf bis sechs Gallonen Wein, der, so lange er jung ist, weils und molkenartig aussieht und nach der Gährung ein angenehmes, berauschendes Getränk bildet. Manchmal mischt man auch Honig in diesen sehr beliebten Palmwein. An Ho- nig und Wachs producirt das Departement mehr als irgend ein ande- rer Theil Central- Amerika’s; namentlich beschäftigen sich die Bewoh- ner Penuare’s sehr mit Bienenzucht und senden Wachs und Honig an die Küste. Man kennt in Olancho nicht weniger als 14 Arten von Bienen, und unterscheidet sie durch besondere Namen. Die Körbe be- stehen meistens nur aus ausgehöhlten Baumstämmen und hängen an ledernen Riemen unter dem Vorsprunge der Dächer.

Nördlich von S. Roque und Herradura wird die Gegend wieder hügelig und stärker bewaldet. Man erreicht damit das Terrain, in dem eivilisirte Indianer die Hauptmasse der Bevölkerung bilden. Schon in El Real, einem kleinen Städtchen an der Mündung des gleichnamigen Flusses in den Rio Guayape, stammen die 200 Einwohner meist von Xicaque-Indianern ab; sie treiben nach den Küstenplätzen einen ziem- lich lebhaften Handel mit Hirschfellen, Häuten, Balsam und Sarsapa- rilla, beschäftigen sich aber auch als Landbesitzer mit dem Ackerbau. Hauptsitz der indianischen Bevölkerung ist Catacamas, ein Städtchen von 2000 Einwohnern, zu dem der Weg von El Real über zwei bis drei Bergrücken und oft durch dichte Wälder führt. Catacamas und seine Umgegend machen einen freundlichen Eindruck. Hunderte von Pisang-Pflanzungen wechseln mit Ackerfeldern ab, auf denen Yuca,

Mais, Taback, Reis, Bohnen und eine Menge Gemüse gewonnen wer-

den; das Städtchen ist solid gebaut, die Häuser sind mit Ziegeln ge-

deckt; die Einwohner bestehen fast ausschliefslich aus eivilisirten, zum Christenthum bekehrten Indianern, die für betriebsame, mäfsige und

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friedliebende Bürger gelten. Auch der Alcalde primero ist ein Indianer. Auf dem Markte herrscht viel Leben; er wird auch von den noch nicht bekehrten Küsten-Indianern häufig besucht, die sich meistens vom Fischfang nähren und sich mit ihren gebrechlichen Kähnen auch auf die Caraibische See wagen.

Catacamas ist von den bedeutenderen Ortschaften in Honduras die östlichste. Weiter nach der Küste hin liegen nur noch einige kleine ärmliche Flecken; im Allgemeinen ist das Land dort mit zusammen- hängenden Wäldern bedeckt, in denen der Mahagony-Baum vorwiegt. Die Indianer, welche die Wälder durchstreifen, leben von Jagd und Fischerei.

Das sind im Wesentlichen die orographischen und topographischen Angaben, welche Wells über Olancho mittheilt. Die nordwestlichg Ecke mit den Städten Manto und Jano, ferner das ganze Thal des Guayam- bre, dessen Hauptstadt Danli nur einmal als ein wichtiger Mittelpunkt der Bevölkerung beiläufig erwähnt wird, endlich die ganze Südosthälfte wie den Küstenstrich hat er nicht besucht. Es bleibt uns demnach nur noch übrig, die Hilfsquellen des Departements übersichtlich zusammen- zustellen, damit der Leser sich selbst ein Urtheil darüber bilde, welche Aussichten der District einer etwaigen Colonisation durch fremde Ein- wanderer oder einer Anwendung fremder Capitalien darbietet.

Zur Zeit stützt sich der Wohlstand der Bewohner überwiegend auf die Viehzucht. Durch seine ausgedehnten weidenreichen Ebenen ist Olancho nicht blofs für die Rindviehzucht, sondern auch für die Zucht von Pferden und Maulthieren viel mehr geeignet, als das be- nachbarte Departement Tegucigalpa. Die Zahl des Hornviehs schätzt Wells auf ungefähr 100,000 Stück; 2 bis 3000 werden alljährlich aus dem Departement ausgeführt, hauptsächlich nach Salvador und Guate- mala, und ein grolser Theil wird an Ort und Stelle geschlachtet. Mit Käsen und Häuten treibt man schon jetzt einen beträchtlichen Handel nach den Küstenplätzen. Die Pferdezucht ist so ausgedehnt, dafs man die Mühe des Zureitens viel höher bezahlt als das Pferd selbst; ein junges, an den Sattel noch nicht gewöhntes Thier kann man für 10 bis 14 Dollars kaufen, während ein zugerittenes 40 bis 80 Dollars kostet. Im Allgemeinen schätzt man aber ein Pferd bei Weitem nicht so hoch wie ein Maulthier; denn der Verkehr des Departements ist fast nur nach gebirgigen Gegenden gerichtet, in welchen das ruhige, sichere Maulthier vor dem Pferde bedeutende Vorzüge besitzt, und der Zustand der Strafsen meist so mangelhaft, dafs Räderfuhrwerk nicht in Gebrauch ist, alle Lasten vielmehr auf dem Rücken von Thieren weiter befördert werden müssen, wozu das Maulthier ebenfalls geeig- neter ist als das Pferd. Die Maulthiere Olancho’s gelten für die besten

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und kräftigsten in ganz Central- Amerika. Man zahlt an Ort und Stelle durchschnittlich 49 Dollars für das Stück; aber gut zugerittene Thiere stehen auch hier bedeutend höher im Preise, namentlich werden für tüchtige Palsgänger (andadoras) man übt die Thiere geflissentlich auf diese Gangart ein zuweilen Summen von 2 bis 300 Dollars ge- zahlt. Die Schafzucht ist viel weniger ausgedehnt; die kleinen Heer- den, die hier und da gehalten werden, gedeihen gut und leiden nicht an den gewöhnlichen Krankheiten, welche diesen Zweig der Viehzucht an andern Orten so precär machen; hier sind die Wölfe die Haupt- feinde der Schafe. Etwas Wolle wird schon jetzt an die Küstenplätze ausgeführt. Dafs die Bienenzucht in allen Theilen des Departements einen für den Haushalt wesentlichen Nebenerwerb liefert, haben wir bereits erwähnt; Honig und Wachs gehören zu den Exportartikeln. Von Interesse ist es, dafs in dem Lande auch Seide gewonnen wer- den kann: Olancho besitzt einen einheimischen Seidenwurm. Oft sieht man von den auf den Savannen vereinzelt stehenden Bäumen ein sack- artiges Gewebe zwei Fuls tief herabhängen; innerhalb dieses Nestes spinnt der Wurm die Seide in Lagen und Strähnen. Ein Versuch, das Product zu verarbeiten, ist erfolgreich gewesen: im Jahre 1844 sind sechs Pfund ‘dieses Rohmaterials in England zu Taschentüchern verwebt worden, die eben so stark und fein wie ächt seidene ausfielen und von diesen kaum zu unterscheiden waren. Von Wild kommen Hirsche und Antilopen namentlich in den gebirgigen Strichen häufig vor; man schiefst sie aber nur der Felle wegen. Dagegen wird das Fleisch des Armadills gegessen; wenn das Thier in seinem Panzer gebraten wird, soll das Fleisch zart und schmackhaft wie Hühnerfleisch werden. An wildem Geflügel fehlt es nicht; Wells beschreibt mehrere prachtvoll befiederte Arten und auch einige Wasservögel, die er am See von Quebracha kennen lernte. Auch der Fischfang scheint ergie- big zu sein, da er die Hauptbeschäftigung vieler Indianer am unteren Guayape bildet; in dem ebengenannten See fing man eine Art Weils- fisch und dunkelgefleckte Forellen.

Von Cerealien steht der Mais in erster Linie; seit 1829 hat man auch den Reisbau eingeführt. Der Reis gedeiht hier ohne Be- wässerung und liefert kleine weilse Körner von vorzüglicher Qualität. Weizen wird in Olancho nicht mehr erwähnt; das Departement liegt für diese Cultur nicht hoch genug. Aus demselben Grunde darf man es auch bezweifeln, dafs die irischen Kartoffeln, mit deren Anpflanzung man bei Galeras einen Versuch gemacht hat, gedeihen werden; sie waren stark in’s Kraut gegangen, aber ihre Knollen werden vermuth- lich ungeniefsbar sein. Nächst dem Mais sind Bohnen die wichtigste Feldfrucht. Von Fruchtbäumen gedeihen aulser denen, die wir schon

476 Die Gold- und Silber-Region

bei dem Departement Tegucigalpa namhaft gemacht haben, der Ca- cao und die Cocos-Palme. Der Amber-, der Cautschuk-Baum und die Coyol- Palme werden in der bereits erwähnten Weise ver- werthet. Vanille wächst wild im ganzen Departement, ebenso Sar- saparille; der Taback kommt wild und cultivirt vor. Eine sehr wichtige Nutzpflanze ist noch die Pita, eine Caetus- Art, mit Blättern, wie die der mexicanischen Agave; sie wächst überall wild und vertritt die Stelle des Hanfs; aus ihr werden alle Stricke bereitet, die man im Lande zu den Hängematten, den Lazo’s, zum Pferdegeschirr u. dgl. braucht. Auch eine Art peruvianischer Rinde, die von den Eingebo- renen geradezu guina genannt und gegen Fieber gebraucht wird, ge- winnt man von einem Baume, dessen einheimischer Name nach Wells Copalchi ist. Bei Weitem den werthvollsten Reichthum besitzt Olan- cho aber in den prachtvollen Bau- und Nutzhölzern seiner ausgedehnten Waldungen. Während auf den höheren Terrassen Tannen, Eichen, Cedern vorwiegen, finden sich in den Wäldern der tieferen Stufen Lor- beerbäume, Mahagony, Rosenholz, Lignum vitae, Brasilien-Holz, Cam- pesche-Holz, Ebenholz und viele andere zum Theil noch unbekannte Arten in unerschöpflicher Menge. Der wichtigste dieser Bäume ist ohne Frage der Mahagonybaum, nicht blofs seines werthvollen Holzes wegen, sondern auch weil-er den Hauptbestandtheil der Wälder bildet, welche die ganze atlantische Küste des Staates Honduras umsäumen. Das werthvollste Mahagonyholz kommt von solchen Bäumen, die auf trockenem Boden gewachsen sind; und da die in europäischen Dien- sten stehenden Mahagonyschläger auf der Küste von Honduras kaum über die Niederung des Wanks hinausgedrungen sind, ist das Product von Honduras bisher demjenigen von Hayti und Cuba an Werth nach- gestellt und hauptsächlich nur deshalb besonders geschätzt worden, weil es den Leim gut festhält; aber es ist nicht zu bezweifeln, dafs weiter im Innern auf den höheren Stufen des Landes ein Holz gefunden wird, welches in jeder Beziehung mit den besten Sorten rivalisiren kann. In Olancho fällt man den Baum theils für den eigenen Gebrauch, zur An- fertigung von Hausgeräth, von Griffen an Handwerkszeug und Waffen u. dgl., zum Theil um das Holz stromabwärts zu flölsen und es an der Meeresküste zu verkaufen. Im letztern Falle soll es einen Ausgangs- zoll entrichten; aber bei der Bestechlichkeit der Zollbeamten wird, ‚wie Wells meint, nicht der zehnte Theil des ausgehenden Holzes versteuert, und dennoch ist diese Einnahmequelle für die Staatsfinanzen nicht un- wichtig. Zu der Zeit, als Wells sich in Olancho aufhielt, existirten in dem Departement 12 Cortes, d. h. solche Localitäten, an denen Maha- gony gefällt wurde; die wichtigsten waren die am R. Sara, einem Zu- flufs des R. Jalan, und an der Laguna de Mescales, südlich von Cata-

im östlichen Honduras. A477

camas. Ein solches Etablissement verlangt Capital, Sachkenntnifs und Umsicht; bei einem Corte werden oft 30 bis 50 Arbeiter beschäftigt, die wöchentlich bezahlt und oft aus weiter Ferne her vermittelst Ca- noes oder auf Wegen, die eigends zu diesem Zwecke gebaut werden, mit Lebensmitteln versehen werden müssen.

Unter den Mineralproducten Olancho’s nimmt Gold die erste Stelle ein. Goldseifen finden sich fast in allen Thälern des Departe- ments, hauptsächlich aber in seiner westlichen Hälfte: fast alle Flüsse und Bäche führen hier Goldsand mit sich, der um so reichhaltiger wird, je mehr man sich ihren Quellen nähert. Die Montanas de Salto und de Campamento, das Grenzgebirge zwischen Olancho und Tegucigalpa, scheinen also die ursprüngliche Lagerstätte des Metalls gewesen zu sein; und ebenso wie bei dem Ural ist auch hier der Ostabhang des Gebir- ges reicher an Gold. Das Gold des Guayape und seiner Quellflüsse zeichnet sich durch seine tiefgelbe Farbe und aufserordentliche Reinheit aus; das an anderen Stellen, z.B. am R. Jalan, gewonnene ist weils- licher und mehr mit anderen Metallen versetzt. Dort kommt es mehr in Körnchen, etwa von der Gröfse eines Nadelkopfes, vor, hier mehr in Gestalt von dünnen Blättchen. Ueber die Reichhaltigkeit der ein- zelnen Seifen giebt Wells keinen positiven und zuverlässigen Aufschlufs, da er nicht in der Lage war, ordentliche Versuche anzustellen; nur bei Murcielago verfertigte er mit unzulänglichen Mitteln eine rohe Wiege, wie sie in den frühesten Zeiten der californischen Goldwäscherei üblich war, und gewann damit bei dem ersten Versuche etwas Gold im Werthe von 1 Dollar 50 Cents. Die Lavaderas, die er hier be- schäftigt fand, erzielten sehr verschiedene Resultate; in manchen Schüs- seln (bateas) zeigte sich gar kein Gold, in den meisten eine Kleinig- keit von 2 bis 3 Cents im Werth; ein gröfseres Stückchen wurde ge- funden im Werthe von 5 Dollar. Es lohnt nicht, die Berichte einiger Glückskinder zu reproduciren; sie können ersonnen oder übertrieben sein. Erwägen wir aber, dafs in den Kronbergwerken im Ural ein Goldsand, der + Solotnik Gold von 100 Pud Sand liefert, d. h. nur

ler Procent reinen Metalls enthält, noch mit Vortheil benutzt wird,

7860

und dafs die Kunst, grofse Sandmassen in möglichst kurzer Frist aus- zuwaschen, durch den californischen Bergbau noch erheblich vervoll- kommnet ist, so wird schon die Thatsache, dafs das Waschen in Ba-

- teas überhaupt einen Ertrag liefert, als ein Anzeichen betrachtet wer- - den können, dafs der Goldsand Olancho’s für eine Benutzung in grofs-

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artigem Mafsstabe mit den modernen Hilfsmitteln reichhaltig genug ist. Es kommt noch hinzu, dafs die Lavaderas fast nur den Sand von der

Oberfläche verwaschen, während es doch bekannt ist, dafs die unteren

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Schichten der Seifenlager ungleich reichhaltiger sind. Die alten Spa-

478 Die Gold- und Silber-Region

nier haben an mehreren Orten den Sand in Schachten aus grölseren. Tiefen hervorgeholt.

Auch Silber findet sich an verschiedenen Punkten des Departe- ments, namentlich in der Nähe von Quebracha, in den Jutequile-Bergen und in den jetzt verlassenen Gruben von Palo Verde, 10 Miles westlich von Jutecalpa. Aus den letztern erhielt Wells Erzproben, in die ge- _ diegenes Silber eingesprengt war. Kupfer ist noch häufiger. Bei Yo- con soll es gediegen vorkommen; bei Junquilla, auf dem Wege von Jutecalpa nach Jano auf dem nördlichen Abhange der Jutequile-Berge, und bei Ulua, nordnordwestlich von Lepaguare, ist es goldhaltig. Die Ulua-Minen sellen im vorigen Jahrhundert sehr ergiebig gewesen sein; das hier gewonnene Erz schmolz man in Tegueigalpa des Goldes we- gen aus, von dem es einen bedeutenden Procentsatz enthielt. Auch Eisen und Zinnober sollen im Departement vorkommen; von dem letzteren hatte der damalige Finanzminister, Sr. Cacho, mehrere Minen (es ist nicht gesagt, in welchem Departement) entdeckt und bemühte sich eifrig, das Verfahren kennen zu lernen, durch welches Quecksilber hergestellt wird. Alle diese Mineralschätze sind zur Zeit völlig unbe- nutzt,

Der Werth der genannten Producte wird dadurch erheblich ge- steigert, dafs Olancho für die durch hohe Bergketten erschwerte Ver- bindung mit den anderen Theilen des Staates Honduras reichlich durch die Nähe des Meeres entschädigt wird. Die Höhenzüge, welche das Departement durchschneiden, scheinen der Anlage von brauchbaren Stralsen kein nennenswerthes Hindernifs entgegen zu stellen. Auch der Guayape kann bis tief in das Innere hinein für die Stromschiff- fahrt nutzbar gemacht werden. Theilt man den Strom in fünf Sectio- nen von ungefähr gleicher Länge, so trägt er auf der ersten, von den Quellen bis’ zur Ortschaft Aleman, den Charakter eines für die Schiff- fahrt absolut ungeeigneten Gebirgsflusses, der in Cascaden und Schnellen mit sehr verschiedener Wassertiefe in einem felsigen Bett dahinbraust. Auf der zweiten Section, von Aleman bis zur Mündung des R. Jalan, ist er nach Jacobo Bernadis, aus dessen kleiner Schrift über Hondu- ras Wells einige Auszüge mittheilt, 3 bis 34 Fufs tief, vermuthlich bei mittlerem Wasserstande; hier könnte also die Schifffahrt beginnen, wenn in dem Strombette nicht zahlreiche Felsblöcke zerstreut lägen, zwischen denen sich der Flufs oft mit grofser Heftigkeit hindurchdrängt; zur Zeit fahren hier nur einige Canoes hin und wieder; das Bedürfnils, das Flufsbett zu reinigen, hat sich noch nicht fühlbar gemacht, da die Landstralsen in der Nähe Jutecalpa’s ziemlich gut sind, und derje- nige Zweig des Handels, der sich ausschlielslich auf den Wasserweg verwiesen sieht, der Handel mit Mahagony, diese Section des Flusses

im östlichen Honduras. 479

noch nicht braucht: erst am R. Jalan und seinen Zuflüssen wird der Mahagony-Baum in den Wäldern häufiger; hier finden sich auch die ersten Cortes, von denen das Holz stromabwärts geflöfst wird. Auf der nächsten Section, zwischen den Mündungen des R. Jalan und R. Guayambre, beträgt die Tiefe des Flusses 34 bis 4 Fufls; er ist hier frei von Hindernissen und Gefahren, strömt aber noch ziemlich schnell durch die Hügellandschaft; dafs er hier von flachgehenden Dampfern befahren werden kann, unterliegt keinem Zweifel. Die vierte Section umfalst die Strecke von der Mündung des Guayambre bis zu der des Wampu; hier ist der Flufs 4 bis 44 Fuls tief; aber er bildet mehrere Schnellen, ehe er den flachen Küstenstrich erreicht, und diese sind bei niedrigem Wasserstande für das Mahagonyflöfsen ein verdriefsliches Hindernils. Eine englische Meile unterhalb der Guayambre- Mündung liegen die Stromschnellen (chöflones) von Campaneros, Mangos und Aguacaliente, die durch einige Felsen mitten im Strombett noch gefähr- licher werden. Dann fliefst der Guayape wieder einige Miles weit ruhig dahin, bis er sich durch eine von steilen Wänden eingefalste Schlucht, Cajon Grande oder Puerta de Delon genannt, mit grofser Schnelligkeit hindurchdrängt; diese Stelle ist aber nur für die Mahagonyflöfser be- schwerlich, Dampfschiffe würden die Strömung ohne grofse Mühe über- winden. Für die bedenklichste Stelle gilt ein Wirbel, drei Miles weiter abwärts, der durch das Anprallen der Strömung an einer Felswand bei einer plötzlichen Biegung des Flusses verursacht wird; er führt den Namen El Molino, die Mühle, oder El Cajoneito, die kleine Schlucht. Aber Senor Ocampo, den der Mahagonyhandel häufig stromabwärts geführt hat, meint, dafs auch dieser Wirbel für Dampfschifffahrt kein Hindernils bildet. Von der Mündung des R. de Tabaco ab nimmt der Flufs den Namen R. Patuca an, und hat 4 Miles unterhalb dieses Punk- tes noch eine Schnelle, Corriente de Caoba. Auf der weiteren Strecke, an den Mündungen des R. Cuyamel und R. Wampu vorbei, stöfst die Schifffahrt auf kein Hindernils, eben so wenig auf der letzten Section, welche den niedrigen Küstenstrich von der Mündung des R. Wampu bis zum Meere umfalst. Der Flufs ist hier 4 bis 5 Fufs tief und er- _ gielst sich mit zwei Armen in die See. Der eine hat bei der Mündung _ eine veränderliche Sandbarre, die bei niedrigem Wasserstande nach Wells 5 bis 7 Fufs, nach Bernadis nur 3 bis 5 Fuls Wasser hat; zur E Zeit des Hochwassers können aber Schiffe von 9 Fuls Tiefgang bequem in.den Flufs gelangen. Der andere Arm, der kaum weniger bedeutend ist, ergiefst sich in die Laguna Cartine, die von Wells „Brewers La- goon“ genannt wird. Er ist kurz vor seinem Eintritt in die Lagune _ durch eine Ansammlung von Treibholz versperrt, auf der sich Pflanzen- er und eine eigene Vegetation gebildet hat. Die Indianer ziehen

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480 Die Gold- und Silber- Region

ihre Canoes über den schwimmenden Isthmus hinüber; den Mahagony- Händlern ist er aber um so verdriefslicher, als die Lagune einen guten Hafen bildet, während die Seeschiffe vor der anderen Patuca-Mündung eine halbe Seemeile von der Küste entfernt auf offener Rhede vor Anker gehen müssen. Eine schmale Nehrung scheidet die Lagune von dem Meere, mit dem sie nur durch eine enge Passage, etwa von glei- cher Tiefe wie der Eingang in den anderen Patuca- Arm, zusammen- hängt. Die Lagune selbst kann mit Schiffen von 10 Fufs Tiefgang befahren werden.

Einer der bedeutendsten Mahagony-Händler Olancho’s hat Herrn Wells versichert, dafs er bei dem Transport der Balken über Verluste, die durch die Chiflones verursacht wären, nie zu klagen gehabt. Dar- aus darf man schliefsen, dafs die Stromschnellen nicht so heftig sind, um der Dampfkraft ein erhebliches Hindernifs entgegen zu stellen. In diesem Falle würde der Patuca flachgehenden Dampfern einen Zugang in das Centrum des Departements eröffnen, bis zur Mündung des R. Jalan, die nur 10 Miles von Jutecalpa entfernt ist. Die Forträumung einiger Felsen, die jetzt für die Mahagonyflöfser die Hauptgefahr zu bilden scheinen, würde wesentlich zur Erleichterung der Schifffahrt bei- tragen. Der Strom hat daher für Olancho eine Bedeutung, die wohl beachtet zu werden verdient, wenn es sich im Ernste darum handeln sollte, die Entwickelung des Departements auf eine höhere Stufe zu heben. Leider ist dazu für jetzt keine besondere Aussicht vorhanden. Die politische Zerrüttung der centralamerikanischen Staaten lastet wie ein verderblicher Fluch auf den von der Natur überreich ausgestatteten Landschaften. In den Regierungen und Regierungsformen ruht keine Festigkeit und Sicherheit; nicht blofs Privatverträge, sondern die ganze staatliche Existenz ist dem Spiel der Parteien Preis gegeben; die Be- sorgnils, dafs die nächste Zeit einen totalen Umsturz herbeiführen könnte, haftet so fest in den Gemüthern, dafs sie auch die Thatkraft und den Unternehmungsgeist einer energischeren Bevölkerung, als die spanische es ist, lähmen würde. Auch in dieser Beziehung besitzt Olancho einen Vorzug vor anderen Gebieten Central- Amerika’s; bei seiner Abgelegenheit ist es bisher nicht zum Schauplatz der Bürger- kriege geworden; seine Bewohner haben eine entschiedene Abneigung an den Tag gelegt, in die politischen Wirren hineingezogen zu wer- den; zufrieden in ihrer patriarchalischen Stille, in die der Kriegslärm nur von ferne hinübertönt, führen sie ein von der unruhigen Welt ab- | geschiedenes, in sich geschlossenes Leben. Vielleicht liegen hierin einige Momente, welche einer friedlichen Entwickelung günstigere Aus- sichten eröffnen; uns scheint es, dafs Olancho verhältnifsmäfsig mehr | als jeder andere Theil Central- Amerika’s geeignet ist, den absterbenden

im östlichen Honduras. 481

Gliedern der ehemaligen Föderativ -Republik den wahren Weg der Regeneration anzuzeigen.

Xvm.

Bemerkungen A. v. Humboldt’s zu Semenow’s Schreiben über den Thian Schan. (Aus einem Briefe von A. v. Humboldt an Prof. C. Ritter.) Mitgetheilt von Carl Ritter.

Die Nachrichten, welehe Ihnen von Herrn Semenow über die Resultate seiner Expedition aus Semipalatinsk eingetroffen sind, haben in höchstem Grade meine Neugierde gespannt. Sie zeichnen sich durch grofse Klarheit und bescheidene Einfachheit der Erzählung aus. Klap- roth und ich, die wir beide, aber zu sehr verschiedenen Zeiten, von dem südöstlichen Theile des Altai-Gebirges über Semipalatinsk, Ustka- menogorsk und Buchtarminsk in der chinesischen Dsungarei nahe dem Dsaisang-See gewesen waren, wir haben immer behauptet, dafs in südwestlicher Richtung über den Tarbagatai und Guldja am Iliflusse bin man am leichtesten zu der vulcanischen Gebirgskette des Thian Schan oder Himmelsgebirges vordringen werde. Fedorow’s vortreff- liche astronomische Bestimmungen zur Aufnahme des See’s Tenghiz oder Balkasch, von denen ein grofser Theil leider noch nicht gedruckt ist, haben viel zur geographischen Kenntnils dieser bisher so wenig erforschten Gegend beigetragen.

Um das schon Errungene zu sichern, hat die russische Regierung eine Reihe kleiner Kreposte (Fortins) am unteren Ili östlich vom Bal- kasch-See angelegt, unter denen Kopalsk das wichtigste und gewerb- samste ist. Am meisten gegen Süden vorgeschoben, südlich vom Ili, _ liegt das Fort Wjernoje, auch Stadt Keskelen genannt, das Herr Se-

menow (Zeitschr. N. F. Bd. II, S. 466) als die am weitesten in Central- - Asien vorgeschobene russische Colonie bezeichnet. Von da aus erreicht _ man den Alpensee Issikul, der am nördlichen Abfalle des Thian Schan » in 4000 Fufs Höhe liegt, also 500 Fufs höher als der Gipfel des Brocken. Sehr merkwürdig ist es, dafs der See Issikul schon auf der berühmten catalanischen Karte von 1374 als Issicol zu erken- nen ist.

, Der Thian Schan und der Kuenlün sind den Chinesen als „zwei "meist parallele, aber von einander unabhängige Ketten“ seit dem An- Zeitschr. f, allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. N

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A482 Bemerkungen A. v. Humboldt’s

fange des 7ten Jahrhunderts bekannt. Schon damals besafsen sie auf Befehl der Regierung angefertigte Karten der Länder vom Gelben Flusse bis zum Caspischen Meere, da ihre Oberherrschaft unter der Dynastie der Tsin sich so weit erstreckte, und da statistische Beschrei- bungen in ihrem Administrations-Systeme unentbehrlich waren (vergl. die Uebersetzungen chinesischer Handschriften von Stanislas Julien in meiner Asie centrale T. II, p. 335 364).

Strahlenberg hat 1730 das Verdienst gehabt, in der Karte, die zu seinem Werke „über den nördlichen und östlichen Theil von Europa und Asien“ gehört (S. 32), die Kette des Thian Schan erkennbar als eine eigene Kette abzubilden, der er aber den allgemeinen und darum vielfältig verwendbaren Namen Mussart, „Schneeberge, Sierras Neva- das“, eine Corruption von Muztagh, giebt. Die Anwendung der beiden Namen, Musart und Muztagh, welche bald dem Thian Schan, bald dem Bolor, also bald einer Parallel-, bald einer Meridian-Kette zugeschrieben werden und nur bedeuten: „hier liegen Schneeberge*, hat wie der gefahrvolle Name „Gebirge von Inner-Asien“ für Alles, was zwischen dem Himalaya und Altai liegt, lange dauernde Verwir- rung verursacht.

Dafs man an den Ufern des See’s Issikul von der Solfatare von Urumtsi trotz einer Entfernung von mehr denn 120 geographischen Meilen, aber nicht von dem vielleicht jetzt nicht thätigen näheren Vul- can Peschan (dem Weilsen Berge) hat reden hören, wundert mich gar nicht. Die Solfatare von Urumtsi giebt weit zu verführende Handels- Producte, Ammoniak und Schwefel; der Peschan (Asie centrale I, p- 30—33 und p. 38—41), dessen Lavaströme in den chinesischen Geographien und in den Schriften der Missionäre beschrieben sind, zieht in dem Zustande der Ruhe die Aufmerksamkeit weniger auf sich. Uebrigens ist der Peschan vom östlichen Ende des See’s Issikul noch volle 45 geographische Meilen entfernt, und für den Geologen hat es nichts Auffallendes, dafs man um den See weder Basalte noch trachytartiges Gestein findet.

Auch in den vulcanreichen Cordilleren von Süd-Amerika sind die Trachyt-Gruppen durch lange Strecken von Granit, Gneis und Glim- merschiefer oftmals getrennt. Die genauere Kenntnils der Lage und der Grenzen der fünf Gruppen von Vulcanen (der Gruppen von Ana- huac oder des tropischen Mexico, von Central- Amerika, von Neu- Granada und Quito, von Peru mit Bolivia und von Chile), zu der wir in neuester Zeit gelangt sind, führt zu dem wichtigen Resultate, dafs in dem Theile der Cordillera, welcher sich von 194° N. Br. bis 46° S. Br. erstreckt, in einer Länge von fast’ 1300 geographischen 'Mei- len, nur unbedeutend mehr als die Hälfte mit Vulcanen bedeckt ist.

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zu Semenow’s Schreiben über den Thian Schan. 483

Der: colossale Vulcan Sangay, 16,068 Fufs hoch, der thätigste aller feuerspeienden Berge der Erde, bildet eine Trachyt-Insel von kaum 2 geographischen Meilen Durchmesser, mitten in Granit- und Gneis- schichten!

Die Grenze des ewigen Schnees, die ich im Altai in der Breite von 491° bis 51° in der mittleren Höhe von 6600 Fuls gefunden habe, wird im Thian Schan (lat. 424°) erst zu 10,000 Fuls angegeben, was sich wohl auf keine wirkliche Messung gründet. Ich finde durch Ver- gleichung wirklicher Messungen für die Pyrenäen (lat. 424°. 43°) die Schneehöhe zu ‚8400 Fuls; aber für den Caucasus (lat. 43° 2’), wenn ich das Mittel zwischen dem Elbrus und Kasbeg nehme, zu 10,170 Fufs.

| Miscellen. Die arabische Geographie des Ahmed Mogaddasy.

Während eines 43jährigen Aufenthalts in Ostindien hat Dr. Al. Sprenger in seinen wichtigen Stellungen als Bibliothekar der Caleutta-Societät, als Director einer national-indischen Universität in Delhi, als Bibliothekar in Lucknow den Catalog der Biblothek hat er veröffentlicht —, dann auf seinen mehrjährigen Rei- sen in Aegypten, Syrien, Irak und Mesopotamien eine Sammlung von meist sehr seltenen, oft ganz unbekannt gebliebenen orientalischen Manuseripten von 1972 Schriften mit grofsen Kosten und grofser Mühe eingesammelt und glücklich nach Europa gebracht.

Sie ist durch die Munificenz Sr. Majestät des Königs von Preufsen als ein kostbarer Schatz für die orientalische Wissenschaft angekauft und zu den reich- haltigen früheren Erwerbungen der königlichen Bibliothek, den Handschriften von Diez, Wetzstein und Petermann, hinzugefügt worden.

Herr Dr. R. Gosche hat in seiner umfassenden Aufzählung und Charakteri- stik der orientalischen, fast unübersehbar gewordenen Literatur dieses Zweiges vom Jahre 1856 in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft Bd. XI, 1853, in welcher auch ein gelehrter Schatz über das Wissen orientali- scher historischer und geographischer Werke niedergelegt ist, einige wichtige Hin- weisungen gegeben, die für das Studium unseres geographischen Vereins sehr empfehlenswerth sein möchten. Wir haben in unseren Abendversammlungen _ das Glück gehabt, dessen Freund, Herrn Dr. Aloys Sprenger, einen der berühm- testen deutschen Orientalisten (er ist ein geborener Tyroler), als Theilnehmer an versehiedenen unserer Vorträge zu sehen; um seinen Verdiensten um die Erwei- | terung der orientalischen geographischen Studien ein Zeichen öffentlicher Aner- kennung zu geben, ‘hat der Vorstand sich geeinigt, denselben (der jetzt seit Jahr 31*

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A8A Miscellen:

und Tag in Weinheim und Heidelberg mit gelehrten Arbeiten beschäftigt sich aufhält) zum auswärtigen Mitgliede unseres Vereins zu ernennen.

Herr Al. Sprenger, der schon seit dem Jahre 1841 durch seine Uebersetzung der historischen Eneyclopädie des El Masudi aus dem Arabischen, welche, unter dem Titel: „die goldenen Wiesen und Edelsteingruben“ in der Mitte des 11. Jahr- hunderts von einem der umfassendsten Gelehrten der Araber geschrieben, auch eine geistvolle Einleitung in die allgemeine Geographie und Kosmologie enthält, sowie durch viele nachfolgende orientalistische Arbeiten berühmt ist, hat das Di- plom unserer Gesellschaft wohlwollend angenommen. Zugleich hat er mir, auf meine Bitte, eine Nachricht über das ausgezeichnetste und älteste geographische Werk seiner Manuscript-Sammlung, das des Ahmed Mogaddasy, eines der gelehr- testen Autoren aus dem vierten Jahrhundert der Hedschra, mitgetheilt, welches durch ihn zum ersten Male nach Europa gekommen ist, wo es bisher kaum dem Namen nach bekannt war. Es ist nicht nur viel älter als die bis jetzt bekannt gewordenen Geographien des Abulfeda und Idrysy, die als die Hauptquellen der orientalischen Geographie gelten, sondern auch weit vollständiger, umfassender, quellengemäfser als die bekannten Werke dieser bisher berühmtesten Geographen der Muhamedaner, abgefalst, und läfst auch das geographische Compendium des Ibn Haugal wie seines Zeitgenossen, des Istachry, welches durch Mordtmann unter dem Titel: „das Buch der Länder“ übersetzt wurde, weit hinter sich zurück.

Diesen arabischen Geographen Ahmed Mogaddasy, der mit vollständigem Namen Abü’ Abdalläh Muhamed Ben Ahmed Moqgaddasy heilst, aber auch unter anderem Namen (Ibn al-Bannä Bassari) genannt wird, gedenkt Herr A. Sprenger demnächst im Original- Text mit Uebersetzung herauszugeben. Das Werk ist von bedeutendem Umfange, mit Quellenkunde und philosophischem Geist von einem trefflichem Beobachter niedergeschrieben, daher eine unschätz- bare Bereicherung unserer historisch-geographischen Kunde des Orients. Schon im Jahre 1855, schreibt mir Herr A. Sprenger, hatte er zu Damascus das Werk aus dem Arabischen ins Englische übersetzt, und sich auf seinen Reisen im Orient alle mögliche Mühe gegeben, über lexicographische und geographische Schwierig- keiten, an denen es bei einem solchen originalen Werke nicht fehlen kann, Auf- klärung zu erhalten. Im Winter 1856 hat er das Original mit lithographischer Tinte abgeschrieben, in der Absicht, es auf Stein übertragen zu lassen, und hofft bald Zeit und Gelegenheit zu finden, es zu veröffentlichen.

„Zwei Eigenthümlichkeiten“, sagt Herr A. Sprenger, „zeichnen den Ahmed Mogaddasy vor allen andern arabischen Geographen wie vor allen andern arabischen Gelehrten aus: er ist ein überaus scharfer Beobachter, voll gesunden Menschen- verstandes und nicht ohne philosophischen Geist. Seine Beobachtungsgabe tritt besonders hervor in seinen Bemerkungen über den Nationalcharakter und die Sitten der Länder, die er beschreibt, und in dem glücklichen Takt, mit dem er kurz aber deutlich das Wichtigste von bekannten Städten heraushebt und beschreibt. Von einem philosophischem Kopfe zeugt sein geographisches System; er vergleicht Länder mit Armeen: die Dörfer stellen die Soldaten dar. Diese müssen Mittel- punkte haben, in denen sie ihre Producte absetzen und ihre Bedürfnisse einkau- fen. Diese Mittelpunkte (d. h. Marktflecken) vergleicht er mit den Decurionen; eine Anzahl von diesen haben gröfsere Mittelpunkte nöthig, Provinzial-Haupt-

Die arabische Geographie des Ahmed Mogqaddasy. 485

städte Centurionen —, welche in den Metropolen, wovon er acht aufzählt, ihre Vereinigungspunkte finden. Es ist leicht, eine solche Theorie zu erfinden. Sein Talent aber zeigt sich in der Ausführung derselben, d. h. in der Gruppirung der Städte und Distriete. Wir folgen gewöhnlich der politischen Eintheilung; er aber betrachtet sie als zufällig und vorübergehend und erwähnt erst am Ende eines jeden Kapitels unter einer eigenen Rubrik, unter welcher Regierung das betreffende Land stehe. Aber er betrachtet die politische Eintheilung sowohl der Gegenwart als der Vergangenheit als eine grofse Autorität für die Gruppirung, die ihm, wie er sich selbst ausdrückt, so viel werth ist, als dem Theologen die Aussprüche der Begleiter des Propheten. Die Regierungen müssen am besten die Beziehungen der verschiedenen Ortschaften zu einander‘ und zu den Städten gekannt haben. Gerade weil er auf seine Gruppirung so viel Gewicht legt (vielleicht mehr als sie verdient), so gab er dem Buche den Titel: „die beste Eintheilung der Länder“. „Die zweite Eigenthümlichkeit des Mogaddasy ist, dafs er nicht wie alle an- dern arabischen Autoren gedroschenes Stroh drischt. Istachry hat den Abu Zayd abgeschrieben, Ibn Haugal den Istachry und der persische Verfasser des Cowar al agalyn, das Ouseley übersetzte, den Ibn Haugal. Idrysy hat von diesen Wer- ken und von den zum Theil auf officielle Documente gegründeten Nachrichten des Ibn Chordad beh Itinerarien abgeschrieben, Stationen aus Unachtsamkeit ausgelassen und dennoch die Total-Distanz von Hauptstadt zu Hauptstadt gege- ben, wie er sie im Original fand, obwohl sie aus seinem verdorbenen Text nicht herauskommt. Mogqaddasy aber hat (mit Ausnahme von Sind und Spanien) alle Länder und Städte, die er beschreibt, selbst besucht, und sowohl seine Nach- richten als seine Darstellung sind originell. Er macht sich’s sogar zur Regel, das unbeachtet zu lassen, was von Anderen richtig beschrieben worden ist. Wir haben Ursache, dies zu bedauern, denn es ist nicht wahrscheinlich, dafs es unsern Reisenden je gelingen wird, alle älteren Geographen aufzufinden, und das geo- graphische Werk Masalik alabcar fy mamalık al amgar von Schihab aldyn Abu-

_ Yabbas Ahmad b’Yakya Ibn Fadhl Allah aus Damascus (starb 749 d.H.), wel-

ches aus 27 Bänden bestand und in welchem wahrscheinlich Alles verbatim ein- getragen war, was über Geographie je geschrieben worden ist, scheint nie ver- vielfältigt worden zu sein, denn wir finden es nirgends eitirt. Yaqut’s geographi- sches Wörterbuch aber ist wichtiger für arabische Archäologie als für Geographie. Wenn Mogaddasy uns interessante Auszüge aus den Werken seiner Vorgänger mitgetheilt hätte, könnten wir ihm nur dankbar sein, aber auch ohne diese ist, nach meiner Ansicht, sein Buch das lehrreichste Werk über Erdkunde in der arabischen Sprache. Auch für die Culturgeschichte ist es sehr wichtig, denn es „enthält interessante Notizen über den Handel, Münzen, Mafse und Gewichte, Natur- producte, Fabrieate und Wasserleitungen eines jeden Landes, und der Verfasser schrieb zur Zeit (375 d. H. oder 985 n. Chr.), als die islamitische Civilisation ihren Culminationspunkt zwar überschritten hatte, aber noch nicht sehr in Ver-

- fall gerathen war.* C. R.

486 Miscellen:

Zur Statistik der Eisenbahnen der Erde.

In dem fünften Jahrgange des Jahrbuchs für Volkswirthschaft und Statistik, herausgegeben von O. Hübner, Leipzig 1857, giebt uns Herr Viereck eine höchst ausführliche und interessante Zusammenstellung über sämmtliche Eisenbahnen der Erde, soweit solche bis zum Jahre 1856 theils vollendet, theils concessionirt und im Bau begriffen waren, mit Hinzufügung der Angaben über das Anlage- und Betriebs- Capital, die Betriebsresultate, Personen- und Güterbeförderung u. s. w. Welche Schwierigkeiten dem Verfasser bei: der Sammlung dieses reichhaltigen Materials entgegengetreten sein mögen, kann der Sehreiber dieser Zeilen nach seinen eigenen Vorarbeiten für eine ähnliche, wenn auch weniger umfangreiche Arbeit am besten ermessen; sicherlich wird es den Lesern der Zeitschrift er- wünscht sein, aus der Arbeit des Herrn Viereck ein kurzes Resume zu erhalten, soweit dasselbe dem Zwecke dieser Blätter entsprechend ist.

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= = as 5 5 So % © 8 S 5 228 #22 Name der ersten Bahn, Jahr der Namen der Binder) aal5 23.1.9752 85 ]Summe| Bröffuung derselben und ihre Länge 5:3 elle FE 23 E in deutschen Meilen os | en |S8: 205 a )|a 1883188 Europa.

Grolsbritaunien 5,749| 28 | 1800| 670) 2470, Stockton Darlington, 1825, Deutschland ohne 9,5. M.

Oesterreich 7,891, 334| 1162| 406) 1568| Nürnberg— Fürth, 1836, 1 M. Frankreich 9,619) 38 878| 642! 1520| St.Etienne—Andresieux, 1828, Oesterreichische 2,a M.

Monarchie 12,120, 384! 420| 697| 1417) Linz— Budweis, 1828, 4 M. Belgien 536 44| 2311 45) 276) Antwerpen Mecheln, 1835,

2,3 M. Rufsland 100,429| 60L| 132] 5741| 703| Petersburg Zarskoje - Selo, 1838, 3,8 M. Sardinien 1,375 5 96| 48| 144) Turin Genua, 1848, 10,8 M. Spanien 9,064, 144 78) 312) 390| Barcelona Mataro, 1849, 3,8 M, Holland 695| 34 45 70) 115) Amsterdam Harlem, 1848, 11,2 M. Schweiz 754 24 40) 141) 181 Baden— Zürich, 1849, 3,6M. Toskana 400) 3 35| 55 90) Florenz Livorno, 1844, Dänemark ohne d. 12,5 .M. Herzogthümer 738) 24 255 0 25, Kopenhagen—Roeskilde, 1849, | 4,3 M. Schweden 8211| 34] 21] 136| 157 Köping Hult, 1855, 20? M.. Portugal 1,881| 34 17) 413 30) Lissabon Cintra- Carregado, Königreich beider 1854, 2,7 M. Sicilien 2,0401 7% 11| 92] 103| Neapel Castellamare, 1839, 5,5 Norwegen 5,942] 14 g9I| 9| Christiania Eidsvold, 1853 —55, 9,5 M. Kirchenstaat 774 3 31.112 un Rom— Frascati, 1856, 2,7 M. LLLLL————ee ee | —— Summe | | | 5003 1010) 9013

ee an er

Zur Statistik der Eisenbahnen der Erde. 487

3 I2|8*8li38 oa .| 85: 1883882 ande dr inaee | RE 1 BE TREE SE une] Nam dar arten Bahn, Jan der 53 25 |3#3 25 E | in deutschen Meilen ER HIECE 3 13 1E3=l83 Amerika. Verein. Staaten 146,717) 233 | 5322) 3500) 8822) Munck Chunch (Massachu- setts), 1827, 2M. Brit. Nordamerika) 64,006| 34| 369| 90) 459 Cuba —_ 13| 100) 20) 120| Havana Guines, 1837, 3,6M. Chile 6,6355| 1414| 18l 30) 48| Caldera—Copiap6, 1853,11M. Brit. Westindien 2,114 15 v 15 Neu-Granada 18,200| 24 111 —| 11} Chagres Panama, 1855, 102 Meil. Peru 23,941) 14 gI 9| Arica Tachna, 1855, 8,7 M. Brasilien [147,625 53 5 w'35 40 Rio de Janeiro Belem, 1854 theilweise eröffnet, soll 1857 vollendet werden, 8M. Mexico 33,499) 72 —ı 10 10 Summe | 5849) 3085) 9534 Afrika. | | | Aegypten 8,372, 24 53, 50) 103| Alexandria Cairo, 1852 be-

| gonnen, soll 1857 vollendet sein, 522 M. Cap -Colonie 6,000 4 9: 9

I ! Summe | 2 50 1. Asien. Ostindien 62,656 1533 60) 300| 360) Bombay Tarnah, 1853. Euphratbahn, im J. 1857 concess. 19 15 Summe 60, 315/ 375 Brit. Austral, | 21,387) 30| 2951 325| Melson Hobson-Bai, 1854. Totalsumme sämmtlicher Bahnen | der Erde. . : 2... .„[11004, 835519359

© Für die einzelnen Länder führen wir folgende Details an. Am Schlusse des Jahres 1856 betrug die Länge der in den deutschen Bundesstaaten eröfl- neten Eisenbahnen 11614 deutsche Meilen. Von diesen kamen auf Preufsen mit Einschlufs der Ostseeprovinzen und Posens 538 Meilen, auf Oesterreich (deut- schen Antheils) 2373 Meilen, auf Bayern 1554 Meilen, auf Hannover 93 Meilen, auf Sachsen 734 Meilen, auf Baden 514 Meilen, auf Kurhessen 444 Meilen, auf Würtemberg 384 Meilen, auf Holstein und Lauenburg 324 Meilen, auf Mecklen- burg-Schwerin 295 Meilen, auf Hessen-Darmstadt 233 Meilen, auf Braunschweig

488 Miseellen:

20 Meilen, und auf die übrigen kleineren Bundesstaaten 44 Meilen (Anhalt 121, Sachsen-Weimar-Eisenach 93, Sachsen-Gotha 64, Nassau 54, Hansestädte 44, Frankfurt a. M. 34, Schaumburg-Lippe 34, Reufs 4 Meilen). Befördert wurden auf diesen Bahnen im Jahre 1855 36 Millionen Menschen und 345 Millionen Centner an Gütern. Circa 2392 Locomotiven versahen im letztgenannten Jahre auf den Bahnen in Deutschland, Ungarn und in der Lombardei den Dienst.

In England wurden im Jahre 1855 1183 Millionen Reisende befördert; 130,000 Beamte, mit Einschlufs ihrer Familien also circa 4 Million Seelen, wer- den durch den Betrieb ernährt. Die Zahl der Locomotiven betrug circa 5000, die der Waggons 150,000.

In Frankreich sind die Betriebs-Ergebnisse die günstigsten von allen Län- dern Europa’s. 1372 Millionen Menschen wurden daselbst im Jahre 1855 mit den Eisenbahnen befördert.

In Belgien wurden durch die Staatsbahnen im Jahre 1855 5,887,557 Rei- sende befördert.

Auf den beiden grofsen Holland durchschneidenden Bahnen, fand auf der Amsterdam-Rotterdamer Bahn im Jahre 1856 ein Personenverkehr von 1,130,048, auf der Amsterdam - Arnheimer Bahn ein Verkehr von 934,551 Seelen statt.

Für Griechenland wird eine Bahn von Athen nach dem Piraeus projectirt, während in der Türkei, im Anschlufs an das ungarische Eisenbahnnetz, die Li- nien von Rustschuk über Schumla und Adrianopel nach dem Hafenplatz Enos und von Constantinopel über Adrianopel nach Belgrad, und in Klein- Asien von Smyr- na nach Aidin concessionirt sind. Die im Jahre 1857 concessionirte Euphrat- Bahn soll etwa 2 Meilen vom linken Orontes-Ufer in Syrien beginnen, und wird von da über Killis in Syrien, Antiochia am ÖOrontes, Aleppo und von dort pa- rallel mit den Euphrat nach dem Schlofs Ja Ber, unterhalb Babylon, zwischen Hilla und Samaons am Euphrat laufen, wo die erste Section der Linie endigt. Von Ja Ber soll sodann die zweite Section nach Bassorah, Schiraz, Belutschistan und Hyderabad nach Ostindien geführt werden. Die Entfernung von Constanti- nopel bis Bassorah beträgt 350 deutsche Meilen, eine Strecke, welche in drei Tagen zurückgelegt werden könnte.

Die im Jahre 1856 eröffneten 404 Linien in den Vereinigten Staaten Nordamerika’s standen nach der oben angeführten Tabelle der Gesammtlänge aller übrigen Bahnen der Erde nur um 362 Meilen nach. Projectirt sind bekanntlich fünf Bahnen, welche den Missouri mit dem Stillen Ocean verbinden sollen: 1) zwischen St. Paul und Vancouver, zwischen dem 47. und 49. Breitengrade, in direeter Linie 1455 engl. Meilen; Länge der proponirten Bahn 1864 Meilen; 2) von Couneil Bluffs nach Benicia, zwischen dem 41. und 42. Breitengrade, 1410 Meilen in gera- der Richtung, 2032 Meilen für die projectirte Bahn; 3) von Westport bis San Franeisco, zwischen dem 38. und 39. Breitengrade, in gerader Linie 1740 Meilen, für die projectirte Bahn 2080 Meilen; 4) von Fort Smith nach San Pedro am 35. Breitengrade, in gerader Linie 1360 Meilen, für die projeetirte Bahn 1892 Mei- len; 5) von Fulton nach San Pedro auf dem 32. Breitengrade, in gerader Rich- tung 1400 Meilen, für die proponirte Bahn 1618 Meiten. Der Congrefs verhan- delt gegenwärtig einen Gesetzentwurf, um durch Landesschenkungen von 6 bis 40 Sectionen Landes pro Meile Bahnlänge den Bau von drei dieser Linien zu

Zur Statistik der Eisenbahnen der Erde. 489

sichern. Es sollen nämlich die Eisenbahngesellschaften in Missouri und Iowa ihre Linien zwischen dem 38. und 44, Grade in der Richtung des Forts Kearney ver- längern, um von da in einer einzigen Linie nach Kalifornien zu führen. In Lui- siana, Arkansas und Missouri sollen die Linien bis Shreveport verlängert werden und von dort eine Bahn nach San Francisco gebaut werden. Nördlich vom 44. Grade soll endlich die Northern-Lakes und Pacific- Eisenbahn - Companie von der Westgrenze von Wisconsin die Bahn weiter nach dem Oregon-Gebiet führen.

Wenig Aussicht auf eine Verwirklichung bietet das Project einer 147 Meilen langen Bahn von Puerto-Caballo in Honduras nach der Fonseca-Bay am Stillen Ocean, sowie die Bahn, welche beide Oceane durch Tehuantepec verbinden soll. Durch letztere Bahn würde sich allerdings die Reise-Route von New-York nach San Francisco, welche über Panama 4902 engl. Meilen lang ist, auf 3804 Meilen oder nach Beendigung der Eisenbahn zwischen New-York und New-Orleans von 21 auf 13 'Tage reduciren.

Für die Britischen Besitzungen in Nord- Amerika bemerken wir, dafs die Great Trunk of Canada-Bahn, welche den St. Lorenzstrom überschreitend, die Insel von Montreal mit dem südlichen Flufsufer verbinden wird, den längsten Brückenbau (Vietoria- Bridge) erfordert. 14160 rheinl- Fufs lang, ruht die Brücke auf 24 Pfeilern, welche den gröfsten Schiffen die Durchfahrt gestatten und mit einem Kostenaufwande von mehr als 8 Millionen Thalern im Jahre 1860 vollendet sein soll.

In Mexico sind zwei kleine Bahnen, die Guadeloupe- und Tacubaya-Bahn im Bau begriffen.

Die Panama-Bahn in Neu-Granada, 103 deutsche Meilen lang, ist 1850 begonnen und 1855 dem Verkehr übergeben. Im Jahre 1855 wurden auf ihr 28704 Reisende befördert.

Auch in Costa-Rica wird an einer Bahn von Punta-Arenas nach Esparzas gebaut.

Auf Cuba wurden 10 Linien befahren, 7 andere Bahnen sind im Bau be- griffen.

Auf den englischen Inseln Westindiens haben Barbados, Jamaica und Demerara bereits Eisenbahnen in einer Gesammtlänge von 15 deutschen Meilen.

In Aegypten soll die im Jahre 1852 von Alexandria nach Cairo begon- nene Bahn im Jahre 1857 vollendet sein. Eine andere Bahn von Cairo nach Suez ist im Bau begriffen und eine Linie von Saide nach Calioul projectirt.

Für Algerien wird nach einem Decret vom 9. April 1857 ein Eisenbahn- netz hergestellt, welches aus folgenden Linien bestehen soll: 1) eine dem Meere parallel laufende Bahn von Algier über Blidah, Amurah, Orleansville, St. Denys- du-Sig und St. Barbe nach Oran, und von Algier über Aumale und Setif nach Constantine; 2) aus Bahnen, welche die wichtigsten Häfen mit der Hauptlinie verbinden, nämlich von Philippeville nach Constantine, von Bougie nach Setif, von Bona über Guelma nach Constantine, von Tener nach Orleansville, von Ar- zew und Mostaganem nach Relizane und von Oran nach Tlemsen.

In Ostindien sind 6 gröfsere und kleinere Bahnen zum Theil fertig, zum Theil im Bau. 1) Bombay-Baroda und Central-Indien. Diese Linie soll Bom- bay mit Agra und Central-Indien über Surat, Baroda und Neemuch verbinden.

490 Miscellen:

Von Surate wird eine Linie nach den Distrieten Candeish und Berar und nach den Minen am Nerbudda führen, 2) Die Colombo-Kandy Bahn auf Ceylon. 3) East-Indian. Von Caleutta nach Pundoak mit einer Zweigbahn nach 'Rane- gunge in einer Länge von 28} deutsche Meilen im Jahre 1855 eröffnet. 4) Great- Peninsular von Bombay aus in einer Strecke von 16 deutsche Meilen eröffnet. 5) Madras-Vellore in einer Strecke von 13 deutsche Meilen eröffnet. 6) Kun- ratschi zum Indus in einer Länge von 24 deutschen Meilen eröfinet.

Australien besitzt 3 Bahnen, die Melson-Hobson-Bay, die Geelong-Mel- bourne und die Sydney-Paramatta-Bahn in den Jahren 1854 56 eröffnet. Die projeetirte Südaustralische Bahn soll Südaustralien, Vietoria und Sydney in einer Länge von 217 deutschen Meilen verbinden. Nach neueren Nachrichten soll zuerst eine Pferde-Eisenbahn zwischen Sydney und Melbourne angelegt werden.

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Ueber die Verbreitung des albanesischen Volksstammes.

Aus dem von R. G. Latham in einer Sitzung der British Association for the Advancement of Science zu Cheltenham im Jahre 1856 gehaltenen Vertrage „über die Verbreitung der Albanesen“ giebt der jetzt gedruckt vorliegende Bericht über die vorjährige Zusammenkunft dieser Gesellschaft einen kurzen Auszug, dessen statistische Angaben wir im Folgenden reproduciren.

Die Zahl der im türkischen Reiche lebenden Albanesen veranschlagt La- tham auf 1,600,000 Seelen.

Im Königreich Griechenland leben (mit Ausschlufs von Athen) 173000 Albanesen, die sich über dieses Gebiet folgendermafsen vertheilen: in Attika (aufser Athen), Megara, Salamis, dem Piräeus 30000; in Böotien 25000; in Pho- kis 5000 (?); im Thale des Sperchius 10000 (?); im südlichen Euböa 25000; im nördlichen Andros 6000; in Argos 25000; in Corinth und Achaja 15000; in Arkadien 10000; in Hydra 12000; in Spezzia 10000.

In Italien leben 85551 Albanesen, und zwar 4407 in Calabria Ulteriore; 30812 in Calabria Citeriore; 10090 in Basilicata; 13465 in Capitanata; 6844 in Terra d’Otranto; 220 in Abruzzo Ulteriore und 19713 in Sicilien.

Dazu kommen noch etwa 1090 Albanesen in Istrien und Dalmatien, und 1328 in Bessarabien, einige Familien in Venedig und an andern Orten, so dafs sich die Gesammtzahl des Volksstammes auf ungefähr 1,861,000 Seelen belaufen würde. —n.

Maulbeerbaumzucht und Seidenbau im Gouvernement Moskau.

Ueber das’ Gedeihen des Maulbeerbaumes und die Möglichkeit des Seiden- baues im Centrum ‘des europäischen Rufslands veröffentlicht Herr Farenkohl im

Maulbeerbaumzucht und Seidenbau im Gouvernement Moskau. 491

zweiten Heft des diesjährigen Wjästnik ‚der Kaiserl. Russ. Geogr. Gesellschaft folgende Mittheilungen und Erfahrungen:

„Zu den erfreulichen Erscheinungen der letzten Zeiten gehört ohne Frage die Bildung von Gesellschaften für gemeinnützige Zwecke, und in dieser Beziehung ist unser Vaterland vielleicht reicher als alle anderen Staaten. Einer solchen Ge- sellschaft verdankt die vaterländische Seidenzucht, namentlich in jüngster Zeit, ihre ‚Fortschritte. ‘Wenn wir aber von der Seidenzucht allgemeineren Nutzen er- warten wollen, wie wir ihn in einigen Nachbarstaaten wahrnehmen, so mufs er nicht die Aufgabe einiger vereinzelter grofser Unternehmungen bilden, sondern er mufs, wenn auch erst in zweiter Linie, eine Beschäftigung des ganzen Volkes werden, Jeder mufs sich nach dem Mafse seiner Kräfte daran betheiligen, und sogar für den Armen, den Kranken und Schwachen mufs daraus eine Einnahme- quelle werden.

Die in Moskau und seiner Umgegend seit mehreren Jahren angestellten Ver- suche, um Gewilsheit darüber zu erlangen, ob eine Anpflanzung von Maulbeer- bäumen möglich ist und gedeiht, haben nun gezeigt, dafs der Maulbeerbaum bei einer mittleren Jahrestemperatur von +3,4° R. als Strauch und kleines Stämm- chen, wie er zu Hecken geeignet ist, bequem fortkommt. Zum Beweise mögen die Jahresschösslinge dienen, die im Jahre 1842 auf Anordnung Sr. Exc. des be- ständigen Secretärs unserer Gesellschaft, Herrn A. S. Maslow, an verschiedenen Orten in der Umgegend Moskau’s und in den Gärten der Kron-Institute gepflanzt wurden. Sie erhielten sich sämmtlich, ohne jede besondere Pflege und ohne künst- lichen Schutz vor der Winterkälte. Die Stämmchen, die von mir in demselben Jahre (1842) in dem Garten des Kaiserlichen Findelhauses zu Moskau gepflanzt waren, haben, sobald sie ein siebenjähriges Alter erreicht hatten, d.h. vom Jahre 1848 alljährlich geblüht und um die Mitte Juli Früchte getragen, von deren Reife ich mich dadurch überzeugte, dafs die Saamen derselben bei allen von mir an- gestellten Versuchen keimten. Dadurch widerlegt sich wie ich glaube das Vor- urtheil vieler die da behaupten, dafs die Maulbeere nur unter einer südlicheren Breite reift.

Zieht man nun noch die Versuche in Betracht, den Maulbeerbaum durch Saamen fortzupflanzen, wie sie in den letzten Jahren zu Moskau und in seiner Umgegend angestellt sind, so erhalten wir noch vortheilhaftere Resultate. Ich säete die Maulbeeren Ende Mai in den Jahren 1852, 1853 und 1854, und be- obachtete dabei das Verfahren, das ich 1847 in meiner Anleitung auseinanderge- setzt habe. Ungefähr am 16. und nicht später als am 20. Juni .keimten die Sa- men und meine Beete bedeckten sich mit Grün. Die Jahresschösslinge übertra- fen weit meine Erwartungen, und bei einer Messung am Ende September fand sich, dafs sie im Durchschnitt die Höhe von 3 bis 1 Fufs rhein. erreicht hatten.

Von ‚einer künstlichen Bedeckung der Pflanzungen konnte nicht die Rede sein; aber unter dem Schutze der Schneedecke ertrugen sie unsern Winter und einen Frost von 26° bis —28° ohne erheblichen Schaden, und nur die Spitzen derjeni- gen Zweige, die sich nicht vollständig entwickelt haben, oder besser gesagt die während des kurzen Sommers nicht kräftig genug geworden sind, litten von der Kälte. Uebrigens hatte auch dieses keine üblen Folgen; denn im folgenden Jahre schnitt ich vor der Verpflanzung die Spitzen ab und liefs nur die jungen

492 ö Miscellen:

Knospen zurück, welche Anfangs Juni aufbrachen und am Ende des Septembers Schösslinge von 2—24 Fufs rhein. Länge gebildet hatten, mit denen man schon Seidenwürmer füttern 'konnte.

Unser nordisches Klima ist also bei einer mittleren Jahrestemperatur von —+-3,4° R. für Maulbeerpflanzungen vollkommen geeignet; ebenso ist die mitt- lere Temperatur der beiden Sommermonate, welche für die Seidenzucht beson- ders wichtig sind, des Juni und Juli, der bequemen Entwickelung des Seiden- wurms (bombyx mori) durchaus förderlich.

Der Seidenwurm findet sich vorzugsweise in Persien, Tibet und China; sein Vaterland liegt also dem Aequator und den Wendekreisen viel näher als die nörd- lichen Striche Europa’s. Aus dieser Verschiedenheit der geographischen Lage könnte man auf die Verschiedenheit des Klima’s in unsern Gegenden und in dem Vaterlande des Seidenwurms einen Schlufs ziehen; aber bei genauerer' Prüfung erweist sich diese Differenz als unerheblich. Der Seidenwurm findet sich im Sü- den nur in Gebirgsländern, deren mittlere Jahrestemperatur ziemlich niedrig ist und bei deren Klima aufserdem lange und kalte Nächte, wie sie unter südlichen Breiten sehr gewöhnlich sind, eine Rolle spielen. Daraus erklärt es sich, dafs die Seidenwürmer nur eine mittlere Sommertemperatur von +14° bis #+20° R. verlangen. Starke Hitze schadet ihnen sogar. Unsere mittlere Temperatur ist demnach für das Leben, die Entwickelung und Verpuppung der Seidenwürmer vollkommen ausreichend.

Wenn nun nichts destoweniger die Versuche, die Seidenwürmer in unserer Gegend einheimisch, d. h. ihre Vermehrung von äufserer Mitwirkung des Men- schen unabhängig zu machen, nicht blofs bei uns, sondern sogar in dem viel ge- mäfsigteren Klima Italiens und Südfrankreichs nicht gelungen sind, so ist dies nicht unserer mittleren Sommertemperatur beizuschreiben, sondern wohl nur dem Umstande, dafs die Lebensepochen des Insects nicht mit unsern Jahreszeiten und mit der Blüthezeit des Maulbeerbaums zusammenfallen, der unerläfslichen Be- dingung für seine Existenz. Das ist die Ursache, die eine leichte Vermehrung und Erhaltung der Seidenwürmer sogar in Ländern nicht gestattet, deren Win- tertemperatur dazu vollkommen ausreicht.

Für eine gedeihliche Anpflanzung des Maulbeerbaums und die Erzielung der Vortheile, welche derselbe in seinem Vaterlande gewährt, bleibt demnach nur ein Uebelstand zu beseitigen: man mufs die Entwickelungsepochen des Insects unsern Jahreszeiten und der Entwickelungszeit der Pflanze, die zu seiner Ernäh- rung dienlich ist, anpassen. Versuche haben zur Genüge bewiesen, dafs eine be- friedigende Lösung dieser Aufgabe möglich ist, die nur einige Mühe erheischt, aber keine besonderen Schwierigkeiten darbietet.

Auch in ihrem eigenen Vaterlande werden die Seidenwürmer, wenn sie nur zur Gewinnung der Seide bestimmt sind, nicht anders aufgezogen, als in erwärm- ten Zimmern, genau ebenso wie bei uns. Dieses geschieht zu dem Zweck, die Würmer vor schlechtem Wetter und vor Feuchtigkeit, besonders aber um sie vor ihren zahlreichen Feinden zu schützen. Die Zucht der Seidenwürmer bietet da- her überall dieselbe Mühe dar, sie verlangt dieselbe Sorgfalt und Aufmerksamkeit und ist denselben Gefahren unterworfen, von deren Beseitigung Gewinn oder Verlust des Eigenthümers abhängt. Ueberall ist die Entwickelung der Seiden-

Maulbeerbaumzucht und Seidenbau im Gouvernement Moskau. 493

würmer denselben Regeln unterworfen, überall werden Proceduren und Vorsichts- malsregeln verlangt, mit alleiniger Ausnahme des Umstands, dafs es im Süden nicht nöthig ist, für eine künstliche Erhaltung der Eier und Cocons während des Winters Sorge zu tragen, weil hier die Epochen der Entwickelung des Insects und der Blüthe der dasselbe ernährenden Pflanzen zusammenfallen, während sich in. nördlicheren Gegenden die letztere natürlich verzögert, indem sie sich nach der geographischen Breite und der längeren Dauer des Winters richtet.

Das ist der Grund, weshalb man sich in Persien schon am Ende des Fe- bruar zur Seidenzucht bereit macht, während in Ober-Italien dieses erst am An- fange, und in Unter-Italien erst am Ende des April möglich ist, In unsern Ge- genden kommt diese Zeit noch später, nämlich: erst am Ende des Mai.

Wenn nun unser nördliches Klima die Entwickelung der Seidenwürmer und der einzigen Pflanze, welche von. der Natur ausschliefslich zur Nahrung derselben bestimmt ist, gestattet, und wenn es zum gedeihlichen Wachsthum der letzteren beiträgt, so sind damit die unerläfslichen Bedingungen erfüllt, von denen ein glück- licher Fortgang der Seidenzucht abhängt: alle übrigen Bedingungen können von dem Willen des Menschen, durch seine Sorgfalt und seine Kunst erfüllt werden. Faulheit und Vernachlässigung der Regeln wirken überall, sogar in dem gesegnet- sten Klima, gleich verderblich auf den Erfolg und Gewinn der Unternehmung.

Die Wichtigkeit des Seidenbaues als einer Quelle des Wohlstandes für Alle und Jeden und für den Wohlstand ganzer Provinzen, hauptsächlich auch die Fort- schritte und das Beispiel einiger Nachbarstaaten, z. B. Preufsens und Bayerns, sollten auch die Bewohner des europäischen Rufslands, dessen Klima dem Sei- denbau nicht minder günstig ist, anregen, sich endlich diesem Industriezweige zu zuwenden und das Vorurtheil abzulegen, dafs unser Klima die Entwickelung des Maulbeerbaums nicht gestattet.

Werfen wir nun noch einen flüchtigen Blick auf die von mir bei der Zucht der Seidenwürmer gewonnenen Resultate, durch die man sich überzeugen kann, dafs sie den in viel südlicheren Breiten erzielten Erfolgen nur sehr wenig nach- stehen.

Wir haben schon oben bemerkt, dafs der Maulbeerbaum bei einer mittleren Jahrestemperatur von +3,4° R. gewöhnlich am Ende Mai und im Anfang des Juni blüht, und dafs die Hauptaufgabe darin: besteht, bis zu dieser Zeit die Ent- wickelung des Wurms zu verzögern.

Am 20. Mai des laufenden Jahres brachte ich die Eier des Seidenwurms an den von mir für ihre Entwickelung gewählten Ort. Am 29. Mai begann ihre Metamorphose bei einer Temperatur, die nicht niedriger als 49° und nicht höher als 419° bis +20° R. war, d.h. bei der Temperatur, welche dieser Jah- reszeit eigenthümlich ist, ohne alle künstliche Erwärmung, und schon am 29sten und 30sten endeten sie die erste Periode ihres kurzen Lebens, d.h. die Würmer fingen an ihre Cocons zu bilden. Am 19. Tage ihres Daseins wogen die Cocons 2100mal mehr als am 1. Tage, und am 17ten übertraf ihr Gewicht das ursprüngliche um 4400 bis 4500 mal.

245 bis 250 Cocons, die von mir auf diese Art in Moskau gewonnen wur- den, wogen ein Pfund. Aber dieses Gewicht verminderte sich, als ich sie wäh- rend 6 Stunden einer Temperatur von 45 bis 50° unterworfen und zugleich die

494 Miscellen:

äufseren ungleichen und schwachen Schichten entfernt ‘hatte. «In dieser Gestalt gingen 260 bis 265 Cocons auf ein Pfund, Sechs Cocons' gaben 18 Gran feiner Seide, die der ausländischen an Feinheit, Elastieität und Festigkeit des Fadens nicht nachstand. j Im nächsten Jahre hoffe ich noch vortheilhaftere Resultate zu erzielen, in Folge eines neuen rationelleren Verfahrens zur Erhaltung ‘der Eier, welche‘ zur Zucht der Würmer. bestimmt sind.“ —n.

Die herakleotische Halbinsel, hinsichtlich ihres Einflusses auf den Gesundheitszustand.

In der letzten Zeit sind zuverlässige Berichte über den colossalen Verlust veröffentlicht worden, den die verbündeten Armeen auf der taurischen Halbinsel durch Krankheiten erlitten haben. Es erhellt daraus, dafs vielleicht nie eine Kriegsunternehmung in dieser Beziehung mit gleich ungünstigen Verhältnissen zu kämpfen gehabt hat, und es ist nicht zu verwundern, dafs man meistentheils da- hin neigte, ein so ‚entsetzliches Leiden der besonderen Gefährlichkeit des Klima’s auf der herakleotischen Halbinsel beizuschreiben.' Eine kleine Schrift, Medical History of the Late War with Russia, by William Aitken, deren Kenntnifs wir der Güte des Herrn Prof. Dove verdanken, schränkt diese Ansicht dahin ein, dafs die klimatische Beschaffenheit der Umgegend von Sebastopol zwar‘ erheblich dar- auf eingewirkt. habe, die Krankheitserscheinungen und den Verlauf der Krank- heiten zu modifieiren, dals die grolse Sterblichkeit aber wesentlich anderen Grün- den beizumessen sei. Wir erfahren aus dieser Schrift, Lord Raglan habe ernste Bedenken gehegt, ob die Truppen‘ den strengen Winter der Krim würden er- tragen können; der damalige Kriegsminister, der Herzog von Newcastle, sei ihnen aber unter Berufung auf eine kleine Schrift von Lee mit der Behauptung entge- gengetreten, dafs zwischen dem Klima der taurischen Südküste und dem von Kertsch ein Unterschied stattfinde, wie zwischen dem Klima 'Genua’s und dem Sibiriens. Der edle Herzog hat dabei übersehen, dafs sich diese Bemerkung Lee’s offenbar nur auf die kurzen der Mittagssonne ausgesetzten Thäler der Südküste be- zieht, die durch das taurische Gebirge vor den starken Schwankungen des Steppen- klima’s geschirmt sind und eben deshalb einen auffallend milden Winter besitzen, nicht aber auf die Umgegend Sebastopols, die sich dieses Gebirgsschutzes nicht mehr erfreut, vielmehr der vollen Wirkung der kalten Nord- und Nordostwinde ausgesetzt ist. Sebastopol hat im Allgemeinen dasselbe Klima, wie der übrige Theil der Krim mit Ausnahme der eben erwähnten nach Süden geöffneten Ge- birgsthäler. Um das Klima der Krim zu charakterisiren, beruft sich W. Aitken auf eine Skizze desselben, die Dr. Smart, von der Kriegssloop Diamond, in der April-Nummer des Sanitary Review von 1857 publicirt hat.

„Da die Krim,“ sagt Dr. Smart, „fast überall von Wasser umgeben ist und durch einen kurzen schmalen Isthmus mit einem Flachland von ungeheurer Aus- dehnung zusammenhängt, besitzt sie in Folge dieser Umstände ein Klima, wel-

EEE EEREBELELEN 0020202 OEL UBER TER

Die herakleotische Halbinsel und ihr Einflufs auf d. Gesundheitszustand. 495

ches anı den Eigenthümlichkeiten ‘des Continental- und des: Insel-Klima’s Theil nimmt. Aber diese entgegengesetzten Eigenthümlichkeiten machen ihren Einflufs nicht so hintereinander geltend, dafs jede, derselben etwa bestimmten Jahreszeiten ihr besonderes Gepräge aufdrückt, sondern sie tragen vielmehr durch ihre häufige Abwechselung mit einander dazu bei, das Klima zu einem unregelmäfsigen und unbeständigen. zu machen; man wird daher mit Recht voraussetzen, dafs der Ein- tritt und: Verlauf der einzelnen Jahreszeiten in einer Reihe aufeinanderfolgender Jahre eine grolse Verschiedenheit zeigt. Soll ich die Haupteigenthümlichkeiten der Jahreszeiten, von ‘der Occupation des; Terrains bei Sebastopol bis zur Ein- nahme der Festung, angeben, so kann ich vom Winter sagen, dafs er seiner Durchsehnitts- Temperatur nach milde war; die erste Zeit desselben bis zum De- eember war reich an atmosphärischen Niederschlägen, dann folgte starker Schnee- fall bei allmählichem ‚Sinken ‘des Thermometers während eines Zeitraums von 3 Wochen. Damit ‚hatte der Winter, Anfangs Januar, seinen Höhepunkt erreicht; weder vorher noch nachher ‘war die Kälte von grofser Dauer. Aber eine sehr auffallende Eigenthümlichkeit des Winters war das plötzliche Eintreten grofser Temperaturwechsel, wodurch das animalische wie das vegetabilische Leben plötz- lich den 'beschleunigenden Einwirkungen, die dem Frühling eigenthümlich. sind, ausgesetzt, dann aber wieder durch die retardirende Kraft des tiefen Winters be- einflufst wurde; derartige sehr auffallende Wechsel traten im Verlaufe weniger Stunden ein: es waren die Schwankungen zwischen dem Continental- und Insu- lar-Klima, die von den Verbündeten in der von ihnen eingenommenen Stellung auf das Schärfste empfunden wurden, weil sich die Gebirgswand, die gegen die Einflüsse von Norden schirmt, nicht soweit nach Westen erstreckt. Schon um die Mitte Februar stieg das Thermometer um Mittag zuweilen auf 70° F. (fast 17° R.); Galanthus und Crocus, die ersten Frühlingsgaben des dankbaren Bo- dens, bedeckten so früh schon alle Hügel; zahlreiche Arten von Zwiebelgewäch- sen waren in Blüthe. Der Frühling war von Anfang des März bis Ende April warm; der Boden wurde am Tage durch häufige Regenschauer mit; Feuchtigkeit - getränkt; die Nächte waren kalt, klar und thaureich. Die anregende Wirkung dieser Jahreszeit auf das animalische Leben zeigte sich deutlich in den grofsen Schaaren von Zugvögeln, die auf ihrem Wege nach nördlicheren Gegenden an diesen Küsten verweilten, in der Verbesserung des Zustandes der‘ Hausthiere, welche die Wechselfälle des Winters überstanden hatten, und in der freudig ge- hobenen Stimmung der Soldaten. Die Sommerhitze war nie excessiv, nie so stark wie diejenige, an welche unsere Truppen in Gibraltar oder auf Malta gewöhnt sind; aber im Mai und Juni war sie drückend, in Folge der aufserordentlichen Trockenheit der Atmosphäre bei nördlichen Winden, die jedes Atom von Feuch- tigkeit absorbirten und nur sehr wenige Regenschauer als Ersatz gaben. Ueber diese trockne Hitze klagte man sehr der starken Ausdünstung wegen, die wäh- rend ihrer Dauer an der Oberfläche des Körpers vor sich ging; aber ungesund schien sie nicht zw sein. Der Uebergang vom Sommer zum Herbst: war unmerk- lieh; und betrachte ich den Herbst im Ganzen, so’ kenne ich kein Land, in wel- chem diese Jahreszeit ein dem Menschen angenehmeres Klima mit sich führt; kühle Nächte folgten auf klare warme Tage. Gegen Ende October mahnte der in Intervallen kalt wehende Nordwind an die Nothwendigkeit, zu den Winterklei-

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dern zurückzukehren. Der Uebergang vom Herbst zum Winter im Jahre 1854 war so plötzlich, wie der vom Winter zum Frühling; und dieser Uebergang drückt die Stimmung noch mehr nieder, als der andere sie erheitert, da er anfangs mehr von anhaltenden Regengüssen als von strenger Kälte begleitet ist. Die plötzli- chen 'Temperaturwechsel, denen das Klima der Krim während des Winters unter- worfen ist, waren der Gesundheit unserer Truppen nachtheiliger als irgend eine andere klimatische Eigenthümlichkeit. Diese, Veränderlichkeit war die Folge der Drehung des Windes von Norden nach Süden und umgekehrt. Ein Sinken des Thermometers um 30° (13° R.) innerhalb weniger Stunden war gar keine sel- tene Erscheinung.“

Wir glauben, dafs damit die nachtheilige Seite des Klimas in der Haupt- sache richtig gezeichnet ist, stimmen aber auch Herın Aitken vollkommen darin bei, dafs diese klimatische Eigenthümlichkeit nicht geeignet ist, eine so erstaun- liche Sterblichkeit zu erklären, wie sie in den verbündeten Heeren stattfand. Denn nach einer Tabelle, welche Aitken seiner Schrift angehängt hat, verlor die britische Armee, deren durchschnittliche Stärke sich damals auf 23839 Mann be- lief, in den ersten sieben Monaten ihres Aufenthalts vor Sebastopol nur an Krank- heiten 8417 Mann oder mehr als 35 Procent, was einer jährlichen Sterblich- keit von 60 Procent gleichkommt! Der Verlust einiger Regimenter, die beson- ders von Krankheiten zu leiden hatten, betrug während jenes Zeitraums 73 Pro- cent.

Dafs die übermäfsige Dienstanstrengung der kleinen Heeresmacht und die schlechte Verpflegung wesentlich zu einem so traurigen Resultate beigetragen hat, ist wohl nicht in Abrede zu stellen; aber die genaueren Angaben über die Krank- heiten, denen die Armee unterlag, haben uns doch überzeugt, dafs dieselben, wenn auch nicht durch das Steppenklima, so doch vorwiegend durch locale Eigen- thümlichkeiten hervorgerufen wurden.

Nach Allem, was wir durch Reisende, von Pallas bis in die neuste Zeit, hauptsächlich aber durch Pallas, über den Gesundheitszustand Sebastopols und sei- ner nächsten Umgebung wissen, mufsten wir erwarten, dafs sich besonders vier Krankheiten als den fremden Truppen gefährlich zeigen würden, nämlich 1) Fie- ber; sie werden durch die ungesunden Ausdünstungen des Sumpflandes erzeugt, das die Tschernaja Rjetschka in ihrem untern Laufe durchströmt; Inkerman und seine unmittelbare Umgebung ist seit alten Zeiten ein verrufener Fieberort; 2) Dysenterien und 3) Scorbut, beide werden dem schlechten Trinkwasser zuge- schrieben; dafs das Wasser der Tschernaja zum Scorbut disponire, hörte schon Pallas von den Eingeborenen; endlich 4) Augenkrankheiten, in Folge des Kalksteinterrains und des Staubes, der sich von ihm während des trocknen Som- mers und bei allen Erdarbeiten erhebt; bei der Anlage der Docks vor Sebasto- pol hat die ägyptische Augenkrankheit grofse Verheerungen unter den Arbeitern angerichtet.

Vergleichen wir nun damit die siebenmonatlichen Erfahrungen der britischen Armee. Bei einer durchschnittlichen Stärke von 23839 Mann wurden während dieser Frist 45447 Krankheitsfälle den Lazarethen überwiesen ; darunter nur 3455 in Folge von Wunden oder andern Beschädigungen, so dafs, wenn wir diese abzie- hen, eine Zahl von 41992 Krankheitsfällen übrig bleibt.

Be u Bee

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Unter den letztern waren: Fieber . . . .»..» 8959 oder 21,3 Procent der Krankheitsfälle.

Cholexar. nnıdes „emu 1879 11 \= nnrds5 - - © Scorbut „sv. . 1834 - 44 - J : Unterleibskrankheiten 18848 - 44,9 - - _ Frostwunden . „. „. 1844 - 44 . - n.

Lungenkrankheiten . 2997 - 7,1 - - n Andere Krankheiten. 5631 - 13,4 - - 2 Es erhellt daraus, in welchem Grade Fieber und Unterleibskrankheiten vor- wogen; die erstern zeigten sich nach Aitken hauptsächlich im Winter, Diarrhoe und Dysenterie im Sommer. Auch Scorbut war so häufig, dafs er besonders notirt wurde; zu bedauern ist, dafs über die Augenkrankheiten eine specielle An- gabe fehlt; sie mögen, soweit sie in’s Lazareth führten, unter der starken Rubrik „Andere Krankheiten“ keine unbeträchtliche Rolle gespielt haben. Von diesen Krankheiten nahmen einen tödlichen Verlauf: von Fieber . . „. . . . 1930 Fälle unter 8959

«m Choleratewi.? auaibrant, Mage - 1879 Sig Bßeonbubitrsuniorg ‚bu ra1gRoN 2 - 1834 - Unterleibskrankheiten . 4081 - - 18848 = Frostwunden . 2. 2.39 -- - 1844 - DLungenkrankheiten . . 313 - - 2997 - andern Krankheiten . . 379 - - 5631

Wichtig ist der von Aitken geführte Nachweis, in welchem Maafse der drei- monatliche unthätige Aufenthalt der Truppen in Bulgarien auf die Sterblichkeit eingewirkt hat. Diejenigen Regimenter, welche in der Bulgarei gestanden hatten, kamen so erschöpft nach der Krim, dafs die ärztliche Kunst hier viel geringere Erfolge erzielte, als bei den Truppen, die gleich nach der Krim befördert waren. Bei den letztern kamen verhältnifsmälsig mehr Erkrankungen vor, nämlich 186 Pro- cent der durchschnittlichen Truppenzahl, während die Krankheitsfälle der früher in der Bulgarei gewesenen Regimenter nur 170 Procent ihrer Stärke betrugen; aber die zuletzt genannten Regimenter zeigten dafür eine viel geringere Kraft, die Krankheiten zu überwinden, Von den verschiedenen Krankheitsfällen verliefen

nämlich tödtlich

bei den nicht in der Bulgarei gewesenen Truppen

von Cholera; 7, . 9. 07635 Proe. . .” , 53,5 Proc. ERORFOStwuUnden" TH W WISH u AR 4, - ÜUnterleibskrankheiten . . . 242 - ...177 - SWöRIEher all, won ui ai 293, 3rarS A a EN he - Wunden und anderen Beschädi-

bei der exbulgarischen Armee

PünBenugelni, ‚sale KWIIERF> UINEE, 943,7 - rue pad er ie ee IT I - Lungenkrankheiten . . . . 110 - 2... 74 -

Das ist eine sehr auffallende Differenz, welche die nachtheilige Einwirkung des Aufenthalts in Bulgarien auf die allgemeine Körperbeschaffenheit der Truppen in ein grelles Licht stellt.

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 32

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Wenn nun die folgende Zeit im Vergleich mit diesen 7 Monaten eine be- deutende Besserung des Gesundheitszustandes zeigt, so haben dazu verschiedene Gründe mitgewirkt, bessere Verpflegung der Truppen, geringere dienstliche An- strengung in Folge der bedeutenden Verstärkung der Heeresmacht, vorzüglich auch die Occupation des Baidar-Thals und die häufige Dislocation starker Trup- penabtheilungen nach diesen vorzüglich gesunden und an gutem Quellwasser rei- chen Höhen. Auf der herakleotischen Halbinsel selbst, auf welche die Truppen während der ersten Zeit eingeschränkt waren, giebt es nur zwei Quellen; das Wasser der gegrabenen Brunnen ist meist brackisch. —n.

Zur russischen Expedition nach Khorasan.

(Aus einem Schreiben Bunge’s.)

Von einem verehrten Gönner der Zeitschrift wird uns ein Schreiben Bunge’s mitgetheilt, in dem die lebhaften und freudigen Erwartungen ausgedrückt sind, welche dieser ausgezeichnete Botaniker an die grofsartig angelegte wissenschaft- liche Expedition nach Khorasan knüpft. „Ich reise,“ schreibt Herr Staatsrath Bunge unter dem 4. December d. J., „in etwa vierzehn Tagen von hier ab, um nach Khorasan in die grofse Salzwüste zu gehen, wo ich bis zum Spätherbst blei- ben werde. Es ist dies längst das Land meiner Sehnsucht gewesen, und nun besonders, da meine Studien über Chenopodiaceen mir es ungemein wünschens- werth erscheinen liefsen, an Ort und Stelle in lebendem Zustande eine möglichst grolse Zahl von Formen dieser Familie zu untersuchen. Nirgends in der Welt möchten die Chenopodiaeeen besser zu studiren sein als eben in Khorasan. Wir kennen verhältnifsmälsig aufserordentlich wenig aus dieser Gegend, und Buhse ist der einzige Botaniker, der die grofse Salzwüste besucht hat, vielleicht der ein- zige Europäer, der die Reise durch die Salzwüste gemacht hat. Allein auch er hat nur den westlicheren Theil und zwar nur im ersten Frühling besucht, wo be- kanntlich für Chenopodiaceen nicht die Zeit ist. Was er von dort, namentlich von Yesd mitgebracht hat, ist fast durchweg neu. Was habe ich also zu erwar- ten, wenn ich weiter nach Osten in eine fast complete terra incognita vordringe und dort eine ganze Vegetationsperiode hindurch verbleibe! Wir wissen etwas von dem Reichthum Westpersiens durch Szovits, Kotschy, Aucher, früher Olivier u. a. Reisende, die aber nie östlicher gewesen als die Tour von Teheran nach Abuschir liegt. Von Afshanistan und Beludschistan wissen wir durch Griffith und Stocks wenigstens so viel, dafs es Formen ernährt, die von denen Westpersiens ganz verschieden sind; was ist daher nicht Alles in der Mitte zu erwarten? Ich bin ganz jung geworden, seitdem ich mich zu dieser Reise entschlossen. Ich werde sie unter sehr günstigen Verhältnissen antreten, indem ich mich einer wis- senschaftlichen Expedition anschliefse, die die geographische Gesellschaft in St. Pe- tersburg ausgerüstet hat und an deren Spitze ein höchst unterrichteter und lie- benswürdiger Mann, der längere Zeit als General-Consul in Persien fungirte, Herr von Chanykow steht, der einst auch Lehmann’s Reisegefährte in Buchara war. Ich nehme noch einen jungen, tüchtigen Botaniker, Herrn Bienert, mit, von des-

Die Reise des Hauptastronomen, etc. L. Schwarz, auf dem Witim. 499

sen Hilfe ich mir sehr viel verspreche. Vor dem 20. December reise ich von hier nicht ab und gehe zunächst nach Tiflis. Ende Januar versammelt sich unsere ganze Gesellschaft in Baku, dort steigen wir auf ein Dampfschiff, um nach Astra- bad hinüber zu schiffen, von wo wir zu Pferde nach Meshed, unserm Hauptquar- tier, weiter reisen.“

Die Reise des Hauptastronomen der ostsibirischen Expe- dition, L. Schwarz, auf dem Witim. Von C. Schirren.

Aus Briefen des Hauptastronomen, Herrn L. Schwarz entnehme ich folgende vorläufige Mittheilungen über seine Witim-Excursion.

Am 27. Juli brach Schwarz von Witimsk zur Flufsreise auf. Sein Boot war aus 9 Brettern gezimmert, 3—4 Faden lang, flach und schmal und leicht gebaut; es bewährte sich auf der ganzen Fahrt als zweckmäfsig. In einem verschlagenen Raume war Proviant für 7 Menschen auf 2 Monate niedergelegt; daneben lagen die Instrumente und war seine Schlafstelle.. Aufserdem war ein kleiner Kahn aus einem Pappelstamm an Bord. Die fünf Bootsleute brachten die Nacht meist am Ufer zu. Die Fahrt war im höchsten Grade langweilig, Höchst selten war den steilen Ufern ein schmales Vorland vorgelagert; meist traten sie senkrecht aus dem Wasserspiegel, nirgends über eine Höhe von 5 600 Fuls hinaus, oben in grader wie nach dem Lineal geschnittener Linie begrenzt. Das durchweg steinige Bett trug Felsblöcke zum Theil von enormer Gröfse. Wie dem Witim, ss fehlt auch seinen Nebenflüssen alle Thalbildung; es sind enge, knapp in die Sohle gewaschene Rinnsale.. An ihren Mündungen tritt felsiges Vorland weit in den Witim hinein und erschwert bei der gesteigerten Strömung des seichten Wassers die Vorüberfahrt. Auf dem einförmigen Lande steht einförmiger Wald aus Nadelhölzern, spärlich mit Laubholz untermischt, in lautloser Stille, nur sel- ten durch Vogelstimmen unterbrochen, wie durch den Ruf des Haselhuhns oder durch den Ton eines Strandläufers, der sich mit seinem Fi! Fi! längst des Ufers bewegt und mit demselben eintönigen Laut scheu auffliegt, sobald ihm das Boot näher schiefst. Selten zeigten sich Falken oder Raben, selbst Enten und Schnepfen waren spärlich; kein Bär erschien, obgleich es in der Gegend viele ge- ben soll; Füchse und Rennthiere hatten nur hin und wieder, wo das Ufer vom Sand überstreift ist, ihre Spur hinterlassen. Erst 180 Werst oberhalb der Witim- mündung, an der Mündung der Kalutowka, traf der Reisende wieder auf Men- schen. Es war eine Tungusenfamilie, einige Jakuten und 12 Russen, die nach ' Marienglas gruben. Uebrigens liefs sich an Vorrathshütten und anderen Spuren erkennen, dafs vor Jahren der Witim häufiger von Russen besucht wurde. Auch _ scheint grade im August die Gegend am menschenleersten zu sein. Wenigstens steigen Ende Juni und Anfang Juli Tungusen von den Bergen zum Fischfang herab, der dann am ergiebigsten ist, und zum zweiten Male kommen sie im Sep- _ tember zurück, wenn die Fische, die zuvor in dem obern Laufe der Zuströme - gelaicht haben, im Hauptflusse wiedererscheinen. Vor länger als 50 Jahren wur-

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den die Russen mehr als heute von der reicheren Ausbeute an Marienglas an- gelockt, das man damals selbst in Stücken von 1 Arschin im Quadrat mit Hacke und Brecheisen in grofsen Gruben aus den Felsen ausarbeitete, bis in der Nähe der Oberfläche der ganze Schatz erschöpft war und es an Mitteln und Geschick gebrach, das tiefer liegende zu Tage zu fördern. Dazu lockt heute mächtiger die seit 10 Jahren an den rechten Zuflüssen der Lena eröffnete Goldwäsche. Ehe- mals ist es öfters zu blutigen Händeln gekommen, deren Andenken noch in Lo- calnamen fortlebt. So sind an der Uboinaja (Mordfluls), einem Zuflusse der gro- (sen Mäma, 49 Russen in ihrem Vorrathshause von Tungusen belagert und end- lich sämmtlich verbrannt worden; und an der Goremja (Flufs der Trauer) sind zwei Parthien Marienglassucher darüber in Hader gerathen, welche zuerst eine reiche Grube entdeckt habe, bis die eine, von einem Zauberer der andern be- hext, langsam hinsiechte und starb, wie die Bootsleute unserm Reisenden berich- teten. So hatte man hüben viel Geplauder gehört und den lustigen Klang der Geige; drüben aber Wehklagen und Todesseufzer, bis Alle gestorben waren.

Die einzige Zerstreuung boten unserm Reisenden, neben seiner wissenschaft- lichen Beschäftigung, Abends die Gesänge seiner Bootsleute oder der Fischfang, vornämlich zur Nacht. Denn aufser mit dem Stellnetz wird der ergiebigste Fisch- fang mit der Harpune betrieben. An der Spitze des Kahns, wo der Harpunirer steht wird ein Feuer angemacht, in dessen Widerschein die bei Nacht bald nä- her, bald ferner von der Oberfläche ruhig hintreibenden Fische von der Harpune leicht getroffen werden.

Am 20. August nach einer Flufsfahrt von 541 Werst war der erste grofse Porog (grofse Stromschnelle), der Delun-Uran erreicht. Zwei Werste oberhalb lagen Klippen, welche zu Boot nicht mehr zu passiren waren. Acht Tage lang rastete Schwarz, bestimmte die Länge und Breite des Orts und mufste, da kein Führer aufzutreiben war, und der Proviant eine längere Excursion nicht gestat- tete, umkehren, ohne den Oron-See, der 40 Werst und drüber entfernt sein mochte, erreicht zu haben. Er hoffte jedoch die Nachricht zu erhalten, dafs Usol’zew bis zu ihm vorgedrungen sei.

Am 25. August war alles Laubholz bereits gelbgefärbt; in den ersten Tagen des September standen die Laubbäume nackt; der Lärchenbaum entfärbte sich und verlor seine Nadeln; nur die grünen Fichten und Tannen erhielten der Land- schaft einen trübseligen Rest von Farbe. Auf der Rückreise stellte sich Re- gen- und Schlackenwetter ein, das zuletzt fast ununterbrochen anhielt; denn mitten in jedem Sonnenblick stiegen neue, riesige Wolkengebilde empor. Der Wind wechselte in Stöfsen aus Südwest und Nordwest. In den ersten Tagen des Septembers hatte der Rückzug der Wandervögel begonnen.

Das Wasser des Witim ist auffallend kalt, das seiner Zuflüsse eisig. Als die Fahrt in die Lena überging, wandte sich die Temperatur und nahm fast som- merlichen Charakter an im Gegensatz zu der früheren. Nach Beobachtungen an demselben Tage zeigte das Wasser der Lena eine Temperatur von immer noch sehr wenig sommerlich der Witim von nur 22°.

Gegen das Ende der Fahrt wurde der Witim belebter. Jeden Tag zogen mehrere Böte mit Tungusen, Jakuten und Russen thalauf und ab; leichte Bir- kenkähne; fast Alle, um Fischfang zu treiben; nicht selten flammten am Abend

Die Ainos. 501

vier Feuer gleichzeitig auf dem Flusse. Am 14. September traf Schwarz wieder in Witimsk ein.

Die Ergebnisse dieser Exeursion in die Wildnifs sind aufser einer zusammen- hängenden Marschroute die astronomische Bestimmung von 10 Punkten, tägliche thermometrische und barometrische Beobachtungen, Untersuchungen über die Tem- peratur vieler Quellen und des Witimwassers, eine Collection von 60 Nummern Mineralien mit Beschreibung der Fundorte und eine kleine Insectensammlung. Aufserdem konnten ziemlich reiche Notizen über die Zuflüsse des Witim gesam- melt werden, so dafs, Alles zusammengenommen, die Kenntnils des durchreisten Landstriches in rein geographischer Hinsicht um Vieles bereichert ist. Die rech- ten Zuflüsse der Lena von der Mündung der Kirenga bis zur Mündung des Wi- tim, die Tschaja, Tschetschuja und Tschuja, die auf den Karten bisher dicht neben einander flossen, weil der untere Witim fälschlich nach Norden geführt wurde, gewinnen Raum sich auszubreiten; das System des Witim selbst erhält erhebliche Correeturen besonders für seine linken grofsen Zuflüsse, für die untere oder grofse Mäma (156 Werst oberhalb der Witimmündung), für die obere Mäma und die Nerpa, die an Länge des Laufes und Wasserreichthum den oben genannten Flüs- sen nicht nachstehen. Eine Karte, die mit nächster Sendung erwartet wird, soll alle diese Verhältnisse deutlicher darstellen.

In Witimsk wollte Schwarz noch wenigstens bis zum 24. September bleiben, um die Lage genau zu bestimmen und namentlich die Bedeckung einiger Sterne im Bilde der Plejaden durch den Mond zu beobachten; dann wollte er nach Ki- rensk aufbrechen und wiederum von dort in den ersten Tagen des Novembers nach Irkutsk.

Die Ainos.

Die ältesten Reisenden, welche die Ainos kennen zu lernen Gelegenheit hat- ten, haben bekanntlich über den starken Haarwuchs derselben Angaben gemacht, die namentlich in Anbetracht der Thatsache, dafs für alle anderen ostasiatischen Völker ein schwacher Haarwuchs, ein spärlicher Bart oder Bartlosigkeit eine cha- rakteristische Eigenthümlichkeit ist, sehr auffallend erscheinen mufsten. La Pe- rouse u. A. berichteten, dafs die Ainos an ihrem ganzen Körper mit langem schwarzen Haar bedeckt wären, und dafs dieses nicht eine bei einzelnen Indivi- duen hervortretende, sondern eine allgemein unter dem ganzen Stamme verbreitete Eigenschaft sei. Durch solche Angaben wurde die Mannschaft des zu dem Ge- schwader des Comm. Rodgers gehörigen Dampfers Hancock, über dessen Fahrten wir bereits in diesem Bande der Zeitschrift S. 167 ff. berichtet haben, veranlafst, sich unter den Ainos, die sie im nördlichen Theile der Insel Jesso zahlreich an- trafen, genauer umzusehen, und Habersham falst das Resultat ihrer Bemerkungen folgendermafsen zusammen.

Der Haarreichthum dieses Volkes ist bei Weitem nicht so beträchtlich, als die Versicherungen älterer Schriftsteller annehmen liefsen. Im Allgemeinen schee- ren die Ainos den Vorderkopf nach japanesischer Weise; und obgleich das übrig bleibende Haar ohne Frage sehr dicht und grob ist, ist es doch ganz schlicht,

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und sein buschiges Aussehen rührt lediglich daher, dafs es so selten gekämmt wird. Sie scheiteln den Haarschopf in der Mitte und lassen ihn einen Zoll weit auf die Schultern herabwachsen. Die vorherrschende Farbe des Haares ist schwarz ; nicht selten spielt es aber in’s Bräunliche. Auch der Bart ist buschig, aber genau aus denselben Gründen. Er ist im Allgemeinen schwarz, zuweilen bräunlich und selten über fünf oder sechs Zoll lang. Ich bemerkte nur ein Individuum, dessen Bart bis auf die Hälfte der Brust hinabreichte; und dieser Mann war offenbar stolz auf seinen Bart, da er ihn in zahlreiche kleine Locken gekräuselt hatte, die stark gesalbt waren und in einer gewissen Ordnung gehalten wurden. Sein Haar war übrigens so zottig wie das der Andern. Da er offenbar der „haarigste Kurile“ in der ganzen Schaar war, wollten wir uns an ihm über die Bemerkung Broughton’s vergewissern, dafs die Ainos fast durchweg an ihrem Körper mit lan- gem schwarzen Haar bedeckt wären. Er entblöfste auch sofort seine Arme und Schultern, und wir fanden, dafs sein Körper, wenn man einen Fleck Haare auf jedem Schulterblatt von der Grüfse einer Hand ausnimmt, um Nichts haariger war, als der einiger von unsern Matrosen. Der Haarfleck auf den Schulterblättern veranlafste uns indels, noch einige andere Individuen zu untersuchen, und es zeigte sich, dafs jene Erscheinung eine ganz vereinzelte war. Ihre Bärte, die sich aufwärts fast bis an die ziemlich tief liegenden Augen erstrecken, ihre buschi- gen Brauen und im Allgemeinen auch ihr Gesichtsausdruck geben ihnen ein sehr wildes Aussehen, das einen sonderbaren Contrast zu ihrem milden, fast schüch- ternen Wesen bildet. Wenn sie trinken, haben sie die Gewohnheit, den Lippen- bart in die Höhe zu heben; und diese Sitte hat, wie ich glaube, einen älteren Schriftsteller zu der Behauptung veranlafst, ihre Bärte wären so lang, dafs sie in die Höhe gehoben werden mülsten.

Obgleich die Ainos im Allgemeinen ohne allen Zweifel nicht einmal von mittlerer Statur sind, so sah ich doch einige Individuen, die auch in anderen Ländern für recht grolse Leute gelten konnten; ihre durchschnittliche Gröfse wird nicht mehr als 5 Fuls 2 Zoll bis 5 Fufs 4 Zoll betragen; aber sıe sind recht musculös, wohlgebaut, mit breitem Brustkasten und von kräftigem Aussehen. Ihre Gesichtsbildung gleicht mehr der europäischen als einer anderen, Sie ist im Allgemeinen regelmäfsig, zuweilen edel, und durchaus frei von dem Ausdrucke heimtückischer List, der für ihre Herren, die Japanesen und nördlichen Chinesen, so charakteristisch ist. Dafs die Ainos diesen Nationen an Begabung überlegen sind, darin kann ich den älteren Schriftstellern nur beipflichten.

Die Kleidung der Ainos, die uns vor Augen kamen, bestand nie aus mehr als drei, und selten aus mehr als einem Stück. Gewöhnlich bildete ein blousen- artiges Gewand, welches, aus der inneren Rinde eines dort häufig vorkommenden Baumes verfertigt, bis auf die Knie reicht und an der Hüfte durch einen Gürtel von ähnlichem Stoffe zusammengehalten wird, ihre einzige Bekleidung. Hin und wieder trugen sie Sandalen von Gras, zuweilen sogar Strümpfe von gewebten Rindefasern, die bis zu den Knien reichten; aber diese Fälle waren selten. Kru- senstern sagt, dafs sie sich im Winter mit den Fellen von Hunden und anderen Thieren bekleiden; aber wir haben von derartigen Kleidungsstücken, deren sie sich vielleicht wirklich nur im Winter bedienen, nichts bemerken können.

Auf sehr unvortheilhafte Weise zeichnen sich die Ainos durch ihre entsetz-

un

Freiling’s Bericht über Goyder’s Endeckungen am Lake Torrens. 503

liche Unsauberkeit aus. In Folge dessen wimmelt Alles, was ihnen gehört, von Ungeziefern, und sie selbst leiden an mannichfaltigen Hautkrankheiten, gegen die sie nur wenige oder gar keine Heilmittel zu kennen scheinen. Desto erfreulicher sind ihre moralischen und socialen Eigenschaften, die sie in ihrem Zusammen- leben, wie den Fremden gegenüber an den Tag legen. Geistige Fähigkeiten, ein milder Sinn, Redlichkeit und ein bescheidenes Wesen sind allgemein charakteri- stische Eigenschaften, die dem Fremden selbst bei flüchtigem Besuch in’s Auge springen.

Broughton’s Versicherung, dafs die Ainos „hell kupferfarbig“ sind, kann ich nicht beistimmen, wenn er damit nicht etwa vereinzelte Erscheinungen hat be- zeichnen wollen. Wir sahen mehrere hundert Männer, Weiber und Kinder, und diese waren sämmtlich von dunkel braunschwarzer Farbe, mit Ausnahme eines einzigen Individuums, dessen reine Abstammung zweifelhaft war.

Die Art und Weise, wie die Ainos bei der Begegnung und beim Abschiede grülsen, ist bemerkenswerth. Sie nähern die Fingerspitzen den Augen, blicken dabei zur Erde, wispern mit leiser Stimme eine längere Ansprache, und streichen

"ihren Bart von den Augen abwärts. Das Letztere wiederholen sie, so lange die

Ansprache dauert; nach Beendigung derselben werfen sie einen Blick auf den Gegrü/sten, und wenn dieser sie nicht bemerkt hat, wiederholen sie die Förmlich- keit, bis der Grufs beachtet wird. In derselben Weise verfahren sie auch, wenn sie für ein Geschenk ihren Dank abstatten. Ihr Abschiedsgrufs besteht dagegen in einem wiederholten Heben und Senken der flachen Hände. —n.

Freeling’s Bericht über Goyder’s Entdeckungen am Lake Torrens.

Süd-Australien, Anfang October 1857.

Vor zwei Monaten theilte ich Ihnen die Angaben des Herrn Goyder über seine Reise nach dem Norden unserer Colonie und die wichtigen Entdeckun- gen mit, die er dort gemacht zu haben beanspruchte. Ich erwähnte auch, dafs eine gröfsere Expedition unter Leitung des Capitains Freeling abgegangen sei, um diese Entdeckungen weiter zu verfolgen und namentlich, wenn es möglich sein sollte, den Lake Torrens in einem Boot zu befahren. Vor einigen Tagen ist nun ein Schreiben des Capitains Freeling eingegangen, datirt vom 6. Septem- ber aus einem Lager, 15 Meilen südlich von dem genannten See, welches leider die sanguinischen Hoffnungen des Herrn Goyder und die durch seinen Bericht hervorgerufenen Erwartungen niederschlägt. Die Parthie des Herrn Freeling er- reichte am 3. September denselben Punkt, von welchem aus Goyder den See über- sehen hatte. Ein Mann, der die erste Reise mitgemacht hatte, bemerkte sofort, dafs das Wasser um etwa eine halbe engl. Meile zurückgetreten war. Der Bo- den bestand aus einer Mischung von Lehm und Sand und war ganz von dersel- ben Beschaffenheit, die er auf den letzten 6 Meilen gezeigt hatte. Auf dieser

ganzen Strecke glaubte Freeling Anzeichen zu bemerken, dafs dieselbe früher zu

Zeiten mit Wasser bedeckt gewesen; er war der Meinung, dafs der Macdonnell

504 Miscellen:

und andere nach Norden fliefsende Creeks nach der Regenzeit grofse Wasser- massen mit sich führten und das umliegende Land überschwemmten. Am Rand des Wassers zeigte sich eine dünne Salzkruste, doch war das Wasser selbst süls von Geschmack. Herr Freeling sah ebenso wie sein Vorgänger in dem See In- seln mit steilen Ufern und mit Gebüsch bewachsen, vermuthete aber, dafs dies nur Luftspiegelung sei, da sich dieselbe Erscheinung nach Süden zu auf der Ebene, die er so eben durchschnitten, zeigte, während doch nichts dergleichen in der Wirklichkeit existirte.

Am 4. September wurde das eiserne Boot, das mit grofser Mühe auf den schlechtesten Wegen so weit geschafft war, an den Rand des See’s gebracht und aufserdem noch eine kleine eiserne Fähre, die nur wenige Zoll Wassertiefe erforderte. Die Reisenden traten in den See oder vielmehr in den Schlamm, der unter ihrem Gewicht nachgab und zogen die Fähre etwas über eine engl. Meile nach sich, fanden aber nicht so viel Wasser, um sie flott zu machen. Am folgenden Tage drangen sie mit der gröfsten Anstrengung etwa 3 engl. Meilen in dem Schlamm vor und erreichten eine kleine Insel, die etwa 1 Fufs aus dem Wasser hervor- ragte. Sie fanden nirgends das Wasser tiefer als 6 Zoll und auch dies nur an einzelnen Flecken; dabei sanken sie bis zum Knie und theilweise bis zum Schen- kel in den Schlamm. Dieses Vordringen war so anstrengend, dafs ein Eingebo- rener, der sie begleitete, etwa auf der Hälfte des Weges erschöpft zurück blieb. Die Aussicht von der erreichten Insel war im höchsten Grade traurig; auf allen Seiten das flache Wasser, niedrige Inseln und Schlamm; der geringe Pflanzen- wuchs, der sich zeigte, mu/ste beim ersten heifsen Wind dahinsterben. Zwei von der Parthie drangen in der Hoffnung, das entgegengesetzte Ufer zu erreichen, noch zwei Mellen weiter vor. Sie fanden an einer Stelle etwas tieferes Wasser, aber dafür auch um so mehr Schlamm, ohne weiteres Resultat. Herr Freeling glaubt sich hiernach hinreichend überzeugt zu haben, dafs es nicht möglich ist, den See in einem Boot zu befahren. Die Ufer, sowie die ganze Landschaft um- her zeigten dasselbe traurige Aussehen und sind nicht einmal zur Schafweide zu benutzen. Die Beschreibung der früheren Reisenden Eyre, Sturt und Frome, wird als ganz richtig bestätigt. Der einzige Unterschied (sagt Freeling) besteht in dem süfsem Geschmack des Wassers. Dieser sei vielleicht zu erklären durch die un- geheuren Massen von Regenwasser, die im März herunter gekommen wären; noch wahrscheinlicher sei es aber, dafs dieser von ihnen gefundene See nichts weiter als eine Ansammlung von Regenwasser in einer Art von Bassin sei, das jetzt durch die Kraft der Sonnenstrahlen bald verdunsten würde, und nicht der von den früheren Reisenden beschriebenen Salzwasser-See, welcher sich aber ganz in der Nähe befinden müsse.

Dies ist der Hauptinhalt des Schreibens; Herr Freeling wollte nach demsel- ben seine Reise nicht weiter fortsetzen, sondern auf demselben Wege zurückkehren. Ueber die Gegend, die er durchreist, ehe er zum See gekommen, sagt er gar nichts. Das Publieum scheint unzufrieden, dafs er nicht Versuche gemacht habe, in anderen Richtungen vorzudringen, da er noch reichlich mit Provisionen ver- sehen gewesen sei und auch keinen Mangel an Wasser gehabt habe. Indels be- schäftigt man sich weniger mit diesem Bericht, weil zufälliger Weise gerade an demselben Tage aufserordentlich günstige Nachrichten von der Expedition des

Die südliche Gruppe der Kokos- oder Keelings-Inseln. 505

Herrn Hack im Nordwesten (deren Ausrüstung und Abreise ich gleichfalls früher erwähnt) einliefen. Der Inhalt derselben ist, dafs Herr Hack von Streaky Bay aus in nördlicher und nordwestlicher Richtung bis etwa 30 engl. Meilen nördlich von Mount Sturt vordrang und auf diesem ganzen Wege süfses Wasser in hin- reichender Menge für Menschen und Pferde fand. Es war hauptsächlich die Er- schöpfung der Pferde, die ihn zwang umzukehren. Sein Bericht ist im Ganzen viel genauer und prosaischer als der des Herın Goyder; er berechnet das von ihm selbst gesehene gute Weideland auf etwa 4000 engl. Quadratmeilen und be- absichtigt sofort mit frischen Pferden und Provisionen wieder aufzubrechen und weiter vorzudringen. Mit der nächsten Post werde ich Näheres über seine Reise mittheilen und hoffe, eine Karte beifügen zu können, die mir versprochen ist, und zur Erläuterung des Berichts wesentlich beitragen wird. R.

Die südliche Gruppe der Kokos- oder Keelings-Inseln.

(Hierzu eine Karte, Taf. VII.)

Im Indischen Ocean unter dem 12° 14° 14'S. Br. und dem 94° 4’ O.L. liegt eine kleine bisher selten genannte und wenig beachtete Inselgruppe, welche, nach Art jener zahlreich über den Indischen und Stillen Ocean ausgebreiteten Corallenbänke in einem Kreise gruppirt, eine Bai einschliefsen, welche selbst gröfseren Fahrzeugen einen sicheren Zufluchts- und Aufenthaltsort gegen die die Riffe rings umtosende Brandung gewährt. Kokos- oder Keelings-Inseln ist der Name dieser Gruppe; den ersteren verdanken sie den üppigen Kokosnufswaldun- gen, mit denen sie bedeckt sind, den anderen ihrem angeblich ersten Entdecker William Keeling, der, im Dienste der englisch-ostindischen Compagnie, auf seiner Rückkehr von den Molucken im Jahre 1609 diese Inselgruppe entdeckt haben soll. Neuere Nachrichten über diese Inseln, welche seit wenigen Monaten die Aufmerksamkeit der Englischen und Holländischen Regierung in gleichem Mafse erregt haben, besitzen wir zwar nur wenige, doch dürften dieselben mehr als hin- reichend sein, uns ein klares Bild über die geographischen Verhältnisse derselben zu geben, sowie über die Ursachen uns aufzuklären, weshalb England gerade in diesem Augenblick seine Flagge auf ihnen aufgepflanzt hat. Die Quellen, welche uns für die folgenden Notizen zu Gebote standen, sind: 1) A. van der Jagt, Beschrijving der Kokos- of Keeling- Eilanden, nach einem Bericht dieses Officiers an das Niederländisch-Indische Gouvernement vom December 1829 in den Ver- handlingen van het Bataviaasch Genoctschap von Kunsten en Wetenschappen, D. XIII. p- 295. Batavia. 1832 abgedruckt und mit einer Karte der Inselgruppe versehen, auf welcher die Peilungen, welche van der Jagt daselbst vorgenommen, genau verzeichnet sind. 2) Account of the Cocos, or Keeling Islands. Transmitted by Rear- Admiral Sir E. W. C. Owen, and communicated by John Barrow, in dem ersten Bande des Journal of the Roy. Geographical Society of London, 1831, p- 66, welcher kurze Bericht sich hauptsächlich auf die Verbreitung der ver- schiedenen auf den Inseln vorkommenden Pflanzen bezieht. 3) Fitzroy im zwei- ten Bande des Werkes „Narrative of the Surveying Voyages of His Majesty’s Ships Adventure and Beagle,“ 1836, mit einer genauen Karte der Inselgruppe.

506 Miscellen:

4) De Kokos-eilanden en de Engelschen, in der Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, September 1857. p. 157, eine Arbeit, welche durch die vermeintliche Ver- letzung holländischen Besitzes durch die Engländer hervorgerufen, sich in ihrem geographischen Theile hauptsächlich auf die Arbeit A. van der Jagt’s stützt. Wie fast überall in dieser Zeitschrift spricht sich auch in diesem Aufsatze eine ge- rechtfertigte Opposition gegen die. Niederländische Colonial-Politik aus, welche schon so oft den Colonien verderblich, dem englischen Einflufs Thor und Thür geöffnet hat. Ein fünfter Bericht über die Kokos-Inseln aus der Feder Belcher’s, welcher am Bord des Samarang dieselben besuchte, ist uns leider nicht zugäng- lich gewesen.

Zur Aufklärung der gegenwärtigen politischen Verhältnisse sei es uns, bevor wir zu einer geographischen Schilderung der Inselgruppe übergehen, gestattet, in kurzen Umrissen eine Geschichte der Inseln zu geben, wenn anders die Aben- theuer der beiden einzigen Ansiedler auf diesen Inseln die Geschichte derselben genannt zu werden verdienen. Im Jahre 1823 liefs sich ein Englischer Abentheurer, Namens A. Hare, in Gesellschaft einer Anzahl malayscher und indischer Selaven, welche ihm nach seiner Aussage auf seinen Reisen am Cap der guten Hoffnung, an der Afrikanischen Küste und auf dem Indischen Archipel von Häuptlingen geschenkt worden waren, auf der südlichsten Insel der Gruppe nieder. Ein Nie- derländischer Seeofficier, welcher die Ansiedlung im Jahre 1829 besuchte, schrieb diese freiwillige Verbannung auf diese bis dahin unbewohnte Inseln der eigen- thümlichen Laune Hare’s zu, sich jeder gesellschaftslichen Verbindung zu ent- ziehen, um unumschränkt über seine Sclaven herrschen zu können. Drei Jahre später liefs sich ein anderer Engländer, Namens J. Rofs, ebenfalls daselbst nie- der und ihm haben wir hauptsächlich die Angaben über die natürliche Beschaf- fenheit der Inseln zu verdanken. Auf den Shetland-Inseln geboren und von väter- licher Seite aus einem angesehenen Schottischen Geschlecht entsprossen, hatte Rofs als Seemann die Grönländischen und Indischen Meere befahren und befeh- ligte zur Zeit, als die Engländer noch im Besitz von Java waren, eine Kriegs- brigg. Später finden wir ihn als Verwalter einer Niederlassung auf Borneo, bei welcher auch der oben erwähnte erste Ansiedler der Kokos-Inseln, Hare, einen Posten bekleidete. Rofs gebrauchte in seiner Stellung die ihm untergebenen Ja- vanen, meist Verbrecher, welche für die Bestellung des Ackers oder für die Be- sorgung der häuslichen Geschäfte nicht gerade nothwendig waren, zum Bau eines Dreimasters, der den Namen Borneo erhielt. Diesen Kauffahrer führte Rofs. spä- ter mehrere Jahre hindurch unter englischer Flagge bei seinen Handelsunterneh- mungen nach Sumatra. Auf diesen Fahrten berührte er auch die Kokos-Inseln, und angezogen durch den trefflichen Hafen, welcher sich ihm innerhalb der schützen- den Korallenbänke aufthat, entwarf er in Gemeinschaft mit seinem Londoner Prin- cipale den Plan, da durch die Concurrenz der Amerikanischen Kaufleute auf Su- matra die Pfeffer-Preise sehr zu schwanken anfingen, sobald die Preise herunter- gegangen sein würden, durch Aufkauf alles Pfeffers den Markt allein in seine Hände zu bringen. Als Lagerstätte für sein Gewürz hatte er die nicht fernen Kokos-Inseln ausgewählt. Die Handelsspeeulation jedoch mifsglückte, das Hand- lungshaus in London fallirte und Rofs safs mit seiner Familie und seinen Pfeffer- säcken von aller Welt geschieden allein auf den Kokos-Inseln. Dazu kam, dafs

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Die südliche Gruppe der Kokos- oder Keelings -Inseln. 507

Rofs seinen früheren Bekannten Hare auf den Inseln traf und es konnte bei der willkürlichen Herrschaft, welche letzterer über seine Sclaven ausübte, nicht feh- len, dafs es zwischen beiden Ansiedlern bald zu ernsten Mifshelligkeiten kam. Als Beispiel der Launen des Herrn Hare mag hier nur angeführt werden, dafs er, wahrscheinlich zur Beförderung der Population, seine Sclaven nach Geschlech- tern gesondert auf verschiedenen Inseln wohnen liefs. Fitzroy erfuhr, dafs er sich auf einer den Malayen unzugänglichen Insel einen grofsen Harem angelegt hatte, und dafs seine Sclaven hauptsächlich deshalb so erbittert gegen ihn waren, weil er ihnen Weiber und Töchter wegnahm. Die Streitigkeiten wurden dadurch bei- gelegt, dafs Rofs seinen festen Wohnsitz auf Direction Island aufschlug, während Hare die Insel Rijst-eiland, von den Malayen Poeloe Toean, die Herren -Insel genannt, zu seiner Residenz auswählte. Dort führte letzterer ein von jedem Ver- kehr abgesondertes Leben, während Rofs mit seiner Familie die von ihm be- wohnten Inseln zu einem Fruchtgarten umschuf und besonders durch den Han- del mit Kokosnüssen, welche die Insel in grolser Menge erzeugt, den Grund zu seiner Wohlhabenheit legte.

Nach den bestehenden Tractaten gehören die Kokos-Inseln zu dem Kreise derjenigen Inseln des Indischen Archipels, über welche die Niederländische Re- gierung ihre Souveränetäts-Rechte auszuüben befugt ist. Auf der von dem Mi- nisterium der Niederländischen Colonien durch van der Felden Hinderstein her- ausgegebenen Karte lesen wir: deze eilanden, van ouds Nederlandsch eigendom, zijn in 1829 mit dien hoofde weder in beziet genomen, en maken das een gedeelte uit der Nederlandsche bezittingen in Oost-Indie. Auch Rofs hatte sich, besonders da seine Handelsverbindungen vorzugsweise mit Java stattfanden, vor einer Reihe von Jahren mehr als einmal an die Niederländische Regierung mit der dringen- den Bitte gewandt, die Niederländische Flagge führen und in den Niederländischen Unterthanen-Verband eintreten zu dürfen, und wenn auch durch den General- Gouverneur Markus ihm seine Bitte vorläufig mit dem Vermerk zugestanden war, dafs sein Gesuch bei der Niederländischen Regierung befürwortet werden sollte, so ist aus nicht bekannten Ursachen nach mehr als zwei Decennien diese Appro- bation von Seiten der Holländischen Regierung noch nicht erfolgt. Im April die- ses Jahres nun ankerte eine Englische Korvette in der Bai, welche die Kokos- Inseln einschliefsen, und da der junge Rofs, der Vater ist inzwischen gestorben, die aufgezogene Englische Flagge durch das Aufziehen der Niederländischen Flagge aus den oben angeführten Gründen nicht begrüfsen durfte, so begab sich der Capitain an’s Land, händigte, nachdem er die näheren Umstände erfahren hatte, welche Herrn Rofs abhielten den üblichen Grufs zu erwidern, demselben die Eng- lische Flagge ein und stellte somit die Inselgruppe unter den Schutz Ihrer Grofs- britannischen Majestät. Ob der Capitain von Seiten seiner Regierung zu diesem Schritte autorisirt war, wissen wir nicht mit Bestimmtheit anzugeben. Jedenfalls aber liegt der Besitznahme einer so kleinen Inselgruppe, welche unmöglich durch den Reichthum ihrer Erzeugnisse die Blicke Englands auf sich ziehen konnte, ein wichtigeres Motiv zum Grunde. England mufs bei dem jährlich zunehmen- den Wachsthum seiner Colonien und Handelsverbindungen in dem Indischen und Stillen Ocean darauf bedacht sein, durch Anlegung von Zwischenstationen die directen Verbindungen der Colonien unter einander zu erleichtern. Eine solche

508 Miscellen:

Zwischenstation bilden aber die Kokos-Inseln mit ihrer trefflichen Bai. Denkt man sich eine gerade Linie vom Cap der guten Hoffnung nach der Sunda- Strafse und eine gleiche von Ceylon nach den Cap Leeuwin, der südwestlichsten Spitze des Australischen Festlandes, gezogen, so liegen die Kokos-Inseln fast im Durch- schnittspunkte beider Linien. Welche treffliche Lage für die vom Cap der guten Hoffnung her durch die Sunda-Strafse nach den Chinesischen Meeren steuernden Schiffe, welche aus den auf den Kokos-Inseln anzulegenden Depöts sich mit Steinkohlen versehen können, und gleicher Weise, welchen trefflichen Ruhepunkt bildet die Inselgruppe für den Telegraphen-Draht, welcher Ceylon mit Australien einst verbinden soll! Haben doch die Engländer bereits mit so glücklichem Er- folge sich in der Nähe der Holländer auf den grofsen und kleinen Sunda-Inseln angesiedelt, warum sollten sie nicht ihre Oberhoheit über eine Inselgruppe erklä- ren, auf welche die Holländische Regierung ihr etwaiges Eigenthumsrecht durch gänzliche Nichtachtung und Nichtbenutzung gleichsam aufgegeben hat? Wie man auch das Verfahren der Engländer vom Standpunkte des Völkerrechts beurtheilen mag, so glauben wir doch mit ziemlicher Bestimmtheit voraussagen zu können, dafs die bereits erhobenen Reclamationen der Holländischen Regierung zu einem gütlichen Vergleich führen werden und die einmal aufgehifste englische Flagge zum Wohl des Handels auch ferner auf den Kokos-Inseln wehen wird.

Gehen wir jetzt zur geographischen Beschreibung der Inselgruppe über. Wie schon oben erwähnt, bilden die Inseln, 32 an der Zahl, ein nach Norden geöff- netes Oval von 9 Seemeilen Länge und 6 Seemeilen Breite, das eine ziemlich flache, mit Corallensand und hin und wieder mit aufsprossenden Corallenritfen erfüllte Lagune einschliefst. Die Inseln sind sehr lang gestreckte flache Corallen- bänke, ähnlich denen in der Sunda-Strafse und sind meist dieht mit Kokosnufs- stämmen besetzt, deren Wipfel man schon 2 Meilen vom Ufer aus entdeckt.

Die nördlichste Insel, Horsburgh- oder Noord-eiland, ist ungefähr 4 Holländische Meile lang und -'; Meile breit. Die Malaien nennen die Insel Tanah-poetie oder Passir. Der Boden besteht aus Corallensand mit Steinen ver- mischt, über welchem eine etwa 1 Fufs dicke Erdlage ruht. Sie ist die frucht- barste und am meisten angebaute Insel. Aufser den zahlreichen Kokosnufsbäu- men kommen hier drei Baumarten vor, Kajoe-ampel, Kajoe-korongan und Kajoe- bessi. Letzterer Baum, obgleich sehr hoch emporschiefsend, hat ein weiches, durchaus unbrauchbares Holz; die zweite etwas stärkere Art wird beim Bau klei- nerer Fahrzeuge benutzt; die dritte Gattung ist eine Art Eisenholz. Owen giebt in seinem oben erwähnten Bericht über die Inselgruppen sogar neun Baumarten an, welche aufser dem Kokosnufsbaum auf den Inseln gedeihen. Melonen, Mais, Taback, Pisang, Zuckerrohr, Spanischer Pfeffer ete. wurden von Hare angepflanzt und kommen vortrefflich fort. Eine Salzlache auf dem nordöstlichen Theile der Insel ist dem Einflufs von Ebbe und Fluth ausgesetzt.

Horsburgh-eiland gegenüber an der östlichen Seite der Einfahrt in die Bai liegt Direktie-eiland (Direction-Island) von den Einwohnern Poeloe-Tikoer genannt; + Meile lang und 7%; Meile breit gleicht dieselbe in ihrer Bodenbeschaf- fenheit vollkommen der erstgenannten Insel. Auf ihr ist der Wohnsitz der Fa- milie Ross. Südlich von ihr liegt eine kleine ungefähr 150 Fufs lange und 100 Fufs breite Sandbank, Pre[s-eiland genannt. Ihr schliefst sich Prieson-eiland

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Die südliche Gruppe der Kokos- oder Keelings -Inseln. 509

(Prison-Island) an, eine kleine Insel, welche ihren Namen daher hat, dafs Hare dort eine Art Gefängnils für seine Scelaven errichten liefs. Rijst-eiland oder Poeloe-Toean, die Herren-Insel, die kleinste aber zugleich höchste Insel der ganzen Gruppe, ist eine etwa 20 Fufs hoch aufsteigende Sandbank, mit steil ab- fallenden Ufern, auf der 25 Kokosbäume wachsen. Ihr Umfang beträgt 250 Fufs und auf ihrer Spitze liegt die armselige aus Kokosnufsstämmen erbaute und mit den Blättern dieses Baumes gedeckte Wohnung Hare’s.

Alison-eiland (auf Fitzroy’s Karte Clunie Island), »'z Meile lang und Ts Meile breit, erzeugt Kokosnüsse und Mais in ziemlicher Menge. Die drei fol- genden Inseln, Button-eilanden genannt, sind wie Prefs-eiland nur niedrige Sandbänke. Rofs-eiland, diesen Namen geben die Holländer der von Fitz- roy Water Island benannten Insel #4 Holländische Meile lang und „'; Meile breit, ist ganz mit Kokosnufswaldungen bedeckt, liefert aber aufserdem noch die oben erwähnten Baumarten Kajoe-ampel, Kajoe-waroe und eine dritte Gat- tung Kajoe-koerong genannt, deren gelbes Holz zu Treppen verbraucht wird. Früher hatte Hare auf dieser Insel seine Oelpressen aufgestellt. Gleich reich an Kokosnufsbäumen sind die Inseln Stewarts-groep und Fairbridge. Letz- tere, die bei Fitzroy Gooseberry-Island heifst, liefert aufserdem eine Pflanze, von den Malayen Pandanas oder Kuira genannt, welche zum Flechten von Körben und Matten benutzt wird. Ganz mit Kokosnufsbäumen bedeckt sind die kleinen Inseln Goat, Two-Tree, Pool, West-Keeling, Oost-Keeling, South- Keeling und Grave oder Demming-eiland, letztere so genannt, weil sich auf ihr die Gräber der Familie Rofs befinden.

Schott-eiland, bei Fitzroy Selima oder Faidee-Island, ungefähr 1 Meile lang und „'; Meile breit, wurde früher von der Familie Rofs und ihren Begleitern bewohnt. Es hat sich dieselbe um die Kultur dieser Insel wesentliche Verdienste erworben. Bekannt ist es, dafs der Kokosnulsbaum wenig Pflege bedarf, und selbst auf Corallengrund, besonders am Strande in einer geringen Erdschicht wur- zelt. Merkwürdigerweise tragen sogar die am Ufer stehenden Bäume bessere Früchte, als die im Inneren wachsenden, vielleicht weil der von Seesalz geschwän- gerte Boden ihrem Wachsthum förderlich ist. Um den Boden auf Schott-eiland, sowie auf Direktie-eiland, seinem späteren Wohnsitz fruchtbar zu machen, sam- melte Rofs die Blätter der Kokosnufsbäume, verbrannte dieselben und düngte mit dieser Asche, welche er mit Sand vermischte, das Erdreich. Die gröfste aller Inseln ist West- oder Hare-eiland, bei Fitzroy „Rofs Island,“ 15 Mei- len lang und # Meile breit. Auch ist sie reich mit Kokosnufswaldungen bestan- den. Früher wurde sie von einigen Sclaven Hare’s bewohnt, welche hier eine Anzahl Schweine und Hühner zurück liefsen, die sich später so vermehrt hatten, dafs die ganze Insel von ihnen bevölkert ist. Die übrigen sechs Inseln sind von so geringer Bedeutung, dafs sie füglich übergangen werden können. Ihre der Seeseite zugekehrte Kante ist höher als die der Bai zugewandte. Auch sie sind sämmtlich mit Kokospalmen dicht bewachsen.

In Bezug auf die klimatischen Verhältnisse der Inselgruppe bemerken wir, dafs Jahr aus Jahr ein frische S. O. Winde daselbst wehen. Das Thermometer zeigt früh gegen 6 Uhr 70° 75°, Mittags 80° 85° und Abend 75° 76° Fah- renheit. Der Haupthandel, welcher in den Händen der Familie Rofs ist, besteht

510 Miscellen: v in Kokosnüssen, von denen die Inseln etwa 500,000 Stück jährlich erzeugen. Sie liefern einen Betrag von eirca 37,500 Flaschen Kokosöl. Die Bereitung die- ses Oels geschieht auf den Inseln selbst durch die Malayen. Aufserdem gewinnt man hier noch ein anderes, angeblich sehr gutes Oel aus dem fetten Schwanze einer Krabbe, anderthalb Pinten von einem einzigen Krabbenschwanz. Das Thier hat die Gröfse eines tüchtigen Flufskrebses und nährt sich merkwür- dig genug von Kokosnüssen. Der Boden der Inseln ist immer mit einer grofsen Anzahl vom Winde herabgeworfener und verhältnifsmäfsig weicher Nüsse bedeckt, die Krabbe fafst eine solche Nufs, bohrt sie an den Augen (jede Nufs hat drei Augen) mit einer seiner langen und scharfen Scheeren an und saugt den Saft aus. Auch an Fischen und an Seeschildkröten, die zuweilen 300 Pfund schwer werden, ist die Lagune reich. Der Fang der Schildkröten verlangt grofse Ge- schicklichkeit und ist höcht wunderlich. In einem ganz leichten Boot begeben sich die Malaien zur Jagd auf die Untiefen und zwischen das Corallendickicht; sobald sie eine schöne Schildkröte gewahr werden, suchen sie dieselbe in flaches Wasser zu treiben und durch geschicktes Hin- und Herfahren so zu ermüden, dafs sie ihr nahe kommen können; dann springt ein Mann der Schildkröte auf den Rücken, greift nach ihrem Halse, und benutzt die erste Untiefe, auf der er festen Fuls fassen kann, seine Beute auf den Rücken zu legen. Unter den Fi- schen giebt es einige merkwürdige Arten, die von Corallen leben; die Hunde stellen ihnen nach, springen in flachem Wasser auf sie und fangen sie. „Und als ob,“ sagt Capt. Fitzroy, „bei dem Bericht über diese sonderbaren Inseln wo Krabben Kokosnüsse fressen und Fische von Corallen leben, wo Hunde Fische fangen, Menschen auf Schildkröten reiten und Schalthiere (Chama gigantea) ge- fährliche Menschenfänger sind noch etwas fehlte um dem Berichterstatter die sichere Aussicht zu eröffnen, dafs es ihm ergehen wird wie dem Sohne der alten Frau, als er ihr von fliegenden Fischen erzählte, mufs man noch hinzufü- gen, dals die meisten Seevögel hier auf den Aesten rasten und dafs viele Ratten sich auf dem Gipfel hoher Palmen ihr Lager zurecht gemacht haben.“

Den gröfsern Inseln fehlt es an süfsem Wasser nicht; man findet es schon in einer Tiefe von 6 Fufs. In den Brunnen fällt und steigt das Wasser mit der Ebbe und Fluth. Das Regenwasser hält sich vermuthlich in den Poren des Co- rallenbodens, ohne sich mit dem schwereren Seewasser zu vermischen, das die tiefer gelegenen Zwischenräume erfüllt, und wird von dem eindringenden Fluth- wasser in die Höhe gehoben. —r.

Ueber das Klima des Caps der Guten Hoffnung.

Von H. W. Dove.

Ueber das Klima des Caplandes besafsen wir bisher mehrere Reihen verein- zelter Beobachtungen, aber unter so ungenauer Angabe der Beobachtungsweise, dafs sie als äufserst dürftig bezeichnet werden müssen. Vom Januar 1842 bis Juni 1846 wurden stündliche Beobachtungen von den Offizieren der Artillerie unter Leitung des Obrist Wilmot angestellt, aber der Band, welcher diese Be- obachtungen enthielt, ist nach Vollendung des Drucks in der Druckerei zu Lon-

Ueber das Klima des Caps der Guten Hoffnung. 511

don verbrannt und bisher nicht wieder erschienen. Vom Juni 1846 wurden die Beobachtungen auf der Sternwarte fortgesetzt und die Ergebnisse derselben sind jetzt in einem Aufsatze von Maclear, Results from Meteorological Observations made at the Royal Observatory Cape of Good Hope between January 1842 and January 1856 in der First Number of Meteorological Papers published by the Authority of ihe Board of Trade. London 1857. 4., p. 75 erschienen. Dadurch ist ein wichtiger Anhaltspunkt für die Kenntnifs der klimatischen Verhältnisse der südlichen Erdhälfte gewonnen, für welche umfassende Beobachtungsreihen zu den gröfsten Seltenheiten gehören.

Die folgende Tafel enthält in Graden Reaumur in der ersten Spalte die mitt- leren Monatstemperaturen, in der zweiten die Gröfse der täglichen Veränderung, in der dritten die mittleren Unterschiede der in den einzelnen Monaten beobach- teten Extreme, welcher in der vierten die Regenmenge in englischen Zollen bei- gefügt ist.

ttlars tägliche |monatliche Wärme Verände- | Verände- | Regen rung rung

Januar 16.35 4.95 13.42 | 0.880 Februar 16.44 5.23 13.69 0.653 März 15.24 5.46 14.71 0.846 April 13.75 5.00 15.60 1.846 Mai 11.55 4.08 13.64 3.576 Juni 10.38 3.84 193 4.311 Juli 10.03 4.03 12,89 2.921 August 10.31 3.95 12.89 3.323 September 11.30 4.18 13.69 2.332 October 12.91 4.60 14.49 1.014 November 14.34 4.60 13.56 1.090 December 15.82 4.69 12.40 0.516 Jahr 13.19 4.59 13.64 23.309

Die mittlere Jahreswärme der Capstadt fällt also zwischen die von Palermo und Neapel; aber der allgemeine Charakter der südlichen Erdhälfte, sowohl die Extreme der Wärme als die der Kälte herabzudrücken, spricht sich hier so ent- schieden aus, dafs der Unterschied des Januar und Juli am Cap nur 6°.32 be- trägt, während er in Palermo, wo der Juli 19°.81, der Januar 8°.77 ist, 11°.04 wird. Beide Orte zeigen aber in der regelmälsigen Abnahme der Regenmenge von den kälteren nach den wärmeren Monaten hin eine nahe Uebereinstimmung, ja hier wie dort wird der Beginn und das Ende der Winterregen durch ein rela- tives Maximum elektrischer Explosionen bezeichnet, welches Lucrez so lebendig für Italien beschreibt. Ueberhaupt ist das Cap ein treues Abbild der subtropi- schen Verhältnisse an der Nordküste von Afrika und der Südküste von Europa; der Nordwest übernimmt am Cap im dortigen Winter (Juni bis August) die Rolle des Südwest in Süd-Europa, während Südost-Winde im dortigen Sommer die Nordost-Winde des mittelländischen Meeres in der entsprechenden Jahreszeit ver- treten, nur dafs sowohl der Scirocco als die Tramontane sich der Lage des Ge- birges gemäls modificiren. Am Cap bringen die Nordwest-Winde des Winters

512 Miscellen:

bei relativ feuchter Luft (81 Procent) tiefer ziehende Wolkenmassen, welche zu- erst den Löwenhügel einhüllen, dann die Signalstation und zuletzt die Tafelbay umfangen, während hingegen die bekannte Wolke am Tafelberge einem ganz an- deren Prozesse ihre Entstehung verdankt. Diese Erscheinung zeigt sich nämlich in den Sommermonaten. Der Tafelberg erhebt sich wie ein ungeheurer Wall von fast einer deutschen Meile Länge zu 3600 Fufs Höhe. Die relativ trocknere Luft (68 Procent) der Sommermonate kann für sich keinen Niederschlag veran- lassen, mufs aber ihren Condensationspunkt erreichen, wenn sie in diese Höhe versetzt wird, die Temperaturabnahme zu F. für 300 Fufs angenommen. Die- ses Hinaufdringen der unteren Luft erfolgt nun durch die im Sommer herrschen- den oft heftigen Südwinde und daher fehlt die dazu nöthige Bedingung im Winter. Der obere Theil dieser majestätischen weilsen Decke ist nach Maclear glatt wie eine wohlgeordnete Perücke, während das nördliche Ende über den Abhang wie eine Draperie herabhängt, bei heftigem Südwinde aber wie ein Wasserfall tausend Fufs tief herunterstürzt, wo sie, eine wärmere Luftschicht findend, sich auflöst und verschwindet.

Die allgemeinen Feuchtigkeitsverhältnisse sind in der folgenden Tafel ent- halten, deren erste Spalte die relative Feuchtigkeit in Procenten bezeichnet, die zweite die tägliche Veränderung in Procenten, die dritte die Bedeckung des Him- mels ausgedrückt in Procenten des sichtbaren Gewölbes, die letzte die mittlere Anzahl der Gewitter.

relative | mittlere 2 Feuchtigk.| Veränder. Bedeckung| Gewitter

Januar 68.7 | 20.7 26 | 0.83 Februar 70.6 20.9 27 1.50 März 71.6 21.5 29 2A April 76.1 20.6 42 2.00 Mai 80.6 15.7 47 1.58 Juni N 81.8 12.8 47 0.75 Juli 81.6 13.4 43 0.33 August 80.2 13.6 45 0.75 September 77.4 15.9 44 1.17, October 73.8 19.1 39 0.75 November 70.8 19.4 38 0.50 December 68.5 211 28 0.75 Jahr 75.14 | 17.9 13 8 | 13

Grade wie im südlichen Europa das Herbstmaximum der Regen überwiegt über das Frühlingsmaximum, und auch die Gewitter im Herbst häufiger sind als im Frühjahr, fällt auch am Cap das Maximum beider Erscheinungen vor den Eintritt der niedrigsten Temperatur.

Das Observatorium am Cap ist in 33° 56’ S. Br., 18° 29’ O._L. von Green- wich. Nehmen wir zur Vergleichung der Süd- und Nordküste von Afrika Oran unter 35° 44’ N. Br., 41’ W. L. von Greenwich und Tunis unter 36° 48’ N. Br., 10° 11’ O.L., so erhalten wir für die Jahreszeiten, die Bezeichnungen nach der nördlichen Erdhälfte genommen:

E00 020200

Ueber das Klima des Caps der Guten Hoffnung. 513

Oran ! Tunis | | FUTTER.

| Winter 8.29 10.56 | 16.20 Frühling 12.62 14.64 13.51 Sommer 18.95 22.67 | 10.24 Herhst 14.62 17.46 | 12.85

Bildet man nun die Summe der Stationen der südlichen und nördlichen Erd- hälfte, so erhält man:

Oran Tunis und Cap | und Cap

Winter 24.49 26.76

Frühling 26.13 28.15

Sommer 29.19 32.91

Herbst 27.47 30.31 Unterschied zw. Winter

u. ‚Sommer 4.70 6.15

Die Beobachtungen am Cap bestätigen also auf eine sehr in die Augen fal- lende Weise das im Jahre 1845 von mir gefundene Ergebnifs, dafs nicht, wie man früher glaubte, die Gesammtsumme der freien, auf der ganzen Oberfläche der Erde vertheilten Wärme innerhalb der jährlichen Periode dieselbe ist, sondern dafs die Gesammttemperatur der Erde selbst eine jährliche periodische Aenderung erleidet, die ihr Maximum zur Zeit der nördlichen Abweichung der Sonne, ihr Minimum bei südlicher Abweichung erreicht, wovon die Ursache sich aus folgen- der Beobachtung ergiebt.

Bekanntlich hat schon Lambert gezeigt, dafs die südliche Erdhälfte vom 21. September bis 21. März, wo die Sonne über derselben verweilt, in dem hier kürzeren Zeitraume von der dann näheren Sonne genau dieselbe Wärmemenge empfängt als die nördliche Erdhälfte in dem längeren Zeitraume vom 21. März bis 21. September von der dann weiter entfernten Sonne, deren Abweichung dann eine nördliche ist. Daraus geht also hervor, dafs die auf beide Erdhälften fal- lende Sonnenwärme dieselbe ist. Diese Wärme wird aber verwendet zur Tem- raturerhöhung der Substanzen, welche ihren Aggregatzustand nicht verändern, und sie wird im Schmelzungsprozels des Eises und im Verdampfungsprozels des Was- sers gebunden. Wäre das Verhältnifs des Festen zum Flüssigen auf beiden Erd- hälften dasselbe, so würde bei nördlicher Abweichung der Sonne ein eben so grofser Antheil der auffallenden Wärmemenge gebunden werden, als bei südlicher. Nun ist aber jenes Verhältnils so verschieden, dafs England in die Mitte der Erdansicht fällt, bei welcher man das meiste Land übersieht, Neu-Seeland in die der grölsten Wasseransicht. Nähert sich also die Sonne vom südlichen Wende- kreise dem nördlichen, so vermindert sich fortwährend die flüssige Grundfläche der Atmosphäre während die feste zunimmt, d. h. es steigt fortwährend die freie Wärme, weil ein immer geringerer Antheil der auffallenden Sonnen- wärme im Schmelzungs- und Verdampfungsprozels gebunden wird, und daraus folgt also, dafs die nördliche Erdhälfte mit der südlichen verglichen ein continentaleres Klima hat als die südliche, deren Wärmevertheilung überwiegend die des See-

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. I. 33

51A Miscellen :

klima’s ist. Der heifse Sommer der nördlichen Erdhälfte plus dem gleichzeitigen milden Winter der südlichen giebt für die ganze Erde also eine gröfsere Summe, als der kalte Winter der nördlichen plus dem gleichzeitigen kühlen Sommer der südlichen.

In der folgenden Tafel enthält die erste Spalte den Gesammtdruck der Atmo- sphäre, die zweite die aus den Beobachtungen des Hygrometers abgeleitete Spann- kraft der Wasserdämpfe, die dritte den Unterschied beider, d. h. den Antheil, welchen die permanent gasförmigen Bestandtheile der Atmosphäre am Gesammt- druck haben, ausgedrückt in pariser Linien.

Bade Elastieität| trockene derDämpfel Luft

Januar 337.01 5.41 331.60 Februar 337.01 |, 5.61 331.40 März 337.43 5.18 332.25 April 337.82 4.90 332.92 Mai 338.56 | 4.34 334.22 Juni 339.24 | 4410 335.14 Juli 339.59 | ı 3.88 35471 August 339.44 | 3.90 335.04 September | 338.89 4.09 334.80 October 338.36 4.44 333.92 November 337.62 4.78 332.84 December 337.26 5.19 332.07 Jahr 338.19 4.65 333.53 Oscillation 2.58 1-78 4.11

Man sieht, dafs der Gesammtdruck von den kälteren nach den wärmeren Monaten hin regelmäfsig abnimmt, indem die mit zunehmender Wärme gesteigerte Verdunstung nicht das zu ersetzen vermag, was die trockene Luft durch Auf- lockerung verliert.

Vergleichen wir auch hier die Südküste des Continents mit der Nordküste,

so erhalten wir für drei Stationen Algiers folgende Abweichungen der Monats-

mittel vom Jahresmittel in Pariser Linien ausgedrückt.

Cap Algier Oran et nem Januar —1.18 —+0.27 —+0.96 —1.07 Februar —i gie, —+0.19 —+0.65 —1.09 März —0.76 —0.03 —0.28 —0.40 April —0.37 —0.11 —0.46 —0.33 Mai —+0.37 —0.13 hal —1.06 Juni —1.05 —0.52 —033 —0.01 Juli —1.40 —0.28 —0.43 —1.08 August —+1.15 —0.08 —0.60 —0.47 September | —+0.70 | —+0.06 —0.43 —0.17 October —+0.17 —+0.83 —0.48 —0.19 November 0.57 —0.18 —0.40 —0.04 December | —0.93 —+0.75 —1.15 —+1.61

also eine unverkennbare, wenn auch weniger regelmäfsig sich darstellende analoge Verminderung vom Winter nach dem Sommer hin.

nn

Bemerkungen über die Sternwarte von Santiago etc. 515

Im Jahresmittel des Cap spricht sich aufserdem die an der äufseren Grenze des Nordostpassats von Leopold von Buch zuerst nachgewiesene erhebliche Gröfse des atmosphärischen Druckes vom Meeresspiegel aus, so dafs auch hier die Analogie zwischen beiden Hemisphären deutlich hervortritt.

Geht man an der Westküste von Afrika nach Süden, so zeigt sich an allen Punkten, von denen wir barometrische Messungen besitzen, die im Gebiet der indischen Monsoons und nördlich in ganz Asien am mächtigsten auftretende Auf- lockerung der Luft bei höchstem Sonnenstande deutlich, während sie weder auf den Azoren noch auf den Canaren hervortritt; auch ist sie in St. Helena unver- hältnifsmäfsig geringer als in Mauritius und Isle de Bourbon. Während wir also im Norden und Süden Afrika’s einander in den respectiven Jahreszeiten entspre- chende Erscheinungen finden, tritt die dem Gebiet der Monsoons zugewendete Ostseite des Continents im nördlichen Theile desselben in entschiedenen Gegen- satz zu der dem Gebiete des Passats zugehörigen Westküste desselben, während das, was in Nordafrika zum Gegensatz ausartet, in Südafrika nur quantitativ sich unterscheidet. Es wäre daher von der grölsten Wichtigkeit, von einer Station des inneren Afrika eine ein Jahr hindurch fortgesetzte Reihe von Barometerbeobach- tungen zu besitzen, um darüber Aufschlufs zu erhalten, wie weit von Osten her die Auflockerung sich in das Innere des Continents erstreckt. Es ist eine sehr verbreitete, aber durchaus irrige Vorstellung, dafs das Barometer nur ein Instru- ment sei, welches dem Reisenden zu Höhenbestimmungen dienen könne. Für die Physik der Erde ist. eine im. Meeresniveau oder in einer weiten Ebene längere Zeit fortgesetzte Reihe von Barometerbeobachtungen von viel gröfserer Bedeutung als die Kenntnils einer localen Erhebung, die ja durch jene Beobachtungen eben- falls erreicht wird.

Bemerkungen über die Sternwarte von Santiago, die geo- graphische Länge und Breite dieses Ortes, sowie die Länge von Valparaiso, Callao und Lima.

In der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde, Neue Folge Bd. III., Seite 161 geschieht der Sternwarte von Santiago Erwähnung und es bemerkt der Bericht- erstatter namentlich, dals die an jenem Orte angestellten Beobachtungen durch die Lage der Sternwarte auf der andern Halbkugel einen besonderen Werth er- halten.

Dem letzteren Ausspruche stimme ich um so eher bei, als ich gerade Gele- genheit gehabt habe, für astronomische Untersuchungen von dort angestellten Beobachtungen Gebrauch zu machen, vorüber ich mir einige kurze Bemerkungen zu machen erlaube.

Auf der südlichen Halbkugel befinden sich überhaupt gar wenige Sternwar- ten; die Bestimmung, der Lage solcher Gestirne, welche eine beträchtliche süd- liche Abweichung haben, daher auf der nördlichen Halbkugel nur nahe am Ho- rizont und wegen der bedeutenden und unsicheren Strahlenbrechung nicht sehr genau beobachtet werden können, werden auf jener Erdhälfte wegen ihres dorti-

33*

516 Miscellen::

gen hohen Standes sich scharf beobachten lassen. So hat Herr Mösta, der Di- rector der dortigen Sternwarte, im Jahre 1856 den Planeten Metis, welcher da- mals eine beträchtliche südliche Abweichung hatte, mehrfältig genau beobachtet und seine Bestimmungen trugen wesentlich dazu bei, die auf der nördlichen Erd- hälfte angestellten Beobachtungen dieses Planeten zu bestätigen.

Herr Mösta hat bereits im Jahre 1854 eine kleine Sehrift herausgegeben deren Titel ist: „Determinacion de la latitud gcografica del circulo meridiano del observatorio nacional de Santiago;“ die darin bestimmte geographische Breite die- ses Ortes werde ich unten anführen. Auf der letzten Seite dieser Schrift befin- den sich aber noch die neu bestimmten Abweichungen von 22 Fixsternen, unter denen sich auch die zwei südlichen & Scorpii und « Piseis austrini (Antares und Fomalhaut) befinden. Während ich die Abweichungen aller dieser Sterne zum Behuf einer astronomischen Untersuchung benutzt habe, waren die der zwei be- sonders erwähnten Sterne von hohem Werthe für mich, da ich sie auf anderem Wege nicht gleich genau hätte erhalten können.

Herr Mösta hat aber nicht nur die Breite, sondern auch die Länge seiner Sternwarte bestimmt, und zwar die letztere mittelst eines Verfahrens, welches ich bereits vor länger als 20 Jahren in der geographischen Gesellschaft besprochen habe, nämlich correspondirender Culminationen des Mondes und benachbarter Fixsterne. Das Resultat seiner Beobachtungen und Rechnungen, welches künftig wohl nur noch geringer Verbesserungen bedürfen wird, ist:

westliche Länge Santiago’s van Greenwich . . . . 4n 42’ 32,”97 und da nach einer vor einigen Monaten von mir überreichten kleinen Schrift Greenwich von Berlin westlich . . 53' 34,”93 beträgt, so liegt mithin Santiago westlich von Berlin. 5" 36' 7,’90 An derselben Stelle, wo Mösta obige Länge aufgeführt hat, nämlich in „Astrono- mische Nachrichten“ No. 1107, werden noch folgende westliche Längen von Green- wich aufgeführt: WRIRBLBlBO! une wen en aurhre ANsAB Re, B Galle «RAM BOAMEN TI DS

Limai4 I: yes dieselben Orte liegen demnach westlich von Berlin respective: 5b 40’ 4,"43 6 2 12,83 6 1 44,13.

Verwandelt man diese in Zeit angegebenen Längenunterschiede in Bogen und verbindet damit die zu 31° 3’ 30,"0 bestimmte östliche Länge Berlins von Ferro; so erhält man folgende östliche Längen von Ferro:

Sainso ran ur, SER 1: 181575

Valparaiso . . 2 22.2.8306 2 23,9 Callaowasg: nene.3r." ayzteheer BUOERSON IRB Lima Mile? re 300371285

Diesen geographischen Tiärigen füge ich noch, nach der erwähnten Schrift, die geographische südliche Breite von Santiago —=33° 26’ 25,’4 hinzu. Wolfers.

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Zur Statistik der französischen Colonien. 517

Zur Statistik der französischen Colonien.

Im Anschlufs an unsern in dieser Zeitschrift N. Folge. II. 1857. S. 475 ge- lieferten Bericht über die statistischen Verhältnisse der französischen Colonien im Jahre 1853, geben wir nach den so eben erschienenen „Zableaux de population, de culture, de commerce et de navigation, formant pour l’annde 1854 la suite des tableaux inseres dans les notices statistiques sur les colonies frangaises. Paris 1857. 180 8. 8. eine neue Uebersicht über die Lage dieser Colonien füs das Jahr 1854.

Martinique. Die Einwohnerzahl, welche mit Ausschlufs des Militärs, der Beamten, der nicht daselbst ansälsigen Geschäftstreibenden und Indianer im Jahre 1853 129,681 Seelen betrug, hat sich im Jahre 1854 bis auf 134,095 Seelen ver- mehrt. Mit Einschlufs jener Klassen würde sich die Bevölkerung auf 136,442 Ein- wohner belaufen, von denen 42163 Männer, 48098 Weiber und 43834 Kinder bei- derlei Geschlechts unter 14,Jahren. Das Verhäitnils der ehelichen zu den unehe- lichen Geburten stellt sich für das Jahr 1854 ähnlich wie im Jahre 1853, indem auf die 4474 Geburten 1669 eheliche und 2805 uneheliche kamen. Von dem 98782 Hectaren umfassenden Boden sind 29992 Hect. angebaut, es haben sich die Waldflächen um 13 Hect., die Savannenflächen um 241 Hect. vermindert und von den unbebauten Flächen sind aufserdem noch 65 Hect. urbar gemacht worden. Das eultivirte Land hat sich also gegen das Jahr 1853 um 319 Hect, vermehrt. Von diesem angebauten Boden kommen auf die Zuckerplantagen 16406 Hect. (1853: 16409 Hect.), mit 29304 Arbeitern, auf die Kaffeeplantagen 750 Heect. (1853: 750 Hect.), auf die Cacaoplantagen 423 Hect. (1853: 407 Hect.), auf die Tabackspflanzungen 24 Hect. (1853: 20 Hect.) .Die Gesammteinfuhr, welche im Jahre 1853 27,050,495 Fr. betrug, ist auf 28,909,910 Fr. gestiegen, die Gesammt- ausfuhr von 16,344,433 Fr. auf 18,636,070 Fr. 688 Handelsschiffe vermittel- teten den Verkehr der Insel mit dem Auslande.

Auf den Inseln Guadeloupe, Marie-Galante, Les Saintes, La De- sirade und St. Martin französischen Antheils, hat sich die Bevölkerung von 125,744 Seelen auf 129,220 vermehrt, dieselbe befindet sich mithin im Jahre 1854 fast auf demselben Standpunkt wie im Jahre 1847, hat jedoch ihr bisheriges Maxi- mum, die Einwohnerzahl des Jahres 1851, welche 132,810 Seelen betrug, noch immer nicht wieder erreicht. Für Guadeloupe fand gegen das Jahr 1853 eine Vermehrung um 3347 E. (Total: 109,493 E.), für Marie-Galante eine Vermeh- rung um 146E. (Total: 13067 E.), für Les Saintes eine Vermehrung um 14 E. (Total: 1303 E.), für La Desirade eine Vermehrung um 26 E. (Total: 1580 E.) und für St. Martin, französischen Antheils, eine Verminderung um 57 E. (Total: 3430 E.) statt. Von dem 164,513 Hect. umfassenden Boden sind 31884 Hect. bebaut, während 68,542 Hect. mit Wald bestanden sind, 23080 Hect. aus Savan- nen bestehen und 41007 Hect. noch uncultivirt liegen. Gegen das Jahr 1853 sind 368 Hect. mehr bebaut worden, welche dem Savannenboden und dem unbe- baut liegenden Terrain für die Cultur abgewonnen wurden, während der Wald- bodenbestand derselbe geblieben ist. Die Zahl der Arbeiter für den Anbau des Bodens ist aber von 56360 auf 55496 herabgesunken. An Ausdehnung haben im Jahre 1854 wesentlich die Zuckerplantagen gewonnen, welche im Jahre 1853 nur 17766 Hect., im Jahre 1854 aber 19767 Hect. einnahmen. Dagegen sind die

518 Miscellen:

Kaffeeplantagen gegen das Jahr 1853 (3027 Heet.) auf 2374 Hect. herabgesun- ken. Die Cacaoplantagen sind von 37 Hect. auf 44 Hect., die Baumwollenplan- tagen von 379 Hect. auf 644 Hect., die Tabacksplantagen von 10 auf 12 Hect. gestiegen. Bei dem gröfseren Anbau des Zuckerrohrs ist natürlich auch der Ge- winn an Rohzucker von 35,732,710 Kilogr. auf 38,180,000 Kilogr. gestiegen; die Kaffee-Erndte ist dagegen von 543,200 Kilogr. auf 388,198 Kilog. heruntergegan- gen. Die Baumwollenerndte stieg von 188,200 Kilogr. auf 368,900 Kilogr. Den Gesammtwerth der Einfuhr repräsentirt eine Summe von 22,950,177 Fr. (im Jahre 1853: 20,575,512 Fr.), den der Ausfuhr eine Summe von 15,823,903 Fr. (im Jahre 1853: 10,372,363 Fr.). 690 Handelsschiffe liefen in die Häfen dieser Insel ein, 696 Schiffe verlielsen dieselben. Der Viehstand betrug 3757 Pferde, 476 Esel, 5493 Maulesel, 10262 Stück Rindvieh, 14,369 Schafe und Widder, 8450 Ziegen und 10,570 Schweine.

Französisch Guiana. Wie schon in unserem vorigen Bericht bemerkt ist, findet in dieser Colonie seit dem Jahre 1844 eine stete Abnahme der Be- völkerung statt, welche im gedachten Jahre 19800 E., im Jahre 1853: 16817 und im Jahre 1854: 16741 E. betrug.

Nach dem vorliegenden Bericht beträgt die weilse Bevölkerung fast den 15. Theil der Gesammtbevölkerung. Die Zahl der eingeborenen Indianer, welche im Jahre 1853 zu 1445 Seelen angegeben wurde, ist in den Tabellen des Jahres 1854 mit 1649 Seelen aufgeführt. Zuckerrohr wurde auf 296 Hect., im Jahre 1853 auf 311 Hect. gepflanzt. Demgemäfs ist der Gewinn von Rohzucker von 451,500 Kilogr. auf 328,500 Kiligr. herabgesunken. Auch die Kaffeeplantagen haben sich von 188 Hect. auf 152 Hect. vermindert, desgleichen die Cacaoplan- tagen von 134 Hect. auf 123 Hect. Die Baumwollenceultur hat sich ein wenig gehoben, nämlich von 42 Hect. auf 55 Hect., während dieselbe im Jahre 1848 auf 838 Hect. betrieben wurde. Am meisten eultivirt wird in Guiana der Urueubaum (Rocouyer), welcher auf 1399 Hect. gepflanzt wird; 2397 Arbeiter sind auf die- sen Anpflanzungen beschäftigt, welche einen Gewinn von mehr als 349,800 Kilogr. eintragen. Der Viehstand ist ein bei weitem geringerer als der in Guadeloupe. Nur 54 Pferde, 5 Esel, 50 Maulesel, 1110 Stiere und Ochsen, 3205 Kühe und 3600 Schweine finden sich in der Colonie. Während bei den erstgedachten Co- lonien der Werth der Ein- und Ausfuhr sich vermehrt hat, ist derselbe für Guia- na herabgesunken, indem derselbe im Jahre 1853: 6,030,906 Fr. an Einfuhr und 1,380,952 Fr. an Ausfuhr, im Jahre 1854: 5,725,886 Fr. an Einfuhr und 1,285,885 Er. an Ausfuhr betrug. 82 Schiffe liefen in den Häfen ein, 89 Schiffe verliefsen dieselben.

Reunion. Wir bemerkten schon in dem vorigen Bericht, dafs die Bevöl- kerung auf dieser Insel in schnellem Wachsthum begriffen ist. Auch das Jahr 1854 zeigt gegen das vorhergehende eine Vermehrung um 10833 Seelen, so dafs die Gesammtzahl auf 129,128 gestiegen ist. Rechnet man zu dieser Zahl noch 34461 Indianer (im Jahre 1853 gab es nur 27046 Indianer, welche zum Landbau benutzt wurden), ferner 460 Chinesen (im Jahre 1853: 475 Chinesen), 6366 Ne- ger (im Jahre 1853: 4720 Neger), sodann eine Garnison von 1145 Mann und 704 Beamte und nichtansäfsige Geschäftsleute, so ergiebt sich für Reunion eine Totalbevölkerung von 172,264 Seelen. Die mittlere Zahl der Geburten für die fünf Jahre von 1850 54 beträgt 3669, die der Gestorbenen 3676. Bei der Zu-

Zur Statistik der französischen Colonien. 519

nahme der Bevölkerung ist natürlich auch ein grofser Theil des nicht bebauten Landes culturfähig gemacht worden, so dafs von dem 231,550 Hect. umfassenden Bo- den 71520 Hect. angebaut sind. Die Zahl der beim Feldbau beschäftigten Arbei- ter ist von 42489 auf 48687 gestiegen. Die Zuckerplantagen, welche im Jahre 1853 32775 Hect. bedeckten, nahmen im Jahre 1854 38670 Hect. ein. Der Ge- winn an Rohzucker betrug im Jahre 1853 21,726,729 Kilogr., im Jahre 1854 53,656,875 Kilogr. Die Gewürznelkeneultur ist von 1098 Hect. auf 963 Hect., die Kaffeeplantagen von 2471 Hect. auf 2355 Hect. gesunken. Reisfelder bedecken einen Raum von 212 Hect. Sehr bedeutend ist der Viehstand, nämlich 3733 Pferde, 866 Esel, 6111 Maulesel, 3781 Schafe, 14128 Ziegen, 5202 Rinder und 53189 Schweine. Der Gesammtwerth der Einfuhr, welcher im Jahre 1853 28,472,455 Er. betrug, ist auf 31,747,750 Fr. gestiegen, der der Ausfuhr von 21,856,675 Fr. auf 28,881,893 Fr. 331 Handelsschiffe vermittelten den Verkehr der Insel mit den übrigen Ländern, während 283 Schiffe einliefen.

Die Senegal-Colonien. St. Louis, Guet-N’dar, die Posten von Bakel, Senoudebou, Dugana, Richard Toll, Merinaghen, Lampsar und die Insel Goree zählen mit Ausschlufs von 427 nicht ansäfsigen Geschäftstreibenden und einer Truppenmacht von 1432 Mann, unter welcher 1021 Europäer und 411 Schwarze, zusammen 14354 Seelen, während die Listen des Jahres 1853 die Zahl von 14472 aufwiesen. Von dieser Bevölkerung kommen auf St. Louis 9127, auf Guet-N’dar 1095, auf Goree 3042 und auf die übrigen Niederlassungen 1090 Seelen. Den Import repräsentiren für St. Louis 7,461,707 Fr. (im Jahre 1853: 11,455,585 Fr.), den Export 7,728,730 Fr. (im Jahre 1853: 8,236,059 Fr.), für Gorde den Import 6,327,127 Fr. (im Jahre 1853: 4,432,724 Fr.), den Export 5,403,235 Fr. (im Jahre 1853: 4,487,270 Fr.). Während also der Handel für St. Louis abgenom- men hat, ist der von Goree im Steigen begriffen. Namentlich sind Felle, Elfen- bein und Gummi in geringerer Masse als im vorhergehenden Jahre ausgeführt, wogegen die Ausfuhr an Arachidenkörnern und Tulucunanüssen sich vermehrt hat. Für Goree ergiebt sich an Rohhäuten eine gesteigerte Ausfuhr nach Frank- reich von 125,670 Kilogr. auf 207,801 Kilogr., an Gummi von 9730 Kilogr. auf 106,499 Kilogr., an Palmöl dagegen eine verminderte Ausfuhr von 257,161 Kilogr. auf 48,492 Kilogr. Die Cautchouc- und Gutta-Percha- Ausfuhr nach Frankreich stieg von 9366 Kilogr. auf 53,174 Kilogr. Dieser gesteigerte Handelsverkehr für Gore zeigt sich auch durch den lebhaften Schiffsverkehr daselbst, indem 446 Schiffsgefälse einliefen und 436 Schiffe den Hafen verliefsen, während St. Louis nur einen Schiffsverkehr von 92 Schiffen aufzuweisen hat.

Für die französischen Besitzungen in Ostindien zu Pondichery, Chan- dernagor, Karikal, Mahe& und Yanaon ergiebt sich eine Volksvermehrung von 6910 Seelen. Die Gesammtbevölkerung beträgt mithin 206,229 Seelen, wäh- rend das Jahr 1853 nur einen Bestand von 199,319 Seelen aufweist. Diese Ver- mehrung an Einwohnern vertheilt sich auf Pondichery um 715 E., auf Karrikal um 3000 E., auf Mahe um 3108 E. und Yanaon um 194 E., während in Chan- dernagor eine Verminderung um 107 E. stattgefunden hat. Eine Vermehrung der Bodencultur hat in keiner dieser Colonien stattgefunden, da die Angaben für die bebauten Felder für das Jahr 1854 vollkommen mit denen des Jahres 1853 über- einstimmen. Der Viehstand in Pondichery betrug 22256 Ochsen, 4594 Büffel, 12252 Schafe, 1850 Ziegen und 1023 Schweine, fur Karikal 9736 Ochsen, 4056

520 Miscellen:

Büffel, 1101 Schafe und 5459 Ziegen. Der Gesammtwerth der Einfuhr war von 4,765,856 Fr. auf 3,261,042 Fr., der der Ausfuhr von 20,738,378 Fr. auf 4,530,337 Fr. herabgesunken.

Für Mayotte und Nossi-B& sind der französischen Regierung die Verän- derungen der Populationsverhältnisse für das Jahr 1854 nicht zugegangen. Für die dritte Besitzung in Sainte-Marie dagegen ergiebt sich eine Verminderung der Seelenzahl von 5792 auf 5560 Seelen.

Die Vermehrung der Einwohnerzahl auf Saint-Pierre, Miquelon und Langlade ist nur eine unbedeutende. Der Gesammtwerth der Einfuhr betrug 3,261,042 Fr. (im Jahre 1853: 3,213,002 Fr.), der der Ausfuhr 4,530,337 Fr. (im Jahre 1853: 4,686,209 Fr.). Fast 600 Schiffe vermittelten den Handelsverkehr.

Die Gesammtbevölkerung der französischen Colonien ist von 1853 auf 1854 von 633,936 Seelen auf 659,197 Seelen gestiegen, es hat mithin eine Vermehrung von 27,261 E. stattgefunden. se

Ueber die Sondirungen auf dem „Telegraphen -Plateau.“

Schreiben des Herrn Lieut. Maury aus Washington vom 7. November 1857 an Herrn Prof. Ehrenberg.

Mitgetheilt von Prof. Ehrenberg.

„Es freut mich, eine Anzahl von Proben des tiefen Meeresgrundes Ihnen zur Disposition stellen zu können.“

„Ich kann aber, ich bedauere, es sagen zu müssen Ihnen die Tiefen dieser vom atlantischen Telegraphen-Plateau durch das amerikanische Dampf- schiff The Arctic im Sommer 1856 gehobenen Proben nicht anders als annähe- rungsweise angeben.“

„Die Sondirungen sind an Bord dieses Schiffes in solcher Weise ausgeführt worden, dafs sie alle Ansprüche auf Vertrauen und Berücksichtigung verloren haben. Zum Beweise dessen füge ich die nebenstehende Zeichnung bei.“

3000

1900 1700

r 1250 1150 Bi

Westen Osten

120 paket! A) ob 3 neh ehe Hrays I

1590 1627 1827

ER

Ueber die Sondirungen auf dem „Telegraphen - Plateau“. 52i

„Bei der Ausfahrt ergab die letzte Sondirung auf der grofsen Neufundland- Bank 120 Faden. Zwischen dieser und dem Meridian von 43° W. L. wurden 7 Sondirungen, und auf dem Rückwege 6 Sondirungen ausgeführt. Die Zahlen oberhalb der Linie AB zeigen die Resultate der Sondirungen auf der Hinfahrt !), die unterhalb der Linie die auf dem Rückwege gemessenen Tiefen an. Diese beiden Reihen widersprechen einander, und es findet sich im Schiffsbuche Nichts, wonach sie kritisch geprüft werden könnten ?). Sie haben dasselbe Gewicht und es bleibt keine Wahl: man mufs sie beide verwerfen.“

„Seitdem es bekannt geworden, dafs die Messungen des Arctic fehlerhaft waren, schickte die brit. Regierung im vorigen Sommer Lieut. Dayman mit dem Cyelops aus, um eine andere Reihe von Tiefenmessungen längs des Telegraphen- Plateaus auszuführen. Das Unternehmen scheint zweckmälsig und gut durchge- führt zu sein. Nach Lieut. Dayman’s Sondirungen können die Tiefen, aus denen die Grundproben des Arctie emporgeholt wurden, in runden Zahlen und mit einem wahrscheinlichen Irrthum von = 200 Faden bestimmt werden. Darnach würden No. 11 und 13 17 circa 2200 Faden, No. 19 21 und No. 24 circa 1500 Fa- den, No. 6 circa 600 Faden, No. 7 circa 1000 Faden, No. 8 10 circa 1500 Fa- den, No. 1 5 circa 100 Faden betragen ?).“

Herr Prof. Ehrenberg knüpfte an dieses Schreiben folgende Bemerkungen:

Hiernach würden die 29 Messungen, welche durch das Direetorium der New York New Foundland and London Telegraph Company mit Begleitschreiben des Herrn Prof. Morse und einer 25 Fuls langen Copie des Original-Profils des Mee- resgrundes an Herrn von Humboldt geschickt wurden und welche in dieser Zeit- schrift N. F. Bd.1I., p. 462. 463 publieirt sind, in Unsicherheit verwickelt werden. In gleichen Zweifel kommen die mikroskopisch-analysirten, im October 1856 und

1) Die in dieser Zeitschrift N. F. Bd.I., p. 462. 463 publicirten Tiefenmessun- gen sind die Angaben der grofsen Zeichnung, welche Lieut. Berryman, Commander des Arctic, Herrn Al. von Humboldt zugesandt hat. Sie beziehen sich ausschliefs- lich auf die Messungen, die auf der Fahrt von Neu-Fundland nach Irland ausgeführt sind, nicht auf die während des Rückweges veranstalteten. Die von Lieut. Maury oberhalb der Linie AB verzeichneten Angaben sollten demnach den in der Zeitschrift unter No. 4 bis No. 10 publieirten entsprechen; in der That stimmen aber nur No. 4 (120 Faden) und No. 6 (1150 Faden); eine Tiefe von 3000 Faden, von welcher Herr Maury spricht, ist nach Berryman’s Profil nirgends gemessen worden. Herrn Lieut. Maury haben also ganz andere Angaben vorgelegen, deren Zuverlässigkeit wir bis auf Weiteres für zweifelhaft werden halten müssen, da sie Berryman’s eigenen Angaben widersprechen. K.N.

2) Lieut, Maury mufs also Grund gehabt haben zu der Annahme, dafs einige Sondirungen auf dem Rückwege genau auf derselben Stelle ausgeführt sind, auf wel- cher man auf dem Hinwege sondirt hat; er geht ferner von der Ansicht aus, dafs dann eine Differenz der Resultate gegen die Zuverlässigkeit der Messungen spricht. Es scheint uns aber unmöglich, auf offener See den Ort des Schiffes mit solcher Ge- nauigkeit zu bestimmen, dafs man genau auf dieselben Resultate der Sondirung rech- nen könnte; dafs bei gebirgigem Meeresgrunde die Tiefe innerhalb eınes Umkreises von 4 Seemeile Durchmesser um 400 Faden und mehr variirt, ist nichts weniger als unmöglich; auffallend erscheint es nur, wenn man von der Präsumption ausgeht, dafs der Meeresgrund des sogenannten Telegraphen-Plateaus eine solche Unebenheit nicht besitzen könne. K.N.

3) Die Angaben für die Nummern 12, 18, 22 und 23 hat Herr Lieut. Maury ausgelassen, ohne einen Grund dafür anzugeben. K.N.

522 Miscellen:

im Februar 1857 zu Berlin publieirten Grundproben, zumal nicht blofs die Zahl der im Ganzen ausgeführten Messungen Herr Lieut. Maury scheint nicht 29, sondern nur 24 zu kennen unsicher ist, sondern auch die Längen- und Brei- ten- Angaben, wie es scheint derselben Messungen bis auf differiren. Die von Herrn Bailey in Newhaven untersuchten und von Herrn Lieut. Maury im Ja- nuar d. J. publieirten Tiefgrundproben und Messungen sind der Zahl nach 24 von der Hinreise und 7 von der Rückreise (American Geographical and Statistical So- ciety. Report. Committee on Suboceanic Geography). Zwanzig der von Herrn Bailey untersuchten Tiefgrundproben sind mit dem oben erwähnten Schreiben an mich übersandt worden; von den Tiefenangaben für die 20 Grundproben stimmt keine in der Ortlichkeit genau mit den fünf von Herrn Prof. Morse im October 1856 an Herrn von Humboldt gesandten (s. Monatsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften 19. Februar 1857 ), zwei derselben stimmen nur, wenn man Schreib- fehler in der Längenbestimmung annimmt.

Es ist jedenfalls dringend zu wünschen, dafs diese Unsicherheit recht bald von authentischer Seite gehoben werde.

Ueber die Wärme der Flüsse.

Seitdem im Jahre 1734 Weibrecht die Temperatur der Newa zu bestim- men versuchte, sind über die Temperatur der Flüsse vereinzelte Beobachtungen wohl angestellt worden, aber nicht lange genug fortgesetzt, um das Verhältnifs der Flufswärme zu der Luftwärme zu bestimmen. Für die Rhone und Saone bei Lyon hat dies Fournet (Bravais geographie physique et physique du sol. Patria_p. 147) zu erhalten gesucht, aber die von ihm ermittelten Werthe, welche die folgende Tafel in Reaumur’schen Graden enthält, zeigen für die Rhone zwar einen ziemlich regelmäfsigen Gang der Abweichungen, für die Saone aber noch bedeu- tende Unregelmäfsigkeiten, während beide Flüsse im Jahresmittel einen gleichen 0°.16 betragenden Wärmeüberschufs zeigen.

Untersch. der Luft und Rhone Saone |Luftwärme

| Rhone | Saone Januar 3.36 1.68 120 4.56 2.88 Februar 3.68 2.64 312 0.56 0.48 März 4.88 4.00 5.76 | —0.88 —1.76 April 8.00 8.00 7.20 0.80 0.80 Mai 12.16 | 13.44 13.20 | —1.04 0.24 Juni 14.96 16.72 16.96 | 2.00 —0.24 Juli 15.36 16.88 17.52 | —2.26 —0.64 August 15-68 16.80 16.24 | —0.56 0.56 September 14.00 14.96 13.92 0.48 | 1.42 October 14.12 10.88 9.76 1.36 | 1.12 November 8.08 6.388 | zo] 1.10 | —0.78 December 4.80 3.60 | 3.60 120 | 0.

Einen gröfseren Ueberschufs der Flufswärme über die Luftwärme fand Renou durch vierjährige von 6 Uhr Morgens bis 10 Uhr Abends stündlich angestellte Be- obachtungen des Loir bei Vendome, nämlich 2.79 Grad, während für 8 Monate vom Februar bis August und December Valin in Tours durch Beobachtungen um 6, 2, 10 U., die Temperatur des Loir 2°.07 höher fand, In dem Loir findet

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Ueber die Wärme der Flüsse. 523

dieser Ueberschuls das ganze Jahr hindurch statt, wie die folgende Tafel des Jahres 1851 zeigt:

Loir | Luft Unterschied Januar 4.91 3.85 1.06 Februar 4,50 2.74 1.76 März 6.41 5.42 0.99 April 9.74 a y: Se 1.80 Mai 11.43 8.96 2.47 Juni 15.59 13.82 | 1.77 Juli 16.13 13.86 | 2.27 August 16.87 15.18 1.69 September 12.49 | 10.89 1.60 October 10.16 8.67 1.49 November 4.31 2.23 2.08 December 3.43 1.07 2.36 Jahr | 9.66 | 7.87 1.79

Die tägliche Veränderung betrug im Loir 0°.52, für die Luft 6°42.

Rankine erklärt diesen Ueberschufs durch die in der Bewegung entste- hende Wärme, während Babinet sie für den Sommer darin sucht, dafs die Son- nenstrahlen das Wasser durchdringen und auf dem Boden Wärme erregen, welche das Wasser fast gar nicht zu durchstrahlen vermöge, im Winter aber die die Flüsse speisenden Quellen eine höhere Wärme als die Luft haben.

Der Loir ist bei Vendome 35 bis 40 Meter breit, 3 bis 5 Meter tief, meist klar und die Niveaudifferenzen gering. Was nun die Erwärmung des Grundes betrifft, so mufs diese bei einem tiefen Strome, dessen Wasser trüb ist, viel un- erheblicher sein als bei einem mit klarem Wasser gefüllten und seichten. Bei Lon- don ist die Trübheit des Wassers so grols, dafs eine Visitenkarte in einiger Tiefe schon fast unsichtbar wird. Die Angaben eines in 2 Fuls Tiefe eingesenkten Ther- mometers können also durch directe Bestrahlung wenig affieirt werden. Ich habe 7, Jahre der bei Greenwich in dieser Tiefe angestellten Beobachtungen berechnet in der folgenden Tafel:

London. | Themse | Luft Unterschied Januar 3.07 3.25 —0.18 Februar 3.97 3.77 —+0.20 März 4.91 4.30 0.61 April 7.55 6.31 1.14 Mai 10.92 9.54 1.38 Fan 13.82 19 | 19 Juli 15.08 13.71 | 1.37 August 14.37 13.06 | 2.31 September 12.09 11.02 1.07 October 8.92 8.25 0.67 November 6.22 5.61 0.61 December 3.78 3.91 —0.19 Jahr 8.73 | 7.78 | 0.95

524 Miscellen:

Hier zeigt Sich die merkwürdige Thatsache, dafs im Winter das Wasser käl- ter ist als die Luft. Der Wärmeüberschufs vom Februar bis November nimmt fast vollkommen regelmälsig nach den Sommer hin zu und dann ab.

Einen gröfseren Gegensatz wie der zwischen der wundervollen Durchsichtigkeit der Rhone, wo sie bei Genf aus dem See tritt, und dem trüben Wasser der Themse, mag es wohl kaum geben. Für die Rhone hat Plantamour seit dem Jahre 1853 die Temperatur bestimmt in 1 Meter Tiefe um 1 Uhr täglich, da die tägliche Veränderung im Wasser unerheblich ist. Die folgende Tafel enthält die Unter- schiede der Flufswärme und Luftwärme bestimmt aus den jährlichen Resumes me- teorologiques pour Geneve et le Grand St. Bernard.

Unterschied der Wärme der Rhone (bei Genf) und der Luft

1853 | 1854 1855 1856 Mittel JERDEESESELSRNERESREREEIBEN | 1 ABER TORE 1ER RBB FE

Januar 2.84 2.94 4.70 2.10 3.14 Februar 4.72 3.76 1.91 1.79 3.05 März 3.86 1.71 0.48 1.68 1.93 April —0.16 0.64 0.17 —1.02 —0.09 Mai —0.62 —1.61 —0.94 —1.58 —1.19 Juni —2.30 1.29 1.26 —2.46 A183 Juli —1.09 —0.59 —2.06 —0.13 —0.97 August 0.11 1.82 —0.50 | —0.43 0.25 September 1.34 2.74 2.82 | 0.80 1.92 October 2.39 2.90 2.09 2.83 2.55 November 4.33 4.68 5.02 5.21 4,81 December 6.42 2.81 | 1.02 | 5.42 Mittel 1.82 1.71 1.61 1.58

Hier sind die Unterschiede genau umgekehrt wie bei der Themse, der im Winter ein Maximum erreichende Ueberschuls der Flufswärme über die Luftwärme verwandelt sich im April in eine Wärmeabnahme, die im Juni ihr Maximum er- reicht. Der Grund dieser Erscheinung liegt in den kalten Zuflüssen des Sees, die gerade im Sommer mit steigender Wärme durch Schmelzen des Schnees und Ei- ses auf den Höhen der Gebirge am mächtigsten werden. Aber auch hier ist im Jahresmittel ein erheblicher Ueberschufs der Wärme des stark strömenden Flusses über die Luftwärme.

So unvollständig nun auch die bisherigen Beobachtungen sein mögen, so geht doch aus ihnen hervor, wie wesentlich verschieden der Einfluls der Flüsse auf die Temperatur ihrer Umgebung sein wird, je nach der Art der Zuflüsse, die sie empfangen und nach dem Wasserreichthum, den sie abführen. Die Gröfse der jährlichen Veränderung mit der der Luft verglichen ist bei

Flufs Luft

der Rhone bei Lyon . . . 12.32 18.72 - Saone - - Pe LP N: 77) 18.72

dem Loir bei Vendome . . . 13.44 14.11 der Themse bei London . . 12.01 10.46 - Rhone bei Genf. . . .„ 11.18 15.51

also mit Ausnahme der Themse bei allen im Flufswasser geringer als in der Luft. Aber das Beispiel der Themse steht nicht isolirt, denn nach Drake (Principal

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Ueber die Wärme der Flüsse. 525

Diseases of the Interior Valley of North America p. 68) gilt dasselbe für den Mis- sissippi im Delta desselben.

Bei einem Flusse, der der Abflufs eines mächtigen Sees ist, darf man an- nehmen, dafs die Oberfläche des Sees sich in ihren Temperaturverhältnissen nahe an die des Flusses anschliefsen wird, abgesehen von der Wärme, welche durch die Bewegung hervorgerufen wird, da diese Bewegung im Flusse nicht dieselbe ist als im See. Ein See von einer so mächtigen Ausdehnung als der Genfer muls aber einen Einflufs auf die Temperatur der ihn berührenden Luftschicht ausüben, wie aus folgender Tabelle hervorgeht. Die erste Spalte derselben enthält das zwanzigjährige Mittel der Luftwärme von Genf, die zweite die daraus aus den vierjährigen Differenzen des Wassers der Rhone und der gleichzeitig beobachteten Wärme der Luft abgeleitete Temperatur der Rhone, die dritte das sechszehn- Jährige Mittel der Temperatur des St. Bernhard nach den Berechnungen von Plant- amour. Bestimmt man nun die Temperaturabnahme zwischen Genf und dem St. Bernhard, und den Unterschied der Temperatur der Rhone und des St. Bern- hard, so findet man für den Höhenunterschied von 2102 Meter (der petite pierre de Niton im See ist nach Filhou 376.”6, das Gefäfs des Barometers im Bern- hardhospiz nach Plantamour 2478.”3), die in der vierten und fünften Spalte ge- gebene Wärmeabnahme:

Unt. z. Genf| Unt.z.Rhone

Genf. | Rhone | St.Bernh. |..g:. Bernh. u. St. Bernh. Januar —0.21 2.92 | —17.68 7.46 10.60 Februar 0.97 4.02 | —6.94 7.91 10.96 März 3.09 5.02 | —5.14 8.23 10.16 April 6.52 6.43 | —2.80 9.32 9.23 Mai 9.90 871 0.19 9.71 8.52 Juni 13.30 11.47 3.30 10.00 8.17 Juli 14.29 13.32 4.74 9.55 8.58 August 13.85 14.10 4.53 9.32 9,47 September 11.13 13.05 1.50 | 9.63 11.55 October 7.60 10.15 —0.62 8.22 10.77 November 3.76 8.57 —4.48 | 8.24 13.05 December 0.43 5.85 —6.13 | 6.56 11.98

f | 7.09 8.67 | —1.66 | 8.75 | 10.33

Hier sieht man, dafs in der vierten Spalte die Wärmeabnahme vom Winter zum Sommer hin zunimmt, in der letzten hingegen abnimmt. Da man nun anzu- nehmen berechtigt ist, dafs die Wärme der Wasseroberfläche auf die der Luft einen Einfluls äufsern wird, so geht daraus hervor:

1) dafs durch den Einflufs des Sees überhaupt die Wärmeabnahme nach der

Höhe vermindert wird,

2) dafs durch denselben die Vergröfserung dieser Wärmeabnahme vom Winter nach dem Sommer hin ebenfalls verringert wird. Dies scheint mir ein beachtenswerthes Ergebnifs, welches, soviel mir bekannt ist, bisher noch nicht hervorgehoben worden ist. Bei der Anwendung der in Gebir- gen erhaltenen Wärmeabnahme als Correction für die Temperatur höherer Statio- nen, wenn man sie zum Behuf der Entwerfung von Isothermen auf das Meeres- niveau reducirt, ist darauf Rücksicht zu nehmen.

526

Neuere Literatur.

Schriften über Oentral- Amerika.

Explorations and Adventures in Honduras, comprising Sketches of Travel in the Gold Regions of Olancho and a Review of the History and General Re- sources of Central Amerika. With Original Maps and Numerous Illustra- tions. By William V. Wells. London 1857. 8.

Im Anfang des Jahres 1854 hatte sich in San Francisco eine Gesellschaft zu dem Zweck gebildet, Handelsbeziehungen mit Honduras, insonderheit mit den östlichen Departements dieses Staats anzuknüpfen, über deren mineralische Schätze vor Kurzem zuverlässigere und vielversprechende Nachrichten nach Californien ge- langt waren. Um sich über die letzteren Angaben zu vergewissern, unternahm ein Mitglied jener Gesellschaft, William V. Wells, eine Reise nach Central- Ame- rika; er hatte für den Fall, dafs sich hier dem Handelsgeist oder industriellen Unternehmungen günstige Aussichten eröffnen sollten, den Auftrag, von den Staatsregierungen die Erlaubnis dazu durch förmliche Verträge zu erwirken, na- mentlich zum Betriebe von Goldwäschen und zur Anlage von Factoreien, welche die Ausfuhr von Häuten, von Bau- und Färbehölzern und andern werthvollen Landesproducten vermitteln sollten. Im Frühjahr 1854 verlie(s Wells Californien und begab sich dann nach San Juan del Sur, in der Absicht, auch den Staat Nicaragua zu bereisen; aber der Bürgerkrieg zwischen den Parteien Castellon’s und Chamorro’s, der damals das Land unsicher machte, nöthigte ihn, die schon begonnene Landreise von Rivas nach Leon aufzugeben und den Seeweg von San Juan del Sur nach Realejo einzuschlagen. Hier, in dem nordwestlichen Theile Nicaragua’s, hielt er sich einige Zeit auf, und begab sich dann von Leon längs des Estero Real nach der Fonseca-Bai, über die ihn eine gefährliche Bongofahrt nach der Tiger-Insel führte. Von hier aus ging die Reise nordwärts nach dem Festlande von Honduras, durch die Departements von Choluteca, Tegucigalpa und Olancho, auf Wegen, die wir oben in dem Artikel über die Silber- und Gold- region von Honduras genauer bezeichnet haben.

Das Resultat dieser Reisen, die fast ein Jahr in Anspruch nahmen, ist in commercieller Beziehung der Abschluls von Verträgen mit Privateigenthümern und der Staatsregierung von Honduras, und in literarischer Beziehung das interes- sante Werk, dessen Titel wir oben angeführt haben. Der Verfasser verweilt darin am längsten bei seinem Aufenthalt in Leon und der Umgegend, auf der Tiger-Insel und in den Departements Tegucigalpa urd Olancho. In Bezug auf die drei zuerst genannten Orte haben wir schon von ältern Reisenden eine Fülle werthvoller Nachrichten erhalten, und das neue Werk kann hier nur als eine Be- stätigung, zum Theil, namentlich für Tegucigalpa, als eine wünschenswerthe Er- gänzung des bisher Bekanntgewordenen betrachtet werden. Der Besuch Olancho’s ist dagegen eine wahre Entdeckungsreise. Von diesem Departement kannten wir bisher nur die Namen einiger Ortschaften, deren Lage aber durchaus ungewils war, und die Namen einiger Flüsse, über deren Lauf und Zusammenhang wir, wie wir jetzt sehen, sehr irrige Vorstellungen hatten. Bier tritt Wells nicht nur

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William V. Wells: Explorations and Adventures in Honduras etc. 527

berichtigend auf: er ersetzt die bisherigen dürftigen Nachrichten durch ein umfassen- des Gemälde von der Beschaffenheit des Departements, seinen mannichfaltigen und ‚grolsentheils höchst werthvollen Erzeugnissen, von seinen Bewohnern und ihrer Lebensweise, so dafs vor unsern Augen Fülle und Leben in einem Gebiet ersteht, auf dem wir uns bisher mit einer todten Nomenclatur begnügen mufsten. Die Karte, die er seinem Werke beigegeben hat, ist nach Distanz- Angaben der Eingeborenen, die Wells mit grofsem Eifer erkundete und unter einander ver- glich, und nach Kompafspeilungen entworfen und weicht sehr von den bisherigen, durchaus auf blofsen Vermuthungen beruhenden Zeichnungen ab; obwohl sie an mehreren Stellen Spuren der Flüchtigkeit, hin und wieder auch verschiedene Irr- thümer verräth, wird sie uns doch der Wahrheit im Allgemeinen um ein Bedeu- tendes näher geführt haben und bis auf zuverlässigere Forschungen als die be- achtenswertheste Quelle betrachtet werden müssen.

In den verschiedenen wissenschaftlichen Beziehungen ist das Werk sehr un- gleich. Namentlich wird es auffallen, dafs zu einem Reiseunternehmen, dessen hauptsächlichster Zweck in der Erforschung der mineralischen Reichthümer eines Gebietes bestand, ein Mann gewählt wurde, der über die geologische und mine- ralogische Beschaffenheit Aufschluls zu geben ganz aufser Stande war; die Geo- logen, welche, durch den Titel angezogen, das Werk in die Hand nehmen, wer- den sich in ihren Erwartungen durchaus getäuscht sehen. Selbst über die Rich- tung und den Zusammenhang der Bergketten finden wir nur eine sehr mangel- hafte Belehrung; wir sind überzeugt, dafs die Karte gerade in dieser Beziehung noch sehr erhebliche Irrthümer enthält, und sind auch nicht geneigt, den im Texte vorkommenden Höhenangaben, die sich übrigens zuweilen widersprechen, ein grofses Vertrauen zu schenken. Nichtsdestoweniger bleibt das Werk durch das, was es uns wirklich giebt, noch immer sehr werthvoll. Wells hat vorzüglich den Gegenständen, die auf die Cultur Bezug haben, seine Aufmerksamkeit zugewen- det; er macht uns mit den physischen Hilfsquellen des Landes, mit der Lebens- weise und den Beschäftigungen seiner Bewohner bekannt; er spricht‘ über die Viehzucht, über das Vorkommen und den Anbau der wichtigsten Nahrungspflan- zen und anderer Erzeugnisse des Pflanzenreiches, die für den Handel von Be- deutung werden könnten; er hat vor Allem eine Fülle von Nachrichten über den früheren und gegenwärtigen Zustand des Bergbaues gesammelt und diejenigen Punkte in’s Licht gestellt, die einer Belebung dieses Zweiges menschlicher Thä- tigkeit förderlich sein könnten; er entwirft endlich ein höchst lebendiges Gemälde von dem Charakter der Landesbewohner, der als eines der wichtigsten Momente bei allen etwaigen Ansiedelungsversuchen besonders in Anschlag; gebracht zu wer- den verdient, Alle die Punkte geben dem Verfasser Veranlassung zu lehrreichen und lebensvollen Skizzen, die sein Werk, trotz seiner Unzulänglichkeit in einzel- nen Beziehungen, doch im Ganzen zu einer reichhaltigen und anziehenden lite- rarischen Erscheinung machen.

Besonders hervorgehoben zu werden verdient es noch, dafs Wells ein unge- wöhnliches und bewunderungswürdiges Talent für die Darstellung besitzt. Eine seltene Herrschaft über die Sprache kommt seiner feinen Auffassungsgabe für landschaftliche und psychologische Züge so zu Hilfe, dafs sein Werk eine Reihe von Genrebildern enthält, die an sorgsamer Sauberkeit der Durchführung und an-

528 Neuere Literatur:

schaulicher Lebenswahrheit ihres Gleichen suchen. Schon der Aufenthalt in Leon und auf der Tiger-Insel ist höchst anziehend geschildert; dann gaben das Leben in Tegucigalpa, das Treiben der verschiedenen Volksklassen, ein Ball in einem angesehenen Hause, die Winterreise über die Sierra nach Ölancho, das Leben der Mahagonyschläger und andere Gegenstände Stoff zu Skizzen, die mit einem beachtenswerthen Geschick und mit grofser Liebe, vielleicht mit einiger Vorliebe, gezeichnet sind und uns mit Theilnahme für das schöne Talent des Verfassers erfüllen. Dieses Vorzugs wegen verdient das Werk auch für einen weitern Leser- kreis als eine höchst anziehende Lectüre die beste Empfehlung.

Walker’s Expedition nach Nicaragua und der central-amerikanische Krieg nebst der vollständigen diplomatischen Correspondenz. Von William V. Wells, General-Consul der Republik Honduras. Aus dem Englischen. Mit General Walker’s Portrait und einer Karte von Central- Amerika. Braunschweig, Verlag der Schulbuchhandlung, 1857.

Wir gedenken dieser Schrift hier, weil sie gewissermafsen die Schattenseite der eben erwähnten Expedition von Wells darstellt und weil sie einen Beitrag zur Kenntnifs der unglaublich miserablen politischen Zustände in den central- amerikanischen Staaten liefert. Zugleich mit Wells und im Auftrage derselben californischen Gesellschaft hatten sich auch einige andere Personen nach Nicara- gua begeben, die in Leon blieben, während Wells seine Reise nach Honduras fortsetzte, und hier den Chef der sogenannten liberalen Partei, Castellon, bestimm- ten, den „berühmten,“ d. h. den durch seinen kläglichen Zug gegen Sonora be- rüchtigten Walker zu dem Kampf gegen die aristokratische Partei unter Cha- morro zu Hilfe zu rufen. Die oben angeführte Schrift giebt nun nach einigen biographischen Notizen über Walker, der, jetzt 34 Jahr alt, im Osten und Westen, im Norden und Süden der Vereinigten Staaten hier als Arzt, dort als Advocat, dort als Zeitungs-Redacteur sein Wesen getrieben und nirgends Ruhe gefunden hatte, einen Abrifs seiner Unternehmung gegen Sonora und seiner Thaten in Ni- caragua bis zum Schlusse des ersten Feldzugs gegen Costa-Rica. Wir glauben sagen zu müssen, dafs Herr Wells nicht einmal den Versuch gemacht hat, diese Begebenheiten vom Standpunkte eines Historikers zu betrachten; selbst die Dar- stellung ist fragmentarisch, lückenhaft und ungleichmäfsig; mancher wichtige Punkt bleibt unaufgeklärt und unerörtert; das politische Urtheil ist meist verfehlt, im Ganzen wie im Einzelnen. Man kann sehr fest davon überzeugt sein, dafs Cen- tral- Amerika schlie/slich der grofsen nordischen Union anheimfallen und dafs die- ses Schicksal ein Glück für das Land sein wird, und dennoch sehr weit davon entfernt sein, solche Unternehmungen, wie die Walker’s, irgendwie zu billigen; ja man hat sogar Grund daran zu zweifeln, dafs sie überhaupt geeignet sind, jenem Ziele näher zu führen. Wer sich nun nicht dadurch beirren läfst, dafs hier Thaten gepriesen werden, die wir von einem unbefangeneren Standpunkte ganz anders zu beurtheilen geneigt sind; wer aus der oben angeführten Schrift blofs das Thatsächliche herauszuziehen Willens ist, wird sie mit Nutzen lesen und aus den darin mitgetheilten Einzelnheiten ein Bild von dem unsäglichen Elend der politischen Nichtsnutzigkeit, die an der Zerrüttung des Landes arbeitet, wie von

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C.Scherzer: Wanderungen durch die mittelamerikanischen Freistaaten ete. 529

der kläglichen Verkommenheit des spanischen National-Charakters erhalten kön- nen. Eine Reihe von Documenten, die theils in der Schrift zerstreut, theils als Anhang beigegeben sind, bildet eine werthvolle Zugabe von historischer Bedeu-

. tung; die Skizze der physischen Hilfsquellen Nicaragua’s ist kurz und ohne her-

vorstechende Eigenthümlichkeit. In dem gegenwärtigen Moment, wo wieder ein Kampf zwischen Nicaragua und Costa Rica ausgebrochen ist und wo schon die nächsten Posten uns Nachrichten über ähnliche kriegerische Scenen im Staate Ni- caragua bringen können, gewinnt die Schrift als die erste Zusammenstellung von Nachrichten über die jüngstvergangene Geschichte des Staates an Interesse und in diesem Sinne wollen wir hiermit auf sie aufmerksam gemacht haben.

Wanderungen durch die mittelamerikanischen Freistaaten Nicaragua, Honduras und San Salvador. Mit Hinblick auf deutsche Emigration und deutschen Handel von Dr. Carl Scherzer. Mit zwei Karten. Braunschweig, bei Westermann, 1857.

Obgleich wir dieses Werk bei den Artikeln über Central- Amerika schon mehrmals angeführt haben, glauben wir uns doch einer besonderen Anzeige des- selben bei dieser Gelegenheit nicht entschlagen zu dürfen. Es ist eine Fortsetzung des Berichts über die von Moritz Wagner und Carl Scherzer in Central- Amerika ausgeführten Reisen, mit deren erstem Theile uns die Verfasser durch ihr ge- schätztes Werk über die Republik Costa-Rica bekannt gemacht haben. Die eigentlich wissenschaftlichen Resultate dieser Reisen, die Schilderung der geolo- gischen Verhältnisse, die Mittheilung der meteorologischen Beobachtungen und der Höhenmessungen, die Beschreibung der neu entdeckten Thier- und Pflanzenarten ist einem besonderen und umfassenderen Werke vorbehalten worden; das vorlie- gende soll ein geographisch -politisches Gemälde der Staaten Nicaragua, Hondu- ras und San Salvador entrollen und namentlich auch die Vortheile hervorheben, welche diese Länder dem deutschen Handel und der deutschen Ansiedelung dar- bieten können. Messen wir das Werk wie es billig ist mit dem Mafsstabe, den uns der Verfasser selbst dafür bezeichnet; suchen wir in ihm nicht Aufschlüsse über Gegenstände, deren wissenschaftliche Erörterung ausdrücklich andern Schrif- ten vorbehalten ist, so werden wir sagen müssen, dals es seinen Zweck in aus- gezeichneter Weise erfüllt. Es gewährt nicht nur ein anschauliches Bild derjeni- gen Landschaften, über deren Natur-Charakter uns schon ältere Schriften reiche Belehrung boten, sondern macht uns auch mit Gebieten näher bekannt, über die uns bisher nur sehr mangelhafte Nachrichten vorlagen. In dieser Beziehung ist die Reise von Managua über Matagalpa und Dipilto nach Tegucigalpa von besonde- rem Interesse.

Es ist uns bekannt geworden, dafs Scherzer’s Arbeit in Central- Amerika selbst grofse Unzufriedenheit erregt hat, und wir führen diese Thatsache als eine besondere Empfehlung des Buches an. Scherzer entwirft von dem Charakter des Volks und von der trostlosen Zerrüttung der politischen Zustände ein nichts weniger als schmeichelhaftes Gemälde; seine Arbeit kann in dieser Beziehung als eine dankenswerthe Ergänzung des Werkes von Wells betrachtet werden, da der deutsche Beobachter den Amerikaner durch gröfsere Strenge der Grundsätze

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III. 34

530 Neuere Literatur:

wie an politischem Urtheil weit überragt. Für die Zerfahrenheit und völlige Hoff- nungslosigkeit der politischen Zustände in den Staaten Central- Amerikas spricht die historische Erfahrung; sie drängt die Ueberzeugung auf, dafs der Volks-Cha- rakter, aus dem solche Zustände hervorgegangen sind, die Bedingungen für eine gesunde Entwickelung, für einen tüchtigen Fortschritt nicht in sich schliefst. Diese Ueberzeugung findet in Scherzer’s Darstellung einen Halt, und wir glauben nicht, dafs er für sein Gemälde zu dunkle Farben gewählt hat. Eine hervorstechende Eigenthümlichkeit des spanischen Amerikaners ist der tragikomische Dünkel, in dem er sich einbildet, einer noch immer sehr vorzüglichen und alle anderen weit überragenden Nation anzngehören und in Zuständen zu leben, die trotz einiger Mängel doch noch immer als mustergültige die Bewunderung des Ausländers ver- dienen; hierin wurzelt der Mangel an Strebsamkeit, der Mangel an Energie; hier- durch erklärt sich der fortwährend wachsende Verfall der Staaten. Gegen diese dünkelhafte Selbstüberschätzung hat Scherzer verstofsen, indem er der Wahrheit die Ehre gab; aber es scheint uns, dafs er den Privat- Charakter der Bewohner von ihrer staatsbürgerlichen Befähigung nicht immer sorgfältig auseinander hielt, und in seinem durchaus gerechtfertisten Mifsmuth über die politische Nichts- nutzigkeit auch den ersteren zuweilen einer zu herben Beurtheilung unterzog. Da Scherzer bekanntlich sehr anziehend zu schreiben versteht, verdient sein Werk auch jenseits des Kreises geographischer Leser alle Beachtung; es ist durch Lebhaftigkeit und Anschaulichkeit der Schilderungen vorzüglich geeignet, das In- teresse an geographischer Lectüre anzuregen und zu nähren, und bildet auch in dieser Beziehung eine dankenswerthe Bereicherung unserer Literatur. Wer sich über die inneren Zustände dieser Staaten, die schon jetzt die allgemeine Auf- merksamkeit in hohem Grade erregen, auf eine zugleich angenehme Weise zu unterrichten wünscht, wird das Werk nicht unbefriedigt aus der Hand legen. Dals Westermann’s Verlagsartikel auch in der äufseren Erscheinung würdig und ange- messen ausgestattet sind, ist bekannt. EN

Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 7. November 1857.

Nach Erledigung der inneren Angelegenheiten der Gesellschaft und nach der Wahl der zur Aufnahme in dieselbe vorgeschlagenen 15 neuen Mitglieder legte der Vorsitzende, Herrn Prof. Ritter, folgende im Laufe des Monats eingegangene Ge- schenke vor: 1) Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde, N. F. II. 3. 2) Jahr- buch für Volkswirthschaft und Statistik. Herausgegeben von O. Hübner. Fünf- ter Jahrgang. Leipzig 1857. 3) Jahrbuch der K. K. Geologischen Reichs- anstalt 1855. VI. Jahrgang No. 4. October bis December. Desgleichen 1856. VII. Jahrgang No. 4. October bis December. Desgleichen 1857. VIU. Jahrgang No. 1. Januar bis März, und No.2. April bis Juni. 4) Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preufs. Staate, herausgegeben von R. v. Carnall. Bd. V. Lieferung 1. Berlin 1857. 5) Mittheilungen über wichtige neue Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann.

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C.Scherzer: Wanderungen durch die mittelamerikanischen Freistaaten ete,. 531

1857. IV. VIII. 6) Grundzüge der schlesischen Klimatologie. Zusammen- gestellt von Dr. J. J. Galle. Breslau 1857. 7) Bulletin de la Societe de Geo- graphie, redige par M. Alfred Maury et M. V. A. Maltebrun. Quatrieme Serie. T. XIV. Juillet. Paris 1857. 8) Tableaux de population, de culture, de com- merce et de navigation, pour l’annde 1854. Paris 1857. 9) Bericht über die morgenländischen Studien im Jahre 1856. Von Dr. R. Gosche. Leipzig 1857. 10) Blick auf den gegenwärtigen Standpunkt der Ethnologie in Bezug auf die Gestalt des knöchernen Schädelgerüstes. Von Andreas Retzius. Berlin 1857. 11) Exposition des operations faites en Lapponie, pour la determination d’un are du meridien, en 1801, 1802 et 1803, par M. M. Öfverbom, Svanberg, Holmquist et Palander. Redigee par Jons Svanberg, et publice par lacademie des sciences. Stockholm 1805. 12) Organization politica y econdmica de la Confederacion Ar- gentina. Por D. Juan Bautista Alberdi. Nueva edicion oficial. Besancon 1856. 13) Report of the Commissioner of Patents for the year 1854. Agriculture. Washing- ton 1855. Dasselhe for the year 1855. Washington 1856. 14) Transactions of the N. Y. State Agricultural Societies. Vol. XV. 1855. Albany 1856. 15) Fourth Report of the Indiana State Board of Agriculture, containing the Trans- actions of the Board, for the years 1854 1855. Indianopolis 1856. 16) First and Second Report of the Noxious, Beneficial and Other Insecis, of the State of New York. By Asa Fitch. Albany 1856. 17) Transactions of the American Institute of the City of New York, for the year 1855. Albany 1856. 18) Sa- piski der Kais. Russ. Geogr. Gesellschaft. Heft XI. St. Petersburg 1856. 19) Wjästnik der Kais. Russ. Geogr. Gesellschaft für das Jahr 1856. Heft IV. VI. Für das Jahr 1857. Heft I. II. St. Petersburg 1856. 1857. 20) Compte- Rendu de la Socidte Geographique Imperiale de Russie, pour Tannee 1856. St. Pe- tersburg 1857. 21) Karte von Britisch-Indien diesseits des Ganges. Bearbei- tet und herausgegeben von H. Mahlmann. Berlin 1857. 22) Mapa topogrä- fica de la provincia de Oviedo, por D. Guillermo Schulz. 1855. 23) Carta esferica del globo terraqueo construida en la Direccion de Hidrografia y presen- tada & S. M. por D. Francisco de Lersundi. Madrid 1857.

Herr Prof. Wolfers sprach über die Lage der Sternwarte von Santiago in Chile. Der Vortrag ist unter den Miscellen des Heftes mitgetheilt.

Demnächst sprach Herr Prof. Peters über die von ihm ins Deutsche über- tragene Schrift von Retzius: „Blick auf den gegenwärtigen Standpunkt der Eth- nologie in Bezug auf die Gestalt des knöchernen Schädelgerüstes.“ Retzius be- trachtet die Form des Schädels als Grundlage zu einer Eintheilung des Menschen- geschlechtes, und nimmt zwei Haupt-Schädelformen an, Dolichocephalen und Bra- chycephalen, von denen er jede in zwei Unterabtheilungen, Orthognathen und Prognathen zerlegt. Unter den Europäern, welche sämmtlich Orthognathen sind, gehören zu den Dolichocephalen die Germanen und Celten, zu den Brachycepha- len dagegen Ungern, Türken, Slawen, Letten, Albanier, Etrurier, Rhätier und Bas- ken. In Asien bilden die Dolichocephalen die Minderzahl, zu ihnen gehören die Hindus, die arischen Perser, die Araber, die Juden, die Tungusen und die Chi- nesen (die beiden letztern sind Prognathen); zu den Brachycephalen, die meistens Prognathen sind, sämmtliche andere Völker. Die Australneger sind Dolichocepha- len und Prognathen, dagegen die Malayen, Polynesier und Papus Brachycephalen

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532 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.

und Prognathen. Afrika’s Völker sind sämmtlich Dolichocephalen und Prognathen. Hinsichtlich der Bewohner Amerika’s gelangt Retzius zu dem Resultat, dafs die Bevölkerung der ganzen Ostseite vom höchsten Norden bis Paraguay und Uru- guay herab Dolichocephalen, die Bewohner der Westseite dagegen von den Ku- rilen bis Patagonien und Feuerland Brachycephalen sind,

Herr Prof. Ritter sprach über alte Pfahlbauten und andere Reste uralter Ansiedelungen, welche in neuerer Zeit an den kleinen Seen der Schweiz entdeckt worden sind. Die dabei vorkommenden Schädel gehören zwei ganz verschiede- nen Racen an, die Umstände aber, unter welchen sie sich finden, machen es wahrscheinlich, dafs die jüngeren den Kelten angehören, welche eine noch ältere Bevölkerung besiegt und vernichtet haben.

Demnächst sprach Herr Prof. Ritter über Sprenger’s Sammlung orientali- scher Manusceripte und die von ihm beabsichtigte Herausgabe des arabischen Geo- graphen Ahmed Mokaddasy. Der Vortrag ist unter den Miscellen des Heftes mitgetheilt.

Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 5. December 1857.

Der Vorsitzende, Herr Prof. Ritter eröffnete die Sitzung durch Ueberrei- chung der eingegangenen-Geschenke: 1) Neuer Handatlas über alle Theile der Erde, entworfen und bearbeitet von Dr, Heinrich Kiepert, VI. Lieferung. Berlin 1857. 2) Zeitschrift für Allgemeine Erdkunde, N. F. III. 4. 3) Mittheilun- gen über wichtige Erforschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie, von Dr. A. Petermann. 1857. IX. X. 4) Documents relative to the Colonial His- tory of the State of New York, procured in Holland, England and France, by John Romeyn Brodhead. Edited by E. B. O’Callaghan. Vol. V. VI. and IX. Al- bany 1855. 5) Report of the Superintendent of the Coast Survey, showing the Progress of the Survey during the year 1855. Washington 1856. 6) Message from the President of the United States to the Two Houses of Congress, at the com- mencement of the Third Session of the Thirty-Fourth Congress. Part I. and II. Washington 1856. 7) Report of the Commissioner of Patents for the year 1855. Arts and Manufactures. Vol. II. Washington 1856. 8) Report of the Seere- tary of the Treasury on the State of the Finances, for the year ending June 30, 1856. Washington 1856. 9) Report of the Secretary of the Treasury on the Commerce and Navigation of the United States for the year ending June 30, 1856. Washington 1856. 10) First Annual Report of the Improvement of the Central Park, New York. New York 1857. 11) Annual Report of the Canal Com- missioners of the State of New York. Albany 1855. 12) Statistical Report on the Sickness and Mortality in the Army of the United States. Prepared by Richard H. Coolidge. Washington 1856. 13) The U. S. Naval Astronomical Expedition to the Southern Hemisphere, during the years 1849—1852. Vol. VI. Magnetical und Meteorologieal Observations under the Direction of Lieut. J. M.

Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft. 533

Gilliss.. Washington 1856. 14) Smithsonian Contributions to Knowledge. Vol. IX. Washington 1857. 15) United States and Mexican Boundary Survey. Report of William H. Emory. Vol. I. Washington 1857. 16) Report of the Secre- tary of War. Washington 1856. 17) Eight Annual Report of the Governors of the Alms House. New York, for the year 1856. New York 1857. 18) Me- moir to accompany a Military Map of the Peninsula of Florida, South of Tampa Bai, compiled by Lieut. J. C. Ives New York 1856. 19) On the Statistics and Geography of the Production of Iron. By Abram 8. Hewitt. New York 1856. 20) Explorations in the Dacota Country, in the year 1855. By Lieut. Warren. Washington 1856. 21) Report of the State Engineer and Surveyor on the Canals of the State of New York, for 1854. Albany 1855. 22) Annual Report of the Secretary of State relative to Statistics of the Poor of the State of New York. Albany 1855. 23) Report of the Secretary of State on the Cri- minal Statisties of the State of New York. Albany 1855. 24) Annual Report of the Superintendent of the Banking Department of the State of New York. Al- bany 1855. 25) Annual Report of the Commissioners of Emigration of the State of New York. For the year ending Decbr. 31, 1856. New York 1857. 26) Re- port of the Joint Special Committees of the Chamber of Commerce on the Exten- sion of the Decimal System to Weights and Measures of the United States. New York 1857. 27) The Growth of Cities. By Henry P. Tappan. New York 1855. 28) Access to an Open Polar Sea. By E. K. Kane. New York 1853. 29) Bulletin of the American Geographical and Statistical Society. Vol. II. For the year 1856. New York 1857. 30) Address at the Anniversary Meeting of the Royal Geographical Society, Mai 1857. By Sir R. Murchison. 31) Pro- ceedings of the Royal Geographical Society of London. April and May. June 1857. 32) Bulletin de la Societe de Geographie, redig€E par M. Alfred Maury et M. V. A. Malte- Brun. Quatrieme Serie T. XIV. No. 80—82. Paris 1857. 33) Annales de l’observatoire physique central de Russie, publiees par A. T. Kupfer. Annee 1854. No. 1. St. Petersbourg 1856. 34) Correspondance Meteorologique. Publication annuelle de l’administration des Mines de Russie, redigee par A. T. Kupffer. Annee 1855. St. Petersbourg 1857. 35) Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central- Afrika in den Jahren 1849 bis 1855 von Dr. Heinr. Barth. Dritter Band. Gotha 1857. 36) Halkyonia. Wanderungen an den Ufern des Halkyonischen Meeres. Sendschreiben an Herrn Geh. R. und Prof. Boeckh von P. W. Forchhammer. Berlin 1857. 37) Relation du voyage de M. le Capi- taine de Bonnemain a R’Dämes (1856 1857), par M. A. Cherbonneau. Paris 1857. 38) D. Bernardino Rivadavia. Por D. M. Gutierrez. Buenos Aires 1857. 39) J. M. Ziegler, Geographische Karte der schweizerischen Gewerbs- thätigkeit. Winterthur 1857. 40) Map of Central-America 1856. 42) She- boggan Harbour, Wisconsin. From Survey made 1856 by Assistant John O’Do- noghue under the Direction of Lieut. Col J. D. Graham. 42) Manitowoc Har- bour, Wisconsin. From Survey made 1856 by Assistant John O’Donoghue under the Direction of Lieut. Col. J. D. Graham. 43) Map of Routes for a Pacific Railroad. 1855. 44) Track Survey of the River Parana. Sheet No.2. Sur- veyed by Commander Th. J. Page. 1855. 45) Mouths of the Parana and Uru- guay. Sheet No. 1. Martin Garcia and Martin Chico Channels. Surveyed by

534 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.

Commander Th. J. Page. 1855. 46) Track Survey of the Rivers Salado, Pa- rana and Colastine. Surveyed by Commander Th. J. Page. 1855.

Herr Prof. Ritter machte aus einem Schreiben von Frau Ida Pfeifer, d. d. Mauritius 29. Sept. 1857, an eine Freundin, folgende Mittheilungen: „...... An mich zu schreiben ist es wirklich schwer, weil ich oft selbst nicht weils, ob der Reiseplan nicht alle Augenblicke geändert wird je nach den Umständen. So z. B. wufste ich Ihnen noch gar nicht zu sagen, wo ich jetzt hingehen werde. Ich kam hier aber sehr krank an; sollte ich genesen, so setze ich die Reise fort, wo nicht, so mufs ich solange hier aushalten, bis ich eine Gelegenheit treffe im Frühlinge nach Europa zu kommen; während des Winters wäre die Reise unter diesen Umständen für mich tödlich. Die Reise nach Madagascar, obwohl unter den günstigsten Umständen angetreten, hätte uns bald sehr übel bekommen. Wir wurden von der alten Königin und vom Prinzen auf das Glänzendste empfangen, lebten die ersten vier Wochen in der Hauptstadt herrlich, dann aber nahm die Sache eine bedenkliche Wendung für uns an. Die Königin hafst nämlich die Chri- sten über alle Malsen, es giebt aber dessen ungeachtet einige Tausend unter ihrem Volke, dies wurde der Königin angezeigt während wir in Tananariva waren. Man beschuldigte uns Paar Europäer, die wir uns in der Hauptstadt befanden, mit den Christen einverstanden zu sein und mit ihnen viele heimliche Zusammenkünfte abgehalten zu haben. Dies war genug die Königin gegen uns aufzubringen, dafs sie uns gerne auf der Stelle hätte hinrichten lassen, wenn sich der Prinz unser nicht so thätig angenommen hätte. Wir wurden sogleich Landes verwiesen und wie Gefangene mit Militair nach Tamatave (Hafenort an der Ostküste der In- sel) expedirt und dort auf ein Schiff geliefert. Wir standen auf dieser Tour unendlich viel aus, man verlängerte die Reise vorsätzlich und dachte, das schlechte Klima sollte uns tödten. Wir machten die Reise, die man in 8 Tagen zurücklegen kann, in 53; in den ungesundesten Gegenden hielt man uns zu 1—2 Wochen auf, unter dem Vorwande keine Leute zu unserm Transporte aufbringen zu können.“

Demnächst trug Herr Prof. Ritter das Schreiben Semenows über seine Rei- sen zum Thian-Schan vor, welches in diesem Hefte vollständig abgedruckt ist.

Herr Dr. Blau hielt einen Vortrag über einen Theil seiner im Auftrage der Königl. Regierung während dieses Sommers in Aderbeidshan ausgeführten Reise und gab eine topographische Beschreibung des von ihm durchreisten Landstrichs.

Herr Robert Schlaginweit theilte mit, dafs von seinem in Indien weilen- den Bruder Adolf seit 6 Monaten keine Nachrichten eingegangen wären, und hielt dann einen Vortrag über die Erosion der indischen Flüsse, der in diesem Hefte abgedruckt ist.

Herr Prof. Ehrenberg theilte den ebenfalls in diesem Hefte abgedruckten Brief des Herın Lieut. Maury über die auf dem Telegraphen-Plateau angestell- ten Sondirungen mit, und hob die Differenz der Angaben hervor, die über diese Messungen bisher publieirt sind.

Uebersicht der vom Juni bis zum November 1857 auf dem Gebiete der Geographie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.

Von W. Koner,

Geographische, statistische und nautische Zeitschriften.

Zeitschrift für allgemeine Erdkunde etec. Herausgegeben von Dr. K. Neumann. Neue Folge. Bd. II. 1857. Heft 6. Bd. III. Berlin (D. Reimer). gr. 8.

Mittheilungen der Kais. Kön. Geographi- schen Gesellschaft. Redig. von Franz Foetterle. Jahrg. I. Heft 2. Wien 1857. gr. 8.

Mittheilungen aus J. Perthes’ geographi- scher Anstalt über wichtige neue Er- forschungen auf dem Gesammtgebiete der Geographie, von Dr. A. Peter- mann. Bd. III. 1857. Heft 3—10. Gotha (Perthes). 4.

Bote (Wjästnik) der Kaiserl. Russ. Geo- graphischen Gesellschaft. Herausgege- ben unter Redaction des Secretairs der Gesellschaft E. J. Lamansky. Jahrg. 1856. Bd. XVII. Heft V. VI. St. Pe-

tersburg 1856. Jahrg. 1857. Bd. XIX. |

Heft I. II. Bd. XX. Heft III. Ebendas. 1857. gr. 8.

Journal (Sapiski) der Kais. Russ. Geo- graphischen Gesellschaft. Herausgegeb. unter Redaction von W. J. Jerofjäew. Heft XI. St. Petersburg 1856. gr. 8.

Compte-rendu de la Societe geographique Imperiale de Russie pour l’annde 1856. Redige par M. E. Lamansky. Trad. du russe. St. Petersbourg 1857. 48 S. gr. 8.

Bulletin of the American Geographical and Statistical Society. Vol. II. For the Year 1856. New York (Baker & Godwin) 1857. 273 S. gr. 8.

Bulletin de la Societ€ de Geographie etc, Ive Ser. 1857. T. XII. Juin. T.XIV. Juillet Octobre. Paris (Arthus - Ber- trand). gr. 8.

Proceedings of the Royal Geographical Society of London. N. 9—11. Schlufs- heft. Sessions 1855-6 and 1856-7. Edi- ted by the Secretary. 1857. London (Stanford). 533 $. 8. (1 Guin.)

Archiv für wissenschaftliche Kunds von Rufsland. Herausgegeben von A. Er- man. Bd. XVI. 1857. Heft 3. Berlin (G. Reimer). 8.

Das Ausland. Eine Wochenschrift. 30. Jahrg. 1857. N. 21-46. Stuttgart (Cotta). 4.

Smithsonian Contributions to Knowledge. Vol.IX. City of Washington 1857. Fol.

Preufsisches Handels - Archiv. Wochen- schrift für Handel, Gewerbe und Ver- kehrs-Anstalten. Herausgeg. vonv. Vie- bahn u. Saint-Pierre. Jahrg. 1857. N. 25-48. Berlin (Decker). gr. 4.

Nouvelles Annales des Voyages etc. VIm® Ser. 1857. Juin Novembre. Paris (Arthus-Bertrand). 8.

Nouvelles Annales de la Marine et des Colonies. 9e annee. Janvier Octobre. 1857. Paris (Dupont). 8.

Revue de l’Orient, de l’Algerie et des Co- lonies. Nouv. Ser. 1857. Mai— Aoüt. Paris (Rouvier). gr. 8.

The Nautical Magazine and Naval Chro- nicle. Vol. XXVI. Jan. Octob. 1857. London (Simpkin). 8. (& 1 s.)

536

Tijdschrift voor Nederlandsch Indie. Uit- geg. door W. R. van Ho&vell. 1857. Juni— October. Zalt-Bommel. gr. 8.

West-Indie. Bijdragen tot de bevordering van de Kennis der Nederl. West-Indi- sche Kolonien. deel. 3e af. Haar- lem (Krusemann) 1857. 8.

Suriname. Jaarboekje voor het jaar 1857. Uitgegeven door het letterlievend ge- nootschap: Oefening kweekt kennis, te Paramaribo. ’s Gravenhage (Verhoeven). XII, LXXIII en 182 bl. (f. 2,10.)

See-Magazin. Herausgegeben von der Ad- miralität. Januar Juli 1857. St. Pe- tersburg. 8. (In russ. Sprache.)

Mittheilungen des statistischen Bureau’s in Berlin. Herausgegeben von Dieterici. 10. Jahrg. 1857. N. 10 —21.

Jahrbuch für Volkswirthschaft und Sta- tistik. Herausgegeben von O. Hübner. 5. Jahrg. Leipzig (H. Hübner) 1857. IV, 290 u. 1488. gr. 8.

Annuaire de l’economie politique et de la statistique pour 1857 par Maur. Block et Guillaumin. Paris (Guillaumin & Co.). 668 8. 12. (5 fr.)

Journal of the Statistical Society of Lon- don. Vol. XX. Part 2. 1857. London (Parker & Son). gr. 8. (a 2s. 6.d.)

Annali universali di Statistica, Economia pubblica, Legislazione, Storia, Viaggi

W. Koner:

e Commereio compilati da G. Sacchi. Vol. XIV, XV della Serie terza.. Mi- lano 1857. 8.

Bolletino di notizie statistiche italiane e straniere e delle piü importanti inven- zioni e scoperte o progresso dell’ in- dustria e delle cognizione compilato da Gius. Sacchi. Vol. XLII. 1857. Mi- lano. 8.

Tijdschrift voor staathuiskonde en stati- stiek, door Mr. B. W. A. E. Sloet tot Oldhuis. 15e deel. Zwolle (Tjeenk Willink) 1857. (f. 6,50.)

| Dowe (H. W.), Uebersicht der Thätig-

keit der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom April 1856 bis April 1857. Zeitschr. f. allgem. Erdkunde. N. F. II. 1857. p.1.

Murchison (R. J.), Address at the Anni- versary Meeting of the Royal Geogra- phical Society, 25th May, 1857. Proceedings of the R. Geogr. Soc. of London. 1857. N. 10.

Sir Roderick J. Murchison’s Bericht über den Fortschritt der Geographie während des Jahres Mai 1856 bis Mai 1857. Petermann’s Mittheil. IU. 1857. p- 327.

Geographische Literatur und Lexica.

Schmidt (G.), Bibliotheca historico-geo- graphica oder systematisch geordnete Uebersicht der in Deutschland und im Auslande auf dem Gebiete der gesamm- ten Geschichte und Geographie neu er- schienenen Bücher. 5. Jahrg. 1857. Heft 1. Januar Juli. Göttingen (Van- denhoeck & Ruprecht) 1847. (4 Thlr.)

Koner (W.), Uebersicht der auf dem Ge- biete der Geographie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Am Ende jedes Bandes der Zeitschr. f. allgem. Erdkunde.

Ziegenbalg (H.), Bibliographische Ue- bersicht der im 2. Quartal 1857 auf dem Gebiete der Geographie erschiene- nen Werke, Aufsätze und Karten. Petermann’s Mittheil. III. 1857. p. 358.

Verzeichnifs der geographischen, ethno- graphischen und statistischen Artikel, die in den Gouvernements-Zeitungen des J. 1854 enthalten sind. Bote

(Wjästnik) d. K. Russ. Geogr. Gesell- schaft. 1856. Heft V. (Bd. XVII). 1857. Heft III. (Bd. XX.)

Uebersicht der wichtigsten auswärtigen geographischen ete. Werke, die vom No- vember 1855 bis Ende 1856 erschienen sind. ibid. 1856. HeftV. (Bd. XVII). 1857. Heft II. (Bd. XIX).

de Castro (Vinc.), Gran dizionario geo- grafico, politieo, statistico, storico, mi- litare e commerciale dell’ Europa com- pilato con ordine lessico e metodico sulle opere di Arrowsmith, Busching, Balbi ete. Vol. I. Disp. 51 —-64. Mi- lano (Fratelli Centenari & Co.) 1856. gr. 8.

Hoffmann (W.), Encyklopädie der Erd-, Völker- und Staatenkunde. 19. 24. Lief. Leipzig (Arnold) 1857. hoch 4. (a 4 Sgr.)

Galetti (J. G. A.), Eyyetemi vilägrajz vay földirati, allamtani es törtenelmi

IE

N

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. 537

ismerettär. (Allgemeine Weltkunde etc.) 2. Aufl. 9. 10. Heft, umgearbeitet von Dr. Max Falk. Pesth (Hartleben) 1857. 8.

Gazetteer of the World; or Dietionary of Geographical Knowledge: compiled from the most recent Authorities, and forming a complete Body of Modern Geography,

Physical, Political, Statistical, and Eth- nographical. Edited by a Member of the Royal Geographical Society. 7 vols. London 1857. roy. 8. (L. 10.) Ankjaer ($.), Geographisk - statistisk Haandbog. 1—16de Hefde. Kjoben- havn (Philipsen) 1857. 8. (& 24 fs.)

Geographische Lehr- und Handbücher.

Arendts (C.), Leitfaden für den ersten wissenschaftlichen Unterricht in der Geo-

graphie. 4. Aufl, Regensburg (Manz)

1857. 8. (} Thlr.)

Arendts (C.), Eerste wetenschappelijk |

onderwijs in de aardrijkskunde, voor

schoolen en zelf- oefening. Naar’t Hoog- | duitsch door F. C. Brugsma. Groningen |

(Scholtens) 1857. VII, 2 en 144 bl. kl. 8. (f. 0,80.) Balbi, Allgemeine Erdbeschreibung oder:

Hausbuch des geographischen Wissens. |

Eine systematische Enceycelopädie der Erdkunde für die Bedürfnisse der Ge- bildeten jedes Standes. 4. Aufl., bear- beitet von Heinr. Berghaus. 9. 24. Lie. Wien (Hartleben) 1856. 57. Lex. 8. (& 6 Sgr.)

Berghaus (H.), Was man von der Erde weils. 16.— 18. Lief. Berlin (Hassel- berg) 1857. gr. 8. (a + Thlr.)

Blane’s (L. G.) Handbuch des Wissens- würdigsten aus der Natur u. Geschichte der Erde und ihrer Bewohner. 7. Aufl. Herausgegeben von A. Diesterweg. 6. 12. Heft. Braunschweig (Schwetschke u. Sohn) 1857. gr. 8. (& 4 Thlr.).

Egli (J. J.), Geographie für schweizeri- sche Sekundär- und Bezirks- Schulen. Zürich (Schulthefs) 1857. 8. (9 Sgr.)

Grafsmann (R.) u. Gribel (E.), Leit- faden der Geographie. 4. Ausg., in zwei Cursen herausgeg. von R. Grafsmann. Stettin (Grafsmann) 1857. 8. (4 Sgr.)

Keferstein (H.), Hilfsbuch beim geo- graphischen Unterricht, vorzüglich für Handels- und Gewerbeschulen. Leipzig (Schulz) 1857. gr. 8. (4 Thlr.)

‘v. Klöden (G. A.), Handbuch der Erd- kunde. 1.— 3. Lief. Berlin (Weidmann) 1857. 8. (a4 Thlr.)

‚Locher (F.), Allgemeine Erdkunde oder neuestes Handbuch zur Beförderung und Belebung des geographischen Sinnes u.

Wissens für Schule und Haus. 1. Lief.

Regensburg (Manz) 1857. 8. (6 Sgr.)

Migerka (F.), Beiträge zur Geschichte und Statistik der öffentlichen höheren Handels - Lehranstalten und Entwurf eines Systems einer allgemeinen Geo- graphie mit besonderer Berücksichtigung ‘des commereiellen Bedürfnisses. (Als Manuseript gedruckt.) Wien 1857. VI u. 568. 8.

, Möbus (A.), Geographischer Leitfaden

für Bürgerschulen, besonders für höhere Knaben- und Mädchenschulen. 2. Ab- theil. 2. Aufl. Berlin (Gärtner) 1857. gr. 8. (4 Thlr.)

Nösselt (F.), Kleine Geographie für Töchterschulen und die Gebildeten des weiblichen Geschlechts. 8. Aufl., besorgt von G. H. E. Ohlert. Königsberg (Gebr. Bornträger) 1857. gr. 8. ($ Thlr.)

Pütz (G.), Rudimenti di geografia e sto- ria dell’ evo antico, medio e moderno a seconda del manuale. Parte II. Evo medio. Wien (Gerold’s Sohn) 1857. 8. (14 Thlr.)

Reuschle (K. G.), Handbuch der Geo- graphie oder neueste Erdbeschreibung mit besonderer Rücksicht auf Statistik und Topographie. 1. Liefer. Stuttgart (Schweizerbart) 1857. Lex.8. (18 Sgr.)

, Vollständiges Lehrbuch der Geographie. 2. Theil. A. u. d. Titel: Beschreibende Geographie. Ein Leitfaden der topi- schen u. politischen Geographie, 2. Aufl. Stuttgart (Schweizerbart) 1857. gr. 8. (27 Sgr.)

Roon (Alb.), Geografia topica. Tradotta sulla decima edizione tedesca per uso delle scuola e ginnasiali a norma del piano scolastico da A. A. Milano (Pi- rotte e Co.) 1857. 1018. 8.

Schubert (F.), Elemente der Geographie oder erster Unterricht in der Erdbe- schreibung. 5. Auflage. Wien (Seidel) 1857. 8. (12 Sgr.)

Ungewitter (F. H.), Neueste Erdbe- schreibung und Staatenkunde. 4. Auf- lage. 7. 11. Lieferung. Dresden

538

(Adler und Dietze) 1857. Lex. 8. (& + Thlr.)

Zeidler (J. M.), Geographie für Schüler in Volksschulen. 3. Aufl. 4. Ausgabe. Speyer (Lang) 1857. 8. (4 Sgr.)

Zimmermann (W.F.A.), Der Erdball und seine Naturwunder. Suppl. zur 1. 3. Aufl. Berlin (Hempel) 1857. gr. 8. (& 4 Thlr.)

Cortambert (E.), Traites de Geographie, pour les classes de 68, de 5e, de 4e, de 3e et de 2e, rediges conformement aux programmes arretes par M. le ministre de liinstruction publique en 1857. Pa- ris 1858. 4 vols. 12.

Vulliet (A.), Abrege de geographie phy- sique et politique, destine aux e@coles primaires et aux familles. Paris (Mey- rueir & Co.) 1857. 12.

Bezant (J.), Geographical Questions, classed under heads, and interspersed with Historical and General Information. New edit. by W. C. Stafford. London (Masters) 1857. 102 8. 18. (1 =.)

—, Key to Geographical Questions etc. ibid. eod. 196 S. 18. (2 s.)

Crampton (Thom.) & Turner (Thom.), The Geographical Reading Book: being a Series of Inductive Lessons in Geo- graphy. London (Groombridge) 1857. 120 8. 16. (8d.)

Macdougal (Thom.), Outlines of Mo- dern Geography, and a Short Account of Palestine, or Judaea: with Referen- ces to Blank Maps, intended as an In-

W. Koner:

troduetion to the Study of Geography. 12th edit. London (Simpkin) 1857. 170 8. 12. (2. 6.d.)

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Viaggio pittoresco in Asia ed in Africa. |

Riassunto generale dei viaggi antichi e modermi secundo Erman, Lesseps, G.F. Gmelin, Pallas etc. di G. B. Eyries | accompagnato da carte geografiche e da numerosi incisioni in rame secondo i disegni di Giulio Boilly. Prima tradu- zione italiana di Silvestro Bandarini. Puntata 82— 99. Venezia (Antonelli) 1857. 4.

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544

W. Koner:

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Zur Statistik des Königreichs Hannover. (Aus d. statist. Bureau.) 5. Heft. Han- nover (Hahn, in Comm.) 1857. Fol. (13 Thlr.)

Statistische Nachriehten über das Grofs- herzogthum Oldenburg, herausgeg. vom statistischen Bureau. 2. Heft, enthalt.: Stand der Bevölkerung im Grofsherzog- thum Oldenburg. 1. Abtheil. Oldenburg (Stalling) 1857. gr. 4. (14 Thlr.)

Ortschaftsverzeichnifs für das Grofsherzog- thum Oldenburg. Oldenburg (Stalling) 1857. gr. 4. (4 Thlr.)

Bremen. Ein Führer durch die Stadt und ihre Umgebungen für Fremde und Ein- heimische. Bremen (Kühlmann & Co.) 1857. 16. (2 Thlr.)

Tabellarische Uebersicht des bremischen Handels im Jahre 18356, zusammenge- stellt durch die Behörde für die Handels-

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.

statistik. Bremen (Strack, in Comm.) 1857. Imp. 4. (23 Thir.)

Handbuch für Reisende. Der neueste Weg-

weiser und zuverlässigste Führer durch Hamburg, Altona und deren nahe und ferne Umgebungen. 4. Auflage. Altona (Heilbutt) 1857. 16. (1 Thlr. 6 Sgr.)

Zuverlässiger Wegweiser für Hamburg und dessen Umgebungen. 5. Aufl. (Grieben’s Reise-Bibliothek N. 7.) Berlin (Grie- ben) 1857. 16. (2 Thlr.)

Tabellarische Uebersicht des Lübeckischen Handels im J. 1856. Lübeck (v. Rho- den) 1857. Fol. (} Thlr.)

Lindemann (J.), Kleine Geographie von den Grofsherzogthümern Mecklenburg- Schwerin und Mecklenburg - Strelitz. Schwerin (Hildebrand) 1857. 8. (4 Thlr.)

Beschreibung von Doberan und dem See- bade am Heiligen Damm. Wismar (Hin- storff) 1857. 8. (4 Thlr.)

Beschreibung von Güstrow. Ebds. (6 Sgr.)

Beschreibung von Schwerin. Ebds. (3 Thlr.)

Beschreibung von Wismar. Ebds. (4 Thlr.)

Die sächsischen und thüringi- schen Staaten.

Berthelt (A. J.), Jäkel (K.), Peter-

mann, Geographie, Geschichte, Ver- |

fassung des Königreichs Sachsen. 4.

Aufl. Leipzig (Klinkhardt) 1857. gr.8. |

(2 Ser.)

Poenicke (G. A.), Album der Schlösser und Rittergüter im Königreich Sachsen. Heft 76—85. Leipzig (Exped. d. Al- bums) 1857. qu. gr. Fol. (& 1 Thlr.)

Das Königreich Sachsen, Thüringen und Anhalt dargestellt in malerischen Ori- ginal-Ansichten. 1. Abthl.: Das König- reich Sachsen. No. 17. 18. Darmstadt (Lange) 1857. Lex. 8. (A 8 Sgr.)

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Ganz Dresden und die sächsisch -böhmi- Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. III.

545

sche Schweiz, Illustr. Ausg. 2. Aufl. (Grieben’s Reise - Bibliothek No. 4.) Berlin (Grieben) 1857. 16. (4 Thlr.)

Zuverlässiger Wegweiser durch die säch- sisch-böhmische Schweiz. 2. Auflage. (Grieben’s Reise - Bibliothek No, 16.) Berlin (Grieben) 1857. 16. (4 Thlr.)

Gottschalek (Fr.), Die sächsische Schweiz. Ein Taschenbuch für Rei- sende. 6. Aufl. Dresden (Gottschalck) 1857. 16. (6 Ser.)

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Heunisch (J.A. V.), Das Grofsherzog- thum Baden. Mit Beigaben von J. Ba- der. 1.—5.Lief. Heidelberg (Groos- sche Univ.-Buchh.) 1857. gr. 8.

Beiträge zur Statistik der inneren Ver- waltung des Grofsherzogthums Baden. Herausgeg. von dem Ministerium des Innern. 2.—5. Heft. Carlsruhe (Müller) 1856. 57. gr. 4. (2 Thlr. 9 Sgr.)

Die Bewegung der Bevölkerung im Grofs- herzogthum Baden in den Jahren 1852 1855. Beiträge zur Statistik der inneren Verwaltung des Gro/sherzogth. Baden. Heft 2.

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A Month at Kissingen, and Analytical Table of the Mineral Springs, with Passing Notices of Cologne, the Rhine, Frankfort, Würtzburg, Heidelberg etc. By an Englishwoman. London (Long- man) 1857. 166 8. 12. (3. 6.d.)

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, Die fränkische Schweiz in Stahlstichen nach Original-Zeichnungen mit natur- geschichtlichen Schilderungen, histori- schen Erörterungen und Sagen. 1. Lief.

W. Koner:

Nürnberg (Mayer) 1857. qu. gr.4. (16 Sgr.)

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Acht Tage in München. Für Reisende jedes Standes. 7. Auf. München (Franz) 1857. gr. 16. (4 Thlr.)

Roth (K.), Oertlichkeiten des Bisthums Freising, aus Kozroh’s Handschrift aus- gehoben. 3. Drittel. München (Finster- lin) 1857. 8. (2 Thlr.)

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Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.

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Kratzmann (E.), Der Kurort Marienbad und seine Umgebungen. Ein Handbuch für Kurgäste. 4. Aufl. Prag (Ehrlich) 1857. 16. (14 Thlr.)

Tomek (V. Vladivoj), Pamiti üjezdu Po- lickeho, £ili nynejsich panstvi Polickeho a Broumoysk&ho a2 do zacätku Hu- sitske välky. (Denkwürdigkeiten des Policer Bezirkes oder der jetzigen Do- mänen Polic und Braunau bis zum Be- ginn des Hussiten-Krieges. Prag (Pos- pisil) 1857. 728. 8.

Meyer (Karl Gust.), Monographie der Stadt Kaadan und deren Geschichte seit ihrer muthmafslichen Gründung bis zur neuesten Zeit. Nebst einer Topographie des k. k. Bezirksamtes Kaadan bezie- hungsweise der hierzu gehörigen Kata- stral- Gemeinden. Leitmeritz (Dr. von Medau) 1857. VI, 109 8. 8.

Rojek (Joh.), Zakravi und Reichenwald im Königsgräzischen. Historisch-topo- graphische Abhandlung (in böhmischer Sprache). Pamdtky archeol. a misto- pisne. 1857. Heft 5.

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Malerisch-historisches Album von Mähren und Schlesien. Herausgegeben von E. Hölzel. 1.— 9. Lief. Olmütz (Hölzel) 1857. qu. gr. Fol. (& 1 Thlr.; color. a 13 Thlr.; Pracht-Ausgabe gemalt a 22 Thlr.)

Weeber, Die landtäflichen Güter und Städte in Mähren und Schlesien, nach ihren resp. Besitzern und Waldflächen zusammengestellt. Verhandl.d.Forst- Section für Mähren u. Schlesien. 1857. Heft 1. 2.

Oheral (Joh.), Die Einwohner Mährens (in ezechischer Sprache). Pokladnice, cesko- moravska. 1857.

Album von Brünn. Eine Sammlung der schönsten Ansichten der Stadt. Mit er- läuterndem Texte. 1. Lief. Brünn (Bu- schak u. Irrgang) 1857. 3 Bl. Text u. 3 Kunstbl. qu. Fol.

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Südbahn-Album. Malerische Ansichten in der Nähe der k. k. Staatsbahn von Wien bis Triest. Triest (Direct. des Oesterreich. Lloyd) 1857. qu. 4. (14 Thlr.)

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Kastner (Leop.), DerLohnbediente. Voll- ständigster Führer für Fremde und Ein- heimische in Wien. Mit einem Plane und

548

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Hellbach (Raf.), Der Pilger und Tourist nach dem Wallfahrtsorte Maria-Zell. Nebst Ausfligen auf den Schneeberg, die Raxalpe, den Semmering etc., einem Abstecher nach Eisenerz und Gratz, und einer Darstellung der Donaufahrt von Ybbs nach Wien. Ein Handbuch für Reisende und ein Führer für an- dächtige Pilger zur 700jährigen Jubel- feier. Mit 1 Karte und 19 Illustr. Wien (Wenedikt) 1857. IV, 2488. 8. (1 Thlr.)

Hellbach (Raf.), Der Führer zum Neu- siedler-See, auf den Schneeberg und die Raxalpe. Mit besonderer Berück- sichtigung von Eisenstadt, Esterhaz, Forchtenstein, Neustadt, der Gegenden um den Wechsel, der Brühl und Ba- dens. Ein Handbuch für Reisende und ein zuverläfslicher Führer in fast alle an der Südbahn von Wien bis auf den Semmering und der Oedenburg-Wiener- Neustädter Eisenbahn gelegenen Gegen- den. Mit 9 Illustr. u. einer Karte. Wien (Wenedikt) 1857. 272 8.8. (2 Thlr.)

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Zingerle (Ign. V.), Sitten, Bräuche und Meinungen des Tirolervolkes, gesammelt und herausgegeben. Innsbruck (Wagner) 1857. XXI, 213 8. 8.

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W. Koner:

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Schmidl (A.), Die Höhlen des Oetscher. Wien (Gerold’s Sohn, in Comm.) 1857. Lex. 8. (18 Sgr.) Abdruck aus den Sitzungsber. der Wiener Akad. d. Wiss. Mathem.- naturwiss. Cl. XXIV. 1857.

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Krejei (J.), Die Besteigung des Grofs- glockners. (In ezechischer Sprache.) Sbornik. Kalendar ucitelsky na rok 1858.

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Streffleur (Val.), Stralsen-Statistik des österreichischen Kaiserstaats. 1. Einlei- tung und Strafsenbeschreibung des Her- zogth. Kärnten. Mittheil. aus d. Ge- biete der Statistik. Jahrgang V. 1856. Heft 1.

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Weinhold (K.), Auf einer steirischen Alm. Westermann’s illustr. deutsche Monats-Hefte. 1857. Juni.

Der Kurort Gleichenberg in Steiermark. Mit Plan und Ansicht. Gratz (Kien- reich) 1857. 15 8. 8.

v. Düringsfeld (Ida), Aus Kärnthen. Prolog zu: „Aus Dalmatien‘. Prag (Bellmann) 1857. 139 S. 8.

Haller (Joh.), Mittheilungen an meine Landsleute über die Reise nach Heili- genblut und auf den Pasterzengletscher bei Gelegenheit der Anwesenheit Ihrer K.K. Maj. Franz Josef und Elisabeth im September 1856. Villach (Druck von Hoffmann) 1857. 32 8. 8.

Statistik von Krain aus dem Jahre 1780. Mittheil. d. histor. Vereins für Krain. 1857. Februarheft.

Handel und Schifffahrt von Triest im Jahre

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.

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Movimento della navigazione mercantile in Trieste nel solare 1856. Trieste (Tip. Weis) 1857. 10 8. 4.

Galizien. Ungarn. Dalmatien.

Beschreibung der Wälder von Lopatyn. Mit einer. Karte. Verhandl. der K. K. galizischen Landwirthschafts-Gesell- schaft. Heft 21. 1857. (In polnischer Sprache.)

Hornyänsky (Viktor), Geographisches Lexicon des Königreichs Ungarn und der serbischen Woivoodschaft mit dem Temescher Banate. Ein Hilfsbuch für Behörden, Postämter, Advokaten und Geschäftsmänner. Nach amtlichen Quel- len und den besten Hilfswerken. Hft.1.2. Pesth (Heckenast) 1857. S. 1—160. 8.

Die Jäszöer Höhle (auch Köszäler genannt) im Gösmörer Komitate. Der Natur- freund von Ungarn. 1857.

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Tormay (K.), Bevölkerung der Städte Buda-Pest und ihre Bewegung im Jahre

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zusammengestellt. Pest (Druck von J. Herz) 1857. 41 $., 12 Bl. gr. 8. (26 Ser.)

—, A nepesseg mozgalmänak kimutatässa | Pest |

Budä-Pesten 1854 es 55 ben. (Herz) 1857. 39 8., 12 Bl. 8. (26 Sgr.)

Hartleben’s Historisch - romantischer Polyglotten-Führer durch die Städte Pest und Ofen zu ihren Sehens- und Merkwürdigkeiten und ihren nächsten Umgebungen. In vier Sprachen: unga- risch, deutsch, französisch u. englisch. Pest, Wien u. Leipzig (Hartleben). 181, 129 S. 8. Mit einem color. Plane von Pest-Ofen.

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Die Schweiz.

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Meyer (J.), Grundzüge der physikali- schen Geographie der Schweiz. Leipzig (Weber) 1857. 8. (4 Thlr.) ;

Dargaud (J. M.), Voyage aux Alpes. Paris 1857. 4148. 18. (1 Thlr. 5 Sgr.)

Bradshaw’s Illustrated Handbook to Switzerland and the Tyrol; with beauti- ful clear steel engraved Map of the Country and Plans of the Towns etc. London (Adams) 1857. 16. (5 s.)

Hinchliff (Thom. W.), Summer Months among the Alps, with the Ascent of Monte Rosa. London (Longman) 1857. 320 S. 8. (10s. 6d.)

Thiele (L.), Bilder aus den Alpen. Er- innerungen einesMalers. (Conversations- und Reise-Bibliothek No. 25.) Leipzig (Lorck) 1857. 8. (+ Thlr.)

Studer (G.), Ausflug in die Grajischen Alpen. Mittheil. der naturforsch. Ge- sellsch. in Bern. 1856. N. 360—84.

Corrodi (A.), Reisebriefe aus der Schweiz und Mailand. Luzern (Kaiser) 1857. 8. (1 Thlr.)

Gras (Seipion), Etudes sur les torrents des Alpes. Annales des Ponts et Chaussces. 1857. Juillet et Aoüt. p. 1.

Die Bäder und Curorte der Schweiz. Prak- tischer Leitfaden für Badebesucher und Touristen. Zürich (Honegger-Schmid) 1857. 16. (24 Sgr.)

Vogt (P. F. W.), Der Kurort Hof-Ragaz in der Schweiz. Giefsen (Ricker) 1857. 8. (z Thlr.)

Tscheinen, Tagebuch über die Erdbe- ben des Visperthales in den J. 1855 und 1856. Vierteljahrsschr. d. natur- Forsch. Gesellsch. in Zürich. 1857. I. Beft 1. 2.

Ein Tag in Bern. Führer zu den Sehens- würdigkeiten der Bundesstadt und deren nächsten Umgebung. Bern (Heuberger) 1857. gr. 16. (4 Thlr.; mit dem Pano- rama von Bern 18 Sgr.)

550

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W. Koner:

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Handbook for Travellers in France; being a Guide to Normandy, Brittany, the Rivers Seine, Loire, Rhöne, and Ga- ronne, the French Alps, Dauphine, Pro- vence, and the Pyrenees, their Railways and Roads; with Maps. 6th edit. re- vised, with an Account of the Island of Corsica. London (Murray) 1857. 640 S. 12. (9 s.)

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Bradshaw’s Illustrated Guide through Paris aud its Environs, exhibiting in a novel and comprehensive form all that can be seen and how to see it. New edit. London (Adams) 1857. 100 8. 8. (15. 6.d.)

Practical Paris Guide; with the through Routes between London and Paris, in ful Detail: a Practical Map, and, in the briefest possible space, every neces- sary Advice, Hotels, Steamers, Tariffs ete. By an Englishman abroad. Lon- don (Longman) 1857. 208. 12. (1s.)

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New illustrated Guide of the Hague and its Environs. Containing: Historical and Topographical Description. An Account of remarkable Buildings, Public Esta- blishments ete. With a new plan of the Hague. Hague (Couvee) 1857. IV, 54 and 10 bl. 12. (f. 1.)

Guide de l’etranger a Harlem. Avec 8 pl. et un plan de la ville. Haarlem (van Brederode) 1857. 8. (f. 1,50.) Mit holländischem Text. (f. 1,50.)

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Te an a a a ee

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne,

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Brown’s Stranger’s Handbook and Illu- strated Guide to the City of Salisbury; or an Account, Historical and Descrip- tive, of the Objects of Interest in Sa- lisbury and its Neighbourhood. By J. B. Moore. London (Salisbury; Simp- kin) 1857. 146 S. 12. (2 s. 6. d.)

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Black’s Picturesque Tourist of Scotland, illustrated by maps, plans, and engra- vings. 13th edit. Edinburgh (Longman) 1857. 602 8. 12. (8s. 6.d.)

Black’s Picturesque Tourist of Ireland. 2d edit. Edinburgh (Longman) 1857. 16. (5 s.)

Black’s Guide to Dublin and the Wick- low Mountains. Edinburgh (Longman) 1857. 90 8. 18.

Black’s Guide to Killarney and the South

Edin- 140 S. 18.

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Statistisk Tabelvaerk. Ny Raekke. Tolote Binds anden Afdeling, indeholdende Ta- beller over Folkenmaengden efter Nae- ringsvei og Stilling i Kongeriget Dan- mark, Hertugdommet Slesvig og Hertug- demmerne Holsteen og Lauenborg. Den 1ste Febr. 1855. Udgivet af det Stati- stiske Bureau. Kjebenhavn (Gyldendal) 1857. 716 S. med 2 Populationskort. 4. (2 Rd. 48 [s.)

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Prospecter af danske Herregaarde, udgive af Richardt, T. A. Becker og C. E. Secher. 8de Binds 1 4. Heft. 9de Binds 1ste og 2det Heft. Kjoben- havn 1857. qu. Fol. (a 1 Rd. 24 fs.)

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Dizionario corografico-universale dell’ Ita- lia sistematicamente suddiviso secondo Vattuale partizione politica d’ogni sin- golo stato italiano compilata da parec- chi dotti italiani. Disp. 14450. Mi- lano e Verona (Civelli) 1856. 8. (Disp. 144. 145. Stato pontificale. Disp. 146 48. Cantone Tieino. Disp. 148. 150. Reame di Napoli. Disp. 149. Regni di Sicilia.)

Guida, storico -statistica monumentale dell’

TERBEZEREDEE

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.

Italia e delle Isole di Sieilia, Malta, Sardegna e Corsiea. XI edizione Arta- ria corredata da una carta dell’ Italia in due gran fogli, piante topografiche delle prineipali eitta, carte di strade ferrate ete. Milano (Artaria) 1857. XL, 452 8. 8.

Bädeker, Die Schweiz, die italienischen Seen, Mailand, Genua, Turin, Hand- buch für Reisende. 7. Aufl. Coblenz (Bädeker) 1857. 8. (1 Thlr. 22 Sgr.)

—, La Suisse, les lacs italiens, Milan, Genes, Turin. Manuel du voyageur. Trad. de l’allemand par C. F. Girard. edition. Ebdas, 1857. 8. (1 Thlr. 22 Sgr.)

Förster (E.), Handbuch für Reisende nach und in Ober-Italien. München (Lit. art. Anstalt) 1857. 8. (14 Thlr.)

v. Lossow (E.), Handbuch zurRReise nach und in Italien. 3. Aufl. Berlin (Remak) 1857. 8. (22 Thlr.)

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Rampini (Jos.), Italia in One Volume. Edinburgh (Simpkin) 1857. 12. (10 =. 6d

Kate (J. J.L. ten), Italie. Reisherinne-

ringen. 3— afl. Met gelith. en in tint gedrukte plat. Arnhem (Swaan) 1857. (& f. 0,70.)

Brunner ($8.), Kennst du das Land. Heitere Fahrten durch Italien. Wien (Braumüller) 1857. 8. (1 Thlr. 27 Sgr.)

Malerisch -historisches Album von Italien. 48 Stahlstiche. Triest (Direct. d. Oest. Lloyd) 1857. qu. Fol. (34 Thlr.)

Nuova descrizione ‘del Regno Lombardo- Veneto coll’ aggiunta dei viaggi che mettono ad alcune cittä della Svizzera e del Tirolo. Edizione Artaria corre- data di varie carte geografiche e di 10 piante topografiche delle prineipali eitta. Milano (Artaria) 1857. X, 1468. 8.

Venedig. Historisch-topographisch-artisti- sches Reisehandbuch für die Besucher der Lagunenstadt. Herausgeg. vom öster- reich. Lloyd in Triest. Mit 12 Ansichten u. einem Plane der Stadt. 2. verb. Aufl. Triest 1857. VIII, 192 S. 8.

Venezia prospettiva, monumentale, sto- rica ed artistica cioe veduta nella prin- eipali sue prospettive e nelle sue an- tiche costumanze con sessante tavole litografiche disegnate da Marco Moro e da Gius. Rebellato, illustrato da Franc.

595

Zanotto. Fase. 4—7. Venezia (Bri- zeghel, Editore). 1856.

Zanotto (Franz), Das malerische, monu- mentale, historische und artistische Ve- nedig. Eine Darstellung seiner Haupt- ansichten und alten Gebräuche in 60 Steindrucktafeln, gezeichnet vonM.Moro und J. Rebellato. Aus dem Ital. von Adalb. Müller. 4.__ 7. Lieferung. Ebds. 1856.

Müller (A.), Venedigs Kunstschätze und historische Erinnerungen. Ein Wegwei- ser in der Stadt und auf den benach- barten Inseln. Venedig (Münster) 1857. (28 Sgr.; in engl. Einb. 1 Thlr. 12 Sgr.)

Combatti (Bernardo e Gaetano), Nuova planimetria della citta di Venezia, di- visa in venti tavole compilate e diseg- nate. Fasc. 22. Schlufs. Venezia (Ti- pogr. di Naratovich) 1856. 8.

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Lijst van gedrukte kaarten, voorhanden in het archief der genie van het Mi- nisterie van Oorlog. Opgemaakt naar de registers van het archief door den adjuncetecommies T. J. M. Mei;boom. ’s Gravenhage (Algem. Landsdrukkerij) 1857. 436 bl. Roy. 8.

Mappemonde. Systeme homolographique de J. Babinet, dressee par A. Vuille- min, publice par E. Bourdin. Paris. 2 grandes feuilles coll&es sur toile.

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Geographische Netze zu Stieler’s Schul-

Atlas. 26 Bl. Kupferst. Nürnberg (Serz |

& Co.) 1857. gr. 4. (12 Sgr.)

Atlanten über alle Theile der Erde.

Bauer (C. F.), Atlas für Handel und Industrie. 3. u. 4. Lieferung. Mannheim (Bassermann) 1857. qu. gr. Fol. (& 23 Sgr.)

Kiepert (Heinr,), Neuer Hand-Atlas über alle Theile der Erde. VI. Lief. (4. Eu- ropa. 32. Continent von Australien und Neu-Seeland. 35. Nordwestliches Africa. 39. Mittel-Amerika und Westindien.)

Vervaar- |

|

Berlin (D. Reimer) 1857. 4 Bl. Fol, (1 Thlr. 18 Sgr.) Handatlas der Erde und des Himmels in

70 Lief. Neu revid. Ausg. 12.—16. Lief. Weimar (Landes-Ind.-Compt.)

1857. Qu. Imp. Fol. (a 4 Thlr.)

Wandkarte von Asien, Europa und der nördlichen Küste von Afrika. 10 lith. u. illum. Blätter. München (Lit.-artist. Anstalt) 1857. Imp. Fol. (2 Thlr. 18 Sgr.; auf Leinw. u. in Mappe 3 Thlr. 24 Sgr.)

Clarke’s Shilling Atlas. Coloured. Part I. London (Allmann) 1857. oblong. (1s.)

Blackwood’s Shilling Atlas. Containing 15 Maps, with Coloured Outlines, In- dex ete. London (Blackwood) 1857. 4. 1s.

(John), A School- Atlas of Mo- dern Geography; containing 40 Maps, prepared from the best Authors, and including the Latest Discoveries. Lon- don (Ward &L.) 1857. roy. 8. (12 s.)

Dower (John), A Short Atlas of Modern Geography, for use of Schools. New edit. London (Ward & L..) 1857. roy.8. (4 s.)

The University Atlas of Classical and Mo- dern Geography, including all recent Geographical Discoveries. With Indexes. London (Stanford) 1857. Fol. (31. 6.d.

The UNE Atlas of Classical Geography; selected from the Maps published under the superintendence of the Society for Diffusion of Usefull Knowledge. With Index. London (Stanford) 1857. Fol. (12. 6d.; Junior Qlassical 7 s.)

Frijlink (H.), Nieuwe hand -atlas der aarde, in haren tegenwoordigen toestand,

574 W. Koner:

In vijf-en-twintig kaarten. In koper gebragt door onze voornamste kaart- graveurs. geheel op nieuw bewerkte uitgave. le af. 3 kaarten. Amsterdam (Frijlink) 1857. br. fol. (f. 1,40.) Landkaarten voor schoolgebruik, enz No. 57 en 58. Zwitzerland and Dalmatie. 2 gelith. en gekl. bladen. Amsterdam (Brinkman) 1857. kl.4. (& f. 0,05.)

Historische und nautische At- lanten.

Atlas zu Höfler's Weltgeschichte. Prag (Artist. typogr. Instit. von K. Bellmann) 1857. 7 Bl.

Historischer Atlas nach Angaben von Hein- rich Dittmar. 3. Aufl. revid. u. ergänzt von D. Völter. Heidelberg (Winter) 1857. qu. Imp. 4. (1 Thlr. 24 Sgr.)

Spruner (K.), Historic Geographical At- las of the Middle and Modern Ages, based on the Atlas of Dr. Spruner. Translat. by Edw. Gover. Revised edit. London (Groombridge) 1857. Fol. (25 =.)

Heybrock (J. M.) und Ratzeburg (J. A.H.C.), Nautischer Hand-Atlas zum Gebrauche für Seeleute und Alle, wel- che sich für das Seewesen interessiren. Berlin (Hirschwald) 1857. qu. Fol. (13 Thlr.)

Karten von Europa, namentlich Mittel-Europa.

Weber’s Eisenbahnkarte von Mittel-Eu- ropa. Holzschnitt. Leipzig (Weber) 1857. qu. gr. Fol. In 8-Carton. (4 Thlr.)

v. Stülpnagel (F.), Skol-Vägg-Karta. Europa med huarje stats politiska grän- sor. 9 chromolith. Bl. Gotha (Perthes) 1857. gr. Fol. (Auf Leinw. u. in Mappe 31 Thlr,)

Raab (C.J.C.), Specialkarte der Eisen- bahnen Mittel-Europa’s. 3. Aufl., um- gearb. von H. Müller. 4 Bl. Glogau (Flemming) 1857. Imp. Fol. (Auf Lein- wand 2 Thlr. 12 Sgr.)

Eisenbahnkarte von Mittel-Europa. Ent- worfen u. gez. von H. Lange. 2. Aufl. (Brockhaus’ Reise-Atlas.) Leipzig 1857. qu. Fol. In 8-Carton. (4 Thlr.)

Handtke (F.), Post- und Reise-Karte von Deutschland und den Nachbar-

Staaten. Neue revid. Ausg. für 1857. Glogau (Flemming) 1857. Imp. Fol. (13 Thlr.; auf Leinw. u. in engl. 4- Carton 2! Thlr.)

Hendschel (U.), Neueste Eisenbahnkarte von Central-Europa. Lith. u. illum. Frankfurt a. M. (Jügel’s Verl.) 1857. Imp. Fol. In 8-Carton. (1 Thlr.; auf Leinw. 1, Thlr.)

Kunsch (H.), Post-, Reise- und Eisen- bahn-Karte von Deutschland und den Nachbarstaaten. Neue revid. Ausg. für 1857. Glogau (Flemming) 1857. Imp. Fol. (In 8-Carton 4 Thlr.; auf Leinw. in engl. 8-Carton 1-', Thlr.)

—, Eisenbahn-Karte von Mittel-Europa mit Angabe der Dampfschifffahrts-Ver- bindungen. Ebds. Imp. Fol. In 8-Car- ton. (4 Thlr.)

Müller (H.), Karte der Eisenbahnen Mittel-Europa’s mit Angabe sämmtli- cher Bahnstationen, Hauptpost- und Dampfschiff-Verbindungen. Ebds. 1857. Imp. Fol. In 8-Carton. (18 Sgr.)

Haymann (B.), Post- und Eisenbahn- Karte von Deutschland und den an- grenzenden Ländern. Dresden (Gott- schalck) 1857. Imp. Fol. In 8-Carton. (12 Sgr.; auf Leinw. 1 Thlr.)

v. Sydow (E.) und Berghaus (H.), Deutschland. 2. Auflage. Chromolith. Gotha (Perthes) 1857. Imp. Fol. (Auf Leinw. u. in Mappe 11 Thlr.)

Bühler (J. A.), Post- und Reisekarte von Deutschland und den Nachbarlän- dern. Neue Ausg. Kupferst. u. illum. Stuttgart (Göpel) 1857. Imp. Fol. (In 8-Carton 18 Sgr.; auf Leinw. und in engl. 8-Carton 1 Thlr. 6 Sgr.)

Jügel’s (Carl) Post- und Reise-Karte von Deutschland und den Nachbar- Staaten. Bearbeitet von U. Hendschel. Neue Ausg. Kupferst. u. illum. 6 Bl. Frankfurt a. M. (Jügel’s Verl.) 1857. gr. Fol. (Auf Leinw. u. in Etui 3 Thlr.)

Karten von Preufsen.

Ohmann (C.), Wandkarte des preufsi- schen Staates in 9 Blättern. Lith. u. color. Neue Aufl. Leipzig (Rein) 1857. qu. Imp. Fol. (2 Thlr.)

Topographische Karte vom preufsischen Staate; östlicher Theil. Bearbeitet in der topograph. Abtheilung des Königl. preulsischen Generalstabes. Sect. 262: Naumburg a. d. Saale. (163 Sgr.) Sect.

en

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.

228: Eisleben. (163 Sgr.) Sect. 245: Querfurt. (163 Sgr.) Sect. 264: Luckau. (4 Thlr.) Seet.279: Altenburg. (4 Thlr.) Berlin (Schropp & Co.) Fol.

Schulz, Plan von Bromberg und Um- gegend zwischen der Weichsel u. Netze, sowie der Kgl. Oberförstereien Wteino und Glinke. 4 Bl. Bromberg (Aronsohn) 1857. qu. Imp. Fol. (14 Thlr.)

Kiepert (H.), Die preufsische Provinz Pommern. Revid. von C. Gräf. Kpfrst. u. illum. Weimar (Landes-Ind.-Compt.) 1857. qu. Imp. Fol. (4 Thlr.)

v. Hagenow (F.), Karte von Neu-Vor- pommern und der Insel Rügen. Chro- molith. 5. Aufl. Greifswald (Bamberg, in Comm.) 1856. (2 Thlr.)

Karte der Oder und des Haffs von Stet- tin bis zu den Mündungen. Chromo- lith. Stettin (Müller) 1857. gr. Fol. In gr. 16-Carton. (4 Thlr.)

Neuer Plan von Stettin. Lith. Stettin (Grafsmann) 1857. Imp. Fol. (2 Thlr.)

Karte der Insel Rügen. Chromolith. Stet- tin (Müller) 1857. Fol. In 8-Carton. (4 Thlr.)

Umgegend von Berlin nach Reymann’s Specialkarte von Deutschland. Lith. u. illum. Glogau (Flemming) 1857. Imp. Fol. (2 Thlr.; auf Leinw. u. in engl, 8-Carton 1 Thlr. 8 Sgr.)

v. Aigner (H.), Plan der Umgegend von Breslau. Lith. Breslau (Kern) 1857. Imp>.Fol. (4 Thlr.).

Breslau. Plan der Stadt nebst einem Füh- rer für Fremde. Chromolith. Entw. u. gez. von H. Lange. 1857. qu. 4. In 8-Carton. (4 Thlr.) (Brockhaus’ Reise- Atlas.)

Karte des Rheinlaufes von Mainz nach Cöln. Nach Reymann’s Specialkarte von Deutschland. Lith. Glogau (Flemming) 1857. qu. Imp. Fol. In 8- Carton. (4 Thlr.)

Karten der übrigen Staaten Deutschlands.

Saniter (H.) und Graff (F.), Plan von Rostock. Chromolith. Rostock (Stiller, in Comm.). Imp. Fol. (1 Thlr.; in 8- Carton 14 Thlr.)

Bosse, Karte von den Mündungen der Weser, Elbe, Jade und Eider, Lith. Mit Text. 8. Bremen (Kühtmann & Co.) 1857. Imp. Fol. (2 Thlr. 27} Ser.)

Gräf (C.), Die Herzogthümer Schleswig,

575

Holstein und Lauenburg mit den freien und Hansestädten Hamburg u. Lübeck. Weimar (Landes-Industr.-Compt.) 1857. Kpfrst. u. illum. Imp. Fol. (4 Thlr.)

v. Ehrenstein (H. W.), Das Königreich Sachsen nach den neuesten amtlichen Unterlagen. Lith. u. color. Dresden (Ad- ler und Dietze) 1857. Imp. Fol. (14 Thlr.) ;

v. Süfsmilch-Hörnig (M.), Topogra- phische Specialkarte vom Königreich Sachsen. 4 Bl. Chromolith. Dresden (Burdach) 1857. qu.Imp. Fol. (In Mappe 23 Thlr.; aufgezogen in 8- Carton 35 Thlr.; aufgezogen mit Rollen 22 Thlr.)

Die sächsische Schweiz. Entworfen und gez. von H. Lange. 3. Aufl. (Brock- haus’ Reise-Atlas.) Leipzig 1857. (4 Thlr.)

Brantl (K.), Panorama der Eisenbahn und Schifffahrt zwischen Prag und Dres- den. In Stahl gest. 102 Zoll lang. Mit Text in qu. 4. Prag (Andre) 1857. (In Carton 2 Thlr. 24 Sgr.)

Karte vom Thüringer Walde. Chromolith. Berlin (Grieben) 1857. Fol. In 16-Car- ton. (4 Thlr.)

v, Arnswaldt (B.) und Kiepert (H.), Situations-Plan der Umgegend von Ei- senach. Kupferstich u. illum. Weimar (Landes-Industrie-Compt.) 1857. Fol. (4 Thlr.)

Kassel. Plan der Stadt nebst einem Füh- rer für Fremde. Entworfen u. gez. von H. Lange. (Brockhaus’ Reise- Atlas.) Leipzig (Brockhaus) 1857. qu. 4. In 8- Carton. (! Thlr.)

Kauffmann (A.), Schulkarte vom Grofs- herzogthum Hessen und dem Herzogth. Nassau. 3. Aufl., neu bearbeitet von M. Frommann. 4 Bl. Lith. u. color. Mainz (Faber) 1857. gr. Fol. (12 Thlr.)

Bolia (C.), Karte des Grofsherzogthums Baden und des gröfsten Theils von Württemberg. Lith. u. illum. (Grofs- sche Univ.-Buchhdl.) 1857. Imp. Fol. (8 Sgr.)

Karlsruhe Strafsburg. Führer für Rei- sende auf der Eisenbahn von Karlsruhe nach Baden-Baden u. Strafsburg. Ent- worfen u. gez. von H. Lange. (Brock- haus’ Reise-Atlas.) Leipzig 1857. Chro- molith. hoch 4. In 8-Carton. (4 Thlr.)

Stralsburg Basel Schaffhausen. Füh- rer für Reisende auf den Eisenbahnen zwischen Stralsburg, Basel, Zürich und

576 W. Koner:

Schaffhausen. (Brockhaus’ Reise-Atlas.) Chromolith. hoch 4. In 8- Carton. (+ Thlr.)

Kiepert (H.), Das Königreich Würtem- berg und das Grofsherzogthum Baden. Nach C. F. Weylands Entwurf umge- arbeitet. Revid. v. C. Gräf. Kupferst. u. illum. Weimar (Landes-Industr.- Compt.) 1857. Imp. Fol. (4 Thlr.)

Kiepert (H.), Die fränkische Schweiz nebst Umgegend von Bayreuth, Forch- heim und Erlangen. Chromolith. Ber- lin (D. Reimer) 1857. Imp. Fol. In 8-Carton. (18 Sgr.)

Die Donau von Donauwörth bis Passau. Entworfen und gezeichnet v. H. Lange. (Brockhaus’ Reise-Atlas.) Leipzig1857. In 8-Carton. (} Thlr.)

Schmidl (A.), Die Donau von Ulm bis Wien, (Brockhaus’ Reise-Bibliothek.) Leipzig (Brockhaus) 1857. 8. (z Thlr.)

Krejei (Jan.), Horopisne obrazy okoli prazskeho. Stixten vysve tlujieim. Praze (Röhlitek) 1857. 20 8. 9 Taf. 4. (Bildliche Schilderungen der Höhen in der Umgegend von Prag. Mit er- läuterndem Texte.)

Die Donau von Passau bis Linz und Wien. Führer für Reisende. Entworfen und gezeichnet von H. Lange. Chromolith. Mit 6 Abbild. in Stahlst. Leipzig 1857. qu. Fol. in 8-Carton. (4 Thlr.) (Brock- haus’ Reise-Atlas.)

Zappert (G.), Wien’s ältester Plan. Wien (Gerold’s Sohn, in Comm.) 1857. Lex. 8. (12 Sgr.)

K. K. Militär-Geogr. Institut: Komitats- Karten des Königreichs Ungarn. M. 1:288,000. Komitat Marmaros; 8o- mogy; Eisenburg; Zala; Ober-Neutra; Pesth-Solter; Csongrader, Szolnoker Komitat und das Ober-Kapitanat von Jazygien und Cumanien.

Kiepert (H.), Ungarn mit seinen Ne- benländern und Galizien. Revid. von C. Gräf. Kupferst. u. illum. Weimar (Landes -Industr.-Compt.) 1857. qu. Imp. Fol. (4 Thlr.)

Karten der Schweiz.

Ziegler (J. M.), Neue Karte der Schweiz. Kupferst. Winterthur (Wurster & Co.) 1857. Imp. Fol. Aufgezogen und in engl. 4-Carton nebst Erläuterungen. (3 Thlr. 6 Sgr.)

Völter (D.), Die Schweiz und Lichten-

stein. Lith. u. col. Efslingen (Wey- chardt) 1857. Fol. in engl. 8-Carton. (12 Sgr.)

Ziegler (J. M.), Geographische Karte der Schweizerischen Gewerbsthätigkeit. Carte geographique de l’Industrie suisse. Winterthur (Wurster & Co.) 1857. Fol. In 8-Carton. M. 1:600,000.

Karte des Bodensees und seiner Umge- bung. Lith. Ulm (Müller) 1857. qu. Fol. In 16-Carton. (4 Thlr.)

Dieselbe mit 16 Rand-Ansichten. Ebd. gr. Fol. In 4-Carton. (18 Sgr.)

Der Bodensee. Reliefdarstellung seiner Ufer und Umgebungen bis Frauenfeld und St. Gallen. Leipzig (Exped. der Illustr. Zeitg.) 1857. gr. Fol. (4 Sgr.)

Karten von Frankreich.

Die militärische Kartographie in Frank- reich und die Neben-Arbeiten des Kriegs- Depöts. Oesterreich. Militär - Zeit. 1857. N. 60. 61.

General-Karte von Frankreich. In 4 Bl. Weimar (Landes-Industr.-Comp.) 1857. Imp. Fol. (24 Thlr.)

Carte topographique de la France au 80,000e, publiee au Depöt de la Guerre, 20e livr., comprenant les feuilles de Saint-Jean-Pied-de-Port, Bayonne, Mont-de-Marsan, Grignols, Gourdon, La Reole, Libourne, le Faonet, Mor- laix. Paris.

Chatelain (Anatole), Carte des chemins de fer de France et des pays limitro- phes, dressee, d’apres les documents officiels les plus recents, pour faire suite & Yatlas chronologique des che- mins de fer de France, 1823 1855, du möme auteur. Paris 1857.

Calais 1857. M. 1:4850. (Engl. Ad- miralitäts Karte.)

Karten von Grofsbritannien.

Kiepert (K.), Die britischen Inseln oder die vereinigten Königreiche Grofsbri- tannien und Irland. Rev. von C. Gräf. Kupferst. u. illum. Weimar (Landes- Industr.- Comptoir.) 1857. Imp. Fol. (4 Thlr.)

England East Coast. Entrance to the River Humber, surveyed by E.K. Cal- ver, 1851—52. M. 1:48,000. (Engl. Admiralitäts-Karte.)

England East Coast. Entrance to the

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.

River '[yne, surveyed by E, K. Cal- ver, 1838 49, correetions to 1857. M. 1: 7,265. (Englische Admiralitäts- Karte.)

River Thames, Sheet I, from the Kentish

Knock and the Naze to the West Swin, |

surveyed by Capt, Bullock 1844 49, correetions to the 1857. M.1:52,000. (Engl. Admiralitäts-Karte.)

Shotland West Coast, Sheet IV, Islay, Jura, Colonsay ete., surveyed by Capt.

Robinson and Commodore Betford |

‚1849 55, additions to 1857. M.1: 145,000. (Engl. Admiralitäts-Karte.)

Scotland West Coast. The Port and Vi- einity of Wick, surveyed by Commo- dore Slater 1839, additions in 1857. M. 1: 4,864. (Englische Admiralitäts- Karte.)

Spencer’s New Map of the Town of Leicester, divided into Parishes and Wards, and containing all the Public Buildings and Streets: from a Special Survey in 1857. London (Simpkin) 1857. (1s., eolour. 1s. 6.d.)

Karten der Niederlande.

Algemeene land-en zee-Kaart van de Ne- derlandsche overzeesche bezittingen, met het Koningrijk der Nederlanden in Eu- ropa. Op de schaal van 1:3,000,000. Naar de beste en niewste bronnen on- der deskundig toezigt zamengesteld en geteekend door A. J. Bogaerts. 6 ge- lith. bl. Breda (Bogaerts) 1857. fol. (f. 8; gekleurd f. 10; op linnen f. 14.)

van Os (J. M.), Nieuwe afstandswijzer der voornaamste plaatsen in Nederland, Luxemburg en Belgi& in uren gaans. Amsterdam (J. M. E. Meijer) 1857. 1 bl. (f. 1.)

Kaart der gemeente Haarlemmermeer, met omliggenden grond en water, de ver- schillende seetiön, boerderijen; huizen, enz Schaal 1:50,000, benevens staat der eigenaren, met aanluiding van num- mer en oppervlakte van ieder perceel, enz., door G. A. de Geus. 2e druk. 2 gelith. blad. Rotterdam (van Gogh & Oldenzeel) 1857. Fol. (In etui £. 1; gekleurd f. 1,50.)

Kaart van de provincie Groningen, met aanduiding van de soort en lengte der wegen, de waterwegen, enz., opgemaakt naar de bestaande Kaarten en volgens nadere opnemingen en opgaven, getrok-

Zeitschr. f. allg. Erdk. Neue Folge. Bd. IU.

577

ken uit de bestekken van onderhan- den aanleg der wegen, kadastrale plans en andere officiöle stukken. Met eene afstandswijzer. Door J. W. Blanken. 1 gelith. bl. Groningen (Oomkens) 1857. gr. fol. (f. 2; op katoen ge- drukt f. 3.)

Kaart van de provineie Noord-Braband. Door A. B. van Lieshout. 3 gelith. blad. Breda (Bogaerts) 1857. gr. fol. 1856. (f. 3.)

Tietsema (W.), Plattegrond der stad Groningen in 1857. Groningen (Roelf- sema) 1857. 1bl. (f.1.)

v. Doemming (F.), Plan der Umgegend von Luxemburg. 4 Bl. Lith. Luxem- burg (Bück, in Comm.) 1857. gr. Fol. (2 Thlr. 4 Sgr.)

Karten von Dänemark.

Bull (Ad.), Atlas von Danmark. Pl. III. IV. Sjaelland 1, 2. M. 1:96,000. Kje- benhavn (Chr. Steen & Sön).

Hoffensberg (J.), Kort over Danmark. Kjobenhavn 1857. (8 %.)

Bull (A.), Kort over den norostlige og nordvestlige Deel af Sjaelland. Steen og Son og Udg. (Pl. IT og IV af Atlas over Danmark.) (#2 Rd. 48 fs.)

Korti 1:120,000 sand Storrelse over Sles- vigs Fastland og Als. Efter Krigsmi- nisterens Befaling recognosceret i Aarene 1851 til 1854 af Officerer i Armeen paa Grundlag af Videnskabernes Sel- skabs Opmaalinger. Bearbeidet og ud- givet ved Generalstaben. J sex Blade. II. De nordestre Blad og V. Det syd- vestre Blad. (& 48 fs.)

Mansa (J. H.), Lommekort over Kje- benhavns Omegn. Kjebenhayn (Gad) 1857. (36 £s.)

Hoffensberg (J.), Kort over Fyen og Langeland. Kjebenhavn 1857. (32 fs.)

Kort over Sjeelland. 1:480,000 Deel af den virkelige Storrelse. Ebd. (40 [s.)

Orienteringskort over Moen og Moens Klint. Ebd. (16 fs.)

Karten des europäischen Rufs- lands.

Gräf (C.), Das europäische Rufsland. Weimar (Landes-Industr.-Compt.) 1857. Kupferst. u. illum. Imp. Fol. (4 Thlr.)

Geometrischer Plan der Gouvernements- Stadt Reval. Lith. Reval (Kluge)

37

978

1856. qu. Imp. Fol. Carton 14 Thlr.)

(1 YThlrs? m

Karten von Italien.

Kiepert (H), Italien. Revid. von C. Gräf. Kupferst. u. illum. Weimar (Landes-

Industrie-Comptoir) 1857. Imp. Fol. (4 Thlr.) Ober- und Mittel-Italien. Revid. von

C. Gräf. Ebd. qu. Imp. Fol. (4 Thlr.)

Unter-Italien oder das Königreich bei- der Sieilien. Revid. von C. Gräf. Ebd. Imp. Fol. (4 Thlr.)

Berra (F.), Carte postale dell’ Italia. Kupferst. u. illum. Nürnberg (Beyer- lein) 1857. Imp. Fol. In 8-Carton. (4 Thlr.)

Carta topografica del Lago Maggiore e della Strada del Sempione. Torino (Maggi) 1857.

Neuer Plan von Venedig. Lith. Vene-

dig (Münster) 1857. Imp. Fol. in 16- |

Carton (3 Thlr.) ;

Carte de la partie sud-ouest des Etats de l’Eglise, redigee et gravde au Depöt de la Guerre, & l’echelle de 80,000e, d’apres la triangulation et les leves ex&cutes par les officiers du corps d’etat- major. Paris 1856. 3 feuilles.

Plan de Rome et des environs, & l’echelle du 20,000e, leve par les officiers d’etat- major, et publie au Depöt de la Guerre en 1856. Paris. 1 feuille.

Karten von Asien.

Kiepert(H.), Asien, Revid. von C. Gräf. |

Kupferst. u. illum. Weimar (Landes- Industr.-Compt.) 1857. gr. Imp. Fol. (4 Thlr.)

Cartes de l’Asie et de l’Oceanie, dressees par E. Desbuissons, sous la direc- tion de M. E. Cortambert. Paris 1857. 2 feuilles.

van Senden (G.H.), Bijbel-atlas. Nieuwe verbeterde uitgave. Bevattende tevens de voltooijing van het daarbij behoo-

rende, maar nog onafgewerkt register |

door P. J. Veth. afl. Register. bl. 81 120. Amsterdam (Brinkman). 4. (£. 1.) 3e afl. Kaarten. bl. 33 —48, met Kaart IX— XI. 4.

China. Sheet IX. Yang-Tse-Kiang from the Sea to Nanking surveyed by Capts. Be- thune, Kellet and Collinson 1842.

| | |

| China Sea.

ı Weiland (C. F.), Vorder-Indien.

W. Koner:

Correetions to 1857. M. 1:297,000. (Engl. Admiralitäts-Karte.)

Views on the Eastern Coast of China. (Engl. Admiralitäts-Karte.)

Carimata Strait. to 1857. M. 1:525,000. miralitäts-Karte.)

Kiepert (H.), Karte der britischen Be- sitzungen in Ostindien. Mit einer Ueber- sicht der Zeitfolge ihrer Erwerbung. Lith. u. illum. Berlin (D. Reimer) 1857. Imp. Fol. (12 Sgr.)

Kiepert (H.), Vorder-Indien. Weimar (Landes-Ind.-Compt.) 1857. Kupfeıst. u. illum. Imp. 4. (24 Ser.)

Petermann (A.), Die geographisch-sta- tistischen Hauptmomente Indiens. Kar- tographisch dargestellt. Gotha (Per- thes) 1857. qu. gr. Fol. (6 Sgr.)

Mahlmann (H.), Karte von Britisch- Indien diesseits des Ganges. Mit be- sonderer Rücksicht auf die Gegenwart nach den neuesten, meist amtlichen Quellen geographisch, historisch und statistisch bearbeitet u. herausgegeben. Berlin (Schropp) 1857. Fol.

Corrections (Engl. Ad-

Ku- pferst. u. illum. Weimar (Landes-Ind.- Compt.) 1857. Imp. Fol. (4 Thilr.)

König (Th.), Karte des Kriegsschau- platzes in Ostindien. Lith. u. illum. Berlin (Wagner) 1857. gr. Fol. (4 Thlr.)

Baur (C. F.), Kartenskizze zum Kriegs- schauplatz in Indien. Lith. u. illum. Stuttgart (Baur) 1857. qu. gr. Fol. (6 Sgr.)

Nouvelle carte des Indes et des pays li- mitrophes, avee un carton indiquant les voies de communication entre l’An- gleterre et les Indes. Dressee et gra- vee par Erhard Schieble, avec une no- tice historique et geographique margi- nale par Alb. Leroy. Paris (Taride) 1857. 1 feuilles. (1 Fr. 25 ce.)

Kaart van het oorlogstooneel in Engelsch Oost-Indie. Amsterdam (Seyffardt) 1857. 1 bl. fol. in tint gelith. (f. 0,25.)

Atlas of India. Revised by J. Walker. Selected from the Maps published un- der the Superintendence of the Society for the Diffusion of Useful Knowledge. Compiled from the Latest and most Authentie Sources, including all the recent Geographical Discoveries. Lon- don (Stanford) 1857. Fol. (21 s.)

Stanford’s Special Map of the Revol- ted Distriets of British India; compri-

Du

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne 579

sing the North-West Provinces, the Punjab ete. (2s. 6d.; in case 5 s.) On a Sheet folded. London (Stan- ford) 1857.

Adlard’s New Map of India: with the Däk or Postal Roads accurately mar- ked. London (Werthheim) 1857. 12. (6 d.)

Wyld’s Map of Delhi, with the Forti- fications, Cantonments etc. London (Wyld) 1857. In sheet 1s.; in case 2s.; on rollers (3 s. 6 d.)

Algemeene Atlas van Nederlandsch Indie. Uit office. bronnen zamengesteld door P. Baron Melvill de Carnbee. Blad 17—20, het eiland Bali, de residentie Pekalongan, Bezoeki en de afdeeling Banjoewangi en Kadoe. 4 gelith. en gekl. bladen. Batavia (van Haren No-

man & Kolff). Voor Nederland. Zalt- | bommel (Joh. Noman & Zoon) 1857. |

(a f. 2,25.)

Indian Ocean, published April 15th. 1857. |

M. 1:17,600,000. (Engl. Admiralitäts- Karte.)

Karten von Afrika.

Carte generale de l’Algerie & l’echelle de 1:1,600,000, dressee au Depöt de la Guerre. Paris 1856. 2 feuilles.

Carte del’Algerie a l’Echelle de 1:100,000, d’apres les leves et les reconnaissances des officiers d’etat-major, pnbliee par le Depöt de la Guerre. Paris 1856. Province d’Alger, 2 feuilles; province de Constantine, 2 feuilles; province d’Oran, 2 feuilles.

Carte topographique des environs d’Alger,

a l’echelle de 1:200,000, d’apres les |

leves et les reconnaissances des officiers d’etat-major, publiee par le Depöt de la Guerre. Paris 1856. 1 feuille,

Mediterranean Sea. Port of Algier, sur- veyed by Lieusson 1846. M.1:10,200. (Engl. Admiralitäts-Karte.)

Malte-Brun (V. A.); Carte d’itineraire d’El-Oued & R’dämes dressee d’apres les esquisses de MM. les capitaines de Bonnemain et Robert; avec un plan de la ville de R’dämes et une esquisse des routes vers R’dämes, d’apres J. Richardson, Prax et Renou. Paris 1857. 1 feuille.

Carte de la regence de Tunis, ä l’echelle de 1:100,000, dressee au Depöt de la Guerre, d’apres les observations et

les reconnaissances de M. Falbe, ca- pitaine de vaisseau danois; de M. Pri- cot Sainte-Marie, chef d’escadron d’etat-major frangais, et d’apres les ren- seignements recueillis par eux. Paris 1857. 2 feuilles.

West Coast of Africa. Sheet XVI. Porto Novo to Jaboo, surveyed by Capt.Den- ham 1846. Additions to 1857. M. 1:295,000. (Engl. Admiralitäts-Karte.)

Africa, West Coast. Lagos River, surveyed by Earl, Curtis and Harris. 1851. M. 1:18,100. (Engl. Admiralitäts- Karte.)

Africa East Coast. Masanyzani Bay to Primeira Islands, by Capt. Owen. 1824. Correetions to 1857. M. 1:750,000. Carton: East Luabo River by Capt. Parker. 1851. M. 1:155,000. (Engl. Admiralitäts - Karte.)

Karten von Amerika.

Kiepert (H.), America. Revidirt von C. Gräf. Weimar (Landes-Industrie- Compt.) 1857. 1 Bl. Kpfrst. u. illum. Imp. Fol. (2 Thlr.)

Monk’s (Jacob) New American Map, exhibiting the larger Portion of North America, embracing the United States and Territories, Mexico and Central America, including the West India Is- lands, the Canadas, New Brunswick, and Nova Scotia. Compiled from recent Government Surveys, and other Authen- tie Sources. Baltimore 1857. 52 by 55 inches, on roller. (42 s.)

Sägelken (J. B.), Neuester Plan von New-York, verbunden mit einer Be- schreibung der Stadt. 2. Aufl. Bremer- haven (Vangerow, in Commiss.) 1857. gr. Fol. (1 Thlr.)

Carte du Texas pour les missions et vuyages de l’abbe Em. Domenech, dressee d’apres les documents officiels topographiques et les travaux de J. Cordova. Paris 1857. 1Bl.

Monk’s (Jac.) New Map of Central Ame- rica, Yucatan and Florida, including Cuba, Jamaica, and the Bahama Is- lands; exhibiting those Portions of Ala- bama, Mississippi, Louisiana, Texas, and Mexico, bordering on the Gulf of Me- xico. Compiled from the latest Govern- ment Maps, and other Authentic Sour- ces. Baltimore 1857. 40 inches by 42, in case. (14 s.)

580 W. Koner:

Map of Central America. Compiled from Materials furnished by the Committee on Foreign Relations of the Senate of the U. S. Executed at the Office of | the U. S. Coast Survey. A D. Bache, | Supdt; under Special Direetion of Cap- | tam W. R. Palmer. March 1856. 1:2,300,000. Washington. Fol. max.

Die neuesten englischen und amerikani- schen Aufnahmen im Gebiet des La Plata und die Kartographie der Repu- blik Uruguay. 1. Englische Aufnahmen des untern Paraguay, unter Lieut. Day, 1853. 2. Englische Aufnahme des un- tern Uruguay, unter Sulivan u. Sidney, 1847 und 1856. 5. Die amerikanischen Aufnahmen im La Plata-Gebiet unter Lieut. Page, 1853 —56. 4. Die Karto- graphie der Republik Uruguay. Peter- mann’s Mittheil. III. 1857. p. 401.

Karten von Australien.

v. Sydow (E.), Wand-Atlas.. No. VI. Australien. (Russisch.) 6 Bl. Chromo- lith. Gotha (Perthes) 1857. gr. Fol. (Auf Leinw. u. in Mappe. 31 Thlr.)

Gräf (C.), Australien. Weimar (Landes- Industrie-Compt.) 1857. Kupferst. u. illum. qu. Fol. (4 Thlr.)

General Map of Australia and Tasmania or Van Diemen’s Land showing the Bri- tish Colonies as divided into Counties. Drawn from the British and French Go- vernment Surveys and other Sources, with the new electorial divisions of the Colony of Vietoria. Edinburgh (A. & C. Black) 1857.

Physik der Erde.

Poey (Andre), Analyse des hypotheses anciennes et modernes qui ont ete emi- ses sur les tonnerres sans &clairs par | un ciel parfaitement serein ou dans le sein des nuages; accompagnde d’une relation des tonnerres sans eelairs ob- serves sous diverses latitudes et en par- tieulier & la Havane, ainsi que d’un essai theoretique sur la nature des ton- nerres sans Eclairs par un ciel couvert ou serein. , (Extrait de V’Annuaire de | la, Societe meteorologique de France. MARY p% 113), Paris} 1857. 208448 |

Jobard, Vues hypothetiques sur la cause du tonnerre, sur la formation des nua- ges etc. L’Institut. Sciences mathe- matiques. 1857. p. 263.

Observations on the Zodiacal Lisht from April 5, 1853, to April 10, 1855, made chiefly on Board the U. S. Steam Fri- gate Mississippi during her late Cruise in Eastern Seas and her Voyage home- ward; with Conclusions from the Data thus obtained by the Rev. George Jo- nes. Forming Vol. III. U. S. Japan Ex- pedition. 706 8. 4. (31 s. 6. d.) |

Marcou, Bruit qui accompagne l’aurore boreale. Vierteljahrsschr. der Natur- Jorsch. Gesellsch. in Zürich. II. 1857. Heft 2.

Meech (L. W.), On the Relative Inten- sity of the Heat and Light of the Sun | upon Different Latitudes of the Earth. | Smithsonian Contributions. IX. 1857.

Note sur la cause prineipale du pheno- mene nomme Seiche. Bullet, de la Soc. de Geogr. IVe Ser. XIV. 1857. p. 77.

Dove (H. W.), Ueber das Gesctz der Stürme. Berlin (D. Reimer) 1857. gr. 8. (2 Thlr.)

Chappelsmith (John), Ueber Minimal- Barometerstände und Stürme. Mit- theil. d. K. K. Geograph. Ges. zu Wien. I. 1857. Heft 2. p..96.

Lachmann (W.), Die Jahre 1826 und 1846, 1836 und 1856 in ihren meteo- rologischen Verhältnissen. Zeitschr. Für die gesammte Naturwissensch. 1857. März.

Mühry, Das Klima von Deutschland. Kritische Blätter für Forst- u. Jagd- wissensch. XXXIX. 1857. p. 178.

Dove (H. W.), Klimatologische Beiträge. 1. Thl. Berlin (D. Reimer) 1857. gr. 8. (12 Thlr.)

Dove (H. W.), Meteorologische Beobach- tungen im Monat März, April, Mai, Juni 1857. Mittheil. d. statist. Bureau’s in Berlin. 1857. N. 13 £.

—, Einige Bemerkungen über die Witte- rung der ersten Hälfte des J. 1857. ibid. N. 15.

Galle (J. G.), Grundzüge einer schlesi- schen Klimatologie. Aus den von der Schlesischen Gesellschaft für vaterlän- dische Cultur seit dem Jahre 1856 ver- anlafsten und einigen älteren Beobach-

Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.

tungsreihen ermittelt und nach den in den Jahren 1852 1855 ausgeführten Rechnungen der Herren G. Günther, R. Büttner und H. v. Rothkirchen zu- sammengestellt. Breslau (Max u. Co., in Commiss.) 1857. XXIII, 127 8. 4. (2 Thlr.)

Weber (J.), Jahresberichte der meteoro- logischen Station in Halle. Zeitschr. für die gesammte Naturwissensch. 1857. Juni.

Ausfeld, Meteorologische Beobachtungen zu Schnepfenthal im Jahre 1856. ibid.

Müller (K.), Das Brockengespenst. Die Natur. 1857. N. 26.

Güldenapfel, Meteorologisches Phäno- men in der Gegend von Weimar beob- achtet. Zeitschr. für die gesammte Naturwissensch. 1857. April.

Plininger, Witterungsgang im J. 1856. Würtemberg. Jahrb. (1856) 1857. p- 67.

Kreil (K.), Entwurf eines meteorologi- schen Beobachtungs-Systems für die österreichische Monarchie. Wien (Ge- rold’s Sohn, in Comm.) 1857. Lex. 8. (7 Sgr.)

Lamont (J.), Resultate aus den an der königl. Sternwarte veranstalteten meteo- rologischen Untersuchungen, nebst An- deutungen über den Einflufs des Kli- ma’s von München auf die Gesundheits- Verhältnisse der Bewohner. Abhandl. der Münchener Akad. d. Wiss. Math.- phys. Cl. VII. 1. 1857. p. 181.

Tabellarische Uebersicht der Witterung in Oesterreich im Monat December 1856, Januar und Februar 1857. Sitzungs- ber. der Wiener Akad. d. Wiss. Ma- them.- naturwiss. Cl. XXIV. 1. 2. 1857.

Das Klima von Görz. Programm des Ober- Gymnasiums zu Görz 1857. Görz. 50 8. 8.

Kornhuber (G. A.), Die klimatischen Verhältnisse zu Prefsburg während des Jahres 1856. Verhandl. d. Vereins für Naturkunde zu Pre/sburg. 1856.

Uebersicht der Witterung im Jänner, Fe- bruar und März 1857. Der Natur- Jreund Ungarns. 1857. Heft 4.

Meteorologische Beobachtungen. ibid. 1857; in jedem Hefte.

Rückblick auf das meteorologische Jahr 1856. ibid. 1857.

Hofmeister, Chronik der in der Schweiz beobachteten Naturerscheinungen, De-

581

cember 1856 April 1857. Viertel- jahrsschr. der Naturforsch. Gesellsch. in Zürich. II. 1857. Heft 2.

Koch, Meteorologische Beobachtungen im Winter 1855 56 und im Frühling 1856. Mittheil. der naturforsch. Ges. in Bern. 1856. p. 36084.

Observations met&orologiques faites & l’ob- servatoire de Geneve sous la direction de M. le Prof. E. Plantamour. Bi- blioth. umiv. de Geneve. Zu Ende jedes Heftes.

Tableau des obseryations meteorologiques faites au Saint-Bernard. ibid.

Quetelet (A.), Sur le climat de la Bel- gique. VIIe partie. De l’etat du ciel en general. Bruxelles 1857. 118 S. gr. 4.

Observations sur la meteorologie, l’electri- cite et le magnetisme de la terre, fai- tes en 1854 et 1855, a l’Observatoire royal de Bruxelles. Observations me- teorologiques. Bruxelles, 4.

Meteorologische Waarnemingen in Neder- land en zijne Bezittingen en Afwijkin- gen van Temperatuur en Barometerstand op vele plaatsen in Europa, uitgegeven door het Koninklijk Nederlandsch Me- teorologisch Instituut. 1856. Utrecht (Kemink & Zoon) 1857. XII, 362 S. qu. Fol.

Weerkundige waarnemingen op de huize Zwanenburg. Allgemeene Konst- en Letterbode. 1857. Zu Ende jeder Num- mer.

Kupffer (A. T.), Correspondance meteo- rologique. Publication annuelle de l’ad- ministration des Mines de Russie. An- nee 1855. St. Petersbourg (Impr. d’Alex. Jacobson) 1857. 109 u. LXIX S. 4. Mit 2 Taft.

Kupffer (A. T.), Annales de l’Observa- toire physique central de Russie publiees par ordre de Sa Majest€ Imperiale, sous les auspices de $. Exc. Mr. de Brock. Annee 1854. N. 1. St. Petersbourg 1856. 886 u.69 8. gr. 4.

Observations meteorologiques et magne- tiques de St. Petersbourg, de Catherin- bourg, de Barnaoul, de Nertchinsk, de Pekin, de Tiflis, de Bogoslovsk, de Zla- toouste, de Lougan, de Sitka. Kupf-

. fer, Annales. 1856.

Spasski, Observations meteorologiques faites & l’observatoire astronomique de l’Universite Imperiale de Moscou. Bullet. de la Soc. Imper. des Naturali- stes de Moscou. 1856. p. 325. 641,

582 W. Koner: Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze etc,

Vesselovsky (C.), Des vents de pluie en Russie. Bullet. de l’Acad. de St. Petersbourg. Ül. d. sciences hist. phil. T.XIV. p. 97.

Toumacheff (K. A.), Moyennes tirdes des observations meteorologiques faites dans les obseryatoires magnetiques des Mines de 1846 & 1855 inclusivement. Kupffer, Annales de l’Observatoire physique. 1856. Supplement.

Position geographique des stations meteo- rologiques et formules avec lesquelles on a calcul€ les moyennes. Kupffer, Correspondance meteorologique. 1857.

Vesselovsky (C.), Observations des phenomenes periodiques. ibid. 1857.

—, Tabellen über mittlere Temperaturen im russischen Reiche. ibid.

, Memoire sur la grele en Russie. ibid.

—, Jours, ou le thermometre a baisse, a St. Petersbourg, jusqu’a ou au des- sous de —20° R. ibid.

, Resumes des observations meteorolo- giques faites a la ferme-ecole du Nord, situde dans le Gouvernement de Vo- logda. ibid.

, Variations horaires de la temperature moyenne & Kasan, d’apres les observa- tions du Prof. E. Knorr. ibid.

, Humidite relative de l’air par les diffe- rents vents & Gorki, gouvernement de Mohilev. ibid.

—, Variations diurnes de la direction du vent & Catherinbourg. ibid.

—, Temperatures moyennes de Kostroma en 1855. ibid.

Abramow, Ueber den trocknen, staubi- gen Nebel, der am 16., 17. u. 18. Fe- bruar (alten Styls) 1856 in der Stadt Semipalatinsk stattfand. Bote ( Wjäst- nik) der Kais. Russ. Geogr. Ges. 1857. Heft III. (Bd. XX.)

Abstracts of the Results of the Hourly Meteorological Observations taken at the Surveyor General’s Office, Caleutta, in the Month February, 1857. Journ. of the Asiat. Soc. of Bengal. Vol. XXVI. 1857.

Das Klima von Aegypten. Zeitschr. f.-ı_

allgemeine Erdkunde. N. F. II. 1857. p- 564.

Nardi, Beobachtungen über das Klima Aegyptens. Petermann’s Mittheil. II. 1857. p. 426.

Observations meteorologiques faites & Al- ger pendant le mois de Mai Sep- tembre 1857. Gazette medicale de V’Algerie. 1857. N. 7—10.

Mitchell (A.), L’Algerie, son climat et sa valeur curative. Suite et fin. ibid. 1857. p. 81. 103. 117.

Blodget (Lorin), Climatology of the United States, and of the Temperate Latitudes of the North American Con- tinent: embracing a full Comparison of these with the Climatology of the Tem- perate Latitudes of Europe and Asia; with Isothermal and Rain Charts, inclu- dinga Summary of Meteorological Obser- vations in the United States, condensed from recent scientific and official Publi- eations. Philadelphia 1857. 8. (28 s.)

Sabine (Edw.), Observations made at the Magnetical and the Meteorological Observatory at Toronto in Canada. Vol. III. 1846. 1847. 1848. With Ab- stracts ofObservations to 1855 inclusive. London (Longman) 1857. CXXVII, 455 S. gr. 4.

Hough (Franklin B.), Essay on the Cli- mate of the State of New York. Transactions of the N. Y. State Agri- cultural Society. Vol.XV. 1855. 1856. p. 189.

Nardi (Franc.), Sulle piü alte e piü basse temperature assolute osservate nell’ emisfero boreale e sulla esistenza di un mar polare libero da ghiaceio. Pa- dova (Tipogr. dell I. R. Acad. di Pa- dova). 17 8. 4.

Froriep (Rob.), Das Klima am Nord- pol. Illustr. Familienbuch d. Oester- reich. Lloyd. Bd. VII. Heft 7.

Vietoria. Second Meteorological Report, with diagrams of barometric pressure etc. Presented to Both Houses of Par- liament by his Excellency’s Command. 1856 57. Melbourne. 40 S. Fol.

_ Mit 4 Karten.

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Schriften über Central- Amerika. Explorations and Adventures in Honduras, comprising Sketches of Travel in the Gold Regions of Olancho.. By William V. Wells. London END Te ee alt BEN S 2 ela are, Sara ea ee es rer ORD Walker’s Expedition nach Nicaragua. Von William V. Wells. Aus dem Englischen. Braunschweig 1857. 8 . . . 2..2.....528 Wanderungen durch die mittelamerikanischen Freistaaten Nicaragua, Honduras und San Salvador. Von Dr. Carl Scherzer. Braun- schweig 1857. 8. HER . 529 Sitzung der eögranhlichen Gesellschaft zu Beim, vom 7. Woche, 1857 . 530 en 5. Decbr. 1857 . 532 Uebersicht der vom Juli bis December 1857 auf dem Gebiete der Geo- graphie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. Von W.

URN A a BE ER BSR ORTE U. Karten. Taf. VI. Die Goldregion im östlichen Honduras nach der Karte von Wells reducirt.

Taf. VII. Die Kokos- oder Keelings-Inseln. Reducirt nach der Aufnahme von Fitzroy.

Von dieser Zeitschrift erscheint jeden Monat ein Heft von 5— 6 Bogen ' mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, ist 2 Thlr. 20 Sgr.

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Die siebente Lieferung, welche fast vollendet ist und in einigen Monaten erscheinen soll, wird folgende Karten enthalten: No. 1. Erdkarte in Mercator’s Projeetion. 16. Schweiz. 18. Spanien und Portugal. 36. Nord-Amerika. Der vollständige Allas wird aus 10 Lieferungen a 4 Bl., jede zu dem Preise von 1 Thir. 18 Sgr., he= stehen.

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