(mn che mail Eu . A. Zeitſchrift für Allgemeine Erdkunde. Mit Unterſtützung der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin und unter beſonderer Mitwirkung von H. Ww. Dove, C. G. Ehrenberg, H. Kiepert und C. Ritter in Berlin, K. Andree in Dresden und J. E. Wappäus in Göttingen herausgegeben von Dr. T. E. Gumprecht. Fünfter Band. 5 Mit einer Karte. Berlin. Verlag von Dietrich Reimer. 1855. Juli 1855 BEAT! Allgemeine Erdkunde. Wit Auterſtützung der Beſellſchaft für rd kunde zu Berlin 5 8 EN und unter beſonderer Mitwirkung . von . 0 W. Dove, C. G. Ehrenberg, 9. Airport und °C. Ritter = in Berlin, K. Andree in Dresden und J. E. Wappäus in Göttingen. | enden von ; Dr. L. €. Gumprecht. | Saufter | Band. Erſtes Heft. Derlin. Verlag von Dietrich Reimer. 1855. Inhalt. Seite K. Brandes: Die letzte Kunde über Sir 1 5 und ke Ge⸗ fährten. (Hierzu eine Karte) N 2 1 Neuere Literatur. A. Rutenberg und Gumprecht The Mediterranean. A memoir phy- sical historical and nautical by Rear-Admiral Will. Henry Smyth etc. 8. London. J. W. Parker and Son. 1854. 500 8. 47 M. Willkomm: D. Manuel Recacho, Memoria sobre las nivelaciones barometricas ete. Madrid 1855. 60 Briefliche Mittheilungen. C. Ritter: Aus einigen Schreiben von J. H. Petermann über die Oaſe Jezd, die neueſten Zuſtände der in iR lebenden Er und Er RN von Jezd nach Iſpahan . 76 Miscellen. C. Ritter: Die große . der Erde in der Mitte des alten Con⸗ tinents. 22 Ey a Gumprecht: Höhenbeſtimmungen in Sibirien. ar 2 Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 14. April 1855. 3 Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 19. Mai 1855. 94 H. Kiepert: Erläuterungen zu der Karte der Entdeckungen im Nordpolar⸗ meer bis 1854. Von dieſer Zeitſchrift erſcheint jeden Monat ein Heft von 4 bis 5 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Se welche nicht getrennt abgegeben werden, iſt 2 Thlr. 20 Sgr. Gerrudt bei A. W. Schade in Berlin, Grünſtr. 18. 3 r 1 Die letzte Kunde uͤber Sir John Franklin und ſeine Gefaͤhrten. Hierzu eine Karte (Tafel J). 1) Kriegsgericht über die Befehlshaber der letzten arktiſchen Expedition. Niemand wird ohne lebendige Theilnahme dem Zuge der Vorgänge und Ereigniſſe folgen, welche unmittelbar nach der Rückkehr des arkti— ſchen Geſchwaders im October 1854 die Aufmerkſamkeit des engliſchen Volks beſchäftigten, und ſelbſt durch die aufregendſten politiſchen Nach— richten und Kriegsgerüchte — denn die erſten brieflichen Erzählungen über die Kämpfe an der Alma, und die Täuſchungen der fälſchlich ge— meldeten Einnahme von Sebaſtopol fallen in die erſten Wochen des Monats October — nicht in den Hintergrund gedrängt werden konnten. Je beſtimmter ſich damals ſogleich die Ueberzeugung feſtſetzte, daß nunmehr die Reihe der zur Rettung Franklin's und ſeiner Gefährten entſandten Expeditionen geſchloſſen ſein werde und daß fortan jedem Gedanken an eine neue Ausrüſtung für dieſen Zweck entſagt werden müſſe, deſto ſtürmiſcher erhob ſich die Stimmung gegen den Oberbe— fehlshaber der verlaſſenen Schiffe, — zumal noch alsbald verlautete, daß Capitain Sir Edward Belcher in viel größerem Maße, als an— fangs vermuthet werden mochte, nicht nur die hochgehenden Erwartun— gen jener Tauſende, welche mit geſpanntem Blicke ſeiner Erfolge harr— ten, ſondern ſelbſt das auf ihn geſetzte Vertrauen der Behörden ſtark getäuſcht hatte. In bitteren Ergießungen wurde ihm ein ſchimpflicher Mangel an Muth, Entſchloſſenheit, Thatkraft und Ausdauer zum Vor— wurfe gemacht. Die Polarſee im hohen Norden, auf welcher Franklin, Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 1 10 7 * 2 K. Brandes: den dermalen überwiegend gehegten Vermuthungen zufolge, die nord— weſtliche Durchfahrt geſucht, ſchien dieſen Seefahrer ſchon durch ihren Anblick zurückgeſchreckt zu haben. Uneingedenk ſeiner Verheißungen hatte er ſich von dort wieder heimwärts gewandt, ohne auch nur einen ernſt— lichen Verſuch daran zu wagen. Und von dem Augenblicke dieſes Ent— ſchluſſes an war es als ob mit dem Muthe auch das Glück gänzlich von ihm gewichen wäre. Die Rückfahrt im Wellington-Canal miß⸗ lang, und es kam dahin, daß er nicht blos ſeine beiden Schiffe im Eiſe ſtecken ließ, ſondern ſogar, jedes glücklichen Ausganges verzwei— felnd, den Capt. Kellett durch wiederholte ſtark betonte Befehle nöthigte, auch die andern beiden Fahrzeuge den arktiſchen Elementen zur Zer— ſtörung preiszugeben. Es konnte nicht anders als den peinvollſten Ein— druck machen, zu ſehen, wie dieſer Commander ſo ganz erfolglos ſich in Gegenvorſtellungen erſchöpfte, wie er ſelbſt die Zeugniſſe ſeiner Of— fiziere aufrief, um eine ſolche voreilige Maßregel abzuwenden. Ver— gebens wurde von dieſen Männern geltend gemacht, daß der Standort der Schiffe mitten in der Barrowſtraße keine Beſorgniß einflößen konnte, daß ihre Dauerhaftigkeit ſich probehaltig erwies, daß die Ausſichten auf baldige Befreiung aus dem Eiſe gar nicht fern lagen, während der Muth der Mannſchaft ohne Anfechtung und die Subſiſtenzmittel noch auf ein Jahr ausreichend erfunden waren, ſelbſt wenn die zu— verläſſig erhoffte Zufuhr aus England nicht erfolgte. Wie nahe lag nicht bei ſolchen Betrachtungen die Auffaſſung, daß lediglich an der Zaghaftigkeit oder in einer beklagenswerthen Mißſtim— mung des Capt. Belcher die letzten Ausſichten für die Rettung der vermißten Schaar zu Grunde gegangen ſeien! Auf dieſen Einen Mann allein fiel in den Urtheilen der öffentlichen Meinung die Schuld des nunmehrigen ſchmachvollen Ausgangs der mit ſo außerordentlichem Auf— wande unternommenen und durch tauſend Proben heldenmüthiger Auf— opferung unvergeßlichen Rettungsverſuche für die im Dienſte des Va— terlandes ausgegangenen Mannſchaften. Zunächſt richteten ſich indeß alle Blicke erwartungsvoll dem Ver— lauf und Ausſpruch des Kriegsgerichts entgegen, welches, den beſte— henden Vorſchriften zufolge, die Anführer der verlaſſenen Schiffe alsbald zur Rechenſchaft ziehen ſollte. Dieſes Gericht trat am 17. October un— ter dem Vorſitz des Vice-Admiral Gordon im Hafen von Sheerneſſ r r J > | Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 3 auf dem Schiffe Waterloo zuſammen. Außer Belcher wurden auch die Capitains M'Clure!) und Kellett und der Commander Richards vor ſeine Schranken gefordert. Das Urtheil über M'Clure, der zuerſt aufgerufen wurde, konnte keinem Zweifel unterworfen ſein. Er hatte ſich mit ſchmerzlichem Wi— derſtreben durch die Entſcheidung des Capt. Kellett, als ältern Offi— ziers, genöthigt geſehen, ſeinen Inveſtigator und mit ihm ſeine begei— ſterten Wünſche auf die Vollendung der nordweſtlichen Durchfahrt auf— zugeben. Seine Trennung von dem Hauptſchiffe Enterpriſe, wie ſehr ſie ihm auch von Freunden Collinſon's als ein disciplinariſches Ver— gehen zum Vorwurf gemacht werden konnte, blieb ganz unerwähnt. Dagegen wurde ſeinem Unternehmungsgeiſt, ſeiner Kühnheit und Um— ſicht, mit welcher er ſein Schiff erhalten, die glänzendſte Anerkennung gezollt. Unter den Ausdrücken des ehrendſten Beifalls erhielt er ſei— nen Degen zurück. Weiter konnte es Niemand überraſchen, daß auch Capt. Kellett und Commander Richards nicht blos gerechtfertigt, ſon— dern auch mit Ehren aus der Unterſuchung hervorgingen: ſie hatten nur den Befehlen Folge geleiſtet, welche der Oberbefehlshaber unter eigener Verantwortlichkeit erließ, und namentlich hatte Kellett nur zö— gernd und im Kampfe mit der von ihm perſönlich gehegten Anſicht ſich gefügt. So fiel denn zuletzt die ganze Schwere des Gerichts auf Sir Edw. Belcher's Haupt. Der 19. October — denn drei Tage dauerte die Unterſuchung — iſt für ihn ein heißer Tag geweſen. In einer mehrſtündigen Vertheidigungsrede, von der uns nur die unvollſtändi— gen Berichte engliſcher Zeitungen vorliegen, bot er Alles auf, um nicht blos die ihm ertheilte Berechtigung, ſondern auch die unbedingte Noth— wendigkeit ſeiner Rückkehr nachzuweiſen. Letztes iſt ihm indeß nicht genügend gelungen. Gleichwohl bietet ſeine Darſtellung vielfaches In— tereſſe. Sie ſchildert in einer lehrreichen, hin und wieder ſelbſt ergrei— fenden Weiſe die Hemmungen und Gefahren der arktiſchen Schifffahrt, ) Dem Capt. Robert J. Le M. F. M'Clure R. N. war inzwiſchen in der öffentlichen Sitzung der Londoner geographiſchen Geſellſchaft am 22. Mai 1854 eine der beiden von derſelben alljährlich für die im verfloſſenen Jahre um die Erdkunde erworbenen hervorragendſten Verdienſte beſtimmten goldenen Medaillen (die ſogenannte Patrons Medal) ertheilt worden. ö * * 4 K. Brandes: indem fie uns mitten in die Schwierigkeiten und Kämpfe verſetzt, auf welchen ſeine Maßregeln beruhten. Alle Unbefangenen kamen zu der Ueberzeugung, daß Belcher auf Grund der im feſten Vertrauen auf ſeine Thatkraft ihm ertheilten Voll— macht und Befugniſſe nicht verurtheilt werden konnte; ja noch mehr, daß ſeine Rückkehr mit allen Mannſchaften dem Buchſtaben ſeiner In— ſtructionen am ſicherſten entſprach und an ſich am meiſten geeignet war, das Maß ſeiner perſönlichen Verantwortlichkeit zu verringern. Allein dieſer Geſichtspunkt entſprach dem Sinne der Admiralität mit nichten. Vielmehr pflegte dieſe Behörde bei den Entwürfen der Verhaltungs— maßregeln für Entdeckungsreiſen offenbar von dem Geſichtspunkte aus- zugehen, daß es vorzüglich ihre Aufgabe ſei, den Unternehmungseifer und die Thatenluſt der Befehlshaber in beſtimmten Schranken zu hal— ten. Sie ſchärfte gern zurückhaltende Maßregeln der Behutſamkeit und Vorſicht ein, um die Verantwortlichkeit von der Regierung abzuwenden. Es wurde vorausgeſetzt, daß die arktiſchen Seefahrer ſich dadurch in ihren Unternehmungen nicht lähmen laſſen, ja daß ſie ſelbſt in geeig— neten Fällen vor Ueberſchreitungen der Inſtruction auf ihre eigene Ver— antwortlichkeit hin nicht zurückſchrecken würden. In dieſem Sinne verfiel das Verfahren Belcher's der öffentlichen und allgemeinen Miß— billigung. Man betrachtete es als eine Niederlage, daß er die vier beſten Schiffe ſeines Geſchwaders zurückgelaſſen hatte und ein gewiſſer Unmuth über dieſe Verluſte ſcheint die leidenſchaftliche Erregung gegen ihn geſteigert zu haben. Konnte der Gerichtshof ſelbſtverſtändlich zu— letzt doch nicht umhin, ihn für gerechtfertigt zu erklären, ſo ließ er in das Urtheil eine ſehr fühlbare Zurechtweiſung darüber einfließen, daß die Berathung mit Capt. Kellett hinſichtlich des Aufgebens der Schiffe nicht ſtattgefunden. In dem Wortlaut der Freiſprechung Sir Edw. Belcher's wurde der Beiſatz „mit Ehren“ ſchwer vermißt, und als ihm zuletzt der Degen zurückgegeben ward, geſchah dies mit bedeutungsvol— lem Stillſchweigen, zum Zeichen, daß man mit ſeiner Handlungsweiſe nicht zufrieden war. — — In dieſe Tage der tiefſten Erregung aller derjenigen, die von Sehnſucht nach Aufſchluß über das Schickſal Franklin's und ſeiner Ge— fährten erfullt ihre Blicke nach dem hohen Polarmeer jenſeits des Wel— lington-Canals richteten, ſollte indeß plötzlich und unverſehens eine Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 5 Trauerkunde fallen, welche allen bis dahin noch gehegten Hoffnungen höchft unerwartet ein Ziel ſetzte, und wie auf einen tückiſchen Schlag plötzlich Alles mit Bildern der gräßlichſten Vernichtung erfüllte. 2) Die Ankunft des Dr. Rae in London !). Am Sonntage den 22. October — drei Tage nach dem Schluſſe des Kriegsgerichts zu Sheerneſſ — erſchien der bekannte arktiſche Rei— ſende Dr. John Rae unverſehens im Amtshauſe der britiſchen Admi— ralität als Ueberbringer der letzten und erſchütterndſten Botſchaft über die fo lange vergebens gefuchte Expedition des Erebus und Terror. Er kam unmittelbar aus den arktiſchen Gegenden. Im Anfange des Mo— nats Auguſt von der Repulſe-Bai, dem von ihm erſehenen Stapel— platze ſeiner Unternehmungen zur Erkundung der Küſten von Boothia— Land heimwärts ſteuernd, hatte er am 1. September bereits Pork Fac— tory erreicht, und war dort ſo glücklich geweſen, ein in dem Jahre noch nach England abgehendes Schiff der Hudſonsbai-Geſellſchaft — Prinz von Wales — zu treffen, mit welchem er nach einer in der Hudſons⸗Bai durch umtreibende Eismaſſen gefährdeten, ſpäter im at— lantiſchen Ocean von heftigen Stürmen ſchwer bedroheten Fahrt an dem oben erwähnten Tage glücklich die engliſche Küſte erreichte. Konnte ſchon, wie wir bald ſehen werden, Rae's Ankunft nicht anders als ſehr unerwartet ſein, ſo waren es die von ihm überbrach— ten Nachrichten in noch viel höherem Maße. Niemand hätte daran 1) Unſere Quellen für dieſe, wie ſich ergeben wird, noch lange nicht hinläng⸗ lich aufgeklärten Nachrichten, waren zunächſt die Mittheilungen und Eröffnungen in engliſchen Zeitungen Times, Daily News, Globe; ferner die Wochenblätter Illustrated News, Athenaeum, u. a. Eine am Ende des vorigen Jahres angekündigte Schrift „The Melancholy Fate of Sir John Franklin and his party, as disclosed in Dr. Rae's report; together with the despatches and lettres of Capt. M’Clure etc.“ (Lon⸗ don, bei J. Betts) enthält die nicht verkauften Exemplare der in d. J. 1853 erſchie⸗ nenen Schrift „Capt. M’Clure’s despatches ete.“ dazu, auf den vorgehefteten drei Druckſeiten, den Bericht von Rae an die Admiralität ꝛc. Etwas mehr giebt die kuͤrz⸗ lich erſchienene Ite Ausg. des Büchleins von P. L. Simmonds „Sir John Franklin and the aretie regions“, in welcher S. 254 — 76 ein hinſichtlich der Vollſtändigkeit und Ueberſichtlichkeit nur mangelhaftes Refume der neueſten Nachrichten hinzugefügt iſt, während die vorhergehenden Bogen den gleichen Druck der vorhergehenden Aus— gaben, mithin auch alle Mißverſtändniſſe, Unrichtigkeiten und Druckfehler derſelben wiedergeben. 6 K. Brandes: gedacht, daß Rae noch beſchieden ſein konnte, die letzten Aufſchlüſſe und Zeugniſſe über die ſo lange Geſuchten zu bringen. Aus keinem Theile der arktiſchen Landſchaften hätte man damals weniger der Auffindung von Spuren der vermißten Mannſchaft ſich verſehen. Wie weit die Mei— nungen der Gewährsmänner und der ganzen gebildeten Welt über die Schickſale Franklin's auch auseinander gingen, darin ſtimmten damals doch faſt Alle überein, daß unterhalb des 75ſten Grades n. Br. nach ſei— nem Verbleiben nicht mehr zu ſuchen ſei. Von allen Seiten her wurde die Anſicht laut, daß es ein verhängnißvoller Irrthum geweſen ſei, nach jenen kühnen Seefahrern in verhältnißmäßig niedern Breiten zu forſchen. Mit einer vermeintlich keinem Zweifel mehr unterworfenen Beſtimmtheit wurden auf den arktiſchen Karten die Gränzlinien gezo— gen, jenſeit deren allein das Feld für fernere Nachſuchungen ſich er— ſchloß. Man glaubte bisher kaum noch bis über die Eingangsthore dieſer geheimnißvollen Regionen hinausgekommen zu ſein. Mit kühnem Blicke wurden ihre weiten Räume durchmeſſen, neue und großartigere Pläne entworfen. Tauſende erklärten ſich unerſchrockenen Sinnes be— reit, die Wege über jene unerforſchten Eiswüſten zu betreten. Allein die Regierung war offenbar ſehr bedenklich, ein ſo gefahrvolles Wag— niß zu unterſtützen, und es läßt ſich nicht abſehen, ob die in vielen Geiſtern lebhaft gehegten Rieſenpläne, welche jetzt plötzlich vor dem vernichtenden Schlage der Rae'ſchen Kunde dahin ſanken, auch unter andern Umſtänden jemals hätten zur Ausführung kommen können. Rae hatte zwei Jahre zuvor (1852) der engliſchen Admiralität die Anzeige gemacht, daß er in Folge ſeiner Dienſtobliegenheiten — er war Beamter der Hudſonsbai-Geſellſchaft — fortan einer weitern per— ſönlichen Mitwirkung bei den Verſuchen zur Rettung der Franklin'ſchen Expedition zu entſagen ſich veranlaßt ſehe. In den Jahren 1846—47 war von ihm die Aufnahme der Hudſons-Bai-Territorien im Außer: ſten Nord-Oſten des amerikaniſchen Feſtlandes mit anerkanntem Er— folge begonnen. Am Ende des Jahres 1847, als unter den nach und nach immer mehr überwiegenden Beſorgniſſen Anſtalten zu planmäßi— gen Nachforſchungen zur Ausführung kamen, ſah man ihn mit freu— diger Begeiſterung bereit, zuerſt als nächſter Begleiter des Dr. Sir John Richardſon und fpäter als ſelbſtändiger Anführer von Land- und Boot⸗Expeditionen dem Rettungswerk ſich anzuſchließen. Die Hudſons— Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 7 bai⸗Geſellſchaft begünſtigte dieſe Beſtrebungen. Sie ließ es ſich um ſo mehr angelegen ſein, ihre Theilnahme daran zu bethätigen, da es ihr zugleich darauf ankam, jeden Verdacht der früheren Eiferſucht gegen die Forſchungsreiſen anderer Engländer im arktiſchen Amerika fern zu halten. Indeß läßt ſich doch wohl denken, daß Rae bei jenen ſo höchſt mißlichen Unternehmungen für Franklin, welchen er unter großen Auf— opferungen, aber dennoch ohne poſitive Erfolge ſich gegen fünf Jahr ge— widmet hat, mit Vorliebe und ſelbſt mit Verlangen nach dem unter— brochenen Werke in Boothia-Land ſich zurückſehnte. Indem es jetzt dahin kam, daß er ſich der Vollendung dieſes Werkes wieder zuwenden ſollte, war ihm zu Muthe, als ob er damit der Angelegenheit Frank— lin's gänzlich entfremdet würde. Durchdrungen von dieſem Vorurtheil legt er in einer Zuſchrift an die Admiralität vom 29. Juni 1852 wie zum Abſchiede eine Reihe von Rathſchlägen nieder, in welchen er auf den Plan einging, den Strich des weſtlichen Wollaſton nach Norden hinauf bis zum Banksland nach den Schiffen von Collinſon und M'Clure, deren Ankunft in jenen Gegenden ihm noch nicht bekannt war, zu durch— ſuchen. Von dieſem Zeitpunkt an nahm er ſodann ſeine Arbeiten zur Erkundung des Boothia-Landes von Neuem auf. 3) Die arktiſche Reife des Dr. Rae 1853 — 54). Sobald Rae am 15. Aug. 1853 bei der Stelle feines früheren Win— terlagers an der Repulſe-Bai wieder angekommen war und die nöthi— gen Vorbereitungen für den kommenden Winter getroffen hatte, ergab ſich am 1. September, daß der Vorrath an Lebensmitteln nur noch auf 3 Monate ausreichte. Er machte ſeinen Gefährten aus den Schwie— rigkeiten und Gefahren dieſer Lage kein Geheimniß, und ſtellte jedem frei, zurückzukehren. Die Männer erklärten ſich jedoch ohne Ausnahme feſt entſchloſſen, bei ihm auszuharren, und boten zunächſt Alles auf, um Nahrungsmittel und Brennholz zu erlangen. Und ſowohl die Jagd, als auch der Fiſchfang zeigten ſich ſehr ergiebig. Gegen Ende des Monats September hatten ſie 54 Paar Schneehühner, 109 Rennthiere, einen Biſamſtier, einen Seehund erlegt, und etwa 100 Salme gefangen. ) Man vgl. den Brief Rae's an den Gouv. der Hudſons-Bai-Comp. Sir George Simpſon (u. A. abgedruckt in The Geographical and Commercial Gazette Vol. I. No. 1. Januar 1855) und London Illustr. News 28. October 1855. 8 K. Brandes: Am 28. October zeigte der Schnee die zum Bau eines Schneehauſes erforderliche Härte; ſo daß die Mannſchaft fortan nicht mehr auf das klägliche Obdach ihrer Zelte beſchränkt blieb. Wie ſtreng der Winter 1855 ſich auch zeigen mochte, jo empfanden die Männer doch in den Schneehäuſern bei Weitem nicht jene Kälte, von welcher ſie im Winter 1817 in dem von Rae dort erbauten Haufe (Fort Hope) fo viel aus— zuſtehen hatten. Bis zum 12. Januar legten ſie, zuletzt jedoch ohne allen Erfolg, in den Seen ihre Netze aus. Als Dr. Rae am 31. März 1854 ſeine Frühjahrs-Reiſe antrat, hatte er zuerſt mit heftigen Stür— men, mit tiefem Schnee und Nebelwetter zu kämpfen. Erſt am 17. April erreichte er die ſchon früher beſuchte Pelly-Bai, weſtlich der Simp— ſon-Halbinſel. Hier traf er mit einigen Eskimo zuſammen, unter wel— chen Einer in Folge der an ihn gerichteten Frage ausſagte, daß 10 bis 12 Tagereiſen weiter gegen Abend eine große Zahl, mindeſtens 40 weiße Männer, durch Mangel an Lebensmittel umgekommen wären ). Von der Pelly-Bai nahm Rae ſeinen Weg über die im Weſten ſich ausbreitende Landſchaft nach dem Punkte der arktiſchen See, wo der Caſtor- und Pollur-Fluß einmündet, um von hier aus die noch unerforſchten Küſtengebiete des Boothia-Landes nach Norden hin zu ) Ein zuerſt in der Daily News vom 23. October v. J., ſpäter aber auch an⸗ derweit (3. B. in der kleinen Schrift The melancholy fate of Sir John Franklin p. V; — in Simmonds Franklin and the arctic regions. 6th edit. p. 257.) mitge⸗ theilter Auszug aus Rae's Tagebuche enthält folgende Erzählung: Am 20. — ohne Zweifel iſt der Monat „April“ gemeint — begegneten die Reiſenden einem ſehr verſtändigen Eskimo, der einen von Hunden gezogenen, mit Biſamſtierfleiſch belade⸗ nen Schlitten bei ſich hatte. Der Mann ließ ſich bereit finden, auf zwei Tage mit ihnen zu gehen. Er grub ſeine Ladung in den Schnee und nahm einen Theil des Ge— päcks der Reiſenden auf ſeinen Schlitten, ſo daß ſie nun mit großer Leichtigkeit ihren Weg fortſetzen konnten. Dann trafen ſie noch auf einen andern Eingebornen, der am vorhergehenden Tage auf den Seehundsfang ausgegangen und, als er an dem⸗ ſelben Morgen das Schneehaus fand, in welchem Rae ſein Obdach gehabt hatte, wie es ſcheint aus einer gewiſſen natürlichen Neugier den Spuren ihres Schlittens nachgefolgt war. Dieſer Mann zeigte ſich ſehr redſelig (communicative). Auf die Frage: ob er jemals weiße Männer, oder Schiffe, oder Böte geſehen? antwortete er verneinend. Zugleich aber ſagte er aus: daß eine Anzahl Kablounans — dies der Eskimo⸗ Ausdruck für „weiße Männer“ — weit weſtwärts jenſeits eines großen Fluſ⸗ ſes den Hungertod geſtorben ſeien. Er erörterte weiter, daß er den Ort ſelbſt, in— dem er dieſen niemals beſucht, nicht anzugeben wiſſe, und auch nicht im Stande ſei, die Reiſenden dahin zu begleiten. — Kaum läßt ſich zweifeln, daß dieſe Kunde die erſte geweſen iſt, welche dem Rae über die Vermißten entgegentrat. Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 9 beſchreiten. Bei dieſem Vorhaben hatte er einen Kampf mit den ver— ſchiedenſten Hinderniſſen zu beſtehen, wie er ihn auf allen ſeinen frü— heren Reiſen niemals erlebt zu haben behauptet. Die Wege längs der an ſich ſchon ſehr unebenen Küſte waren bald durch ſchwer zu überklimmende Eismaſſen verſperrt, bald mit tiefem Schnee bedeckt; dazu kam der Ungeſtüm des finſtern Sturm- und Nebelwetters, welches einmal die Sonne faſt 5 Tage hindurch dergeſtalt verſchleierte, daß Niemand während dieſer ganzen Zeit auch nur ihren Stand anzugeben vermochte, während der Compaß durch die Nähe des magnetiſchen Po— les ganz unbrauchbar war. Dennoch hat Rae das Hauptziel ſeines Vorhabens erreicht; denn indem er bis zu dem vom Capt. James Roß im J. 1830 entdeckten Cap Porter hinauf vordrang, war der Zwi- ſchenraum des bis dahin ganz unbekannten Gebietes — innerhalb der von Capt. Back im J. 1833 und von Deaſe und Simpſon im J. 1839 erreichten Punkte einerſeits, und der Entdeckungen des Capt. Sir John Roß auf ſeiner zweiten arktiſchen Expedition (1829 — 33) andererſeits — von ihm durchmeſſen. Es bedarf nur einer Verglei— chung der neueſten Admiralitätskarte mit den früheren Darſtellungen, um die geographiſche Wichtigkeit dieſer neuen Erkundung zu erkennen. Aber hier, obgleich nur wenige Tagereiſen von der Bellotſtraße ent— fernt, ſah er ſich genöthigt, ſeinem Vordringen ein Ziel zu ſetzen, und er fügte ſich um ſo eher in dieſe Nothwendigkeit, weil er die Unmög— lichkeit erkannte, jetzt auf einmal feine ganze Aufgabe zu löſen !). Die Rückreiſe zur Repulſe⸗Bai ging ungleich glücklicher und ſchneller von Statten, da das Wetter um Vieles günſtiger und die Ladung des Schlittens leichter geworden war. Deſto unangenehmer war es, als nach dem Wiedereintreffen an der Repulſe-Bai (26. Mai) den bis⸗ herigen milden Tagen eine die Monate Juni und Juli hindurch an- haltende kalte Temperatur folgte, und erſt mit dem Anfang des Au— guſt auf dem dort eingefrornen Bote die Rückfahrt nach Pork Factory angetreten werden konnte. 1) Seltſam iſt es, daß Rae an dieſer Stelle ſeines Briefes an Simpſon es 2 unterläßt, die entdeckten Nachrichten über Franklin und feine Gefährten als ein Mo- tiv ſeiner Rückkehr auch nur anzuführen. Bei der Verwaltung der Hudſonsbai-Ge⸗ ſellſchaft, welche ſtets die lebhafteſte Theilnahme für die Angelegenheiten der Ber- mißten bethätigt und den Dr. Rae auf 4 — 5 Jahre beurlaubt hatte, hätte dies doch ſicher keinen Anſtoß erregen können. 10 K. Brandes: 4) Rae's Botſchaft über die letzten Schickſale eines Theils der Franklin-Expedition. Es konnte kaum anders ſein, als daß Rae aufs Aeußerſte be— troffen wurde, in dieſem bei den Nachſuchungen bisher ganz außer Ob— acht gelaſſenen Territorium auf Nachrichten und Ausſagen zu ſtoßen, die eine unausſprechlich furchtbare, aber gleichwohl unzweifelhafte Aufklärung über das Ende eines Theils der Franklin'ſchen Mannſchaften enthiel— ten. Im Eingange ſeines Berichts an die Admiralität erwähnt er jener Begegnung in der Pelly-Bai, bei welcher er von einem der dort angetroffenen Eskimo die erſte dunkle Kunde ſchöpfte, daß eine Anzahl weißer Männer an einer entlegenen Stelle im Weſten, jenſeits eines mit vielen Waſſerfällen und Stromſchnellen dahintreibenden Fluſſes, den Hungertod geſtorben ſei. Er ſcheint dieſe Nachrichten anfangs nicht ohne Mißtrauen und Bedenken aufgenommen zu haben. Allein indem er ſeinen Weg weiter fortſetzte und dem Schauplatze jener Scene näher kam, gelang es ihm nicht blos an verſchiedenen Punkten man— nichfaltige Auskunft zu gewinnen, ſondern auch eine Anzahl von Ge— genſtänden einzuhandeln, welche über den entſetzensvollen Untergang einer Abtheilung, und vielleicht aller damals noch lebenden Mitglieder der vermißten Expedition keinen Zweifel übrig ließen. Vergegenwärtigen wir uns zunächſt die weſentlichen Thatſachen des an die Admiralität erſtatteten Berichts ſeiner Ermittelungen. Sie umfaſſen zwei durch die Zwiſchenzeit einiger Wochen und durch eine nicht genau zu beſtimmende Entfernung getrennte Scenen. 1) Vier Jahre vorher (im Frühlinge 1850) hatten einige Eskimo, die in der Nähe des nördlichen Geſtades der King Williams-Inſel auf den Robbenfang aus- gegangen waren, weiße Männer, etwa 40 an der Zahl, über das Eis dem Süden zu wandernd geſehen, indem ſie ein Boot mit ſich führten. Niemand unter ihnen vermochte die Eskimo-Sprache verſtändlich zu ſprechen; ſie konnten durch Zeichen nur zu verſtehen geben, daß ihre Schiffe (oder „ihr Schiff“) im Eiſe zertrümmert waren, und daß fie nach Gegenden gingen, in welchen fie Wild erlegen zu können erwar— teten. Mit Ausnahme des Anführers waren Alle augenſcheinlich in einem elenden Zuſtande; es ließ ſich vermuthen, daß fie Mangel an Lebensmitteln litten; fie er⸗ handelten von den Eingeborenen eine kleine Robbe. 2) Einige Wochen hiernach, als die Jahreszeit etwas weiter vorgerückt, jedoch der Aufbruch des Eiſes noch nicht erfolgt war, wurden dreißig Leichname weißer Männer an der Küſte des amerikaniſchen Kontinents eine ſtarke Tagereiſe im Nord⸗ Weſten eines großen Fluſſes, und dazu fünf andere auf einer nahe liegenden Inſel > Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 11 gefunden. Eine Vergleichung der Angabe über dieſe Oertlichkeit mit dem Berichte des Capt. Back über feine Reiſe in den J. 1833 — 35 wies unverkennbar auf das Geſtadetiefland in der Nachbarſchaft des Point Ogle und auf die Inſel Montreal hin. Einige unter den Leichnamen — es mochten dies die zuerſt Geſtorbenen ſein — waren zur Erde beſtattet. Die übrigen lagen theils im Zelt (oder „in Zelten“), theils unter dem Bote, welches wie zum ſchützenden Obdach über den Todten um— gelegt war, theils auch einzeln zerſtreuet, hie und da, in verſchiedenen Richtungen. Unter den Leibern auf der Inſel glaubten die Wilden einen Anführer zu erkennen, denn ſie fanden ein Fernrohr um ſeine Schultern gebunden und unter ihm lag eine Doppel— flinte. Aus dem zerfetzten Zuſtande einiger dieſer Leichname und dem Inhalt der neben ihnen noch befindlichen Keſſel folgerten ſie, daß die zuletzt noch Ueberlebenden h unter der Verzweiflung ihrer Qual dem Cannibalismus verfallen fein mußten. Es ergab ſich, daß die Männer einen beträchtlichen Vorrath von Pulver in Fäßchen oder Kiſten mit ſich führten, der von den Eskimo's am Boden ausgeſchüttet wurde. Außerdem war ein Quantum Kugeln und Schrot, innerhalb der Grenz- a linie des hohen Waſſerſtandes aufgefunden, — die Unglücklichen mögen es nahe dem 1 Uferrande auf dem Eiſe ſtehen gelaſſen haben. Ferner muß eine Anzahl Uhren, Compaſſe, Fernröhre, Flinten vorgefunden und von den Wilden in kleine Stücke zerbrochen oder auseinander genommen ſein, da Fragmente dieſer Artikel nebſt ſilber— nen Löffeln und Gabeln von Rae weit und breit entdeckt und, ſoviel er vermochte, eingekauft wurden. N Jene Erzählungen der Wilden, wie herzzerreißend und erſchütternd ſie find, bewegen ſich augenfällig in einer großen Unbeſtimmtheit und f Mangelhaftigkeit. Schon der Umſtand, daß fie abermals auf Eskimo— Ausſagen beruhten, die im Verlauf der Nachſuchungen ſo manche bittere Täuſchung gebracht, reichte hin, um ſie zu verdächtigen. Es erſchien ihrer Glaubwürdigkeit entſchieden ungünſtig, daß Rae, wie er in feinem Berichte ausdrücklich ſagt, niemals und nirgend unmittelbare Augenzeu— gen der geſchilderten Scene angetroffen hatte. Alles was er Über den Hergang zu ermitteln vermochte, gründete ſich auf Hörenſagen, auf Nachrichten aus zweiter Hand, die ihm wiederum nur durch den Mund des Dolmetſchers zugänglich wurden, da er der Eskimo-Sprache nicht mächtig war. Und auch auf dieſem Wege wurden ihm keine klaren und beſtimmten Angaben, ſondern nur andeutende Bezeichnungen über Ort und Zeit der Kataſtrophe. Der Ort des Zuſammentreffens der un— gefähr vierzig Männer mit den auf Seehundsfang ausgegangenen Es— kimo's wird von Rae als die Inſel King Williams-Land angegeben; allein er ſagt nicht, daß die Eskimo dieſe Inſel ausdrücklich genannt. Es iſt höchſt bedenklich, bei einem wilden Volke beſtimmte geogra— phiſche Bezeichnungen über umfangreiche Landbildungen vorauszuſetzen, 12 K. Brandes: die von ihm ſelbſt nicht beſucht ſind. Dazu konnte die Unbekanntſchaft mit der Sprache allerlei Mißverſtändniſſe hervorbringen. Die Zahlen „vierzig“, „dreißig“ bieten keinen zuverläſſigen Anhalt; es wäre von der größten Wichtigkeit geweſen, wenn Rae den Gang der Unterre— dung, aus welchem er dieſe Angaben geſchöpft hat, anſchaulich bezeichnet hätte. Auch die Notiz, daß die Begegnungen im Jahre 1850 ſich ereig— net haben, giebt ſich nicht als Relation einer einfachen Ausſage, ſon— dern als Ergebniß eines durch allerlei Berechnungen und Combina— tionen gewonnenen Wahrſcheinlichkeitsſchluſſes. Daher wenden wir uns zuvörderſt zu den von Rae überbrachten Gegenſtänden, ohne welche feine Erzählungen jedes ſicheren Fundamen— tes entbehren würden. Folgendes iſt das nach der Reihenfolge in den offiziellen Liſten der Offiziere und Mannſchaften des Erebus und Ter— ror geordnete Verzeichniß derſelben ): I. Von dem Schiffe „Erebus“. 1) Eine ovalrunde filberne Platte, ſcheinbar Knopfzierde eines Spazierſtocks, mit eingravirtem vollen Namen ihres Befitzers „Sir John Franklin“. 2) Eine ſilberne Deſſert-Gabel mit dem Stempel eines aufwärts gerichteten Delphinkopfes zwiſchen zwei nach beiden Seiten auseinander gehenden Lorbeerſtengeln (Familienwappen Franklin's). 3) Capt. Franklin's Guelphenorden, als ſolcher kenntlich durch das Zeichen »G. R. III. 1815. 4) Eine ſilberne Tiſchgabel mit den Initialen »J. F. «, wahrſcheinlich Eigen- thum des muthvollen und von Franklin beſonders werth gehaltenen Commander James Fitzjames ). 5) Ein ſilberner Eßlöffel und 6) eine filberne Tiſchgabel — auf beiden eine Taube mit einem Olivenzweige im Schnabel, das Familienwappen des zten Lieut. des Erebus Fairholme eingravirt. 7) Eine ſilberne Tiſchgabel mit den Buchſtaben »H. D. S. G. «, unzweifelhaft Eigenthum des ſtellvertretenden (acting) Gehilfs-Arztes Harry D. S. Goodſir. 8) Eine ſilberne Tiſchgabel, mit einem Delphinkopf auf zwei nach der rechten 1) Die vollſtändige Perſonal-Liſte der Franklin-Expedition hat Simmonds a. a. O. p. 273 — 76 abdrucken laſſen. 2) Wir folgen bei dieſer Annahme der Notiz in dem neueſten Hefte der Vier⸗ teljahrsſchrift North American Review (Vol. 80 und No. 167 p. 339). Faſt alle engliſchen Angaben haben die Lesart »J. T. «, die entweder auf den Oberheizer des „Terror“ John Torrington, deſſen Grabmal im J. 1850 auf der Beechey-Inſel ge— funden wurde, oder auf den Schützen deſſelben Schiffes, James Thompſon, gedeutet werden müßte. Allein bei dieſen beiden Mitgliedern der Expedition läßt ſich aus Rückſicht auf deren Stellung der Beſitz einer ſilbernen Gabel kaum vorausſetzen. Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 13 und linken Seite hin ausgebreiteten Fittigen, als Familienzeichen des erſten Steuer— manns Robert O. Sergeant erkannt. II. Von dem Schiffe „Terror“. 9— 11) Drei filberne Tiſchgabeln mit den Buchſtaben »F. R. M. C. «, unver⸗ kennbar den Capt. Francis R. M. Crozier Commander des Terror anzeigend. 12) Ein ſilberner Deſſert-Loffel, durch die Buchſtaben »G. A. M.« als Eigen⸗ thum des zweiten Steuermanns A. Mac Been kenntlich. 13) Eine ſilberne Tiſchgabel, an den Buchſtaben »J. S. P.« als Eigenthum des ſtellvertretenden Arztes John S. Peddie erkannt. 14) Eine ſilberne Gabel, durch die Buchſtaben »A. Me. D.« als Eigenthum des Gehilfs-Arztes Alexander Mac Donald kenntlich. Die Gegenſtände wurden in jenen Tagen zu London von Tau— ſenden in Augenſchein genommen und der genaueſten Prüfung unter— worfen. Unter allen denjenigen, welche ſie geſehen, hat Niemand es jemals bezweifelt, daß ſie von der Expedition des Erebus und Terror herrührten. Vielmehr iſt allgemein anerkannt, daß es unmöglich ſei, neben ſolchen thatſächlichen Zeugniſſen die mitgetheilten Eskimo-Aus— ſagen noch als leere Gerüchte und haltloſe Täuſchungen zu mißach— ten. Angeſichts einer derartigen poſitiven Beglaubigung leitete eine Anzahl anderer Artikel, die theils keine Kennzeichen der früheren Ei— genthümer trugen (z. B. gegen zwei Dutzend ſilberne Löffeln und Gabeln, vier Meſſer, Geldſtücke), theils als Fragmente verſtümmelter Inſtrumente und Geräthſchaften erkannt wurden (z. B. ein goldener Chronometer ohne Gehäuſe, Ueberreſte eines Fernrohrs), mit größter Wahrſcheinlichkeit auf denſelben Urſprung. Nichts war zunächſt un— erklärlicher, als die Art und Weiſe, wie fo viele und mancherlei Stücke in die Hände der Wilden gefallen fein mochten, und die Fügung, durch welche grade ſo viele bezeichnungsvolle Beſtandtheile aus dem Beſitz der Vermißten ihren Weg ſo weithin von dem Schauplatze des endli— chen Erliegens der Unglücklichen gefunden hatten. An dieſe Betrach— tungen knüpften ſich weiter unzählige andere Fragen, Combinationen und Vermuthungen. Rae hatte den obigen an die Admiralität überreichten Bericht ſo— gleich auch der engliſchen Zeitung „Times“ mit einer Zuſchrift über— ſandt, welche einige nicht unerhebliche Bemerkungen darbietet. Er ver— ſichert aufs nachdrücklichſte, daß nach allem, was er gehört und geſehen, auch nicht der geringſte Grund zu dem Gedanken vorhanden ſei, als 14 K. Brandes: ob jene Verunglückten durch eine Gewaltthat der Eingeborenen umge— bracht ſein könnten. Er ſpricht die Ueberzeugung aus, daß ſie eines jammervollen Hungertodes geſtorben ſein und daß die Kälte ein ſol— ches Ende unfehlbar beſchleunigt und unvermeidlicher gemacht haben müßte. Aus den Erzählungen der Eskimo bringt er noch folgende Umſtände bei: Die auf der großen Inſel (King Williams-Land) er⸗ blickte Schaar nahm ihren Weg längs dem Weſtrande nach Süden zu. Alle Männer, mit Ausnahme des Offiziers, zogen an den Stricken des Schlittens, auf welchem das Boot lag. Unter den einige Wochen ſpä— ter in einer ſüdlichen Gegend, auf dem amerikaniſchen Continent, ent— deckten Leichnamen wurden einige entkleidet angetroffen, andere dagegen, welche jene überlebt haben mußten, lagen in zweifacher und dreifacher Kleidung hingeſtreckt. Sämmtliche überbrachte Gegenſtände wurden als Zierrath oder Schmuck an den Eskimo's entdeckt; ſie hatten die Geld— ſtücke durchlöchert und trugen ſie an Bändern. Ihren Erzählungen zufolge ſollte auch eine Anzahl von Büchern bei den erſtarrten Leibern vorfind— lich geweſen ſein, die aber, von den Findern entweder vernichtet oder außer Acht gelaſſen wären. Indeſſen ſcheint Rae den von ihm gemachten Erfahrungen zufolge, auf die natürliche Bedachtſamkeit und Sorgfalt dieſer Wilden die beſten Hoffnungen zu ſetzen, und er zweifelt nicht, daß faſt alles, was jene Abtheilung der Vermißten in jenen Gegenden hinterlaſſen, ſich noch werde auftreiben laſſen. Er habe ſich, verſichert er, damals nicht in der Lage befunden, ſeine Nachforſchungen weiter auszudehnen: da ihm weſentlich darauf ankam, mit ſeiner Botſchaft heimwärts zu eilen und da jede längere Verzögerung der Rückkehr ihn der Gefahr ausgeſetzt haben würde, noch einen zweiten Winter in ſeinen Schneehäuſern zubringen zu müſſen. Zugleich ſtellt er nähere Mittheilungen für feinen Bericht an die Hudſonsbai-Geſellſchaft in Ausſicht, die indeß, ſo viel uns bekannt, bis jetzt noch nicht an die Oeffentlichkeit gelangt find ). ) Es iſt kaum denkbar, daß Rae hiermit auf den vom 4. September aus Pork Factory datirten, an den Gouverneur des Hudſonsbai-Territoriums, Sir George Simpſon, gerichteten Brief hingedeutet haben ſollte, da die in demſelben enthaltenen Mittheilungen über die verunglückte Mannſchaft mit dem obigen Bericht an die Ad— miralität vom 29. Juli aus der Repulſe-Bai, abgeſehen von einigen unbedeutenden Abweichungen und Zuſätzen, im Ausdruck wörtlich übereinſtimmen. A N Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 15 Bei der fieberhaften Aufregung, mit welcher die engeren Kreiſe der Angehörigen und Freunde der Vermißten und bei der lebhaften Spannung, mit welcher die ganze gebildete Welt in Folge einer ſol— chen Kunde der Aufhellung des endlichen Schickſals der Angehörigen entgegenſah, läßt es ſich kaum erklären, weshalb die Mittheilungen nicht in einer befriedigenderen, auf die Einzelnheiten mit Klarheit, Schaͤrfe und mit der erforderlichen Ausführlichkeit eingehenden Darſtellung dar— geboten wurden, und daß es erſt mancher dringenden Anfragen und felbſt gehäffiger Vorwürfe bedurfte, um einige weiter führende Evör- terungen und Motivirungen der von Rae gehegten Anſchauung zu er— ringen. > 5) Beurtheilung der Nachrichten und Anſichten des Dr. Rae. - Was wir an den Nachrichten des Dr. Rae vor Allem vermiſſen, iſt die nähere Auskunft über die Orte, die genaue Aufzählung und Bezeichnung der Perſonen, bei welchen die verſchiedenen Gegenſtände aus dem Beſitz der verſchollenen Erpedition entdeckt, und von welchen die Ausſagen, deren Beziehung auf einen Theil der vermißten Mann— ſchaften ſo nahe liegt, aufgenommen wurden. Angaben dieſer Art ſind ein unbedingtes Erforderniß, wenn wir in den Stand geſetzt fein ſol— len, über den Grad der Glaubwürdigkeit jener Erzählungen uns ein beſtimmteres Urtheil zu bilden. Es iſt von der höchſten Erheblichkeit zu wiſſen, mit wie vielen Perſonen oder Gruppen der Eingeborenen, die Rihm der Zufall unterwegs entgegenführte, und an welchen Stellen ſei— ner Reiſe Rae hierüber in Verkehr getreten iſt? ob die Berichte der verſchiedenen Erzähler in den Thatſachen übereinftimmen, oder ob fie und in wiefern mehr oder weniger von einander abweichen? Unſtrei— tig zwar hat ſich Rae, ſoweit wir über ihn urtheilen können, als einen gediegenen und klaren Mann, als einen überaus tüchtigen, verſtändi— gen und zuverläſſigen Reiſenden bewährt. Zumal für die Gegenden, aus welchen er die erſchütternde Kunde nach England brachte, iſt er als erſte Autorität zu betrachten. Allein bei einer Angelegenheit von einem ſo allgemeinen, das menſchliche Herz ſo tief ergreifenden In— tereſſe iſt doch nichts natürlicher als das Verlangen, den Urſprung und die Entwickelung der ausgeſprochenen Anſicht Schritt um Schritt — 16 K. Brandes: verfolgen, die Grundlage auf welcher ſie erbaut iſt, und die Fäden, welche in ihr zuſammenlaufen, in möglichſt vollſtändiger Unmittelbarkeit ſich zur Anſchauung bringen zu können. — Wir wollen den Verſuch wa⸗ gen, nach Maßgabe der bekannt gewordenen Thatſachen und Umſtände über Ort und Zeit des vermeintlichen Erliegens der verunglückten Schaar eine nähere Verſtändigung anzubahnen. Rae iſt dem von ihm vermutheten Schauplatze jener grauenvollen Kataſtrophe, fo viel ſich aus feinen Berichten entnehmen läßt, am näch— ſten geweſen, als er ungefähr im Anfang der letzten Aprilwoche 1854) bei der Mündung des Caſtor- und Pollur-Fluſſes, gute 60 engliſche Meilen weſtlich von der Pelly-Bai, die Erkundung der Weſtküſte von Boothia-Land begann. Von dieſem Punkte aus haben Deaſe und Simpſon mit ihren Böten — noch dazu auf dem Umwege über Cap Britannia und bei minder günſtigem Winde — in kaum zwei Tagen (vom 20 — 22. Auguſt 1839) die Küſtenlandſchaft erreicht, welche als Wahlſtatt der Kataſtrophe bezeichnet wird. Es läßt ſich anneh— men, daß Rae bei ſeinem Eintreffen an jenem Punkte noch nicht im Beſitz der unzweifelhafteſten Zeugniſſe oder auch nur beſtimmter An— haltspunkte der bis dahin mitgetheilten Erzählungen geweſen iſt, da er ſonſt gewiß alles aufgeboten haben würde, um vor dem Aufgehen des Eiſes an jene verhängnißvolle Stätte zu gelangen ?). ) Die genaue Angabe des Datums fehlt; es ergiebt ſich aus den verſchiede—⸗ nen Mittheilungen nur, daß Rae am 17. April in Pelly-Bai ankam, daß er am 20. in der Nähe die erſte Kunde von umgekommenen weißen Männern erhielt, und daß er am 26. Mai bereits die Rückreiſe von Cap Porter nach der Repulſe-Bai vollendet hatte. 2) Der Einſender einer Zuſchrift an die »Times« (mit der Chiffre E. J. H.; in dem Blatte vom 30. October v. J.) giebt ſich als den Bruder eines auf dem „Terror“ unter Segel gegangenen Offiziers zu erkennen, macht es dem Dr. Rae zum bittern Vorhalt, daß er ſich von der Richtigkeit der Eskimo - Berichte nicht an Ort und Stelle überzeugt, und dafür auf unzuverläſſige Kundſchaft hin Er⸗ zählungen von fo vagem Charakter in Umlauf geſetzt habe, die ſchon mit Rückſicht auf ihre furchtbare Wirkung bei den Angehörigen und Freunden der Vermißten beſſer ganz verſchwiegen geblieben wären. — Auf dieſen Angriff erwiedert Rae ſogleich am folgenden Tage (Times, 31. October), daß er die von ihm geforderte Nachforſchung ohne beſondere Schwierigkeit hätte ausführen können; allein ein zweiter Winterauf⸗ enthalt in der Repulſe-Bai wäre dann unvermeidlich geweſen. Ihm habe jedoch nichts mehr am Herzen gelegen, als dieſe unzweifelhaften Nachrichten von dem Un— tergang der über weite Strecken hin ſo lange vergebens geſuchten Mannſchaft nach Be Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 17 Die Ermittelung der angegebenen Oertlichkeiten des Todeskampfes der Verunglückten gründet ſich, wie wir ſahen, nicht auf namentliche Bezeichnung der Erzähler, ſondern auf Combinationen des Dr. Rae. Die Eingeborenen beſchrieben die Anzahl der Flüſſe, welche zu über— ſchreiten waren, ehe man zu dem großen Strom gelangt, in welchem er den Großen Fiſchfluß erkannte und ſchilderten deſſen weſtliche Um— gebungen als flaches, von allen Anhöhen entblößtes Geſtadeland ). — Allein Angaben dieſer Art behalten immer etwas unſicheres; zumal in Landſchaften, deren Oberflächenbildung ſo wenig bekannt iſt und in wel— chen der Begriff „Fluß“ kaum recht klar zu machen ſein möchte. Der Unterſchied zwiſchen den dortigen kleinen Küſtenflüſſen und dem Großen Fiſchſtrom iſt fo groß, daß ein uncultivirtes Naturvolk kaum beide un— ter einem Namen begreifen wird. Endlich iſt auch die Weſtſeite des Meerbuſens, durch welchen der Große Fiſchfluß einmündet, nicht ganz ohne Anhöhen; es wurde dort von Capt. Back der „Mount Barrow“ benannt und „ein kühnes Felſengeſtade“, wiewohl nur zu der Höhe von 50 Fuß emporſteigend, beobachtet?). Zudem wird die Unzuverläſſigkeit aller dieſer Angaben noch durch den Umſtand vermehrt, daß unter den Eskimo, welchen Rae begegnete, keiner jemals an Ort und Stelle war. Allein es läßt ſich doch ſchwerlich denken, daß ein ſo erfahrner Reiſender, wie Dr. Rae, über die Richtung und Gegend, aus welcher die von ihm entdeckten Artikel herkamen, ſich ganz getäuſcht haben ſollte. Vielmehr drängt ſich die Beobachtung auf, daß die letztern, we— nigſtens damals, noch nicht weithin verbreitet worden waren. Da die Eskimo bekanntlich nur auf einem ſchmalen Strich an der Nordkuͤſte England zu überbringen, damit abermalige Ausrüſtungen und neue Opfer von Men⸗ ſchenleben bei erneuten Rettungsverſuchen in Gegenden erſpart würden, die weit von dem Verbleib der Vermißten entlegen waren. — Erinnern wir uns hierbei, daß Rae unter günſtigem Wetter ſchon im Mai 1854 wieder in Repulſe-Bai eintraf und daß er dort noch zwei lange Monate thatenlos dem Aufgange des Eiſes entgegenharren mußte, ſo werden wir kaum umhin können, es zu bedauern, daß dieſe Zeit nicht einem ſofortigen Betriebe authentiſcher Nachforſchungen gewidmet werden konnte. ) Dieſe Erklärung hat Rae am 13. Nov. v. J. in der Sitzung der Royal Geographical Society zu London gegeben. Vgl. Daily News 15. Nov. und Sim⸗ monds a. a. O. p. 262. ) King Arctic Voyage II. 68. Auf der Karte des Capt. Back erſcheint die Weſtſeite der Mündung des Gr. Fiſchfl. noch von den »Chantrey mountains und von der » Queen Adelaide range“ umgürtet. Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 2 18 K. Brandes: des amerikaniſchen Continents und den vorgelagerten Inſeln umher— ſtreifen, da ſie mit den weiter ſüdwärts ſich ausbreitenden Indianern in größter Feindſchaft leben, kommt es lediglich darauf an, zu ermit⸗ teln, ob Gegenſtände oder Geräthe weiter im Oſten oder im Weſten ſich gezeigt haben. Und hierbei treten uns folgende zwei wichtige ne— gative Ergebniſſe entgegen: 1) Rae traf in den Gegenden von der Repulſe-Bai bis zur Pelly- Bai — während der erſten 18 Tagereiſen — auf keine Spur, obgleich Erzählungen und Gerüchte dieſer Art in Gebieten, wo die Eingeborenen noch nie weiße Menſchen geſehen hat— ten, und wo ungewöhnliche Ereigniſſe ſo ſelten ſind, die Aufmerkſam— keit in hohem Grade hätten auf ſich ziehen müſſen. — 2) In Victoria⸗ Land war weder von Rae im J. 1851, noch von Collinſon — deſſen Schiff Enterpriſe den Winter 1852 — 53 in der Cambridge-Bai ein⸗ gefroren lag, und der im folgenden Frühjahr die Oſtküſte von Victoria⸗ Land (der Inſel King William-Land gegenüber) ausgekundſchaftet und aufgenommen hat, — eine Spur der erzählten Kataſtrophe entdeckt ). Hierbei iſt noch zu bemerken, daß die Eingeborenen auf Victoria-Land mit ihren Stammesgenoſſen auf dem gegenüberliegenden Continent in Verbindung ſtehen, mithin auch dort bis dahin keine Spuren der Vers mißten bekannt geworden ſein konnten. — Durch dieſe Beobachtungen gewinnt die Ausſage, daß die ſchiffbrüchige Schaar auf dem King Williams-Land erſchienen und von da ſüdwärts über die Simpſon— Straße nach der Adelaide-Halbinſel gegangen ſei, in ſofern eine ge— ) Rae fand indeß bei der Parker-Bai, 68° 62 N. Br. und 10320 W. Br, am 20. Aug. 1851 einen etwas über 5 Fuß langen Fichtenſtab, an welchem in der Mitte ein Flicken weißes Leinen, wie zum Beſatz, mit kleinen kupfernen Nägeln be— feſtigt war, vermuthlich das Endſtück einer engliſchen Flaggenſtange, denn ſowohl der Stab, als auch Leinen und Nägel, trugen den Stempel der engliſchen Regierung. Ferner fand er nur 4 engl. Meile davon entfernt ein gegen 4 Fuß langes, 33 Zoll breites und dickes, offenbar für irgend einen Zweck bearbeitetes und durchlöchertes Stück Eichenholz. Ueber beide Gegenſtände, die von Nord-Somerſet herabgeſpült zu fein ſchienen, vermochte er jedoch keine Auskunft zu erlangen (vgl. Parl. Papers 1852 Vol. 5. Report of the proceedings under Dr. Rae p. 8). — Collinſon hat brieflichen Nachrichten zufolge aus der Cambridge-Bai ein Fragment von einer Flügelthür mit dem Wappen der Königin Victoria mitgebracht, welches vom Erebus und Terror herzurühren ſchien. Allein auch dieſer Fund kann nicht zu weitern Ermittelungen geführt haben, da die über Collinſon bis jetzt veröffentlichten Nachrichten mit dem Ausſpruch begleitet ſind, daß er keine Spur der Vermißten aufgefunden. Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 19 wiſſe Beſtätigung, als dieſe Gegenden zwiſchen Victoria-Land und der Pelly⸗Bai liegen. Zur Ermittelung der Zeit, in welche die Ankunft der Mann⸗ ſchaften auf dem King Williams-Land oder ihr Ende auf der Ade— laide⸗Halbinſel fällt, bieten die aufgefundenen Artikel keinen rechten Anhaltspunkt. An ſich erſcheint es auf den erſten Blick nicht recht annehmbar, daß ſo viele Gegenſtände, die bei wilden Völkern doch mehr nur den augenblicklichen und ſchnell vorübergehenden Reiz der Neuheit als dauernde Freude am Beſitz gewähren konnten, lange auf einen verhältnißmäßig kleinen Theil dieſer ſpärlich bevölkerten Land- ſtriche concentrirt geblieben find, zumal da die Eingeborenen, wenn auch nur in rohen Zügen, den Charakter eines wandernden Handels— volks haben und oft für ihren Unterhalt mit großem Mangel und mit ö furchtbarer Noth kämpfen müſſen. Von dieſem Geſichtspunkte aus würde die Gewißheit, daß kein Stück der Gegenſtände bis zum Früh— F jahr 1853 nach Victoria-Land und bis zum J. 1854 nach der Pelly-)) N und Repulſe-Bai gelangt war, den Zeitpunkt 1850 für die erſte Be— ſitznahme ſeitens der Wilden auffallend früh erſcheinen laſſen. | Rae theilt über die Methode, durch welche fich dieſer von ihm be— zeichnete Zeitpunkt ergab, folgende charakteriſtiſche Auskunft mit). Er befragte die Eskimo, auf welche er traf, über die verſchiedenen Orte, wo ſie den letzten, den vorletzten und ſo weiter zurück jeden Winter bis zum J. 1849 zugebracht hätten? Aus den Antworten auf dieſe Fragen ergab ſich mit Zuverläſſigkeit, daß ihre Erzählung in das Früh— jahr 1850 fällt. Man darf hierbei nicht vergeſſen, daß dieſe rohen Wilden für Zahlen keinen Sinn und keinen Begriff haben. Es kam z. B. bei ihren weſtlicheren, durch die Berührung mit Europäern mehr cultivirten Stammgenoſſen vor, daß einige Nägel gegen die gleiche Anzahl kleiner gebackener Fiſche verkauft werden ſollten. Dieſer Han— del ließ ſich auf keine andere Weiſe vollziehen, als dadurch, daß im— mer jeder einzelne Nagel gegen jeden einzelnen Fiſch ausgehändigt 5 ) Wie wir ſahen, traf Rae auf dem Wege von der Pelly-Bai nach dem Ca⸗ ſtor⸗ und Pollur-Fluſſe am 20. April neben mehrern andern Eingeborenen, denen das Ereigniß ganz fremd war, denjenigen, der ihm die erſte dunkle Kunde zubrachte. ) Vgl. fein als Erwiderung auf vielfache Anfragen und Einwürfe an die Times gerichtetes Schreiben in der Nr. vom 7. Nov. p. 9. PA 20 K. Brandes: wurde. Wie wenig Einſicht fie von Zeitrechnung haben und wie ihnen in dieſer Beziehung ſelbſt alles Gedächtniß fehlt, ergiebt ſich aus der Antwort eines Eskimo am Cap Warren auf die Nachfrage M'Clure's über die angebliche Ermordung eines weißen Mannes: „Es geſchah voriges Jahr, oder als ich noch Kind war“ 1). So erklärt ſich, daß man von dieſem Volke weit eher über den Monat, — ſie rechnen und beobachten nach Mondwechſeln — als über das Jahr einer Thatſache Auskunft erhält; ſie haben ihren Bären-, Vogel-, Fiſch- und ihren Robbenmonat. In die Zeit des Robbenmonats, Ende April oder An— fang Mai, mußte die Begegnung der nach Süden wandernden Män— ner auf der King Williams -Inſel fallen. Bei dieſer Beſchaffenheit der Nachrichten des Dr. Rae dürfte es nicht ohne Intereſſe ſein, den Verlauf und die Ergebniſſe der Nach— ſuchungs-Expeditionen zu vergleichen. Die beiden Schiffe Erebus und Terror ſind bekanntlich am 26. Juli 1845 in der Melville-Bai zuletzt geſehen. Erſt im Jahre 1850 — als der Annahme des Dr. Rae zufolge kein einziges Mitglied der Mannſchaft mehr am Leben war — wurden auf der Beechey-Inſel die Spuren ihres erſten Winterlagers entdeckt. Es iſt nicht zu zwei— feln, daß beide Schiffe an dieſem Geſtade eingefroren lagen, während die Mannſchaften im Winter 1845 — 46 und im folgenden Frühjahr theils die benachbarten Gegenden durchſtreiften, theils dem Schiffs— dienſt oblagen, oder mit der Ausbeſſerung der erlittenen Schäden oder andrer Mängel an den Fahrzeugen beſchäftigt waren, endlich eine Anz zahl auserleſener Mitglieder den von der Königl. Geſellſchaft zu Lon— don ihnen aufgetragenen Beobachtungen und Arbeiten nachhing. Allen Anzeichen nach iſt die Expedition damals noch in vollem Wohlbefinden, in Kraft und Geſundheit geweſen. Aus ſpätern Ermittelungen ergiebt ſich jedoch, daß der Sommer 1846 für die arktiſche Schifffahrt ſehr ungünſtig war, und es läßt daher ſich kaum denken, daß die beiden Schiffe vor Ende Juli wieder auf hoher See geweſen ſind. Wohin Franklin ſich dann weiter wandte? — das iſt die viel- fach erörterte Frage, über welche die Muthmaßungen weit auseinan— !) M’Clure’s despatches 25. Aug. 1850 »it might be last year, or When I was a child. * * Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 21 der gegangen ſind und im Laufe der letzten Jahre einen außerordent— lichen Wechſel erfahren haben. Die früher faſt allgemein angenommene Anſicht, daß er den Wellington-Canal hinauf gegangen ſei, erſchien den von Rae überbrachten Zeugniſſen gegenüber nicht mehr haltbar. Der Rückweg aus dieſer Meeresſtraße würde die Erpedition faſt unfehlbar nach den Küſten von Nord-Somerſet, dem Leopolds-Hafen u. |. w. ge— führt haben, wo ſeit 1848 Vorräthe und Nachrichten zu ihrem Empfang niedergelegt waren. — Der arktiſche Veteran, Rear-Admiral Sir John Roß iſt ſo eben mit einer zweiten, ſchon früher wenn gleich ſchwan— kend gelegentlich von ihm geäußerten Anſicht hervorgetreten: Franklin ſoll im Laufe des erſten Winter-Aufenthalts auf der Beechey-Inſel die Schiffe als nicht zur arktiſchen Seefahrt geeignet, ſeine Mann— ſchaft, da unter ihr nur zwei oder drei Mitglieder die erforderlichen Kenntniſſe und Erfahrungen beſeſſen hätten, als eine unglücklich ge— wählte, überhaupt ſeine ganze Ausrüſtung als verfehlt und für ſeine Aufgabe unangemeſſen erkannt haben. Endlich ſoll er dadurch, daß die Goldner'ſchen Proviantlieferungen ſich ganz verdorben zeigten, zur ſchleunigſten Rückkehr nach der Baffinsbai genöthigt worden ſein !). Allein dieſe Sätze ſind entweder unerwieſen oder ſtehen mit der herrſchenden Ueberzeugung, mit allen bekannten Thatſachen im ſtärkſten Widerſpruche. Wie die Mannſchaften vier Jahre lang an der ſo vielfach beſuchten Baffins⸗Bai umhergeirrt ſein, oder wie ſie vom Wolſtenholme-Sund ihren Rückweg über King Williams-Land und Adelaide-Halbinſel ge— ſucht haben ſollten, war vollends unerklärlich. In jener Sitzung der geographiſchen Geſellſchaft zu London am 13. November 1854, welche weſentlich der Verſtändigung über die letzten Schickſale Franklin's und über die zur definitiven Aufhellung derſelben zu ergreifenden Maßregeln ) Rear Admiral Sir John Franklin, A narrative of the circumstances and causes which led to the failure of the searching expeditions u. f. w. By Rear- Admiral Sir John Ross. London bei Longmans 1855. 8. Die zuletzt ausgeſpro— chene Vermuthung ſcheint aus der Thatſache entſprungen zu ſein, daß am 3. Juli 1852 im Hafen Clarence bei der Behringsſtraße 10570 Pfund eingemachtes Fleiſch, welches von Goldner am 10. Dec. 1847 geliefert worden war, in völlig verdorbenem Zuſtande gefunden und in das Meer geſchüttet wurden. Vgl. Parliam. Papers 1852 53. Vol. 60. Arctic exped. p. 66. — Aber es iſt in Anſchlag zu bringen, daß dieſe Vorräthe auf jenem langſam ſegelnden Schiffe zweimal die Linie paſſirt und bereits 4 Jahr 7 Monate gelagert hatten. 22 K. Brandes: gewidmet war, vermochte Niemand, ſich mit dieſer Meinung zu be— freunden; ſie wurde vielmehr als eine mit dem Charakter und der Pflichttreue Franklin's unvereinbare Verdächtigung und Anſchuldigung bezeichnet. Es bleibt noch die dritte Annahme übrig, daß Franklin von der Beechey-Inſel aus weiter weſtlich oder ſüdweſtlich nach dem großen Melville-Sund ſeinen Lauf richtete. Erinnern wir uns nun, wie ungünſtig die folgenden Jahre der arktiſchen Schifffahrt geweſen ſind, wie Capt. James Roß im J. 1848 nur mit der äußerſten Anſtren— ſtrengung bis zum Leopolds-Hafen kam, wie er dort erſt am 28. Aug. des J. 1849 durch die mit Aufwand aller ihm zu Gebote ſtehenden Kräfte im Eiſe ausgehauenen Canäle die hohe See wieder zu erreichen vermochte, wie er auch hier ſich ſofort wieder von Eisfeldern umſchloſ— ſen und mit unwiderſtehlicher Gewalt gen Oſten getrieben ſah, — nehmen wir dies Alles zuſammen, ſo wird es in hohem Grade wahrſcheinlich, daß auch Franklin mit ſeinen Gefährten in den noch unerforſchten Theilen des Gr. Melville-Sundes unter langem vergeblichen Harren ſchwere Prüfungen und die äußerſten Drangſale zu beſtehen hatte. Kam es dahin, daß die Schiffe entweder bei einer Untiefe oder im Packeiſe oder an einer Landbildung im Suͤden des Melville-Sundes eingefroren wa— ren, daß ſie ein Jahr nach dem andern darüber hingehen ſahen, ohne wieder eine offene See zu gewinnen, ſo konnte ihnen zuletzt keine andre Wahl bleiben, als wenigſtens einen Theil der Mannſchaften nach der Station der Hudſonsbai-Geſellſchaft in Nordamerika zu entſenden. In welchem Zeitpunkte dieſer letzte Ausweg ergriffen wurde, iſt ſchwer zu ſagen. Immerhin bleibt daher beachtenswerth, daß bis Ende 1850 keine der ausgeſandten Rettungs-Expeditionen in jene Gegen— den gekommen iſt. Hätte das Syſtem der erſten Nachforſchungen plan— mäßig ausgeführt werden können, wäre James Roß damals über Cap Walker hinausgelangt, wäre der Peel-Sund bis zum Cap Nicolai von feinen Mannſchaften ausgekundſchaftet, hätte Richardſon im Wollafton- und Victoria-Land ſuchen und hier etwa im Frühjahr 1849 mit den Streifpartien des Inveſtigator zuſammentreffen können, dann möchte aller menſchlichen Vermuthung nach das Rettungswerk zum Theil ge— lungen ſein ). Aber welch ein Abſtand zwiſchen Entwürfen und Er— ) Jetzt ergiebt ſich, daß unter allen den zahlreichen Rettungsplänen, welche j Die letzte Kunde über Franklin und ſeine Gefährten. 23 folgen! Es ergiebt ſich, daß in dem letzten Monat des Jahres 1849 und in der erſten Hälfte des folgenden ſämmtliche Hülfs-Erxpeditionen dem Melville⸗Sund fern waren. Denn die Küſtenfahrt des Lieut. Pullen von der Behrings-Straße bis zum Mackenzie 1849 blieb weit außer dem Bereiche des Verbleibs der Vermißten; Dr. Rae war, nachdem er im Auguſt 1849 das Victoria-Land unerreichbar jenſeits der von toſendem Treibeis wogenden Meeresſtraße geſehen, ſchmerzlich in feinen Hoffnungen getäuſcht nach Fort Confidence, James Roß nach England zurückgekehrt. Das Jahr 1850 wird abermals durch eine Reihe unzuſam— menhängender, mißlungner Verſuche bezeichnet. Lady Franklin hatte wie unter dem Antriebe einer tiefen Ahnung, ihrer Brigg die Nachſuchung an der Oſtküſte von Boothia-Land empfohlen; aber Forſyth ſah ſich außer Stande, Prinz Regents Inlet zu durchfahren; er kehrte noch Rin demſelben Jahre unverrichteter Sache nach England zurück. Bullen kam vom Mackenzie her auf ſeinem Wege zum Banks-Land nur bis Cap Bathurſt. M'Clure vermochte nicht aus der Prinz Wales-Straße in den Melville-Sund zu gelangen; er mußte neben den Princeß-In⸗ ſeln im Packeiſe ſein Winterlager aufſchlagen und ſich damit begnü— der Admiralität eingereicht worden ſind, vielleicht keiner ſo viel Ausſicht auf Erfolg hatte, als der des Dr. Richard King, bekannt als Mitglied und Berichterſtatter der Expedition des Capt. Back in den J. 1833 — 35. Dieſer gelehrte Reiſende ſchil— derte im Febr. 1848 den Weg längs des Großen Fiſchfluſſes als die geradeſte und richtigſte Zugangsſtraße nach den Gegenden im Weſten von Nord-Somerſet. Dort, meinte er, werde Franklin mit ſeinen Gefährten am Sicherſten zu finden ſein. Es f fei zwar nicht daran zu denken, den dort umherirrenden Mannſchaften auf dieſem Wege Lebensmittel mitzunehmen, dazu ſei dieſer Zugang zu ſchwierig, die Reiſe zu weit; aber es werde doch ſchon eine weſentliche Hülfe ſein, wenn es gelänge, ihnen kundige Wegweiſer entgegen zu führen, mit welchen ſie in jene wildpretreiche Land— ſchaften gelangen könnten, die ohne Führer nicht zu finden wären. Im J. 1850 — freilich diesmal für den Hauptzweck bereits zu ſpät! — bot ſich Dr. King wieder⸗ holt zu dieſem Unternehmen an, welches ihn unfehlbar auf die von Rae fo bedeu— tungevoll erkannten Punkte, nach der Inſel Montreal und Point Ogle gebracht haben würde. — Man darf der Behörde keinen Vorwurf daraus machen, daß fie dem Dr. King kein Gehör ſchenkte. Es iſt eine häufige Erfahrung, daß Reiſende für den von ihnen erkundeten Weg eine Art ſanguiniſcher Liebhaberei gewinnen, und man mochte ſich erinnern, daß King ſchon in früheren Jahren eine geographiſche Ent— deckungsreiſe am Gr. Fiſchfluß hinauf in's Werk zu ſetzen ſtrebte, und daß es ihm mißlang, durch Subferiptionen die erforderlichen Mittel aufzubringen. Endlich hielt es die Admiralität nicht mit Unrecht für ſicherer, Nord⸗Somerſet u. f. w. durch ent⸗ ſprechende Ausrüſtungen von der Barrow-Straße aus zu erforſchen. 24 K. Brandes: gen, die Exiſtenz jener nordweſtlichen Durchfahrt auf einer Schlitten⸗ reiſe zu erforſchen. Die Geſchwader, welche aus England und Nord— amerika nach der Barrow-Straße entſandt wurden, fanden ſowohl den Wellington-Canal, als den Melville-Sund ihren Schiffen verſchloſſen. Erſt im Frühjahr 1851 kam es, während die Rückfahrt der Amerikaner unter den überraſchendſten Erfahrungen mißlungen war, durch die Organiſation der Schlittenzüge zu einer weitern Ausdehnung der Rettungsverſuche. Abgeſehen von den Entdeckungen des Capt. Penny am Wellington-Canal, die einer entlegenern Gegend angehör— ten, wurden jetzt zu gleicher Zeit von Rae die Küſten von Wollaſton und Victoria-Land ausgekundſchaftet; — von M'Clure der Weſtrand des Prinz-Albert- und ein Theil des Prinz-Wales-Landes, dazu die Baring-Inſel bis zu dem von Parry 1819 entdeckten Banks-Land⸗ Streifen; — von den durch Capt. Auſtin aus ſeinem Winterlager ent— ſandten Schlittenzügen die Oſthälfte der Melville-Inſel, die Geſtade der Byam-Martin-Straße, das Cap Walker und von dort in ſuͤd— weſtlicher Richtung, am Rande des Melville-Sundes hin, eine Strecke des Prinz Wales-Landes. Höchſt merkwürdig, wie dieſe Expeditionen, die von drei Seiten vollkommen unabhängig, jede einzelne ohne Kenntniß der beiden andern, unternommen wurden, ſich dennoch ſo überraſchend ergänzten, ohne ein— ander zu berühren, — wie M'Clure's Lieut. Haswell am 14. Mai 1851 am Nordrande der Mündung des Prinz-Albert-Sundes (da- mals „Ruſſel-Golf“ genannt) ankam, während 10 Tage ſpäter Rae vom Südrande aus auf die damals noch geheimnißvolle Bucht ſeine forſchenden Blicke richtete; und wie die Schlitten des Lieut. Wynniatt vom Inveſtigator und des Lieut. Osborn vom Pioneer am 23. und 24. Mai auf ein paar Tagereiſen einander nahe gekommen ſind. Kaum läßt ſich denken, daß Franklin oder ein Theil ſeiner Mann— ſchaften in dieſem oder ſelbſt im folgenden Jahr, — in welchem Col— linſon ſeine Schlittenzüge zur Durchſuchung des Prinz Alberts- und Wollaſton-Landes entſandt hatte, und Kennedy mit Bellot in Süd— Nord-Somerſet und im nordöſtlichen Theil des Prinz-Alberts-Landes längs des Peel-Sundes forſchte — in jenen Gegenden noch verweilt haben ſollte. Dagegen läßt ſich mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß Cap Walker, dieſer vielgenannte mit ſeinem hohen Felsgipfel weit — a * nn u a u u Se Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 25 hinaus hervortretende Punkt, niemals von den Vermißten erreicht wor— den iſt. Denn gewiß hätten ſie hier irgend ein Anzeichen ihrer Ge— genwart zurückgelaſſen, welches bei ſo vielfachen nachmaligen Beſuchen ſchwerlich unbemerkt geblieben wäre!), und zugleich hätte von hieraus der Zugang nach Fury Beach und den daſelbſt lagernden Vorrathen kaum Hinderniſſe darbieten können. Man erinnert ſich, daß Kennedy und Bellot im Jahre 1852 ſich aus den großentheils noch unverdor— benen Ueberreſten verproviantirt und ohne beſondere Schwierigkeit den Weg nach Cap Walker zurückgelegt haben. Angeſichts dieſer Thatſachen bleibt kaum zweifelhaft, daß jene Ab— theilung der Mannſchaft, welche die durch Rae nach England über— brachten Artikel mit ſich führte, nicht ſpäter als im J. 1850 nach der Inſel King Williams-Land und in die Gegend gelangt iſt, wo ihren Leiden das letzte Ziel geſteckt war. Die Eskimo, denen ihre Habſelig— keiten zunächſt in die Hände fielen, gehören offenbar den uncultivirte— ſten Gliedern dieſes weitverbreiteten Volks an. Sie ſind von den Na— tionen der Hudſons-Bai-Comp. durch ſchwer zu bereiſende Strecken getrennt, durch die ununterbrochenen Kämpfe mit den etwas tiefer im Lande wohnenden Indianerſtämmen verwildert. Eine Abtheilung der Expedition des Capt. Back ſah ſich bei einem Ausfluge auf der Weſt— ſeite von Adelaide-Land am 12. Auguſt 1833 von ihnen angegriffen; es kam zum Blutvergießen, drei Männer des feindlichen Haufens wur— den getödtet, mehrere verwundet ?). Der Verkehr und die Verbindung der verſchiedenen Eskimozweige erſtreckt ſich bekanntlich von der Behrings— ſtraße ſelbſt bis nach Labrador hin; wenigſtens iſt erwieſen, daß ein— zelne Gegenſtände im Laufe der Jahre durch Tauſchhandel dieſes Weges gegangen ſind. Eben ſo gewiß iſt aber auch, daß einzelne Eskimo— gruppen mit ihren übrigen Stammgenoſſen nicht in Berührung kommen, wie z. B. die von Sir John Roß in Boothia angetroffenen Eingebore— ) Es könnte hier freilich geltend gemacht werden, daß auch Kennedy und Bel— lot die mehrfach zurückgelaſſenen Spuren der Anweſenheit Auſtinſcher Mannſchaften, welche ſie noch dazu mit Gewißheit erwarteten, nicht vorgefunden haben. Allein die Nachſuchungen der letztern waren doch, eben weil hier mehre Schlittenzüge einander erwarteten und nach verſchiedenen Richtungen ausgingen, ungleich erſchöpfender. 2) King Narrative to the shores of the arctic ocean. London 1836. 8. Vol. 2. p. 69. ‘ 26 K. Brandes: nen und das von M'Clure und Miertſching im Prinz Albert-Land beſuchte Naturvölkchen. So mögen auch die Artikel, welche die An— weſenheit einiger Mitglieder der Franklin'ſchen Mannſchaft unwider— ſprechlich bekunden, zuerſt in die Hände einer mehr iſolirten Gruppe gefallen ſein. Außerdem fehlen alle Anzeichen einer planmäßigen Be— gegnung der dort umherſtreifenden Eskimoſchaaren; ihr gegenſeitiges Zuſammentreffen iſt zufällig, und mag daher von Zeit zu Zeit erſt nach längeren Zwiſchenräumen ſtattfinden. Endlich iſt es zwar nicht als gewiß anzunehmen, daß jene Schaar der Weißen, über deren Anzahl die Mittheilungen von Rae nicht au— thentiſch und zuverläſſig ſein können, den ganzen noch überlebenden Beſtand der einſt ſo kräftigen und unternehmenden Mannſchaft aus— machten. Aber unmöglich läßt ſich denken, daß heute nach mehr als 5 Jahren, Einer von ihnen noch unter jenen armſeligen Wilden um— herirren ſollte. Die bis jetzt zum Vorſchein gebrachten Gegenſtände (und dieſe ſind gewiß nur ein Theil der dort umgehenden) gehören den beiden Befehlshabern und einer Anzahl der erſten Offiziere beider Schiffe an. Man wird nicht folgern, daß dieſe in Perſon unter den heim— kehrenden geweſen ſind. Die Gegenſtände mögen bei einer Kataſtrophe gerettet, ſie mögen von den Eigenthümern bei der Trennung oder im Augenblicke ihres Todes den Gefährten zum Ueberbringen anvertraut ſein. Es kann nicht auffallen, daß letztere auch in den Augenblicken der höchſten Bedrängniß jene Pfänder, deren materielle Laſt äußerſt gering war 9, nicht von ſich werfen wollten; fie haben es als heilige Pflicht angeſehen, die Silbergeſchirre mit den Familienwappen und Namens- chiffer der bereits Verblichenen u. ſ. w. bei der von ihnen immer noch gehofften Heimkehr den Angehörigen und Freunden der Verblichenen zu überliefern. Was aus den Schiffen Erebus und Terror geworden iſt, ob das eine oder das andere oder beide von den arktiſchen Elementen zerſtört ſind? oder ob eines derſelben zuletzt daran gegeben wurde, um einer zuſammengeſchmolzenen Minderzahl des Schiffsvolks Feuerungsmaterial zu gewähren? oder aber, ob ſie noch eingefroren in einem unbeſuch— ) Das ſämmtliche von Rae überbrachte Silbergeräth betrug, wie er in Times vom 31. Oct. verſichert, an Gewicht nur 4 bis 5 Pfund. * * 7 Die letzte Kunde über Franklin und ſeine Gefährten. 27 ten Theil des Melville-Sundes ſtehn? ob ſie von der Gewalt der Weſtwinde und der weſtlichen Strömung zum atlantiſchen Ocean hin— weggeführt und im J. 1851 von der Renovation aus geſehen ſind? “) — das alles ſind Fragen, für welche wir vergebens noch einen Auf— ſchluß ſuchen. Gewiß iſt nur, daß die auf der King Williams-Inſel u. ſ. w. umherirrende Schaar den Schiffen fern geweſen iſt, daß die Schiffe den Eskimo nirgends erreichbar geworden ſind. Rae hat auf eine überzeugende Weiſe dargelegt, daß die Bretter und Planken oder Geräthe in dieſen ganz holzarmen und doch des Holzes in ſo hohem Grade bedürftigen Gegenden über hunderte von Meilen hin weit und breit verſchleppt fein würden ?). Der Mangel an Holz iſt dort fo groß, daß die Eingeborenen oft genöthigt find, ſich der durch den Froft gehärteten Biſamſtierfelle zur Anfertigung ihrer Schlitten zu bedienen. Aber nirgends wurde auch nur die geringſte Spur der Schiffe geſehen — man müßte denn an die von Rae bei Victoria-Land und von Eol- linſon an der Cambridge-Bai aufgefundenen Stücke denken, deren Ur— ſprung und Beſchaffenheit doch viel zu unſicher iſt. Zur individuellen Anſchauung der Lage, in welche Franklin mit der Zeit verſetzt fein mochte, bieten ſich zwei arftifche Expeditionen aus der neuen Zeit dar. Capt. Sir John Roß ſah ſich auf ſeiner zweiten Reiſe, nachdem er drei Winter im Eiſe verlebt, zuletzt am 29. Mai 1832 genöthigt ſein Schiff Victory aufzugeben. Es war ein großes Glück für ihn, daß er aus den zurückgelaſſenen Vorräthen des geſtran— deten Schiffes Fury, an welchen ſein Rückweg vorbeiführte, den Bedarf für ſeinen vierten Winter im Eiſe entnehmen konnte, daß er weiterhin an der Küſte von Navy Board Inlet von dem dort zufällig vorüber— ſegelnden Fahrzeuge aufgenommen wurde. — Capitain M'Clure fror nach furchtbaren Bedrangniſſen im September 1851 an der Mercy— Bai ein und harrte im folgenden Sommer vergebens des Aufbre— chens der ihn umgebenden Eisfelder. Seine Vorräthe fingen an ſich ) Vgl. Brandes: Sir John Franklin S. 277 — 82. — Unter andern iſt von Simmonds (Globe 9. Nov. 1854) behauptet worden, daß es mit den letzten Nach— richten vollkommen im Einklange ſtehe, jene beiden „Schiffe im Eisberge“ als die Wracks des Erebus und Terror anzunehmen. Der entgegengeſetzten Anſicht iſt der Berichterſtatter Times 24. Oct. ) Vgl. Rae's Erklärung in einer Zuſchrift an den Herausgeber der Times (Nr. vom 31. Oct. 1854). 28 K. Brandes: zu erſchöpfen, die Mannſchaft fiel bei den knapp zugemeſſenen Ratio— nen in Schwäche und Krankheit. Er erkannte die Unmöglichkeit, ſeine Gefährten noch einen Sommer zu unterhalten, und wählte im Jahre 1853 das Frühjahr als die günſtigſte Zeit zur Landreiſe, um den größeren Theil ſeiner Mannſchaften in zwei Abtheilungen nach verſchie— denen Richtungen hin zu entlaſſen. Aber auch bei ihm trat die glück— liche Fügung ein, daß jeder der beiden zu entſendenden Abtheilungen unterwegs eine Niederlage von Vorräthen zu Gebote ſtand. Die erſte Abtheilung, welche auf dem Wege durch die Mackenzie-Landſchaften nach den Hudſonsbai-Stationen gehen ſollte, würde auf den Royal Prin— zeß⸗Inſeln die von ihm zurückgelaſſenen Vorräthe gefunden haben. Die zweite Abtheilung vermochte auf dem Wege nach der Baffinsbai in dem am Leopoldhafen auf Nord-Somerſet 1849 erbauten und ausgeftatteten Vorrathshauſe, bei deſſen Anlage M'Clure als Lieutenant des Capt. James Roß mitgewirkt, Unterkunft zu finden und ſelbſt ein Fahrzeug zur Heimkehr zu benutzen. So hätte M'Clure mit einer gewiſſen ruhigen Zuverſicht dieſe Männer von ſich laſſen können, während er ſelbſt noch einen Sommer hindurch der Möglichkeit harren wollte, die entdeckte nordweſtliche Durchfahrt zu vollenden. Aber wie war das Alles ganz anders bei Franklin! Er konnte den Seinigen auf ihren weiten und öden Wegen nach den Stationen der Hudſonsbai-Landſchaften keine Vorräthe nachweiſen, und ihm ahnte nicht, daß im Leopoldhafen und in den Mackenzie-Landſchaften Nieder lagen von Vorräthen und Kundſchaft gebende Flaggenftangen feiner warteten. Indem ſeine Männer an den Nordküſten des Prinz Wales— Landes ihre Wanderung antraten '), kam es darauf an, zu entſcheiden, ) Der Anfangspunkt dieſer Wanderung an den Norbküſten des Prinz Wales⸗ Landes läßt ſich natürlich nicht beſtimmt ermitteln. Da indeſſen, wie wir oben bemerkten, Cap Walker ſchwerlich von der Expedition Franklin's beſucht worden war, ſo ergiebt ſich, daß dieſer Punkt eine beträchtliche Strecke weiter weſtwärts zu ſuchen iſt; und da weder Lieut. Wynniatt vom Weſten her, noch auch Lieut. Osborn vom Oſten her an dem von ihnen erforſchten Küſtenzuge auf eine Spur trafen, könnte man ver- muthen, daß Franklin's Männer auf der dazwiſchen unbeſucht gebliebenen Küſtenlinie gelandet ſind. — Im letzten Aprilhefte des North American Review finden wir die Muthmaßung, daß die verunglückte Schaar im Auguſt 1849 am Südrande von Wol— laſton und Victoria-Land hülfeſuchend umhergeirrt ſei, während Rae an der gegen— über liegenden Küſte des Feſtlandes drei Wochen lang mit Schmerzen und zuletzt doch vergebens einer Möglichkeit zur Ueberfahrt harrte. Demnach müßten ſie den Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 29 ob fie entweder die Richtung nach den Gegenden des Madenzies und Kupferminenfluſſes, wo Franklin im J. 1821 faſt des Hungertodes geſtorben wäre, oder die Richtung nach dem Großen Fiſchfluſſe ein- ſchlagen wollten. Die dazwiſchen liegenden Landſchaften waren theils wegen der größern Breite des Meeresarmes ſchwer zu erreichen, theils ſchreckten ſie durch ihre äußerſte Hülfsloſigkeit zurück. In dieſer Lage mögen ſie durch die Ausſicht auf Wildpret bewogen worden ſein, der Richtung über Kings Williams-Land und über die Simpſon-Straße, gegen den großen Sclavenſee hin, den Vorzug zu geben. Die Stelle, an welcher Sir John Roß noch einen Theil der Vorräthe des Schiffes Fury übrig gelaſſen, konnte ihnen nicht unbekannt fein. Ein unglüd- licher Ausſchlag hat ſie von dieſer Richtung, die ihnen noch Rettung hatte bringen können, zurückgehalten. — Ferner iſt es nicht undenkbar, daß Franklin oder ein Theil ſeiner Gefährten — mit denſelben Er— wartungen, wie einige Jahre hernach M'Clure in der Mercy-Bai — auf den Schiffen zurückblieben, während jene verunglückte Schaar mit einer Anzahl der theuerſten Gedenkſtücke der Offiziere dahin ging, um auf dem Landwege Rettung zu ſuchen, vielleicht auch um eine Net tungs⸗Expedition für die Zurückgebliebenen in Bewegung zu ſetzen. Bei dieſer Vorausſetzung bliebe wiederum zweifelhaft, ob jene im Eis— meer ausharrenden Seefahrer ſeuchenartigen Krankheiten, oder unter den Gebrechen und Schwächen des Mangels an Lebensmitteln erlegen ſind, ob ihnen eine plötzlich hereinbrechende Kataſtrophe der arktiſchen Elemente — man denke an die ſchnelle Vernichtung des Breadalbane bei der Riley⸗-Spitze 21. Aug. 1853 — einen Untergang ohne langen Todeskampf gebracht hat. Von ihnen hat bis jetzt noch Niemand eine Spur geſehen. Wir treten jetzt zu der letzten und furchtbarſten Scene am Ende der Lebenstage jener hinwärts wandernden Schaar. Rae rollt auf Grund» lage der Eskimo-Kundſchaft ein unausſprechlich duͤſteres Bild derſel— ben auf. Er zeigt die Unhaltbarkeit des einſt mit hoffnungsfrohem Muthe geſprochenen, und jetzt von Manchem ihm entgegen gehaltenen Worts des Oberſten Sabine: „Wo Eskimo leben können, wo Rae ſich Winter 1849 — 50 auf Victoria-Land zugebracht haben. Dies läßt ſich jedoch kaum denken, da die Spuren ihres Winterlagers bei den mannichfachen Nachforſchungen von Rae oder Collinſon gewiß nicht unentdeckt geblieben wären. 30 K. Brandes: feinen Bedarf ſchafft, da werden Franklin's Männer nicht verkommen!“ — Denn Franklin's Männer kamen aufgerieben durch Beſchwerden und Mangel zur ungünſtigſten Zeit des Jahres in einem der hülf- loſeſten Striche des arktiſchen Amerika an, während zur Erlegung des ſcheu und ſpärlich umherirrenden Wildes die raſcheſte Gewandtheit und zumal zum Fangen der Robben eine ſeltene Geſchicklichkeit und Uebung erforderlich geweſen wäre n). Denjenigen die es unglaublich fanden, daß eine mit Flinten und Schießbedarf, mit Zelten, Schlitten und ei— nem Boot verſehene Schaar auf ihrem Wege ſich mit einem Male niedergelegt haben ſollte, um an den Leibern ihrer Gefährten die Qualen des nagenden Hungers zu lindern und dennoch eines unvermeidlichen Todes zu harren, daß bei einem ſolchen Ausgange nicht jeder Einzelne auf möglichſt weiten Wegen feine Rettung geſucht haben ſollte?), ent— gegnet Rae Folgendes: Vergegenwärtigen wir uns auf einen Augenblick das Gemälde einer Schaar muthvoller Männer, die durch Mangel und vielleicht auch durch Krankheiten in die äußerſte Bedrängniß verſetzt, nach den Mündungen eines Stromes, wie z. B. des Großen Fiſchfluſſes, ihren Weg nehmen. Dort gedenken fie dem als nahe bevor- ſtehend erwarteten Aufbruch des Eiſes, dem Zeitpunkte entgegen zu harren, in wel— chem fie auf ihrem Boote ſich einfchiffen können. Allein bei ihrer Ankunft find Vie— len die letzten Kräfte geſchwunden, fie vermögen ſich ſelbſt nicht weiter fortzuſchleppen, geſchweige denn beim Fortztehen des Schlittens Hülfe zu leiſten. Die Kräfte der übrigen reichen nicht hin, um dieſe Laſt weiter zu bewegen. Welche Auskunft blieb den Männern in einer ſolchen Lage? Ich meine nur dieſe: zuſammen zu halten, ihrer Wanderung vorläufig ein Ziel zu ſetzen. So konnten diejenigen, welche noch Kräfte hatten, auf die Jagd ausgehen, um für ſich und ihre ermatteten Gefährten Unterhalt zu ſuchen, bis die Eisdecke des Stromes ſich löſte, und ihnen Allen auf ihrem Bote ein leichteres Fortkommen ermöglicht wurde 3). Endlich hat Rae wiederholt verſichert, daß die Mittelbarkeit ſeiner Nachrichten — er ſchöpfte ſie nicht von Augenzeugen und konnte mit den Erzählenden nur durch Vermittelung eines Dolmetſchers ſich ver— ſtändigen — deren Glaubwürdigkeit nur erhöhen könnte. Hätte man, ſagt er, diejenigen angetroffen, welche die hinterlaſſenen Gegenſtände von den Leibern der Geſtorbenen genommen, oder nahebei aufgeleſen hatten, ſo möchte der Verdacht einer abſichtlichen Entſtellung der Wahr— ) Times vom 31. Oct. 2) In den Bemerkungen Daily News 26. Oct., 28. Oct., Times 30. Oct. u. |. w. ) In der Erklärung Times 7. Nov. * % ö Die letzte Kunde über Franklin und ſeine Gefährten. 31 heit nahe liegen. Allein diejenigen, mit welchen er verkehrte, konnten kein Intereſſe und keinen Grund haben, den Thatbeſtand zu fälſchen; und eben ſo wenig laſſe ſich zweifeln, daß ihnen von den wirklichen Augenzeugen die richtige Kunde arglos mitgetheilt ſei. Wie mannich— fach auch Unzuverlaͤſſigkeit, Lügenhaftigkeit, Tücke und Wildheit des Na— tionalcharakters der Eskimo ihm entgegengehalten wurde, wie oft auch die Vermuthung ausgeſprochen iſt, daß er mit denjenigen Perſonen zuſammengetroffen ſei, welche die Gegenſtände ſelbſt geraubt hatten, und daß dieſe den Hergang ihres Verbrechens durch ihre Erzählungen zu verdecken bemüht geweſen — Rae weiſet auf's Entſchiedenſte den Ge— danken zurück, als ob Mord oder Plünderung an den Verunglückten geſchehen ſein könnte. Aus Anlaß dieſer letzten traurigſten Kunde von der Vernichtung der Mannſchaft, die einſt mit ſo glänzenden hochgehenden Hoffnungen die engliſchen Küſten verließ, iſt verſchiedenen bis dahin mißachteten Gerüchten und Nachrichten eine neue Bedeutung beigelegt worden. Im Herbſt 1849 brachte der Capt. Parker aus dem Lankaſter-Sunde eine Eskimo⸗Sage von vier großen Schiffen, welche in einem Meeresſunde, deſſen nach Tagereiſen angegebene Entfernung auf den Prinz Regent Inlet paßte, eingefroren ſein ſollten; zwei der Schiffe ſollten ſeit vier Jahren auf der Weſtſeite, die beiden andern auf der Oſtſeite liegen. Als M'Clure am 24. Auguſt 1850 das Cap Warren beſuchte, zog die Ausſage zweier Eskimo, daß eine Anzahl weißer Männer — Niemand wußte woher? — dort anlangte, ſich ein Haus erbaute, aber in Folge des an einem von ihnen verübten Mordes, hinweggeflüchtet ſei, an— fangs ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich, bis er dieſe Mittheilungen als gehaltloſe Beſtandtheile von veralteten unklaren Sagen erkannte. Ein ſonderbares Zuſammentreffen, daß faſt in denſelben Tagen der berüch— tigte Eskimo Adam Beck die zur Rettung Franklin's ausgeſandten Ge— ſchwader an der grönländiſchen Küſte (in der Melville-Bai) — durch angebliche Gerüchte von zwei 1846 im Norden der Baffins-Bai ge ſtrandeten Schiffen und von den am Wolſtenholme-Sund erſchlagenen Mannſchaften derſelben — auf einige Tage in die höchſte Beſtürzung verſetzte. Und um dieſelbe Zeit war an der Behringsſtraße, wo da— mals die fabelhaften Erzählungen von ſchiffbrüchigen weißen Männern zu hunderten umliefen, die ſcheinbar begründete Ausſage über mehrere 32 K. Brandes: im Innern des ruſſiſchen Nordamerika angeſiedelte Europäer von Col— linſon einer ernſthaften Unterſuchung werth befunden. — — Alle dieſe Erzählungen, Angaben und Gerüchte waren indeß längſt entkräftet und beſeitigt; die nunmehr auftauchenden Verſuche, dieſelben mit der Bot— ſchaft des Dr. Rae in Verbindung zu ſetzen oder ihnen auf Grund derſelben ein beſtimmtes Intereſſe zu vindiciren, wurden eben ſo ſchnell als verfehlt erkannt und vermochten nicht, dauernden Anklang zu ge⸗ winnen. 6) Pläne zu weitern authentiſchen Nachforſchungen über den Thatbeſtand der Nachrichten des Dr. Rae. f Sogleich unter dem erſten Eindrucke der erſchuͤtternden Botſchaft des Dr. Rae erwachte in England auf's Lebendigſte der Gedanke, daß es eine heilige Pflicht des Vaterlandes ſei, das Schickſal der verun— glückten Expedition an Ort und Stelle zu erforſchen und Alles auf— zubieten, um über das furchtbare Geheimniß die letzte Aufhellung zu erringen. Alle Blicke richteten ſich nun mit einem Male auf den Gro— ßen Fiſchfluß, auf die Halbinſel Adelaide und auf das King Williams— Land. An den Wellingtons-Canal und die hohe Polarſee dachte Nie— mand mehr. Die bis dahin ſo erbitterten Gegner des Capt. Belcher verſtummten und ſeine Angelegenheit trat ſpurlos tief in den Hinter— grund zurück. Unter den zurückgekehrten Seefahrern, die im Laufe der wenigen ſeit ihrer Rückkehr verfloſſenen Wochen ſich von ihren Leiden und Be— ſchwerden ſichtlich erholt hatten, — es wird namentlich erwähnt, daß ſelbſt an den Männern des Inveſtigator die fünfjährigen arktiſchen Drangſale nicht mehr zu ſehen waren — ſprachen Viele den Wunſch und das Verlangen der Theilnahme an jeder neuen Expedition zur Auf— klärung über den Untergang Franklin's und ſeiner Gefährten aus. Dieſe Männer wollten die erſtarrten Leiber ihrer Landsleute und alle ihre Gebeine an den öden arktiſchen Küſten zuſammenleſen, um ſie in einer gemeinſamen öffentlichen Begräbnißfeier dem heimiſchen Boden zurück— zugeben; ſie wollten mit unermüdlichem Fleiße alles, was von der Habe oder Hinterlaſſenſchaft der Verunglückten bei den Eskimo noch anzutreffen war, an ſich bringen und den trauernden Angehörigen und Freunden in der Heimath überweiſen. — . ̃⅛o˙A . 7 — EEE (2 Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 33 In der oben erwähnten Sitzung der geographiſchen Geſellſchaft zu London (13. Novbr.) kam es neben den Ausfprüchen der tiefſten Theilnahme an dem traurigen Looſe der Verſchollenen, neben den herz— lichſten Beileidsbezeigungen für die Hinterbliebenen und vor allem für die edle „Wittwe“ — man nahm jetzt zum erſten Male keinen An— ſtand das diesmal ſo inhaltvolle Wort zu gebrauchen — Lady Franklin, zu einer Anzahl von Vorſchlägen neuer arktiſchen Expeditionen. Aus den Berichten über dieſe Verſammlung ergiebt ſich, wie ſo Manche noch dem Gedanken nachhingen, daß die Mannſchaften in den ſchwe— ren Stunden der Entſcheidung ihres Mißlingens oder ihrer äußerſten Gefahren ſich zertheilt haben könnten, und daß eine Abtheilung in den Landſchaften ſüdlich von Lancaſter-Sund gegen die Baffins-Bai hin ihren Weg genommen haben möchte, während die andere am Strande der Adelaide-Halbinſel ihr Ende fand. Ja zwei gewichtvolle Stimmen, Scoresby und Kellett, erhoben ſich für die Möglichkeit des Ueberlebens einiger unter den Vermißten ), obgleich die übrigen Mitglieder der Verſammlung nur die entſeelten Leichname und die hinterlaſſenen Be— ſitzthümer nebſt den etwa noch vorhandenen Aufzeichnungen als das Ziel der weiteren Nachforſchungen betrachteten. Von beſonderem Eindrucke war es hier, daß Capt. M'Clure die Nachrichten des Dr. Rae für hinreichend erklärte, um die Ueberzeugung von dem vollftändigen Un— tergang der ganzen Franklin'ſchen Expedition zu bethätigen. Im Laufe der Verhandlungen empfahl hierauf Sir John Roß — indem er zu— ö gleich auf die commercielle Nützlichkeit eines ſolchen Unternehmens hin— wies! — die Ausſendung eines Schiffes nach der Weſtſeite der Baf— fins ⸗Bai, d. h. nach den Gegenden ſüdlich von der Ponds-Bai, um von dort aus die Gebiete bis zu dem Hudſonsbai-Territorium aus— | ) Selbſt der in feinen alten Tagen für neue Aufhellungen über Franklin noch 0 ſanguiniſch empfängliche Sir John Roß neigt jetzt am Schluß der oben angeführ— ten vor Kurzem erſchienenen Schrift dem Gedanken zu, daß doch wohl der eine oder 5 andere von Franklin's Männern noch am Leben fein könnte, das traurige Schickſal der übrigen anzuſagen. Er motivirt mit dieſer Anſicht die Forderung, nach Ma$- gabe des damaligen Standes der Angelegenheit die Nachforſchungen zu erneuern. — Man erinnert ſich, wie derſelbe arktiſche Veteran ſchon am 1. Nov. 1851 durch ein an die Admiralitäts-Commiſſton gerichtetes Memorandum feine Ueberzeugung dahin ausgeſprochen hatte, daß weder Franklin, noch einer feiner Männer fo lange Zeit (d. h. bis vor mehr als 34 Jahr) in der Polargegend am Leben geblieben fein könnte. F Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 3 34 K. Brandes: zukundſchaften. Kellett ſtimmte dieſen Vorſchlägen bei, indem er der Möglichkeit gedachte, in jenen unerforſchten Einöden noch umherirrende Mitglieder der Franklin'ſchen Mannſchaft zu retten. Dagegen richtete Lieut. Osborn die Aufmerkſamkeit auf die Gegenden jenſeits des Peel— Sundes, indem er meinte, daß dort die Leichname und Ueberreſte an— derer Mannſchaften Franklin's aufgefunden werden müßten. Noch wei- ter gingen die Vorſchläge des Capt. Inglefield. Dieſer Offizier war von dem Verlangen erfüllt, ſowohl den Bereich der letzten Kataſtrophe, als auch die Küſtengebiete, an welchen die Schiffe entweder verun— glückt oder von den Mannſchaften verlaſſen fein mußten, umfaſſend er— forfcht zu ſehen. Hochgehenden Sinnes drang er darauf, im nächſten Früh— jahr zwei Fahrzeuge (d. h. Dampfer) auszurüſten; die eine dieſer Ex— peditionen, für die Fahrt nach Cheſterfield-Inlet und der Repulſe-Bai beſtimmt, ſollte von dort aus die Umgegend des Großen Fiſchfluſſes auf dreihundert Meilen weit erforſchen und, wie er meinte, in demſelben Jahre noch nach England zurückkehren, die andere aber zunächſt nach der Beechey-Inſel ihren Lauf richten und von dort aus gegen den Peel⸗Sund vordringen. Solche weitausſehende Unternehmungen lagen jedoch nicht mehr in dem Sinne der Admiralität, und es läßt ſich nicht leugnen, daß dieſelben theils auf zweifelhaften Vorausſetzungen beruhten, theils wie— derum zu einem mehrjährigen Verweilen der Mannſchaft in den arkti— ſchen Regionen führen konnten und mannichfachen, außer aller menſch— lichen Berechnung liegenden Eventualitäten unterworfen waren. An— geſichts der entſcheidungsvollen Botſchaft des Dr. Rae, und ſelbſt ſchon aus Anlaß der letzten arktiſchen Erfahrungen, ließ es ſich die Behörde ſichtbar angelegen ſein, fortan neue Gefahren und Opfer von Men— ſchenleben grundſätzlich nach Möglichkeit zu vermeiden. Dagegen ging ſie ſogleich in den Tagen nach Rae's Ankunft ſehr lebhaft auf die Aufgabe ein, zur Unterſuchung der Gegenden, welche Rae als Wahl— ſtätte des Untergangs jener verunglückten Schaar bezeichnete, ohne al— len Verzug die geeigneten Maßregeln zu berathen. Nichts lag näher, als dem Dr. Rae die Leitung dieſer Expedition zu übertragen. Er ſtand, wie kein anderer, in einer vollen und klaren Anſchauung der Er— forderniſſe und der bisher errungenen Vermittelungen und hatte au— ßerdem auf jeden Fall jetzt die nächſte Anwartſchaft des Preiſes von Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 35 10,000 Pfd. Sterling, welcher im Jahre 1850 für die erſte gewiſſe Aufhellung des Schickſals der vermißten Expedition ausgeſetzt worden war. Dennoch hat Rae alle ihm wiederholt geſtellten Anträge auf die Anführung dieſes Unternehmens mit der größten Entſchiedenheit zu— rückgewieſen, indem er ſich theils auf ſeinen geſchwächten Geſundheits— zuſtand berief, theils die Nothwendigkeit der ſofortigen Bearbeitung ſeiner auf den letzten Reiſen geſammelten geographiſchen Materialien geltend machte. An den Berathungen der Lords-Commiſſioners der Admiralität in den Tagen vom 23 — 27. Oct. hat er indeß den thä— tigſten Antheil genommen. Dieſe führten zu dem Ergebniß, daß die ganze Angelegenheit dieſer Nachſuchungen dem Directorium der Hud— ſonsbai⸗Geſellſchaft anvertraut wurde. Capt. Shepherd, der in Lon- don anweſende Vice-Gouverneur der Geſellſchaft, wurde bei der letz— ten und entſcheidenden Conferenz zugezogen; er hat an demſelben Abende (27. October) noch dem in Amerika reſidirenden Gouverneur Georg Simpſon die ausführlichſten Mittheilungen zur unverzögerten Ausrü- ſtung der Expedition überſandt. Anfangs brachte es für den Plan dieſer Nachſuchungen eine er— hebliche Verwickelung, daß gleichzeitig auch eine Rettungs-Expedition für Collinſon und feine Gefährten als unerläßlich erkannt wurde ). Nach dem Inhalt der Depeſchen, welche Lieut. Mecham an der Prinz Wales ⸗Straße auffand, hatte Collinſon im Frühjahr 1852 die Abſicht, eine öſtliche Richtung einzuſchlagen, die ihn bei günſtigem Erfolge nach den von Rae ſo verhängnißvoll bezeichneten Gegenden geführt haben mußte. Wie es ihm jedoch hiebei ergangen ſein mochte, blieb bei der von allen Seiten beſtätigten Unſicherheit arktiſcher Unternehmungen höchſt zweifelhaft. Die einzige angemeſſene Auskunft beſtand darin, mittelſt einer Boot-Erpedition vom Mackenzie nach feinen Spuren zu ſuchen. Hierbei kam es zu Statten, daß bei Fort Simpſon ein gro⸗ ßes Boot, wie deren ſich die Hudſonsbai zur Schifffahrt auf größern Flüſſen bedient, zur Bereitſchaft ſtand. Dies war aber nicht genug; ) Capt. T. B. Collinſon, Bruder des abweſenden Befehlshabers der Enter— priſe, dringt in Times vom 27. Oct. auf Entſendung einer von 2 bis 3 Offizieren egleiteten Erpedition von etwa 30 Mann nach der Mündung des Mackenzie u. ſ. w. Er betonte, daß dieſes Unternehmen ſich auch zur Aufhellung des Schickſals der Frank: lin⸗Expedition erfolgreich erweiſen werde. 3 * 36 K. Brandes: denn man mußte auch darauf bedacht ſein, die nöthigen Vorräthe für den Fall einer Begegnung mit hülfsloſen Abtheilungen der Collinſon— ſchen Mannſchaft mitzunehmen. Außerdem war es erforderlich, ſich mit zwei kleineren tragbaren Booten zu verſehen, die man ohne Zeitverluſt am Athabaska⸗See herſtellen zu können hoffte. Selbſt die Zuſammenſetzung der Mannſchaft, die Wahl der Offiziere und Steuerleute hatte ihre Schwierigkeiten. Endlich mußte auch Bedacht darauf genommen wer— den, die Zurückkehrenden am großen Bären-See mit einem entſprechen— den Vorrathe von Lebensmitteln zu empfangen und dadurch den furcht— baren Nothſtänden und Verlegenheiten bei der einſtmaligen Rückkehr Franklin's vorzubeugen. Daher war es eine außerordentliche Erleichterung, als in der zweiten November-Woche die Nachricht von dem glücklichen Eintreffen Collinſon's an der Behringsſtraße ankam. Denn die Ausſendung je— ner Boot-Expedition auf den Mackenzie konnte nunmehr ganz wider— rufen werden; ſie hätte in der That keinen Sinn mehr gehabt, da gleichzeitig gemeldet wurde, daß Collinſon den Winter 1852 — 53 in der Cambridge-Bai zugebracht und die Küſten von Wollaſton- und Victoria-Land ausgekundſchaftet hatte. Demnach blieb innerhalb des von der Admiralität angenommenen Syſtems jetzt keine Aufgabe mehr übrig, als in den Landfchaften weſt— lich von der Mündung des Großen Fiſchfluſſes nach den letzten Ueber— reſten und Spuren der Verunglückten zu ſuchen. Sind dieſe Land— ſchaften an ſich auch lange nicht ſo entlegen, als die meiſten letzthin durchforſchten Gebiete, ſo ſind ſie doch deſto ſchwerer erreichbar. Die beiden unmittelbar dorthin führenden Meeresſtraßen bedingen unver— haͤltnißmäßig weite Umwege, und werden durch die Hemmungen des Eiſes höchſt unſicher. Sämmtliche Landwege führen über lange Tage— reiſen von unwirthlichen und hülfsloſen Einöden. — Den beſten Zugang bot noch das eigenthümliche Stromſyſtem des nordamerikaniſchen Feſt— landes dar; allein dieſe Waſſerſtraße — es war die von der Expe— dition des Capt. Back 1832 —34 zurückgelegte und von feinem Be— gleiter King nachmals wiederholt empfohlene — war durch mehrere Tragſtellen (Portagen), außerdem durch Stromſchnellen und Waſſer— falle vielfach unterbrochen. Sie erforderte tragbare Kaͤhne (Canots) und eine für den Dienſt eingeübte Bemannung. Dr. Rae drang auf Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 37 möglichſte Beſchleunigung dieſer Vorbereitungen. Er hielt zwei Ca nots, jedes mit 6 bis 7 tüchtigen Leuten und zwei Offizieren bemannt, für ausreichend und rieth, dieſelben entweder am Athabaska-See oder beim Fort Reſolution oder irgend ſonſt wo am Großen Sclaven-See im Voraus anfertigen zu laſſen. Die Expedition ſollte ſich zeitig ge— nug auf den Weg machen, damit ſie vor dem Eisgange mindeſtens den Athabaska-See erreichen und bei guter Zeit (im Juni) das Feld der Nachforſchung betreten könnte. Endlich empfahl er noch beſonders, den zur Zeit in Churchill verweilenden Eskimo-Dolmetſcher William Ouligbuck, der den Expeditionen von Back, Deaſe und Simpſon fo weſentliche Dienſte geleiſtet, zur Theilnahme zu gewinnen. Doch wa— ren das alles nur vorläufige Rathſchläge, die anfangs für die Aus— ſendung einer Expedition von England aus berechnet, nunmehr dem Gouverneur Simpſon, in deſſen Hand man die Ausführung legte, lediglich zur Erwägung anheim gegeben wurden. Die eigentliche Auf— gabe der Expedition beſchränkte ſich darauf, die vorfindlichen Leichname mit Ehren zu beſtatten, und alles, was die Verunglückten zurückgelaſſen, zur Ueberſendung nach England mit ſich zu nehmen. Die uns vor— liegenden Zeugniſſe beſtätigen, daß Gouverneur Simpſon dem Ver— trauen der engliſchen Regierung gewiſſenhaft zu entſprechen bemüht geweſen iſt. Ohne Zweifel haben die von ihm entſandten Männer in dieſer Stunde längſt das verhängnißvolle Feld ihrer Miſſion er- reicht. Die lange Reihe der Unternehmungen für Franklin und ſeine Ge— fährten neigt dem Ende zu. Aber welch ein Gegenſatz jener glänzenden Hoffnungen, der belebenden Zuverſicht bei ihrem Beginne, und des Jam— mers der Verzweiflung angeſichts der letzten Ergebniſſe. Als Dr. King im Jahre 1850 ſeine feſte Ueberzeugung ausſprach, daß die Beſchreitung der Straße des Großen Fiſchfluſſes, ſei es früher, ſei es ſpäter, zur Auſſuchung Franklin's doch noch bevorſtehe !), ahnte ihm gewiß nicht, in welchem Sinne ſein Wort zur Zeit in Erfüllung gehen ſollte. Nach mannichfaltigen Wechſeln, nach tauſend Mißverſtändniſſen, bit— tern Täuſchungen und trüben Erfahrungen gilt die letzte umfaſſende . 4 ) Parl. Papers 1850 Vol. XXXV Arctic Exped. p. 155 »That the route by the Great Fisli River will sooner or later be undertaken in search of Sir John Franklin, I have no doubt«. 38 K. Brandes: That am Schluß des Drama nicht mehr den Lebendigen, ſondern den Todten. Die Admiralität iſt unverkennbar beſtrebt, allem Hader und allen Zerwürfniſſen, welche aus dem Hergange der Rettungs-Expeditionen entkeimt ſind, mit verſöhnender Hand vorzubeugen und, ſo viel an ihr iſt, jegliche drohende Nachwehen zu beſeitigen. Mit anerfennenswer- ther Umſicht hat fie dem Verdienſt der verſchiedenen Perſonen befrie⸗ digende Anerkennung angedeihen laſſen, und bei Uebertretungen Einzel— ner nach Möglichkeit Milde und Nachſicht geübt. Sie hat den Namen Prinz Alberts-Land im Norden des Wellington-Canals ausgelöſcht und dafür die von eifernden Stimmen der Amerikaner beanſpruchte Bezeichnung „Grinnell-Land“ auf ihrer neueſten arktiſchen Karte ein⸗ geführt. Sie hat in der Belcher'ſchen Angelegenheit, wiewohl die Förm— lichkeit des Kriegsgerichts unvermeidlich geworden war, eine beruhigende Ausgleichung erreicht. Bei der neulichen Rückkehr des Capt. Collinſon ſahen ſich die von ihm in Haft gehaltenen Offiziere mit Freundlichkeit und Wohlwollen bei ihren Behörden aufgenommen, während anderſeits die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Unterſuchung der Dif— ferenzen ferngehalten wurde, um diesmal jeden Eclat zu vermeiden. — Das Andenken der Verſchollenen wird unausgeſetzt in Ehren gehalten; ihren Hinterbliebenen ſind Erweiſungen des beſonderen Wohlwollens nicht verſagt. Auch den Namen derjenigen, welche bei den Rettungs— Unternehmungen gefallen find, iſt die gebührende Anerkennung gezollt!). Vor Allen iſt den höheren und niederen Offizieren, welche an den verſchiedenen Expeditionen Theil nahmen, eine angemeſſene bevorzugende Beförderung zu Theil geworden, und wer die Schiffsberichte in den engliſchen Blättern genauer verfolgt, dem werden nicht ſelten Namen begegnen, die bei den Franklin-Unternehmungen zuerſt genannt wur⸗ den und vielleicht noch eine glänzende Zukunft vor ſich haben. Unter den geographiſchen und wiſſenſchaftlichen Ergebniſſen ſteht die Entdeckung der nordweſtlichen Durchfahrten durch Capt. M'Clure immerhin oben an. Ihm iſt einſtimmig die Palme der neueren Ent— ) In der am 30. Mai 1855 geleſenen Jahresadreſſe des Präſidenten der Lond. geograph. Geſellſchaft wird erwähnt, daß die Aufrichtung des Denkmals für Bellot am Greenwich- Hospital in der nächſten Zeit zu erwarten ſteht. Bemerkenswerth iſt, daß dieſe Adreſſe den Nekrolog Sir John Franklin's als verewigten Mitgliedes der Geſellſchaft enthält. 8 Die letzte Kunde über Franklin und ſeine Gefährten. 39 deckungen zugeſchreiben, denn ſeiner Kühnheit und Entſchloſſenheit ver— dankt England die Löſung einer Frage — die endliche Beſeitigung eines Problems, welches ſeit dreihundert Jahren ſo oft — man zählte achtund— funfzig Male! — von den erſten Nationen Europa's vergeblich erſtrebt war und manches in unausſprechlichem Elend verkommene Menſchen— leben gekoſtet hatte. Sein Name wurde in England gefeiert, während er mit den Seinen nicht ohne Wehmuth uͤber ſo manches Mißlingen — denn er hatte weder Franklin's Spuren gefunden, noch war ihm vergönnt geweſen, die Durchfahrt zu vollenden — ſich unter den Hemmungen der arktiſchen Schifffahrt der Heimath entgegenſehnte. Sir G. Back { nahm in der Jahresverſammlung der Geographiſchen Geſellſchaft zu London am 22. Mai 1854 die Patrons-Preismedaille für den noch nicht zurückgekehrten Entdecker in Empfang. Die Admiralität hat ihm zum Zeichen ehrender Anerkennung im Anfange des Monats Decem— ber eine koſtbare goldene Uhr überreichen laſſen, deren Inſchrift ſeine Verdienſte in angemeſſener Weiſe hervorhebt!). Von der Geographi— ſchen Geſellſchaft zu Paris wurde ihm in ihrer Hauptſitzung am 27. V * April 1855 ihre für die neueſte und wichtigſte Entdeckung ſtatuten— mäßig ausgeſetzte große goldene Jahresmedaille verliehen 2). Endlich hat auch das Parlament am 19. Juni noch den erſten Schritt einer nationalen Anerkennung ſeiner weltgeſchichtlichen Thaten beſchloſſen. 7) Die dritte nordamerikaniſche Expedition. Schließlich haben wir noch der ſogenannten zweiten Grinnell-Er— pedition zu gedenken, die unter Anführung des Dr. Kane nach dem Smith⸗Sunde jenſeits der Baffinsbai ausgefahren und zur Zeit unter allen zur Rettung Franklin's ausgeſandten Expeditionen die einzige noch „ ä * nicht zurückgekehrte geblieben iſt. Dieſe Expedition ſteht in dem Kreiſe der letzten arktiſchen Unternehmungen hinſichtlich der Großartigkeit des Entwurfs unübertroffen; an Kühnheit und Thatenluſt bei verhältniß— mäßig beſchränkten Mitteln kann ſich keine andere ihr gleichſtellen. Wäh— rend die britiſche Admiralität den Grundſatz befolgte, für ſämmtliche Erpeditionen nach dem höheren Norden mindeſtens zwei reichlich aus— geſtattete Schiffe zu entſenden, und dieſen ausdrücklich die Weiſung er— ) Morning Herald 11. Dec., in Galign. Messenger 13. Dec. 1854. ) Abbildung dieſer Preismedaille in London Illustrated News 16. Juni 1854. 40 K. Brandes: theilte, ſich zur gegenfeitigen Unterftügung und Hülfeleiftung ſtets zus ſammenzuhalten, haben diesmal 16 amerikaniſche Seeleute es unternom— men, mit einer Brigantine von nur 144 Tonnen Gehalt durch das neuentdeckte Eingangsthor nach dem vermeintlichen offenen Polarmeer jenſeits der Baffinsbai ihren Lauf zu richten. Kane gehörte zu den eifrigſten Anhängern der Meinung, daß Franklin auf jenem Polarmeer fein Ziel zu erreichen ſuchte und nirgends weiter, als dort, aufzufinden fe. Sein Unternehmen ging auf einen Theil unſerer Erde, über deſ— ſen Geſtaltung die verſchiedenſten Anſichten gehegt wurden. Jene merk— würdige Landmaſſe, welche unter dem Namen Grönland die Davisſtraße und Baffinsbai nach Oſten hin umſchließt und als Hauptkörper des arktiſchen Archipels betrachtet wird, iſt bis zu den letzten Zeiten Gegen— ſtand der verſchiedenſten Hypotheſen in der ſpeculativen Geographie geweſen. Die frühere Vermuthung, welche dem Grönlande, hauptſäch— lich auf Grund der meridionalen Richtung ſeiner höchſten Erhebungen!) eine weite Ausdehnung nach Norden und vielleicht ſelbſt bis gegen den Nordpol hin zuſchrieb, iſt durch die Erkundungsreiſe des Capt. Ingle— field, der ſchon in dem Walfiſch-Sunde eine unabſehbare Meeresſtraße entdeckte, ſtark erſchüttert. Allein die Frage, ob vom Smith-Sunde ab grönländiſche Inſelbildungen ſich noch weit hinaufziehen, oder ob ein freies Polarmeer in derſelben Weiſe, wie nordwärts des Wellington— Canals, fortan als alleiniges Element in jenen polaren Zonen herrſche und den Fahrzeugen Franklin's einen unbegrenzten Spielraum bis zur Spitzbergiſchen See eröffnet habe, harrt noch der Aufhellung. Die Operations- und Verpflegungsmethode, durch welche Dr. Kane die Erforſchung dieſer geheimnißvollen Gegend zu erreichen hoffte, iſt eine eigenthümlich ſinnreiche Combination der verſchiedenen Erfahrun⸗ gen, welche theils die nordamerikaniſchen Wilden, theils die Ruſſen, theils auch die engliſchen Expeditionen in Anwendung gebracht haben?). 1) Wappäus Handbuch der Geogr. und Stakiſtik von Nord-Amerika. Leipz. 1855. 8. S. 253. Dieſer Band bildet bekanntlich einen Theil der umfangreichen und äußerſt fleißigen neuen Bearbeitung des Handbuchs der Geographie und Stati— ſtik von Stein und Hörſchelmann, welche noch im Erſcheinen begriffen iſt. 2) Dies ſagt der Arzt der Expedition, Dr. Iſaae J. Hayes, ausdrücklich in feinem aus Pröven vom 20. Juli 1853 datirten, jedoch erſt am Ende des vorigen Jahres zur Oeffentlichkeit gelangten Briefes. Der Druckfehler in Times vom 2. Nov. 1854, welche dieſen Brief aus dem Jahre 1854 datirt, iſt nicht ohne verwirrende Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 41 Er wollte zuerſt mit ſeinem Schiffe ſo weit als irgend möglich im Smith-Sund oder jenſeits deſſelben nach Norden vordringen. Zu derſelben Stunde jedoch, in welcher er zuletzt durch die Hemmungen des Eiſes oder durch Landbildungen vor Anker zu gehen genöthigt und die paſſendſte Stelle dazu gefunden ſein würde, ſollten neun ſeiner Männer mit ihm die Richtung zum Nordpol weiter verfolgen. Dies war der Moment, für welchen Schlitten und Boot (man gab dieſem den bezeichnenden Namen Forlorn Hope) mit einem Hundegeſpann bereit ſtand. Ueber die Auswahl der Männer, welche mitgehen ſollten, hielt er ein geheimnißvolles Schweigen; Alle harrten geſpannten Sinnes dem entſcheidenden Ausſpruch entgegen, denn jedem verlangte unter den Erwählten zu ſein. Der Zweck dieſer Ausfahrt ging dahin, an einer viele Tagereiſen von dem Ankerplatze entlegenen Stätte einen nördlichen Mittelpunkt für das eigentliche Erkundungsunternehmen im kommenden Jahr zu gründen. Sobald hierzu die rechte Stelle erſehen war, ſobald Boot und Schlitten nebſt den dazu mitgenommenen Vor— räthen als erſte Grundlage des neuen „Central-Magazins“ ſicher ge— borgen waren, gedachte Kane durch die Hülfe des Kompaſſes und der Sterne — denn er berechnete daß inzwiſchen die lange arktiſche Win⸗ ternacht hereingebrochen ſein würde — ſeine Männer unverweilt wie— der nach dem Ankerplatz der Brigantine hinabzuführen, deren Räume inzwiſchen von den zurückgebliebenen Gefährten zum Winterlager und gaſtlichen Empfang der Ankömmlinge eingerichtet waren. Hierzu boten die einförmigen Wintertage die bequemſte Zeit, auf etwa weiter erfor— derliche Vorbereitungen zu der bevorſtehenden Reiſe zu ſinnen und ein— zugehen. Dann aber beim erſten Beginn des Frühlings ſollte die ge— ſammte Mannſchaft mit angemeſſenen Transportmitteln, Vorräthen und Apparaten aller Art zunächſt nach dem im Herbſt erſehenen Stapel— lat aufbrechen. Die Kenntniß des Weges verſprach für dieſe Strecke rr 1 Dee re ee eine erhebliche Beſchleunigung und Erleichterung der Reife. Die Vor— räthe des Depots und der in demſelben begründete Vereinigungspunkt mußten den Mannſchaften außerordentlich zu Statten kommen. Sie mochten mit erhöhter Zuverſicht von dieſer weit vorgeſchobenen Station ausziehen, um die unbekannten und geheimnißvollen Regionen gegen Folgen geblieben, z. B. im Athenaeum v. 4. Nov. p. 1337. — Unſere Zeitſchrift ent— hält im Juli⸗Heft vorigen Jahres einen Brief von einem um 4 Tage jüngeren Datum 42 K. Brandes: den Nordpol hin mit Aufgebot aller Mittel und Kräfte in möglichſt weiten Dimenſionen auszukundſchaften. N Man ſieht aus Allem, daß Dr. Kane für dieſes Unternehmen, welches recht eigentlich das Werk ſeiner perſönlichen Vermittlung und ſeiner Bemühungen war, Jegliches mit der größten Sorgfalt und mit der conſequenteſten Umſicht erwogen hatte. Ihm war die dem ſtreben— den Menſchen ſelten vergönnte Freude geworden, hochgehende Ideen und Hoffnungen, welche Geiſt und Gemüth lebendig erfüllen, an der Wirklichkeit meſſen zu können. Selbſt unterwegs noch verſäumte er keine Gelegenheit, das Gelingen ſeines Vorhabens zu ſichern. Noch an den verſchiedenen Punkten der grönländiſchen Küſte — Fiskernaes, Sukertoppen, Pröven, Upernavif — iſt er darauf bedacht geweſen, al— lerlei Nachrichten einzuziehen, ſich von Kundigen Rath zu erholen, ſeine Ausrüſtung mit dem geeigneten Bedarf zu vervollſtändigen. Auf ſeinem Schiffe hielt er die ſtrengſte Reinlichkeit und Disciplin, welche man nur etwa durch die unbändigen 15 bis 20 unterwegs erhandel— ten Eskimohunde geſtört ſah. Die Vertheilung von Speiſe und Trank während der Schlittenreiſen war mit äußerſter Genauigkeit abgemeſſen; die Transportbeträge waren mathematiſch berechnet. Was er an Le— bensmitteln mit ſich führte, namentlich der Pemmikan und das einge— machte Fleiſch, war unter ſeinen Augen auf's Sorgfältigſte zubereitet oder mit vorſichtigem Bedacht ausgeſucht. Ueberhaupt hatte Kane, wiewohl er ſeinen Gefährten mannichfaltige Entbehrung und Beſchrän— kung auflegte, nichts außer Acht gelaſſen, was die Sicherung des Le— bens und der Geſundheit erheiſchte. Für den Bau der Schneehäuſer hatte er die ſicherſten Vorkehrungen getroffen. Auf jede erſinnliche Schwierigkeit des Weges war er gefaßt. Ueberall zeigte ſich bei ſei— nen großartigen Plänen eine wunderbare Klarheit und Einfachheit, ein ſeltener Scharfblick. Nirgends ſah man etwas Entbehrliches oder Ueber— flüſſiges; dennoch wurde nichts vermißt, was zum Gelingen erforder— lich, ſo weit es anging, nichts hintangeſetzt, was zu erſprießlichen oder intereſſanten Ergebniſſen gereichen konnte. Unter andern führte er ei— nen Daguerreotyp-Apparat mit ſich, der ſchon auf der grönländiſchen Küſte bei angeſtellten Verſuchen ſich vortrefflich bewährt hatte .). ) Wir verſagen es uns die höchſt anſchaulichen und anziehenden Einzeluheiten zu wiederholen, welche Hr. Prof. Ritter im Juli-Heft 1854 Bd. III, S. 74 — 77 dieſer Zeitſchrift mitgetheilt hat. „ = 7 . * * Die letzte Kunde über Franklin und ſeine Gefährten. 43 Aus brieflichen Mittheilungen verſchiedener Mitglieder dieſer Er- pedition ergiebt ſich, daß ſie alle mit vertrauensvoller Hingebung auf ihren Führer blickten und mit enthuſiaſtiſchen Hoffnungen von den Ausſichten ihres Unternehmens erfüllt waren. Einige unter ihnen dach— ten an nichts geringeres, als die Spitze des Nordpols zu beſteigen. Aber Kane hat mit der ihm eigenthümlichen Feſtigkeit und Ueberleg— ſamkeit ausdrücklich den Vorſatz ausgeſprochen, nicht blos auf das Vor— wärtsgehn, ſondern auch auf die Sicherung der Rückfahrt Bedacht zu nehmen, und zu dem Ende für das Winterquartier des Schiffes eine Stelle auszuwählen, die außer dem hinlänglichen Schutz gegen die ark— tiſchen Elemente zugleich eine möglichſt leichte Wiedererreichung der of— fenen See darbieten werde. Er war entſchloſſen, im Jahre 1854 zu rückzukommen und ſeine Vorräthe waren nicht auf einen längern Auf— enthalt in unwirthlichen Gegenden berechnet. Dennoch iſt er bis jetzt nicht zurückgekehrt; ſeit der Weiterfahrt der Expedition von Upernapif iſt kein Lebenszeichen derſelben nach Ame— rika oder Europa gelangt. Dennoch könnte man nicht ſagen, daß zur Zeit in der Heimath der Ausgebliebenen eine verzweifelnde Anſicht über ihr Schickſal die Oberhand gewonnen hätte. Dr. Kane hatte unter den mannichfaltigften Erfahrungen während der hoͤchſt merkwürdigen Rückfahrt der erſten Grinnell-Expedition (1850 —51) eine ſeltene Tüch- tigkeit, außerordentliche Geiſtesgegenwart, eine bewundernswerthe Kalt— blütigkeit in den Stunden der größten Gefahr, unermüdliche Friſche und Ausdauer bewährt. In welchem Maße die überraſchendſten Er— lebniſſe ſich auch häuften, man hatte ihn nie rathlos geſehen, die Ueber— legenheit feines Blicks hatte ihm nie verſagt. Daher mochte die Zus verſicht, daß er auch auf ſeiner zweiten kuͤhnen Fahrt die Mittel zum Unterhalt und zur Rückkehr finden werde, nicht ſo leicht erſchüttert wer— den. Auch das Bild der von ihm erleſenen kernhaften Mannſchaft be— lebte unausgeſetzt günſtigere Erwartungen. Ja wir finden noch aus dem letzten Monat in einer wiſſenſchaftlichen Zeitſchrift den Gedanken angedeutet, daß Kane am Ende durch ein anderes Thor der Polarſee, durch Wellington-Sund zurückkehren und die von Belcher hinterlaſſe— nen Schiffe als glückliche Priſe mit ſich führen werde!!) ) North American Review April 1855. p. 336. Man wird dieſe Andeutung freilich fo ernſt nicht nehmen dürfen. Zudem haben die Lords-Commiſſioners der Ad— miralität durch eine im letzten Herbſt veröffentlichte Bekanntmachung erklärt, daß die 44 K. Brandes: Indeſſen konnte es doch nicht fehlen, daß neben ſolchen Hoffnungen auch ernſte Beſorgniſſe erwachten. In den letzten Jahren ſeit der Ab— reiſe des Dr. Kane — dem die Fahrten M'Clure's und alle ſpätern Ergebniſſe unbekannt geblieben ſind — war die Ohnmacht aller menſch— lichen Einſicht und Kraft gegen die Gewalten der arktiſchen Natur, die Unſicherheit und Trüglichkeit der Berechnung wiederum, und mehr als je zuvor, anſchaulich geworden. Dazu kam die Beobachtung, daß der Sommer 1854 im nördlichen Polarmeer ſich ganz beſonders ſchlimm und verſchloſſen gezeigt hat, und der kühnen Mannſchaft verderblich ge— worden ſein konnte. Endlich läßt ſich denken, wie die grauſenerre— gende Botſchaft des Dr. Rae manche Gemüther mit Schrecken ergriff oder doch mit finſtern Ahnungen erfüllte. Daher vereinigten ſich im December 1854 verſchiedene Körpers ſchaften der Vereinigten Staaten, um die Aufmerkſamkeit des verfammel- ten Congreſſes auf dieſe Angelegenheit zu lenken, die Ausſendung einer Rettungs-Expedition herbeizuführen. Im Senat wurde dieſer Antrag am 15. Jan. ohne erheblichen Widerſpruch genehmigt. Den Einwand eines Redners, wie dieſes Unternehmen doch gar zu ungewiß ſei und neue Opfer von Menſchenleben herbeiführen könne, erledigte die Ent— gegnung, daß Kane überall durch Signalſtangen und Wahrzeichen ſeinen Weg anzuzeigen verheißen habe, und demzufolge ſein Verbleiben unzweifelhaft zu ermitteln ſtehe. In dem Hauſe der Repräſentanten ſcheint die Angelegenheit zuerſt nicht ohne Bedenken aufgenommen zu ſein; wenigſtens ſetzte man fie zweimal aus, bis am 29. Jan., nachdem den geſetzgebenden Körpern in den Staaten New-York, Pennſylvanien und New⸗Jerſey dringende Vorſtellungen überreicht waren, die Ausrüſtung eines Dampfboots mit einem Transportſchiff zum Beſchluß erhoben wurde. Die Beſtätigung des Präſidenten Pierce erfolgte am 3. Februar. Die Ausführung der Vorbereitungen zu dieſer Rettungs-Expedi— tion iſt nicht ohne mannichfache Schwierigkeiten und Verwickelungen geblieben. Im März d. J. war für 50,000 Dollars das ehemalige Poſtdampfboot „City ok Boston“ angekauft, jedoch hernach, als man ſeine Herrichtung bereits begonnen, theils als zu ſchwer, theils als zu alt befun— den worden. Man kam zu dem Entſchluß, daſſelbe mit dem in Philadelphia großbritanniſche Regierung ſich ihr Eigenthumsrecht auf jene fünf Schiffe (Aſſiſtance, Neſolute, Inveſtigator, Pioneer und Intrepid) fortwährend vorbehält. r ˙ X ˙ an 2 Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. 45 gebauten Schraubendampfer „Arctic“ (250 Tonnen) zu vertauſchen. Dieſem wurde die Klipperbarke Eringo beigeſellt und demzufolge mit dem bezeichnenden Namen „Releaſe“ benannt. Die Regierung hatte zur Ausrüſtung und Bemannung die Summe von 150,000 Dollars ausgeſetzt; außerdem mußten auf die Schraubendampfmaſchine noch 30,000 Doll. und auf die Klipperbarke 17,000 Doll. verwandt wer: den. Henry Grinnell hat ſeinen um die Sache Franklin's hochverdien— ten Namen von Neuem bewährt; er hat es ſich nicht nehmen laſſen, auch diesmal zur Ausſtattung der Männer, die mit Gefahr des eige— nen Lebens auf die Rettung ihrer Landsleute ausgehen, mit freigebiger Hand beizuſteuern. Die Vorräthe der Expedition ſind auf reichliche zwei Jahre berechnet. In dem glücklichen Falle, daß die vermißte Mannſchaft am Cap Alexander, dem nächſten Beſtimmungsort einer ſolchen Begegnung, die vermißten Mannfchaften anträfe, würde ihrer Rückkehr ſchon im Monate September entgegenzuſehen ſein. — Zum Be— fehlshaber iſt Lieut. Henry J. Hartſtein aus Süd-Karolina ernannt. Sämmtliche Mitglieder der Fahrt ſind nach den eingegangenen freiwil— ligen Meldungen ausgewählt. Unter ihnen finden wir einen Bruder des Dr. Kane und zwei Männer, die während der erſten Expedition 1850 — 51 unter ſeinen Gefährten waren. Der Schraubendampfer Arctic iſt dem beſondern Commando des Lieut. C. C. Simms aus Vir— ginien übergeben. Die Expedition iſt den letzten Nachrichten zufolge unter mannich— fachen Bezeugungen der lebhafteſten Theilnahme am 2. Juni in See gegangen. Es wird erwähnt, daß Henry Grinnell dem Befehlshaber wenige Tage vorher Exemplare der ſämmtlichen arktiſchen Parlaments— Druckſtücke und Admiralitätskarten überreichte, die ihm von dem jün— gern John Barrow aus England eingeſchickt waren. Unter den Kar— ten befand ſich ein vom Capt. Inglefield mit bemerkenswerthen hand— ſchriftlichen Noten verſehenes Exemplar ſeiner Aufnahme des Smithſun— des. Lady Franklin hat gleichzeitig eine ſteinerne Gedenktafel an Henry Grinnell mit der Bitte überſandt, die Inſchrift, welche in London aus Mangel an Zeit nicht mehr vollendet werden konnte, in New-Pork eingraben und hiernach das Denkmal ihres jetzt als verloren be— trauerten Gatten und feiner treuen Gefährten „welche zum Nutzen der Wiſſenſchaft im Dienſte ihres Vaterlandes gelitten haben und geſtor— 46 K. Brandes: Die letzte Kunde über Franklin und feine Gefährten. ben ſind“, den Offizieren und Mannſchaften der amerikaniſchen Expe— dition überweiſen zu laſſen. Ihrer Beſtimmung zufolge wird dieſes Monument auf der Beechey-Inſel neben dem Bellot-Denkmal „bei den Stätten aufgerichtet werden, wo die Verunglückten den erſten Winter zugebracht haben, und von wannen ſie aufgebrochen ſind, um die Wi— derwärtigkeiten ihres Unternehmens zu überwältigen oder umzukommen. Zum Gedächtniß der Trauer ihrer tief ergriffenen Vaterlandsgenoſſen und Freunde und des im Glauben beſiegten Herzeleids Derjenigen, die in dem heldenmüthigen Führer der Expedition den hingebendſten und liebevollſten Gatten verlor.“ Der Wortlaut dieſer Inſchrift bie- tet den würdigſten Schluß unſerer Darſtellung: TO THE MEMORY OF FRANKLIN, CROZIER, FITZJAMES, AND ALL THEIR GALLANT BROTHER OFFICERS AND FAITH- FUL COMPANIONS WHO HAVE SUFFERED AND PERISHED IN THE CAUSE OF SCIENCE AND THE SER- VICE OF THEIR COUNTRY THIS TABLET IS ERECTED NEAR THE SPOT WHERE THEY PASSED THEIR FIRST ARC- TIC WINTER AND WHENCE THEY ISSUED FORTH TO CONQUER DIFFICULTIES OR TO DIE. IT COMMEMORATES THE GRIEF OF THEIR ADMIRING COUNTRYMEN AND FRIENDS AND THE ANGUISH SUBDUED BY FAITH OF HER WHO HAS LOST IN THE HEROIC LEADER OF THE EXPEDITION THE MOST DEVOTED AND AFFECTIONATE OF HUSBANDS And so He bringeth them into the heaven where they would be. 1855. THIS STONE HAS BEEN INTRUSTED TO BE AFFIXED IN ITS PLACE BY THE OFFICERS AND THE CREW OF THE AMERICAN EXPEDITION, COMMANDED BY LIEUT. H. J. HARTSTEIN IN SEARCH OF DR. KANE AND HIS COMPANIONS. ee f ee ee Se eier ee A * Neuere Literatur. The Mediterranean. A memoir physical historical and nautical by Rear-admiral Will. Henry Smyth etc. 8. London. J. W. Parker and Son. 1854. 500 8. „Das Bekannte überhaupt iſt darum, weil es bekannt iſt, nicht erkannt.“ Dieſes Wort des Philoſophen findet feine Anwendung auf den uns vorlie- genden Gegenſtand. Das Mittelmeer mit ſeinen Geſtadeländern, als der ei— gentliche Schauplatz aller eulturhiſtoriſchen Entwickelung der Menſchheit, iſt ſeit Jahrtauſenden wie kein anderer Raum auf unſerer Erdoberfläche bekannt geworden; zur eigentlichen Erkenntniß aber, namentlich ſeiner maritimen und nautiſchen Verhältniſſe, hat das hier zur Anzeige zu bringende Werk des ſei— nen Gegenſtand vollkommen durchdringenden und beherrſchenden engliſchen Admirals erſt einen ernſten, feſten und ſichern Schritt gethan. Der Hr. Ver— faſſer äußert ſich über ſein Unternehmen, die Schwierigkeit deſſelben ſo wie das verſpätete Erſcheinen des Werkes in der Widmung an ſeinen Freund, den Admiral und Hydrographen der engliſchen Admiralität Sir Fr. Beaufort; er bezeichnet darin ſein Werk als ein ſolches, welches den Zuſtand der nau— tiſchen Kenntniß des Mittelmeeres bis zum Jahre 1824 aus eigener Beob— achtung und Erfahrung enthalte, und deſſen Erſcheinen ſich verzögert habe, weil es einer ſorgfältigen Ueberarbeitung unterzogen und dann auch erſt ſpä— ter durch die Vermeſſungen des Archipelagus ergänzt worden ſei. Auch äu— ßere Unglücksfälle, wie der zerſtörende Brand einer Druckerei, hielten die Ver— öffentlichung dieſes Werkes auf, woraus jedoch, wie der Verfaſſer meint, dem engliſchen Seedienſt kein erheblicher Nachtheil erwachſen wäre, indem feine Seekarten, welche den Inhalt dieſes Werkes zur Anſchauung brächten, längſt Rin den Verkehr und Gebrauch übergegangen ſeien. Außerdem wären die ge— ſammten Materialien, welche ſeine Unterſuchungen umfaßten, jederzeit den Freunden geographiſcher Forſchung zugänglich geweſen. Daß Bedeutung und Intereſſe des Gegenſtandes weit reichende Kreiſe in Anſpruch zu nehmen berechtigt iſt, darin wird wohl jeder Kundige mit dem Verfaſſer übereinſtimmen. Es giebt an unſerem Erdenrund keine Meeres— fläche, die in jeder Richtung menſchlichen Intereſſen ſo viel Lehrreiches, An— ziehendes und Erhebendes aufzuweiſen hätte, wie gerade dieſe. Ein Seemann, wie Admiral Smith, erinnert mit Recht daran, daß es das Meer iſt, auf welchem die Flotten von Karthago, Griechenland und Rom in frühern Zei— ten ſtritten, wie die von Spanien, Frankreich, Italien und England in ſpätern 48 Neuere Literatur: Jahrhunderten. „Eine Hauptaufgabe für's Reiſen, bemerkte Dr. Johnſon dem General Paoli, iſt der Anblick der Ufer des Mittelmeers.“ An jenen Küſten entſtanden oder dehnten ſich aus die vier Weltreiche, von Aſſyrien und Per— ſien, das griechiſche und römiſche. So iſt gekommen, daß faſt jede Strecke dieſer Meeresküſte in hiſtoriſcher Hinſicht eine elaſſiſche geworden, wie ſie im Allgemeinen für den Urſprung der Religionsſyſteme, und für die Entwicklung faft aller Künſte und Wiſſenſchaften die ewig denkwürdigen- Ausgangspunkte aufzuweiſen hat. Und immer von Neuem wieder, abgeſehen von den unend= lich anziehenden landſchaftlichen Naturreizen dieſer Küftengeftade und von den an fie geknüpften claſſiſchen Erinnerungen, tritt dieſes Meeresbecken von Zeit zu Zeit mitten in die unmittelbaren Zeitintereſſen hinein und macht ſeine ererbten Anſprüche, der culturhiſtoriſche Mittelpunkt für die Geſchichte der Menſchheit zu fein, wieder mit Erfolg geltend, wie dies gerade in unſern Ta⸗ gen nach verſchiedenen Richtungen hin ganz unverkennbar ſich darſtellte. Es möchte nun ſonderbar erſcheinen, bemerkt der Verfaſſer, daß ſolche Küſtenſtrecken von dieſen außerordentlichen Intereſſen der Menſchheit ſeit alten Zeiten bis auf die Gegenwart begleitet, noch heutzutage der Vermeſſung und genauen Beſtimmung ihrer Lage und Verhältniſſe bedürften; und dennoch be= weiſen die in dem Werke ſelbſt niedergelegten langjährigen Arbeiten des Ver⸗ faſſers, daß allerdings dazu eine ziemlich dringende Nothwendigkeit vorlag. Und zwar iſt dies eine natürliche Folge der fortſchreitenden Wiſſenſchaften auf den hier in Betracht kommenden Gebieten geworden. Die hydrographiſchen Vermeſſungen haben überhaupt große Fortſchritte gewonnen, weil ihnen ges nauere Inſtrumente, beſſere aſtronomiſche Tafeln, correstere Seekarten und gründlichere nautiſche Anordnungen zur Verfügung ſtanden oder nach und nach erworben wurden. Geſtützt nunmehr auf ſolche Fortſchritte im nauti⸗ ſchen Wiſſen, konnten die Seemänner aller Nationen leichter dahin gelangen, die Praxis in der Schifffahrtskunſt zu verbeſſern, mit gründlichern Kenntniſ— fen ausgerüſtet die Erſcheinungen der Winde und der ozeaniſchen Strömun— gen zu beobachten. Auf dieſem Wege liegt in den unausbleiblichen Fort— ſchritten, zu welchen ſich der menſchliche Geiſt hingedrängt fühlt, die auch in dem Werke ausgeſprochene Hoffnung, daß es einſt gelingen werde, die Tiefe, Geſtalt und phyſiſche Natur des Ozeans zu beſtimmen, was für die Kennt- niß aller Verhältniſſe an unſerem Erdglobus von tiefer Bedeutung ſein möchte. Wenn nun aber bei den Koſten und Kräften, welche z. B. die Unternehmung und Herſtellung einer vollſtändigen ozeaniſchen Vermeſſung erheiſchen würde, wohl vorläufig darauf zu verzichten iſt, ſo liegt doch die Darſtellung einer unterſeeiſchen Karte des Mittelmeers nach des Verfaſſers Anſicht in den Gren— zen der Möglichkeit. Und zur Herbeiführung eines ſolchen Unternehmens iſt allerdings die in Rede ſtehende Arbeit eine der wichtigſten und intereſſante— ſten Vorſtufen. Die ſchon erwähnte Genauigkeit in dieſer Arbeit verdankt ſie, wie hier W. H. Smyth: The Mediterranean. 49 anerkannt wird, den inzwiſchen für ſolche Unternehmungen immer mehr der Vollendung zugeführten Inſtrumenten und Apparaten, ſo wie ihrer weiter verbreiteten kundigen Handhabung, während in frühern Zeiten, die nicht allzu lange hinter uns liegen, der Mangel ſolcher Hilfsmittel jede genauere Beobachtung und Darſtellung geographiſcher Vermeſſungsverhältniſſe faſt un— möglich machte. Noch um die Mitte des 17ten Jahrhunderts kannte man nicht im Entfernteſten die wahre Geſtalt und Größe, des mittelländiſchen Meeres, wie die Geſchichte der Unterſuchungen deſſelben darthut; man folgte immer faſt blind den Angaben des Ptolemaeus; ja von Toledo bis Cairo war ſogar ein Fehler von 18 Längengraden auf allen Karten. Dies wird nicht überrajchen, wenn man weiß, daß noch im J. 1664 der berühmte franzöſiſche Aſtronom Auzout in einer Zueignungsſchrift den König Lud— wig XIV. alſo anredete: Mais Sire, c'est un malheur, qu'il n'y a pas un instrument à Paris, ni que je sache dans tout votre royaume, auquel je voulusse m’assurer, pour prendre precisement la hauteur du pole. Aber weder in England, noch in Italien, noch im ganzen übrigen Europa gab es damals Werkzeuge, womit man eine genaue Längen- und Breitenbeſtimmung hätte machen können. Kamen nun auch ſpäterhin die geeigneten Inſtrumente, welche der menſchliche Erfindungsgeiſt herſtellte, in Gebrauch, ſo vergingen doch große Zeiträume, bis mit ihnen nur die bekannteſten und zugänglich— ſten Punkte des Mittelmeeres feſtgeſtellt wurden. Ueber die wahre Größe und Länge des ſchwarzen Meeres hat bekanntlich die Ungewißheit bis vor wenigen Jahrzehnten fortgedauert und iſt in allen Punkten bis jetzt kaum feſtgeſtellt, was freilich in Folge der gegenwärtigen Kriegsoperationen auf die— ſem ſonſt etwas abgeſchloſſenen Meerestheile ſich anders geſtalten dürfte. Sehr lehrreich iſt in der Hinſicht die Geſchichte der hydrographiſchen Arbeiten im Mittelmeere, wo ſie der Verfaſſer unſeres Werkes in dem vierten ſehr voll— ſtändigen Abſchnitte deſſelben (S. 310 — 353) uns vorführt. Aus ihr er— N giebt ſich, daß das Mittelmeer in der That die Wiege iſt, worin ſich die Hy— drographie bildete, aber zugleich auch, wie es einer langen Reihe von Jahr— f hunderten, ja ſelbſt mehrerer Jahrtauſende bedurfte, ehe man dieſes am mei— ö ſten von allen Meeren der Erde befahrene nur einigermaßen genau kennen lernte; ja ſelbſt noch jetzt, ungeachtet der eigenen angeſtrengten Arbeiten des Verfaſſers und aller ſpäteren ununterbrochenen Beſtrebungen ſo vieler in— telligenten Seeofficiere vergeht faſt kein Jahr, das nicht zur genaueren Kennt— niß des Mittelmeeres unerwartet Beiträge lieferte. Die früheſten uns bekannten Forſchungen im Mittelmeer und an deſſen Küſten und Inſeln reichen bis in den Beginn des 6. Jahrhunderts vor un— ferer Zeitrechnung zurück, indem der große Perſerkönig Darius Hyſtaspis, als er ſich zu ſeinem Kriege gegen die Hellenen rüſtete, es für ſeinen Zweck wün— ſchenswerth fand, die Eigenthümlichkeiten der Küſten Griechenlands zu kennen, und deshalb eine kleine Eskadre ausrüſten ließ. Auf dieſer ſchifften ſich 15 Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 4 . 9 50 Neuere Literatur: in gutem Rufe ſtehende Perſer unter Leitung eines griechiſchen Führers De— mokedes mit dem Auftrage ein, die Küſten Griechenlands zu unterſuchen und zu zeichnen, alſo eine wirkliche Aufnahme auszuführen. Wie Herodot be— richtet (III, 136), wurde der Auftrag in Bezug auf den größten und be— rühmteſten Theil von Hellas vollzogen, die Perſer kamen ſogar bis Tarent in Unter-Italien, wo aber ihre Expedition gewaltſam unterbrochen wurde, weil man die Perſer für Spione hielt. Die über dieſe Unterſuchung ge- wonnenen Reſultate ſind uns jedoch verloren gegangen. Einen Beitrag anderer Art zur Kenntniß der Mittelmeerküſten lieferte um die Mitte des 4. Jahrhunderts vor Chr. Geb. Skylar von Karyanda in ſeinem bekannten Periplus und in dieſem zugleich den erſten Verſuch eines Schiffswegweiſers (Sailing Directory), dem bis zu unſeren Zeiten unzählige Arbeiten ähnlicher Art für alle Meere der Erde gefolgt ſind. Schon in den ſpäteren Zeiten des Alterthums gab es eine ganze Reihe derſelben theils allein für das Mittel- meer oder das innere Meer, wie der Sprachgebrauch damals das Mittel- meer zu nennen pflegte (7 Evzos Haracce), theils gemeinſchaftlich für das Mit⸗ telmeer und das Welt- oder äußere Meer (7 Exzos Ialaoca), Marcianus von Heraklea, der ſelbſt eine Beſchreibung der Küſten des inneren und äu— ßeren Meeres lieferte (Geographi minores ed. Dodwell. Oxoniae 1708. Vol. I.), bemerkt in der Hinſicht ausdrücklich, daß eine große Menge von Schriftſtellern ſolche Beſchreibungen verfaßt hätten, wovon viele freilich keinen Glauben verdienten, und er rechnete zu dieſen Autoren beſonders den Menip— pus von Pergamus, den Artemidorus von Epheſus, welcher in der 169. Olym⸗ piade einen großen Theil des inneren Meeres bis Gadir (Cadir) beſchifft, ſelbſt das äußere Meer kennen gelernt und darauf eine Umſchiffung des er— ſten in 11 Büchern verfaßt hatte, den Timoſthenes und Eudorus aus Rho— dus, den Androſthenes aus Thaſus, den Euthymanes aus Maſſalia, den Apelles aus Kyrene, den Phileas von Athen, den Kleon aus Sicilien nebſt mehreren anderen, deren Schriften ſämmtlich verloren gegangen ſind. Wären ſie uns erhalten, ſo vermöchten wir ohne Zweifel beſſer zu beurtheilen, bis zu welchem Grade der Genauigkeit die Kenntniß des Mittelmeeres und feiner Küften im Alterthum bereits gediehen war. Nach der amtlichen Stellung des Timo— ſthenes, der einſt Admiral der Flotte des Königs Ptolemäus II. Philadelphus zu Alexandria geweſen, nach der Angabe des Agathemerus (b. I, e. 5), daß derſelbe den Umfang der Küſten Siciliens berechnet habe, endlich nach den den Schriften dieſes Mannes, wovon das größere Werk, Periodos ge— nannt, eine Schilderung der Küften in 10 Büchern, ein kleineres eine Be— ſchreibung der Seehäfen enthielt (Strabo Ed. II. Cas. 421; Mareianus 63, 64), durch einen fo ſachkundigen Beurtheiler, wie Eratoſthenes, gemachten Lobſprüchen war wohl anzunehmen, daß Timoſthenes auch die beſten Arbei⸗ ten der Art, entweder auf Grund eigener Forſchung oder wenigſtens des be— ſten damals vorhandenen Materials, geliefert habe. Dies ſcheint aber nicht der Fall geweſen zu ſein, weil ſowohl Strabo (S. 92, 93) als Marcian (64) W. H. Smyth: The Mediterranean. 51 dem Timoſthenes Unkenntniß des Mittelmeeres und des adriatiſchen Meeres, namentlich der Küſten Italiens, Spaniens und Nord-Afrika's, vorwarfen. Von allen hier zuletzt angeführten Schriftſtellern, die in einer Geſchichte der For— ſchungen im Mittelmeere während des Alterthums einer Erwähnung verdient hätten, nennt unſer Verfaſſer keinen, außer daß er gelegentlich den Timoſthe— nes berührt. Wenn aber derſelbe dafür den bekannten Seefahrer Pytheas die Inſeln Lipara und Strongyle (das heutige Lipari und Stromboli) wiſ— ſenſchaftlich unterſuchen läßt und ſich dabei auf die Scholiaſten zum Apollo— nius Rhodius (lib. IV. v. 761) beruft (S. 319), ſo iſt dies unrichtig, da dieſe bei der angeführten Stelle nicht das mindeſte von einer ſolchen Unter— ſuchung reden, ſondern nur bemerken, daß Pytheas von den vulcaniſchen Er— ſcheinungen beider Inſeln ſpreche (Apollonii Rhodii Argonautica. Ed. Brunck. Lipsiae 1813. II, 299, 600); nicht minder irrig iſt, wenn der Verfaſſer den bekannten griechiſchen, im Alterthum wegen feiner Gewiſſenhaftigkeit geprieſe— nen Geographen Dicaearchus eine Zeichnung der griechiſchen Küften nach eigenen Aufnahmen machen läßt (S. 316), indem Cicero (Epistolae ad Atticum VI, c. 2), Strabo und Agathemerus (lib. I, c. 1), die drei den Di- ecgearchus am meiſten erwähnenden Autoren, nicht das entfernteſte davon fagen, und ebenſo wenig in M. Fuhr's neueſter Sammlung der Fragmente des Diegearchus und der uber dieſen Autor aus dem Alterthum enthaltenen An— gaben (Darmſtadt 1841) eine Stelle zur Beſtätigung dieſer Angabe vor— kommt. Dagegen bemühte man ſich im Alterthum allerdings vielfach, die Längen⸗ und Breitenausdehnung des Mittelmeeres zu berechnen, und die Reſultate ſtimmten in Bezug auf die Breite gut unter einander überein, wo— gegen ſie für die Länge namhaft von einander abwichen. Die Breite zwi⸗ ſchen der Aequinoctiallinie und Syracus fand nämlich Eratoſthenes zu 25400, | Hipparchus zu 25600, Strabo zu 25400, Marinus von Tyrus zu 26075, Ptolemaeus zu 26833 Stadien; dagegen die Länge vom h. Vorgebirge (C. St. Vincent) bis zur ſticilianiſchen Meerenge Dicaearchus zu 7000 (Strabo II. Ed. II. Cas. 103), Eratoſthenes zu 11800, Hipparchus zu 16300, Strabo zu 14000, richtiger zu 15000 ), Marinus zu 18583, Ptolemaeus gar zu 29000 Stadien (Smyth 323). Unter dieſen Reſultaten iſt das für die Entfernung von den Herculesſäulen bis zur genannten Meerenge, wie ſchon Goſſelin bemerkte (Geographie de Strabon. Paris 1805. I, 335) bei Strabo merkwürdig genau, indem es von den Ergebniſſen der neue— ren Beſtimmungen nur um etwa 150 Stadien verſchieden iſt. Goſſelin be= rechnete nämlich nach d'Anville's Karten die grade Linie zwiſchen Gibraltar 1) Admiral Smyth irrt nämlich, wenn er Strabo dieſe Entfernung zu 14000 Stadien ſetzen läßt. Lieſt man nämlich in den drei Stellen, wo die Entfernung der Säulen des Hercules von der Straße von Meſſina erwähnt wird (Ed. II, Cas. 105, 106, 122), mit Goſſelin gleichmäßig 12000 Stadien (G&ographie de Strabon J. 286), fo beträgt jene erſte Zahl 15000, weil der griechiſche Geograph die Säu— len um 3000 Stadien von dem h. Vorgebirge entfernt ſein läßt. 4* De. 52 Neuere Literatur: und Meſſina zu 21° 44’, was unter dem 36° Nördl. Br. gleich 12147 Sta⸗ dien fein würde, während Strabo 12000 Stadien angenommen hatte. Nach Admiral Smyth's Beſtimmungen von Gibraltar zu 5° 20“ 9“ Weſtl. L. Gr. und von Meſſina zu 15° 34’ 40“ Oeſtl. L. Gr. iſt die Uebereinſtimmung der älteren und neueren Reſultate nicht ſo groß, doch erſcheint ſie bei dem dürftigen und unzuverläſſigen Material, deſſen ſich der griechiſche Geograph bedienen konnte, noch groß genug. Die ganze Länge des Mittelmeeres beſtimm— ten ſodann Eratoſthenes und Hipparchus zu 27300, Strabo zu 25500, Aga— themerus zu 26800 (üb. I, c. 4) Stadien, M. Vipſanius Agrippa, wie Pli- nius angiebt (VI, c. 38) zu 3440 römiſchen Meilen, die nach Goſſelin 27520 Stadien betragen (Recherches sur la Geographie des Anciens. Paris 1798. II, 19), Marinus von Tyrus und Ptolemaeus zu 25080 Stadien, Zahlen, welche die wahre Längenausdehnung des Mittelmeeres um 20 und mehr Grade überſteigen. Der Grund dieſer Irrthümer lag beſonders in den falſchen Vorſtellungen, die man über die Ausdehnung der öſtlichen Theile des Mittelmeeres beſaß und in dem Mangel zuverläſſiger aſtronomiſcher Be— ſtimmungen, deren Wichtigkeit zur Verbeſſerung der alten Karten ſchon Hippar— chus beſtimmt anerkannt hatte, obgleich von dieſem Autor ſelbſt noch (Strabo Ed. II, Cas. 63, 106) Maſſalia und Byzanz in denſelben Breitengrad ver— ſetzt wurden, während beide Orte, wie Goſſelin bemerkt (Recherches sur la Geogr. systématique des Anciens I, 57; Geogr. de Strabon I, 248) um 2° 16“ 21“ Br. aus einander liegen. Admiral Smyth, deſſen Bekanntſchaft mit den Schriften des Alterthums, wie die angeführten Thatſachen zeigen !), keine beſonders genaue iſt, vergrößert die Irrthümer der Alten noch um ein Be⸗ deutendes, indem er ungerechter Weiſe Strabo die Behauptung beilegt, daß derſelbe Maſſalia 13° ſüdlich von Byzanz verſetzt habe, während jene Stadt 24° nördlich von dieſer liege (S. 321). Unter ſolchen Umſtänden darf man ſich nicht wundern, die kartographiſchen Darſtellungen des Mittelmeeres im Alterthum ſehr unrichtig zu finden, indem namentlich die peutingerſche Tafel daſſelbe nur als einen langen Canal zeichnete, worin auch die Inſeln ihrer Lage, Geſtalt und Ausdehnung nach falſch angegeben waren. Erſt Agatho— dämon, ein alexandriniſcher Geograph des 5. Jahrhunderts, gab dem Mittel meere auf ſeinen Karten zum Ptolemäus ungefähr die Geſtalt, welche daſſelbe auf den heutigen hat (Smyth 323). Bei der bedeutenden maritimen Thätigkeit, welche auch im Mittelalter, wie hiſtoriſch nachweislich iſt, in jeder Periode deſſelben ſtattgefunden hat, kann das Vorhandenſein einer zahlreichen Reihe kartographiſcher Arbeiten, wenigſtens aus der ſpäteren Epoche des Mittelalters, wo eine erneute wiſſenſchaftliche Thätigkeit nach den früheren Verwüſtungen ſich zu regen begann, nicht auf— fallen. Regierungen und Private der ſeefahrenden Nationen ſahen überein— ſtimmend die Nothwendigkeit ein, Schiffern und Handelsleuten zu Hilfe zu ) So nennt derſelbe u. a. noch den Strabo einen kretenſiſchen Geographen (S. 11). 4 | W. H. Smyth: The Mediterranean. 53 kommen, und ſo entſtanden zahlreiche Karten des ganzen Mittelmeeres oder einzelner Theile deſſelben, die, wie unſer Verfaſſer verſichert und nachweiſt, öfters eine größere Genauigkeit, als geprieſene Karten ſelbſt unſeres Jahr— hunderts beſaßen. Nautiſche Karten hatten die ſpaniſchen Seefahrer ſchon um das J. 1286 nach dem Zeugniß des berühmten barceloneſer Handelshiſtori— kers Capmani in ſ. Quaestiones eriticae, und fo iſt es auch nach demſelben Schriftſteller eine beſtimmte Thatſache, daß die aragoneſiſche Regierung ihre Galeeren im J. 1359 mit ſolchen Karten verſah. Etwa in dieſelbe Zeit (um 1320) fällt die von dem berühmten und vielgereiſten Venetianer verfertigte Karte des Mittelmeeres, die zwar ſeit langer Zeit verloren iſt, ſich aber ihrem ungefähren Charakter nach aus der Planiſphäre zu deſſelben Autors Werke: Liber Seeretorum Fidelium erueis in Bongar's Gesta Dei per Francos abnehmen läßt. Im Beginn des 15. Jahrhunderts ordnete ſodann König Heinrich V. von England, als er einen Kreuzzug nach dem Orient beabſich— tigte, den bekannten belgiſchen Ritter Sir Gilbert de Lannohy (evidently a well qualified officer, wie unſer Autor ſagt S. 328), ab, die Küſten Aegyp⸗ tens und Spaniens zu unterſuchen. Dieſer vollzog den Auftrag und ſein noch erhaltener Bericht, worin die Meerestiefen, die verſchiedenen Ankerplätze, Befeſtigungen, Kriegsvorräthe, Produkte und Hülfsmittel an Holz und Waſ— ſer verzeichnet ſind, gewährt nach dem Urtheile des Admiral Smyih, der den— ſelben einſehen konnte, eine authentiſche Kenntniß der hydrographiſch-geogra— phiſchen Verhältniſſe jener Gegenden, wie ſie vor 430 Jahren beſtanden. Es wäre ſicher von Intereſſe, wenn dieſer Bericht mit den Ergebniſſen der neue— ren Forſchungen in jenen Gegenden verglichen und bekannt gemacht würde. Aber beſonders reich wurde erſt der Schluß des 15. und der Anfang des 16. Jahrhunderts an Beiträgen zur Kenntniß des Mittelmeeres, indem damals die zahlreich in den engliſchen, franzöſiſchen, italiäniſchen und ſpaniſchen Bi— bliotheken und Archiven vorhandenen Seeatlaſſe (Portolanos) entſtanden; von den im britiſchen Muſeum zu London aufbewahrten theilt der Verfaſſer ein langes Verzeichniß mit (S. 330 —331). In dieſe Epoche gehören dann noch die Karten zu der Schrift des Chriſtoph Bondelmonte über die ioniſchen und cheladiſchen Inſeln (Liber insularum Archipelagi a G. B. de Sinner. Lip- siae 1824), fo wie die rylographiſchen Karten des mit dem ägäiſchen Meere überaus vertraut geweſenen venezianiſchen Capitains Bartolommeo zu deſſen Schrift über den griechiſchen Archipel. In allen dieſen früheren Producten literariſcher Thätigkeit finden ſich ſchon zahlreiche Untiefen und Felſen verzeichnet, die ſpäter aus den Karten verſchwanden und von denen Admiral Suyth's Werk auch ein Verzeichniß giebt (S. 332 — 336). Solche Fehler verurſachten N in allen Theilen des Mittelmeeres bis in die neueſte Zeit eine große Menge von Schiffbrüchen und anderen Unglücksfällen, und noch vor kurzer Zeit wa— ren die Karten der beſuchteſten Regionen ſo fehlerhaft, daß im J. 1848 das Admiralſchiff des franzöſiſchen Admirals Baudin im Angeſicht von Puzzuoli 54 Neuere Literatur: auf ein ſubmarines Felſenriff auflief, weil daſſelbe, obgleich den neapolitaniſchen und malteſiſchen Piloten unter dem Namen des Fumoſoriff wohl bekannt, in einer aus der großen italiäniſchen Aufnahme hervorgegangenen Karte, welche auf der Flotte als Führer diente, fehlte. Auffallend iſt aber bei der von unſerem Verfaſſer auf die Geſchichte der früheren hydrographiſchen Li— teratur verwandten Sorgfalt, daß er eine große Karte aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts und von ganz eigenthümlichem Charakter nicht er— wähnte, obwohl dieſelbe bekannt genug iſt und auch in England wohl be— kannt ſein konnte, da Eremplare davon nicht allein in den Bibliotheken von Berlin und Dresden, ſondern auch mehrfach in Bologna und Rom ſich befinden. Es iſt dies der große unter dem Namen Bahrije oder Meer— beſchreibung bekannte Seeatlas des türkiſchen Schiffscapitains Pir Reis. Herr J. von Hammer nennt denſelben unſtreitig das merkwürdigſte und zugleich gehaltvollſte Werk der türkiſchen Literatur in geographiſcher Ausbeute, das nicht aus anderen Werken geſchöpft, ſondern eine Frucht eigener Reiſen und Beobachtungen des Verfaſſers ſei. Ueber dieſe Arbeit berichtete ſchon v. Diez in ſeinen Denkwürdigkeiten von Aſten I, 33 — 57; dann Herr v. Hammer erſt in Berghaus Hertha 1825 III, 66, und ausführlicher in der nämli— chen Zeitſchrift 1826 V, 99 —131. Pir Reis war der Bruder eines im Be- ginn des 16. Jahrhunderts im Mittelmeer ſehr gefürchteten türkiſchen Corſaren des Kemal Reis, und verfaßte fein Werk in den Jahren 1520 — 1523 zu Galipoli auf ausdrücklichen Befehl Sultan Soleiman's des Großen. Es be— ſteht daſſelbe aus 128, nach Herrn von Hammer's Urtheil, freilich über al— len Begriff ſchlecht gezeichneten Karten des weißen Meeres, (Aspri Thalassa, Aongı 94.0000), wie die Türken und Griechen das Mittelmeer im Gegen- ſatz zum ſchwarzen Meer (Mauri Thalassa, Mau Yalacce) nennen, dann aber aus einer ausführlichen Beſchreibung, deren Werth in der An— gabe der Untiefen und ſchiffbaren Furthen, ſowie ihrer Sonden, welche der Verfaſſer auf ſeinen Zügen mit Kemal Reis ſelbſt aufnahm oder berich— tigte, beſteht. Noch im J. 1826, wo Admiral Smyth's und des franzöſi— ſchen Capt. Gauttier Arbeiten zum Theil freilich noch nicht vollendet waren, hielt Herr von Hammer die türkiſche Arbeit für ſo wichtig, daß er glaubte, eine Ueberſetzung derſelben würde für die Schifffahrer im mittelländiſchen Meer, beſonders aber im Archipelagus, ein erwünſchtes Unternehmen ſein. Einen zweiten türkiſchen Seeatlas verfaßte ſpäter Ben Hadſchi Hatiri Reis, Schweſter— ſohn des Kemal Reis und brachte denſelben Soleiman des Großen nächſtem Nachfolger Selim dem II. dar. (Hertha III, 66.) 4 Auch die zweite Hälfte des 16. und der Beginn des 17. Jahrhunderts blieb hinter der nächſtvergangenen Epoche in Bezug auf Forſchungen und Bei— träge zur Kenntniß des Mittelmeeres nicht zurück, doch waren es wieder meiſt Italiäner, die ſich darin auszeichneten. So nahm auf Befehl Pabſt Sixtus des V. der römiſche Ingenieur Bartolomeo Creſcentio im J. 1585 die Küften W. H. Smyth: The Mediterranean. 5⁵ Algeriens, im J. 1612 Francisco Baſilicata die der Inſel Candia auf, an welche Arbeiten ſich dann die des Marſeiller J. Oliva und die von H. A. Magini anſchloſſen. Im J. 1630 unterſuchten endlich noch Giovanni Vitelli und Heronimo Benaglio viele Theile des Mittelmeeres. Unter den gedruckten Wer— ken aus dieſer Epoche hebt Admiral Smyth die Schrift des ſchon genann— ten B. Creſcentio: Della nautica mediterranea. Roma 1607, beſonders aber das große, für feine Zeit ausgezeichnete und namentlich auch auf das Mit- telmeer ſich beziehende Werk eines in Italien damals lebenden Engländers Rob. Dudley: Arcano del Mare heraus, das im J. 1676 in zwei dicken Bänden erſchien, endlich gehört hierher ein lange Zeit hindurch bei den italiäniſchen Capitainen und Steuerleuten ſehr beliebter Periplus in der Prima parte dello Specchio del mare, nel quale si descrivono tutti li porti, spiaggie, baje, isole, scogli e seccagne del Mediterraneo. Fol. 1664 des Francisco Maria Levanto. Geringeren Werth hatten die in dieſer Zeit erſchienenen Karten, und namentlich zeigen ſich die von Creſcentio aus dem J. 1607, dann die von dem letztgenannten Autor nach de Chaberts Urtheil (Mémoires de l’Acad. de Paris 1759. S. 485) als ſehr unvollkommene Darſtellungen, ſo wie ſelbſt die von Dudley nach Admiral Smyth mangelhaft war. Wie in Italien, waren in Frankreich die Karten noch im letzten Viertel des 17. Jahrhun— derts voller Fehler, da die Ortsbeſtimmungen, die man zum Grunde legen mußte, bis auf einen halben Grad abwichen, und man von den meiſten Orten nicht einmal eine Längenbeſtimmung beſaß. Die meiſten Punkte waren nur nach den Entfernungen roh beſtimmt, oder man hatte Poſitionen nach der Boufjole, deren Abweichung man ſchlecht oder gar nicht kannte, feſtge—⸗ ſtellt. Da dieſe Karten überdies Plankarten waren, z. B. die von Miche- lot und Therni, ſo entſtanden auch dadurch weſentliche Fehler, auf welche man erſt ernſthaft aufmerkſam wurde, als Gaſſendi und Payreſe die von den katholiſchen Miſſionaren zu Cairo und Aleppo gemachten Beobachtun— gen berechneten. Hatten doch die zu ihrer Zeit ſehr berühmten heiden fran— zöͤſiſchen Geo- und Kartographen, Nicolaus Sanſon, den die Franzoſen den Schöpfer der Geographie in ihrem Lande nennen (Biographie universelle 1825. XL, 351) im J. 1652 und Guill. Sanſon noch im J. 1668 die Länge des Mittelmeeres vom h. Vorgebirge bis zum Golfe von Iſſus 60 Grade d. h. um ein Drittel oder Viertel zu groß angenommen (Gosselin Géogr. des Grecs analysee. Paris 1790 S. 42). Endlich warf der große Miniſter Colbert im J. N 1678 ſein Auge auf den elenden Zuſtand der mediterraneiſchen Kartographie, und er ſtaunte mit Recht, wie de Chabert ſagt (a. a. O. 485), ein Meer, 1 welches der älteſte Schauplatz des Seehandels und der Schifffahrt iſt und wegen feiner günſtigen Lage zwiſchen drei Welttheilen ſtets das beſuchteſte ges weſen war, ſo unvollkommen dargeſtellt zu finden. Während nämlich die Kar— ten der entfernteſten Meere damals ſchon ſo zuverläſſig waren, daß die meiſten Seefahrer ihnen vertrauen konnten, zeigten ſich umgekehrt die des Mittelmeeres 56 Neuere Literatur: der Art, daß die Schiffer die Küſten nicht aus den Augen verlieren durften und ſich ſtets von zum Theil ſehr unwiſſenden Piloten geleiten laſſen mußten. Deshalb ſandte die franzöſiſche Regierung die beiden Linienſchiffscapitaine Co— golin und Chevalier nebſt zwei geübten Ingenieuren aus, um die ſpaniſchen und italiäniſchen Küſten, dann die Küſten des adriatiſchen Meeres und des Archipelagus zu unterſuchen. Dies geſchah, doch blieben die ungemein ſchoͤn gezeichneten Karten in den Archiven des franzöſiſchen Marineminiſteriums ru— hen. Im J. 1685 drang wieder der Chevalier de Tourville in einem Briefe an den Marineminiſter auf die Nothwendigkeit der Herſtellung einer beſſeren Karte; dies und die Vorbereitung zu dem 2. Bande des Neptune frangais, wel⸗ cher das Mittelmeer umfaſſen ſollte, beſtimmte die Regierung, einen Schüler Caſſini's, den Aufſeher der Galeeren zu Marſeille de Chazelles, welcher ſich ſchon durch ſeine aſtronomiſchen Beobachtungen an der Südküſte von Frankreich ei— nen Ruf erworben hatte, zu Aufnahmen an die griechiſchen, türkiſchen und ägyptiſchen Küſten abzuſenden. Durch Chazelles Beobachtungen erlangte man endlich die Gewißheit, daß die dem Mittelmeer noch von den Sanſon's gegebene Längenausdehnung völlig unrichtig war; die Irrthümer der Alten, an denen man gegen 600 J. hartnäckig feſtgehalten, wurden dadurch endlich beſeitigt, und das Mittelmeer erhielt von nun an feine richtigen Dimenſtonen. Zu dieſem Reſultate trugen auch die durch den P. Feuilliée in dem J. 1700 und 1701 zu Tripoli und in Aegypten angeſtellten aſtronomiſchen Beobachtungen weſent— lich bei. De Chazelles hatte die Abſicht, nach ſeinen Beobachtungen und aus den in den franzöſiſchen Archiven enthaltenen zahlreichen Materialien einen Atlas des Mittelmeeres in 32 Blatt herauszugeben, aber die Schwierigkeit der Arbeit war ſo groß, daß als de Chazelles im Jahre 1710 nach einer langwierigen Krankheit ſtarb, ſein Werk nicht beendigt war. In der Zeit veröffentlichte Henry Michelot, Pilote Hauturier sur les Galères du Roi im J. 1709 eine compendiöſe Anleitung zur Befahrung des Mittelmeeres, die bei den Seeleuten ſo vielen Beifall fand, daß ſie noch faſt 100 Jahre ſpäter eine neue Auflage erhielt, und endlich erſchien zwiſchen 1685 und 1718 mit Unterſtützung der venetianiſchen Regierung und venetianiſcher Patrioten ein mehr, als 400 Karten ſtarker, von zahlreichen Erläuterungen begleiteter Atlas des Mittelmeeres, der Atlante Veneto des Padre Vincenzo Coronelli, dem im J. 1717 der Portolano del Mare Mediterraneo ein ausgezeichnetes Werk des genueſiſchen Piloten Sebaſtiano Gorgoglione folgte. Dieſe mit ſolchem Beifall aufgenommene Arbeit, daß bis zum J. 1815 vier andere Auf— lagen derſelben nöthig wurden, nannte der letzte Held der venetianiſchen Ma— rine Admiral Angelo Emo ſogar das wahrſte und klarſte Bild des Meeres (la veritabile e luminossima face del mare. Smyth 345). Trotz dieſer mannigfachen Beſtrebungen war doch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts an den beſuchteſten und anſcheinend bekannteſten Kü— ſten des Mittelmeeres ſehr viel, an den weniger beſuchten ſogar faſt al— —,, ̃— ͤNm1ff̃7˙ A ˙ã¹b!ms.. ²˙iA rä ̃ — ] ⁰ww t! p ² • GE — . WEGOSREN SE A 4 . W. I. Smyth: The Mediterranean. 57 les zu thun, obgleich des berühmten Delisle Karte, die ſich auf Chazelles Meſſungen an den Kuͤſten Aegyptens, Syriens und der Inſel Rhodus ſtützen konnte, viele Vorzüge vor den früheren hatte, und d' Anvilles Arbeiten durch Genauigkeit, ſoweit ſeine Materialien es zuließen, wieder die ſeiner Vorgänger übertrafen. Deshalb ſchlug der öfters genannte Marquis de Chabert, ein ſehr intelligenter franzöſiſcher Seeoffizier, im J. 1759 der pariſer Academie in einem Memoir vor, die Wiederaufnahme der de Chazellesſchen Arbeiten zu beantragen. Er ſelbſt wurde in Folge deſſen von dem franzöftichen Mini— ſterium zur Ausführung ſeiner Vorſchläge beſtimmt und ſo beſchäftigte er ſich während vier Expeditionen bis zum J. 1775 damit; die Reſultate ſeiner Arbeiten kamen ebenſowenig zur Oeffentlichkeit. Merkwürdiger Weiſe trugen Caſſini's damalige Triangulationen zur Rectification der Kenntniß der franzö— ſiſchen Mittelmeerküſten nur wenig bei. Erfolgreicher war die in großem Maßſtabe unter der Leitung Rizzi Zannoni's, eines geſchickten Mannes, wie Ad— miral Smyth ſagt, durch ein Corps von Ingenieuren unternommene Vermeſ— ſung der ſüd⸗italiſchen Küſten, mit Ausſchluß Siciliens, woraus der koſtbare große und ſchön geſtochene Atlas: Atlante maritimo delle due Sicilie hervor ging. Derſelbe umfaßte zugleich das Innere des Königreichs Neapel, da die Ingenieurs ihre Arbeiten dahin ausgedehnt hatten. Smyth bemerkte indeſſen ſpäter viele Fehler in dieſen durch Rizzi Zannoni geleiteten Arbeiten. Endlich erſchien noch im J. 1798 eine von Zannoni und Vincenzo di Luccio, Piloten des ehemaligen Dogen von Venedig, vereint bearbeitete Karte des adriatiſchen Meeres, die aber nach Smyth voll der gröbſten Irrthümer und ſogar eine Schande für die Geographie iſt, obgleich di Luccio 14 Jahre lang hydro— graphiſche Arbeiten dafür ausgeführt zu haben verſicherte. Auf einer un— gemein höheren Stufe ſtanden die im Jahre 1783 begonnenen Arbeiten der ſpaniſchen Seeofficiere, deren Karten ſich ſogar den höchſten Ruhm durch Genauigkeit und Schönheit der Ausführung erworben haben, ja die Carta esferica, que comprehende las costas de Italia, las del Mar Adriatico desde Cabo Venere hasta las islas Sapiencia en la Morea y las cor- respondientes de Africa, parte de las istas de Corcega y Cerdena con las demas, que comprehende este mar etc. Madrid 1804, nennt unſer Verfaſſer, der vollgiltigſte Beurtheiler, ſogar noch jetzt die befte des Mittel— meeres, welche wir beſitzen. Die ganze Folge der ſpaniſchen Küſtenkarten und der Hafenpläne erſchien in 2 Bänden in Folio und bildet den Atlas ma- ritimo de Espana, zu deſſen Erläuterung in 2 Quartbänden das Derrotero de la Costas de Espana. Madrid ſchon im J. 1789 trat. Die ſpaniſchen Küftenaufnahmen erfolgten unter Don Vincente Tofino de San Miguel's Leitung von den Officieren Joachim, Luyando, Maleſpina, Ciſcar, Bauza, Ferrar, Eſpinoſa und anderen, die ſpäter die Früchte ihrer Verdienſte faſt ſämmtlich nicht erndteten, ſondern im Kerker oder in der Verbannung ſtarben. Nach— dem ihre Arbeit in der Heimath beendigt war, wandten ſich die Officiere an— Ber \ 58 Neuere Literatur: deren Theilen des Mittelmeeres zu, und D. Dionyſio Alcala Galiano und Don Joſef Maria de Salazar beobachteten im J. 1802 an den Dardanellen, den Küſten Klein-Aſiens, Nord-Afrika's u. ſ. w. Der Ruin der ſpaniſchen Flotte endete dieſe ruhmvollen Arbeiten, indem drei der ausgezeichnetſten Of— ficiere, die Capitaine Galiano, Ileedo und Chirucco, als Commandeure dreier 74⸗Kanonenſchiffe, in der Schlacht von Trafalgar am 21. October 1805 den Heldentod ſtarben. Der Krieg mit Frankreich hatte am Schluſſe des vergangenen und im Beginn des jetzigen Jahrhunderts die engliſchen Flotten häufiger als ſonſt in das Mittelmeer geführt und die Nothwendigkeit genauerer Karten, als die bisherigen waren, gelehrt. In weniger beſuchten Gegenden zeigte ſich näm— lich ein ſo empfindlicher Mangel an zuverläſſigen Daten, daß man noch immer zu den auffallendſten Entdeckungen gelangte, mitunter ſogar da— durch in große Verluſte gerieth. So fand die im J. 1800 durch einen großen Sturm an der ägyptiſchen Küſte überraſchte engliſche Flotte unvermuthet eine ſichere Zuflucht in der Rhodus gegenüber an der kleinaſtatiſchen Küfte gelege— nen Bai von Marmeriche, welche den ſchönſten Hafen, worin die größten Flotten der Welt ſicher ankern könnten, bildet, und doch hatte Niemand auf der bri— tiſchen Flotte eine Ahnung von der Exiſtenz eines ſolchen Hafens gehabt. Dagegen gingen der britiſchen Flotte in den J. 1798—1800 und ſpäter meh⸗ rere größere und kleinere Kriegsſchiffe an der ägyptiſchen Küſte theils auf den Grund, theils ganz verloren, weil die daſtgen Untiefen auf den neueren Karten ganz unberückſichtigt geblieben waren, obwohl man ſie auf den älte— ren ganz richtig verzeichnet hatte. Die afrikaniſchen Küſten waren überhaupt bis auf Capt. Smyth und die neueren franzöſiſchen Arbeiten ſeit Eroberung Algeriens ſo wenig bekannt, daß noch Baron Zach von ihren Poſitionen mit Recht ſagte, daß ſie weniger gut beſtimmt ſeien, als die im indiſchen Ocean. Von dem griechiſchen Meere galt faſt daſſelbe, weshalb der engliſche Capitain Beaver ſich im Beginn dieſes Jahrhunderts beklagte, daß zwiſchen der Spo— radeninſelgruppe und dem Feſtlande von Aſien keine Seekarte zuverläſſig ſei, einige der Sporaden fehlten ganz, keine ſei richtig gezeichnet und, nachdem Beaver noch mehrere ähnliche Fälle angeführt, erklärte er ſehr energiſch, daß die mei— ſten Karten in dieſen Gegenden nichtswürdig ſchlecht ſeien (Life of Capt. Beaver 154), ja der bekannte Geograph Maltebrun ſagte in noch viel ſpäte— rer Zeit, daß er jedes Mal Zweifel habe, ſobald er eine Karte des Mittelmeeres zu Hilfe ziehen müſſe (Smyth 354). Unter ſolchen Umſtänden entſchloß ſich die britiſche Regierung ſchon im J. 1811, wenigſtens einen der unbekannte— ſten Küſtenſtriche, den der Landſchaft Karamanien, durch den damaligen Ca— pitain, jetzigen Admiral Beaufort, unterſuchen zu laſſen. Dies kam zur Ausführung, doch mußte die Unterſuchung ſchon im J. 1812 beendigt wer⸗ den, weil Beaufort von Eingeborenen meuchelmörderiſch angefallen und ſchwer verwundet wurde. eu W. H. Smyth: The Mediterranean. 59 Seine erſten Aufnahmen begann Admiral Smyth ſelbſt als Lieutenant im J. 1810 an der öftlichen ſpaniſchen Küfte, wo er ein Kanonenboot befehligte. Er ſetzte dieſelben hier bis zum J. 1812, dann im J. 1813 - 1814 an der ſieilianiſchen Küſte fort, als ihn der Dienſt dahin führte. Mit Hilfe guter Inſtrumente, unter der Protection der Admirale Sir Robert Hall und Pen— roſe, dann des Generals und Gouverneurs von Malta Sir Thomas Mait— land, endlich mit der wiſſenſchaftlichen Unterſtützung des berühmten Aſtrono— men Piazzi gelang es unſerem unermüdlichen Forſcher, ſeine Unterſuchungen immer weiter auszudehnen, obgleich er dieſelben auf ſeine eigenen Koſten un— ternahm, bis endlich die britiſche Regierung auf ihn aufmerkſam wurde und ihm im Mai 1817 die Unterſuchungen amtlich aufgab. Als Smyth im J. 1818 ſeine Arbeiten nach dem adriatiſchen Meere übertrug, ſtellte die öſter— reichiſche Regierung eine Kriegsſloop von 20 Kanonen unter feine Befehle, und es wurden ihm noch acht öſterreichiſche und neapolitaniſche Officiere zugetheilt, um ſich unter ihm im Beobachten auszubilden. Am Ende des J. 1820 befand ſich Smyth an der genueſiſchen Küfte, als ihn ein Befehl ſeiner Regierung zurückrief. Da aber gleichzeitig der ausgezeichnete franzöſi— ſche Seecapitain Gauttier im Auftrage ſeines Gouvernements ähnliche Unter— ſuchungen im Mittelmeer ausgeführt, und Smyth Gelegenheit gehabt hatte, ſich von Gauttier's Genauigkeit im Unterfuchen zu überzeugen, ging das franzöſt— ſche Miniſterium auf ſeinen Vorſchlag ein, um dieſelben Regionen nicht dop— pelt erforſchen zu laſſen, das Unterſuchungsfeld zwiſchen ihm und Gauttier zu theilen, jo daß er den weſtlichen, Gauttier den öſtlichen Theil des Mitttelmee— res übernahm. So arbeitete Gauttier in den nächſten Jahren in den griechi— ſchen Gewäſſern, Smyth dagegen, der ſich ſchon im Sommer 1822 mit einem andern Schiffe nach dem Mittelmeer zurückbegeben hatte, bis zum J. 1824 an der afrikaniſchen Küſte, an den Küſtenrändern von Sardinien und Corſica und endlich im Canal von Elba. Aus dieſen 12jährigen Arbeiten ſind nun nicht weniger, als 105 Karten, deren Verzeichnung Smyth S. 397—405 mit- theilt, nebſt dem in der Ueberſchrift angeführten Werk hervorgegangen. Für feine wiſſenſchaftlichen Verdienſte verlieh die geographiſche Geſellſchaft zu Lon— don dem trefflichen Forſcher in ihrer Generalverſammlung am 22. Mai 1854 eine ihrer beiden goldenen Preismedaillen (The Founders Medal) in den ehrenvollſten Ausdrücken, indem er von dem Vorſitzenden ausdrücklich der Vater der britiſchen Meeresaufnahmen genannt wurde, der auf ſeine Kinder ſtolz ſein könne. Smyth's Werk iſt übrigens nicht allein eine umfaſſende und überaus werthvolle Monographie des Mittelmeeres an ſich innerhalb des Unterſuchungs— feldes unſeres Forſchers, wie wir eine ſolche bisher noch nicht beſaßen, ſon— dern auch eine mit vielen intereſſanten Bemerkungen aufgeſtellte Beſchreibung der geſammten Küſtenränder, eine wahre Periegeſe im Sinne der alten geo— graphiſchen Schriftſteller. Doch iſt zu bedauern, daß das Werk nicht eigentlich 60 Neuere Literatur: vollſtändig iſt, da der öſtliche Theil des Mittelmeeres von ihm nicht un— terſucht worden war, und Gauttier's Beobachtungen, ſo viel wir wiſſen, nicht publicirt worden ſind. Um eine vollſtändige Arbeit der Art herzuſtellen, hätte der Verfaſſer alle Materialien feines franzöſiſchen Collegen zur Hand haben müſſen, und da dies nicht der Fall war, ſo bleibt ſeinem etwaigen Nachfolger immer noch vieles zu thun übrig. Die neueren franzöſiſchen Unterſuchungen an den algeriſchen Küſten, ſowie die der Franzoſen während ihres früheren mehrjährigen Aufenthalts in Griechenland hätten ſicherlich auch manches inter- eſſante Material zu einer vollſtändigeren Monographie des Mittelmeeres gelie— fert. Da ferner ſeit feinen Arbeiten mehr als 30 Jahre, für einige der— ſelben ſogar eine Periode von mehr als 40 Jahren verfloſſen iſt, ſo hat ſich der Verfaſſer bemüht, ſeine Materialien zum Theil aus anderen ſpäter geſammelten zu ergänzen; indeſſen iſt nicht alles geſchehen, was hätte geſche— hen können. Die ſtatiſtiſchen Angaben in Smyth's Werk gehen nämlich wenig über das Jahr 1829 hinaus, während die meiſten ſtatiſtiſchen Zahlen über die Mittelmeerländer uns jetzt ſchon bis zum J. 1852 zur Dispoſition ſtehen. A. Nutenberg und Gumprecht. (Schluß folgt.) D. Manuel Recacho, Memoria sobre las nivelaciones barometri- cas etc. Madrid 1853. Dieſes ſchön ausgeftattete, correct gedruckte und in einem eleganten Styl geſchriebene Werk, welches ein glänzendes Zeugniß von der Wiſſenſchaftlichkeit und dem ernſten Streben nicht allein des Verfaſſers, ſondern des geſammten ſpaniſchen Geniecorps ablegt, nimmt unter den Schriften, welche in dieſem Jahrhunderte über die phyſtkaliſche Geographie einzelner Theile Spaniens er— ſchienen ſind, unbedingt den erſten Platz ein und wird ſonach die Hauptquelle für die Orographie und Hydrographie des ſo höchſt verwickelten und bisher auf den Karten ſo gänzlich verkehrt dargeſtellten Gebirgsſyſtems der baski— ſchen Provinzen bilden. Die ſogenannte „topographiſche Brigade“ des ſpa⸗ niſchen Ingenieurregiments, deren eigentliche Beſtimmung die Vermeſſung der Küſten, Grenzen und militäriſch wichtigen Punkte, ſowie die Anfertigung der Pläne der feſten Plätze iſt, erhielt im J. 1849, wie der Verf. in der Einlei- tung erzählt, von dem Generalinſpector des Geniecorps 1) den Auftrag, die ) Es iſt dies der Generallieutenant Zarco del Valle, Präſident der könig⸗ lichen Acad. der Wiſſenſchaften, einer der ausgezeichnetſten Genieoffiziere Europa's, deſſen perfönliche Bekanntſchaft zu den angenehmſten Erinnerungen des Ref. aus Spanien gehört. 1 * F M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 61 Niveauverſchiedenheit von San Sebaſtian und Vitoria mittelſt einer genauen barometriſchen Nivelation zu beſtimmen, letzte zugleich auf die hohen Ge— birge von Adarra, Hernio, Aralar, S. Adrian, Aränzazu und Arlaban aus— zudehnen und einen topographiſchen Plan des ganzen zwiſchen der Küfte, dem Plateau von Alava und Navarra gelegenen Gebirgslandes, welches in den Rayon dieſer barometriſchen Nivelationen fiele, zu entwerfen, da die vorhan— denen Karten ſo höchſt ungenau wären. Mit der Direction dieſer eben ſo ehrenvollen als ſchwierigen Commiſſion wurde der Verf., Hauptmann des Geniecorps, betraut und demſelben ein halbes Jahr Zeit dazu bewilligt. Der— ſelbe verſah ſich mit zwei vortrefflichen Barometern von Bunten, deren eins während der Operationen verloren ging, mehreren Thermometern, einem Ekli— meter (eclimetro nivelador) aus München, einer kupfernen Meßkette von 50 Schritt Länge, einer großen Bouſſole von Kater und mehrern Handbouſſo— len und begab ſich mit einer Section der topographiſchen Brigade im April 1850 nach S. Sebaſtian, wo er ſeine Operationen damit begann, die Höhe eines eine Legua von S. Sebaſtian und nahe bei dem Dorfe Laſarte gelege— nen Punktes, welcher als Baſis für die ferneren Nivelationen dienen ſollte, auf das Allergenaueſte zu beſtimmen. Nachdem von hier aus die Nivelatio— nen der Straße nach Andoain und den benachbarten Ortſchaften Buruntza, Adarra und Belcoain ausgeführt worden waren, begannen die eigentlichen barometriſchen Operationen am 18. Mai mit der Beſtimmung der Höhe des Berges Adarra. Dieſe, wie alle folgenden, geſchahen durch genaue und viel— fach wiederholte correſpondirende Beobachtungen, deren Reſultate nach den Formeln von Laplace und den Tafeln von Biot berechnet wurden. Hierauf begab ſich die Section nach Toloſa, Alegria und Villafranca, beſtimmte die Höhe des Monte Hernio, der Berge von Aldaba und des hohen Aralarge— birges und ſchlug hierauf ihre Reſidenz in Idiazabal auf, wo ſie lange blieb und zahlreiche Beobachtungen machte. Die wichtigſten waren die Meſſungen der hohen Sierra de S. Adrian, deren culminirender Gipfel, der Pie von Criſto de Aizcorri, den höchſten Punkt des baskiſchen Gebirgsſyſtems bildet !). Dann kehrte die Section nach Ormaiztegui zurück, unternahm von hier aus die Nivelation der Straße bis Onate und die Höhenbeſtimmung der Sier— ren von Mutiloa und Aränzazu und anderer Gebirge, und endlich die Ni— velation der franzöſiſchen Heerſtraße von der Brücke von S. Prudencio, wo die Straße von Onate ſich mit ihr vereinigt, bis Vitoria. Nachdem von Vitoria aus auf höheren Befehl noch Excurſionen nach den navarriſchen an Guipüzcoa und Alava grenzenden Gebirgen von Urquiola und Lecumberri gemacht, ſowie eine vollſtändige barometriſche Nivelation von der Brücke von ) Dies bemerkt der Verf. mehrmals in der beſchreibenden Abtheilung feines Werkes. Aus den beigefügten Höhentafeln geht aber hervor, daß das Gorveagebirge die größte Höhe erreicht, indem deſſen Hauptgipfel den Pic von Aizeorri allerdings nur um 9 Fuß übertrifft. 62 Neuere Literatur: S. Prudencio an über Vergara, el Orrio und die Felſenpies von Amboto, S. Antonio und Urquiola bis zu der berühmten, im Mai deſſelben Jahres auch vom Ref. beſuchten Pena Gorvea in Vizcaya, welche ſich als der zweit— böchfte Gipfel des Baskenlandes herausſtellte, ausgeführt worden waren, kehrte die Section in den letzten Tagen des October nach S. Sebaſtian zurück und arbeitete daſelbſt den vorgeſchriebenen topographiſchen Plan aus. Dieſer im Maaßſtabe von tz ausgeführte Plan, welcher in dem uns vorliegenden Exemplare leider fehlt, umfaßt ein im Umfange 42 Leguas in der Fläche 31 Quadratleguas haltendes Stück Land, das zwiſchen 42° 51“ und 43° 23’ Breite, ſowie zwiſchen 1° 15’ 58“ und 1° 41’ 38“ öſtlicher Länge von Ma— drid gelegen iſt, oder mit andern Worten den größten Theil von Guipüzeoa, ungefähr die Hälfte von Vizeaya und die angrenzenden Gegenden von Alava und Navarra. Auf demſelben find 92 Ortſchaften von Guipüzeda und 24 von Alava, Vizeaya und Navarra nebſt einer fehr großen Menge von hypſome— triſch beſtimmten Gebirgsgipfeln und andern Punkten verzeichnet. Dieſem großen Plan find zwei kleinere im Maßſtabe von e und Tas beigegeben, welche wahrſcheinlich die von der Section in großer Anzahl angefertigten Pläne von Ortſchaften und Straßennivellements enthalten. Auf dieſe Schilderung der ausgeführten Arbeiten folgt der eigentliche in drei Seetionen und drei umfangreiche Tabellen zerfallende Inhalt des Werkes. Die erſte Section enthält einen kurzen Abriß der geographiſchen, topographi— ſchen und ſtatiſtiſchen Verhältniſſe des unterſuchten Landes; die zweite eine Schilderung der Communicationen; die dritte allgemeine Bemerkungen über das Vertheidigungsſyſtem jenes Grenzlandes. Wir wollen uns hier auf ei— nen kurzen Auszug der erſten Section beſchränken, da die beiden andern für die Geographie Spaniens weniger wichtig ſind. Die Gebirge der baskiſchen Provinzen ſind Verzweigungen eines im Allgemeinen in oſtweſtlicher Richtung ſtreichenden Gebirgszuges, welcher Guipuzeva von Navarra und Alava ſchei— det (daher von dem Verf. Diviſoria principal genannt) und ſich bei Ronces- valles von der Pyrenäenkette abzweigt, als deren Fortſetzung er betrachtet werden muß. Nachdem dieſer Hauptgebirgszug, welcher während ſeines ſelt— ſam gewundenen Laufes unter den mannichfachſten Formen auftritt, indem er ſich bald zu mächtigen Gipfeln erhebt, bald zu tief eingeſchnittenen Päſſen er- niedrigt, der aber im Allgemeinen weniger hoch iſt, als ſeine Verzweigungen und deshalb ſich in ſeinem Zuſammenhange nur höchſt ſchwierig verfolgen läßt, den Berg Engui emporgethürmt hat, von welchem aus eine Kette ſich von ihm abzweigt, die ſich in nördlicher Richtung bis Fuentarrabia erſtreckt !), bildet ) Dieſe Kette wird vom Bidaſſoafluſſe zwiſchen Zumbilla im Baſtanthale und Prun durchbrochen. Ich habe dieſelbe für den Hauptgebirgszug gehalten. Sie bil- det bei Prun den zackigen Granitgipfel des Monte de la Haya, deſſen höchfte Spitze ich durch barometriſche Meſſung 2479,9 par. Fuß hoch fand. * nu 1 M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 63 er endlich noch an Höhe raſch abnehmend die Päſſe von Velate'), Donamaria, Huici und Lecumberri, worauf er ſich, feine bisher nordweſtliche Richtung plötz— lich in die ſüͤdweſtliche ändernd, dem hohen Aralargebirge zuwendet. Von hier aus erſtreckt ſich die Hauptkette in weſtlicher Richtung durch die Gebiete von Aya und Ataun, über die Berge von Alzania, die Päſſe von Echegarate, Ot— zaurte und S. Adrian, den Pie von Aitzcorri, in welchem ſie, wie überhaupt das ganze baskiſche Gebirgsland, nach ſchon gemachter Angabe die größte Höhe erreicht, über die Sierra de Aränzazu, den Monte Artia, den Paß von St. Juan, die Sierra de Elguea, den Monte Arurdin, den Paß von Arlaban, die Berge von Jarindo, Ataun und Baſtibayeta, die Penas de Urquiola und den Paß von Burdineruci bis zu den Gebirgen von Gorvea und Orduna, worauf fie endlich mit den Hochgebirgen von Santander ſich verknüpft. Dieſe Hauptkette zerfällt in einzelne meiſt aus terraſſenförmig über einander geſetzten Plateau's beſtehende und von hohen Pic's oder grotesk geformten Felsmaſſen überragte Gebirgsſtöcke, die der Verfaſſer kurz, aber in ſehr anziehender Weiſe ſchildert. Den erſten dieſer Stöcke bildet die Sierren, Peñas oder Montes genannten Gebirgsmaſſe von Aralar, welche ſich auf der Grenze zwiſchen Guipuzeoa und Navarra erhebt und im SO. von dem Thale von Araquil, im Norden von den Thälern von Araiz und Larraun, im Süden von dem Thale von Bo— runda (alle dieſe Thäler gehören zu Navarra), im Weſten von den Gebieten der zu Guipuzcoa gehörenden Ortſchaften Amezqueta, Zaldivia, Abaleisqueta, Ataun, Aya, Villafranca u. a. begrenzt wird. Ein Zweig des Aralarſtockes, welcher die Gebiete von Lecumberri und Albeaſu ſcheidet, verbindet jenes mäch— tige Gebirge mit der Sierra Madre, über welche ſich die Hauptkette bis zu den Sierren von Alzania erſtreckt. „Die mittlere, über 4000 (ſpaniſche Fuß) betragende Erhebung des weitläufigen Plateaus (meseta), fährt der Verfaſſer fort, woraus der Aralar beſteht, macht aus ihren Hochflächen (päramos) unbewohnbare Gegenden, welche blos während einiger Zeiten des j ö 1 3 „ n Jahres tranſitabel ſind. Entblößt gegen die Gipfel hin von jeder Art von Bäumen, bietet der Aralar ein nacktes und trauriges Bild dar, das blos durch die Gegenwart der zahlreichen Viehheerden belebt wird, welche auf den vortreffli— chen Weiden, womit die Hochflächen bedeckt ſind, ihre Nahrung finden. Wenn man von den Gipfeln hinabſteigt, werden die Abhänge der Verzweigungen des Gebirges an Vegetation allmälig reicher, aber man bemerkt, daß der Baumwuchs an den an Guipuzeoa grenzenden Abhängen viel tiefer, als 1) Die Kette von Roncesvalles bis Lecumberri wird Montes de los Alduides genannt. Der Paß von Velate, den ich leider bei näſſendem Nebel paſſirt habe, und welcher das Baſtanthal vom Thale von Lanz ſcheidet, muß noch eine bedeutende Höhe beſitzen, da die Schenke des kleinen am Anfange der gewaltigen, über den Paß hinwegführenden Schnecke gelegenen Dorfes Almanſos nach meiner Beobachtung be— 3 hoch liegt Das Gebirge iſt dort mit dichter ſchöner Buchen valdung edeckt. 64 Neuere Literatur: auf der Süd- und Oſtſeite beginnt, wo in geringer Entfernung vom Gipfel mächtige Waldungen von Buchen, Eichen und andern Bäumen anfangen, welche für ſich allein den Reichthum der Ortſchaften ausmachen, denen ſie gehören. Die einzige permanente im obern Theile des Aralar gelegene Wohnung iſt das berühmte Hospiz (hermita hospederia) von S. Miguel escelſis, das nach dem Modell der Alpenhospize, nur im Kleinen, eingerichtet iſt und woſelbſt die Wanderer, in welcher Zahl ſie auch kommen mögen, alles fin— den, was ſie brauchen, und zwar umſonſt, wenn ſie ſich nicht in der Lage befinden, bezahlen zu können. Von dieſem Hospiz aus kann man auf einem guten Rückwege nach Ugarte Araquil hinabſteigen, einem im gleichnamigen Thal gegen 2500 tiefer gelegenen und anderthalb Stunden entfernten Dorfe; auch gehen von da die Fußpfade aus, welche nach Lecumberri, Araiz und Amezqueta hinabführen, u. ſ. w. Die größte Länge des Gebirgsplateaus be— trägt 3 Leguas von Oſten nach Weſten, die Breite anderthalb. Gegen das Thal von Araiz und Guipuzcoa hin fällt das Plateau außerordentlich ſteil und bildet eine Menge von Pies und Depreſſionen, weshalb der Aralar den Namen einer Sierra ſehr wohl verdient. Unter dieſen Pies ſind die be— merkenswertheſten die von Naunarri, Valerdi, Irumugarrieta und Eſtenarri, weil fie ſich plötzlich und beinahe ſenkrecht mehr, als 4000’, über die Sohle der Thäler erheben. Auf der entgegengeſetzten Seite hat das Gebirge aller— dings auch einige ſteile Abhänge, allein ſein Gipfel erſcheint in Form einer Hochebene und wegen des Baumwuchſes, den man aller Orten entdeckt, weniger wild. Unter den verſchiedenen dieſem Gebirge entquillenden Bä— chen find die bemerkenswertheſten die von Amezqueta, Abaleisqueta, Aha, Ataun und Errasqui, lauter Zuflüſſe des Oria, und andere der entgegen— geſetzten Seite, die in den Ebro fließen; aber alle dieſe Bäche entſpringen an den untern Abhängen, weshalb es auf der Oberfläche blos trockne Ge— hänge (vertientes) giebt. Man findet daſelbſt blos eine einzige Quelle und eine Ciſterne, welche das Hospiz von S. Miguel mit Waſſer verſorgen. Die Gebirgsart iſt Kalk ), der einige Erzgänge, worunter ein Kupfergang bemerkt zu werden verdient, enthält, indem derſelbe zu Excavationen und Stollen von mehr, als einer Stunde Länge, Veranlaſſung gegeben hat. Auch befinden ſich daſelbſt mehrere auf Galmei bauende Gruben.“ Der nächſte Ge— birgsſtock iſt die Sierra de Alzania. Sie erhebt ſich auf den Grenzen von Navarra, Alava und Guipuzeoa und beſitzt eine viel geringere Höhe, zeichnet ſich aber durch ihre reiche Vegetation und beſonders durch ihre prächtige aus corpulenten Eichen und Buchen beſtehende Waldung aus. Ihr Hauptgipfel iſt der Monte Achu, der ſich neben dem Paſſe von Echegarate oder Idia— zabal erhebt, worüber die Querſtraße geht, welche die von Vitoria nach Pamplona führende Straße mit der großen franzöſiſchen Heerſtraße verbindet. ) Jedenfalls der Kreideformation. 8 M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 65 Das Alzaniagebirge ſteht in unmittelbarem Zuſammenhange mit dem mäch— tigen Gebirgsſtocke der S. de San Adrian. Dieſes Gebirge, welches einen ahnlichen wilden und alpinen Charakter beſitzt, wie der Aralar, beginnt mit den Montes de Alſaſüa und erhebt ſich raſch bis über 5000“, um den Monte Araz zu bilden, über den die politiſche Grenze zwiſchen Guipuzeoa und Alava geht, während die Hauptwaſſerſcheide an ſeinem nördlichen Abhange hin ſtreicht und über den Paß von Otzaurte nach dem gleichnamigen Berggipfel läuft. Dort beginnt ein anderes zu demſelben Stocke gehöriges Gebirge, welches Aizeorri genannt wird, nach einem Verlauf von 4 Leguas über der Stadt - Onate mit dem Monte Alona endet und ſich gegen Süden mit der Sierra de Aränzazu verknüpft. Die Oberfläche des Aizeorrigebirges, welches den culminirenden Theil des geſammten Adrianſtockes bildet, iſt ebenfalls ein Pla— teau, das jedoch blos eine Länge von einer Legua beſitzt. Auch iſt daſſelbe nicht ſo eben, wie die Gipfelfläche des Aralar, ſondern voll Schluchten und Felſen, „ſo daß ſich daſelbſt nur wenige ebene, mit Gras- und Baumwuchs bedeckte Flächen befinden. Dagegen find die Abhänge mit der üppigſten Wal- dung bekleidet. Auch bei dieſem Gebirge (wie faſt bei allen der Hauptkette) 0 find die nach Guipuzeoa ſchauenden Abhänge ungleich ſteiler, als die nach Alava und Navarra gekehrten; von dort aus können ſogar Karren an man— chen Stellen bis auf das Gipfelplateau gelangen. Im obern Theile des Ge— birges giebt es keine andere Wohnung, als die Hermita und Venta von S. Adrian, welche ſich auf dem einzigen für Saumthiere practicabeln Paſſe be— finden, der über dieſes hohe Gebirge zwiſchen den Gipfeln Araz und Alona führt.“ Der Punkt, wo ſich die Venta befindet, entſpricht der Vereinigung des Aizeorri und des Araz und war ehedem eine große Grotte oder Höhle ‚on einigen 50 Varas Tiefe und 9 bis 10 V. Weite. Später wurde die hintere Wand durch Menſchenhand durchbohrt, und ſo befindet ſich an dieſer Stelle gegenwärtig ein beinahe natürlicher Tunnel von 75 Varas Länge und 55 Varas Weite am Eingange. Dieſer Tunnel öffnet ſich durch ein unförm— liches Loch von 8 bis 9 Varas Weite nach dem Fahrwege von Cegama (auf hr Seite von Alava), welcher fich ſehr bald bei Salvatierra mit der von Vitoria nach Pamplona führenden Straße vereinigt. In dieſer unter dem Namen des Paſſes von S. Adrian oder der Pena horadada (des durchbohr— ten Felſens) bekannten Höhle, deren Gewölbe aus einer 80“ dicken Felsmaſſe beſteht, liegen mit der Ausſicht nach NO. die Venta von S. Adrian, eine elende Schenke, aber einzig in ihrer Art, und die Hermita deſſelben Heiligen. Auf der Oberfläche dieſer Sierra giebt es wenig Waſſer; aber je mehr man hinabſteigt, deſto häufiger werden die Quellen. Unter denſelben iſt diejenige von Slurbeguieta die bemerkenswertheſte, theils, weil aus ihr der Rio Oris ent— ſpringt, theils wegen der Eigenthümlichkeit, daß dieſelbe an dem dem mittel— ländiſchen Meere zugekehrten Abhange des Araz entſpringt, und der Bach halb f ünſtlich über eine horizontale Fläche hinfließt, bis er einen V zorſprung er= rn Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 9 66 Neuere Literatur: reicht hat, woſelbſt ſich, ſobald der Bach nur etwas angeſchwollen iſt, das merkwürdige Schauſpiel darbietet, daß ein und derſelbe Bach Waſſer nach zwei verſchiedenen Meeren entſendet. Die Gebirgsart der Sierra iſt ein von Spalten, Höhlen und ſehr tiefen Schluchten wimmelnder Kalk. Derſelbe ent— hält einige Eiſen- und Bleigänge und verſchiedene Mineralquellen.“ An das Adriangebirge ſchließt ſich im Gebiete von Onate die viel niedrigere, aber eben— falls unbewohnte und ziemlich rauhe Sierra de Aränzazu an, welche im SW. durch den ihr zugehörigen Monte Artia von dem Gebirgsknoten der Sierra de Elguea getrennt ift. Das Aränzazugebirge iſt berühmt wegen der auf ihr befindlichen gleichnamigen Hermita, eines beſuchten Wallfahrtsortes, wohin von Oũate aus ein guter Saumpfad führt. Die Sierren von Elguea, Arur— din und Arlaban, welche von hier an die Hauptkette bilden, ſind von mitt— lerer Höhe, aber ſtark und ſchön bewaldet. Auf dem Arlabangebirge befindet ſich der gleichnamige Paß, über den die franzöſiſche Heerſtraße aus dem Thale des Deva nach dem bei Ulibarri-Gamboa von ihr erreichten Plateau von Alava führt. In demſelben Gebirge befinden ſich die berühmten Steinſalz—⸗ lager, welche dem in der Nähe dieſes Paſſes höchſt maleriſch gelegenen und wohlhabenden Flecken ſeinen Namen (Salinas) gegeben haben. Weiter hin, bereits innerhalb Vizeaya's, erhebt ſich die Hauptkette wieder ſehr bedeutend in der aus grotesken nackten Felsmaſſen beſtehenden Sierra de Urquiola !), deren erhabene Gipfel, unter denen die Pena Amboto die erſte Stelle ein— ö nimmt, ſich anfangs in oſtweſtlicher Richtung, ſpäter in nordſüdlicher an ein- ander reihen, in welcher Richtung ſich dieſe Sierra bis zu dem mächtigen Stocke der Pena Gorbea oder Gorbeya erſtreckt. „Dieſer liegt in Vizeaya, 5 Leguas (ſüdſüdöſtlich) von Bilbao an der Grenze von Alava in den Ge— bieten der Ortſchaften Orozeo, Ceanuri und Ochandiano. Es wird von drei rundlichen über einander geſetzten Hochflächen, welche die Namen Sayambano, Pico-Azulo und Penas de Gorbeya führen, gebildet und hat einen Umfang von 12 Leguas. Er vereinigt ſich mit der S. de Urquiola durch die Pena de Altamira und bildet einen Knoten, von dem eine Menge von Zweigen ausläuft; einige der letztern erſtrecken ſich unmittelbar bis an's Meer, andere verknüpfen die große Kette, der das Gorbeagebirge angehört, mit den centralen Ketten (2). Auf dem Gipfel giebt es eine Fläche von bedeutender Ausdeh— nung, auf welcher aromatiſche Pflanzen im Ueberfluß wachſen. An den Ab- hängen trifft man zahlreiche Quellen und eine Menge von Bäumen aller Art. Die auf das Gebirge führenden Wege ſind auf der alava'ſchen Seite häufiger und von geringerer Steilheit, als auf der entgegengeſetzten, doch giebt es auf beiden Seiten Stellen, wo man zu Pferde bis auf die Gipfelfläche gelangen kann. In dem Gorbeagebirge befinden ſich verſchiedene Höhlen, Grotten, na- . Dieſes Gebirge iſt daſſelbe, welches in meinen Schriften unter dem Namen Sierra de Durango vorkommt. ———— f M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 67 türliche Schneegruben und merkwürdige Waſſerfälle; auch ift das Verſchwin⸗ den eines Baches bemerkenswerth, welcher nach langem unterirdiſchen Laufe bei Orozeo wieder an's Tageslicht gelangt n).“ Die wichtigſten der innerhalb des von dem Verfaſſer unterſuchten Gebietes in oder an der Hauptkette entſpringenden Gewäſſer ſind die Küſtenflüſſe Lezo, Urumea, Oria, Urola und Deva und der in den Ebro abfließende, das Pla— teau von Alava durchfurchende Zadorra. Sowohl die Baſſins (euencas) dieſer Flüſſe und ihrer Nebenflüffe, als die fie ſcheidenden Gebirgsketten, welche als Verzweigungen der Hauptkette betrachtet werden muͤſſen, haben einen höchſt unregelmäßigen Verlauf. Dies gilt beſonders von den Gebirgen, die ſich in allen Richtungen hin verzweigen und in höͤchſt irregulärer Weiſe bald hoch erheben, bald tief deprimirt erſcheinen, ſo daß es oft faſt unmöglich iſt, zu erkennen, woher ſie kommen und zu welchem Zweige der Hauptkette ſie ge— hören. Dazu kommt, daß nicht wenige dieſer Nebenketten von den Fluͤſſen durchbrochen und daher vielfach zerſtückelt worden ſind. Aus dieſen Gründen erſcheint das Bergland von Ouipuzcon und Vizeaya als ein wirres Labyrinth. — Unter den oben genannten Flüſſen iſt der Lezo der unbedeutendſte. Er entſpringt am Fuße des Monte de la Haya, geht in ſuͤdweſtlicher Richtung fließend bei Oyarzun und Renteria vorbei und mündet in die Ria oder Bucht von Paſages. Zur Zeit der Fluth iſt er bis Renkeria ſchiffbar, ſonſt kann er überall durchwatet werden. Sein kleines Baſſin befindet ſich zwiſchen dem Hayagebirge im Süden, den Bergen von Oyarzun, welche im Verein mit denen des Puerto de Gainzchusqueta und des Monte Jaizquibel es gegen Oſten begrenzen und zugleich vom Baſſin des Bidaſſoa ſcheiden, und einer niedrigen vom Adarra ausgehenden Bergkette, die das Baſſin des Urumea gegen Oſten begrenzt. Dieſer Fluß entſpringt in den Gebirgen von Navarra bei dem Dorfe Goizueta, fließt gen NO. und fällt nach einem Laufe von 8 Leguas, während dem er die Ortſchaften Goizueta, Hernani und Aſtigarraga berührt, bei S. Sebaſtian in's Meer. Während der letzten 3 Leguas iſt er zur Fluth— zeit ſchiffbar, ſonſt faſt überall zu durchwaten. Die Neigung ſeines Bettes iſt von Hernani an faſt überall = 0,087 auf 100“ über ihn find 6 Brücken geſchlagen. Sein Baſſin wird im Süden durch die Berge von Goizueta, im Oſten durch die ſchon erwähnte Kette, im Weſten durch eine Höhenkette, welche ſich zwiſchen demſelben und dem Baſſin des Oris und des in letztern fließen— den Lerzarän erhebt. Auch dieſe Kette geht vom Adarra aus, der mit dem Oruntza und den Bergen von Santa Barbara und Oriamendi die Barriere bildet, welche die ſchönen, obgleich engen Thäler von Hernani, Aſtigarraga, Loyola und Rivera de Santiago von dem Baſſin des Urumen iſolirt. Mit Ausnahme dieſer Thaler beſteht das ganze Baſſin aus hohen Hügeln und ) Vgl. über dieſes intereſſante Gebirge meine „Wanderungen durch die nord⸗ öſtlichen und centralen Provinzen Spaniens“ Bd. J, S. 141 ff. — 5 * 68 Neuere Literatur: tiefen gewundenen Gründen, deren Abhänge und Kämme in höchſt maleriſcher Weiſe mit zerſtreuten Gehöften (caserios), Eichen- und Aepfelhainen bedeckt find. Viel bedeutender iſt der Oriä, der Hauptfluß vom Guipüzeoa, von deſſen Urſprung bereits oben die Rede war. Während der erſten 4 Leguas ſeines mäandriſch gekrümmten Laufes hat dieſer wilde und ſchöne Fluß we— nig Waſſer, und er kann daher überall durchwatet werden; dann aber wird der Uebergang ſchwierig, und von Toloſa an iſt derſelbe blos noch mittelſt Fähren oder Brücken möglich. Die letzten anderthalb Leguas kann derſelbe mit großen Böten and kleinen Seefahrzeugen befahren werden. Ueber den Ori führen 22 Brücken; die franzöſiſche Heerſtraße allein, welche von To- loſa an in ſeinem herrlichen Thale abwärts läuft, überſchreitet ihn acht Mal. An ſeinen Ufern liegen 13 Mahlmühlen, 10 Eiſenhütten, 1 Kupferhammer, 2 große Baumwollenſpinnfabriken, 1 Tuchfabrik, 2 Papierfabriken, 1 Guß⸗ eiſenfabrik und 1 Dampfmehlfabrik; auch die übrigen Fabriken beſitzen meiſt Dampfmaſchinen. Die Neigung des Flußbettes beträgt bis Cegama im Mit- tel 5 auf 100, von da an bis Toloſa 1 auf 100. Unter ſeinen zahlreichen Zuflüſſen ſind die bemerkenswertheſten: der Fluß von Idiazabal oder Urſua— ran, welcher am Monte de Echegärate entſpringt, das Thal von Idiazabal bewäſſert und am Eingange des Thals von Segura in den Oris fällt; der Fluß von Ormaiztegui, der dem Berge Zumärraga entquillt, das ſchöne Thal von Areria, durch das die franzöſiſche Heerſtraße von Toloſa aufwärts geht, durchſchneidet und bei Toloſa mündet; die Flüſſe Arguunza und Amezqueta und der Bach Zaldivia, die ſämmtlich vom Aralargebirge herabkommen; der Otzarain, der ſich aus den Quellen der Berge Aldaba und Hernio bildet; endlich der Arajes, der bedeutendſte von allen, welcher aus den Quellen des Berges Aspiroz entſteht, parallel mit der von Pamplona nach Toloſa füh— renden Straße, die ihn fünfmal auf guten Steinbrücken überſchreitet, in das Baſſin des Oria, mit dem er ſich in Toloſa vereinigt, hinabſteigt und einen Lauf von 5 Leguas beſitzt. Alle dieſe Nebenflüſſe treiben eine Menge von Mühlen und Eiſenhütten. Das Baſſin des Dria wird gegen Oſten und Sü— den durch die ſchon beſchriebene Scheidegebirgskette des Urumeabaſſins, gegen Weſten durch eine hohe Bergkette begrenzt, welche vom Aizeorri ausgeht und über die Berge von Telleriarte, Alto de Aicealecoa, den Paß von Legazpia und die Berge von Gaviria bis zum Paſſe von Zumärraga ſtreicht, ſich von dort gen Weſten erſtreckt, die links von Ormaiztegui befindlichen Berge bil— dend und nun gen Norden verläuft. Dieſes letzte Stück beſteht aus den Bergen von Beaſain, Villafranca, Azpeitia, dem Alto de Gohaz, dem Monte Hernio und den an der Küfte liegenden Bergen von Aſteazu. Das ganze Baſſin umſchließt viele fruchtbare Thäler, beſteht aber größtentheils aus wil— den, doch meiſt ſchön bewaldeten oder wenigſtens bebuſchten Bergen. Zu den bedeutenderen Berggipfeln gehört der bei Vidania ſich erhebende Hernio, deſſen nackte Felskuppe ein Kreuz trägt. Der Fluß Urola entſpringt ebenfalls im M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometrieas. 69 Aizcorriſtocke, aber etwas weftlicher als der Oria am Monte Araya im Ge= biete von Segura. Nachdem er zwiſchen Villareal und Zumärraga die fran⸗ zoͤſiſche Heerſtraße durchſchnitten hat, fließt er durch ein fchönes Thal nach den Vegas von Azpeitia und Azeoitia und von da zwiſchen den Bergen Her— nio und Ilzarriz hindurch nach der Vega von Ceſtona, hierauf durch das Thal von Arrona und mündet, nachdem er bei Iraeta und Oiquina vorbei— gezogen iſt, zwiſchen Zumaha und Guetaria in den Ocean. Der Urola hat einen Lauf von 6 Leguas Länge, vom Legazpia an ein Gefälle von 2, ſpäter von 1 auf 100, trägt 5 Brücken und treibt 5 Eiſenhütten und 13 Mühlen. Von dem Baſſin des parallel fließenden Deva ift das des Urola durch eine hohe, wilde und zerriſſene Bergkette getrennt, welche vom Aizeorriſtocke ausläuft und über den Paß von Onate, den Monte Satui und den Paß von Descarga, den die franzöſiſche Straße überſteigt, nach dem Monte Irimo ſtreicht, um von da über den Monte Elöſua, M. Quirichu, Collado de Azea⸗ rate und die Berge von Ilzarriz und Anduz nach der Küfte zu laufen. Das Baſſin des Urola birgt keine einzige Vega von Bedeutung, indem es gänz— lich von hohen ſchroffen Bergen und tiefen engen gewundenen Grunden er— füllt iſt. — Der Deva entſpringt zwiſchen den zum Arlabangebirge gehörigen Bergen Arurdin und Galvagarrain, eine halbe Legua von Salinas, und fließt über Caſtanares, Escoriaza, Arechavaleta, Mondragon, Vergara, Plaſencia, Elgoibar dem Meere entgegen, in welches er ſich bei Deva ergießt. Die letz— ten 2 Leguas feines Laufes, wo er den Namen Ria de Eibar führt, find ſchiffbar. Der Deva, nach dem Oria einer der bedeutendſten Flüſſe der bas- kiſſchen Provinzen, nimmt unterwegs viele Gewäſſer auf; die wichtigſten ſind die Flüſſe Bolivar, Aramayona, Aranzazu und Rio de Anzuola. Der Deva beſitzt während feines obern Laufes bis Escoriaza ein Gefälle von 6 auf 100, von dort an von 1 auf 100, fließt faſt immer zwiſchen ſteilen Ufern hin, kann daher nur an wenigen Stellen durchwatet werden, trägt 14 Brücken und treibt eine Baumwollenſpinnfabrik (bei Vergara), 3 Eiſenhuͤtten und 22 Mühlen. Unter den Zuflüffen des Deva iſt beſonders der Aränzazu be⸗ merkenswerth. „Dieſer Fluß entſpringt in den zur Sierra de Aränzazu gehorenden Felſen von Zurcruz und ſtrömt, nachdem er die übrigen Ge— wäſſer der weſtlichen Abhänge dieſes Gebirges und diejenigen des M. Artia aufgenommen hat, gen Norden in einem engen Bette zwiſchen erhabenen Fel— ſen, bis er in einem großen Loche, el Boqueron de Gueſalza genannt, ver— ſchwindet, um unterirdiſch fortzufließen bis gegenüber der Höhle von San F Elias, welche am Abhange der Pena de Urrejola am Fuße einer faft fenf- rechten Wand von 800 bis 1000“ Höhe liegt; hier vereinigen ſich mit dem neugeborenen Aränzazu die vom Paſſe von San Juan, der Sierra de El— guea und von den Montes de Arauz herabkommenden Wäſſer, worauf der Aränzazu ſeinen Lauf in nördlicher Richtung, nun bereits in weniger engem Bette, bis 1 Legua noͤrdlich von Onate fortſetzt. Die Quellen der Abhänge 8 70 Neuere Literatur: des Along und diejenigen der Südabhänge des Monte Satui vereinigen ſich mit einem Bache, Namens Olavarrieta, welcher vom Paſſe von Onate in Form einer natürlichen Kaskade herabſteigt, um ſich mit dem Anzuelas-erreca zu vereinigen, einem Bache, welcher ebenfalls vom M. Satui herabkommt und unterirdiſch unter der Stadt Onate hinwegfließt, bis unter der Pfarr— kirche, wo ſeine Vereinigung mit dem Olavarrieta erfolgt. Der vereinigte Bach ſteigt parallel mit der Straße abwärts, um eine Viertellegua oberhalb Zubillaga in den Aränzazu zu münden, welcher feinen Lauf eine andere Vier- tellegua fortſetzt, um einen andern Bach aufzunehmen, der ſich in den Felſen von Zaraya und an den Nordabhängen der Pena de Urrejola bildet. Nun fließt er ohne weiteren Zuwachs fort, die Straße immer begleitend, bis zur Brücke von S. Prudencio, wo er ſich dem Deva einverleibt. Die Neigung ſeines Bettes wechſelt außerordentlich, und feine ebenfalls wechſelnde Waſſer— menge ſetzt 29 Mühlen, 3 Eiſenhütten und 2 Eiſenhämmer in Bewegung.“ Das Baſſin des Deva befindet ſich zwiſchen dem zwiſchen dem M. Alona und M. Jarindo gelegenen Stücke der Hauptkette, der Bergkette, welche es von dem Baſſin des Urola ſcheidet, und den Ketten, die ſich zwiſchen ihm und den Baf- find der weſtlicher ſtroͤmenden Flüſſe Campanzar und Ondarroa erheben. Dieſe letzten Ketten bilden ein Gebirge, welches vom Adriangebirge ausgehend, ſich über die Penas de Ipizticbarriaga, de Udala, den Paß von Campanzar, den M. Intzorta, Elgueta und den M. Azconavieta bis an die Meeresküſte zwi—⸗ ſchen Deva und Motrico erſtreckt. Das Thal des Deva iſt von einer herr— lichen Vega erfüllt und ſehr volkreich; darin liegen die Flecken Escoriaza und Arechavaleta, die Städte Mondragon und Vergara und eine Menge Wei— ler (barrios) und einzelner Häuſer (easerios). Sehr volkreich iſt auch das Baſſin des Aränzazu. In demſelben befinden ſich außer der Stadt Onate 10 große Flecken und viele Caſerios. In dem Valle de Leniz genannten und von den Bergen S. Adrian, Jarindo und Murugain gebildeten Quellthale des Deva liegen die Ortſchaften Uribarri, Udala und die beſuchten Bäder von Santa Agueda. Der größte Theil des Devabaſſins beſteht aber aus wilden, theils bewaldeten, theils nackten Felſenbergen und tiefen engen, unzugänglichen Gründen. Die wichtigſten Berggipfel find die Penas de Zaraya und der Monte Aitzorroz, Glieder der S. de Elguea, zwiſchen denen und dem M. Arurdin ſich das enge Baſſin des Bolivar befindet; die Penas de Urrejola, der M. Audarto und M. Curchichiqui, Berge, die ebenfalls zu dem vom El— gueagebirge ausgehenden Zweige gehören; der M. Satui, ein dem vom Alona= gipfel des Adriangebirges ausgehenden Zweige angehöriger Felſenberg, deſſen Baſis 7 Leguas im Umfange hält und deſſen weſtliche Verzweigungen das Thal des Deva bis Vergara begrenzen; die Berge von Descarga, welche den Satui mit dem Irimo, dem Ende des weitläufigen Monte Olöſua verbinden, der das Baſſin des Deva gegen Norden von Vergara an begrenzt; der M. Udalach, ein hoher bei Mondragon ſich erhebender weithin ſichtbarer Berg M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 71 von vollendeter Kegelform, welcher im Verein mit den wilden Benas de Ur— quiola das Quellthal des Deva gegen Weſten begrenzt; der M. Intzorta, der von Mondragon an bis Vergara das Devathal in derſelben Richtung ums wallt; der Paß von Elgueta, über den die Straße von Vergara nach Bilbao hinwegführt; der M. Azeonavieta, der das Thal des Übera begrenzt u. a. — Der Zadorra rinnt vom alaveſiſchen Abhange des Aizeorri herab in der Ge— gend von Salvatierra, und fällt nach einem ruhigen Laufe zwiſchen unbedeu- tenden Hügeln bei Miranda de Ebro in den Ebro. Er iſt der bedeutendſte Fluß von Alava. Die Küfte des von dem Verf. unterſuchten Theiles der baskiſchen Pro vinzen iſt über alle Maßen ſteil und rauh und deshalb für die Schiffe im höchſten Grade gefährlich. Von Fuenterrabia an bis zur Bucht von Paſages wird ſie von den ſteilen Felſen der Baſis des langhingeſtreckten Berges Jaiz— quibel umgürtet, zwiſchen Paſages und der Mündung des Urumen von dem nicht minder ſteil in's Meer hinabſtürzenden Monte Ulia, dann zwiſchen der Mündung des genannten Fluſſes und dem Eingange zur Bai von S. Sebaſtian von den Felſen des M. Orgullo oder Urcuͤll, deſſen Scheitel das Caſtillo de la Mota, die Citadelle von S. Sebaſtian trägt, endlich von da bis zur Mün- dung des Oria von dem M. Igueldo. Die wenigen, meiſt aber unſichern Anker— plätze dieſer Küſte ſind folgende: 1) Die Bucht von Paſages oder Ria de Lezo, ein mitten im Lande gelegenes, herrliches Baſſin von 11300“ Länge und 1880“ Breite, welches durch das hohe Küſtengebirge vollſtändig gegen alle Stürme geſchützt iſt. Allein theils die große, in Folge von Verſandung ein— getretene Seichtigkeit, theils die Schwierigkeit und Gefährlichkeit, womit das Einlaufen verknüpft iſt, verringert die Bedeutung dieſes an den Hafen von Cartagena erinnernden Baſſins in ſolchem Grade, daß daſſelbe nur ſelten von größeren Fahrzeugen beſucht wird. Sein Eingang beſteht aus ei— nem gewundenen, anfangs in oſtſüdlicher, ſodann in nordöſtlicher Richtung verlaufenden, beiderſeits von hohen Felſen umgürteten Canal von 4825! Länge, 930“ mittlerer Breite und 10,5 bis 4 Klaftern Tiefe, welcher ſich zwiſchen den Bergen Jaizquibel und Ulia, deren Vorſprünge die Namen Bancha del Eſte und Bancha del Oeſte führen, befindet. 2) Die Enſenada de la Zur— riola, gebildet von der Mündung des Urumea, zwiſchen der Punta de las Aniuras (dem äußerſten Vorſprunge des M. Ulia) und dem M. Orgullo, ift ein ſehr ſchlechter Ankergrund, und blos Böten und Fiſcherkähnen zugänglich, indem die Barre nur 3 Waſſer hält. 3) Die Bucht von S. Sebaſtian, we— gen ihrer Figur la Concha (die Muſchel) genannt, befindet ſich zwiſchen dem M. Orgullo und dem öſtlichen Vorſprunge des M. Igueldo. Sie gewährt, trotzdem daß ſie durch das Felſeneiland von Santa Clara und eine Reihe Klippen gegen die hohe See hin abgeſperrt iſt, fo daß blos ein Canal von 1080“ Weite und 55“ mittlerer Tiefe zwiſchen der genannten Inſel und dem M. Orgullo übrig bleibt, geringe Sicherheit, kann ſogar bei Nordwinden den a | | = 72 Neuere Literatur: Schiffen ſehr gefährlich werden. Der Hafen von S. Sebaſtian ſelbſt iſt klein und ſchlecht und kann große Schiffe nicht aufnehmen. 4) Die Mündung des Dria, ein guter Ankergrund, aber mit gefährlich zu paſſirender Barre. Hier und zu Paſages giebt es Werften und Doggs für Handelsſchiffe. Am Ein— gange der Barre der Bidaſſoamündung bei Fuanterrabia und auf dem Monte Orgullo befinden ſich Leuchtthürme mit feſtſtehendem Feuer. In der zweiten Section werden die Straßen von Vitoria nach Bahonne, von S. Sebaſtian nach Hernani, von Toloſa nach Pamplona, von Bilbao über Azpeitia, von Alſaſua, Onate, von Bilbao über Elgueta, von Mondra— gon und andere neue, damals im Bau begriffene und ſeitdem vollendete Chauſ— ſeen geſchildert. Es ergiebt ſich hieraus, was auch jeder Reiſende in den bas— kiſchen Provinzen mit großer Freude bemerkt, daß das Straßenweſen in keinem Theile Spaniens beſſer beſtellt iſt als in jenen Provinzen, wo faſt alle grö— ßeren Ortſchaften durch gute Chauſſeen verknüpft ſind, obwohl wenige Ge— genden Spaniens, und Europa's überhaupt, dem Straßenbau ſolche Schwie- rigkeiten entgegenſetzen dürften, als jenes wild verwickelte Berglabyrinth Can— tabriens. Dennoch iſt die Communication im Innern dieſes Ländchens noch immer vieler Verbeſſerungen fähig. Der Verfaſſer ergreift dieſe Gelegenheit, um ſich am Schluſſe des Abſchnitts über das Project einer Eiſenbahn von Ma— drid nach Bayonne auszuſprechen. Dieſelbe würde blos innerhalb der bas— kiſchen Provinzen Schwierigkeiten darbieten, iſt jedoch auch hier nicht unmoͤg— lich, obwohl ihre Ausführung daſelbſt mit enormen Koſten verknüpft ſein dürfte. Die Hauptſchwierigkeit beſteht darin, daß man die Eiſenbahn nicht auf demjenigen Wege durch das baskiſche Gebirgsland führen kann, welcher die geringſten Schwierigkeiten darbietet, ſondern ſie nothwendigerweiſe über S. Sebaſtian, Toloſa und Vitoria legen muß. Auf dieſer Linie würde die Eiſenbahn aus einer faſt ununterbrochenen Reihe von ſchiefenen Ebenen, Tun— neln und Viaducten beſtehen müſſen. Von außerordentlicher Wichtigkeit für die Topographie der baskiſchen Provinzen ſind die beigefügten Tabellen, welche die zweite Hälfte des Werkes bilden. Die erſte Tabelle enthält die Statiſtik von 90 Ortſchaften von Gui⸗ puzcoa, 6 von Alava, 12 von Navarra und 5 von Vizeaya. Bei jeder Ort— ſchaft find die geographiſche Lage, die Zahl der Bürger (vecinos), die Zahl der Seelen und der Häuſer, die Entfernungen von Toloſa, S. Sebaſtian, Pamplona und Vitoria, die Communicationen, die Communicationsmittel, die N 1 | N N Erzeugniſſe, die Induſtrie angegeben und Bemerkungen über Beſchaffenheit des Terrains, Wäſſer, Wälder, Anpflanzungen, Bauart der Häuſer u. ſ. w. bei⸗ gefügt. Wir entnehmen dieſer intereſſanten Tabelle folgende Einwohnerangaben der wichtigſten Ortſchaften. Die gewerbthätige Villa Andoain im Oriäthale hat 1487 E.; Cegama, eine ebenfalls ſehr gewerbthätige Villa, mit 3 Fa— briken eiſerner Reifen und Schienen, 8 Mühlen u. ſ. w., im Quellthale des Ori am Fuße des Adriangebirges, hat 2100 E.; Hernani, Villa mit Streich M. Recacho: Memoria sobre las nivelaciones barometricas. 73 hoͤlzchen- und Lichtfabriken und 3 Eiſenſchmelzhütten, in ſchöͤner Vega am obern Urumeg, hat 2363 E.; Mondragon, Villa im Quellthale des Deva an der franzöſiſchen Heerſtraße, mit 2 Eiſenhütten, einer großen Eiſengießerei, einer Lederfabrik, 12 Mühlen u. ſ. w., hat 2120 E.; Onate, Villa in ſehr romantiſcher Lage mit 3 Eiſenhütten, 2 Eiſenhämmern, 15 Mühlen u. ſ. w., hat 5600 E.; Paſages, Flecken mit einer Seifenfabrik, Spitzenfabrik, mit Werf— ten u. ſ. w., hat 1000 E.; St. Sebaſtian, Ciudad, Feſtung und Hauptſtadt von Guipuzcoa, mit einer Tapetenfabrik u. ſ. w., hat 10036 E.; Toloſa, Ciu⸗ dad und ehedem Hauptſtadt derſelben Provinz, reizend im Thale des Oris gelegen, mit einer Tuchfabrik, 3 großen Fabriken von Papier ohne Ende, 4 Fabriken von Eiſenartikeln, 8 Mahlmühlen u. ſ. w., hat 7220 E.; Ver⸗ gara, romantiſch am Deva gelegene Villa, mit einer großen Baumwollen— ſpinnfabrik, 15 Mühlen u. ſ. w., hat 6807 E.; Vitoria, Ciudad, Feſtung und Hauptſtadt von Alava, mit 1 Tapetenfabrik, 1 Spiegelfabrik, 1 Goldrahmen⸗ fabrik, 1 Wagenfabrik, 1 Steingutfabrik, 6 Lederfabriken, 4 Mühlen u. ſ. w., hat 11266 E. Die zweite Tabelle enthält die bei den ausgeführten Nivela⸗ tionen der franzöſiſchen Heerſtraße, der Straße von Toloſa nach Navarra, der Straße von Azpeitig nach Bidania, dem Wege nach Amezqueta, der neuen Straße nach Idiazabal bis zum Paſſe von Echegärate, der Straße von Onate bis zur Brücke von S. Prudencio, der Straße nach Bilbao von Vergara bis Elorrio, und der Straße von S. Sebaſtian nach Hernani gemeſſenen Hö— hen, im Ganzen 461! Bei jedem Punkte iſt ſowohl die abſolute, als die relative Höhe über den vorhergehenden Punkt und die Entfernung beider Punkte in ſpaniſchem Fußmaß angegeben, und bisweilen ſind noch beſondere Bemerkungen beigefügt. Die bemerkenswertheſten Punkte ſind folgende: 1 . Br Fuß abſ. H. 1. Franzöſiſche Heerſtraße. Ormaiztegui (Ausgang). 764,24 | Fuß 1) abſ. D. Barrio de Andoaga (Ham de Ebene von S. Sebaftian. . . 70,05 S. Lucia) . 868,17 Alto de Miracruz .. . . 196,15 Puerto de Zuma arraga 4349,58 Eingang von Laſarte.. . 92,88 Zumärraga (Eingang) . . 1260,50 Andoain (Eingang) . 168,79 Billareal (Ausgang). . 1277,58 Villabona (Platz). . 210,11 Venta de Elias. . 1312,61 Toloſa (Ausgang) . 276,88 „ © 2°. 1703,06 Ausgangspunkt der Strafe ad Puerto de Descarga . . . . 1752,73 Azpeitia . . . 316 Hermita de la Antigua .. 896,51 Alegtia (Platzt z . . 356,69 Anzuola (Platz) . 826,07 Icaſtiguieta (Ausgang) 414,74 Vergara (Barrio de S. antonio 522,81 Legorreta (Platz:) . 444,58 Barrio Zabiarri . 527,49 Iſaſondo (Eingang) „ 75,66 Pnente de Uvri eta m 601,27 Villafranca (Platzt .» . . 582,60 Hermita de S. Prudencio . . 641,66 Beaſain (Ausgang) 575,07 Ausgangspunkt der N ii \ Barrio de Yarza (Ausgang) . 578,68 Onate 648,50 Ausgangspunkt der . von Caſa Legorre 8731,31 Be. Idiazabal 5 600,32 Mondragon (Platzt z 757,18 1) 7 ſpan. Fuß find = 6 pariſer Fuß. 4 74 Neuere Literatur: Fuß abſ. H. Arechavaleta (Platz). 841,16 Escoriaza (Ausgang) . . 1006,24 Caſtanares (Eingang) . 1141,25 Salinas (Eingang) 1582,38 = (Ausgang) . 1670,39 Puerto de Arlaban . 2213,93 Grenze von Alava . . 2060,28 ulibarri⸗ Gamboa (Eingang) 1947,29 = (Ausgang) . 1885,92 Arrohabe (Eingang) . 1849,55 Mendivil (Eingang) . . 1836,96 Durana (Eingang) 1828,57 Betone Ausgangspunkt. Strafe nach Bilbao) . 1844,22 Vitoria (Plaza de S. Maria) 1918,92 2. Straße nach Navarra. Brücke von Navarra in nur 280,13 Barrio Amaroz 316,14 Lizarza (Ausgang) 417,47 Grenze von Navarra . 424,97 Atallo (Ausgang). 594,20 Arribas (Ausgang) 604,90 Betelu (Ausgang) . 679,87 Venta de Lezacta . 923, 27 Puerto de Aspiroz . 2035, 17 3. Straße nach Azpeitia. Venta de Muñoa. 963,30 Puerto de ein . 1792,14 Bidania . - . 1719,42 4. Weg nach Amezqueta. Brücke am 8 von 8 359,61 Ugarte . 0 5 508, 16 . (Bas) . 659,62 5. Straße nach Idiazabal. Fuß abſ. H. Ausgangspunkt von der franzöſ Straße 607,49 Idiazabal (Eingang) . 762,45 = (Ausgang) 779,83 Puente de Navar . . 1022,15 „ .,= Urfuarän.. . 1650,41 Puerto de Echegarate. . 2362,67 6. Straße von Dnate. Ausgangspunkt in Ormaiztegni. Collado de Atagoitia . Barrio de Telleriarte. 874,82 . 1858,43 . 1594,60 Hermita de ©. Criſtôval 947,88 Düate (Platz;) 846,90 Barrio de Zubillaga (Eingang) 720,03 Puente de S. Prudencio .. 648,03 7. Straße nach Bilbao. Ausgangspunkt bei Vergara 552,51 Vergara (Platz . . 534,11 Barrio Ubera (Eingang) 707,59 Elgueta (Platz . . . 1661,08 . 1620,67 Ventas de Pagatza { 631,68 Elorrio (Platz). 8. Straße von S. Sebaſtian nach Hernani. Ausgangspunkt . Ventas de Oriamendi Hernani (Eingang) 4 Vereinigungspunkt mit der ER nach Irun } 5 31,00 472,85 96,04 103,13 Die dritte Tabelle enthält die Reſultate der in den Gebirgen und an der Küſte angeſtellten barometriſchen Beobachtungen, im Ganzen 132 Höhebeſtim⸗ mungen! Die wichtigſten ſind folgende: 1. Hauptfette. Fuß abſ. H. Monte de Huici 2981,95 Puerto de Aspiroz 2035,17 Monte de Albeaſu . 2151,01 Alto de Srumugarrieta (höchſter Punkt des Aralar). 5282,25 Alto de Eleumus . 5180,25 Fuß abf. H. Monte Achu 5 3415,16 Puerto de Idiazabal . 2330,29 Telegraph von Echegärate . . 2705,29 Monte Echegärate . . 2741.92 Venta de S. Adrian. 3731,93 Monte Araz 5196,47 Criſto de Aizcorri By . 5511,01 Monte Artia ; . 4122,58 ) Dieſe Meſſung ſcheint ſich blos auf die Kapelle zu beziehen, nicht auf den daneben (Junto al S. Criſto) befindlichen Pie, den höchſten Gipfel des Aizcorri, den der Verf. auf 6000 ſchaͤtzt (alſo nicht gemeſſen hat). Dies dürfte den oben berührten ſcheinbaren Widerſpruch, welcher aus den Höhenangaben des Aizeorri- und M. Recacho: x Fuß abſ. H. Monte Arurdin. 3628,00 Galbagarrain. 3342,42 Jarindo . 3073,74 Pena de Amboto . . 4883,74 Puerto de Burbiäzcruci . 2468,44 Hermita de S. Antonio (S. de Urqucola) „ „ 258299 Monte Gorbea. 5520,39 2. Nebenketten zwiſchen Lezo, Urumea und Oris. Monte Achuandi zw. ae und Urumeaa 1100,00 Monte Buruntza 1828,06 5 Adarra . . 2419,43 „Benavita 1798,07 = Uzturre . 2652,44 „Gaztelaech. 2707,70 =. Bagota . . 2921,55 = Aloſta . 3154,87 Otzavidio 2936,97 Pico de Naunarri. 5077,75 Monte Ureuola 1535,46 Aranzazumendi . 2786,10 = Marinamendi . . 2926,67 = de ©. Barbara . 2621,22 Gorriti eech. 2310,17 Aspiroz = . 1746,32 Albeafu = . 1906,72 Drendain = . 1400,84 Alzaga z . 1044,03 Dlaverria = 781,84 Segura = ne 868, 62 4 3. Nebenketten cen O ria ö und Urola. Monte Belcoain . 1808,56 Cruz de Hernio. . 3818,41 Monte Aldaba üb. Alegria 2038,68 Pico de Murumendi . . 3193,03 Monte Sfaspi . . . 3474,58 »Trapalata 2285,35 Memoria sobre los nivelaciones barometricas. 75 Fuß abſ. H. Monte Aicealecoa. 2930,37 Mutilooan . 1571,84 Scravitla euer) 212,43 Aduna 777,42 Cizuͤrquil 5 415,32 Aldaba 2 . 1889,94 Shafo = . 1658,53 Gaviria - „ 587757 Mutiloa ** 8 877,56 4. Nebenketten N Urola und Deva. Monte Satui . . 3118,25 = Irimo . 3208,27 Peflas de Alona . . 4653,79 = = Ürrejola 2:1] Brlı) Pico de Andarto (in der ©. de Elguea) . 3825,34 Peſias de Aritzorroz od. Zaraya in demſelben Gebirge. 4108,20 Monte de Curchichiqui 1563,76 5. Nebenketten zwiſchen Deva und Campanzar. Monte Azeonavieta 2604,90 Igntzorta 1662,53 Puerto de Campanzar 1646,35 Pena de Udalah . . 3880,59 Monte Murugain . . 2764,49 „S. Adrian . 2829,56 6. Küſtengebirge. Bateria del Almirante auf dem Jaizquibel 740,00 Monte Ulia. 720,00 = Orgullo . 485,00 Isla de S. Clara 174,00 Monte de 50 (ehemaliger Leuchtthurſm) 662,00 Monte de Sguele (Höcher Punkt) d 1142,00 Igueldo (Dorf) 2,49 Möchten recht bald in andern Gebirgsgegenden Spaniens ebenſo gründ— liche und vollſtändige Nivellationen und orographiſche Unterſuchungen ange— { ſtellt werden! M. Willkomm. . mit der Behauptung des Verf., daß erſtes der höchſte 2g fel des Baskenlandes ſei, erklären. N Brieffiche MittHeilungen. Die Oaſe Jezd und die neueſten Zuſtände der in ihr lebenden Parſi. Oſtſüdöſtlich von Ispahan und an dem weſtlichen Rande der ungeheuren hohen Salzwüſte Perſiens liegt unter dem 32° 14’ nördl. Br. nach des fran⸗ zoͤſiſchen Capitains und ſpäteren Generals Trezel Beobachtungen und ſelbſt ringsum von Wüſten umgeben die merkwürdige Oaſe von Jezd, deren Name ſchon im Alterthum in dem des durch Ptolemäus in dieſe Gegenden verſetzten Volks der Isatichae vorkommt und die durch ihre Lage ſtets ein guter Raſtort für die zwiſchen Kerman, Herat, Meſched und Ispahan gehenden Karavanen geweſen iſt. Hier verſammeln ſich die Handelsleute von Schiraz, Kaſchan, Teheran, Herat und Ispahan, und durch dieſe Oaſe gehen zugleich die Waaren Indiens, Kabuls, Kaſchmirs, Bocharas gegen Weſten. Iſt nun die Oaſe dadurch und durch die Induſtrie ihrer Bewohner ein wichtiger Punkt für die Handelsver⸗ hältniſſe eines großen Theils von Weſt-Aſien geworden, ſo hat ſich dieſelbe ſeit Jahrhunderten noch eine andere hohe Bedeutung in den Augen der Hiſto— riker, Geographen und Ethnographen erworben, indem hier ſich vorzugsweiſe die Reſte der uralten Bevölkerung Perſiens mit ihrem Feuer- und Lichtdienſt erhalten haben, weil dieſen die von jeder Militairſtraße, jedem Eroberungs⸗ zuge entfernte und im Verhältniß zu Kandahar, Kabul, Balk, Herat und an⸗ deren Punkten geſchützte Lage der Oaſe eines der ſicherſten Aſyle gewährte. Aber eben dieſe Beſchaffenheit der Lage war es, welche die Kenntniß von Jezd und der neueren Zuſtände ihrer Parſi-Bevölkerung dem Forſchungseifer der neueren europäiſchen Reiſenden entzog, ſo daß nur der britiſche Capitain Chriſtie und der franzöſiſche Reiſende Dupré darüber aus eigener Anſchauung zu berichten vermochten. Die Nachrichten der beiden genannten Reiſenden und diejenigen, welche Andere, wie M. Kinneir, Trezel und W. Ouſeley aus den Be— richten der muhamedaniſchen Eingeborenen und auch von Parſi über Jezd einzu= ſammeln vermochten, hat Herr C. Ritter in ſeiner Erdkunde Bd. VII, S. 265 — 286 vollſtändig zuſammengeſtellt. In den letzten 30 Jahren floſſen die Quellen zu der Kunde Oſt-Perſiens fpärlicher, und fo mußte ſchon Hr. Ritter im Jahre 1842 das Geſtändniß ablegen, daß der neuere Zuſtand von Jezd wenig bekannt ſei. Um ſo erfreulicher iſt, daß es Herrn Profeſſor J. H. Petermann, dem unſere Zeitſchrift ſchon die intereſſante Mittheilung über die Johannesjünger (Mandäer) in Syrien verdankte (Bd. III, 220 — 223), im verfloſſenen Jahre gelungen war, die Oaſe zu erreichen und über die neues ſten Zuſtände derſelben, ſowie über die der dort lebenden Parſt Kenntniß zu geben. Wir verdanken Herrn Petermann's intereſſanten, im Nachſtehenden 0 Die Oaſe Jezd und die neueſten Zuſtände der dortigen Parſi. 77 folgenden Bericht der gütigen Mittheilung des Herrn C. Ritter, der ihn brief— lichen Nachrichten des Reiſenden an ſeine Familie entlehnte. Gumprecht. 5 1) Reiſe nach Jezd und Aufenthalt daſelbſt. „Am 21. Juli (1854) hatten wir nach achttägiger Reiſe zu Pferde von Perſepolis immer gegen Nordoſt den längſten Marſch, 14 Farſang, wie unſer Mucker (Pferdetreiber) uns vorhergeſagt, vor uns. Wir kamen erſt eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang, 74 Uhr Abends, fort. Die Nacht war anfangs ſchwül, erſt gegen Morgen wurde es etwas friſcher. Wir ritten ſtets in oͤſtlicher Richtung durch die waſſerloſe Wüſte, kamen um 9 Uhr an einer verfallenen Karawanſerei vorbei, wo wir nur kurze Zeit lagerten, ritten dann in der nur durch Sterne erleuchteten Nacht weiter und hielten, da uns Mattig— keit dazu nöthigte, abermals an und ſchliefen kurze Zeit. Die Karawane war mittlerweile weiter gezogen, kein Führer für uns zurückgeblieben, und ſo ritten wir auf's Gerathewohl nach und erreichten ſie glücklich bei Anbruch des Tages. Die ganze Nacht war kein Waſſer zu ſehen, weshalb dieſer Marſch ſo ſtark iſt. Dagegen fanden wir viele Salzſpuren auf der Erdoberfläche vor “). End⸗ lich nach Sonnenaufgang, nachdem wir bei einem alten Khan vorbeigekommen waren, ſahen wir in der Ferne Bäume und Waſſerſtreifen, und gelangten um 12 Uhr (d. i. 7 Uhr Morgens), alſo nach 114 Stunden glücklichen Rittes, in das Dorf ODchſchire, hinter welchem wir bei einem verfallenen Khane uns ſere Zelte aufſchlugen. d Hier war Waſſer zwar nicht im Ueberfluß, doch gerade genügend. Wei— zen und Gerſte waren hier ſchon theilweiſe (mit der Sichel) geſchnitten. Kleine grüne, ſcheinbar unreife Melonen wurden uns zum Kaufe angeboten; hier waren viele Bäume, meiſt Weiden, keine Fruchtbäume darunter. Sonnabend den 22. Juli ritten wir um 2 Uhr Morgens aus; erſt zwei tunden in der Ebene fort, dann über einen zwar nicht ſteilen, aber wegen der glatten großen Steine ſehr beſchwerlichen Felspfad. Auf einem Plateau ag das Salz ganz dicht zu Tage. Der Felſen war theils Schiefer, theils Eiſenſtein mit rother Erde. Nach 5 Stunden, alſo um 7 Uhr Morgens, kamen wir an das ganz on Felſen eingeſchloſſene, gut bewäſſerte, mit vielen Weiden, Pappeln, Nuß⸗ anderen Bäumen beſetzte Dorf Alyabad, bis zu welchem eine Deputation on Parſen unſeren Reiſegefährten von Tafft aus entgegenkam. In Alyabad gen wir unſere Zelte auf einem von Bäumen umſchatteten Platze auf. Sonntag den 23. Juli ritten wir von da das Thal entlang, welches icht viel weiter wurde und an beiden Seiten von ziemlich ſchroffen, kahlen ) Die Ebenheit und Salzfülle des Bodens, ſowie die Waſſerloſigleit erweiſen, fenen Terrain um Jezd ſchon den Charakter der großen perſiſchen Salzwüſte von ſtan an ſich trägt und eigentlich ſelbſt eine Oaſe iſt. G. 78 Briefliche Mittheilungen: Felſen umſchloſſen war, die auch kleine Seitenthäler und Schluchten bilden, durch einige trockene Strombetten, kleine Bäche und Canäle, und kamen nach 5 Stunden zu dem großen ſchönen Dorfe Choräfcha, oder Feräſcha, wie die Leute ſagten, daß es in Tafft genannt werde. Kurz hinter demſelben kam eine neue Deputation von Parſi's und einige Tauſend Schritt weiter wieder mehrere, ſo daß es im Ganzen etwa 20 Perſonen auf Eſeln und Mauleſeln waren; nur einer, der Kethuda, der Vorſänger im Rathe der Zwölf von ſaͤmmt⸗ lichen Parſt's in Perſien, war zu Pferde. Bei einer Mühle ſtiegen wir ab, legten uns auf Teppiche hin, welche die Parſis nebſt Gurken, Melonen und Wein mitgebracht hatten, aßen und tranken, wobei wir bemerkten, daß ſie die Becher ſtets mit einem Tuche, nie mit der bloßen Hand, nahmen. Dann ritten wir in corpore nach Tafft weiter, trafen unterwegs noch manche Barft zu Fuß, die Manekdſchi, meinen Parſi-Reiſegefährten aus In- dien, der von ſeinen Glaubensverwandten zu Bombay abgeſandt war, um die noch exiſtirenden Reſte der Parſi zu Jezd aufzuſuchen und darüber zu be— richten, begrüßten, und gelangten in zwei Stunden nach der bedeutenden Stadt Tafft 1), wo wir neben Manekdſchi das Haus eines mit Gewalt muha⸗ medaniſirten Parſi zu unſerer Dispoſition erhielten. Es war ſehr heiß. Me- lonen, Wein, Granaten, Maulbeerbäume u. ſ. w. wuchſen in und außerhalb der Stadt in Gärten 2). Montag den 24. Juli (2 Jahre nach meinem Eintritte in Damaskus), kamen wir endlich nach Jezd, ohne Zweifel die öſtlichſte Stadt, welche ich be— ſuchen werde, denn von nun an wenden wir uns wieder weſtlich nach dem 7 Tagemärſche von hier entfernten Ispahan 3). N Um 2 Uhr Morgens ritten wir aus Tafft in gerader öſtlicher Richtung, bis etwa 2 Stunden vor Jezd, der Felſenkette links zur Seite, die 1 Stunde weiterhin auch auf der rechten Seite aufhörte. Der Weg zeigte ſich ſehr ſteinig, und namentlich war die ganze große Fläche vor Jezd ſo voll von Steinen, als ob fie ein ausgetrocknetes Steinbette ſei. Der Morgen war heiß und die Vegetation gleich Null, nur Gärten gab es, wie in Tafft, und eben ſo weit vor Jezd. Feigen und Granatenbäume hatten hier, wie in Tafft, von der Kälte des letzten Winters ſehr gelitten, viele Bäume waren erfroren. Einige Stunden vor Jezd kam auch der Deſtur Mobed, der Oberprieſter der Parſt, unſerem Reiſegefährten entgegen. Seine Kleidung war durchaus nicht ver— ſchieden von der aller Andern; ſie beſtand in einem ſchöngelben Turban und ) Da Tafteh ein perſiſches Wort für ein Seidenzeug zu Mannskleidern it und dieſes dem von uns Taft genannten Seidenzeuge entſpricht, endlich die Weber des be- nachbarten Jezd berühmt durch ihre Seidenwaaren find, fo iſt mit Sicherheit anzuneh— men, daß das Wort Taft von dem Namen des Ortes abftammt. G. b ) Dieſelben Gewaͤchſe find auch der Vegetation in den meiſten nordafrikani⸗ ſchen Oaſen eigen. G. 3) Die früheren Berichterſtatter ſetzten die Entfernung Jezds von Iſpahan zu 117 engl. oder 35 — 36 geogr. Meilen an. Ritter VIII, 266. G. Die Oaſe Jezd und die neueſten Zuſtände der dortigen Parſi. 79 einem Rocke von gleicher Farbe. In 4 Stunden ſtarken Rittes gelangten wir nach dieſer Hauptſtadt einer bedeutenden Provinz und dem Hauptplatz der perſiſchen Parſt, und fanden bei einem wohlhabenden Parſt ein Quartier. u Mein Reiſegefährte, der vornehme Parſt, heißt Manekdſchi Limdſchi Ha— darja. In dieſem Namen iſt Manek Rubin der Vorname, Limdſchi der Name des Vaters, Hadarja der Familienname, den viele, aber nicht alle Gue— bern noch daneben führen; endlich heißt dſchi, was jedem Namen beigefügt wird, in der Guzarate-Sprache fo viel, als „Herr“. Manekdſchi's 16 jähri- ger Sohn, der ihn begleitete und auch ſchon verheirathet iſt, heißt deshalb Ormuzdſchi, fein Koch Sapurdſchi, fein aus Jezd gebürtiger Seeretair und Dolmetſcher Kai Chosru; auch hatte Manekdſchi einen Mobed oder Prie— ſter in ſeiner Begleitung. Unſer Wirth in Jezd, ein vornehmer Gueber, nennt ſich Schirmerd (Löwenmann). Die Zahl der in Jezd wohnenden Parſen ſoll an 1200 Männer betra= gen !), welche jährlich an 4000 Thaler Steuern zahlen müfjen; in ganz Perſien giebt es mehr, als 3000 Parſt-Familien 2). Die Guebern von Adſerbeidſchan betrachtet Manekdſchi nicht als ſeine Glaubensgenoſſen, ſondern nur als eine ketzeriſche Secte, deren heiliges Feuer aus 72 — 75 Arten von Feuern bereitet werde, worunter auch das einer verbrannten Wittwe und eines verbrannten Hundes ſei. Das allein reine Feuer von Jezd bereite man ſo, daß 12 Löcher neben einander in die Erde gegraben werden; in jedes derſel— ben ſtecke man ein Stück koſtbares Holz, und das erſte zünde man mit einem Brennglas an. Dieſes Feuer verbreite ſich bis zu dem Holze im zwölften Loche und gebe dann das heilige Feuer. Die Parſen von Jezd dürfen das Feuer nicht anblaſen, da der menſchliche Hauch daſſelbe verunreinige. Des- halb dürfen fie auch nicht Tabak rauchen! Nur in Jezd, Tafft und in eini— gen umliegenden Ortſchaften in Kerman und in Teheran wohnen noch Par— ſi's, aber nur wenige derſelben. In Tafft ſah ich einige Betende; ſie wendeten ſich dabei nach der Sonne (es war gegen Sonnenuntergang) und legten ihre weißen Gürtel ab, die ſie nach dem Schluſſe des Gebets wieder umgürteten. Leider behaupteten ſie, gar keine alten und nur wenig neuere Bücher zu haben. Trotz aller Mühe konnte ich keines zu Geſicht bekommen 3). Der Seeretair ) Dupre rechnete in den J. 1807 — 1809 eine noch geringere Zahl, nämlich nur 4000 Guebern. Ritter a. a. O. 267. G. ) Dupre berechnete dagegen die in den 15 um die Stadt gelegenen Orten le⸗ G. benden Parſen allein noch auf 8000 Köpfe. Ritter 267. ) Noch im 10. Jahrhundert unſerer Zeitrechnung waren die Guebern in Bars nach der Geographie von El Iſtachri im Beſitze ihrer heiligen Bücher (Orien- tal Geography by Ebn Haukal ed. by W. Ouseley 114, 116); ja ſogar noch im Jahre 1722 beſaß ein ſehr gelehrter Parſi zu Jezd Ruſtam nach Angabe eines muha- medaniſchen Gelehrten von Iſpahan Muhammed Ali Hazar mehrere Werke über die Religion der Parſi und über Philoſophie, die Ali Hazar ſelbſt bei Ruſtam geſehen hatte. Dieſe und andere Umftände veranlaßten W. Ouſeley im Jahre 1819 es fait „ 2 Fee e u er 80 Briefliche Mittheilungen: unſeres Reiſegefährten verſprach jedoch nachzuſehen, ob er mir nicht eines oder mehrere ihrer Zendbücher verſchaffen könnte, die er nach Bagdad bringen will. Da Viele von ihnen Namen ihrer alten Könige führen, ſo kündigen fie damit den Muhamedanern an, daß fie die eigentlichen und urſprünglichen Beſitzer des Landes ſind und daſſelbe wieder zu haben wünſchen. Dies er— regt den Fanatismus der ohnehin fanatiſchen Moslems, und bei jedem Königs- wechſel, wo das Land eine Zeit lang ohne Oberhaupt iſt, fallen dieſe über ſie her, mißhandeln, tödten wohl auch und berauben die armen Parſi's und nehmen ihnen namentlich (wie ſie ſagten) ihre Bücher weg, ſo daß ihnen nichts übrig bleibt, wahrſcheinlich um das Gedächtniß an ihre Vorfahren bei ihnen zu verwiſchen. Ein Bruder unſeres Wirths war bei dem letzten Thronwechſel auf dieſe Weiſe umgekommen. Wir konnten uns auch ſelbſt von der Unter- würfigkeit der Parſi's überzeugen. Oft kamen Muhamedaner, um uns gleich— ſam als Wunderthiere zu ſehen, da Fremde überaus ſelten in dieſe Gegenden eindringen. Unſer Parſiwirth verhinderte ſie nicht nur nicht, ſondern nahm ſie auf das Freundlichſte auf und ließ ihnen Pfeifen reichen. Die Parſen wiſſen nicht mehr, wie ihre Altvordern ihre Todten begra— ben haben, weshalb unſer Reiſegefährte den Auftrag hatte, die Gräber von Nakſchi Rufem genau zu unterſuchen. Jetzt begraben ſie die Leichen nicht mehr, ſondern haben für dieſelben außerhalb ihrer Wohnorte hohe Thürme mit einer Treppe von außen erbaut. Oben iſt ein Gitter und zugleich ſind auf zwei Seiten Rinnen, wodurch der Regen abläuft. Die Mitte iſt leer und hohl, ein Loch, welches bis auf den Grund geht. Zunächſt derſelben ſind rund herum Stellagen oder Lagerſtätten für die Leichen der Kinder, dann eine Abtheilung für die der Frauen und zuletzt eine für die der Männer. In alter, weißer Kleidung werden die Leichen von 8 bis 24 Männern, je nachdem der Verſtorbene reich oder angeſehen oder arm war, abwechſelnd da— hin getragen. Auch Geiſtliche folgen, und zwar paarweiſe von 2 bis 30, je nach dem Reichthum. Eine Thüre des Thurmes iſt von außen verſchloſſen, kann aber von innen, falls Einer wieder aufleben ſollte, geöffnet werden; ſie führt auf den nicht ſehr hohen Thurm, der oben 80 Fuß im Durchmeſſer hat. Wenn alle Bretter mit Leichen belegt ſind (man fängt von der Weſtſeite an), ſo werden die Gebeine in das Mittelloch geworfen, wohin auch der Regen von allen Seiten abläuft, und die Bretter werden auf's Neue gebraucht. Dies geſchieht von den zwei Trägern, die übrigen Begleiter ſtehen auf einem be— als gewiß anzuſehen, daß ein einſichtsvoller europäiſcher Reiſender, der die Haupt— ſitze der noch beſtehenden Gueber-Gemeinden in Perſien bereiſen würde und ſich das Vertrauen ihrer Vorſteher zu erwerben im Stande wäre, einen reichlichen Lohn für ſeine Mühe und Forſchung durch Auffindung von Denkmälern und Schriſten erhalten dürfte. Ouſeley's Unterredungen mit einem Parſi hatten ihn ſehr begierig gemacht, dieſe literariſchen Schätze zu heben (W. Ouseley, Travels in various countries of the East. III, 359), woran ihn jedoch ſeine perſönliche Stellung, wie er ſagte, 1 Die Oaſe Jezd und die neueſten Zuſtände der dortigen Parſi. 81 ſonderen Platze. Iſt das Mittelloch ganz angefüllt, fo wird, wie jetzt in Jezd geſchieht, ein neuer Todtenthurm gebaut. 0 Vielweiberei haben ſie nicht, daher auch keinen Harem! Wenn ein Parſi mannbar wird, ſo erhält er einen härenen Gürtel, der nach der Verſicherung der Jezder Juden von Hundshaaren ſein ſoll. Die Prieſter ſollen nichts eſſen bürfen, was ſie nicht ſelbſt geſchlachtet und vorbereitet haben. Die Prieſter der unterſten Klaſſe heißen Mobed's, über ihnen ſtehen die Deſtur Mobed's, und über dieſen wieder die Deſturan Deſtur. Der Jezder Oberprieſter hat 12 Deſturs unter ſich; außer ihm befindet ſich in Bombay noch ein anderer Deſturan Deſtur für die dortigen Parſi. Unter den Saſſaniden hatten die Parſi einen alleroberſten Prieſter, unter welchem alle Anderen ſtanden. Die— ſer hieß nach Manekdſchi's Behauptung Schahſchan (vielleicht Schahi Schahan, König der Könige), woher der Name Saſſan, bekanntlich der der Saſſaniden— Dynaſtie, kommen ſoll, und er hatte denſelben Namen, wie der jedesmalige König, der ſich feinen Geſandten nannte und unter ihm ſtand. Nach Manekdſchi's Verſicherung giebt es in Indien keine Secten unter den dortigen Guebern. Der einzige Unterſchied zwiſchen den indiſchen und per- ſiſchen Guebern ſoll der ſein, daß die letzten um einen Monat weiter in ihrer Zeitberechnung ſind. Die Guebern rechnen das Sonnenjahr zu 365 Tagen und legen nach je 120 Jahren einen Monat zu, was die indiſchen einmal * > unterlaffen haben follen. Jeder Tag, jeder Monat hat feinen beſonderen Na- men; eine Wocheneintheilung kennen ſie nicht. Seit einigen hundert Jahren haben ſich die perſiſchen Parft einen beſon— deren Volksdialect aus der perſiſchen Sprache gebildet, welchen die Moslems nicht verſtehen. Dies iſt die Deri-Sprache, in derſelben wird die Pehlvi— ö Sprache das Huswäreſch genannt 1). Da fie ſich fo ſehr vor den Muhamedanern fürchten, jo haben fie in Perſien keine allgemeinen Ateſchgahs (Feueraltäre), ſondern jeder Hausvater hat in feinem Haufe einen kleinen der Art, vor dem er feinen Gottes dienſt verrichtet 2). Sie halten dieſelben aber ſehr geheim, ſo daß wir nie einen Ateſchgah ſehen oder einem Gottesdienſte beiwohnen konnten. Es iſt ſehr übel, daß jetzt Jezd zugleich unter dem Gouverneur von Kermän ſteht; Kermän, als Hauptſtadt der Provinz, iſt auch feine Reſidenz. In Jezd hat er feinen Sohn, einen 9 jährigen Jungen, zum Statthalter ein— geſetzt, der wieder einen Stellvertreter hat. Da nun Jezd ganz außer aller Verbindung mit der Hauptſtraße Perſiens iſt, ſo iſt es kein Wunder, daß die moslemiſche Bevölkerung ſich Vieles herausnimmt und nur geringe Furcht vor ) Noch im 10. Jahrhundert hatten die perſiſchen Guebern in Fars neben dem Parſi das Pahlavi (Pehlvi) als gewöhnliche Schriftſprache ihres Adels und ihrer Prieſter in Gebrauch. Ouſeley III, 357. G. L ) Dufeley hörte im Beginne diefes Jahrhunderts, daß den Parſi von Jezd vom Gouvernement der Gebrauch von 4 Ateſchgah's geftattet ſei. Ritter VIII, 75 Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 6 82 Briefliche Mittheilungen: ihrem Gewalthaber hat, dem auch nur wenig Leute, als ſeine Diener, zu Ge— bote ſtehen. Kein Parſt darf ſich unterſtehen, auf dem Markte ſich hinzu— ſetzen, und auch in ihren eigenen Häuſern ſetzen ſie ſich erſt, wenn die anwe— ſenden Muhamedaner ihnen die Erlaubniß dazu gegeben haben. Gleich ihnen und vielleicht noch mehr als ſie, werden die Juden in Jezd bedrückt. Die Juden leben überhaupt in ganz Perſien unter ſtarkem Druck, aber vielleicht nirgends ſo ſehr, als in Jezd. Einige von ihnen tragen einen weißen Turban, aber Alle müſſen auf ihrer Bruſt als Abzeichen ein rundes Stückchen Zeug, weiß mit rothem Kreiſe, aufgenäht tragen. Dies hat etwa die Größe eines Viergro— ſchenſtücks. Sie ſind ſämmtlich Weber; auch ſie klagen darüber, daß bei je— dem Thronwechſel eine allgemeine Plünderung der Raja's, d. i. der nichtmos⸗ lemiſchen Unterthanen ſtattfindet. Wir ſelbſt hatten Gelegenheit, uns von der Unbändigkeit der Jezder Moslems gegen die Fremden zu überzeugen, denn als wir, um die großen und ſchöngewölbten Bazars einmal zu beſehen, eines Tages dahin gingen, ſammelte ſich bald ein großer Haufen alter und junger Leute um uns her, der immer mehr wuchs und den Weg verſperrte, ſo daß wir nur mit Mühe noch durchkommen konnten. Unſere beiden Diener, der eine ein Muhamedaner, der andere ein Jude, der ſich aber auch für einen Moslem ausgab, ſuchten erſt durch friedliches Zureden, dann mit ihrer Peitſche das Volk zurückzutreiben, wurden aber dafür tüchtig durchgeprügelt. Eine Wache in der Nähe ſagte ihnen, ſie ſollten ſich ſelbſt helfen, während der Gouver— neur, den man um Hilfe anſprechen wollte, ſchlief. Wir flüchteten in das Haus eines jüdiſchen Rabbiners und ließen uns von dem Kethuda, dem Vorſteher der Guebern, 2 Mann zur Escorte bringen. Mein breitkrämpiger weißer Hut, iſt es beſonders, was den Orientalen, zumal in Gegenden, wohin nur wenig Fremde kommen, auffiel. Ein Said (Nachkomme des Prophe— ten Aly) ſagte uns, das Volk glaube, wir Franken trügen ſolche Schirme an unſeren Hüten, um nicht in den Himmel zu ſehen, wohin wir ja doch nicht kommen könnten, denn einem Chriſten ſei derſelbe, wie jedem Nichtmoslem, verſchloſſen. Natürlich hatten wir kein großes Verlangen, weitere Beſuche und Spa— ziergänge in der Stadt zu machen, die überhaupt wenig Sehenswerthes dar⸗ bietet. Das einzige uns hier Auffallende waren kleine thurmartige Auf— ſätze, die an allen vier Seiten Löcher nach unten hatten, und Budgi's d. h. „Windfänge“ genannt werden, weil ſie dazu dienen, den Wind nach den un- teren Gemächern zur Abkühlung zu leiten. Die ganze Stadt iſt mit einer Lehmmauer umgeben, hat einen bedeutenden Umfang und ſoll nach der Be— hauptung eines moslemiſchen Mollah (Gelehrten) 100,000 Einwohner zählen, was offenbar übertrieben ift !). Viele Häuſer lagen hier, wie in allen per- ſiſchen Städten, in Ruinen. 9) Fraſer gab in Uebereinſtimmung mit Capt. Chriſtie 50,000 Einwohner für die Stadt Jezd an. G. * Die Oaſe Jezd und die neueſten Zuſtände der dortigen Parſt. 88 Kurz nach unſerer Ankunft ſchickten wir unſer Empfehlungsſchreiben an den Stellvertreter des Stellvertreters des Gouverneurs, der uns den Freitag zu ſehen wünſchte. Als wir an dieſem Tage zu ihm ſchickten und ihn fragen ließen, ob ihm unſer Beſuch genehm wäre, ließ er uns ſagen, er wünſche uns lieber den Sonnabend zu ſehen, da Freitag ihr Feiertag ſei. Wir ließen uns dies gefallen und ſchickten am Sonnabend abermals zu ihm, worauf wir den Beſcheid erhielten, er ſei nicht dazu aufgelegt und wünſche vielmehr den fol— genden Sonntag unſeren Beſuch. Das war uns außer allem Spaß; wir ließen Manekdſchi allein zu ihm gehen und ihm ſagen, daß dies unſer Feier tag ſei, und wir daher nicht kommen könnten. Unſere Ankunft in Jezd mußte ſich, wie ein Lauffeuer, verbreitet ha— ben, denn ſchon am nächſtfolgenden Morgen ganz früh kam ein Rabbiner mit mehreren anderen Juden, um meinen Reiſegefährten, Mr. Brühl, einen engliſchen Miſſionar, zu beſuchen, und kurz darauf ließen neun Hindu— Kaufleute aus Sind, und zwar aus Schifarpür am Indus, das erſt ſeit 5 Jahren unter engliſche Botmäßigkeit gekommen war, uns fragen, ob ſie uns ihre Aufwartung machen dürften. Sie ſandten einen Diener mit gro— ßen Präſentirtellern voll Kandis uns zum Geſchenk voran, und traten kurz darauf ſelbſt ein. Alle waren grün gekleidet und trugen die hohe perſiſche Pelzmütze, Gulah genannt. Sie waren ſämmtlich auf der Mitte der Stirn gezeichnet. Die meiſten hatten das Zeichen Q, der eine, der Vorſitzende der— ſelben, ein anderes (8), wovon der obere Theil weiß war; einer oder zwei hatten auch das Zeichen (8) gelb. Sie boten uns ihre Dienſte und ſo— gar Geld an, ſo viel wir deſſen bedürften, ein Zeichen, wie gut der engliſche Name bei ihnen angeſchrieben ſein mußte, denn ſie hielten uns für Englän— der 1). Sie waren nur gekommen, hier ihre indiſchen Waaren zu verkaufen. ö } Da wir jedoch bald einſahen, daß ein langer Aufenthalt in Jezd uns Beiden nicht von großem Nutzen ſein würde, ſo wünſchten wir nach wenigen Tagen weiter zu reiſen. Allein Mr. Brühl's Bedienter hielt uns von einem ö Tage zum andern hin; der Grund war, weil er ſich auf kurze Zeit verhei— rathen wollte, was dort oft geſchieht. Fremde Moslems thun das in Jezd ; oft, und Frauen und Mädchen gehen zu einem Mollah, bei dem fie ſich ein— ſchreiben laſſen. Dieſer macht dann den ſchriftlichen Contract und ſtipulirt den Kaufpreis. Mahmuds, des Dieners, Wunſch ſcheiterte daran, daß kein Frauenzimmer ſich auf kürzere Zeit, als einen Monat, mit ihm verheirathen wollte. Er mußte ſich endlich doch dazu bequemen, uns Mucker und Pferde für Iſpahan zu ſchaffen. Da ſie, wie er verſicherte, die einzigen in Jezd gerade anweſenden waren, ſo verlangten ſie mehr Lohn, als gewöhnlich. Nach vielem 9) Dieſe Angaben ſtimmen ſehr wohl mit den in dieſer Zeitſchrift Bd. IV, S. 477 mitgetheilten über die Autorität überein, die ſich die Engländer in ſo kurzer Zeit bei den Eingeborenen der neu acquirirten Provinzen am Indus e 6 * 84 Briefliche Mittheilungen: Hin- und Herreden verſprachen wir ihnen endlich für ein Maulthier bis Iſpa— han (7 Tagereiſen) 90 Kaan, etwa 10 Thaler. Da fie den folgenden Mor— gen aber, wie verabredet war, nicht kamen, Alles zurecht zu machen, ſo ſchick— ten wir zu ihnen. Sie gaben uns zur Antwort, ſie wollten nun gar nicht nach Iſpahan gehen, da ſie aus Schiraz wären; dies geſchah, um noch mehr Geld von uns zu erpreſſen. Wir ließen ſie zu uns kommen und drohten, ſie durchzuprügeln und in das Gefängniß werfen zu laſſen, worauf ſie endlich nachgaben. - Unſer Wirth drückte wiederholentlich fein großes Bedauern aus, daß wir ihn ſchon wieder verlaſſen wollten. Er ſagte, ſeit unſerer Ankunft ſei es hell in ſeinem Hauſe geworden, nun aber werde wieder Finſterniß in demſelben eintreten. Am Tage unſerer Abreiſe waren wir noch von Hrn. Manekdſchi zum Mittageſſen eingeladen worden, wobei es viele Gerichte gab, und wir genöthigt wurden, dem Jezder Weine ſtark zuzuſprechen, der aber nicht beſonders gut iſt und zumal einen Nachgeſchmack nach Juchten hat. Manekdſchi's Sohn, fein Secretair und der Kethuda, den man zuvor einmal mit Gewalt zum Moslem gemacht hatte, worauf er in Dſchulfa (Iſpahan) in eine armeniſche Kirche geflohen war und ſich von da aus von dem König einen Firman, daß er wieder zu ſeinem Glauben zurückkehren dürfe, verſchafft hatte, aßen am zweiten Tiſche. Sie genoſſen kein Fleiſch, tranken aber Wein und faßten die Gläſer ohne Tuch an, weil ſie ſich vorher gewaſchen hatten. Hier, wie in Iſpahan und andern Orten, müffen die Felder alle 10 Tage bewäſſert werden, was aber in Jezd, wo es Canäle giebt, weit leichter, als in Iſpahan iſt, wo die Gärten aus einem tiefen Brunnen geſpeiſt werden, aus welchem man das Waſſer mit Büffeln herausholt. Unterbleibt dies ein— mal, ſo gehen Feld- und Gartenfrüchte zu Grunde. Regen giebt es auch hier, wie in Iſpahan, das ganze Jahr nicht. Jedoch hatten wir einmal zu Jezd in der Nacht kurze Regenſchauer, die uns faſt von unſerem Lager auf dem Dache herunter getrieben hätten. 2) Reiſe von Jezd nach Iſpahan (vom 5. Auguſt 1854). Erſt 3 Stunden nach Sonnenuntergang kamen wir fort und hatten ziem- lich eine ganze Stunde durch die Stadt zu reiten; wir gelangten dann in die große ſtaubige Ebene, die in weiter Ferne zur linken Seite von kahlen Felſen umgeben war, ſo daß alſo auch die Felſenkette zur Rechten nicht, wie ich früher glaubte, aufhörte, ſondern ſich nur weiter zurückgezogen hatte und Jezd umſchloß, Lange ritten wir durch eine troſtloſe Wüſte ohne alle Vegetation; ſelbſt kein Grashälmchen, kein Dornenſtrauch war zu ſehen. Nach 21 Stunden erreichten wir ein langes halbverfallenes Dorf mit Waſſer und Bäumen, Mä- medabad (fo ſpricht man hier für Muhamedabad) und eine Stunde fpäter — KY— Reife von Jezd nach Iſpahan. 85 ritten wir theils vorbei, theils durch ein eben ſolches theilweiſe verfallenes Dorf, welches unſer Mucker Eſchkdſer (Eskider?) nannte. 3 Stunden darauf gelangten wir an das Dorf Hymnudabad (2), welches links von der Straße lag und mit Bäumen und Anpflanzungen von Baumwolle und Rieinus ver— ſehen war. Eine halbe Stunde ſpäter kamen wir nach Eſſabad, wo wir bei dem Gottesacker hinter dem Dorfe unſer Zelt aufſchlugen. In und außerhalb des Dorfes war ein Khan, in dem wir aber nicht bleiben wollten; uns ſüd— weſtlich gegenüber lag ein anderes Dorf, Sad'rabad, etwa + Stunde entfernt. Der Tag war ſehr heiß, aber das dortige Waſſer vortrefflich. Einen großen Theil des Tages brachten wir in dem Leichenhauſe zu, wo es ſchattig und fühl war, und ſich Viele um uns verſammelten. In dem hinteren Theile des Leichenhauſes befanden ſich drei hohe Stufen an der Wand, auf denen wahr— ſcheinlich der Iman ſteht, um über der Leiche zu beten. Rechts und links waren zwei Gemächer, deren jedes ein Grab enthielt. Gegen Abend kamen viele Frauen, uns um Arzeneien für ihre Leiden zu bitten. Den 6. Auguſt. Nach kurzem Schlaf ritten wir in der Nacht in weſt— licher Richtung fort. Der Weg war und blieb ſo ſtaubig und vegetations— los, wie vorher. Kurz nach Mitternacht kamen wir an einem lang ausge— dehnten Dorfe vorüber, das uns wieder Mämedabad (Muhamedabad) genannt wurde. Vorher aber ſchon und zwar nur + Stunde nach unſerem Ausritt hatten wir links vom Wege in einiger Entfernung ein Dorf, Tſchebärdeh (Vierdorf) genannt, weil es in vier Abtheilungen gebaut war, und rechts an der Straße eine eingefallene Karawanſerei geſehen. Später kamen wir noch bei mehreren verlaffenen Dörfern und Imämfädes (Gräbern von Heiligen) vorbei, und 4 bis 2 Stunden hinter Mämedabad an das lange Dorf Meidl— ſchar (die Dörfer ſind immer dem Waſſer entlang gebaut), dann durch ein Thor, bei welchem ein Abanbar (Waſſerbehälter) war. Weiterhin war das Erdreich auf eine merkwürdige Weiſe zerriſſen und vielfach eingeſunken, was wahrſcheinlich von Erdbeben herrühren mochte, theilweiſe aber auch wohl von dem Waſſer, welches ſich gewaltſam einen Weg durchgebahnt hatte, bis zu dem großen, theilweiſe ebenfalls verfallenen und verlaſſenen Dorfe Meybüd, wo Baumwolle und Ricinus gepflanzt waren. Wir ritten noch bis zu dem einen Büchſenſchuß davon entfernten Dorfe Bidabad d. h. Weidendorf, wo ich aber keine Weiden, ſondern nur Fruchtbäume ſah, wo wir gegen 10 Uhr arabiſch G Uhr Morgens nach Frankenuhr) anlangten und unſer Zelt auf einem freien Platze dicht am Wege aufſchlugen. Gute grüne Waſſermelonen machten uns die Hitze des Tages etwas erträglicher. Auch hier, wie aller Orten, findet ſich viel Anbau von Baumwolle, und die Ränder find mit Rieinus bepflanzt. Wir ſahen viele Schafe und Ziegen, erfuhren aber, daß dieſelben nicht von hier ſeien, ſondern aus dem fruchtbaren Schiraz hierher zum Verkauf kommen. Bidabad hat kein Vieh, außer Eſel, und das Waſſer iſt ſo gering, daß es Er für den Bedarf hinreicht. Ueberhaupt ſoll es von Jezd bis Iſpahan 86 Briefliche Mittheilungen: keine einzige Quelle geben. Man findet hier erſt 120 Spannen tief Waſſer, welches dann wahrſcheinlich in die Höhe geleitet oder herausgepumpt wird. In Bidabad wird auch Wein und Gerſte gebaut, das Land wird nicht gedüngt, aber nach jedem Jahre ein Jahre unbenutzt gelaſſen, weil hier kein Mangel an Land iſt. Der Dünger, den man ſorgfältig wegſchafft und auf— bewahrt, benutzt man entweder für Gurken, Melonen u. ſ. w. oder als Brenn material. Die Bewohner ſind hier faſt überall arm; ſie nähren ſich nur kümmerlich und die Frauen weben ordinaire Zeuge. Eine Viertelſtunde nördlich von Bidabad liegt das Dorf Debabad und 2 Stunden davon in derſelben Richtung Aerdegün, ein Städtchen, worin viele Guebern ſein ſollen. Auch in Meibüd ſollen früher viele Guebern in Höh— len, die noch ſichtbar ſind, gewohnt haben. Bidabad hat viele Maulbeer— bäume. Dienſtag den 8. Auguſt hatten wir eine weite Tour (alſo war wohl der 7. Auguſt ein Raſttag?) von 12 Farſang vor uns und mußten uns gefaßt machen, 12 Stunden und länger auf unſeren Thieren zuzubringen, denn 1 Far- fang, etwa fo viel, als 1 Lieue, iſt nach Perſerberechnung oft faſt 2 Stun- den lang, zuweilen auch weniger als 1 Stunde. Wir ritten deshalb gleich nach Sonnenuntergang fort, zuerſt nordweſtlich 4 — 5 Stunden im ärgſten Flugſande, bei mehreren Karawanſereien und verfallenen Bauten vorbei; die Vegetation war ſehr ſpärlich. Nur einzelne Dorngeſträuche, worunter auch Kapperſträucher ſtanden, und ein wohlriechendes Kraut mit kleinen Knospen ohne Blätter waren zu ſehen. Wir bemerkten hier und da unterirdiſche Ca- näle, 2 bis 3 Fuß tief, und tiefe Brunnen, zu welchen Stufen führten. N Links und rechts liefen kahle Felſenketten; die zur Rechten, welche ent= fernter waren, ſchienen nach 6 Stunden aufzuhören, wenn ſie nicht, was ich trotz dem Vollmond wegen des Dunſtkreiſes nicht bemerken konnte, ſich noch weiter entfernen. Nach 5 Stunden wurde der Erdboden ſteinig, und, wie ich ſchon früher bemerkt hatte, ſchienen wir mehrmals durch ausgetrock⸗ nete Betten von Bächen, die vielleicht durch ſtarke Regengüſſe im Winter ge— bildet waren, zu reiten. Nach §ſtündigem Ritte kamen wir bei einem Dorfe vorbei, wo mehrere Bäume ſtanden. Wahrſcheinlich Tſchfte, welches vierfach, wie Bidabad, ſein ſollte. Nach Angabe unſerer Mucker iſt es verlaſſen und verfallen. 34 Stunden ſpäter kamen wir wieder bei einer dorfähnlichen Stelle vorbei, was aber nur Gärten fein ſollten. Wir bemerkten Gebäude (2), unter⸗ irdiſche Canäle und vielfach zerſpaltenes Erdreich. Dieſe Spalten ſind nicht Folgen von Erdbeben, welche in dieſen Gegenden, wie in Jezd, gar nicht vor— kommen. Sie ereignen ſich, nach der Verſicherung unſeres Said, nur in der Nähe des Meeres, z. B. in Schiraz (21), und entſtehen angeblich von den tie fen Athemzügen des Meeres. Eine halbe Stunde ſpäter gelangten wir nach dem ſchönen, theilweiſe ummauerten, mit einer Feſtung verſehenen Orte Aghda (Agdeh nach Trezel auf Kiepert's Karte). Gleich am Eingange ſieht man eine Reiſe von Jezd nach Iſpahan. 87 2 neue jchöne Karawanſerei, in deren Mitte ein ſchönes Jeckiges, oben Seckiges Minaret, gegenüber einer Moſchee, ſich befindet. Hier waren auch Budgis ( Windfänge), wie in Jezd. Noch andere Karawanſereien giebt es, überall mit Maulbeerbäumen umgeben. Hier ſah ich auch zum erſten Male wieder zwei Palmen. Außerhalb des Dorfes auf einem ſchönen Platze ſchlugen wir unſer Zelt auf. Hier, wie in Bidabad, fanden wir zum erſten Male öffent— liche Appartements, davon zwei nahe unſerem Ruheplatz waren. Das Waſſer war nicht gut; es hatte einen ſchwefeligen bittern Geſchmack. 2 In der Nacht vom 11. zum 12. Auguſt bemerkte ich kurz vor mei- nem Einmarſche in Iſpahan eine ungewöhnliche Menge von Sternſchnuppen, die aber ſtets cometen- oder raketenförmige Streifen hinter ſich hatten und einen den Leuchtkugeln ähnlichen Punkt zeigten, zuweilen verſchwanden, bald auch wieder zum Vorſchein kamen, und zwar ſtets am weſtlichen Horizonte. Die folgenden Nächte waren dergleichen zu Iſpahan wenig bemerkbar, wohl aber wieder in der Nacht vom 18. zum 19. September auf dem Wege von Hammadan nach Biſutan.“ C. Ritter. Herr A. v. Humboldt, dem Herr C. Ritter die erwähnten meteorologiſchen Beobachtungen mittheilte, erfreute ſich derſelben lebhaft. „Man begreift,“ N ſchrieb derſelbe unter dem 20. April dieſes Jahres an den Letztgenannten, „daß die trockene perſiſche Luft bei ihrer oft beſungenen Durchſichtigkeit zu Beob— achtungen anregt. Der 12. Auguſt iſt nur der etwas verſpätete Termin des auf den 10. — 11. Auguſt fallenden Laurentiusſtroms. Von dem glühen— den Trachen des Heiligen, wie eine Chronik in Bezug auf die Licht— phänomene des Laurentiustages ſagt, bis zum 19. October iſt mir bis jetzt kein einziger großer Sternſchnuppenfall bekannt (Cosmos III, 605).“ In Bezug auf dieſen Ausspruch des berühmten Forſchers, der den meteoriſchen Lichtphä— nomenen eine fo umfaſſende Aufmerkſamkeit gewidmet hat, iſt es vielleicht von Intereſſe, zu bemerken, daß der verſtorbene afrikaniſche Reiſende J. Richard— ſon nach dem während ſeiner letzten Reiſe gehaltenen Tagebuche vor dem 19. October wiederholt zahlreiche leuchtende Meteore während ſeines Aufenthalts zu Tin Tellus im Lande Ahir beobachtet hatte, denn unter dem 4. October ö 1851 ſagt er, daß in den klaren Nächten eine ſehr große Zahl von Meteoren über ſeinem Kopfe ſich hin und her bewegt hätte; faſt eine Minute lang dauerte die Bewegung der einzelnen Phänomen. Einige leuchteten ſchwach und erſchienen nur für einen Augenblick, während andere ſehr ſchön waren und einige Secunden lang ſichtbar blieben (Narrative of a Mission to Central Africa performed in the years 1850 — 1851. II, 10). Ebenſo beobachtete Richardſon dort am 8. Oetbr. um 74 Uhr Abends ein Phänomen, wie er nie zuvor geſehen, nämlich ein ungeheures, etwa 2 Minuten dauerndes Lichtmeteor, welches am ſüdlichen Horizont in nicht bedeutender Höhe über die Hälfte des Himmels in einer wenig gekrümmten Bogenlinie von Oſten nach Weſten dahin ſchoß, einen . * 88 Miscellen: Schweif wie ein Comet beſaß und um ſeinen Kopf ein blaues Licht von außerordentlicher Intenſität glühend hatte. Er und Alle, welche das Meteor ſahen, ſchrien vor Erſtaunen auf. Darauf bemerkte der Reiſende nach Ver— lauf weniger Minuten noch viele kleinere Meteore in derſelben Richtung, und zwar einige in gerader (horizontaler?), andere in abſteigender Linie, am Him— mel dahin ſchießen (a. a. O. II, 19). Gumprecht. Mee. Die große Einſenkung der Erde in der Mitte des alten Continents. (Bei gelegentlicher Vorzeigung der E. v. Sydow'ſchen Wandkarte von Aſien in der Geographiſchen Geſellſchaft.) Die lehrreichen Begleitworte, welche Herr E. v. Sydow ſeiner dritten, zu Gotha bei J. Perthes herausgegebenen Auflage der Wandkarte von Aſien beigegeben, machen es unnöthig, die Verdienſte dieſer vortrefflichen Arbeit für den geographiſchen Schulunterricht noch insbeſondere hervorzu— heben. Die Begleitworte (S. 1 — 19) reichen ſchon hin, zu zeigen, mit wie großer Gewiſſenhaftigkeit und ernſter Forſchung dieſe Kartenarbeit ausgeführt wurde. Ich will nur mit wenigen Worten auf die Darſtellung der großen aralo— caspiſchen Erdſenkung hinweiſen, welche auf dieſer Karte ſo überſichtlich und anſchaulich in ihrem Geſammtzuſammenhange durch zweckmäßige Zeichnung und Färbung niedergelegt erſcheint, wie mir dies noch von keiner anderen Kartendarſtellung bekannt geworden iſt. Zwei große Hauptlinien der grünen Flächen, wodurch die Niederung des Landes meiſt unter 500 Fuß abſoluter Höhe bezeichnet iſt, ziehen ſich in dia— gonaler Richtung, die eine von NW. gegen SO. durch die ganze Mitte Eu- ropa's, auf der Grenze des ſüdlichen Gebirgslandes und des flachen nördli— chen Niederlandes hindurch, von Holland bis zum Südoſtwinkel des caspiſchen See's gegen Aſterabad; die andere Linie, weniger beſtimmt hervortretend, von NO. gegen SW. auf ähnliche Weiſe, am Oſtrande der obiſchen und arali— ſchen Niederung durch ganz Weſt-Sibirien, bis zu demſelben Südende des caspiſchen Binnenſee's hin. Hierdurch bildet ſich ein mächtiger gegen Süden gerichteter ſtumpfer Winkel eines Tieflandes, das, ſich gegen den Norden immer breiter ausdehnend, die enorme Breite eines Triangels erreicht, der von Holland und dem Rheindelta nordoſtwärts bis zum Mündungslande des Jeniſei (zwiſchen 20 bis 100° öſtl. Die große Einſenkung der Erde in der Mitte des alten Continents. 89 | Länge) ſich gegen 1000 Meilen weit ausdehnen läßt, und deſſen Umfang über 200,000 Meilen faſt ausſchließlich mit europäiſchem und aſiatiſchem Tieflande erfüllt iſt. Denn allein die Meridiankette des Uralſyſtems durch— ſchneidet dieſes Tiefland in einer Strecke von 250 bis 300 Meilen von Nor- den nach Süden, und theilte erſt deſſen früheren uniformen Zuſammenhang durch ihre im geognoſtiſchen Sinne jüngſte Emporhebung in eine europäifche und eine aſiatiſche Seite der Niederung. Auf dem Südrande des mitteleuropäiſchen Tieflandes, das von NW. gegen SO., von Holland bis zur Wolga unterhalb Kaſan am Weſtfuße des Ural fortſtreift, durch Norddeutſchland, Sachſen, Schleſien, Galizien, bis zur Ukraine, nach Moskau und Kaſan, liegen die folgenden Orte an den gemeſſe— nen Stellen auf insgeſammt einer geringen abſoluten Höhe vertheilt: Amſter— dam S 0“ im Spiegel des Oceans; Münſter und Paderborn 300 bis 400 Hannover 240“; Hildesheim 214“; Braunſchweig 200“; Magdeburg 128’; Berlin 100“ Leipzig 300“ (2); Wittenberg 204“; Dresden 280“: Breslau 375“; Brieg 424“; Krakau 669“; Warſchau 330“; Pinsk 408“; Moskau 325; Kaſan 270“ Uferhöhe (Wolga-Spiegel 54); Saratow 36“; Sarepta — 30“ unter dem Niveau des Oceans. Nur die einzelnen Vorſprünge des weſtphäliſchen Sauerlandes, des Teu— toburger Waldes, des Weſergebirges, des Harzes, der Lauſitzer Höhen, des Rieſengebirges, der Tarnowitzer Höhen, der Karpathen, der Plateaus von Podolien oder Hoch-Polen (bis 1000“), bilden mit ihren Ausläufern die | Vorgebirge dieſes Tieflandes, zwiſchen denen fich die tiefern Buchten des Nie- derlandes hie und da ſüdwärts verbreiten, wie die weſtphäliſche Bucht, die Weſerbucht, die Leipziger Bucht von Magdeburg die Elbe und Saale auf— warts, die ſchleſiſche Bucht u. ſ. w. ö Von Moskau und Kaſan, in der Richtung von Don und Wolga, ſinkt ö dieſe mitteleuropäiſche Niederung zu der noch tieferen polniſchen und caspiſchen Niederung hinab. Zwiſchen Saratow und Sarepta hat die Wolga ſchon die Niederung des Meerniveaus paſſirt; ſie ſinkt nun bis Aſtrachan und zum caspiſchen Seeſpiegel bis zu 77 bis 78“ Pr. unter das Niveau des Oceans N hinab. N Die ganze flache Umgebung des caspiſchen See's, in gleicher Niederung wie der Spiegel des Sees, nimmt nach A. v. Humboldt's Berechnung ein Areal von 6000 Quadrat-Meilen ein; das caspiſche Meer bedeckt mit ſei⸗ nen Gewäſſern 7500 Q.⸗Meilen; die Einſenkung beträgt alſo an 13500 Q. g Meilen, ein Erdraum, größer als Frankreich oder ganz Deutſchland, dem Um— fange des öfterreichifchen Kaiſerſtaats etwa gleich, die ganze Fläche tiefer ge— egen als der Spiegel des Oceans. Nimmt man die Niederung des Aral— Sees mit feiner Waſſerfläche von 1124 D.-Meilen und dem flachen, gleich niederigen Steppenboden Weſtſibiriens hinzu, der nordwärts bei Tobolsk nur 108“ über dem Meere erhoben liegt, ſo wächſt das geſammte Niederland 90 j Miscellen: zu beiden Seiten des Ural zu dem enormen Umfange von 200000 Q.-Mei⸗ len. Davon ſenkt ſich aber nur der ſüdlichſte ſtumpfe Winkel in der Reihe der Binnenſeen, 13000 bis 14000 Q.-Meilen groß, tief unter das Niveau des Oceans. Denn wenn auch der Aral-See + 33 bis 34“ über dem Spiegel des Oceans (oder 110 bis 112“ über dem Spiegel des caspiſchen See's) liegt, ſo iſt doch ſeine Waſſertiefe bis auf 222“ ſundirt, und ſein Seeboden liegt alſo auch tiefer als das Niveau des Oceans. Der caspiſche See ſtürzt aber, nach Eichwald's Sundirungen in der Mitte feiner Ueberfahrt (gegen den Karabogas Golf, an feiner Oſtküſte unter 42° n. Br.) über 600“ Tiefe hinab, wo man noch keinen Grund fand. Frühere Sundirungen, von Hanwah, laſſen ſogar den Einſturz gegen das Südende des See's bis zu 2700 Fuß hinabreichen. Könnte man die jüngere lockere Schutt-, Sand- und Geröll-Decke, welche gegenwärtig die ganze aralo-caspiſche Niederung überlagert (wie A. v. Humboldt bemerkt), abheben, ſo würde die Einſenkung dieſes ungeheuern Raumes bis auf ihren Felsboden eine noch viel größere werden, als ſie ge— genwärtig erſcheint. Wie, drängt ſich hier die Frage auf, konnte eine dem Umfange nach fo ungeheure Vertiefung in der Mitte der alten Welt entſtehen, daß dieſe ſogar unter das allgemeine Niveau der feſten Erdrinde hinabgedrückt wurde, ſo daß dann auf ihr nur die aral- und caspiſchen Waſſerſtellen als ſchwache Reſte, vielleicht fortſchreitende Verdunſtungen an Ort und Stelle früher grö— ßeren Meeresſtandes, zurückbleiben mochten? Bei einem fo einzig daſtehenden Phänomen von ſolcher Großartigkeit ſollte man dafür halten, daß deſſen genaueſte Erforſchung und Bildungsge⸗ ſchichte in dieſem Theile der Erdkruſte lehrreich für die Bildungsgeſchichte der Erdoberfläche auch an andern Stellen derſelben werden müſſe. Noch weit iſt man von dieſer Erforſchung entfernt; an Hypotheſen zur Erforſchung dieſes Depreſſionsphänomens hat es nicht gefehlt; ſchon ſeit des großen Aſtronomen Dr. Halley's Zeiten, der bei ſeinen ernſten Studien über die Cometenbahnen es einſt für wahrſcheinlich hielt, ein ſolcher Comet möge an dieſer Stelle der Erde in den Weg gekommen ſein und auf dieſe Weiſe durch einen gewaltigen Erdſtoß ſie eingedrückt haben. Einen wichtigen Beitrag zur weitern Erforſchung dieſer Geſammtverhält—⸗ niſſe giebt endlich der Geolog Dr. Grewingk !!) durch feinen Bericht über die Erforſchung und Höhenmeſſungen des kranzförmigen Ringgebirges, 1 welches im Halbkreis den großen Südrand dieſer Einſenkung mit feinen co- loſſalen plutoniſchen Maſſen umragt und bei ſeiner einſeitigen Hebung aus ) Dr. C. Grewingk die geognoſtiſchen und orographiſchen Verhaͤltniſſe des nord⸗ lichen Perſiens. St. Petersburg. 8. 1853. Die große Einſenkung der Erde in der Mitte des alten Continents. 91 der Tiefe nicht ohne Einfluß auf den anderſeitigen Einſturz der Maſſen in die Tiefen geweſen ſein kann. Es erſcheint dies als kein iſolirtes Phänomen an ſich, ſondern nur als Fortſetzung und Nordgrenze der Geſammterhebung der ganzen hohen Plateaumaſſe des anſtoßenden Süd-Aſiens und Nord -Afrika's, die weiter oſtwärts im Hochlande Tibets und der Mongolei in ſtufenweiſen Abſatzen allmählich bis zum Baikal in die nord -ſibiriſche Geſtadelandſchaft ſich ſenkte und abfiel, hier aber im Weſten vom iranſchen hohen Plateaulande plötzlich in die hohlgewordene Tiefe hinabſtürzte. Nicht wenig überraſchend iſt es, hier, vom coloſſalen Kaukaſus im Weſt der Südſeite des caspiſchen Sees, von der Abſcheron Halbinſel bei Baku an, um die ganze Südſeite dieſes See's ein faſt ununterbrochenes Ringgebirge (gleich den Ringgebirgen im Monde), im Halbkreis um den ganzen Sudein— ſturz des caspiſchen See's und der anliegenden Niederung bis zur Oſtgrenze der niedern Bucharei über Balk, von Aſterabad, über Meſched, Herat bis zu dem rieſigen Hindu Khu und dem Bolor-Gebirge verfolgen zu können. Die genannte Karte, auf welcher wir die Höhenzahlen nach den Meſſun— gen eingetragen haben, giebt ſie in folgender Aufeinanderfolge alſo an: r ² ˙ꝛ?T ˙— Ay W See Der Kaukaſus 15000“ im W. mit dem Elborus 18500“ nach Abich's Meſſg., mit dem Craterſee eines erloſchenen Vulcans auf feinem Gipfel. Der Ararat, 14656’ Pr., mit ſeinen Doppelgipfeln und 3 anderen um- herſtehenden Coloſſen gleicher Höhe, wie der Alagöy und andere pluto— niſche Gebirgsbildungen mit ihren Erdbebenregionen. Die Sſahand-Gruppe, an der Oſtſeite des Urmia Sees, 11,345“ üb. M. Der Dſhawur Dagh, noch näher zum caspiſchen See gerückt, 13— 14000“ Der Sſawalan, 12000“ hoch, über Ardebil dicht zum Südweſtwinkel des cas piſchen Seeabſturzes gerückt, eine emporgehobene ganz trachytiſche Ke— gelgruppe. Die lange Strecke des ſteilen Küſtengebirges von Ghilan und Mazenderan am Nordrande Hoch-Perſiens in Nordweſt von Teheran, insgeſammt trachytiſche, plutoniſche und ſelbſt vulcaniſche Bildungen, bis zum noch thätigen Vulcan Demawend, wozu das Randgebirge von Schemrun 8560’, der Churchurah 7650’, der Demawend Newo 8540“, das Plateau, auf dem Teheran liegt 3400, der Vulcan Demawend 13788’ Pr., und der neben dieſem liegende Kegel Enczan 6600“ gehören. Oſtwärts des Demawend folgen der Seria Khu 7200’, der Shah Khu dicht über Aſterabad, und der Sunduk Khu 7270“. Insgeſammt plutoniſch aufgeblähte, gewaltige Trachyt-Gebirgsmaſſen. Weiter hin ſenkt ſich zwar der rieſige Anſchwellungsring im Süden der buchariſchen Niederung, doch bleibt er immer in einer mittlern Höhe von 3400 bis 4000“ über dem Meere; an ihm liegen Meſhed 18327, Herat 26287; oſtwärts Herat ſteigen die Maſſengebirge jedoch wieder zu gleichen Hoͤhen— 92 Miscellen: coloſſen empor, wie bei Dſchellallabad im Hindu Khu zu 18984“, in den Hoch— ebenen von Iſſikul an den Quellen des Orus (Gihon) zu 14664 im be⸗ rühmten Pamir Hochpaß bis zu 18000“ Von dieſem innerſten Winkel der coloſſalen Erhebung zeigt der Lauf des Orus gegen NW. die Senkung an, von dieſer Ringerhebung direct zum Aral- und caspiſchen See, die ſchon bei der Stadt Buchara zur Niederung von 1116’, in eine Steppenfläche hinabgeſunken iſt, nach Al. Burnes. Dieſer directe Stromlauf bezeichnet alſo von SO. her die große Depreſſion vom Hindu Khu, dem Bolorſyſtem und dem perſiſchen Hochlande, wie die Wolga zwiſchen dem Kaukaſus und Ural vom NW. her, die große Senkung. Da, wo ſie beide in ihren Enden ſich begegnen, liegt die größte Tiefe des caspiſchen See— Endes unter dem Niveau des Oceans. Dieſes hypſometriſche Verhältniß der Geſammterſcheinung giebt des Aſtro— nomen Arago Hypotheſe über die Geſammtbildung dieſer Depreſſion, welche Al. v. Humboldt in ſeinem ſo inhaltreichen Centralaſien mitgetheilt hat, eine gewiſſe Wahrſcheinlichkeit. Statt die Einwirkung unbekannter Himmelskräfte zu Hülfe zu rufen, nahm Arago zu ſeiner Erklärung die noch heute, wenn auch in kleinerem Maßſtabe, fortwirkenden telluriſchen Kräfte, die plutoniſchen Kräfte der Feuerbildung und die Gewalt der hebenden Dämpfe in der Ge— birgstheorie in Anſpruch. An der Emporhebung großer Maſſen der Erdrinde, ſagte er, könne man nach ſo vielen bekannt gewordenen geologiſchen Thatſachen nicht mehr zwei— feln. Erhebung großer Erdmaſſen ſetzen nothwendig Erzeugung leerer Räume in der Tiefe voraus, aus denen ſie emporgehoben wurden, und damit ſei, eben ſo nothwendig, das Zurückſinken der erſtarrenden Maſſe verbinden, wenn die hebende Gewalt der Dämpfe nach dem Durchbruch zu Ende gehe. Dies ſei eine bekannte Erſcheinung bei kleinern bekannten Kegelbildungen in den Crateren oder den aufgebrochenen Halbkeſſeln der Calderas, die ſich an ſo vielen emporgehobenen Maſſen zeige, da fie auch die Möglichkeit des Wieder— einſinkens der Emporhebung näher verkünden; es ſcheine daher ſehr natürlich, auch bei dem in großem Halbkreiſe emporgehobenen Gebirgsplateauringe an— zunehmen, daß zwiſchen ſeiner kranzförmigen Umgebung (welche nur die Richtungen der Erhebung bezeichnet) ein merkwürdiges Sinken, in Folge des Hebens, ſtattgefunden habe, wodurch dieſes coloſſale Depreſſionsphänomen hervorgegangen. Fr. Arago kannte, zu ſeiner Zeit, die plutoniſche und ſo vorherrſchend trachytiſche, zum Theil vulcaniſche Naturbeſchaffenheit dieſes Ringkranzes noch nicht, deren genauere Kenntniß wir erſt Grewingks Berichten verdanken. Da— durch ſcheint dieſe, gleichfalls durch A. v. Humboldt befürwortete ſehr ſcharf— ſinnige und doch ſehr einfache Löſung des Problems (Central-Aſien. Deutſche Ausgabe von W. Mahlmann II, p. 539) eine nicht unwichtige Beſtätigung erhalten zu haben. — Höhenbeſtimmungen in Sibirien. 93 Mit den Fracturen der aus der Tiefe emporgehobenen und wieder zu— ſammengeſtürzten Trümmer konnten, wenn die Richtung des Ausbruchs der Gewalt von SO. nach NW. gegangen wäre, die im Norden vorliegenden ſibiriſchen und pontiſchen Niederungen allerdings mit ihren lockern Maſſen überſchüttet worden ſein. Ob ſich daruber Nachweiſe finden, dürfte ſich aus fortgeſetzten genaueſten Beobachtungen ermitteln laſſen. C. Ritter. Höhenbeſtimmungen in Sibirien. Für die Kenntniß der Erhebung der Oberfläche Sibiriens über dem Meeresſpiegel beſitzen wir bis jetzt noch ſehr wenig poſitive Data. Es iſt des— halb von Intereſſe, folgende zu erhalten, welche die Umgebungen des Baikal— ſee's betreffen und in dem Compte-rendu annuel addresse a S. Exc. Mr. de Brock, Ministre des Finances, par le Directeur de l’Observatoire physique central A. T. Kupfer. Année 1853. St. Petersbourg 1854, S. 53 und 54 mitgetheilt werden. | Höhe des Baikalſeeeeis sz. 1308 engl. Fuß, ee er | -von Werkholendt . . . . 1459 ũ - eines Berges, 12 Werft von Irkütsk, auf der Straße nach Jakuͤtsgk . . 1638 = = -der Station Homutovskaja . . 1296 - hu Scherdowskaja . . „13773 = m r TUN } . = Olſonofskaj 1955 = * = Bajendajemsfaja . . . 1875 ͤ = N 5 = Chogstöffja . -» . . 18023 = - * ** = Malo Manſurskaia . . 1730 K . end Chorbatomöfaja . . . 1498 = = , des Dorſes Katſchu ) . e RE = = Biroulfy an der Lena. „1547 = = von Lenski Deffatot . . . . FAmM30d = ne der Quelle der Lena (Fluß Tcchanſcher) 2842 des Lenaufers bei Goluſtt. . . 20214 des Berges Soudkhaja nahe der Ela enn * * ) Katſchug iſt das hier Bd. IV, S. 432 erwähnte, als Einſchiffungsort auf er Lena für den Verkehr dieſer Gegenden wichtige Oertchen Katſchuga. G. 94 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. Höhe der Sludianka . 3990 engl. Fuß, -der Station Sludiankaa . . 4129 = der Vegetationsgrenze am Kharmadaban 5410 = = = der letzten Station unmittelbar unter dem Gipfel e De „ von Tunkg, e M ne e eee eee eee ͥ , ê ,. ea - der Mineralquellen .. N EIN = des Militairpoſtens Schanginsk „ n Vorſtehende Höhenmeſſungen wurden von dem Capitain Meglisfy an- geſtellt. Außerdem finden ſich in demſelben Compte-rendu S. 54 und 55 die Höhen einiger Punkte des nördlichen Ural vor, nämlich von: Tſcherdin 60° 2411“ n. Br., 56° 30’ 51“ öſtl. L. Gr., 600 engl. F., nne , „o, =. MAL, TZ unnieraf-ai 0 32, do. = 520.34 37° = 2, 0-0 112 02 2a Sie find vermuthlich Herrn Kowalsky zu danken, der an dem dritten Punkte magnetiſche Beobachtungen anſtellte. Gumprecht. Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 14. April 1855. 4 Dieſelbe wurde ſtatutenmäßig zu Berathungen über innere Verhältniſſe der Geſellſchaft verwandt und dabei der Geſchäftsbericht über die Verwaltung der Kaſſe im letztverfloſſenen Rechnungsjahre vorgetragen. Danach war der Beſtand der Kaſſe nach erfolgter Feſtſtel— lung am 8. April 1854 .. . . 7200 Thlr. — Sgr. — Pf. Es gingen ein im Jahre 183999 Biel u 5 Se Die Summe der Einnahmen belief ſich auf 9381 Thlr. 5 Sgr. — Pf. Die Ausgaben betrugen 1 1941 „ 18 222622 Der Kaſſenbeſtand ſchloß am 14. April 1855 de mit „ d 7439 Thlr. 16 Sgr. 6 Pf. Walter. Sitzung der Berliner Geſellſchaft fir Erdkunde am 19. Mai 1855. Herr Dove legte die von ihm und Herrn Kiepert ausgearbeiteten beide Karten der nördlichen Hemiſphäre und der Nordpolarländer vor und beglei tete ſie mit Bemerkungen, woraus ſich ergab, daß durch die bedeutende V Ber; 1 N Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 95 mehrung des bezüglichen Materials die Temperatur-Verhältniſſe der arktiſchen Regionen neuerlichſt viel ſchärfer, als früher, hätten feſtgeſtellt werden können. Dieſe neuen Unterſuchungen lehren, daß die Bewegung der Iſothermen in der jährlichen Periode in Aſien eine ganz andere iſt, als in Amerika, und daß die Fältefte Stelle, welche im Juli die Form eines Dreiecks annimmt, von Aſien nach Amerika und wieder zurück wandert, wobei aber die Geſtalt der Iſothermen ſich völlig verändert, endlich daß ſich die Annahme zweier Kältepole als irrig erweiſt. Herr Dove legte ferner das Werk: Notes on Meteorology of Ire- land by Humphrey Lloyd. Dublin 1854, vor und theilte daraus die That— ſache mit, daß in Irland die Meerestemperatur im Mittel um 2“ Fahrenheit höher iſt, als die Temperatur der Luft an der Küſte. Die Urſache dieſer Er— ſcheinung ſucht der Verfaſſer in der Bewegung des Meeres, wie dies auch von den Seeleuten allgemein behauptet werde. Ein ähnliches Phänomen, fügt Hr. Dove hinzu, komme auch bei Kopenhagen vor, wo jedoch nach ſeinen Be— rechnungen die Meerestemperatur nur um 2 im Mittel höher ſei, als die * Luft. Bei der Vorlegung feiner Abhandlung über die klimatiſchen Ver- haͤltniſſe des preußiſchen Staats macht noch der Vortragende darauf aufmerk— ſam, daß der diesjährige Februar der kälteſte Februar ſei, den man je in Berlin beobachtet habe, und daß die Kälte ihren Weg von Weſten genommen habe. Am 1. Jan. ſtand das Barometer in Oſtpreußen 1“ niedriger, als am Rhein; und dies möge die Veranlaſſung geweſen fein, daß ſich Luftſtröme aus dem weft- lichen Europa gegen Oſten ergoſſen, ferner, daß dadurch wieder die Luft— maſſen Amerika's gegen Europa hin in Bewegung kamen und den rauhen Winter Nord- Amerika's nach Europa verpflanzten. Eine Schrift von E. Deſor: Les Cascades du Niagara. Neufchätel, veranlaßte endlich Herrn Dove, über das öfters behauptete Rückwärtsſchreiten der Waſſerfälle des Nia— garaſtroms zu ſprechen; er theilt die Anſicht des Verfaſſers mit, daß die Fälle ſeit 2 Jahrhunderten ſich faſt gar nicht verändert hätten, indem die von ihrem Entdecker, dem Pater Hennequin, im Jahre 1678 gelieferte Beſchreibung noch ganz auf die heutigen Verhältniſſe paſſe. Zuletzt legte Herr Dove eine Schrift über Ebbe und Fluth von Dr. G. Schröder, Manheim 1855, ſowie den Jahresbericht der Geſellſchaft für nützliche Kenntniſſe zu Trier vor und begleitete beide mit kurzen Bemerkungen. — Herr Ritter las ein Schreiben es Herrn J. G. Kohl über ſeine Reiſe in Canada und in den Vereinigten Staaten vor (daſſelbe findet ſich bereits hier Bd. IV, S. 498 — 504 mitge- theilt), ſowie Auszüge aus zwei Briefen des Herrn G. E. Petermann über ine Reife in Perſien und feinen Aufenthalt bei den Parſi in Jezd (ſ. hier S. 76— 88). — Herr Walter hielt endlich einen Vortrag über die Baftard- erhältniſſe der in Amerika lebenden Menſchenraſſen und wies darin nach, ß wenn die Mulatten im Allgemeinen ein ſchwächliches, zur Fortpflanzung 96 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 0 kömmlingen von Romanen und Negerinnen ein auffallender Unterſchied ſtatt— finde, indem jene viel zahlreicher und kräftiger ſeien, als dieſe. Unterſuchun— gen über die Ergebniſſe von Verbindungen zwiſchen Indianerinnen und Angloſachſen, dann zwiſchen Indianerinnen und Romanen ergäben ähn— liche Reſultate. Die Nachkommenſchaft von jenen in Nordamerika komme nämlich ſehr ſpärlich vor, während aus der zweiten Art von Verbindung in Mexico und Südamerika ſich eine eigene ungemein zahlreiche Meſtizen— klaſſe gebildet habe. — Herr Gumprecht las endlich einen Brief Barth's von Wurno und Kano vor (es iſt dies der im IV. Bde., S. 411 — 413 bereits mitgetheilte). — Als Geſchenke für die Bibliothek der Geſellſchaft waren ein— gegangen: 1) Zeitſchrift für allgemeine Erdkunde, herausgegeben von Dr. T. E. Gumprecht. Bd. IV, Heft 4; 2) Neuer Atlas über alle Theile der Erde, entworfen und bearbeitet von Dr. H. Kiepert. Lief. 1. Berlin 1855; 3) Karte der nördlichen Hemiſphäre innerhalb des 70. Breitengrades, entworfen und bearbeitet von Dr. H. Kiepert, nebſt Darſtellung der Wärmeverbreitung von Dr. H. W. Dove; 4) Karte der Nordpolarländer, entworfen von Dr. H. Kiepert, nebſt Darſtellung der Wärmeverbreitung von Dr. H. W. Dove. Sämmtlich Geſchenke des Verlegers, Herrn D. Reimer; 5) Ergänzungsheft zu dem Schulatlas von Theod. Freih. v. Liechtenſtern und Henry Lange. See— tion 2. Geſchenk des Hrn. Dove; 6) Bulletin de la Société de Geographie. Ser. IV. T. 8. Paris 1854, von der Pariſer geograph. Geſellſchaft; 7) Dry Leaves from Young Egypt. By an Ex-Political. London 1849. 8., von Herrn L. v. Orlich; 8) Mittheilungen über wichtige Erforſchungen auf dem Geſammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann. Gotha 1855. Heft I— III, von dem Herrn Verleger; 9) Karl Kreil, Reſultate aus den magnetiſchen, Beobachtungen zu Prag. Wien 1855. 4., von dem Hrn. Verf.; 10) Archiv für Landeskunde im Königreich Preußen. Heft I. Berlin 1855. 8., von dem Heraus- geber Hrn. Meyer; 11) E. v. Sydow, Orographiſcher Atlas, 24 Bodenkarten enthaltend. Gotha 1855, von dem Hrn. Verf.; 12) Pacific Railroad Surveys. Washington 1854; 13) Report and charts of the Course of the U. St. Brig Dolphin by Lieut. S. P. Lee. Washington 1854. 8. Nebſt 1 Karte; 14) Report of the Secretary of the Interior, communicating a report from Mr. Bartlett on the subject of the boundary line between the Unite States and Mexico. 8.; 15) Second report on Meteorology by James P. Espy. qu. fol. Nr. 12—15 find Geſchenke der Smithsonian Institution zu Waſhington; 16) Abhandlung über einige Denkmäler des nördlichen Sy riens von C. Ritter. Berlin 1855. 4., von dem Hrn. Verfaſſer; 17) Ueb die klimatiſchen Verhältniſſe des preußiſchen Staats von H. W. Dove. Berli 1855. 8., von dem Hrn. Verfaſſer. Zur Anſicht endlich war ausgeſtellt di Wandkarte von Deutſchland von Freche, Schullehrer und Cantor zu Neurode. Erläuterungen % Den. N ö \ | zu der Karte der Entdeckungen im Nordpolarmeer bis 1854, nach der von der britiſchen Admiralität herausgegebenen Karte (Discoveries in the Arctic Sea) auf 4 verkleinert. Die große englifche Originalkarte reicht fünlich nur bis zum 65° 40’, oͤſtlich bis zum 66° 30! Greenwich, alſo nicht ganz fo weit, wie vorliegende Reduction, der ich durch Anfügung des ſchmalen Streifens von 40 Breiten- minuten im Süden und von 6 Längengraden im Oſten mehr Abrundung zu geben beabſichtigte, da namentlich das Fehlen des in der ſüdöſtlichen Ecke zu- gefügten Küſtenſtücks, der von Baffin jo genannten Cumberland -Inſel (viel- mehr Halbinſel) die Vollſtändigkeit des Kartenbildes ſehr beeinträchtigt haben würde. Gerade dieſes Stück vermißte ich am ungernſten in dem engliſchen Original, welches davon nur den ſüͤdlichen tiefeinſchneidenden Meerbuſen und zwar mit der Namenbezeichnung Cumberland-Sund enthält; die Süd- und Oſtküſte der Cumberland-Inſel und ſämmtliche übrigen Namen, auch das weſt⸗ lich eingehende Irvine-Inlet und ſeine Verbindung durch Kennedy-Lake mit For⸗Channel und der Hudſons-Bai ſind aus A. Petermann's Karte zu Pennh's Reifen (1853) nach den letzten Aufnahmen dieſes Seefahrers (1852) eingetragen worden. Ob nun aber dieſe Küftenlinie bereits als völlig ge⸗ ſichert anzuſehen, bleibt mir noch immer fraglich, je auffallender die Abwei⸗ chung ſowohl der ganzen Küſtenformen, als der geographiſchen Länge einzel— ner Punkte (fie beträgt z. B. bei Kemikſok circa 14, bei C. Ruſſell 14 Grad!) gegenüber früheren Beſtimmungen des Capt. Warham erſcheint. Derſelbe hat nämlich als Führer des Walfiſchfängers „Lord Gambier“ bereits im Jahre 1841 den von Penny zuerſt ſpecieller aufgenommenen und Hogarth-Sund ge— tauften Meerbuſen befahren, ihm den von Penny ignorirten Namen Northum— berland⸗Sund gegeben, und die von ihm aufgezeichnete Küſtenlinie (welche beiläufig geſagt in den allgemeinen Parallelismus der Küſtenformen beſſer zu paſſen ſcheint, als die von Penny), ſo wie ſie in dem Journal of the R Geographical Society 1842 bekannt gemacht iſt, war ſeitdem in alle Karten übergegangen und erſcheint auch beibehalten in Lieut. Maury's Karte zu dem Werke über die amerikaniſche Nordpol-Expedition (A Chart illustrative of N the cruise of the American Arctic expedition in search of Sir John | Franklin in the years 1850 and 1851, fitted out by H. Grinnell Esq., ' eommanded by E. J. de Haven, compiled by P. M. George P. Welsh. Under, the direction of M. J. Maury), in welcher überdieß nach Lieut. de Haven's Beobachtung angeblich die Poſition von Cap Walſingham in der Länge gegen die älteren Karten ſeit Baffin berichtigt erſcheint — es iſt aber, wie ſich aus der Vergleichung der Breiten mit Penny's Karte ergiebt, viel⸗ mehr die in letzter unbenannt gelaſſene Halbinſelſpitze zwiſchen Cap Walſing— ham und Cap Dyer. — Um nun die beiderſeitigen, von einander weit ab— weichenden Formen der Cumberland-Inſel und des bereits dreierlei Namen — Northumberland, Cumberland, Hogarth — führenden Sundes leicht mit einander vergleichen zu können, habe ich die früheren Aufnahmen in Contour und unter denſelben Längengraden wie in der Karte ſelbſt, in den leeren Raum der Baffins-Bay geſetzt, wodurch dann auch den von dem erſten Ent⸗ decker Warham gegebenen Namen ihr Recht wird, da es nicht gut thunlich . — Mr ie geweſen wäre dieſelben überall in die Penny'ſchen Aufnahmen einzufügen. Im Uebrigen ſind ſolche Namen, die auf der großen Admiralitäts-Karte zum Theil wohl nur aus Verſehen fehlen, aber, da ſte auf den Original-Karten der älteren Seefahrer ſtehen, nicht gut entbehrt werden konnten, (z. B. Victo⸗ ria⸗Land und Channel, Beaufort-Land, Cockburn-Land u. a. m.) durch un⸗ verſtärkten Schriftſtich ausgezeichnet worden. Zur Vermeidung eines Mißverſtändniſſes muß noch bemerkt werden, daß die auffallende Leere an Specialnamen (der einzelnen Küſtenpunkte, Baien, Inſeln u. dgl.) an einzelnen Stellen, zumal an dem von Collinſon 1853 er= forſchten Prinz-Albert-Sund (70 — 71° nördl. Br.) auf Rechnung der engli⸗ ſchen Original-Karte — nicht unſerer Reduction — zu ſetzen iſt; fie beweiſt neben anderen dahin gehenden Thatſachen, daß die britiſche Admiralität mit ihrer Aufgabe der definitiven Beſtätigung der in die Karten aufzunehmenden Namen, wozu auch die Umnennung einzelner ſchon zu oft gebrauchter Namen und die Neubenennung der von den Entdeckern namenlos gelaſſenen Punkte!) gehört, nicht ganz fertig geworden iſt. Denn daß in der That dieſes Geſchäft durch die Eile bei Bekanntmachung der neuen Ausgabe etwas unregelmäßig betrieben worden iſt, beweiſen ein paar kleine Differenzen in zwei verſchiede— nen Abdrücken der Originalkarte, von denen der letzte für die Nomenclatur unſerer Karte maßgebend geweſen iſt, während der erſte, kaum 6 Wochen früher hier angelangte z. B. für die beiden Inſeln am Nordweſtende der Penny— Straße unter 77 nördl. Br. noch andere Namen zeigte: Osborn-J. ſtatt Crescent-J. und Harvey-J. ſtatt Sherard Osborn-J. Dies zur Verſtändi⸗ gung für diejenigen Leſer, die vielleicht einen der erſten Abdrucke des engli— ) Dahin gehören namentlich die Bergreihen auf Melville-Island, die — natür⸗ lich nicht bei der ſchon 1852 erfolgten Aufnahme durch Belcher ſelbſt, ſondern nach⸗ träglich in London — zur Verewigung der Namen der Führer des orientalifchen Krieges (Raglan, Canrobert, St. Arnaud u. a.) benutzt worden ſind. Ueberhaupt aber iſt es bei der Betrachtung einer ſolchen durchaus von modernen Seeleuten bunt zu⸗ ſammengewürfelten Nomenclatur, wie fie dieſe Karten — das engliſche Original natür⸗ lich noch weit vollſtändiger, als unſere Reduction — dem Auge darbieten, unmöglich, einigen ungeduldigen Mißmuth zurückzuhalten über die überloyale Verſchwendung, welche mit den oft an zehn und mehr Stellen immer wiederkehrenden königlichen, prinzlichen und hochariſtokratiſchen Namen getrieben wird; ja manche dabei unter- laufende Geſchmackloſigkeiten gehen geradezu in's komiſche, z. B. die Jenny Lind⸗ Inſel (69° n. Br.) und, was allem die Krone aufſetzt, die von John Rofs ertheilte (in unſerer Karte als zu unbedeutend ausgelaſſene) Benennung einer Gruppe kleiner Felseilande im Boothia-Golf als „Söhne der ſchottiſchen Geiſtlichkeit“ (sons of the clergy of Scotland). Wo iſt, fragen wir, inmitten dieſes Ueberfluſſes von obſeuren Namen und abgeſehen von den oben angeführten Londoner Früchten der jetzigen en- tente cordiale und der von dem loyalen John Roſs 1830 einem Dutzend europäiſcher Potentaten (Nikolaus I. ſelbſt darunter) gewidmeten Verherrlichung, auch nur ein einziger Name, der von ehrender Anerkennung fremden Verdienſtes um die geo— graphiſche Wiſſenſchaft zeugt? Denn der einzige deutſche Name Schomberg (sie) auf der Cornwallis-Inſel (753° n. Br.) ſcheint noch dazu nur eine Entſtellung des Namens des von den Engländern ſchon als nationaliſirt angeſehenen Sir Robert Schomburgk zu fein. Mit unſern Humboldt, Ritter, Zeune dagegen hat man ſich durch die franzöſiſchen Entdecker, wie Dumont d'Urville auf feinen auſtraliſchen Fahrten, zuvorkommen laſſen, und ſelbſt bei dem verwandten angloamerikaniſchen Volke iſt Humboldt's Name bereits ſo viel mehr populär geworden, daß ihn der neueſte Gazetteer in der Union ſchon an einem Dutzend Stellen aufweiſt, worunter als Cu- rioſität Humboldt-County in Jowa in friedlicher unmittelbarer Nachbarſchaft mit Koſſuth-County erwähnt werden mag. N ſchen Originals zur Vergleichung benutzen, und zugleich zur Andeutung einer wahrſcheinlichen ſpäteren Vervollſtändigung oder theilweiſen Aenderung der jetzt auf unſerer Karte erſcheinenden Nomenclatur. — Sonſtige Umnennungen der von den Entdeckern zuerſt anders benannten Oertlichkeiten ſind ſeitens der Admiralität offenbar meiſt im Sinne einer gerechten Würdigung der Anſprüche der Entdecker ſelbſt vorgenommen worden, die meiſt nur bemüht geweſen ſind, die Namen ihrer Vorgeſetzten, ihrer Gönner, ihrer untergeordneten Offiziere zu verewigen, ihre eigenen aber in ſtolzer Beſcheidenheit zurückgehalten haben. So find mit vollem Rechte die Namen von Sir E. Belcher, Benny, Auſtin, Kellett, M'Clure, Ommaney, M'Dougall, M' Clintock, Inglefield, Collinſon hervorragenden Naturformen — größeren Meerengen, Inſeln, hohen Vorge— birgen u. dgl. — beigelegt worden; ebenſo iſt es nur eine gerechte Sühne des früher in dem unangenehmen Prioritätsſtreit mit New-Pork begangenen Unrechts, wenn der von Penny 1851 dem Küſtenlande (jetzt als Inſel nach— gewieſen) unter 76 — 77° nördl. Br. und 95° öſtl. L. gegebene Name Prinz Albert-Land — der freilich gleichzeitig weiter ſuͤdweſtlich ſchon einmal ver— wendet war — nun zurückgenommen und der von dem erſten Entdecker, dem Führer der amerikaniſchen Expedition de Haven, zu Ehren feines hochherzigen Mitbürgers gegebene Name Grinnell-Land wieder hergeſtellt erſcheint. — Für ein paar andere Umnennungen dagegen wird es uns ſchwer, einen zu— reichenden Grund zu finden. Daß Parry's Name nicht ſchon längſt verewigt war, mußte man als ſchweres Unrecht einſehen; daß es bei dieſer Gelegenheit in hervorragender Weiſe geſchah, war nicht mehr als billig; aber warum mußte es auf Koften feiner eigenen Namengebung geſchehen? Den der gan— zen nordweſtlichen Inſelgruppe von ihrem Entdecker Parry 1819 in loyaler engliſcher Weiſe zu Ehren des königlichen Namens gegebenen, und längſt auf allen Karten eingebürgerten Namen North Georgian Islands hat man (als wenn man ſich der Erinnerung an die beiden George ſchämte) zurück— genommen und durch Parry Islands erſetzt, ſtatt den zu ehrenden Namen vielmehr an einer anderen hervorragenden Naturform, am beſten an dem von Parry zuerſt befahrenen Meeresarm im Süden jener Inſeln zu verewigen, der nun den ſchon mehrmals benutzten Namen Melville-Sund trägt, wofür Ar- rowſmith in ſeinen Karten bereits früher, wie es ſcheint auf eigene Hand, den Namen Parry⸗Sund eingeführt hat, ein Auskunftsmittel, das mir zu natür⸗ lich ſchien, um demſelben nicht auch wenigſtens neben dem officiellen Namen auf unſerer Karte einen Platz zu gönnen. Eben fo gerecht erſcheint auf derſelben Arrowſmith'ſchen Karte des britiſchen Nordamerika (vom April 1854) der der weſtlichen Durchfahrt nach dem kühnen Entdecker beigelegte Name M'Clure's Straße ſtatt des nun officiell eingeführten: Banks- Straße, ein Name, der blos übertragen iſt von dem Namen Banksland, den Parry der von fern erſchauten Nordküſte der großen Südinſel beigelegt hat. Man hätte auch dieſen unberühmten Namen ruhig an der bezeichneten Küſtenſtrecke laſſen können, ohne ihn auf die ganze Inſel zu übertragen und den Namen Baring Island zu unterdrücken, den ihr M'Clure gegeben, dem doch das weit größere Verdienſt der völligen Umſchiffung und Kuͤſtenaufnahme gebührt; indem man auch dieſen Namen auf die von M Clure zuerſt entdeckte Südküſte beſchränkte, erſcheint es faſt, als habe der kühne Seefahrer wegen ſeiner Inſtructions-Ueberſchreitung überall hintangeſetzt werden ſollen. — Nicht weniger unzweckmäßig iſt wohl die Ausdehnung des Namens Cornwallis auf die ganze vielverzweigte Inſel (wenn anders es wirklich nur eine Inſel iſt) inmitten der nördlichen Reihe, während Parry als Entdecker denſelben zunächſt nur der ſüdöſtlichen Halbinſel, im Weſten am Wellington Channel, die er für eine beſondere Infel halten mußte, gegeben hatte; überhaupt werden zur Bezeichnung der einzelnen Halbinſeln (wenn ſie nicht zum Theil wirkliche Inſeln ſind) dieſes Landes immer noch Namen vermißt, nicht weniger als für die Küſtenſtriche oder In— ſeln im Süden des Lancaſter-Sundes, zwiſchen Boothia-Golf und Baffins— Bay, deren Erforſchung ungeachtet der ſo viel größeren Nähe zu bewohnten Küſten ſeit Parry's und Roſs', ja zum Theil ſeit Baffin's Tagen gegen die noch eiſigeren, aber in kurzer Zeit ſo viel vollſtändiger aufgedeckten Regionen des fernſten Nordweſtens ſo merkwürdig zurückgeblieben iſt. Die auf den engli— ſchen Karten in dieſer Region ſeit Parry traditionell gewordene Andeutung angeblich verbindender Meeresarme habe ich, wenigſtens in dem blauen Waſſer— druck, ebenfalls beibehalten, wenn ſie auch um nichts ſicherer ſind, als eine andere Waſſerverbindung, welche die Original-Karte nicht andeutet, und die ich als Hypotheſe einzuführen und kurz zu begründen mir erlaube. Im Sü— den von Crozier-Bay (72° Br., 105° L.) bezeichnet das Original auf Lieut. Osborn's Autorität einen am 23. Mai 1851 von fern undeutlich geſehenen „Anſchein eines bergigen oder höher gelegenen Landes“ (loom of highland, in meiner Reduction durch ſchwache Bergſtriche bezeichnet) in der Richtung von Oſt nach Weſt, ohne zu entſcheiden, ob es eine Inſel oder die weſtliche Fortſetzung des Prinz Wales-Landes ſein möge, ſcheint aber für letzteres zu ſtimmen durch den Beiſatz zu der darüber punktirten Linie: apparent beach line (alſo doch immer nicht für gewiß ausgegeben) und Beiſetzung einer öſtlichen punktirten Küſtenfortſetzung bei Reynold's Point, dem äußerſten um dieſelbe Zeit (26. Mai 1851) von Lieut. Wynniatt erreichten Punkte. Wie ſchade, daß das kleine zwiſchenliegende Stück von kaum 20 deutſchen Meilen Ausdehnung nicht noch vollends recognoseirt werden konnte, um feſtzuſtellen, ob hier wirklich eine Küſtenverbindung ſtattfindet. Die Wahrſcheinlichkeit da— für war aber größer zur Zeit, als dieſe Entdeckungen gemacht wurden, weil man damals die Südküſte des großen Landgebiets, das im Nordweſten Prinz Albert-Land, im Südoſten ſchon 1838 durch Deaſe und Simpſon Vietoria— Land getauft worden iſt, durch Dr. Rae's Aufnahme nur bis Pelly-Point öſtlich kannte, und ſie ſich in der Richtung der Victoria-Straße gegen Nord— oſten verlängert, alſo mit Prinz Wales-Land zuſammenhängend dachte, wie dieß engliſche Karten aus den letzten Jahren durch eine punktirte Linie andeu- ten. Jetzt aber hat Collinſon's neueſte Erforſchung derſelben Küſte, obgleich er durch dieſelben Hinderniſſe, wie Rae, nach nur um wenige Meilen weite— rem Fortſchreiten zur Umkehr genöthigt wurde, doch hinreichend dargethan, daß die Küfte von Pelly-Point ſich nicht gegen Nordoſten, ſondern vielmehr mit plötzlicher Biegung wieder nach Nordweſten fortſetzt, alſo in auffallendem Parallelismus mit dem öſtlich eingehenden Meeresarme der Roſs-Straße und mit den gleichfalls von Südoſten nach Nordweſten ſtreichenden Nordküſten der weſtlichen Landgebiete Prinz Albert-Land und Banks-Land. Nach aller Ana- logie wäre alſo an der betreffenden Stelle in gleicher Hauptrichtung eine Waſſerverbindung zwiſchen Victoria- und Roſs-Straße im Südoſten und Melville- oder Parry-Sund im Nordweſten zu vermuthen, die ich wenigſtens für wahrſcheinlich genug halte, um ihre hypothetiſche Andeutung in der blauen Waſſerplatte gerechtfertigt zu finden. Berlin, Juli 1855. H. Kiepert. N — 8 N 8 8 5 — k 7 | 2 Zeitschrift Lallgem Erdkunde BAY. 125° Orüreenwich. 20 | r en BINIDECKINEEN IM ARKTISCHEN POLARNMEERE | IN FOLGE DER AUFSUCHUNG DER FRANKLINSCHEN EXPEDITION. BIS 185% Nach der vun der Erstinchen Adusralstat 20 Januar 1855 herausgogebenun Karte (DISCOVERIES IN THE ARCTIC SEA) auf % des Langenau recklanert. Abkürzungen englischer Benennungen M Mount Berg EC @pe Vorgeburg. (, Golf Meerbusen, Sr Seat eb, ; „. R., Fluß N“ Mountans Gebirge Ae l, lage, ar, # Bay An, Bucht Atlhannel Canal | 4 J bal. Se Au, Ane ulli ne, P bn, Landgpite f, Sede, l. l, Fele 2 due, Insel Range Bergraihe Auf OF Kuppe much, 5 , Sound Jund. é FounndaHalbınse © Faffin une Ur CUMBERLAND ISLAND nach Warham 144 und de Hare eee eee 5 || « Tee 012 Mon {SOMERSET PRINCE ALBERT 5 . | . 5 N 2 5 „Booru a bert Sound. = — 597 W 0 1 1 7 | 1 5 nn Ss NE. elle 2 4 ewas Ars * 5 3 R > — x — 2 f A Geneichnet von IRTEPERT - — - - - — = - — E = = : E BERLIN BELREIMER. = > — 55 u ep STumeryoseq yarsour sTe ius os pufs uerrueose S 0a Nom uodos eſfeud, uess ons umz pun uoyrıs -q ens UI neten ep lurzaueN ep sgfeneq wepur ueulfezufe Iepol stordsmeyıeA 100 uoA esse -suohdpiosqug wep nz ‘uroyyerg b uo opel ‘Pam see M uezung sep SumpuepfoA ed 13 91 Ist ern s UOSIPUEISTIOA uep m IU HT osTe “3unIojor] eure ıny 18g 81 NU 1 ue gunge gef OT ur 381 he s y sep eqeäsny end — ‘191919193 Zunpyazdung anz sung , wop Ayyınp sf uop -IOM JpPucMIHA eee pun Jona ese ur ee ep dun -yejssny oJur3op0 pun aoyos ne open eg epos au eden Zunfoysopar essen ınz 19Po aayjeıgg auaparyos e n ee uodLIgyadusuugsnz sop Funfray, anz JJonzyje uney uagsjyugaypsoq yoınp seNy es og pun aups.10ppg uud ap o ep *uodıuolusp pun usyıeyy uawonbagtun doyep pun uos] -oadnzje uap UOYOSIMZ IIEU e esp se Sjep ze os Senna Spurl sep Jeg eib ne gyomsyony e ysı (se N Adu 10Z pg en 161) TONEI Op Jewiog sel] eee eee pe eee sepyy eee eee e sne sap gleiuf 4p uofels nz eee ur ‘snyoodsoag uayoıpıynjysne “uopuayeyıo nz spaß uasunpuegyong elle Yoınp *usgyonıpo3 sıopuosaq uep zur Sungatzag asp ur sjpnur so pun “uszyasnzuapueurasne aayru odnz 10 4 uOpuaudplazsn? eee pun ende ee 08 404 wagposuop op pun ozyyspunır) U9UISOMAF puagadsjem sry uonau sap Zunpaqaesny op 199 op “you Jayejsad adtozuy aof wney a0 "108 uogooıdsjuo Isyorsow yyeyosusssıy Jap uoßunaopaoguy nop pun ossimuuay uorosıydei3oas op apurjsnz uodymay uop op ed UOTE pun U9USJLOMUE bee uonou eie -pinp S1purjsjjoa word ern use Jewusjsıo nz FaııoA dei uudagg uossop one M WOP UT uagjoswop see uayey uonsıyıa uz osjepy modus Juan ur SwnorguT eres sap Sunne -uy uoysmeur op OLMOS eee UOYSTHFeyDSUOSSIM dp SITEJIOFT sop opuejsny un spe pmejgosjnog u JyoMOos YoIs oda ON dp opfeg Wap un uodungste] adnıoysıq uossop Asse A 400 188 81 "UL fend eres esu geospug uorgſog pun apueneperN use :IJeqyuf Dung 2 urplog nz uojJeydsuossıqy lep ofuepe gv uoyaıpdıuoy 0p per Luna moiuman 1 | - PNOqIROqg pun nabe "wor [gl OF ui ä 4 303 130 Tudgl zn — ET EEPN . ee, j 1 RA Un are SV 8 Le) 16. 17. 18. 19.7 20. nn | Planiglob FFP Europ aK „CF Deutschland 00 een Preufsen und Pommern „ ’ Schlesien und Posen Brandenburg, Sachsen und Thüringen Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Mecklenburg PFE Westphalen, Rheinprovinz, Hessen und Nassau Baiern, Wuxtemberg und o „Böhmen, Mähren - und Oesterreich Tyrol, Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain und Re FE TE NT TE RM FE Ungarn, Siebenbürgen, Croatien und Galizien Oesterreichischer Gesammtstaat . -» >... . Schweiz nebst Savoyen und Lombardei Italien und Dalmatien Spanien und Portugallas Niederlande und Belgien Frankreich nebst Niederlanden und Belgien — — —— —— — .. l Hd 12 — — s 25 3, 800,000 24 Mill © 20 „ an.‘ * — 21. 2 Britische RE Zu ee alhweden u. Norwegen 23. Scandinavische Halbinsel, Finnland u. Russische Ostsesprewingen , ! ren Lehel ien 24. Europäisches „ 3 . 25. Europäische Türkei und Griechenland RE 26. Asien EBEN een Eh N 27. Klein-Asien, Syrien und Armenien 28. Vorder- Asien (Türkei, Persien, Turan, nördliches Arabien] a NS 29, Werder üer e a% 30. Hinter-Indien, Sünda-Inseln, China und Japan 31. Australien (der Welttheil) in Mercators Projection. 32. Austral-Continent und Neu-Seeland cg r v e NIE ER ENENE I, 35. Tunis, Algerien und Marocco 86: Nord-Amerion Sun ie ale a a ekegla-.n 37. Vereinigte Staaten, östlicher Thein«?“««lv ., 38. Vereinigte Staaten, westlicher Theil und Mexico . 39. West-Indien und Central-America . . » . x. oe Süd- Ame )) 8 — 2 — 4 — — — —— — — . Erdkunde. . u Seeg der Weſellſchaft für r Brökunde f zu Berlin und unter fer ae We Rd w. 5 C. G. Ehrenberg, 9 Kiepert und C. Ritter . N in Berlin, 3. Andree in Dresden und J. E. Wappäus in Göttingen, / Herausgegeben Ku! % von Dr. C. E. Gumpregt. Fünfter Band. Zweites Heft. ö Inhalt. Seite Gumprecht: Barth's Schickſale und e im centralen Nord⸗ Afrika. (Schluß.) „ C. Pieſchel: Die Vulkane von Meilen. (Bortfegung 55 5 124 C. Ritter: Ueber die wiſſenſchaftliche Reiſe der drei Gebrüder Slant weit in Indien. 148 Sitzung der Berliner Geſellſchaſt für Erdkunde am 9. Juni 1855. ET Von dieſer Zeitfchrift erfcheint jeden Monat ein Heft von 4 bis 5 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, iſt 2 Thlr. 20 Sgr. | Sevrudt bel A. W. Schade in Berlin, Grünſtr. 18. iz | II. Barth's Schickſale und Unterſuchungen im cen- tralen Nord -Afrika. (Schluß.) An die früher mitgetheilten höchſt erfreulichen Nachrichten über das Wiedererſcheinen Barth's (Bd. IV, S. 404 — 414) ſchließen wir nun in einer geordneten Ueberſicht eine Reihe anderer an, welche den für die Kunde Central-Afrika's überaus wichtigen Zug des Reiſenden von Kuka nach Timbuktu betreffen. Dieſelben wurden vorzüglich meh— reren in dem 1. und 4. Hefte von Herrn Petermann's Zeitſchrift ver⸗ Öffentlichten Briefen Barth's an die Herren Bunſen, Beke und an den Herausgeber ſelbſt, dann den in dem neueſten Bande der Schrif— ten der Londoner geographiſchen Geſellſchaft (XXIV, 283 — 285) ent⸗ haltenen Schreiben des Reiſenden entlehnt und ergänzen die älteren hier gelieferten Berichte (II, 67 — 68, 313 — 363; III, 59 — 69, 223 — 226, 392 —- 396, 517 — 519) in der wünſchenswertheſten Weiſe. Indeſſen ſind, um das Bekannte nicht zu wiederholen, in der folgenden Zuſammenſtellung alle diejenigen Nachrichten weggelaſſen worden, die ſich in den bereits mitgetheilten Documenten vorfanden. Von den durch Barth in den letzten zwei Jahren (ſeit dem No— vember 1852) unterſuchten Gegenden Central-Afrika's war nur ein Theil, nämlich der große, zwiſchen Kuka und Sokoto gelegene Strich bei Gelegenheit der erſten britiſchen Expedition und dann bei Clap— perton's zweitem Beſuche dieſer Gegenden von Europäern betreten worden. Leider entbehrte Clapperton bei ſeinen Forſchungen einer ſehr weſentlichen Hilfe, indem die ihm zur Begleitung mitgegebenen Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 7 98 Gumprecht: Naturforſcher, Dr. Oudney bei der erſten, Dr. Morriſon bei der zwei— ten Reiſe ſehr bald ein Opfer des afrikaniſchen Klima's wurden. Clap— perton's frühzeitiger Tod zu Sokoto unterbrach dieſe Forſchungen ſogar ganz; aber trotz der mannigfachen Unglücksfälle war die Kenntniß des angegebenen Theils der Nigerländer, welcher bei den Eingeborenen unter dem Namen Haufja, bei den Bornuern unter dem Namen Afnu, bei den Arabern unter dem Namen Sudan !) bekannt iſt, bis zu Barth's Eintritt in denſelben ſo weit vorgeſchritten, daß derſelbe mit Bornu zu den bekannteſten Regionen Central-Afrika's gerechnet werden konnte. Einen großen Gewinn erlangte die poſitive Geographie des Continents aber beſonders dadurch, daß Clapperton es nicht unterlaſſen hatte, die Lage der wichtigſten, auf ſeinen beiden Reiſen beſuchten Orte aſtrono— miſch feſtzuſtellen. Viel weniger bekannt waren dagegen die nächſten weſt— lich von dem durch Clapperton durchzogenen Gebiet gelegenen Theile Cen— tral⸗Afrika's, da in dieſelben weder vor dieſem Reiſenden, noch nach— her, je ein europäiſcher Fuß eingedrungen war. Wir müſſen nämlich von Mungo Park abſehen, der nur die Flußfahrt von Sanſading bis Boufja den Niger abwärts unternommen hatte, ſowie von Hornemann, über deſſen Reiſe bis Nyffi, wo er ſeinen Tod gefunden zu haben ſcheint, wir aller Nachrichten entbehren. Selbſt Berichte von Einge— borenen fehlten über die an beiden Seiten des mittleren Niger zwiſchen Timbuktu und Bouffa gelegenen Landfchaften gar ſehr, indem wir dar— über nur einige Itinerare beſaßen, von denen das erſte der im Jahre 1820 zu früh am Senegal verſtorbene franzöſiſche Orientaliſt Rouzée aus dem Munde eines Fellanpilgers, des Hadſch Beſchir, aufgezeichnet hatte (Nouv. annales des voyages 1827. VIII, 202 — 204), dann ein zweites durch Fresnel mitgetheiltes (Bull. de la Soc. de G£ogr. 3me Ser. XIV, 154 — 156), ferner ein drittes, in dieſer Zeitſchrift (III, 52) enthaltenes, endlich ein viertes, öfters erwähntes (II, 359, 360), das des Scheikh Ahmedu, unzweifelhaft das beſte, hierher gehören. Wären aber auch dergleichen Itinerare in größerer Zahl vorhanden und enthielten ſie mehr als trockene Namen, ſo vermöchten ſie doch nicht einen einzigen, von einem Europäer aus eigener Anſchauung verfaßten ) Es iſt dies der enger begrenzte Begriff von Sudan, zu dem die afrikaniſchen Araber weder Timbuktu, noch Bornu und noch weniger die weſtlich von Timbuktu oder öſtlich von Bornu gelegenen Landſchaften zu rechnen pflegen. Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 99 Bericht zu erſetzen, da Zuverläſſigkeit, Unbefangenheit und Eindringlich— keit im Beobachten nur Reiſenden von europäifcher Race und Bildung verliehene Gaben zu ſein ſcheinen. So iſt alſo Barth's Reiſe von Sokoto nach Timbuktu ein überaus wichtiges Moment für die Erwei— terung unſerer Kunde des centralen Afrika, welche um ſo mehr Werth dadurch erhält, daß ſich ihre Ergebniſſe im Oſten unmittelbar an die durch Clapperton in Hauffa, im Weſten an die durch Caillié und M. Park, endlich im Süden an die durch Clapperton, Laird gemeinſchaftlich mit Olfield und die Gebrüder Lander gewonnenen Reſultate anſchließen. Da unſer Reiſender eine Reihe von Längen- und Breitenangaben für die Lage der von ihm beſuchten Orte geliefert hat, ſo wird auch die zwiſchen Sami am oberen Niger, wo M. Park ſeine letzte aſtronomiſche Beobachtung machte, und Sokoto nebſt Bouſſa, beides Orte, deren Lage Clapperton ffeſtſtellte, gebliebene Lücke zur Entwerfung einer Karte von Central-Afrika auf feſten Poſitionen in der dankenswertheſten Weiſe ausgefüllt ). Ende November des Jahres 1852 war Barth mit ſeinen Vorbe— reitungen zur Reiſe nach Timbuktu fertig, nachdem er die letzte ihm gebliebene Zeit mit der ihm eigenen löblichen Vorſorge benutzt hatte, um ſeine Papiere und Tagebücher zu vervollſtändigen, zu ordnen und möglichſt in Sicherheit zu bringen, falls er auf der bevorſtehen- den Reiſe dem Tode nicht entgehen ſollte. In einem kurz vor ſeinem 3 Verlaſſen Kuka's am 20. November 1852 gefchriebenen und von Herrn Petermann veröffentlichten Briefe berichtet er, wie er ſich damals in beſter Geſundheit befunden und von dem Scheikh von Bornu in der freundlichſten Weiſe Abſchied genommen habe, bei welcher Gelegenheit er ſich noch bemühte, deſſen Mißtrauen in Bezug auf den von ihm be— abſichtigten Beſuch der Fellanſtaaten zu beſeitigen, was ihm auch ge— lungen zu ſein ſchien, da der Scheikh ihm zum Abſchiede zwei ſchöne Kameele für feine Reife ſandte. Wenn er aber damals dem Scheikh die Ausſicht eröffnete, daß binnen Jahresfriſt ein engliſcher Conſul nach Kuka kommen und hier ſeinen Aufenthalt dauernd nehmen würde, ſo war dies, wie der Verfolg zeigte, eine ſehr verfrühte, obwohl England allerdings früher kurze Zeit hindurch in Bornu einen Conſul Pr ) Ob Barth ſelbſt aſtronomiſche Beobachtungen anftellte, was Herr Petermann zu bezweifeln ſcheint (Mittheilungen T, 13), darüber f. den Schluß dieſes Aufſatzes (S. 123). 8 7 * 100 Gumprecht: in der Perſon des Mr. Tyrrwhit gehabt hatte. Die neueren Bornu— herrſcher waren nämlich einſichtsvoll genug, den Einfluß der europäi— ſchen Civiliſation und den Werth directer Handelsverbindungen ihres Landes mit Europa gebührend zu würdigen, da ſie ſeit etwa 35 Jah— ren in ſteter Verbindung mit Murzuk und Tripolis ſtehen und von hier aus mannigfache europäiſche Gegenſtände für ihren Bedarf be— ziehen. So war es ſchon ein dringender Wunſch des zu Den— ham's Zeit in Kuka reſidirenden Scheikhs von Bornu geweſen, einen Engländer als Conſul bei ſich zu beſitzen, damit derſelbe die etwa ankommenden Kaufleute ſeiner Nation in Empfang nehmen könnte. Tyrrwhit, der Denham's Expedition nachgereiſt war und ſich ihr zu— letzt noch angeſchloſſen hatte, ließ ſich bereit finden, nach Denham's Abgange zu Kuka zu verbleiben, fiel aber bereits wenige Monate dar— auf dem Klima zum Opfer (Denham J, 275, 334; II, 151). Faſt unmittelbar nach Overweg's Tode hatte Barth am 7. October 1852 zu dieſem Zweck ein Geſuch an Herrn Bunſen gerichtet (Zeitſchrift I, 205, 207), worauf er demſelben die Angelegenheit zum zweiten Male am 12. October deſſelben Jahres dringend zur Unterſtützung empfahl, indem er mit Recht dabei ſagte: „Laſſen Sie das Angefangene nicht fruchtlos zu Grunde gehen, das, wenn es mit Ener— gie und Durchbringung einiger Opfer verfolgt wird, große Früchte für Aufhellung dieſes Welttheils in jeder Beziehung gewähren kann.“ In ſeinem Schreiben vom 12. October berichtete noch Barth, daß er fünf größere Wörterbücher (wohl Vocabulare! G.) vollendet, dieſel— ben aber zurück behalten habe, um, wo möglich, eine Einleitung dazu zu ſchreiben, dann, daß er mit derſelben Gelegenheit die durch Over— weg bei ſeiner letzten Excurſion nach Gudſcheba (Gujsba) geſammelten, aber von ihm nicht abgeſandten Steine ſchicke (es find dies dieſelben, welche unſer Reiſender in ſeinem unmittelbar nach Overweg's Tode ge— ſchriebenen Briefe erwähnte (Zeitfchrift I, 207), von deren Ankunft in Europa wir noch immer nichts wiſſen), endlich, daß durch den Scheikh von Bornu und ſeinen Vezier ihm verſprochen worden ſei, eine Copie des Buches des Edris Alnoma nach England zu übermachen. Es ſei dies ein Werk, fügt er hinzu, das ſeinem Namen nach von einem der größten Beherrſcher Bornu's herrühre und, wie er hoffe, ein ganz Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 101 neues Licht über die Geſchichte und Geographie von Central-Afrika ver breiten werde !). Ob die Zuſage erfüllt wurde, iſt uns unbekannt, jeden— falls iſt es von Intereſſe, in der Angabe eine Beſtätigung zu erhalten, daß eine literariſche Thätigkeit bei der muhamedaniſchen Bevölkerung Central-Afrika's nie ganz gefehlt hat. Aus neuerer Zeit gaben hier— über ſchon das hiſtoriſch-geographiſche Werk des Sultan Bello über das Reich Takrur, wovon des Verfaſſers Secretair einen durch Clap— perton nach Europa gebrachten und ſpäterhin veröffentlichten Auszug machte (Denham II, 158 — 170), dann die durch Barth zu Wurno gefundenen intereſſanten Bücher, aus denen derſelbe viel zur Geſchichte des Landes lernte Zeitſchrift III. 61, 224), Zeugniß; aus Älterer Zeit gehört zu ſolchen literariſchen Documenten Central-Afrika's das ausführ— liche Werk des Sidi Ahmed Baba, eines in der Saharaoaſe Arowan (Aräuän, Geogr. von Afrika 255) geborenen hiſtoriſchen Schriftſtellers, über die Geſchichte Timbuktu's, wovon der franzöſiſche General-Conſul Baron Rouſſeau zuerſt Kenntniß erhielt und Nachricht mittheilte (Bull. de la Soc. de Geogr. 1“ Ser. VIII, 157, 158; IX, 152, 153). Dieſer Berichterſtatter erfuhr, daß das Werk, worauf wir früher bereits Bezug nahmen (Bd. II, 343), ſich in mehreren Exemplaren im Sudan finde, und er hoffte, eines derſelben ſich zu verſchaffen. Ueber den Erfolg ſeiner Bemühungen wurde nichts bekannt, dage— gen lernte Barth Sidi Ahmed Baba's Werk während feines Aufent— halts zu Timbuktu kennen, und er entlehnte daraus eine chronologiſche Tabelle, die er an Herrn Bunſen ſandte, durch deſſen Güte Herr Pe— termann im Stande war, ſie in dem neueſten 4. Hefte feiner Mitthei— lungen zu veröffentlichen (S. 97 — 98). Bedeutende Excerpte aus demſelben Werke beabſichtigte endlich Barth, der von Rouſſeau's Er— wähnung keine Kunde gehabt und eine neue literariſche Entdeckung gemacht zu haben ſcheint, von Timbuktu aus nach Europa zu beför— dern. Durch ihn erfahren wir zuerſt auch den Titel: Tarikh el Sudan d. h. Geſchichte des Sudan, dieſer, wie er ſagt, wichti— gen Arbeit. ) In der Reihe der Bornuherrſcher von 1512 — 1677, über die vor einigen 4 Jahren eine von einem franzöſiſchen Sclaven zu Tripolis verfaßte Notiz veröffentlicht et worden ift (Bull. de la Soc. de G£ogr. 1849. Al, 252 — 259), kommt der Name des Edris Aaoma nicht vor. 102 Gumprecht: Ungefähr am 25. November 1852 (das beſtimmte Datum ergiebt ſich nicht aus den nach Europa gelangten Briefen) verließ Barth Kuka, um ſich nach dem Weſten zu begeben, indem er zunächſt das wohlbekannte, 70 geogr. Meilen weſtnordweſtlich von Kuka entfernte und ſchon öfters erwähnte Zinder beſuchen wollte. Hier langte er glück— lich an und verweilte wenigſtens einen ganzen Monat. Denn ſchon früher hatten wir einen durch ihn dort am 1. Januar 1853 geſchrie— benen Brief mitgetheilt (III, 67), ein zweiter, jetzt durch Herrn Peters mann veröffentlichter wurde am 29. deſſelben Monats daſelbſt von uns ſerem Reiſenden geſchrieben. Am 20. Januar hatte Barth zu Zinder die Freude, eine große Hilfe zur Förderung ſeiner Forſchungen im We— ſten in 1000 Dollars zu erhalten, die einen Theil der ihm von der engliſchen Regierung bewilligten Unterſtützung ausmachten. Dieſelbe kam ihm um ſo gelegener, als ſeine eigenen Mittel bei der Abreiſe von Kuka ſich bis auf 200 Dollars verringert hatten, und er großer Waarenvorräthe zu Geſchenken für die einheimiſchen Fürſten und ihre Diener behufs Erwerbung der Möglichkeit und Sicherheit ſeiner Wei— terreiſe bedurfte. Andere 400 Dollars nebſt einer Kiſte mit ſchönen und nützlichen, durch die engliſche Regierung geſandten Stahlwaaren kamen zu ſpät in Zinder an, als er den Ort bereits verlaſſen hatte. Beides blieb zwecklos daſelbſt liegen, indem der Reiſende auch nicht von Kätſena aus im Stande war, dieſe Gegenſtände, die ſpäter dem Uſur— pator von Bornu in die Hände fielen und ihm ſelbſt ganz verloren gingen, an ſich zu ziehen. Von Zinder beabſichtigte Barth, ſich zunächſt nach Kätſena zu wenden, um ſodann Sokoto zu erreichen. Einen Theil dieſes Planes änderte er anfänglich, weil man ihm die Unſicherheit der Umgebungen Kätſena's zu groß vorſtellte, weshalb er ſich entſchloß, gerade nach Kano, der größten Handelsſtadt dieſes Theils von Central-Afrika oder, wie ſie Richardſon nicht unpaſſend genannt hatte (A mission II, 309), dem London des Sudan zu gehen. Aber auch auf dem Wege ſtell— ten ſich ihm Hinderniſſe durch Räuber entgegen, die heidniſche Maria— di's geweſen ſein mögen, indem Richardſon früher ſchon gehört hatte (a. a. O. II, 351), daß dieſe den Weg für Reiſende gefährden. Er kam deshalb auf ſeinen früheren Plan zurück. Seit der Regierung des ſchlaffen Sultan Aliyu find nämlich die Handelöftraßen im Fellanreiche Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 103 von Sokoto durch Raͤuber beunruhigt, während dieſelben früher zur Zeit von Aliyu's unmittelbarem und kräftigem Vorgänger Atiku ſehr ſicher geweſen fein ſollen (Zeitſchrift III. 61). Von Kätſena theilt Herr Petermann ein Schreiben Barth's vom 6. März an Herrn Bunſen mit, muthmaßlich daſſelbe, wovon früher hier die Rede war (Zeit— ſchrift III, 59). Seinen dortigen Aufenthalt bis zum 21. März benutzte der Reiſende theils zu wiſſenſchaftlichen Forſchungen über das gegenwärtig in Hauſſa regierende Volk der Fellans, theils zum Ans kaufe einer bedeutenden Maſſe von Manufakturwaaren, womit der Markt von Kätſena ſtets reich verſorgt iſt. Dadurch erſchöpfte er wieder ſeine Kaffe bis auf 350 Peſo's (Dollars) und 100 türkiſche Machuben, letzte eine für ihn werthloſe Münze, die keinen Cours im Sudan hat und ihm merkwürdiger Weiſe aus Tripoli oder Murzuk, wo man doch die Geldverhältniſſe des Sudan genau kennen muß, zugeſandt worden war (unter den Machuben find wahrſcheinlich die Zermahbuͤb oder türfifchen und ägyptiſchen Goldzechinen zu verſtehen, welche etwa 12 Thlr. Pr. C. in Golde gelten). Die eingehandelten Manufakturwaaren, wovon Barth ein Verzeichniß mittheilt, beſtanden größtentheils in Klei— dungsſtoffen (Turkedis und Toben), die in der großen, am unteren Niger gelegenen und hier öfters genannten Landſchaft Nyffi (Nyfe), ſowie zu Kano verfertigt werden, und in Geſichtsbinden. Denn Nyffi's Bewohner gehören zu den induſtriöſeſten Völkerſchaften Nord-Afrika's und zeichnen ſich vorzüglich im Spinnen von Baumwolle und Weben von Kleidungs— ſtoffen aus (Clapperton bei Denham II, 54, 113; Schön in den Ba- ö ſeler Miffionsberichten 1845, S. 71, 78; R. and J. Lander, Jour- nal II, 316), ja deren Zeuge ſtehen in dem Rufe, die beſten im Niger— lande zu fein, fo daß fie Gegenftand eines ſehr bedeutenden Handels— verkehrs in Central-Afrika ſind und daß Kaufleute von allen Seiten, von Kotonkora, Youri, Kano, Sokoto, Bornu zu ihrem Einkaufe her beiſtrömen. Von dieſen Zeugen werden beſonders die zu Zagoſchie gefertigten ihrer außerordentlichen Künſtlichkeit wegen geſchätzt, indem dieſelben europäiſchen Fabriken ſelbſt keine Schande machen würden. Die Fabrikation hat zu Zagoſchie eine ſolche Ausdehnung erlangt, daß Oldfield dieſen von ihm beſuchten Ort das Mancheſter Central— Afrika's zu nennen nicht Anſtand nahm (Laird and Oldſield, Narrative of an expedition into the interior of Africa by the 104 Gumprecht: River Niger. 2 Vol. 8. London 1837. II, 63, 109). Die Stadt Kano ift dagegen in dieſen Theilen Central-Afrika's berühmt durch die ſehr gute blaue Färbung, welche ihre Bewohner den Kleidungsſtoffen zu geben wiſſen, und beſitzt zu dem Zwecke große Färbereien. Im Jahre 1827 koſtete nach Clapperton hier eine Tobe 5000, eine Turkedi 3000, das Färben einer Tobe vom dunkelſten Blau aber 3000 Kauris (d. h. 2 bis 2? Thlr. Pr. C.) ). Für das Glänzendmachen einer Tobe, was nur mittelſt mechaniſcher Mittel durch eigene Werkleute geſchieht, zahlte man damals 700 Kauris (Denham II, 61), Preiſe, die von den auf dem Markt von Kätſena von Barth angetroffenen wenig abweichen werden und zur Berechnung der von ihm verwendeten großen Summe dienen können. Ueber das Betragen ſeiner Leute fällte der Reiſende noch von Kätſena aus das günſtigſte Urtheil, da ſie ihm mit der muſterhafte— ſten Treue anhingen. Leider verlor er einen jüngſt erſt in Dienſt ge— nommenen marokkaniſchen Scherif aus Mefnäs (Mequinez) der ihm als Führer nach Timbuktu dienen ſollte, aber hier an der Dyſſenterie ſtarb, ein neuer Beweis, wie wenig ſelbſt Eingeborene der Küſtenländer Nord— Afrika's von arabiſcher Nationalität dem Klima der Nigerländer wider— ſtehen. Dies darf freilich nicht verwundern, da Barth's Aufenthalt zu Kätſena bereits in den Beginn der Regenzeit fiel. Dagegen ſchloß Barth hier mit feinem bisherigen Begleiter, dem Mejebriffaufmann (sic! G.) Ali Laggeren, welcher lange Jahre hindurch nach Sokoto und Gonja, letztes das Land der Gourounüſſe, gereiſt war, feſte Bedin— gungen, die ſich auf die ganze Reiſe nach und von Timbuktu zu be— ziehen hatten. Der Lohn der Begleiter und Diener ſollte mit Aus— nahme des mit Ali Laggeren verabredeten nach der etwaigen glücklichen Rückkehr nach Zinder gezahlt werden. Es iſt aber Ali Laggeren oder Ali Lagran derſelbe Begleiter Barth's, von dem früher berichtet war, daß er zwei feiner Gefährten von Kano nach Kuka geſandt habe, um hier den angeblich zu Mariadi erfolgten Tod Barth's zu melden (IV, 84). Die Nachrichten über Barth's Weiterreiſe von Kätſena, das er wegen eines unerwarteten feindlichen Einfalls der Bewohner Guber's ) Barth nennt hier (Petermann I, 8) die Kauri Kurdi, was nach Miſſionar Schön der in Hauſſa übliche Name iſt. Carette ſagte deshalb ſchon (II, 206), die Neger nennten die Kauri's Kourdi naouga, was wörtlich Landesmünze bedeute. Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 105 erſt am 21. März verlaſſen konnte, nach Wurno waren bisher ziemlich bürftig (Zeitſchr. III, 59 — 61, 227) und beſchränkten ſich weſentlich auf die Mittheilungen unſeres Reiſenden über Wurno ſelbſt. Sie erhalten auch jetzt durch die von Herrn A. Petermann mitgetheilten beiden Schrei— ben an die Herren Beke und Bunſen aus Wurno vom 4. April und Zind vom 4. Mai keinen weſentlichen Zuwachs, indem deren Inhalt durch Herrn Petermann's darauf gegründeten ausführlichen Bericht vom 3. Januar 1854 bereits bekannt war. Dagegen ſind die drei von Brarth entworfenen und im 1. Hefte von Herrn Petermann's Zeitſchrift mitgetheilten kartographiſchen Skizzen: 1) der Landſchaften Kebbi und Zanfära, 2) des Landſtrichs zwiſchen Sokoto und Wurno, 3) des Nigerlaufes zwiſchen Saraijamo und Kabra (die letzte Skizze wurde ſchon in Barth's Schreiben aus Timbuktu vom 14. December 1853 (Zeitſchrift III, 394) erwähnt; ein anderes Kartenblatt, welches Barth hier auch als in der Ausführung begriffen erwähnt, ſcheint nicht nach Europa gekommen zu ſein), wie ich früher bemerkte (Zeitſchrift IV, 333), ungemein dankenswerthe Gaben zur Orientirung in dieſen Gegenden, deren Kenntniß dadurch ganz umgeftaltet wird, indem wir über das weſtliche Haüſſa bis jetzt einzig die beiden ſehr dürftigen Kartenſkizzen in den Werken über Denham's und Clapperton's gemein- ſchaftliche Reiſe, dann über Clapperton's zweite Reiſe beſaßen. Die zwi— ſchen Haüſſa und dem mittleren Laufe des Nigers gelegenen Landſchaften, ſowie der Lauf dieſes Stromes finden ſich hier zuerſt theilweiſe nach Au— topſie europäiſcher Augen dargeſtellt, eine Menge bisher ganz unbekann— ter Namen von Orten und Landſchaften erſcheinen gleichfalls zum erſten Male, und namentlich erhält die Kenntniß der hydrographiſchen Ver— hältniſſe in dem zwar ſchon durch Clapperton in verſchiedenen Richtungen durchzogenen Haüſſa die weſentlichſten Veränderungen und Vermeh— rungen. So finden wir auf Barth's Karten zum erſten Male im Nord— Nordweſten des großen und ſchönen, zwiſchen Sokoto und dem Niger gelegenen Kebbi (Zeitſchrift III, 62, 65, 225) die bisher nur durch Dupuys bekannt geweſene fruchtbare und weidenreiche Landſchaft Za— berma (Zanberma in Dupuys, Journal of a residence in Ashantee. London 1824. App. CI, CIII) richtig verzeichnet; fo erſcheint über— haupt zum erſten Male auf einer Karte die von civiliſirteren und be— triebſamen Tuariks zu beiden Seiten des Niger bewohnte Landſchaft Den— nn 106 Gumprecht: ding (oder Dindina Zeitſchrift II, 62) ) und endlich ſehen wir im Süden Kebbi's nunmehr die Landſchaft Gando 2 beſtimmt niedergelegt, da dieſe mit dem durch Clapperton und Lander bekannt gewordenen Lande Jauri (Youri Zeitſchr. III, 68) im Süden zuſammengrenzen ſoll. Nicht minder treffen wir hier zum erſten Male den ganz unbekannt geweſenen Ort Kaurin Namoda als Hauptſtadt der Landſchaft Zanfära, während noch Clapperton den ſeit langer Zeit bekannten und neuerlichſt wieder durch Barth beſuchten Ort Zurmie (Zyrmi oder Zulamie) als Hauptort Zanfära's kennen gelernt hatte (Denham II, 70, 74, 117). Indeſſen iſt Kaurin Namoda wahrſcheinlich nur derſelbe Ort, den Clapperton ohne Namen als neue Hauptſtadt von Zanfära erwähnte (Denham II, 107). Hier finden wir endlich den Niger außer mit dem Namen Iſſa, der ihm von dem Son’rayvolf und der alten eingebo— renen Bevölkerung Timbuktu's gegeben wird (Zeitfchr. III, 62, 68), zum erſten Male mit dem Namen Majo belegt. Der letzte iſt jedoch kein ſo unbekannter Name, indem wir denſelben bereits im Beginn dieſes Jahrhunderts in einer bisher ganz unberückſichtigt gebliebenen Mitthei— lung Seetzens, welche dieſer Reiſende im Jahre 1808 zu Cairo von einem aus dem central-afrikaniſchen Lande Adar) gebürtigen Fellan- ſtudenten über ſeine Heimath einzog, als den eines ſehr großen Fluſſes kennen lernten, doch iſt es faſt gewiß, daß der Majo des Fel— lan nicht der Niger, ſondern ein anderer größerer central-afrikani⸗ ſcher Strom, wahrſcheinlich der Hauptfluß von Hauſſa, welcher wei— terhin noch geſchildert werden ſoll, iſt. Dies ergiebt ſich daraus, daß in Seetzens Bericht geſagt wird, der Majo liege 30 bis 40 Tagerei— ſen ſüdlich von Adar (v. Zach, Monatl. Correſpondenz 1810. XXIV, 233). Sehen wir nämlich auf Barth's Karte von Kebbi und Zanfära, 1) Dieſe betriebſamen Tuariks nennt Barth Dendi (Petermann I, 14); es find dies die nämlichen Tuariks, in Bezug auf welche früher ſchon bemerkt war (II, 68), daß man das ſo weit ſüdliche Vordringen des großen Tuarikvolks bisher nicht ge— kannt habe. 2) Das Erſcheinen einer eigenen Landſchaft Gando darf nach dem früher Mit- getheilten (III, 65, 225) nicht auffallen, wohl aber iſt es auffallend, daß nach Barths Kärtchen von Kebbi und Zanfüra die gleichbenannte Stadt gar nicht zu der Landſchaft Gando gehört, ſondern die Hauptſtadt von Kebbi ift, was wohl durch politiſche Ver— änderungen, die hier ſehr häufig vorkommen, zu erklären ſein mag. 3) Dies Adar iſt nicht mit der Landſchaft Adir oder Tankala zu verwechſeln, welche Clapperton in der Nähe Sokoto's weſtſüdweſtlich davon kennen lernte. Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 107 daß die Landſchaft Adar genau nördlich von dem Hauffafluffe angegeben, und noch durch ein großes Land, durch Guber, von dem Hauffafluffe ge— trennt iſt, ſo paßt Lage und Entfernung des letzten viel beſſer auf den Seetzen'ſchen Majo, als auf den Niger, der nur weſtlich oder höch— ſtens ſüdweſtlich von Adar feinen Lauf nimmt. Daß ferner der Fellan— ſtudent ſeinen Majo durch Guber und Kano fließen läßt, iſt eine weitere Beſtätigung der hier ausgeſprochenen Anſicht, da der Haüſſaſtrom dieſe zu Hauüſſa gehörenden Landſchaften wirklich durchſtrömt, während das— ſelbe mit dem Niger bekanntlich nicht im entfernteſten der Fall iſt. Daß aber Barth den Niger Majo nennt, darf gar nicht irre führen, indem Majo ein Wort der hieſigen Landesſprache von allgemeiner Bedeutung iſt und gleichmäßig zur Bezeichnung des Niger, wie des Haüſſaſtromes dienen kann. Dies folgt ſehr beſtimmt aus zwei Anga— * * e ben des Fellanſtudenten, der einen, daß Majo (nach Seetzens Verdol— metſchung) fo viel, als Meer heißt, dann einer anderen, daß die Ein— geborenen den Majo noch Gulbi nennen. Seetzens Verdolmetſchung iſt jedoch unzweifelhaft theilweiſe irrig, weil an ein Meer hier nicht im entfernteſten zu denken iſt. Der Fellan wird ſich zur Erklärung von Majo des arabiſchen Wortes Bahar bedient haben, welches frei— lich Meer, zugleich aber jedes größere Waſſer, mithin auch jeden grö— ßeren See und jeden anſehnlichen Fluß bedeutet, wie denn die Ara— ber den weißen Nil Bahar el abiad bekanntlich zu nennen pflegen (Ritter's Erdkunde, Afrika. 2. Ausg. S. 521) ). Genau daſſelbe gilt von dem Namen Gulbi, womit zwar auch der Nil bezeichnet wird, zu— gleich aber jedes Waſſer bezeichnet werden kann. So ſagte Lyon ſchon vor 35 Jahren nach ſeinen Erkundigungen in Fezzan mit ſehr beſtimm— ten Worten: The river called Goulbi or Nile (d. h. der Nil der Neger, Zeitſchrift II, 347, oder Niger); the former is Soudan term (mnämlich ein Hauſſawort ſ. hier S. 98) for all waters and by no means applicable to the Niger alone (Lyon, Narra- tive of travels in Northern Africa. London 1821. S. 145). Weber: einſtimmend damit äußerte ſich der Amerikaner Hodgſon nur wenige Jahre ſpaͤter nach feinen in Algier eingezogenen Nachrichten, daß Golbi der Nigername in Hauſſa ſei, und auch er ſagt, daß dieſes Wort fo 4 ) Der bekannte Reiſende Brown ſprach in der Hinſicht ſchon ausdrücklich aus: an is applied to a great lake, as well as to a river (Travels p. XX). 108 Gumprecht: viel, wie Bahar, sea bedeute (Notes on Northern Africa. New York 1844. App.), eine Beſtätigung der aufgeftellten Deutung des Namens Majo in dem Berichte des Fellanſtudenten. Den Namen Gulbi für den Niger lernten wir übrigens ſchon im vorigen Jahrhundert kennen, indem der berühmte Reiſende Niebuhr von einem im Jahre 1772 zu Kopenhagen anweſend geweſenen tripolitaniſchen Geſandten Abd er rha— man oder eigentlich von deſſen aus Hauſſa gebürtigem Diener den Niger ſo nennen hörte (Neues deutſches Muſeum 1790, III.). Später kam derſelbe in den von Lyon's Reiſegefährten Ritchie in Fezzan geſam— melten Nachrichten über Central-Afrika wirklich als Name des Haüſſa— ſtromes vor. Einer von Ritchie's Berichterſtattern, der Hadſch Hamet, erzählte nämlich demſelben, daß ein Strom aus dem See von Nyffi komme, das Land Kaſchna durchfließe, hier den Namen Gulbi erhalte, dann durch Gano (Kano), Bornu und Känem gehe und endlich in Bagermi eintrete, wo ſich jede Spur von ihm verliere (Quarterly Re- view 1820. XXIII, 234). Freilich iſt in dieſer Notiz Wahres mit Falſchem reichlich gemengt, indem der Hadſch den nach Weſten gehen— den Haüſſaſtrom mit dem entgegengeſetzt nach Oſten fließenden Neu ver— bunden hat, ein Mißgriff, welcher bekanntlich oft bei afrikaniſchen Bericht— erſtattern in Bezug auf Flüſſe vorkommt, deren Quellgebiete nahe liegen, wie es bei dem Haüſſaſtrom und Mu wirklich der Fall iſt (Clapper- ton, Journal 168) und der zu vielen Verwirrungen in der Geographie Central-Afrika's Veranlaſſung gegeben hat. Endlich beſtätigt noch Barth's Karte von Kebbi und Zanfara das über die allgemeine Bedeu— tung des Wortes Gulbi Geſagte, da ſie, wie weiterhin ſpeciell ange— geben werden wird, zu vielen Flußnamen in Hauſſa ausdrücklich Gulbi oder Gulbin ſetzt (S. 110). Berückſichtigen wir zuletzt den erſt durch Clapperton in Europa bekannt gewordenen Namen Quorra des mitt— leren und unteren Niger, ſo ergeben die neueren linguiſtiſchen For— ſchungen ein ähnliches Reſultat, nämlich daß auch dieſes wahrſcheinlich der Haüſſaſprache entlehnte Wort eine allgemeine Bedeutung hat und faſt Gleiches mit Majo und Gulbi bezeichnet. So hörte Hodgſon (a. a. O. S. 110), daß Korama im Haüſſa Fluß heiße, und der deutſche Miſ— ſionar Schön beſtätigte dies in ſeinem Werke über dieſe Sprache, wo es unter Anderem heißt (Vocabulary of the Haussa language. London 1843, s. voc river): River s. Koramma pl. Korammu. Might not Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord = Afrika. 109 Quorra be a corruption of this word? Daß aber dieſes Quorra— Wort in den Nigergegenden eine große Verbreitung erhalten hat und Clapperton bekannter, als die übrigen hieſigen Namen des Niger, die er nicht gekannt zu haben ſcheint, geworden iſt, darf nicht wundern, da das Haüſſa eine ſehr reiche, ausgebildete und wohlklingende Sprache iſt, welche eben dieſer Vorzüge wegen in den Nigergegenden weit über ihre urſprüngliche Heimath hinaus Eingang gefunden hat!). Durch Barth's Karten erhält beſonders die Kenntniß der hydro— graphiſchen Verhältniſſe in den Gegenden zwiſchen Kätſena und Tim— buktu mannigfache Veränderungen, indem hier zum erſten Male viele neue Namen von Flüffen und der Lauf derſelben erſcheinen. Eine Zuſammen— ſtellung der neuen Reſultate mit den älteren wird dies anſchaulich machen. Nach Barths Erkundigungen entſteht der Strom von Haüſſa ſuͤd— ſuͤdöſtlich von Kätſena in etwa 10° 20’; er nimmt dann feinen Lauf zuvörderſt nach Nordweſten, indem er in einiger Entfernung weſtlich von Kätſena vorbeifließt. Ungefähr unter dem 10% 20“ nördl. Br. ver einigt ſich mit ihm ein anderer von Nordoſten kommender Fluß, deſſen Namen unſer Reiſender aber nicht anführt. Von da an ändert der Strom ſeine Richtung in eine weſtliche um, mit welcher er durch die Landſchaft Guber geht und deren Hauptort Kalaua (Kalawawa bei Denham II, 79, 114) berührt. Weſtwärts Kalaua bei Guangäſo nimmt er noch einen zweiten anſehnlicheren, von Südſüdoſten kommenden Fluß auf, der Zanfära durchzieht, Kaurin Namoda berührt und ſeinerſeits unfern von Sanſanneh Ayſa (Zeitſchrift III. 59, 224) ſich durch ein von Südſüdoſten kommendes und nach der von ihm beſpülten Stadt Zirmie Zirmiefluß bei Clapperton (Journal 180) genanntes Waſſer verſtärkt. Bei Wurno erhält endlich der Haüſſaſtrom den Namen Rima (Gulbin Rima auf der Karte); von hier geht er nach Südweſten bis zu der in der Landſchaft Kebbi gelegenen Stadt Bunſa, wo er 1) Dagegen iſt zu bemerken, daß das Wort Gulbi weder bei Schön, noch unter den von Koelle geſammelten Hauſſaworten vorkommt, indem jener das Waſſer im Hauſſa lua, dieſer rua nennt (Polyglotta africana or a comparative vocabulary 5 of nearly three hundred words and phrases by Rev. S. W. Koelle. Fol. London 1851, ſ. Water). Die Verſchiedenheit dieſer beiden Worte erklärt ſich dadurch, daß in der Hauſſaſprache die Labialen Lund x ſehr häufig verwechſelt werden, was nach Bow⸗ dich (Mission to Ashäntee 196) und Schön (a. a. O. 46) auch in andern Theilen Alfrika's nicht ungewöhnlich iſt. 110 Gumprecht: nochmals in eine ganz weſtliche Richtung umſetzt, bis er zuletzt ober— halb des in etwa 14° nördl. Br. und 3“ 45’ öſtl. L. Gr. gelegenen Orts (Zeitſchr. II, 331) in den Niger fällt. Unterhalb Wurno vereinigt ſich mit dem Strome und zwar auf deſſen linker Seite die Raba (Gulbin Raba) oder Bugga, ein unbedeutendes (Denham II, 114), ſtark ge— wundenes Flüßchen, das abermals von Südſüdweſten kommt und kurz vorher, ehe es in den Rima fällt, Sokoto berührt. Bei Argungu ver— läßt endlich die Rima das Fellanreich von Sokoto, und tritt in die Landſchaft Kebbi ein, wo ſie den Namen Gulbin Kebbi oder Gul— bin Sokoto führt. Gegenüber Bunſa !) verſtärkt fie ſich von der Süd— ſeite her durch den Gindi (Gulbin Gindi) oder Zoma (Gulbin Zoma) ), einen ſehr langen und anſcheinend anfehnlichen Fluß, deſſen Quelle Barth nicht bekannt geworden zu ſein ſcheint, und der in dem größten Theile ſeines Laufes, namentlich während ſeines Verweilens in Kebbi, einer faſt genau weſtlichen Richtung folgt. Zuletzt fällt noch ein Waſſer, Rannéo oder Farinrua genannt, das wiederum von Süd— ſüdoſt kommt, in den Haüſſaſtrom. Vergleichen wir mit dieſen neuen hydrographiſchen Ergebniſſen die früher bekannten, ſo ergeben ſich namhafte Abweichungen, ohne daß wir bis jetzt zu beſtimmen vermöchten, welche von den Dar— ſtellungen, die ältere oder neuere, zuverläßiger iſt; ſicher dürfte nur das ſein, daß, da beide Darſtellungen auf einzelnen, von den Rei— ſenden betretenen Routen beruhen, keine eine vollkommene Richtigkeit hat. Barth's Karte zeichnet ſich allerdings, wie erwähnt, durch einen großen Reichthum von Gewäſſern aus; da aber die meiſten davon nach Angaben der Eingeborenen niedergelegt ſind, ſo muß eine weitere Beſtätigung abgewartet werden. Was ſpeciell den oberen Lauf des Haüſſaſtromes und feiner dortigen Zuflüſſe betrifft, fo möchte ) In Dendina nennt Barth außer Bunſa noch die Städte Pelu und Gaya (Gayu), die erſte auf der Nordſeite des Gulbin Kebbi, unfern der Mündung dieſes Fluſſes in den Niger, Gaya aber unmittelbar an dieſem Strome oberhalb Say. 2) Dieſe oftmalige Wiederholung des Beiworts Gulbin bei den eigentlichen Fluß⸗ namen darf nicht unbeachtet bleiben, wie S. 108 bemerkt war. Auch Dupuys nennt einen Ghulbi Kherba (App. C). Dagegen laſſen ſich die zahlreichen, von demſelben in Afchänti geſammelten ſehr vagen Daten über einen zweiten Ghulbi (LXIII, XCIII, XCVI, XCVIII, CV, CXXVIII u. ſ. w.) weder auf den Niger, noch auf den Haufla- ſtrom, ſondern nur auf Ströme im Weſten des Niger beziehen. Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 111 ich der Darſtellung auf der Karte zu Clapperton's zweiter Reiſe vor der Barth'ſchen ſogar den Vorzug geben, da jener Reiſende ſeinen Weg viel nördlicher, näher am Strome hin genommen und denſelben zwei Mal in aller Muße zurückgelegt hat, während Barth durch den hier (S. 104) erwähnten Einfall des feindlichen Guberanerheeres gezwungen wurde, eine ſehr ſüdliche, von dem Stromlaufe entfernte Route nach Zirmie einzuſchlagen, und die Nähe des Feindes ihn überdies zu gro— ßer Eile nöthigte, wobei ihm keine Zeit zu gründlicheren Beobachtungen geblieben ſein kann. So mußte er bis Bunka, einem Orte vor Zir— mie, einen ermüdenden 19 ftündigen (Petermann I, 12) und von Bunka einen zweiten 26 ſtündigen Marſch durch das verödete und verwilderte Guber zurücklegen, bis er erſt unter dem Schutze von Aliyu's Heer Ruhe und Sicherheit fand. Deshalb iſt es erklärlich, daß manche Namen auf Barth's Karte fehlen, deren Kenntniß wir ſchon durch Clapperton erhalten hatten. So giebt Barth weder auf der Karte, noch in feinen Briefen dem erwähnten, in Zanfära und hart bei Kau— rin Namoda vorbei fließenden Strome einen Namen, obgleich ein ſol— cher bei Clapperton, wenn auch in vier verſchiedenen Formen, vorkommt, ſo daß man die beliebige Auswahl hat. Einmal nennt nämlich der britiſche Forſcher den Fluß Futſchie (Denham II, 116), ein zweites Mal Felſche (ebendort II, 78), das dritte Mal Futſchir (Futchir, Journal 179) und endlich erſcheint derſelbe auf den nach Clapperton's Ermit— telungen gezeichneten beiden Karten als Fulſche. Es vereinigt ſich derſelbe nach Clapperton eine halbe Tagereiſe nördlich von der auch auf Barth's Karte von Zanfära und Kebbi genannten Stadt Bada— raua mit dem die Grenze der Provinzen Kätſena und Kano bildenden, in ſeinem höheren Laufe von Clapperton als Fluß von Duncami (ein Ortsname, der bei Barth fehlt), dann aber als Quarrama (Den— ham II, 70, 73) aufgeführten Zirmiefluſſe. Durch die neu gewonnene Kenntniß der hieſigen geographiſchen Verhältniſſe modificirten ſich natür— lich auch in manchen Stücken die früher hier (III, 67, 68) aus Clapper⸗ ton's Berichten mitgetheilten hyͤdrographiſchen Angaben. Ob die neuen Darſtellungen Barth's bei Gelegenheit von deſſen Rückreiſe, wie er hoffte, Veränderungen und Berichtigungen erhalten haben, läßt ſich noch nicht ermeſſen, doch dürften ſolche kaum zu erwarten fein, da der Reiſende von Wurno diesmal einen ſogar noch viel ſuͤdlicheren Umweg genommen e 112 Gumprecht: zu haben ſcheint, wenn nämlich der Ort Gandi, über den er ging, mit der erwähnten Capitale Gando identiſch iſt. Ueber Wurno und ſeine Umgebungen erfahren wir aus den neuen Berichten zu den früher (III, 60, 223) mitgetheilten Nachrichten end- lich noch, daß der Ort urſprünglich zu der großen Landſchaft Guber, Sokoto dagegen zu Kebbi gehörte (Petermann I, 11), ferner, daß dieſe beiden Landſchaften durch ein Flüßchen getrennt feien, deſſen Name in dem Berichte nicht genannt wird, das aber wahrſcheinlich die Raba iſt, da beide Städte wohl auf derſelben Seite der Rima, dagegen auf verſchie— denen der Raba liegen, endlich daß in der Nähe Wurno's in der letzten Zeit eine große Zahl von Fellan-Anſiedelungen entſtand. Dieſe Verbrei— tung des Fellanvolkes in Central-Afrika (ſie läßt ſich öſtlich bis Dar Fur verfolgen, wo Anſiedelungen der Fellans ſchon durch Brown (S. 269, 271) und den Scheikh El Tounſy (Dar Fur 134) ) beobachtet worden ſind, iſt überhaupt eine höchſt merkwürdige Erſcheinung. Denn während wir ſonſt in dem afrikaniſchen Continent ein fortwährendes Drängen der Binnenvölker gegen die Küſte ſehen, wie dies namentlich bei den Galla, Mandingo und den Anwohnern des oberen Gaben der Fall iſt, ver— folgen die am oberen Senegal, urſprünglich aber in der Landſchaft Fu— lahdu d. h. Fellanreich heimiſchen Fellans ein entgegengeſetztes Be— ſtreben nach Oſten und in das Innere des Continents hinein. Die Temperatur fand Barth zu Wurno, wie früher angegeben (III, 62), ſehr hoch; ſie erreichte nach ſeinen jetzigen beſtimmteren Angaben um 2 Uhr Nachm. 108 — 111° Fahrenh. (34 — 35 R.) und Abends ſogar noch 95 — 98 F. (28 — 29 R.). Aus der ſehr baumarmen Flora bei Wurno fiel ihm nächſt den früher ſchon genannten Bäumen (III, 61) die Kuka auf, die hier aber wohl nicht die Adanſonie (Zeit- ſchrift IV, 254 — 256), ſondern eine baumartige Euphorbie iſt. Zu Wurno hatte Barth ſehr viele Materialien geſammelt, wovon er einen Theil an den um die eentral-afrikaniſche Geographie hoch— verdienten britiſchen Forſcher Desb. Cooley zu ſenden beabſichtigte. Dieſes Autors bekanntes, das centrale Nord-Africa im Mittelalter nach den Anſichten der arabiſchen Schriftſteller betreffendes Werkchen (The Negroland. London 1811) glaubte er nicht genug preiſen zu * 1) In neuerer Zeit hörte noch Fresnel von den Fellan in Dar Fur (Bull. de la Soc. de Geogr. 3me Ser. XIII, 91). pP d N Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 113 können, da, wenn er auch darin manche unnütze Conjectur tadeln müſſe, 3. B. daß Cooley Kalaua, Gubers frühere Hauptſtadt (f. hier S. 109), irrthümlich mit den Keluituarik's in Verbindung bringe, ferner die un— -zuläſſige Identificirung Surami's, der einſtigen Reſidenz Kantä's, des mächtigſten Fürſten von Kebbi (Bello's Bericht bei Denham II, 163 — 164), mit Zyrmi (Zirmie), endlich Cooley's Combinirung der Kelgeres— tuarik's (Zeitſchrift III. 61, 67) mit dem Haüſſanamen Kilingiwa, eines Sultans von Kätſena, ſich doch im Allgemeinen des Verfaſſers Hauptſaͤtze auf eine wunderbare Weiſe bewahrheiteten, und dieſe Wahr— heit, ſetzt der Reiſende hinzu, müſſe auch in England zur Geltung kommen (Petermann I, 12). Nach faſt 5 wöchentlichem Aufenthalte zu Wurno trat Barth etwa um den 5. Mai 1853 ſeine Weiterreiſe nach Timbuktu an, indem er ſich zuerſt nach Say wandte, was aber nicht auf dem graden Wege, ſondern mit einem Umwege über die ſüdweſtlich von Say gelegene und hier wohl öfters erwähnte Stadt Gando (Zeitfehrift III, 225) geſchah. Hier reſidirt der Fellanfürſt Khalilu, ein Glied der Herrſcherfamilie von Sokoto, Sohn Abu Allahis, eines Bruders des Begründers der Fellanmacht im Sudan, Danfodio (Zeitfchr. III, 224, 225). Derſelbe be⸗ ſitzt ein großes Reich ), das ſich nach Barth auf der linken Seite des Niger nicht allein über Dendina, einen großen Theil von Kebbi und angeblich auch über die ausgedehnten Landſchaften Nyffi und Jauri?) und dem Worte nach über die Landſchaft Zaberma, ſondern auch im Weſten des Stromes über die große Landſchaft Gurma erſtreckt. An ihn war Barth von Aliyu empfohlen (Zeitſchrift III, 225), aber der Reiſende fand Kebbi in großer Unruhe, da die alte Bevöl— kerung des Landes im Aufſtande gegen die Fellaneroberer begriffen ) Ueber die Entſtehung dieſes zweiten Fellanreichs gab ſchon Clapperton (Jour- nal 206) Kunde. Nach feines Vaters Danfodio im Jahre 1816 erfolgtem Tode trat 1 ämlich deſſen Sohn und Nachfolger Mohammed Bello alle im Weſten Hauſſa's ge⸗ legenen Lande an den Mohammed ben Abdallah ab, den Clapperton Danfodio's Bru⸗ dersſohn nennt; mit ihnen iſt wahrſcheinlich das früher hier nach Ahmedu erwähnte I 360) Reich Khalili gemeint. 9) Nach Schön’s (80, 87), Oldfield's, und der Gebrüder Lander Nachrichten bil— deten die Fellan in Nyffi ein eigenes großes Reich mit der Hauptſtadt Rabbah, zu dem J aber Jauri nicht gehört zu haben fcheint, und das dem Sultan von Sokoto tributair war (Laird und Oldfield a. a. O. II, 86). Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 8 * 114 Gumprecht:. war ). Zu dieſer Erhebung mögen die Kebbier durch den Charakter Kha— lilu's ermuntert worden ſein, indem dieſer Fürſt zwar eine eigenthümliche Perſönlichkeit, welche allen weltlichen Glanz verachtet, aber nach den von Barth gehörten Urtheilen nicht die nöthige Energie zur Regierung, ſeines weiten Reiches beſitzt. Leider iſt ein von Say aus an Herrn Bunſen gerichtetes Schreiben Barth's mit einem Berichte über deſſen Zug von Sokoto bis zu der letztgenannten Stadt noch immer nicht in Europa angekommen )), fo daß uns alle Nachrichten über die Be— ſchaffenheit des Landſtrichs zwiſchen beiden Städten, ſowie über des Reiſenden Aufnahme bei Khalilu fehlen. i In der großen Stadt Say ?), die auf einer 3 Meilen breiten, 10 Meilen langen und nach Weſten zu von einem flachen, bei Barth's Anweſenheit aber trockenen Arme des Fluſſes eingeſchloſſenen Niger— inſel liegt, ſetzte der Reiſende über den Strom (Zeitſchrift II, 331), worauf er an deſſen rechtem Ufer in einer ziemlich geraden, nordnord— weſtlich gerichteten Linie, die, wie bereits früher gemuthmaßt war (II, 360), eine Sehne des von dem Niger zwiſchen Timbuktu und Say gebildeten und nach Oſten gewandten Bogens iſt, ſeinen Weg durch die ſämmtlich noch nie von einem Europäer betretenen Landſchaften Gurma, Libthäko und Dalla nahm. Deshalb gewährt Barth's Beſuch 1) Empörungen der durch die Fellan unterjochten Urbewohner des Landes gegen ihre Beherrſcher in Folge der harten Behandlung, die fie von ihnen zu erleiden ha— ben, kommen ſehr oft vor. Namentlich wiſſen wir durch Clapperton, daß dergleichen in Zanfara und den durch die Fellan eroberten Theilen von Guber ſich ereigneten (Journal 154, 207). S. auch Zeitſchrift III, 223. 2) Mit dieſen häufigen Verluſten von Briefen und Sendungen in der Sahara und im Süden contraſtiren Ruſſeggers Erfahrungen im Oſten gar ſehr, wo dieſem Reiſenden während 5 Jahren in den Mehemed Ali unterworfenen Ländern nicht ein Brief oder ein Paquet abhanden kam (Reiſen II, 14). 3) Say ſoll nach Barth in dem öſtlichen Son'raydialect (ſ. über die Son'ray und ihre Sprache Berl. Monatsber. N. F. IX, 301 — 303; Zeitſchrift II, 329, 332, 353, 357) gleichfalls ein allgemeines, Fluß bedeutendes Wort ſein, wogegen der weſtliche Son'raydialect, d. h. der von Timbuktu, dafür das Wort Iſa hat (Berliner ‘ Monatsber. IX, 303, 304; Zeitſchrift III, 68). So wird auch der gleich noch zu er= wähnende Fluß Sirba allgemein Say genannt. Die Lage der Stadt Say wurde von Barth in 13 10“ nördl. Br. und 3° 7“ öſtl. L. von Gr. geſetzt (Petermann's Mitthei⸗ lungen I, 94), alſo nicht in 14° 40“ n. Br. und 0° 30“ öſtl. L. Gr., wie früher (II, 331) nach Herrn Petermann's Aufſatz in den Times vom 28. März 1854 ange⸗ geben war. Die eine Uferſeite des Niger beſteht hier aus 80 Fuß hohen Felſen. — 0 N N 1 Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 115 dieſer Gegenden wieder eine neue wichtige Bereicherung der central— afrikaniſchen Geographie, die um ſo erfreulicher iſt, als ſie ſich un— mittelbar an ein ſchon ziemlich bekanntes Terrain im Süden anſchließt. Gurma grenzt nämlich an die große Landſchaft Borgu, deren Kenntniß wir Clapperton's zweiter Reiſe, dann der Reiſe der Gebrüder Lander verdanken. Von Gurma war aber bisher ſo viel wie nichts bekannt ge— weſen. Selbſt der aus Bello's Werk gemachte Auszug (Ghoorma bei Den- ham II, 163), Bowdich (Goorooma S. 206) und Dupuys (Ghoroma S. XLIV) führen davon allein den Namen ohne weitere Bemerkung an und auch Clapperton (Journal 117) bemerkt nur, daß Gurma ein großes Land ſei, welches nach Ausſage der Muhamedaner ein civili- ſirteres Volk bewohnt und die Fellans beherrſchen, andere Berichter— ſtatter Clapperton's aber von nackten Wilden, alſo Heiden, bewohnt ſein laſſen. Beide anſcheinend ſich widerſprechende Nachrichten mögen indeſſen richtig und mit einander zu vereinigen ſein, denn da Barth in ſeinem von Dörte in Libthako aus am 16. Juli 1853 an Herrn Bunſen gerichteten und durch Herrn A. Petermann ganz neuerlichſt mitgetheilten (I. 94 — 98) Briefe anzeigt, daß Gurma ein größten⸗ theils hochgelegenes bergiges Land ſei, wo ſich ſeine durch den Aufent— halt zu Say angegriffene Geſundheit vermöge der reineren Luft ſehr gebeſſert habe, ſo iſt es möglich, daß, während die Fellan nur einen Theil des Landes einnehmen und die civiliſirten Bewohner Gurma's von Clapperton's Berichterſtatter ſind, die Urbewohner des Landes da— gegen ſich in dem größeren gebirgigen, ſchwerer bezwingbaren Theile des letzten als Heiden in ihrer ganzen Rohheit erhalten haben. Barth ſcheint in der That eine ſolche Vermuthung zu beſtätigen, indem nach ihm die Fellan nur einen kleinen Theil von Gurma im Norden inne haben, wo große Strecken wilder Wälder die wenigen cultivirten Stellen, an denen ſie drei kleine, gleich zu erwähnende Staaten gebildet haben, von einander trennen. Gurma's gebirgige Beſchaffenheit möchte endlich wohl daher rühren, daß Aeſte jenes großen Gebirgszuges, welcher im Süden im Lande Yoruba beginnt, dann Borgu durchzieht und ſich noch auf der linken Seite des Stromes durch Pouri, Zanfara, Guari und Zegzeg verfolgen läßt (Clapperton Journal 117), bis in dieſe Landſchaft übertreten. Von der Sprache der Eingeborenen Gurma’s \ berichtet endlich Barth die merkwürdige Eigenthümlichkeit, daß fie einige 8 * * 14 * 4 116 Gumprecht: Worte mit der Sprache der Bewohner Guinea's an der Beninbucht gemein habe. Koelle gab davon neuerlichſt in ſeinem S. 109 erwähnten großen ſprachlichen Werke Proben. Der gewoͤhnlichſte und hervorragendſte Baum dieſer Landſchaft iſt die Kuka, worunter hier, wie S. 115, wohl nicht die Kuka der Bornuer (IV, 254), ſondern eher eine Euphorbiacee = zu verſtehen iſt, da der Reiſende dieſelbe das wohlbekannte Candela- brum nennt (f. hier S. 112), bei keinem anderen Gewächſe aber, als bei baumartigen Euphorbien armleuchterförmige Bildungen ſo vorherrſchen. Die zweite von Barth durchzogene, ſüdlich von Gurma begrenzte Landſchaft Libthäko liegt nach deſſen Karte (Taf. II bei Petermann) zwi⸗ ſchen dem 14 — 15° nördl. Br. und dem 0 — 2° weſtl. L. von Gr., 15 Tagereiſen oder 180 — 200 engl. Meilen von Timbuktu und be— ſteht aus einer öden Hochebene mit faſt kahlem Boden ohne Bäume und Sträucher. Ein Granitterrain beginnt ſchon bei Say und ſetzt nach Weſten zu durch dieſe Landſchaft fort, erſcheint aber bei dem gleich zu erwähnenden Ort Tſchampagöére mit vielem und zum Theil ſchönem Gneis gemengt. So bildet Granit höchſt wahrſcheinlich auch die hohen Felſen an den Rändern des Niger bei Say. Etwas weiter nach We— ſten zu, wo das Plateau eine Abdachung hat, liegt ein großer See, der periodiſch trocken iſt, wovon ſich auch Barth überzeugte. Eine beſondere Stadt Libthäko giebt es nicht, wie nach den erſten nach Europa gelangten Berichten Barth's aus dieſen Gegenden (Journ. of the Geogr. Soc. of London. XXI, 215; Zeitſchr. II. 331, 359) anzunehmen war, da Barth nun ausdrücklich ſagt (Petermann J, 94), daß der Ort, von wo er ſeinen Brief vom 19. Juli an Herrn Bunſen richtete, Döre, die Landſchaft aber Libthäko heißt; Libthäko alſo, von wo aus der Reiſende an Lieut. Col. Herman einen ausführlichen Brief ſchrieb (ebend. 328), iſt demnach auch dieſes Dore. — Die dritte und nördlichſte Landſchaft Dalla war meines Wiſſens bisher nur durch Ahmedu bekannt (Journal XXI, 216). Ueber Barth's weiteren Weg, den von Say nach Timbuktu, ſind wir durch das oben erwähnte Schreiben aus Döre viel beſſer unterrichtet, als in Bezug auf den erſten Theil des Weges nach Say. Von der letztgenannten Stadt paſſirte der Reiſende bis Döre die Orte Tſchampagôre, Tſcham⸗ pa⸗lauel, Boſebängo, Bundöre und Sebba, welche zum Theil die Wohn— orte kleiner Fellanhäuptlinge von Gurma find, indem das zwiſchen Say und Döre gelegene Land in drei Territorien getheilt iſt, wovon das ö ö | | N nn Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord» Afrika. 117 eine mit der Hauptſtadt Tſchampagôre in 13 12“ nördl. Br. und 2% 41 öſtl. L. von Gr. in ſtaatlicher Hinſicht beſſer organiſirt iſt, als die beiden übrigen. Sein Fürſt, der einſt das Land Maſſena im Nord— weiten von Timbuktu regierte (Caillie II, 160, 217), es aber gegen den ehrgeizigen ſpäteren Beherrſcher Jinnie's und Timbuktu's Ahmed Labu verlor und ſich mit vielen ſeiner Fellans in dieſe Gegend zurück— zog, hält in ſeiner Reſidenz einen kleinen Hof, wie Barth ſagt, von wirklich fürſtlichem Charakter, welcher eine Welt für ſich bildet und mit Allem, was ihn umgiebt, in ſchroffem Contraſt ſteht. Tſchampa-lauel, 13° 12' 30“ nördl. Br., 2° 33’ öſtl. L. Gr., iſt eine ähnliche Reſidenz des Gebieters von Toröde, deſſen Fellanunterthanen, die Toröde, alle ſchwarz ſind und zu der vornehmſten Klaſſe der Fellan gehören. Barth ſcheint den Urſprung des Namens Toröde nicht zu kennen; aber un— zweifelhaft iſt derſelbe von dem Namen des Landes Futa Toro am Se— negal abzuleiten, von wo ein großer Theil der jetzt am Niger und im Sudan wohnenden Fellans herſtammt, wie Clapperton beſtimmt an— giebt). Am Senegal gelten die Torödes jedoch nicht für reine Fel— lans, ſondern für eine Mulattenrace, indem ſie aus der Vermiſchung der urſprünglich hellen Fellans mit den ſchwarzen dort einheimiſchen Jolofs und Mandingo's hervorgegangen ſind (Mollien, Voyage dans intérieur de Afrique. Paris 1818. I, 275, 276; Raffenel, Voyage dans l’Afrique occidentale. Paris 1846. ©. 262). Sebba, 13° 12’ 300“ nördl. Br. 2° 33’ öftl. L. Gr, iſt die Hauptſtadt des dritten kleinen Staats in Gurma, Namens Paga, der von dem von Toröde wieder ; durch eine 4 Tagereiſen breite, ſehr ausgedehnte und unſichere Wildniß getrennt ift, und worin man nur bei einem einzigen Orte Namens Bofe- bängo, deſſen Lage Barth in 1334 30“ n. Br. und 1 197 öſtl. L. von Gr. verſetzte, vorbeikommt. In Yaga wird Durra faſt allein gebaut. Boſebängo, das aber nicht mehr zu Gurma gerechnet zu wer— den pflegt, bewohnt ein unabhängiger Stamm der Son'ray, die Ka— ) Nelly or che- petty kingdoms of Foota-Torra, Foota-Bonda and Foota- Jella (d. h. Futa Tora, Bondu und Futz Jallon, Geographie von Afrika 206, 235) Were the places, from whence they (d. h. die Fellan) spread themselves eastward, until they became very considerable (Clapperton Journal 205). Dann ſagte der— ſelbe Berichterſtatter noch von den Eingeborenen der Stadt Zaria: They are mostly all Fellatahs; a great many of them from Foota-Bonda and Foota-Torra (a. a. DO. S. 159). 1 U 118 Gumprecht: käbe, nahe Verwandte der Larba, welche ein wenig nördlich von der Straße angeſeſſen find und fie täglich unſicher machen. Zehn Minu- ten weſtlich davon giebt es endlich einen Fluß, den ſchon erwähnten Sirba (ſ. hier S. 114), deſſen oberer Lauf nach Barth den Euro— päern erſt vor einigen Jahren bekannt geworden fein fol). Der— ſelbe macht eine Biegung von Nordweſt nach Nordoſt und fließt weiter nach Weſten am Saume der Straße hin. Unſer Reiſender fand ihn an der Stelle, wo er über ihn ſetzte, 12 Fuß tief, und da Boote völlig fehlten, ſo wurde er gezwungen, den Uebergang mittelſt zu— ſammengebundener ungeheurer Bunde von Binſen zu bewerkſtelligen. Es iſt dieſer Fluß der anſehnlichſte, den man auf dem Wege von Say nach Döre antrifft; einige andere, ebenfalls von Barth paſſirte Ge— wäſſer, wie der Görebi, den derſelbe eine Meile weſtlich von Tſchampa— lauel ſah, und der Päli, angeblich ein Zufluß des Sirba, ſind nämlich, wenn auch nicht ganz unbedeutend, doch viel kleiner, als der Sirba. Bundore, 13° 43 30“ nördl. Br., 1° 39’ 30“ öſtl. L., iſt endlich ein von dem Emir von Yaga abhängiges und durch Gurma's bewohntes Dorf zwiſchen Boſebängo und Sebba Dore, 1428“ n. Br., 0° 40’ öſtl. L., gehört endlich ſchon zu Libthäko und hat, obgleich äußerlich ein ungemein elender Ort, einen nicht unbedeutenden Handel. Hier iſt man ſchon innerhalb des Handelsgebiets von Timbuktu, denn Araber aus feiner Umgebung find es, welche den Markt Döre's vorzugsweiſe verſorgen. Wie zu Timbuktu, macht hier das Salz, welches in der Saharaoaſe Taodenni (oder Taudeyni, Geogr. von Afrika 248, 257; Zeitſchrift II, 349) in großer Menge gewonnen und nach den Niger ländern verführt wird, einen Haupthandelsartikel aus. Die Rata davon (etwas mehr, als ein halber Centner) galt während Barth's Anweſenheit 56000 Kauri's, d. h. etwa 8 Thlr. Pr. C. Außerdem bringen die Araber nach Döre Gold, das unzweifelhaft aus der Berglandſchaft im Süden in der Nähe des Kong, nämlich aus Maniana, Gaman, Moſi und Aſchänti ſtammt. Nächſtdem finden ſich hier Tuariks ein, welche von den Fellans Pelli, d. h. Vögel ?), wahrſcheinlich wegen ihrer Agilität, oder auch ) Ich weiß nicht, bei welcher von Barth angedeuteten Gelegenheit dies ges ſchehen iſt. ) Daß auch die heutigen Tibbo wegen ihrer Gelenkigkeit Vögel genannt zu werden pflegen, erwähnt Lyon (227). r ˙ %—ew . ³˙ A.. ä ˙ů» Ä Ü. 2222 Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 119 Wodebe, Rothe, muthmaßlich wegen ihrer braunen Hautfarbe, genannt werden. Zwiſchen Timbuktu und Say iſt nämlich das Nigerthal beinahe gänzlich in den Händen von Tuariks, deren größtentheils auf den Inſeln angeſiedelte Sklaven den Boden für fie bebauen. Zu den Tuariks ge— hören zuvörderſt die von Dindina oder Dendina, vorzüglich aber die— jenigen, die zu Gar'o, in der 7 Tagereiſen NN W. von Döre gelegenen und einſt berühmten, jetzt aber nur in elenden Reſten vorhandenen alten Hauptſtadt des früheren Son'rayreichs “) wohnen (Zeitſchrift II, 328; IV, 411, 414). Ebenſo bringen die Bewohner des früher gelegent— lich ausführlicher hier erwähnten Reichs Moft (Zeitfchr. II, 385, 428) nach Döre ihre berühmten Eſel, ihre vortheilhaft bekannten breiten Baumwollenſtreifen, Leppi genannt?), ihre wohlfeilen ſchwarzen Hem— den und eine Menge beſonderer großer Gurunüſſe (oder Colanüſſe, Nüſſe von Sterculia acuminata) zum Verkauf. Die Nüſſe ſtammen, wie Barth ausdrücklich bemerkt, nicht von Selge, ſondern von Tangere her ). Von den Bewohnern des Ortes, welche theils Abkömmlinge der urſprünglichen Son'raybevölkerung, theils Fellans ſind, zeichnen ſich jene durch ihre Induſtrie aus, wogegen die letzten in dem gewöhnli— chen Charakter ihres Volks läßig ſind und faſt nur Viehzucht treiben, da ſie einzig Milch, und zwar nicht allein ſaure, ſondern, wie der Reiſende hervorhebt, auch ſüße Milch auf den Markt bringen. In den öſtlichen Theilen der von Barth auf dem rechten Ufer des Stromes in dieſen Regionen durchzogenen Landſchaften ſind die Son'ray auf das Flußthal beſchränkt, weiter im Weſten findet man ſie hauptſäch— lich zwiſchen der Straße und dem Fluſſe, an einem beträchtlichen und vielverzweigten, in den Sommermonaten aber trockenen Bette deſſel— ben angeſiedelt. Endlich giebt es Anſiedelungen dieſes Volksſtammes | E ) Die Lage dieſer alten Hauptſtadt hatte Barth, wie er fagt, zuerſt in 16° 40“ nördl. Br. und im Meridian von Greenw. zu finden geglaubt; ſpaͤter gab er da— für 17 19“ nördl. Br. und 0° 47“ 20“ öftl. L. Gr. (Petermann's Mittheilungen 1, 93). 2) Die Zeuge werden nämlich im Sudan meiſt nur in Streifen gewebt, die man dann aneinander heftet (Schön 78; Zeitſchrift III, 68). 9) Selge iſt die Hauptſtadt Sallagha oder Selga der am Nordrande des Aſchänti— 4. reiches gelegenen großen und durch ihre bedeutende Production von Gurunüſſen be— flannten Landſchaſt Gonja (Vowdich 178; Dupuys XXXVI, XL, CXXV, CXXX). Tangere war dagegen, wie ich glaube, bisher ganz unbekannt. 1 E 120 Gumprecht: ſelbſt nördlich von Döre in mehreren Dörfern zwiſchen Arribinda und dem Omborigebirge, und zuletzt gar noch näher an Timbuktu. Für die Fortſetzung ſeines Zuges war es dem Reiſenden höchſt unangenehm, zu Döre die Erfahrung zu machen, daß er feine Kano- und Nyffi— waaren nur mit enormem Verluſte zu verkaufen vermochte. An baa— rem Gelde fehlte es ganzlich und auch Kauris haben von Döri bis Timbuktu keinen Cours, was bei der ſonſtigen Allgemeinheit dieſes Zahlmittels in den weſtlichen Nigerländern allerdings auffallend iſt. Dagegen hatte Barth die Befriedigung, zu Döre mit großer Aufmerk— ſamkeit und ſelbſt mit Verehrung behandelt zu werden, indem man von ihm ſeinen Segen verlangte, obwohl es nicht unbekannt war, daß er ein Chriſt ſei. Selbſt die Araber behandelten ihn nicht als einen ge— wöhnlichen Chriſten, theils weil er von Oſten kam, theils wegen ſei— ner Gelehrſamkeit (wahrſcheinlich im Leſen und Verſtehen des Koran). Hier erfuhr endlich Barth, daß der Mörder Laing's, der Sheikh von Arauan, welcher beinahe 40 Jahre hindurch zugleich über die Sahara— Oaſe Aſoad geherrſcht hatte (Zeitſchrift I, 340 — 341), vor einigen Monaten geſtorben ſei, und er ſah dies als eine gute Vorbedeutung für die Möglichkeit ſeines Gelangens nach Timbuktu an. Von vielleicht praktiſcherem Werthe aber war für ihn der Umſtand, daß er hier einen ſehr geſcheuten und wohlbekannten Araber aus Timbuktu, welcher zur Partei des geiſtlichen Oberhaupts dieſer Stadt, des ſchon oft genannten Scheikh Bakay, gehörte, antraf und ihn gleich in ſeine Dienſte nehmen konnte, wodurch ihm der Eingang in Timbuktu erleichtert wurde. Von Dore oder, wie es noch in einem aus Timbuktu an Dr. Beke am 7. September 1853 geſchriebenen Briefe heißt (Journ. of the Geogr. Soc. of London. XXIV, 282), von Libthäko hoffte Barth Timbuktu in 20 Tagen zu erreichen; heftige Regen, die angeſchwollenen Flüſſe, die Schwäche der Kameele, von denen 6 ſeit ſeinem Abgange aus Bornu gefallen oder unbrauchbar geworden waren ), endlich die Krank— heit und die Handelsgeſchäfte des zu Döre in Dienſt genommenen Timbuktuers verzögerten die Reiſe, die auch nicht auf dem geraden Wege über Kombori (einen bisher unbekannt geweſenen Ort) oder ) Es iſt eine in Central-Afrika wohlbekannte Thatſache, daß die Kameele das feuchte Klima der Nigerländer nicht ertragen und auch nicht auf dem feuchten Boden fortfommen können. f > P Barthes Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 121 auf dem gewöhnlichen Karawanenwege durch Gilgodi, Dalla und über den Ort Duenza (Duänza bei Ahmedu), ſondern mit einem Umwege in nordweſtlicher Richtung ging, wobei die Geſellſchaft zwei Tagereiſen weſtlich von Duenza das Omborigebirge, auf deſſen höchſtem Punkte Duenza liegt, quer durchzog. Man kam dabei durch einige kleine un— abhängige Städte der von den Timbuktuern Koar genannten Son'ray, dann mitten durch die Stämme der Tademekket, welche bis 60 Meilen ſüdlich vom Niger wohnen, und endlich am 27. Auguſt nach Sarai— jamo, dem größten Orte, den Barth ſeit Say geſehen hatte. 300 Yards von Saraijämo ſchiffte ſich der Reiſende am 1. September auf einem Zufluſſe oder Arme des Niger ein, der aber ungeachtet ſeiner Breite und Schönheit ſich weiterhin viel mit Pflanzen überwachſen zeigte !), weil er wegen feines Zickzacklaufes wahrſcheinlich ein ſehr geringes Gefälle hat. Beſonders fiel Barth während der Fahrt die außerordentliche Menge von Canälen, rijl bei den Arabern genannt, auf, die ſich während der Ueberſchwemmungen bilden und das Land netzförmig durchziehen. In der Hinſicht, meint er, ließe ſich der Strom mit keinem anderen vergleichen. Bei der von dem Aſte und dem Ni— ger ſelbſt bei ihrem Zuſammentritte gebildeten großen Inſel Kora gelangte Barth endlich in den Hauptſtrom, der hier Majo, wie er— wähnt (S. 106), oder auch Iſa Balléo 2) heißt und von Südſüͤdweſten kommt. Am 5. September, um das Ende der Regenzeit, erreichte er Käbarah, wo er erfuhr, daß die Waſſerverbindung mit Timbuktu nur während 4 — 5 Monaten im Jahre möglich ſei, wenn die Regen reich— lich fallen, im April wäre es ſogar ganz unmöglich, zu Waſſer von 9 Aehnliche Ueberwachſungen mit Pflanzen traf Caillié bei dem gleich weiter zu erwähnenden Canal, der von Käbarah nach Timbuktu führt (Zeitſchr. II, 361). . * 2) Balléo, Baléo oder Baleio it ein Wort der Fellanſprache und bedeutet ein- fach ſchwarz (Mollien II, 175). Die am Senegal wohnenden Fellan nennen gleich— falls den Senegal jo (Mollien II, 125) oder auch Maio Baleio d. h. ſchwarzer Fluß, welches letzte ein Name iſt, den auch der Niger bei den Fellan führt (Journ. of che Geogr. Soc. of London. XXI, 218). Aus der bei Hequard (S. 286) und in Barth's Itineraren übereinſtimmend vorkommenden Deutung von Maio Baleio ergiebt ſich alſo, daß Maio gleich Iſa, Saz, Gulbin und Koara ein allgemeines Wort für jeden Fluß iſt, welches den Fellan gleichmäßig zur Bezeichnung des Niger, wie des Hauaſſaſtromes dienen kann (f. hier S. 106 — 107), ferner daß der Name Iſa Ba— leo auf Barth's Karte (Petermann Taf. II) irrig fein muß, da er eine Zuſammen⸗ ſetzung zweier, ganz verſchiedenen Sprachen entlehnter Worte ſein würde. 122 Gumprecht: Käbarah nach Timbuktu zu gelangen (Zeitſchrift II. 332). Den über Käbarah nach der letztgenannten Stadt führenden Canal fand er ſo wenig tief, daß den Bootführern, die ſämmtlich ausſtiegen und mit der größten Schwierigkeit das Boot mit dem Reiſenden weiter zogen, das Waſſer nur bis an die Knie ging n). Während in dem Ha— fen von Käbarah nur wenige Fahrzeuge vor Anker lagen, hatte unſer Reiſender zu Koromeh?) unterhalb Käbarah und nahe an der Einmün— dung des Käbarahflüßchens in den Niger, eine Reihe beträchtlich gro— ßer Barken, die einen prächtigen Anblick gewährten, wahrgenommen. Die bewegliche Stadt, wie er dieſe Barkenanhäufung nannte, und die zwiſchen Käbarah und dem großen Strom, gegenüber Koromeh, liegende Inſel oder die Inſeln Day verdienen, wie er ausſpricht, eher, als Käbarah, Timbuktu's Hafen genannt zu werden ?). In dem Majo traf Barth einen wirklich prächtigen Strom, den er von allen Strömen, die er in Afrika geſehen, nur mit dem Nil während ſeines höchſten Standes vergleichen könne, doch reiche derſelbe nie bis Käba— rah heran. f In Barths zuletzt erwähntem, in der Zeitſchrift der Londoner geo— graphiſchen Geſellſchaft enthaltenen Briefe an Dr. Beke ſindet ſich end— lich nochmals die Beſtimmung der Lage von Timbuktu (18% 4’ 0“ nördl. Br., 1 457 öſtl. L. Gr.), dann noch die einiger anderen Punkte, die bisher nicht bekannt waren, ſo die von Saraijämo 17° 6’ 0“ nördl. Br., 1 50 0“ öſtl. L., der Verbindungsſtelle des Käbarahflüßchens mit dem Niger 17767 0“ nördl. Br., 150“ 0“ öſtl. L., des Ortes Bone 15507 0“ nördl. Br., 190 0“ öſtl. L., des Ortes Kübo 15° 19’ 0" nördl. Br., 0° 22“ 30“ öſtl. L., des Ortes Arribinda ) 14° 530“ nördl. Br., 0° 6’ 10“ öſtl. L. ) Dieſe Schilderung des Canals oder Flüßchens ſtimmt, wie früher (IT, 361) gezeigt war, ganz mit der von Gaillie überein und iſt ein Beweis mehr für die Wahrhaftigkeit des franzöſiſchen Reiſenden, an der Barth anfangs ſelbſt gezweifelt hatte (Berl. Monatsber. N. F. IX, 288). Dagegen finden wir den von dem Tartaren Uargi erwähnten Namen Mazza des Flüßchens bei Barth nirgends vor. 2) Koromeh kam ſchon in den früher angelangten Berichten Barths vor (Zeit: ſchrift IT, 332). 3) S. Zeitſchrift II, 332, 361. ) S. hier S. 120 und Journ. of che Geogr. Soc. of London. XXI, 216 nach Ahmedu, der über dieſes Arribinda zog. — + * 14 * . f Barth's Schickſale und Unterſuchungen im centralen Nord-Afrika. 123 Die drei letztgenannten Orte liegen auf dem Wege, den Barth von Döre nach Saraijämo zog, fo daß der Reiſende im Ganzen von nicht weniger als 15 von Say bis Timbuktu gelegenen Punkten die feſte Lage angiebt. Bei dem Intereſſe, das jedes poſitive Datum zur Kunde des centralen Nord-Afrika hat, wäre es nun allerdings wünſchenswerth, den Grad der Zuverläßigkeit beurtheilen zu können, den Barth's Ortsbeſtimmungen beſitzen. Namentlich gilt dies von Timbuktu, deffen Lage, wie früher (Zeitſchrift II. 354 — 356; IV, 80) angegeben, oft Gegenſtand der Unterſuchung geweſen iſt. Unſeres Reiſenden Beſtimmung von Timbuktu weicht nämlich anſehnlich von derjenigen ab, welche Jo— mard nach den ihm zu Gebote ſtehenden Daten als die wahrſcheinlichſte glaubte annehmen zu können, in der Länge des Orts ſogar um 2 Grade, indem Barth dieſe zu 1° 45’ weſtl. L. von Greenw. oder 45 weſtl. L. von Paris angab, wogegen Jomard 6° weſtl. L. von Paris annahm. Weniger differirt die Breite, für die Barth 18° 330“ bis 18° 4’ 5" (Zeitſchrift II, 329, 333) oder endlich 18348“ (Petermanns Mit- theilungen I, 13), Jomard aber 17° 50“ ſetzte. Herr Petermann halt ſich nun für überzeugt, daß die Jomard'ſchen Zahlen die richtige— reen ſind und fpricht ſogar die Meinung aus, daß alle von unſerem Reiſenden angegebenen Poſitionen nur auf Ableitungen (computa- tions of a dead reckoning, I, 13), nicht aber auf wirklichen aſtro— naomiſchen Beobachtungen beruhen. Wäre dies richtig, fo verlören allerdings auch alle früheren Angaben Barth's, z. B. die am oberen } Tſchaddalauf und in Adamaua (Berl. Monatsberichte N. F. IX, 368), einen großen Theil ihrer Zuverläſſigkeit, und wir haben es deshalb mit Grund zu beklagen, daß Barth in keinem ſeiner Berichte auch nur mit einem Worte die Beobachtungen anführt, woraus er feine poſttiv hingeſtellten Zahlen gefunden hat. Leider iſt zu fürchten, daß Herrn Petermann's Vermuthung nicht ungegründet iſt, indem unter Barth's Poſitionen eine z. B. vorkommt, die beſtimmt nicht auf an Ort und Stelle gemachten Beobachtungen beruht. Es iſt dies die von Gar'o, wohin der Reiſende nach ſeiner auf dem Kärtchen des Landſtrichs zwi— ſchen Sokoto und Timbuktu (Petermann Taf. II) eingetragenen Reiſe— 5 route gar nicht gekommen iſt. 4 — Gumprecht. II. Die Vulkane von Mexico ). Zweiter Artikel. Nördlich von dem Pic von Orizäba ſteigt unter dem 19“ 28’ 57“ nördl. Breite und 99“ 28“ 57“ weſtl. Länge der Nauhcampatepetl oder Cofre de Peröte (Nauhcampa heißt indiſch ein viereckiges, cubiſches Ding, tepetl Berg 2) zu 13,416 Fuß Höhe auf. A. v. Humboldt giebt feine Höhe auf 4089 Meter oder 2089 Toiſen an?). Er hat feinen Namen von der kofferartigen Geſtalt des Felſens auf ſeinem Gipfel, und bietet das Bild eines ſchroffen, düſtern und größtentheils von dichten dunkeln Pinienwaldungen bedeckten Felſengebirges dar. A. v. Humboldt ver— ſichert, übereinftimmend mit Mühlenpfordt, daß man auf feinem Gipfel keinen Krater bemerke, und daß nur die dichte Lava- und Bimftein- ) Nach einer gefälligen ſpäteren Mittheilung des Herrn Verfaſſers iſt Doig- non's Schilderung feiner Erſteigung des Pie von Orizaäba (Bd. IV, S. 389 — 394) einem Berichte dieſes Reiſenden entnommen, den derſelbe in einem zu Mexico unter dem Titel: Trait de J'Union, erſcheinenden Blatte während des Verfaſſers Anweſenheit in dem Lande veröffentlichte. Ein hier noch ſpäter vorkommender Begleiter Doignon's, Majerus, angeblich Belgier von Geburt, hatte ſich namlich gerühmt, den Gipfel des Pies erſtiegen zu haben, und verfaßte wahrſcheinlich nur nach Doignon's Mit⸗ theilungen ſeinen Bericht darüber nebſt einer Zeichnung des Kraters, die er ſodann in Belgien und Frankreich bekannt machte. Dieſes Verfahren veranlaßte nun Doignon, die unwahren Angaben des M. Majerus zu berichtigen und darzuthun, daß derſelbe gar nicht fo hoch hinaufgekommen ſei, als er angiebt. Doignon's Mittheilungen Halt übrigens unſer Herr Verfaſſer für ſehr glaubwürdig, da ſie ihm bei ſeinem eigenen Verſuche, auf den Gipfel zu gelangen, ſowohl durch die Behörden, als durch zuver— läßige Perſonen aus der Gegend beftätigt worden ſeien. G. 2) A. v. Humboldt, Essai I, 265. G. ae e G. | | f C. Pieſchel: Die Vulkane von Mexico. 125 kruſte, welche dies Porphyrgebirge umlagere ), ſowie die großen Lava— lagen zwiſchen den Dörfern La Oja und Las Vigas, über die an ſei— nem Fuße die Straße von Jalapa nach Peröte führt, auf die vulka— niſche Natur und einen Ausbruch des Berges ſchließen laſſen. Nach meinem Dafürhalten ſpricht jedoch auch die Geſtalt des ſteilen, röthli— chen Felsabſturzes des Berges im Oſten dafür, indem der Abſturz die Kraterwand eines ehemaligen Vulkanes gebildet haben dürfte. Der Krater ſelbſt befand ſich ohne Zweifel auf dieſer öſtlichen Seite nach Jalapa zu, da die verſchiedenen Lavaſtröme und die tiefen vulkaniſchen Abſtürze und Baranco's gerade nach der Seite hin auf einen Aus— fluß und ein Zuſammenſtürzen in ſich ſchließen laſſen. Giebt auch keine Geſchichte oder Sage von einem ſolchen Ereigniſſe Kunde und iſt das— ſelbe ſogar bereits unter einer vieljährigen Decke der üppigſten Vege— tation begraben, ſo liefert doch die ganze Umgegend zu ſprechende und deutliche Beweiſe, daß auch hier einſt das vulkaniſche Element ſeine Schrecken verbreitende Macht in einer Weiſe und in einem Umfange, wie vielleicht nur bei wenigen Vulkanen, geübt hat. Namentlich iſt dies mit den vorhin erwähnten weiten Lava- und Schlackenfeldern, welche man auf der großen Straße von Vera-Cruz nach Mexico von Jalapa aus am nördlichen Fuße des Cofre de Peröte paſſirt, der Fall. Der Gipfel iſt von dem kleinen Städtchen Peröte, welches am nördlichen Abhange liegt, leicht in wenigen Stunden zu Pferde zu er— reichen und ſoll eine herrliche Ausſicht auf die ihn umgebende Hoch— ebene und auf die ganze Abdachung nach der Küſte von Vera-Cruz gewähren. Der Berg dient, wie der Pic von Orizäba, den Schiffen, welche ſich dem Hafen von Vera-Cruz nähern, als Wahrzeichen der Richtung, ſowie den umwohnenden Landleuten als Wetterprophet. Der Belgier Majerus, der im Jahre 1848 den Cofre de Peröte beſtieg und ſeine Höhe zu 4090 Metres beſtimmte, ſah von ſeinem Gipfel aus eine eigenthümliche Lichterſcheinung, nämlich auf einer Hoͤhe von 13,000 Fuß über dem Meere vor Aufgang der Sonne, kurz vor der Lichtverbreitung der erſten Strahlen, die ganze Sonnenſcheibe plötz— . . ˙ EEE WERE WE 4 ) A. v. Humboldt Essai II, 205. Das Geſtein iſt wahrſcheinlich, wie bei dem Pie von Orizaba, Trachyt. Exemplare davon fehlen in den hieſigen Sammlungen, ſo daß feine genauere Beſtimmung unmöglich iſt. G. 126 C. Pieſchel— lich als Refler über dem Horizonte ſchweben. Die Erſcheinung dauerte nur einen Augenblick; ſie ſoll übrigens ſchon von mehreren Reiſenden von derartigen hohen Standpunkten in dieſen Gegenden beobachtet worden ſein. Zwiſchen dem Cofre de Peréôte und der Malinche bei Puebla er— heben ſich aus der weiten Sandebene viele Hügel und Bergſpitzen, die ſich theils durch ihre kegelförmige Geſtalt und ihre ſanft abfallenden Aſchenlinien, theils durch ihr Lavageſtein als vulkaniſche Produkte er— geben. Darunter zeichnet ſich namentlich der 2 Stunden von Peroͤte entfernte, eigenthümlich kegelförmige ſchwarze Lavahügel, Cerro de Pi— zarro genannt, aus. Außerdem ſind in der näheren oder ferneren Umgebung des Pie von Orizäba und des Cofre de Peröte, die man beide wegen ihrer Nähe auf einem Gebirgsrücken zu einander als zwei Ventile eines vul— kaniſchen Heerdes anſehen kann, noch andere vulkaniſche Erſcheinungen zu erwähnen, die früher mit den Ausbrüchen dieſer Vulkane vielleicht mehr oder weniger in Verbindung geſtanden haben. Es befinden ſich nämlich auf der weſtlichen Seite dieſer beiden Vulkane, namentlich in der Hochebene von San Andres Chochicomula eine Menge Vertiefun— gen in einem poröſen vulkaniſchen Geſtein oder Sande von einer bis zwei Stunden im Umfange, die mit ſalzigem Waſſer angefüllt ſind und deren Grund oft mit einer 400 Klafter langen Sonde noch nicht ge— funden worden ſein ſoll. Darunter zeichnet ſich namentlich die Laguna von Aljajaca aus, deren Tiefe angeblich zu 321 Klafter ermittelt wurde. Von ähnlichen Lagunen befinden ſich zwei durch ihr ſchwefelhaltiges Waſſer ausgezeichnete auf dem Wege von Peröte nach San Andres. Ebenſo erhebt ſich einige Meilen von San Andres ein kleiner vulkani— ſcher Kegel, an deſſem Fuße ein warmer, ſchwefelhaltiger Quell, Ome— ros (oder Jomeros) genannt, der vielfach von Kranken gegen rheuma— tiſche Leiden benutzt wird, entſpringt. Das ganze Plateau von San Andres zeigt ebenfalls eine Menge ſolcher kleinen coniſch geformten Hügel vulkaniſchen Urſprungs. Vier Meilen weſtlich von San Andres ſollen ſich bei einer Hacienda, Jalapasco, noch vier kleine Vulkane be— finden, wovon zwei in ihrem Krater mit Waſſer gefüllt ſind, während die inneren Kraterränder des dritten, von fruchtbarem Sande bedeckt, mit Mais bebaut werden. In der Nähe dieſer befindet ſich auch der er 1 Die Vulkane von Merico. 127 kleine Vulkan von Acojuca, deſſen in ſich zuſammengeſunkener Krater, wie ich erfuhr, zwei kleine Seen einſchließt. Das verbindende Glied zwiſchen den Vulkanen von Puebla und den von Peröte und Orizäba bildet * die Malinche oder Sierra de Dona Maria, ehemals das Gebirge Matlacueye oder die Sierra de Tlascäla genannt, indem dieſes Gebirge einſt die Grenze zwiſchen den Republiken Cholula und Tlascäla bildete. Die höchſten Spitzen deſſelben find die Malinche und der Bonete. Die Malinche zeigt, von allen Seiten geſehen, einen aus der Ebene mit vulkaniſchen Aſchenlinien anſteigenden Kegel, deſſen Spitze ein zerriſſener und zerklüfteter Felsrücken bildet, und der in ſeinem wild durcheinander geworfenen Geſtein in den verſchiedenſten Farben erſcheint. Alles dies läßt auf vulkaniſchen Urſprung ſchließen, obgleich keine Nach- richt eriſtirt, daß der Berg jemals eine vulkaniſche Thätigkeit entwickelt hat. Derſelbe erreicht faſt die Schneelinie und iſt in den Wintermo- naten oft mit Schnee bedeckt, welcher ſich angeblich ſelbſt den Sommer über in einzelnen Schluchten und Tiefen erhält und zur Erfriſchung nach Puebla gebracht wird. Seine Abhänge ſteigen allmählig aufwärts und ſind mit zahlreichen Hacienda's und Rancho's (größeren und klei— neren Landgütern), ſowie mit umfangreichen Pinien- und Eichenwäl— dern bedeckt, deren Fruchtbarkeit und Friſche durch die vielen Bäche, welche in großer Menge den Abhängen und Schluchten entſpringen und die weiten Ebenen befruchten, unterhalten wird. Der Popocatepetl (popocani rauchend, tepetl Berg) !), unter dem 189 35’ 47“ nördl. Breite und 100° 53“ 15“ weſtl. Länge von Paris, iſt der höchſte Berg * ) A. v. Humboldt Essai I, 265. Der Erzbiſchof von Merico, Lorenzana, der ſich im zweiten Drittel des vorigen Jahrhunderts durch die Herausgabe der officiellen Berichte des Ferdinand Cortez an den Kaiſer Carl V. über feine Eroberung Mexico's ſo verdient gemacht hat, ſagt ausdrücklich, daß der Name Popocatepetl einen Berg edeute, welcher rauche (Los Indios llamaban à este Volcan Popocatepec 6 sierra, que huméa; Historia de nueva Espalla escrita por su esclarecido conquistador Hernan Cortès. Mexico 1770, p. 70). Einer von Cortes Gefährten auf feinem Eroberungszuge, Bernal Dias, nennt den Vulcan ähnlich, wie Lorenzana, und ab- weichend von dem heutigen Sprachgebrauche, Popocatepeque, und ſetzt ausdrücklich 9 Te 128 C. Pieſchel: der mericanifchen Republik, und nach A. v. Humboldt (I, 266) der zweithöchſte Berg nach dem Mont St. Elias auf dem ganzen nördlichen amerikaniſchen Continent von dem Iſthmus von Panama bis zur Beh— ringsſtraße !). Derſelbe giebt feine Höhe auf 5400 Meter oder 2771 Toiſen, alſo auf 16,626 Pariſer (17,717 engl.) Fuß und 600 Meter höher, als die hoͤchſten Spitzen des alten Continents an 2). Nach den Meſſungen des Engländers F. Glennie ) iſt der hoͤchſte Punkt des Kraters 17,884 engl. Fuß über dem Meere. Man nennt ihn in Ver— bindung mit feinem Nachbar, dem Irtaccihuatl ), die Vulkane von Puebla, da beide Berge zu dieſem Staate gehören und der gleichnami— gen Stadt am nächſten liegen ®). Clavigero ſagt in ſeinem bekannten Geſchichtswerke über Mexico, daß dieſer Vulkan zur Zeit der mericanifchen Kriege oft feurige Aus— brüche gehabt und noch im 17. Jahrhundert häufig mit großen Afchen- maſſen die benachbarten Ortſchaften bedeckt habe, daß aber in dem ver— floſſenen Jahrhundert nur noch etwas Dampf und Rauch aus demſel- ben aufgeſtiegen ſei ). Ebenſo erzählt Bernal Diaz, daß, als Cortez hinzu, daß der Berg hier alſo heiße (Popocatepeque, que assi se llamoya aquel bolean; Historia verdadera de la conquista de la Nueva Espalla escrita por el Ca- pitan Bernal Dias el Castillo. Madrid 1632. Fol. 55, b). Da die beiden genann⸗ ten Werke, Lorenzana's Ausgabe der Originalberichte des Cortez ſowohl, als die Geſchichte des Bernal Dias zu den ſeltenſten in Deutſchland gehören und die neueren in Deutſchland erſchienenen Uebertragungen des letzten die intereſſanten Angaben des Verfaſſers über den Vulkan nicht mittheilen, ſo werde ich im Folgenden mehrere Stellen zur Erläuterung in der Originalſprache anſchließen. 8 1 ) Siehe jedoch hier IV, 390. 2) A. v. Humboldt Essai I, 265; kleinere Schriften I, 463. ) Bulletin de la Soc. de Géogr. Ine Ser. IX, p. 17. ) Nach Herrn von Humboldt (kleinere Schriften I, 464) liegen beide Berge 23 deutſche Meilen auseinander. G. 5) Der Popocatepetl wird, wie Herr v. Humboldt bemerkt (kl. Schrift. I, 404), als der größere der beiden Berge und zugleich als der in neuerer Zeit noch thätige von dem Ixtaceihuatl im Lande auch wohl unter dem Namen Volcan grande de Mexico unterſchieden. G. 6) Storia naturale del Messico, Cesena MDCCLXXX. Vol. I, p. 41. Dieſe Angaben Clavigero's ſtimmen ſowohl mit den Berichten von Cortez und Dias, wie mit den neueren Erfahrungen überein, indem die beiden genannten Berichter— ftatter ausführlich und mit den beſtimmteſten Worten die große Thätigkeit des Vul⸗ kanes während ihres Eroberungszuges in Mexico ſchildern, wogegen der Berg in neuerer Zeit ſeine Thätigkeit ſo wenig kund gab, daß man ihn ſelbſt in der Stadt Mexico für erloſchen hielt, bis im Jahre 1824 die Gebrüder Glennie mit ihrem 8888 Die Vulkane von Mexico. 129 im October 1519 mit ſeinem ſpaniſchen Heere und den verbündeten Tlascalteken von Cholula nach Tenochtitlan “) marſchirte, und er den die Sierra Nevada oder Irtaccihuatl mit dem Popocatepetl verbindenden Gebirgsrücken von Ahualco überſchritt, der Capitain D. Diego Ordas in ſeinem Auftrage mit 10 anderen kühnen Gefährten den Vulkan er— ſtiegen habe, um die Urſache des Rauches zu ermitteln 2), und daß derſelbe dabei wirklich bis zum Kraterrande gelangt ſei?), weshalb ihm Karl V. erlaubte, einen brennenden Vulkan in ſeinem Wappen zu füh— Gefährten Tayleur durch ihre Erſteigung des Berges die Mexikaner hierüber aufklär— ten (Burkhart in Schweigger's Journal für Chemie 1827. L, S. 386). Da aber die Thätigfeit des Popocatepetl in der That während der letzten Jahrhunderte abge— nommen zu haben ſcheint, ſo wird die von dem Herrn Verfaſſer in Bezug auf die Verminderung der vulkaniſchen Intenfität in Mexico im Allgemeinen ansgeſprochene Anſicht (f. hier IV, 380) beftätigt, doch hatte der Krater früher ſchon, wie die gleich anzuführenden Aeußerungen von Dias erweiſen, längere Epochen der Ruhe. G. ) Tenochtitlan iſt der alte aztekiſche Name der Stadt Mexico, der bis zum Jahre 1530 allgemein im Gebrauch war. G. 9) Dias Worte hierüber find im Original folgende: Y es que el bolcan, que esta cabe Guaxocingo (ein in der Nähe des Popocatepetl gelegener altmexicaniſcher Ort) echava en aquella sazon, que estavamos en Tlascala mucho fuego, mas que otras vezes solia echar; de lo qual nuestro Capitan Cortès y todos nosotros, como no aviamos visto tal, nos admiramos dello y un Capitan de los nuestros, que se dezia Diego de Ordas, tomole codicia de ir ä ver, que cosa era y demandò licen- cia à nuestro General para subir en d. .. y los principales (Indianos), que con- Ago llevava, ponian le temor con dezille, que quando estuviesse à medio camino de Popocatepeque no podria sufrir el temblor de la tierra, ni Hamas, y piedras y ceniza, que del sale & que ellos no se atreverian, à subir mas de hasta, donde tienen unos Cues de idolos . .. el Ordas y los dos soldados vieron al | subir, que commencö el bolcan de echar grandes llamaradas de fuego y piedras miedo quemadas y livianas y mucha ceniza y que temblava toda aquella sierra y montana adonde estä el bolcan y estuvieron quedos sin dar mas passo adelante, hasta de allä à una hora, que sintieron, que avia passado aquella llamarada y no . tanta ceniza ni humo y subieran hasta la boca que muy redonda y ancha y que avia en el anchor una quarto de legua y que desde alli se parecia la gran Ciudad de Mexico (a. a. O. Fol. 55, b). G. 3) Nach den durch Herrn v. Humboldt angeſtellten Unterſuchungen über die älte- e Beheigungen des Popocatepetl (Essai I, 164; IV, 16 — 19) bleibt es trotz Dias Angaben zweifelhaft, ob Ordas wirklich den Gipfel des Berges erreicht oder ſich nur deſſen ſpäter in Spanien gerühmt habe, indem Cortez in ſeinem officiellen Be— an den Kaiſer ausdrücklich und ausführlich angiebt, daß die große Kälte auf den 1 Theilen des Berges, der Schnee, das erſchreckende Getöſe und die Aſchenaus— wiürfe die Erpedition gehindert habe, den Gipfel des Berges zu erreichen, obgleich die⸗ ſelbe auch nach Cortez wenigſtens bis in die Nähe des Gipfels gelangt war. G. Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. IV. 9 x ö 130 C. Pieſchel— ren. Im Jahre 1522 ſoll ſodann nach einem Berichte von Cortez ſelbſt der Spanier D. Francisco Montano ſich 70 bis 80 Klafter tief in den Krater hinabgelaſſen und Schwefel aufgefunden haben, den man in Folge deſſen zur Fabrikation des Pulvers ausbeutete. Der Popocatepetl wird jetzt noch zu den brennenden Vulkanen gezählt, obgleich man ſeit mehr als 3 Jahrhunderten keinen Ausbruch von ihm kennt und derſelbe nur zeitweiſe Aſche und Rauch ausgewor— fen haben ſoll, ja zur Zeit ſogar nur Schwefeldämpfe aufſteigen läßt. Am 4. Januar 1804 ſoll er jedoch einige Stunden vorher das an dieſem Tage ſtattgehabte Erdbeben und den heftigen Sturm durch eine gerade aufſteigende Rauchſäule, ſowie durch Auswerfen von Sand und Bimſtein, verbunden mit unterirdiſchem Donner, angekündigt haben; und noch ſpäter fanden nach Mühlenpfordt Ausbrüche von Aſche und Rauch, namentlich im Monat Mai der vorigen Jahrzehnte, beſonders ſtark und ſichtbar ſtatt, wovon ich aber während meiner mehr als zweijährigen ſpäteren Anweſenheit in Mexico nicht das Geringſte bemerkt habe. Eine intereſſante Zuſammenſtellung über dieſe Erſcheinungen und namentlich über den unterirdiſchen Donner, den man von Mexico in der Richtung zum Popocatepetl häufig gehört haben will, wurde von einem der ausgezeichnetſten Gelehrten Mexico's, D. Pablo de la Llave, in einem im Registro trimestre, I. Band des Jahres 1832, publicir⸗ ten Aufſatze veröffentlicht. Die ſtets gleichmäßige Richtung der Er— ſcheinungen beſtärkt die Annahme, daß dieſelben ihren Urſprung in die— fer unterirdiſchen Werkſtatt, in der oben bereits erwähnten vulkaniſchen Linie, haben, die ihre fortwährende Thätigkeit durch die Vulkanreihe vom mexicaniſchen Golf bis zum ſtillen Meere auf der Oberfläche do- — cumentirt. Der Popocatepetl galt und gilt vielleicht noch jetzt wegen ſeines angeblichen fortwährenden Rauchens für die Bewohner der umliegen— den Ortſchaften als Wetterprophet, indem es nämlich Regen giebt, ſo— bald bei Sonnenuntergang ein ſchwarzer, zu dicken, nach Norden ge- neigten Wolken ſich verdichtender Rauch aufſteigt, während, wenn der 3 Rauch nach Süden ſich neigt, es Kälte und Reif giebt. Offenbar nur eine Wirkung der aufſteigenden Dämpfe bei veränderter Luftſtrömung und wechſelndem Winde. Die Form des Vulkans iſt die eines ziemlich regelmäßigen Ke— Die Vulkane von Mexico. 131 gels, der, von Süden aus geſehen, ſich in einem ſpitzen Winkel zu— ſpitzt, während er, von Oſten und Weſten geſehen, mehr einen ſtumpfe— ren, breiteren Kegel darftellt ). Der Gipfel iſt, wie der des Irtacci— huatl, ſeines Nachbars, mit ewigem Schnee bedeckt, welcher ſich beſon— ders nach Norden, gefühlt durch den Schnee des Irtaccihuatl, weiter hinabzieht, als gegen Süden und Suͤdoſten, wo die Schneelinie ſich oft bis auf 1000 Fuß von der Spitze zurückzieht. Dieſe Schneelinie erleidet aber in den verſchiedenen Jahreszeiten große Schwankungen. Man ſieht nämlich in den Monaten Marz bis Mai den wenigſten Schnee auf dem Gipfel, während in der Regenzeit vom Juni bis October, wo die Schneeberge allerdings nur ſelten ſichtbar ſind, und namentlich in den Monaten December und Januar, zuweilen plötzlich ſo viel Schnee fällt und derſelbe ſich ſo tief herabzieht, daß der ganze niedrige Ge— birgszug zwiſchen dem Popocatepetl und Ixtaccihuatl davon bedeckt iſt, und beide Gipfel zu einem Schneegebirge verbunden ſind 2). Doch in den Wintermonaten iſt der Schnee nicht von langer Dauer, da die heißen Sonnenſtrahlen bei dem ewig heiteren Himmel den Schnee täg— lich fortſchmelzen, wenn nicht über Nacht zu viel gefallen iſt, oder die Luft zu anhaltend kalt bleibt. Die ganze vulkaniſche Thätigkeit des Vulkans ſcheint ſich jetzt nur auf das Aushauchen von Schwefeldämpfen zu beſchränken, die auch zu— weilen, je nach der Beleuchtung des Berges, den Gipfel in einem gelbli— chen Lichte erſcheinen laſſen ?). Einen impoſanten Anblick gewähren aber beide Schneeberge mit ihren weißen Abhängen gegen Abend, wenn ſie durch die gebrochenen Strahlen der untergehenden Sonne in einer ſchön roſenrothen Beleuchtung erglänzen und den Bewohnern der nur 7 deutſche Meilen davon entfernten Hauptſtadt Mexico und ihrer Um— gegend eines der prächtigſten Schauſpiele darbieten ). 1 — 1 * ) Herr v. Humboldt nennt den Gipfel abgeſtumpft (Vue des Cordillères 106; Essai J, 161), wie den Pie von Orizäba. G. ) Die Anſicht des Popocatepetl in Hrn. v. Humboldt's Atlas zu 1 Essai Taf. 16 iſt von Louis Martin in dem Moment gezeichnet, wo ſich die Schneelinie durch friſch gefallenen Schnee bis zur Gipfelhöhe des Pie von Teneriffa herabgeſenkt hatte. G. 9) Ganz dieſelbe Beobachtung machte Hr. v. Humboldt Essai II, 345. ; 99 Herr v. Humboldt verſichert, daß der Anblick dieſes Bergcolofjes mit feiner . Be Schneemaſſe ſogar viel großartiger fei, als Alles, was die Gebirgsländer erico's darbieten (Kleinere Schriften J. 464). G. 9 * su 132 C. Pieſchel: Der Popocatepetl ift in neuerer Zeit vielfach erſtiegen worden, namentlich haben ihn die Gebrüder F. und W. Glennie und J. Tay- leur durch ihren Beſuch am 17. April 1827 in den Kreis wiſſenſchaft— licher Beobachtungen und Forſchungen gebracht ). Der Weg, den dieſe Reiſenden zur Beſteigung des Berges einſchlugen, bildet einen fürmli- chen Umgang um denſelben, indem fie von Mexico über Ameca, San Nicolas de los Ranchos, Atlireo, Tochimilco und die Hacienda Santa Catarina — Ortſchaften, die rings um den Fuß des Berges liegen — gingen, und auf dieſe Weiſe 4 Tage gebrauchten, um den Gipfel zu erreichen. Sie hatten einen höchſt beſchwerlichen Weg eingeſchlagen, vermuthlich aus Mangel unterrichteter Führer. Erſt nach einem mühe— vollen Steigen von der Grenze der Vegetation um 3 Uhr früh an, das bei den fortwährenden heftigen Schmerzen im Kopfe und in den Kniegelenken in Folge der dünnen Luft, ſowie bei dem gefahrvollen Klettern über zerriſſenes baſaltiſches Geſtein auf dem lockeren Sande und Bimſteingerölle, wie auf den zackig gefrorenen Schneemaſſen dop— pelt beſchwerlich wurde, erreichten ſie Abends 5 Uhr ihr Ziel, den Kraterrand. Sie wurden dabei noch wiederholt durch einen Regen von kleinen Steinen und Aſche, welche der Vulkan unter donnerähnlichem Geräuſche auswarf, beläſtigt. Sie fanden den Krater nach Südoſten geneigt, einem ungeheuren Trichter gleichend, deſſen Seitenwände nur wenig Neigung hatten und deſſen Tiefe man nicht erſchauen konnte. Die Seiten waren durch radienähnliche Spalten der Länge nach geſtreift. Drei kreisförmige Aus— höhlungen theilten ſie, ſo weit man hinab ſehen konnte, in 4 Gürtel von ungleicher Breite und ungleichem Durchmeſſer. Der oberſte Gürtel, welcher den Kratermund umfaßte, war der größte und beſtand aus Fels, während die anderen nach ihrer Meinung aus Sand gebildet zu ſein ſchienen. Im Innern fand ſich Schnee nur an der Nordſeite, doch konnte man nicht ſehen, wie weit er hinabreichte. Die Südſeite des I) Die Beſteigung des Popocatepetl durch Fr. und W. Glennie und Tayleur wurde von dem erſten in der Zeitung von Mexico geſchildert. Mittheilungen aus dem Bericht finden ſich theils in dem Bullet. de la Soc. de Géogr. 1"° Ser. 1828. IX, 1-14, theils in Schweigger's Journal für Phyſik und Chemie 1827. L, 387 — 395 nach einem Artikel in der mericanifchen Zeitung EI Sol vom 8. Mai 1827, Nr. 1432. G. Die Vulkane von Mexico. 133 Kraters zeigte ſich uneben und von geringerer Dicke als die Nordſeite, die zugleich auch glatter war. Im Krater ſelbſt hörten die Reiſenden ein ununterbrochenes Getöfe, dem einer fernen Meeresbrandung gleich, das, ſobald es ſich zu einem heftigen Raſſeln verſtärkte, jedesmal von einem Auswurfe von Steinen, Aſche und Sand begleitet wurde. Die meiſten Steine fielen in den Krater zurück. Sowohl innerhalb, wie außerhalb der Mündung des Kraters ſtiegen Dampfſäulen von ver— ſchiedenſtem Umfange auf, wovon namentlich die aus der Tiefe kom— menden am bedeutendſten waren ). Die Quedfilberfäule des Barometers ſtand am Rande des Kra— ters auf 15“ 3,60“, und das Thermometer zeigte 30“ Fahrenheit in freier Luft. Die Reiſenden beſtimmten die Grenze der Vegetation auf 12,693 engl. (12,043 Pariſer) Fuß, die der Nadelhölzer auf 12,544 engl. (11,890 P.) Fuß, endlich, wie früher bemerkt, die höchſten Punkte des Kraters auf 17,884 engl. (16,837 P.) Fuß über dem Meere. . Am 10. November 1827 beſtieg der Engländer Samuel Birckbeck den Popocatepetl und ermittelte ſeine Höhe zu 10,347 Fuß über dem Niveau der Stadt Mexico, deren Meereshöhe nach A. v. Humboldt 2276 Meter oder 7,238 Fuß beträgt ), alſo zu einer abſoluten Höhe von 17,585 Fuß. Die Queckſilberſäule ſeines Barometers zeigte um 3 Uhr Nachmittags 15,616 engl. Zoll bei einer Temperatur von 22“ . Am 29. April 1834 gelang die Erſteigung dem damaligen preußi— N * Gefchäftsträger für Mexico, v. Gerolt ), in Geſellſchaft des fran— zoͤſiſchen Geſchäftsträgers, Baron Louis Gros, und eines engliſchen Landſchaftsmalers, Fl. Egerton, nach einem bereits im Monat Mai des vorhergegangenen Jahres vergeblich gemachten Verſuche, den Popoca— tepetl über die Dörfer Ozumba und Atlautla zu erſteigen, nachdem ſie Tags zuvor die Grenze der Vegetation erreicht hatten. Sie ritten von 131 — ) Dieſe Beſteigung iſt beſonders dadurch von Interefje geworden, daß fie den Merxicanern zuerſt die Gewißheit verſchaffte, wie S. 129 erwähnt war, daß der Vul⸗ kan ein noch thätiger iſt, indem man in Mexico ſelbſt darüber in Ungewißheit war. N 433 ©. 9 a 2) A. v. Humboldt Essai II, 144. G. . 9 Herr v. Gerolt beſchrieb nach Prescott, History of dhe conquest of Mexico New York 1844. II, 46 feine Erſteigung des Popocatepetl in der Revista Mejicana J, 462 — 482. ©. 134 C. Pieſchel: früh 2 Uhr an noch 13 Stunden im tiefen Sande, bis fie ſich vor Kälte in den Füßen nicht mehr auf den ermüdeten Pferden halten konnten, worauf ſie, begleitet von vier Dienern und Führern, in der Richtung des Pico del Fraile (Mönchsſpitze) über eine Sandwüſte von kleinen feinen Baſaltlava- und Bimſteinſtücken, aus welchen vereinzelte Trachyt- und Porphyrfelſen hervorragten, ihren Weg nahmen. Gegen 9 Uhr gelangten ſie an den Pico del Fraile, einen etwa 150 Fuß hohen rothen Thonporphyrfelſen im Weſten des Vulkans, wo die Indianer ſich weigerten, weiter zu folgen, und mit den Inſtrumenten zurückblieben. Dieſe ſchroffe Felswand, die ſich bergaufwärts nach dem Gipfel zieht, hinderte ſie, in grader Richtung fortzuſteigen, und ſie wurden ge— nöthigt, ſich öſtlich zu wenden und in einer weiten Schneewaſſerſchlucht, welche ſich etwa 1000 Fuß unter der Spitze des Vulkans in ſüͤdlicher Richtung in einer Neigung von 35 Grad herunterzieht, aufwärts zu klettern. Obgleich ſie ſich bereits 2000 Fuß über der Grenze des ewi— gen Schnee's befanden, ſo hatten ſie nur an wenigen Stellen auf dieſem Wege Schnee angetroffen, was ſie theils der ſteilen Neigung des beweglichen Sandes, theils der Erwärmung des Bodens durch das unterirdiſche Feuer zuſchrieben. Nach mehr als dreiſtündigem, be— ſchwerlichen Steigen erreichten ſie den Anfang der Schlucht, und auf dem Schnee, in den ſie zuweilen bis an die Hüften einſanken, im Zick— zack weiterkletternd, gelangten fie gegen 3 Uhr Nachmittags nach 135 ſtündigem Steigen auf die Spitze des Berges, wo ſie plötzlich in einem unermeßlichen Abgrunde den Krater vor ſich hatten. Die Krateröffnung, deren unterer Rand gegen Oſten liegt, hatte eine unregelmäßige elliptiſche Form. Die große Are lag in der Richtung von Nordweſt und wurde auf eine Länge von 5000 Fuß, die kurze auf 4000 Fuß nach Augenmaaß abgeſchätzt, woraus ſich eine Peripherie von circa einer halben deutſchen Meile ergiebt ). Die innern Seiten— wände des Kraters fanden ſie ſenkrecht gegen 800 bis 1000 Fuß ab— fallend und den Boden deſſelben von gleicher elliptiſcher Form, wie die ) Cortez ſagt, muthmaßlich nach Montano’s Bericht, Folgendes über die Krater- mündung: Y habia de la una parte de la boca à la otra dos tiros de Ballesta, por- que hay en torno quasi tres quartos de legua y tiene tan gran hondura, que no pudieron ver el cabo y alli al rededor hallaron Azufre de lo que el humo expile (Lorenzana 318). Die Vulkane von Mexico. 135 Oeffnung. In dieſem Abgrunde ſahen ſie zwei Schwefelgasquellen in weißen Dämpfen dem Boden entſteigen, deren feſte Producte ſich in den unteren Räumen als Schwefel niederſchlugen. Sie fanden den ganzen Boden ſowohl, wie die Seitenwände, mit Schwefel bedeckt und ſchloſſen daraus, daß dieſer Prozeß ſchon viele Jahre angedauert habe, und vielleicht die Ebene im Krater von vielhundertjähriger Anhäufung des Schwefels herruͤhren möge. An den Kraterrändern trafen fie keinen Schwefel, ſondern nur eine Menge kleiner runder Löcher von 1 bis 3 Zoll Durchmeſſer, woraus ſchwefelige Waſſerdämpfe mit Geräuſch und abwechſelnd mit größerer und geringerer Gewalt aufſtiegen. Das ſie umſchließende Geſtein iſt ein feſter lavaartiger rother Porphyr mit vie— lem glaſigen Feldſpath !), der durch die warmen Dämpfe, wo dieſe entſteigen, ganz erweicht wird. Die Kraterwände beſtanden aus hori— zontal geſchichteter bräunlich grauer Lava und fielen ſo ſteil nach Innen ab, daß die Reiſenden keine Stelle finden konnten, um hinabzuſteigen. Von den Seitenwänden fielen unter dumpfem Widerhall fortwährend Steine in den Abgrund, und in ziemlich gleichmäßigen Zwiſchenräumen hörten ſie von Zeit zu Zeit ein unterirdiſches, donneraͤhnliches Getöſe, wie eine Artillerieſalve aus weiter Entfernung. Der körperliche Zuſtand von Beklemmung und Erſchöpfung und die durch den ſo ſehr verminderten Luftdruck auf's Aeußerſte getriebene Spannung der Blutgefäße, beſonders im Vorderkopfe und in den Au— gen, geſtatteten den Reiſenden nur einen kurzen Aufenthalt. Ihren phyſikaliſchen Beobachtungen nach betrug die Höhe an der Grenze der Vegetation 5144 engl. Fuß über Mexico, und das Waſſer kochte bei 90“ Centig. um 6 Uhr Abends. Auf dem Pico del Fraile kochte um 9 Uhr früh das Waſſer bei 82“ Centigr., und ſeine Höhe wurde auf 9400 engl. Fuß über Merico berechnet. Die barometriſche Höhe des Popocatepetl ermittelten fie auf 17,938 engl. Fuß ). Am 27. Februar 1851 fand die erſte Unterſuchung des inneren Kraters, der ſogenannten Solfatara, auf dem Popocatepetl ſeitens zweier ) Wohl Trachytporphyr mit Oligoklaskryſtallen. G. 2) Es iſt ſehr zu bedauern, daß wir von Herrn v. Gerolt, der bekanntlich ſelbſt Geognoſt und Bergmann war, keinen Bericht über feine geognoſtiſchen Beobachtungen an dem Berge beſitzen, da er bisher der einzige naturwiſſenſchaftliche Forſcher geweſen iſt, der eine Erſteigung des Popocatepetl unternommen hat. G. 136 C. Pieſchel: Franzoſen ſtatt. Dieſelben gingen von Atlixco, im Südoſten des Vul— kans, über San Nicolas de los Ranchos, wo ſie zwiſchen letztem Orte und San Juan Teankismanalco einen breiten und 50 bis 200 Meter langen Lavaſtrom überſchritten. Sie paſſirten Zalizintla, das höchſte indiſche Dorf am ſüdöſtlichen Fuße des Vulkans, 2500 M. über dem Meere und umgeben von vulkaniſchen Sandhügeln. Ihr Nachtquartier nahmen ſie in dem aus wenigen Bretter- und Erdhütten für Arbeiter, ſowie aus einfachen Anlagen zu Schwefelöfen beſtehenden Rancho de Tlanacas unter den letzten Tannen, indem eine kurze Strecke aufwärts, in 3826 M. Höhe, ſich die Grenze der Baumvegetation befindet. Einige Gräſer und eine Art Immortellen ſchmückten das vulkaniſche Geröll, verſchwanden aber bald noch eine kurze Strecke höher hinauf auf dem todten ſchwarzen Sande, 3872 M. hoch. Mit großer Mühe ſtiegen die beiden Reiſenden auf einer ſchwarzen beweglichen Aſchenfläche, be— ſäet von Bimſtein- und Lavaſtückchen, aufwärts. Zerriſſene Lavafelſen und Baſaltblöcke lagen in einzelnen Gruppen zerſtreut, oft halb be— deckt vom Sande in verſchiedener Höhe. Einzelne bildeten lange Fels— kämme, Ueberreſte eines erſtarrten Lavaſtromes, andere iſolirte Fels— ſpitzen, ausgeworfene erkaltete Lavablöcke, die bei dem geringſten An— ſtoß auf der ſchrägen Sandfläche hinabzurollen drohten. Porphyr, Tra— chyt, Obſidian, Baſalt und andere vulkaniſche Geſteine fanden ſich hier repräſentirt. Nach zweiſtündigem Steigen erreichten ſie die untere Schneegrenze, die aus einer in Zacken und Spitzen gefrorenen 2 bis 3 Fuß hohen Eismaſſe beſtand, und auf der ſie wie auf einer Terraſſe aufwärts kletterten, was ihnen aber in Folge der guten Anweiſungen ihrer Führer ſo wenig Schwierigkeit machte, daß ſie die Beſteigung des Popocatepetl in Zukunft für eine Promenade der mericaniſchen Stutzer erklärten, die nicht mehr Schwierigkeiten, als die Beſteigung des Ve— ſuvs oder Aetna, darbiete. Sie hatten wegen einer ſtarken Wolken— ſchicht, die ſich um den Kegel während ihrer Beſteigung legte, nichts von dem Refler der Sonnenſtrahlen auf dem Schnee zu leiden, und fühlten bei ihren noch jungen und kräftigen Conſtitutionen keinerlei Beſchwerden beim Einathmen der dünnen Luft. Der Krater ſtieß fort— während ſchwefelwaſſerſtoffhaltige Dünſte aus, welche die dicke Luftſchicht, obgleich fie noch einige Hundert Meter unterhalb der Kratermündung ſich befanden, ihnen entgegenwarf, und das Steigen in dieſer dünnen Die Vulkane von Mexico. 137 Luft bei dem unerträglichen Geruche dieſer Gaſe ſehr unangenehm machte. Viele ſollen dieſer Luft nicht widerſtehen können und ohnmäch— tig niederfallen. Die Führer nennen dieſes Unwohlſein: Seekrankheit des Vulkans (el mareo). Beim Erreichen des Kraterrandes nach 5 Stunden hörten ſie dumpfes Getöſe aus dem Innern, ähnlich dem eines fernen Waſſer— falles oder der fernen Brandung des Meeres. Der Kraterrand, 5344 Meter über dem Meere, umſchließt in einem circa zſtündigem Umfange einen 500 Meter tiefen, runden, nach Innen ſpitzzulaufenden Keſſel, deſſen Seitenwände ſchroff abfallen. Aus der Tiefe erhoben ſich Rauch— faulen, die aus Oeffnungen in verſchiedener Höhe (fumeroles) auf— ſtiegen. Das Geräuſch der ausſtrömenden Gaſe wurde untermiſcht von dem Getöſe der ſich löſenden, hinabſtürzenden Felsblöcke und der hin— abrollenden Aſche. Die Reiſenden ſtiegen 86 Meter tief in das Innere des Kraters hinab, wo ſie unter einem großen Felsblocke Raſt mach— ten, und ſich ſodann an einem Seile in den Abgrund etwa 71 Meter tief hinabließen. Auf einem ſchrägen Abſatze von 400 Meter Länge zwiſchen großen Felsblöcken und breiten, Schwefelwaſſerſtoffgas aus— hauchenden Spalten hindurch gelangten ſie auf den Fuß des Abgrun— des. Hier befanden ſich drei Hauptdampföffnungen: in Südoſten, Sü— den und Nordoſten, von denen die erſte die ſtärkſte war; außerdem zählte man noch über 30 ſolcher Oeffnungen von 1 bis 2 Fuß Durch— h j | | meſſer, die alle unter ſtarkem Donner mit großer Gewalt dicke Dampf— faulen mit Salzen und Schwefel geſchwängert, auswarfen. In der Mitte des Grundes, im Sande, befand ſich eine Vertiefung mit rei— nem Trinkwaſſer, das vermuthlich aus dem geſchmolzenen Schnee ſeinen Urſprung hatte. Nach dreiſtündigem Aufenthalte im Krater traten die beiden Rei— ſenden ihren Rückweg aus der Tiefe deſſelben an. Er war weit müh— ſamer und gefährlicher, als das Hinabſteigen, indem fie bald auf dem beweglichen Sande zurückrutſchten, wobei oft große Steine mit hinab— rollten, bald vergeblich mit dem Fuß nach einem ſicheren Standpunkte auf den lockeren zerbröckelten Steinen ſuchten, bald die heißen übelrie— chenden Schwefeldaͤmpfe fie halb ohnmächtig machten, bis fie endlich die ſenkrechte Felswand erreichten und ſich an einem einfachen Seile hinaufziehen ließen, wobei ſie mit Händen und Füßen arbeiten mußten, 138 C. Pieſchel: um dem Seile die nöthige Richtung an den Felskanten und Spitzen vorbei zu geben. In neueſter Zeit, namentlich im Jahre 1853, iſt der Popocate— petl innerhalb weniger Monate von mehreren Geſellſchaften erſtiegen worden. Der Marquis de Radepont gelangte auf denſelben in Be— gleitung eines Franzoſen und eines Schweizers von Puebla aus über San Nicolas de los Ranchos, wobei die Geſellſchaft eine Nacht am Abhange der inneren Kraterwand unter Steinen und Felsvorſprüngen, welche die zur Zeit dort mit der Schwefelausbeute beſchäftigten Arbeiter zu ihren nächtlichen Wohnungen eingerichtet hatten, zubrachte, und ſich ſelbſt an Seilen in den 300 bis 400 Fuß tiefen Krater hinabließ, um die Löcher und Aushöhlungen in Augenſchein zu nehmen, woraus der Schwefel gewonnen wird. i Einige Zeit darauf erftieg endlich noch der franzöſiſche Maler Binz gret aus Mexico den Popocatepetl. Er ließ ſich gleichfalls in den Krater hinab und fertigte ſpäter einige intereſſante Bilder und Anſichten da— von an. Derſelbe brachte die Nacht in jener Niſche zu, welche, 50 Fuß tief am inneren Kraterrande gelegen, von den Schwefelarbeitern als ein Zufluchtsort für die Nacht mit großen Felsblöcken umſetzt war und von ihm ſcherzweiſe „U’hötel du Popocatepetl“ genannt wurde. Von hier wurde er an einem Seile auf einen Abſatz in den Krater hinab— gelaſſen, wo die Arbeiter den Schwefel ausbeuten, und von wo er die andere Hälfte der Tiefe des Kraters, ungefähr 300 Fuß, zu Fuß hin— abſtieg. Er vergleicht den Krater mit einem großen Schmelzofen, der mit den theils in zerriſſenem und verwittertem ausgebrannten Geſtein, theils in vulkaniſchem Sand- und Steingerölle beſtehenden Ueberbleib— ſeln des letzten Auswurfs gefüllt iſt, und woraus hier und da durch Spalten Schwefeldämpfe aufſteigen. Die Niſchen und Löcher am in— neren Kraterrande, die ſogenannten Schwefelminen, wo die Arbeiter den Schwefel gewinnen, nennt er Solfataren und bezeichnet ſie als Hauptſitz eines etwaigen neuen Auswurfmaterials. Die ſtarken Schwefel— dünſte hindern hier oft die Arbeiter bei ihrem Werke. Auf dem Grunde des Kraters zeigten ſich mehrere kleine Oeffnungen, fumeroles, die Dampf und vulkaniſches Geröll mit innerem Getöſe auswarfen. Den ganzen Umfang des Kraters ſchätzte der Reiſende auf 3 Stunde. Ich ſelbſt beſtieg den Popocatepetl am 26. März 1853 in Gefell- | | a Die Vulkane von Merico. 139 ſchaft von ſieben anderen, den verſchiedenſten Nationen angehörigen Rei— ſenden (dem Franzoſen M. Virlet d'Aouſt, den Engländern MM. George Hamilton, Sir Francis Lyon, N. Davidſon, R. J. Buckley, dem Nord— amerikaner John G. Coſter aus New-Pork und dem Deutſchen H. Hudemann aus Hamburg). Wir brachen Tags zuvor von dem Eiſen— werke San Rafael auf, gingen über Amecameca, wo wir die nöthigen Führer reſp. Träger für die Nahrungsmittel für Menſchen und Thiere mit uns nahmen, und gelangten über die kleine Hacienda Tamacoco nach einem 4ſtündigen Ritte über die Vorberge, durch einen ununter— brochenen Tannenwald aufſteigend, gegen Abend nach dem Rancho Tla— nacas. Wir waren größtentheils dem Wege von Amecameca nach Puebla gefolgt, welcher zwiſchen den beiden Vulkanen den Bergrücken überſteigt, und auf welchem einſt Cortez mit ſeinem Eroberungsheere zum erſten Male in das Thal von Tenochtitlan hinabgeſtiegen iſt. Der aus wenigen Holz- und Erdhütten, ſowie aus einigen einfachen Oefen beſtehende Rancho Tlanacas iſt von zwei Geſellſchaften, der aus Me— rico und der aus Puebla, die gegenſeitig das ausſchließliche Eigen— thumsrecht der Schwefelminen im Krater für ſich in Anſpruch nehmen und deshalb ſchon darüber in Proceſſe verwickelt ſind, erbaut, um den vom Krater herabgeſchafften Schwefel zu ſchmelzen und gereinigt ſofort nach den Städten Mexico und Puebla zu verſenden. In einer mit Gras und Erde bedeckten zeltartigen Hütte von Tannenſtämmen fan⸗ den wir, wie unſere Diener in einer zweiten, hinreichendes Unterkom— men. Der Abend war bereits ſehr kühl und die Luft ſo fein, daß man ſich trotz der warmen Kleider und Decken nur in der Nähe eines mächtigen Feuers wohl fühlte. Die Höhe dieſes Punktes mittelſt Ko— chen des Waſſers feſtzuſtellen, mißglückte, da der Apparat bereits auf dem Transport gelitten hatte. Der Rancho liegt mitten in einem Tan⸗ nenwalde am Anfange einer kleinen Schlucht, die etwas Waſſer liefert, was auch ſein indiſcher Name Tlanacas bezeichnen ſoll. Die Spitze des Vulkans erſchien von hier wie ein runder weißer Schneerücken, der leider nur noch kurze Zeit in den Strahlen der untergehenden Sonne erglänzte und ſich bald in dicke Nebelwolken hüllte, die der Wind hinauftrieb und um ihn legte. Um 3 Uhr am andern Morgen waren endlich die vielen Pferde geſattelt und mit den ſäumigen Füh— rern Alles geordnet. Wir ritten eine halbe Stunde im Pinienwalde 140 C. Pieſchel: fort und überſchritten bald nach dem Aufhören deſſelben die Grenze der Vegetation. Unſer Weg führte durch einen Baranco auf der nördli— chen Seite des Bergkegels nach Oſten zu ſtets in tiefem vulkaniſchen Sande bergan ſteigend. Obgleich derſelbe nur allmählig an dem Kegel anſtieg, war der Sand doch ſo tief, daß die Pferde bald ſehr ermüde— ten, und wir es bei dem langſamen Gehen kaum vor Kälte aushalten konnten. Nach 13ſtündigem Steigen ließen wir die Pferde nach dem Rancho zurückbringen, ſetzten mit unſeren indiſchen Führern den Weg zu Fuß fort, unterſtützt von langen, mit Eiſen beſchlagenen Alpen— ſtöcken, und gelangten kurze Zeit darauf an einige aus dem Sande hervorragende Lavafelſen, worauf ein hölzernes Kreuz errichtet war, Luaco genannt. Hier fing der Tag an zu grauen. Der Sand wurde mit jedem Schritte bergan feſter durch den Froſt, und wir kamen bald auf eine glatte ſchwarze Eismaſſe, auf der das Steigen ſehr gefährlich wurde. Es war dies der Uebergang zum Schnee. Der Sand wird durch das am Tage herabfließende Schneewaſſer ſo getränkt, daß die— ſes, während der Nacht gefrierend, eine förmliche Eiskruſte bildet. Schon hier vermochten einige unſerer Gefährten, die weniger ſicher und feſt auf den Füßen waren, kaum zu folgen und mußten oft ihre Hände zu Hilfe nehmen. Die Steigung mochte mehr als 35 Grad betragen. Nach einer halben Stunde erreichten wir den Schnee, der nicht ſehr tief war. Um mir das Steigen in demſelben zu erleichtern, folgte ich dem Beiſpiele der Indianer, die ſich dicke Stricke um die Sohlen der Schuhe banden, um das Ausgleiten zu verhindern, und trat ſtets in die Fußtapfen der vorangehenden Führer. Auf dieſe Weiſe immer ſchräg am Kraterkegel, deſſen Neigung ſtets ſteiler wurde, aufſteigend, waren wir von der weſtlichen Seite ganz nach der öſtlichen des Vul— kans herumgekommen. Je höher wir kamen, deſto eiſiger und feſter wurde der Schnee, der bald ſogar in förmliche kleine Eisſpalten über— ging, welche dadurch entſtehen, daß die heißen Sonnenſtrahlen am Tage den Schnee ſchmelzen, deſſen Waſſer dann bei dem ſtarken Abfall des Kegels in dem Eiſe rinnenartige, allmählig ſchräg am Berge hinab— laufende Vertiefungen bildet. Man muß ſo treppenartig aus einer Spalte in die andere ſchräg aufwärts klettern; dabei ſind die Ränder derſelben oft ſo ſpitz und kantig von harten Eiszacken gebildet, daß ſie die Füße und die bei dieſem Klettern nothwendig oft in Anſpruch ge— * „— Bi Die Vulkane von Merico. 141 nommenen Hände blutig reißen. Ich bewunderte einige Indianer, die ohne Sandalen oder Schuhe mit bloßen Füßen auf dieſem Schnee und Eiſe fortfletterten, ohne ſich zu verwunden oder über Kälte zu klagen. Als die Sonne auf dieſer Stelle uns überraſchte, bot ſich uns ein un— beſchreibliches Schauſpiel dar, wie ich es einſt nur ähnlich von dem Pic Teyde auf Teneriffa geſehen hatte. Ein weißes Wolkenmeer hatte den Luftraum gegen Oſten in zwei Etagen getheilt; unter demſelben lag die Ebene von Puebla (Anahuac) mit den bewaldeten Abhängen, und über demſelben erſchienen die düſteren Felsrücken der Malinche und des Cofre de Perôte, ſowie der blendende Schneekegel des Pic von Ori— zaba, neben welchem die mächtige Sonnenſcheibe ſich gravitätiſch in den blauen wolkenloſen Aether erhob. Unſer Weg wurde durch die Sonne beſchwerlicher, indem der Schnee ſich lockerte und das Eis durch das Schmelzen ſchluͤpferig wurde; dazu kam, daß wir jetzt unſer Geſicht durch Schleier und un— ſere Augen durch farbige Brillen gegen die auf der Schneefläche re— flectirenden Sonnenſtrahlen ſchützen mußten, um nicht das Schickſal des Herrn v. Gerolt und ſeines Gefährten zu haben, die ihren erſten Verſuch der Beſteigung aufgeben mußten, weil ihnen das ganze Ge— ſicht und die Augen ſo geſchwollen und entzündet waren, daß ſie erſt nach vier Wochen ſich von dieſer furchtbaren Einwirkung des Schnee's wieder hergeſtellt ſahen. Die Luft wurde fühlbar immer dünner und geſtattete nur 30 bis 40 Schritte zu thun, nach denen man wieder neue Kräfte durch Still— ſtehen ſammeln mußte. Das Steigen war auf dieſe Weiſe weniger gefährlich und beſchwerlich, als augenblicklich ermattend und erſchlaffend. Endlich nach 8 Uhr, alſo ungefähr nach 5ſtündigem Steigen vom Rancho, wie man uns vorhergeſagt hatte, erreichten wir nach einander den Kraterrand, und zwar im Oſten, an ſeiner niedrigſten Stelle. Der Nuf der erſten Ankömmlinge, daß glücklich das Ziel erreicht ſei, gab Manchem der Nachzügler, wovon einige ſchon ſo erſchöpft waren, daß ſie vom Weiterſteigen abſtehen wollten, und andere ſogar ſchon nahe daran waren, vor Erſchöpfung in Ohnmacht zu fallen, ſo viel Kraft und neuen Muth, daß wir uns bald Alle oben 3 und wohlbe— halten verſammelt ſahen. Die Luft war dünn und kalt, und die dickſten Decken genügten t ä 142 C. Pieſchel: ſelbſt in der Sonne kaum, uns zu erwärmen. Das Thermometer zeigte nur 6 R. an. Auffallend war die Erſcheinung, daß die Luft in der Nacht bis zu Sonnenaufgang weniger kalt ſich fühlbar gemacht hatte, als nach Sonnenaufgang, und in der That ſank auch das Thermo— meter am tiefſten unmittelbar vor und nach Sonnenaufgang, wo es kaum 1 bis 2° R. anzeigte. Für den Körper war dieſer Contraſt um ſo fühlbarer, als die Luft bis zu Sonnenaufgang auffallend ruhig und ſtill blieb, während mit dem Erſcheinen der Sonne eine ſtärkere Luftſtrömung entſtand, und vielleicht auch durch den Einfluß der Sonnenſtrahlen die Haut mehr erwärmt und deshalb empfindlicher ge⸗ gen die Kälte der Luft wurde. Der Krater zeigte eine ovale Oeffnung, die von Nordweſten nach Südoſten ihre Längenaxre und einen Umfang von ungefähr einer Stunde hat. Im Südweſten befindet ſich der höchſte Punkt des Kra— terrandes, der ſich gegen Oſten zu dem niedrigſten Punkte hinabzieht. Ich verſuchte, nach dem höchſten Punkte zu gelangen, konnte aber nur auf der Nordſeite des Kraterrandes herum bis zu Dreiviertel dieſer Seite, dem zweithöchſten Punkte des Kraters, gelangen, da der jähe Abfall der Kraterwand auf der inneren Seite, ſteile rauchende Felſen und eine tiefe Schlucht im Eiſe auf dem äußeren Rande am weiteren Vordringen auf dieſer Seite hinderten. Der Krater hat eine trichter— förmige Geſtalt, deren Tiefe ich auf 500 bis 600 Fuß abſchätzte, und die ich noch bei keinem Vulkan ſo ſchön regelmäßig geformt geſehen habe. Die Wände fallen ſteil zu allen Seiten ab, und nur an der öſtlichen, wo wir angelangt waren, laſſen die Arbeiter der Schwefel— minen ſich an einem 240 Fuß langen Seile hinab. Seit dem Jahre 1848 hat man nämlich hier mit der Ausbeutung des Schwefels begonnen, der ſich eines Theils geſchmolzen, indem er ſich ſtrahlenförmig um die Oeffnungen ergießt, anderen Theils aus den Dämpfen condenſirt, in Zacken, Blumen, Kriſtallen und Staub geformt, findet. Man gewinnt ihn in einer Tiefe von 300 bis 400 Fuß auf einzelnen felſigen Abſätzen aus der Kraterwand. Derſelbe wird in klei— nen Säcken mittelft einer Winde nach oben gezogen und dann, auf Rindshäuten zuſammengepackt, auf einer Art Rutſchbahn auf dem Eiſe und Schnee bis an den Fuß des Kraters hinabgerutſcht, von wo er mit Eſeln nach dem Rancho zum Kochen weiter befördert wird. Der Die Vulkane von Mexico. 143 Schwefelreichthum ſoll ganz bedeutend ſein, doch wird über den Betrag der Ausbeute nach mericanifcher Art tiefes Schweigen beobachtet, ent: weder weil man ſich keine Concurrenz ſchaffen will, oder weil man ſelbſt den Ertrag nicht genau anzugeben vermag. Andererſeits hat aber theils der Streit über das Eigenthumsrecht, theils der beſchränkte Conſum im ganzen Lande bei den hohen Betriebskoſten noch jeden ſtarken Betrieb gehindert. Die Arbeiter bringen die ganze Woche über im Krater bei ihrer Arbeit zu, haben ſich bereits dort unter Felsblöcken einen ganz wohnlichen Aufenthalt für die Nacht eingerichtet und ſteigen nur des Sonnabends herunter, um bis zum Montag im Kreiſe ihrer Familie zu leben. Die Wände des Kraters ſind von Schichten verſchiedenen Ge— ſteins gebildet, von deren Abſätzen im Innern oft ganz maleriſch lange Eiszapfen herabhängen. Die Schichten liegen horizontal und geben durch ihre verſchiedenen Farben ein eigenthümliches Bild. Sie wech— fen vom dunkelſten Roth in's Fleifchfarbige, in's Gelb, Braunroth, Gelbbraun ꝛc. Daß dieſe Schichten durch die vulkaniſche Thätigkeit aus dem Innern der Erde aufgetriebene Steingebilde ſein ſollen, da— gegen ſcheint ihre kreisförmige, horizontale Lage zu ſprechen. Ich halte dieſelben deshalb vielmehr für einzelne Lava- und Auswurfsſchichten, die ſich je nach der Thaͤtigkeit des Vulkans in Folge jedes Ausbruchs gebildet und ſo mit der Zeit über einander gelegt haben. Daß man jetzt die Schichten, wie Bänder, über einander liegen ſieht, hat das Inſichzuſammenſinken des Kraters nach dem letzten Auswurfe hervor— gerufen, indem das Geſtein des äußeren Kraterrandes erkaltet iſt und ſich verhärtete, während der inwendige noch weichere Rand durch wie— derholte Auswürfe eine glattere, ſteilere Abſchleifung erhielt. Die Bodenfläche des Kraters, die man ganz deutlich vom oberen Rande überſehen kann, mag vielleicht ein paar Hundert Schritt im umfang haben. Sie iſt mit Schnee und Eis und an einigen Stellen mit hinunter gerutſchtem Steingerölle bedeckt. An zwei Stellen ſah ich aus derſelben dunkle Rauchwolken aufſteigen, die ſich ſtoßweiſe aus dem Krater erhoben, in freier Luft aber bald verſchwanden. Obgleich ihre Farbe eine Miſchung mit anderen Subſtanzen, vielleicht mit Aſche oder Sand ꝛc., verrieth, jo konnte ich doch nichts als Dämpfe wahr— nehmen. Cbenſo befanden ſich zwei Stellen auf dem Kraterrande im . 144 C. Pieſchel: Süden und Nordweſten, welche leichte Schwefeldämpfe aus Spalten aushauchten. An der letzten, wo zwiſchen dem Lavageſtein die heißen Dämpfe emporſtiegen, war das Geröll einige Finger breit unter der Oberfläche brennend heiß, und die ganze Oberfläche warm und weich. Die aufſteigenden Dämpfe lagern ihre ſalzigen Theile auf dem Geſtein in einer weißen Kruſte ab und bilden durch Niederſchlag kleine Waſſer— rinnen nach innen, die ſich theils in dem vulkaniſchen Sande verlau— fen, theils zu kleinen Eiszacken erſtarren. Sie enthalten im Ganzen viel Alaun, Kochſalz und Kupferoryd. An dem oberen Kraterrande bemerkt man keinen Schwefel, obgleich die Dämpfe an einzelnem Ge— ſtein, wo ſie ausſtrömen, dünne braungelbliche Schwefellagen abſetzen; doch ſchon einige 20 Fuß an der öſtlichen Kraterwand hinab bemerkt man zwiſchen dem Geſtein große Stücken Schwefel, die ſich nach der Tiefe des Kraters zu mehren ſcheinen. Von einer weiteren vulkaniſchen Thätigkeit, von Aſchen- und Sand: auswürfen, von unterirdiſchem Getöſe, Erſchütterungen ꝛc. war wäh— rend unſerer Anweſenheit nicht das Geringſte zu ſpüren. Es herrſchte eine Ruhe auf und in dem Krater, wie auf einem längſt entſchlum— merten Vulkan, und hätten jene Dampfſäulen nicht die Thätigkeit eines unterirdiſchen Elementes verrathen, ſo würde man nicht gewußt haben, daß man auf einem Vulkan ſteht. Außer der imponirenden Form dieſes Kraters zog namentlich noch die Formation der Schnee- und Eisgebilde, die wie ein weißer Mantel mit aufrecht ſtehenden, fein gezackten Kragen den Kegel umhüllen, meine Aufmerkſamkeit auf ſich. Der Schnee, der ſich durch die tägliche Ein— wirkung der Sonnenſtrahlen auf der oberen Spitze des Kegels zu je— nen Eiskanten geformt hat, umzieht den oberen Theil des Kraterkegels in ſchrägen, von Weſten nach Oſten herablaufenden Spalten, deren Ränder oft 2 bis 3 Fuß hohe ſpitzzulaufende Eiskanten von den ver- ſchiedenſten Geſtaltungen bilden. Dieſe umſchließen den Kraterrand auf eine Entfernung von circa 12 bis 18 Fuß von der höchſten Linie deſſelben abwärts, je nachdem die innere Wärme des Geſteines durch die fortdauernde vulkaniſche Thätigkeit das Eis und den Schnee zu— rückdrängt, und ſchmücken gleichſam die Krateröffnung wie ein weißer, geſtärkter, hochſtehender Kragen, wodurch das Ganze ein eigenthümli— ches Ausſehen erhält. Die Vulkane von Mexico. 145 Gletſcher hat der Popocatepetl gar nicht, da die Neigung des Kegels zu ſtark iſt, und der Schnee, wie das Eis, nur wenige Fuß hoch liegt, auch die Schluchten nur von geringer Tiefe zu ſein ſcheinen. Der Schnee iſt körnig und ähnelt dem Firne auf den ſchweizeriſchen Gletſchern, indem er ſich meiſt zu kleinen Eiskörnen geſtaltet. Eine eigenthümliche Erſcheinung bieten auf dem nordweſtlichen Abhange die burgartigen, geſchichteten Eismaſſen, die als große oblonge, viereckige, ſcharfabgekantete Schneekaſten ſich zwiſchen der Spitze und dem Pico del Fraile neben tiefen Spalten im Schnee herabziehen. Es waren Formen von Schneemaſſen, wie ich ſie nie geſehen. Sie näher in Augenſchein zu nehmen, hinderten die vielen Schluchten und Abſchüſſe im Schnee zwiſchen uns und ihnen. Die Entſtehung dieſer Maſſen blieb mir eben ſo räthſelhaft, wie ihre Form ſelbſt, und ich kann die ſcharfen, langen Seitenkanten mir nur durch ein gewaltſames Abbrechen der Maſſen durch eine herabrollende Lawine oder durch ſtarke Waſſer— ſtröme in Folge von Regen erklären. | Auf der ſüdlichen Seite des Kegels ſah ich bei meiner fpäteren Rundreiſe um den Popocatepetl im December 1853 ſehr wenig Schnee und nur große Felder von ſchwarzem vulkaniſchen Sande, die ſich in dem Gerölle fteil herabzogen und um fo mehr ſich dem Auge bemerkbar machten, als ſie von großen rothen Flecken und Streifen am oberen Ende eingeſchloſſen waren. Dieſes war ohne Zweifel ein ausgebranntes, rothes, vulkaniſches Geftein, das iſolirte, aus dem dunklen Gerölle her⸗ vorragende Felsmaſſen bildete. » Was aber die Mühen und Anſtrengungen der Befteigung des Popocatepetl am meiſten belohnt, das iſt das herrliche, über alle Be— ſchreibung überrafchende Panorama, welches der weite Geſichtskreis bei ſchöner Beleuchtung und klarer Luft gewährt. In vielen Geographien und Reiſebeſchreibungen heißt es, daß man von dieſer hohen Spitze die beiden Meere, den atlantiſchen, wie den ſtillen Ocean ſehen könne. Die Möglichkeit mag in Berückſichtigung der Höhe vorhanden ſein, doch trage ich Bedenken, ob je ein ſterbliches Auge dieſen Genuß gehabt hat, indem es wohl ſelten oder nie Augenblicke geben dürfte, die auf die— ſer Höhe nach beiden Seiten hin einen fo weiten Geſichtskreis in der nöthigen Klarheit gewähren, da je nach der Luftſtrömung eine Dunft- ablagerung ſich ſtets auf einer Seite zeigt. Wir hatten es mit dem Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 10 * 146 C. Pieſchel: ö Wetter äußerſt glücklich getroffen. Die Nacht, wie der ganze folgende Tag, war ſehr ruhig, und nur gegen Oſten hatten die wärmenden Strahlen beim Sonnenaufgang den Dunſt zu Wolken zuſammen gezogen, und eine ſchneeweiße Wolkenſchicht hatte zugleich den Horizont in zwei Etagen getheilt. Während darunter das weite Thal von Puebla mit der Stadt gleiches Namens und vielen zwiſchen den bewaldeten Bergabhängen und fruchtbaren Feldern der Ebene zerſtreut liegenden Ortſchaften und Land— gütern ſich ausdehnte, und durch die verſchiedenartigen Farbennuancen, durch die eigenthümliche Beleuchtung und den Schattenrefler der Mor: genſonne ein intereſſantes Bild ſich darbot, erhoben ſich über der wei— ßen Wolkenfläche die dunklen zerriſſenen Felsrücken der Malinche und des Cofre de Peröte, ſowie der weiße Kegel des Pic von Orizäba, von roſigem Morgenlichte gefärbt, in dem eigenthümlich durchſichtigen blauen Aether. Am ſüdlichen Fuße des Berges dehnt ſich das Thal von Amilpas mit ſeinen hellgrünen Zuckerfeldern aus. Gegen Weſten begrenzen die Berge von Ajusco, ſowie hinter denſelben die Hochebene von Toluca mit ihrem ſtolzen Schneegebirge, dem Nevado de Toluca, den Horizont. Gegen Süden und Südweſten ſchweift das Auge über unendliche mannigfach geformte Bergrücken der Sierra madre in den Staaten von Oajaca und Puebla. Gegen Norden und Nordoſten breitet ſich das Thal von Mexico mit der lang gedehnten weißen Häuſer— maſſe der Hauptſtadt und den hellerglänzenden Waſſerſpiegeln der La— gunen von Chalco, Kochimileo, Tescoco, San Criſtobal und Zumpaßo aus, deſſen Hintergrund die Gebirge der Bergwerksdiſtricte von Pa- chuca, Real del Monte, Atotonilco el Chico, Zimapan, San Joſé del Oro, el Doctor, und in weiter Ferne die von Guanajuato bilden. Zu unſeren Füßen lag der Irtaccihuatl mit langem zerriſſenen Schneerücken und präſentirte ſich in einer ſchöneren Form und Beleuchtung, als von irgend einer Seite aus dem Thale geſehen, indem die weiße Schnee— maſſe einen überraſchenden Contraſt mit den düſtern Schluchten ſeiner Abhänge bildete. Von Beängſtigungen und Andrang des Blutes zum Kopfe, wo⸗ von ſo viele Reiſende bei einer derartigen Beſteigung erzählen, ver— ſpürte keiner unſerer Gefährten das Geringſte. Einige, die ſehr er- ſchöpft angelangt waren, erholten ſich allerdings nur langſam wieder und genoſſen nur mit Widerwillen einige Erfriſchung. Ich ſelbſt hatte * N Die Vulkane von Mexico. 147 auf das Sorgfältigſte auf meinen körperlichen Zuſtand Acht, muß aber geſtehen, daß ich nach einem mehr als zweiſtündigen Aufenthalte in dieſer dünnen Luft, den ich meiſtentheils zu Unterſuchungen und Sam- meln der verſchiedenen Gebirgsgeſteine und des Schwefels, ſowie zum Entwerfen einiger Skizzen benutzte, nur einen ganz unbedeutenden Druck oberhalb der Augenhöhlen im Kopfe verſpürte, der ſich mit jedem Schritte bei dem ſpäteren Hinunterlaufen verringerte. N Zu dem Hinabſteigen gebrauchten wir kaum den dritten Theil der Zeit des Hinaufſteigens, indem wir namentlich auf dem lockeren Schnee und Sande in langen Sprüngen hinabeilten, wobei wir allerdings oft bis zur halben Wade in demſelben verſanken. Wir entdeckten auf die ſem Wege ein langes Seil, welches ſtellenweiſe am Boden im Eiſe und Schnee, wie im Sande, befeſtigt war, und wahrſcheinlich den Arbeitern beim Hinaufſteigen behilflich ſein ſollte, indem dieſe ſich an demſelben hinaufziehen. Wir benutzten es gleichfalls bei dem Hinabrutſchen. An der Schneegrenze, am Ende der Rutſchbahn für die Schwefelſäcke, fan- den wir in einer kleinen Schlucht ein kleines hölzernes Haus, eine Zufluchtsſtätte der Arbeiter bei böſem Wetter, das aber zur Zeit größ- tentheils mit Schnee angefüllt war. Um 2 Uhr waren wir, in jeder Weiſe vom ſchönſten Wetter be— günſtigt, glücklich wieder im Rancho Tlanacas, wo wir leider weder unſere Diener, Pferde, noch Lebensmittel fanden, da dieſelben auf Re⸗ quiſition des Richters aus San Jago, der das Beſteigen des Pics ohne beſondere Erlaubniß von ihm oder den Pueblaer Eigenthümern der Schwefelminen zu hindern ſtrebt, auf Pueblaer Territorium in Beſchlag genommen und abgeführt waren, ſo daß wir uns genöthigt ſahen, die 4 Leguas bis Amecameca noch zu Fuß zu machen, um Lebensmittel . Pferde zu erhalten. Abends 10 Uhr gelangten wir, obgleich ſehr , doch glücklich und ohne weiteren Unfall in San Rafael an, von wo ich den folgenden Tag bei guter Zeit das 13 Leguas entfernte Br erreichte. ö N * 7 (Fortſetzung folgt.) 5 ni 150 j 10* IV. Ueber die wiſſenſchaftliche Reiſe der drei Gebrüder Schlagintweit in Indien. Nach Original-Documenten und Briefen im Auszuge mitgetheilt (Mitte Juli). Es iſt dem Unterzeichneten durch die gütigen Zuſendungen des Herrn Alerander von Humboldt vergönnt, aus den Original-Docu— menten der bisher bei uns eingelaufenen verſchiedenen Berichte und Briefe der genannten deutſchen Reiſenden, die, wie ſchon durch Zei— tungsblätter bekannt geworden, glücklich in Indien angekommen und von Bombay über Madras nach Calcutta fortgeſchritten waren, einige genauere Ergebniſſe ihrer für verſchiedene Zweige poſitiver Wiſſenſchaf— ten wichtigen Unternehmung zu veröffentlichen. Wenn ſie auch nicht, wie unſere deutſchen afrikaniſchen Reiſenden im centralen Sudan, eine bisher faſt gänzlich in Fabel und Dunkel ges hüllte Terra incognita topographiſch zu entdecken haben, ſo iſt ihre Aufgabe, die noch verſchleierten phyſikaliſchen Geſetze der Natur in den wunderreichen Formen und Erſcheinungen des umfangreichſten und coloſ— ſalſten Hochgebirges unſeres Planeten, des Himalaya-Syſtems, näher zu erforſchen, doch nicht weniger großartig und ſchwierig. Sie [3 werden dies auf das Sorgfältigſte mit allen Mitteln thun, welche ſelbſteigene Uebung und Erfahrung in den Rieſenhöhen der Alpen Eur ropa's ihnen an die Hand geben, und die der mitgeführte Schatz für alle Erſcheinungen geeigneter Meß- und Beobachtungs-Inſtru⸗ mente und Apparate ihnen darbietet, und zwar fo weit ihre jugend lichen Kräfte ihnen dies zur Vervollſtändigung vorangegangener, eng- liſcher Beobachtungen, die uns noch in der jüngeren Zeit von den Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 149 hochverdienteſten Männern, einem Br. H. Hodgſon, Th. Thomſon, A. Campbell, Joſ. Hooker, L. Strachey und Anderen zu Gute gekommen ſind, geſtatten werden. Ihre wiſſenſchaftliche Vorbildung hierzu iſt von den Meiſtern in Deutſchland und auch in England, wo wir nur einen Faraday nennen, erprobt; ihre klaſſiſchen Arbeiten über die bairiſchen und ſchweizer Al— pen, zumal über den Monte Roſa, liegen bereits vor, und die Ueber— windung der großen Arbeit ihrer neuen Aufgabe wird durch das er— freuliche Zuſammenwirken dreier Brüder wohl möglich fein. Nur durch großmüthige mehrjährige Unterſtützung Sr. Majeſtät unſeres allergnädigſten Königs unter dem Patronate eines A. v. Hum— boldt, der einſt von dem Cordillerenſyſteme herab den ganzen Planeten mit einem neuen wiſſenſchaftlichen Lichte überſtrahlte, konnte eine ſolche Arbeit unternommen werden. Dank der raſtloſeſten Förderung unſeres Großmeiſters aller wiſſenſchaftlichen Reiſe-Expeditionen, Dank aber auch der eifrigſten Hingebung des damaligen Geſandten in London, des Ritters Bunſen, und deſſen Vermittelung bei den Gebietern Indiens, wozu er den energiſchen Beiſtand der Royal Society und der oſtindi— ſchen Compagnie unter der Leitung des die Wiſſenſchaft überall för— dernden trefflichen Colonel Sykes gewann und ſich der beſonderen Stütze der magnetiſchen Commiſſion, unter des edeln Colonel Sabine einſichtsreicher Leitung, zur Mitwirkung und Durchführung des großen Unternehmens erfreute. Nun erſt, nach Jahre langer Vorarbeit und auf das ſorgfältigſte mit einem reichen Schatz koſtbarer phyſikaliſcher Inſtrumente, mit Vorkenntniſſen, Briefſchaften und Geldmitteln ausge— rüſtet, wurde es den unter ſich brüderlich vereinten und jeder in ſei— ner Art befähigten jungen Männern möglich, durch den indiſchen Ocean ſchiffend, ihrer großen Aufgabe vertrauensvoll entgegen zu gehen. In der indiſchen Welt war ihnen durch die perſönliche Befreundung und den Weltruf ihres überall bekannten und bewunderten Beſchützers, A. v. Humboldt, der Weg zu den oberſten Gipfeln der Staatsbehör— den, wie zu allen wiſſenſchaftlichen Capacitäten gebahnt. 3 Das erſte Schreiben der drei Brüder Adolph, Hermann und Robert Schlagintweit an ihren königlichen Beſchirmer nach der Ucberfahrt von England im Dampfſchiffe nach Aegypten und von da durch das rothe Meer nach Indien iſt vom 14. November 1854 von ja 150 C. Ritter: Bombay aus datirt und am 10. Januar d. J. hier in Berlin ange— langt. Man hatte am 20. September Southampton auf dem großen Dampfer „Indus“ verlaſſen und landete am 5. October, alſo nach 16 Tagen, in Alexandrien. Nach raſcher Reiſe durch Aegypten fuhr man am 8. October von Sues ab, erreichte Aden am 14. und Bom— bay am 26. October, alſo in 19 Tagen. Die Bemühung, an vers ſchiedenen Punkten möglichſt genaue Angaben über die Temperatur und über das ſpecifiſche Gewicht des Meerwaſſers zu erhalten, ergab zunächſt, daß die Temperatur deſſelben im Mittel ſehr conſtant war, dagegen bedeutend zunahm, je weiter man nach dem Süden gelangte. Während z. B. im Mittel der verſchiedenen Beobachtungen die Tempe— ratur des Waſſers im nördlichen Theile des atlantiſchen Meeres zwi— Liſſabon und Cap St. Vincent 20 bis 21° Celſ. zeigte, war die im mittelländiſchen Meere von Gibraltar bis Malta 21 bis 22“ C., von Malta bis Alexandrien 23 bis 24° C. Sehr bedeutend iſt die Wärme im rothen Meere; im nördlichen Theile von Sues bis zum 23° nördl. Br. wurden 24 bis 28° C, im ſuͤdlichen Theile von 23° nördl. Br. bis gegen Bab-el-Mandeb 30 bis 31%5 Celſ. mittlere Temperatur des Meerwaſſers beobachtet. In dem perſiſch-arabiſchen Meere wurde die Temperatur wieder etwas geringer; fie betrug bei Aden und Bombay 27 bis 28° Cell. Das rothe Meer iſt nicht nur das wärmſte, ſondern auch bei weitem das ſalzigſte dieſer verſchiedenen Meere. Das Maximum des ſpecifiſchen Gewichts betrug z. B. im Golf von Sues 1,393. Im Mittel für das rothe Meer fanden die Reiſenden 1,031, während das Mittel im atlantiſchen Meere 1,0277 und im arabiſchen Meere 1,0278 betrug ). Dieſer Unterſchied wird dadurch hervorgebracht, daß das rothe Meer ein Binnenmeer iſt, welchem die Nähe der heißen Länder— maſſen von Afrika und Arabien eine bedeutende Erwärmung mittheilt. Der Zufluß von ſüßen Waſſern iſt nicht hinreichend, um die große Verdunſtung in Folge der Hitze zu compenſiren, ſo daß nothwendig nach und nach der Salzgehalt des Meerwaſſers zunehmen muß. Dieſe Ungleichheiten in dem Salzgehalte und in der Temperatur der ver— 1) Vergl. Monatsberichte der Königl. Preuß. Akademie der Wiſſenſchaften, Fe— bruar 1855, S. 73. 3 £ u n „„ PANNw r ² Un Ä Qu ᷣ—ͤ¹¹ngg PT! ee 1 r 0 I * Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 151 ſchiedenen Meere werden theilweiſe durch die Meeresſtrömungen aus— geglichen, welche man da, wo zwei Meere nur durch ſchmale Canäle verbunden ſind, oft in ſehr ausgezeichneter Weiſe beobachten kann. Die Meerenge von Gibraltar und die Straße von Bab-el-Mandeb zwi— ſchen dem rothen und arabiſchen Meere boten in dieſer Beziehung einige intereſſante Erſcheinungen dar. In der Straße von Gibraltar geht ein kalter Strom aus dem atlantiſchen in das mittelländiſche Meer. Das kältere Waſſer befindet ſich hier auf der Oberfläche, und erſt in der Tiefe begegnet man dem wärmeren Strome des Mittelmeeres. Man ſollte eigentlich die umgekehrte Erſcheinung erwarten, nämlich daß das wärmere Waſſer, als das leichtere, ſich an der Oberfläche befinden müſſe. Dieſes anomale Verhältniß erklärt ſich jedoch daraus, daß das Waſſer des atlantifchen Oceans weniger Salz enthält, als das des Mittelmeeres, und daher ungeachtet der größeren Kälte doch noch ab— folut leichter bleibt, als das wärmere, aber ſalzreichere Waſſer des letz— tern. An der Straße von Bab-el-Mandeb war der kalte Meeresſtrom aus dem arabiſchen Meere durch die geringere Temperatur des Waſſers ebenfalls ſchon lange vor der Einfahrt in die Straße ſelbſt deutlich bemerkbar. Die Reife durch Aegypten war ſehr intereſſant, aber nur flüchtig. Die Wuͤſte, die wir durchzogen, ſagen die Reiſenden, beſteht nicht aus bloßem Sande; es ſind im Gegentheil zahlreiche kleine und große Ge— ſchiebe eingemiſcht, die dem Boden eine größere Feſtigkeit verleihen, als man vermuthet. Die Wüſte iſt entſchieden ein ehemaliger, jetzt empor— gehobener Meeresboden. Wir waren im Stande, eine Reihe alter Meeresſtrandlinien, voll von Seemuſcheln, gegen 200 Fuß über dem Meere aufzufinden. Die Lage von Bombay iſt ausgezeichnet ſchön. Die ganze Inſel dieſes Namens mit beinahe einer halben Million Einwohner iſt bedeckt mit ſchönen Landhäuſern, Palmenhainen aller Art und Anpflanzungen. Die Ausſicht auf das Meer auf der einen Seite und auf die blaue Kette der Ghats auf der anderen bildet einen ſehr ſchönen und wechſelnden Hintergrund der Landſchaft. Ueberraſchend iſt die große Anzahl der verſchiedenen Racen, welche man hier vereinigt findet. Die erſten Verſuche, verſchiedene ethnographiſche Photographien mit einem vorzüg— llichen Apparate zu ſammeln, ſind bereits gemacht. 152 C. Ritter: Der Gouverneur der Präſidentſchaft Bombay, Lord Elphinſtone — der große Staatsmann (f. Allgem. Erdk. VI, 1078-1087), welcher durch ſeine Geſandtſchaftsreiſe nach Cabul und ſeine Geſchichte von In— dien auch literariſch berühmt iſt — war bei der Ankunft der Reiſenden ſehr krank, empfing ſie aber doch ſpäter wiederholt und konnte ihnen weſentliche Dienſte leiſten, da er ſelbſt vor wenigen Jahren das nörd— liche Indien und zwar Nepal, Kaſchmir bis Iskardo und Ladak bereiſt hatte, worüber er nach Abreiſe unſerer Landsleute, die ihm durch Hrn. A. v. Humboldt empfohlen waren, an dieſen am Jahresende den 31. December 1854 einen verbindlichen Brief ſchrieb, durch welchen zu— gleich die Hoffnung bekräftigt wurde, daß unſere Reiſenden in Hin— ſicht auf den v. Humboldt 'ſchen Nachweis des Unterſchiedes der ewigen Schneegrenze an der Süd- und an der Nordſeite des Himalaya ent— ſcheidende Beobachtungen würden anſtellen können. Von Bombay lief demnächſt ein Convolut von Zeichnungen und Photographien der Reiſenden ein. Es ſind 12 ſchöne Photographien bedeutender Perſönlichkeiten aus Bombay, an deren Spitze die der be— deutendſten Perſon, des geiſtvollen und großen Staatsmannes Lord Elphinſtone ſelbſt, vortrefflich gelungen iſt; dann folgen 7 verſchiedene Racenbilder mit Bemerkungen und Meſſungen einzelner Gliedertheile und ihrer Verhältniſſe in Meters nach einem beigefügten, von Robert Schlagintweit ausgearbeiteten tabellariſchen Schema, wie ein ſolches mit den gefundenen Angaben alle nachfolgenden Racen-Photographien be— gleiten ſoll. Die Handzeichnungen enthalten Skizzen der Küſten vom Dampfſchiffe und den Stationen aus geſehen, theils in doppelten far— big ausgeführten, theils in nur ſkizzirten Umriſſen, meiſt in einem gro— ßen Maßftabe, und find auf das Lehrreichſte mit Winkelmeſſungen der Neigungsflächen und mit geodätiſchen, geographiſchen und geologiſchen Noten verſehen. Sie bilden faſt ſämmtlich geologiſch höchſt intereſſante und durch die genaue Darſtellung lehrreiche Anſichten. So ſtellen ſie aus dem atlantiſchen und mittellaͤndiſchen Meere die Küſtenumriſſe von Galicien, das Cap Finisterre, die Berlanges-Inſeln, das Gebirge von Cintra, die Tajomündung, Gibraltar von verſchiedenen Seiten, die Kuͤſten von Tunis, die Galita-Inſeln, Cap Bon, Pantellaria, Malta, Gozo u. ſ. w. dar. . 0 i! . N SA 1 — , u re re Y ˖ 0 * Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 153 Unter den 10 Anſichten von Aegypten ſind die der Wüſtenlinien, zumal um den Telegraphen-Thurm zwiſchen Sues und Cairo, ſowie die des berühmten Dſchebel Attaka, von der letzten Wüſtenſtation von der Nordſeite her geſehen, lehrreich durch die Darſtellung der langen Linien der horizontalen Paralellſchichten, die von unzähligen Schluchten und Riſſen, den Eroſionsthälern heftiger Regengüſſe, quer durchbrochen wer— den, und an ihren Füßen in der Wüſte überall zahlloſe iſolirte Fels— blöde zerſtreut haben, wovon einige die coloſſale Größe von 10,000 bis 20,000 Cubikmeter erreichen; letztere liegen auf alten, mit Meeres— muſcheln, deren obere Grenze auf der Skizze durch Linien nachgewie— ſen wird, angefüllten Seeufern. Ein drittes Dutzend von Küſtenanſichten giebt ein ſehr anſchau— liches Bild von den Geſtadeländern des rothen Meeres von Sues bis Bab⸗el⸗Mandeb und den vielen vorliegenden Inſeln, die oft in den ſchroffſten vulkaniſchen Formen aus dem Meere ganz ſteil emporſtarren. Die Straße Bab-el-Mandeb iſt durch beſonders große Conturanſich— ten von der Nord- und von der Südſeite bedacht, wodurch der Unter— ſchied des arabiſchen und afrikaniſchen Geſtades deutlich hervortritt. Auch die mit dem geübten Blicke des Geologen aufgefaßten Formen und Darſtellungen des Golfs und des dicht unter dem furchtbar zer— riſſenen Vulkane und dem hohen Gebirgsrüden des Dſchebel Scham— ſchan gelegenen Hafens von Aden ſind ſehr lehrreich. Von Bombay aus erreichten die drei Brüder, gegen Südoſten die ganze Halbinſel Dekhans glücklich durchziehend, die Hauptſtadt der zweiten Präſidentſchaft, Madras, am 19. Februar 1855, um von da mit dem Dampfſchiffe nach Calcutta zu gehen. Ihr Bericht aus Calcutta vom 4. April ſagt uns, daß ſie bei ihrer Landreiſe durch Central⸗Indien !) fo viel, als möglich, beſtrebt waren, verſchiedene 5 Wege zu befolgen, theils um gegenſeitig correſpondirende Beobachtun— ) Da die Lage von vielen in den Berichten nur dem Namen nach angegebenen Ortſchaften nicht allgemein bekannt fein möchte, und ſelbſt manche dieſer Namen auf keiner der gebräuchlichen Karten eingetragen find, fo haben wir hier und da kurze lo— cale Andeutungen, ſowie zur leichteren Orientirung, z. B. auf Berghaus Generalkarte von Vorder⸗Indien, die aſtronomiſche und hypſometriſche Lage nach dem klaſſiſchen Werke Edw. Thornton's: Gazetteer of India. 4 Vol. London 1854, beigefügt. 154 C. Ritter: gen anzuſtellen, theils um dieſelben über eine etwas größere Fläche auszudehnen. Da ein Hauptzweck ihrer Unternehmung die Beſtim— mung magnetiſcher Curven im Innern von Indien iſt, wo dieſe bis jetzt gefehlt hat, ſo mußte weit ſüdlicher bis Madras gegan— gen werden, um die magnetiſche Lage dieſer Stadt an den Himalaya nördlich anzuknüpfen; doch rückte man ſüdlich nicht bis zur Hochebene der Nilgherry in Süd-Dekhan, welche ſchon außerhalb des Itinerars liegen blieb, vor. Nachdem von Bombay aus eine Excurſion auf die Nachbarinſeln beendigt war, begann Adolph Schlagintweit am 5. Novbr. feine Reiſe nach Puna, im SO. von Bombay im Hochlande der Mahrattha, im Oſten der Ghatkette, unter 18° 31’ n. Br. und 1823 engl. Fuß über dem Meere gelegen. Auf Lord Elphinſtone's Rath ging er jedoch nicht den directen Weg dorthin, ſondern über die kleine Gruppe der weſtlichen, zwiſchen den Quellen des Kriſchna-(Kiſtna-) und des Nira-Fluſſes und zwiſchen 18° 1’ und 1755“ n. Br., 4500 bis 4700 Fuß über dem Meere gelegenen Ghats von Mahabaleſhwar, die den Engländern durch Sir John Malcolms Einrichtung ſeit 1828 als ein Sanatarium dient. Dieſe in klimatiſcher Beziehung und durch ihre Naturſcenerie einzig merkwürdige Geſundheitsſtation liegt nur 70 engl. Meilen ſüd— öſtlich von Bombay. Von Puna aus, das eben ſo weit von dem Sanatarium entfernt iſt, wurden in die Umgebungen der Provinz ver— ſchiedene geologiſche Excurſionen gemacht, unter Anderem nach Sholapur im Südoſten, zur Gebirgsfeſte Sinhgarh, 4162 Fuß über dem Meere, und noch zu einer der älteſten Landesfeſten in Maharaſhtra, Purandhar, 4472 F. über dem Meere, die jetzt ebenfalls ein Sanatarium iſt. Erſt am 30. Decbr. folgten die beiden Brüder Hermann und Ro⸗ bert Schlagintweit nach Beendigung ihrer Arbeiten in Bombay auf der directen Straße über den Paß des Bhor Ghat, der, durch Sir John Malcolm als Kunſtſtraße eingerichtet, 40 engl. Meilen ſüdöſtlich von Bombay aus dem nördlichen Konkan über die Ghats, unter 18% 48’ n. Br., ſehr bergan nach Puna führt, von wo fie alle drei gemeinſchaft— lich am 3. Januar aufbrachen, um ſüdwärts dem Kiſtnafluſſe entlang, durch die Provinz Vidſchajapur (Bedjapur), über Sattara, 17° 45“ n. Br., Terdal, 16° 305 n. Br., am rechten Ufer der Kiſtna, und Mudhal Die wiſſenſchaftliche Reife der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 155 im Südweſten der Stadt Bedjapur, den Ort Kaladghi unter 16° 11’ nördl. Br. und 75° 33’ öſtl. L. von Gr. zu erreichen. Hier hiel— ten fie ſich 3 Tage auf, um eine vollſtändige Reihe magnetiſcher Beobachtungen auszuführen. Hierauf reiſten fie ſüdwärts über Badamy und den Tumbudra-Fluß nach Bellary. Bellary (Balahari), weſtlich der Oſt-Ghats und nördlich von Myſore, liegt unter 15° 8’ nördl. Br. und 7659“ öſtl. L. auf einer Hochfläche von 1600 Fuß Meereshöhe und iſt der weſtlichſte Haupt— ort in der Präſidentſchaft Madras. Die Stadt hat 30,000 Einwohner und bildet eine militairiſche Hauptſtation mit vielen Artillerie -Depöts und einer berühmten Felſenfeſte, ebenſo iſt dieſelbe der Centralpunkt der Juſtizverwaltung im mittleren Dekhan. Von hier aus verfolgten die Reiſenden erſt zwei, dann drei ver ſchiedene Straßenzüge, um ſich in Madras, das ſüdöſtlich von Bellary 4 liegt, wieder zu vereinigen. Hermann und Robert Schlagintweit gin— gen am weiteſten, nämlich, ſüdwärts über Pairur und Devanhally in Myſore eindringend, bis Bangalore, der einſtigen Reſidenz des Sultans Tippo (ſeit 1809) mit prächtigen Braminen-Tempeln und engliſchen Truppen-Cantonnements, 3000 Fuß über dem Meere, im Nordoſten des berühmten Seringapatam, unter 12° 58 nördl. Br. Von Bangalore aus wurden die Gebirgsketten der öſtlichen Ghats auf verſchiedenen Päſſen überſtiegen. Hermann Schlagintweit ging gegen Oſten über Tſchittur, unter 13° 12’ nördl. Br., am Panifluſſe, 104 engl. Meilen von Bangalore gelegen, und dann über Vellor und Arcot am Palarfluſſe durch einen Hauptpaß nach Madras. Robert Schlagintweit nahm einen ſüuͤdlicheren Weg über Kiſtnagirri eben— dahin. Adolph Schlagintweit ging viel nördlicher von beiden über Baganpally (oder Banyapilly, im Nordoſten von Condapetta gelegen) und über Kaddapa, zunächſt um die Diamant-Minen und die ſich hier als die früher ſo berühmte Golkonda-Gruppe der Diamantlager vom Pennar nordwärts bis zum Kiſtna ausbreitenden, ſecundären Gebirgsſchichten des Terrains, in dem die Lager liegen, zu unterſuchen. Kaddapa liegt im Weſten des Nellor-Küſtendiſtricts, im Nordweſten von Madras, am Südufer des Pennar, wo dieſer Fluß die Ghats nach Oſten hin durchbricht, ſchon in einer Depreſſion von 450 Fuß ” 156 C. Ritter: über dem Meere, unter 1428“ nördl. Br. Von Kaddapa ging endlich Adolph Schlagintweit ebenfalls nach Madras, aber auf einem öſtliche— ren Wege, gerade ſüdwärts über Tripetty, wo ſich einer der berühm— teſten Hindutempel in Süd-Dekhan befindet, und über Nagagiri, unter 13° 19’ nördl. Br., 33 engl. Meilen nordöſtlich von Arcot, am Pas larfluſſe gelegen, und von da gegen Oſten nach Madras, wo er am 19. Februar 1855 eintraf. Die Reiſenden machten dieſe faſt 4 Monate (vom 5. November bis 19. Februar) dauernde Landreiſe durch das weitläuftige gebirgige Dekhan Vorderindiens zu Pferde, und zwar auf Dekhan-Ponnies. Das Gepäck ſowohl, als die Mehrzahl der Inſtrumente nebſt den Zelten wurden auf 20 Kameelen transportirt. Die Barometer und die 10 Fuß langen Geothermometer wurden von den Kulie's getragen. Die Rei— ſenden hatten, wie ſie ſelbſt berichten, das Glück, ihre Inſtrumente, auch die Barometer, während der ganzen Reiſe im beſten Zuſtande erhalten zu ſehen. Vom Generalſtabe in Bombay waren ihnen zwei Guiden, Eleazar und Salomondſchi, zugetheilt worden, die recht bald das Ableſen der Inſtrumente lernten und zur Verallgemeinerung der Beobachtungen ſehr weſentliche Dienſte leiſteten. Beide waren Indier von der älteften Anſiedlung in Bombay. Der erſte von Calcutta aus eingelaufene wiſſenſchaftliche Bericht (ein engliſch geſchriebener Report) enthält außer dem ſchon ange— zeigten Itinerar für das Allgemeine der geographiſchen Wiſſenſchaft lehrreiche neue Ergebniſſe und Andeutungen über magnetiſche Be— obachtungen, über Meteorologie und Geologie, ſo daß es wünſchenswerth erſcheint, dieſelben, wenn auch nur in allgemeiner Ueber— ſicht, in dieſer Zeitſchrift als Beiſpiel mitzutheilen, um zur Kenntniß zu bringen, nach welcher Richtung die Beſtrebungen gehen, deren tiefere, in die einzelnen Zweige verwandter Wiſſenſchaften eindringende For— ſchungen anderen Fach-Journalen zur Veröffentlichung durch den Druck vorbehalten bleiben, wie etwa den berühmten Poggendorff'ſchen Anna— len der Chemie und Phyſik, der Zeitſchrift der deutſchen geologiſchen Geſellſchaft in Berlin oder den Monatsberichten der Berliner Acade— mie der Wiſſenſchaften, je nachdem es die Abſicht der Herren Verfaſſer fein wird. Die als Gemeingut der geographiſchen Wiſſenſchaften ſich ergebenden Reſultate des erſten Reports ſind etwa folgende: Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 157 Magnetiſche Beobachtungen. Der magnetiſchen Stationen, an denen mit dem kleineren Unis verſal-Magnetometer, welches Colonel Sabine eigens für dieſe Reiſeunternehmung conſtruirt hatte, Beobachtungen angeſtellt wurden, ſind ſechs, nämlich zu Bombay, Mahabaleſhwar, Puna, Kaladghi, Bellary und Madras. Die zu Bombay gemachten Beobachtungen wurden mit den durch Adolph Schlagintweit in Mahabaleſhwar gleichzeitig unternommenen, ſowie mit den auf der Bombayer Sternwarte ebenfalls zu derſelben Zeit angeſtellten, verglichen. Die Sternwarte von Bombay liegt auf einem Felſen von doleritiſchem Trappgeſtein, aus welcher Gebirgsart auch ein großer Theil des von den Reiſenden durchwanderten Dekhan-Ter— rains beſteht. Wir fanden, ſagt der Report, die Einwirkung dieſes Trappgeſteins auf die Magnetnadel durch Dekhan im Allgemeinen viel geringer, als gewöhnlich angenommen wird. Schon in Bombay war die Differenz der Obſervation auf dem Trappfels der Sternwarte nur eine ſehr geringe von dem kleinen Magnetometer, der auf der Espla- nade auf einem von tiefliegender Süßwaſſerformation gebildeten Erd— grunde aufgeſtellt war. Die Declination iſt in Bombay weſtlich, wie an den Küſten; ſie wird landeinwärts, etwas weſtwärts von Sattara, gleich 0, und nimmt dann öſtlich, im directen Verhältniß mit der Zunahme der öſtlichen Länge, regelmäßig zu. Die Inclination nahm in der Strecke von Bom— bay nach Bellary raſcher ab, als von da nach Madras, nämlich von 18° 24“ auf 125“. Meteorologie. Außer den gewöhnlichen Beobachtungen über Temperatur, atmo— ſphäriſchen Druck und Feuchtigkeit der Luft, drängten ſich während der Landreiſe durch Dekhan noch gar manche andere atmoſphäriſche, jenen Localitäten eigenthümliche Phänomene zur Beobachtung auf, zumal über die Sonnenſtrahlung am Tage und die nächtliche Radiation auf dem Plateau von Puna und die damit zuſammenhängenden Wechſel der Tem— peraturen, desgleichen über die veränderliche Durchſichtigkeit der Luſt 158 C. Ritter: bei Sonnen-Auf- und Untergang und die damit in Verbindung ſtehen— den Färbungen des Morgen- und Abendroths, ſowie über andere Luft— Erſcheinungen an den Seegeſtaden. Schon von Aden bis Bombay, ſowie auf der Küſtenfahrt von Madras bis Calcutta war die Aufmerkſamkeit der Reiſenden hierauf gerichtet geweſen. Die Vergleichung der auf den genannten Seeſtrecken gemachten Beobachtungen mit den auf der Land— reife jeden Morgen von 4 bis 5 Uhr angeſtellten erwies, daß die Phä⸗ nomene der erſteren dem Continentalgebiete gänzlich fehlten. Die Abnahme der Tagestemperatur zeigte ſich in Indien viel var pider, als in Central-Europa und in den Alpen. Die häufigen ſyſtematiſch angeſtellten Unterſuchungen über perio— diſche Phänomene der Vegetation, über die Anfänge der Jahreszeiten winde und die Regenzeiten in den Alpen hatten gutes Material dar— geboten, um ſpäterhin durch Vergleichung Curvenlinien für dieſe Phä— nomene auch hier aufzufinden. Als allgemeine Eigenheit kann ſchon hervorgehoben werden, daß in den Tropen die Differenzen in dem An— fange der verſchiedenen Perioden und in ihrer Dauer viel weniger von aſtronomiſchen Breiten und den mäßigen abſoluten Höhen, wie ſie in Central-Indien nur vorkommen, als vielmehr von den Grenzen der wechſelnden Monſoone abhängig ſind, weshalb auch hier die Entwick— lung und die Cultur der Gewächſe das ganze Jahr hindurch anderen Verhältniſſen unterworfen ſein muß. In Bombay, Madras und Calcutta haben ſich hilfreiche Männer gefunden, welche bereit ſind, durch detailirte meteorologiſche Beobach— tungen zur Vergleichung mit denen auf den Stationen der Reiſenden einige Jahre hindurch die wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen der letzten zu unterſtützen. In Madras und Calcutta wurden ein paar der Geothermometer, die man behufs der Beobachtungen 2 Meter tief in den Boden einge- ſenkt hat, zurückgelaſſen. Glücklich genug waren beide lange Inſtru— mente gut erhalten an dieſen Stationen angelangt. In allen drei Präſidentſchaften haben die Reiſenden ein reiches meteorologiſches Material mitgetheilt erhalten ). ) Die nachfolgenden ſpeciellen meteorologiſchen Bemerkungen werden vollftändi- Die wiſſenſchaftliche Neife der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 159 Geologiſche Bemerkungen. Die Trappgeſteine in Dekhan. Die erſte großartige geologiſche Erſcheinung, die dem Wanderer auf dem Wege von Bombay gegen Madras durch das centrale Indien ent- gegentritt, iſt die große Trappformation im Dekhan. Das Trapp⸗ geſtein dieſer Landſchaft gehört zu der Klaſſe der eruptiven Gebirgsarten der Dolerite und erinnert an ähnliche Felsarten in den vulkaniſchen Diſtricten Islands. Es wechſelt zuweilen mit baſaltiſchen und olivin— haltigen Geſteinen, und iſt bald von compacter, bald von zelliger oder amygdaloider Structur. Die Scheidelinien, die oft zwiſchen den ver— ſchiedenen Trappgeſtein-Schichten in vollkommener Horizontalität und auf ſehr lange Strecken an den Seiten der Bergzüge ſich durch das Auge verfolgen laſſen, ſind entſchieden keine Demarkationslinie verſchie— dener Lavaſtröme, denn von Lavaſtrömen, Schlacken oder von Kra— tern, aus denen ſie herrühren könnten, findet ſich nirgends eine Spur. Die horizontalen Trennungen ſcheinen nur ein Abſonderungsphänomen zu ſein, hervorgerufen durch die Spannung, welche in den großen Trappmaſſen während des Prozeſſes ihrer Abkühlung unter dem laſten— den Drucke mächtiger Waſſermaſſen ſtattgefunden hat. | Die allgemeine Form der weftlihen Ghats und der angrenzenden Theile von Dekhan und Konkan ſcheint durch eine Reihe von Spalten Rund Verwerfungen ihre Geſtaltung erhalten zu haben. Das eine Sy— ſtem dieſer Verwerfungen ſtreicht von Norden nach Süden, parallel mit der mittleren Richtung der Ghatkette und vieler untergeordneten Ketten in Dekhan und Konkan, ſowie mit den allgemeinen Küſtenlinien. Das zweite Syſtem ſtreicht von Oſt-Süd-Oſt nach Weſt-Nord-Weſt, jedoch mit vielen Abweichungen; man kann bemerken, daß viele Seiten- N äfte der großen Hauptkette der Ghats, ſowie der obere Lauf vieler Flüſſe in Dekhan ſehr auffallend mit dieſem zweiten Syſteme der Ver— | werfungen übereinſtimmen. An den ſüdlichen Grenzen der großen Trappausbreitung beobach— ger in Poggendorff's Annalen, ſowie die geologiſchen Nachrichten in der deutſchen geo— llogiſchen Zeitſchrift mitgetheilt werden. 160 C. Ritter: tet man lange Ausläufer derſelben in den Thälern und Depreſſionen zwiſchen den, wie Inſeln aus dem ihre Baſis umlagernden Trapp her— vorragenden Sandſteinbergen. Das merkwürdige, mehr oder weniger eiſenhaltige, dem Backſtein ähnliche, rothe Geſtein, von engliſchen Reiſenden gewöhnlich Laterit ge— nannt, iſt keine unveränderte vulkaniſche Gebirgsart, ſondern erſt durch Zerſetzung des Trapps, zumal feines mandelſteinartigen Theiles, entſtan— den. Man kann ſeine deutlichen Uebergänge aus der primitiven Form des Trappbodens verfolgen, wozu viele Details in Profilen und Karten- zeichnungen die Beweiſe liefern werden. An vielen Stellen, wo der ſogenannte Laterit mit Schichten des ſoliden Trappgeſteins zu wechſeln ſcheint, bildet er nur die äußere Kruſte des inneren unverändert geblie- benen urſprünglichen Geſteins, und geringe Nachgrabungen genügen, um in der Tiefe den zelligen, leicht zerreiblichen Mandelſtein zum Vor⸗ ſchein zu bringen. Dazu kommt, daß der bei den Engländern gebräuch- lich gewordene Name des Laterits ſehr verſchiedenartigen, nur an— ſcheinend ähnlichen Geſteinsvorkommniſſen beigelegt wird und von fei- ner beſtimmten Bedeutung in der geologiſchen Terminologie iſt. Er kann keineswegs für den bezeichnenden Ausdruck von Ablagerungen einer und derſelben Periode der Erdbildung angeſehen werden. In Dekhan und Konkan iſt dieſer Laterit das Product einer Zerſetzung von Trapp und Mandelſtein an Ort und Stelle. In Mahiffüra (Myſore) iſt er aus kryſtalliniſchen Schiefern entſtanden, deren Beſtandtheile darin noch deutlich wahrgenommen werden können. Bei Nagagiri, Arcot und Madras iſt er nur ein Conglomerat von gerollten Sandſteinfragmen— ten, die durch ein rothes, zelliges Cement von Eiſenoryd-Hydrat zu- ſammengebacken find. Dieſes letztere Conglomerat iſt im Alter vom La⸗ terit des Dekhan ſehr verſchieden und ſicher unter ganz anderen phy— ſikaliſchen Verhältniſſen, wie jener, gebildet worden. Die ſecundären Gebirgsarten von Kaladghi und Badami, von Bangapilli und Kaddapa. Im Süden der Kiſtna und der Gutipurwa, eines ſüͤdlichen Zus fluſſes der Kiſtna, beginnt ein ganz anderes, vom Trappgebiet ver- ſchiedenes, aus ſecundären Geſteinen zuſammengeſetztes Syſtem von Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 161 Bergen, deren Streichungslinie von Oſten nach Weſten geht. Obwohl nicht ſehr hoch, bringen ſie doch eine wichtige veränderte Geſtaltung in der Orographie des ſüdlichen Dekhan's hervor, da der Kriſchna, wel— cher bis dahin von Norden gegen Süden floß, ſich von hier an plötz— lich gegen Oſten wenden muß und weiterhin die zwiſchen der Trapp— bildung im Norden und der ſüdlicher aufſteigenden Secundaͤrformation liegende Depreſſion einnimmt. Dieſelben Secundärformationen, welche ſich im Kaladghi- und Badami⸗Diſtricte finden, find noch weit mächtiger um Banganpilli und Kaddapa entwickelt. Dieſe beiden ſecundären Gebirgsketten ſind vollkommen von einander geſchieden durch die große Maſſe der eryſtal— liniſchen Schiefergebirgsformation der Mahiſſura-Ghats und der Süͤd— Mahrattha-Gebiete (Ceded-Diſtriete). Hier nur wenige Andeutungen über die beiden mehr weſtlichen und öſtlichen ſecundären Gebirgsreihen. Die Identificirung der Secundärgebirge von Badami mit denen von Kaddapa beruht auf folgenden Gründen. In beiden zeigt ſich deut— lich der Unterſchied zweier Gruppen: 1) eine untere Gruppe von mer— gelichem Kalkſtein und Schiefer, welche gehoben und zerſtört ſind, und 2) eine mächtigere Maſſe von Sandſtein und Sandſtein-Conglomerat, welche in beiden Gegenden jene zerſtörten Schichten ungleichförmig überlagert. Die Sandſteinſchichten ſind im Allgemeinen wenig geneigt, oft ganz horizontal. An verſchiedenen Localitäten, zumal nahe Tripelty im Kad— dapa⸗Diſtrict und zu Gutipurwa im Oſten von Badami, ſah man dieſe Sandfteinfchichten auf der einen Seite abweichend auf die Schie— fer- und Kalkſteine aufgelagert, während fie auf der andern Seite in der Entfernung von wenigen Meilen unmittelbar auf cryſtalliniſchen Gebirgsarten ruhen. Dieſe überraſchende Thatſache hatte zu der An— ſicht Veranlaſſung gegeben, als müſſe man hier zweierlei Sandftein- formationen annehmen, eine obere und eine untere, wovon aber in den genannten Diſtricten nach den bereits ausgeführten Unterſuchungen nicht die Rede ſein kann. Sowohl die Mergelkalkſteine, als die Sandſteine, ſind ſehr arm an organiſchen Reſten. Nur wenige Spuren von Corallen, einige kleine Bryozoen und ſehr undeutliche Fragmente eines zu d'Orbigny's Gruppe der Fimbriaten gehörigen Ammoniten, welche im Suͤden von GZ3eitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 11 | 162 C. Ritter: Kaddapa gefunden wurden, machen zu der Anſicht geneigt, dieſelben dem unteren juraſſiſchen Syſteme anzureihen. Doch ſind dies nur vor— laufige Bemerkungen, die genauerer Beſtimmungen in den Kaddapa— Bergen bedürftig find. In den Sandſtein-Revieren liegen einige der berühmteſten Dia— mantgebiete Indiens, doch in den Sandſteinen von Kaladghi und Ba- dami hat man bisher noch keine Diamanten gefunden. Die Unter— ſuchung der Diamantminen um Kaddapa (zu Banganpilli, Tſchinnür u. a.) hat gezeigt, daß der Diamant ſowohl aus dem feſten Geſteine ſelbſt, wie aus ſeinem Schutte gewonnen wird. Zu Banganpilli ſenkt man kleine Schachte und Gruben ein, um zum Sandſtein-Conglomerat zu gelangen, in welchem nach Ausſage der Arbeiter allein die Diamanten gefunden werden, nicht aber in dem feinkörnigen Sandſteine. Man zerkleint das Conglomerat erſt und wäſcht es, um die Diamanten herauszufinden. In Tſchinnuͤr dagegen werden die Diamanten aus einem Haufen von Sandſteinſchutt am Fuße der Berge, deren unterer Theil aus Schiefern, der obere aus Sandſtein beſteht, gewonnen. An einem dritten Orte (ob Saruldimin?) gewinnt man die Diamanten ſowohl aus der ſoliden Gebirgsart, als aus ihrem Detritus, der ſich in geringen Quantitäten in einigen Ver— tiefungen angehäuft hat “). Die eryſtalliniſchen Schichten der Ceded-Diſtricte und von Mahiſſura (Myſore). Eine große Strecke cryſtalliniſcher Schiefer trennt jene bei- den oben genannten Gebiete ſecundärer Gebirgsformationen. Auch die Schiefer bilden ein ausgedehntes Syſtem von Spalten und Verwerfungen, das von Norden nach Süden ſtreicht. Die langen Bänder des dunklen, hornblendereichen Grünſteins, welche das Land durchſetzen, ſtreichen pa— rallel mit dieſen Spaltungen und ſtehen offenbar im innigſten Zuſam— menhange mit ihnen. Die granitiſchen und ſyenitiſchen, domartig ge— ſtalteten Berge, die ſich an vielen Stellen 500 bis 1000 Fuß über die welligen Ebenen erheben, zeigen eine ſehr beſtimmte concentriſche Abſonderung, eine Thatſache, die auch ſchon in den trefflichen geologi— ) Ueber dieſe Diamantlager in Indien ſ. Allgem. Erdk. VI, S. 343, 368. Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 163 ſchen Papieren des verſtorbenen Capt. Newbold erwähnt iſt. Durch dieſe concentriſche Abſonderung und durch zwei Syſteme von Klüften, welche einander in rechten Winkeln durchſetzen, iſt die ganze Oberfläche der Berge in eine Menge iſolirter gigantiſcher Blöcke aufgebrochen, die, wenn ſie durch die Wirkung von Regengüſſen abgerundet ſind, das Anſehen enormer, durch Waſſer gewälzter Blöcke gewinnen, eine An— nahme, die jedoch ganz unbegründet erſcheint. Dieſe Vorkommniſſe ſind ganz analog ähnlichen Anhäufungen von Granitblöcken in den Granit— Diſtricten des Schwarzwaldes, des Harzes und Fichtelgebirges in Deutſch— land, ſowie in anderen Theilen der Erde, die den Geologen zu verſchie— denen Meinungen Veranlaſſung gegeben haben. Aber nach dem, was der betreffende Reiſende im großartigſten Style in Myſore ſah, hofft er durch mehrere Riſſe und detaillirte Kartenzeichnungen nachweiſen zu können, daß L. v. Buch's Anſicht die richtige iſt, indem dieſer Forſcher zuerſt die Aufmerkſamkeit auf den Urſprung der ſchaaligen eigenthüm— lichen Abſonderung des Granits lenkte und die Abrundung deſſelben ſeinem concentriſchen Gefüge, aber nicht dem Regenniederſchlage zu— ſchrieb. Der emporgehobene Meeresgrund an den Küften der Halbinſel Indiens. Es iſt auch zu beachten, daß die Halbinſel Indiens an ihrer Um— fäumung einer bedeutenden Emporhebung unterworfen geweſen iſt und zwar innerhalb der gegenwärtigen Periode der organiſchen Belebung oder ihr doch ſehr nahe. An der Weſtküſte zu Bombay, Baſſein und ſüdwärts gegen Goa, ſelbſt höchſt wahrſcheinlich bis zur äußerſten Südſpitze der Halbinſel, wie auf der Inſel Ceylon (von wo der Reiſende einige ſehr intereſſante Specimina von Muſchelbildungen durch die Güte des Fredrick Layard Esg. erhielt), und wiederum längs der Oftfüfte von Madras an ſüd— wärts fanden ſich erhabene Seeufer, mit Seemuſcheln bedeckt, oft bis in bedeutende Diſtancen landeinwärts. So ſah der Beobachter bis 40 engl. Meilen weit weſtwärts der jetzigen Seeküſte von Madras Seemuſcheln im Sande gelagert. Dr. Buiſt iſt wohl der erſte, welcher dieſe wichtige Thatſache mit Sicherheit auf der Weſtküſte von Bombay nachgewieſen hat. 11 * 164 C. Ritter: Viele dieſer Muſchelſpecies, von Cardium, Arca, Venus, Tellina, Cerithium u. a. m., ſind offenbar ganz identiſch mit den jetzt lebenden Muſchelthieren am dortigen Geſtade des indiſchen Oceans. Eine faft vollſtändige Sammlung dieſer Muſcheln, die der Reiſende durch den gütigen Beiſtand mehrerer Theilnehmer aus den verſchiedenſten Locali— täten dieſer Küſtenumſäumung erhielt, wird ihn in den Stand ſetzen, genauer zu erforſchen, in wie fern die Mollusken ſpecifiſch von den jetzt abweichen ſollten, oder ob, wie ſich jetzt herauszuſtellen ſcheint, nur in lebenden Bezug auf die Vergeſellſchaftung und relative Zahl der In— dividuen eine Differenz zwiſchen den organiſchen Formen des erhöhten Seebodens und der noch heute im benachbarten Ocean lebenden Fauna zu beobachten iſt. Die topographiſchen und ſonſtigen Angaben. In Beziehung auf den topographiſchen Charakter dürften im mitt— leren Indien folgende zwei Gruppen mit Beſtimmtheit zu unterſcheiden ſein: 1) Die Uferlandſchaften und Inſeln, die ſich durch üppige Vege— tation auszeichnen. 2) Das Dekhan, eine weit ausgebreitete Trappformation, mit zahlreichen, ſehr regelmäßig geformten Hügelzügen bedeckt, alſo kein ein— faches, etwa ganz ebenes Plateau. Der ſtets wiederkehrende Typus dieſer Hügel iſt durch treppenförmige Abſätze charakteriſirt, die mit der Klüftung des Geſteins in unmittelbarem Zuſammenhange ſtehen. Zu— gleich find alle Abdachungen gegen Süden und Weſten weit ſteiler, als die entgegengeſetzten. Das Land iſt ſehr cultivirt, aber Palmen, Bambus, Aloen ꝛc., die im Allgemeinen den tropiſchen Character einer Landſchaft weſent— lich erhöhen, ſind hier verhältnißmäßig nur ſelten. Die Sandſteinformation von Kaladghi bis Badami beſteht aus ſteil abgedachten Tafelbergen. Die granitiſchen Diſtricte von Myſore ſind zwar auch zum Dekhan (ſo heißt die ganze ſüdliche Halbinſel) ge— hörig, unterſcheiden ſich aber, wie in geologiſcher, ſo auch in topographi— ſcher Geſtaltung auf das Beſtimmteſte von der Trappregion. Hier ſind die kugeligen und ſchaaligen Formen granitiſcher Abſonderungen auf Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 165 das Schönſte entwickelt. Die Reiſenden haben wiederholt verſucht, ſie zu zeichnen und zu photographiren. Die Umgebungen von Kaddapa bilden ein für ſich ſehr fehön entwickeltes Gebirge mit tiefen Thälern und zahlreichen Mulden längs der Abhänge, und haben in der Geſtaltung ihrer Berge große Aehn— lichkeit mit Wales. Die Abdachungen der Myſore-Landſchaften gegen den bengaliſchen Meerbuſen ſind vorzüglich von Verwitterungsproducten, den Laterit's, bedeckt. Hier bezeichnet ſowohl die üppige Vegetation, als auch die periodiſche Feuchtigkeit und relative Kühle der Luft die Nähe des Mee— res. Die Seebriſe erſtreckt ſich, wenn nicht weiter verbreitete Luftſtrö— mungen ſie beſchränken, 60 bis 80 engl. Meilen landeinwärts. Die Wege ſind hier, ſobald man die unmittelbare Nähe der Kü— ſten verläßt, ſehr ſchlecht und im Innern durch die primitivſten Fuß— pfade erſetzt, während in Bengalen und den oberen Provinzen die große Trunkroad (Holzbahn) Hunderte von Meilen weit das Land durch— zieht. Auch die Militair- und Civil-Stationen find auf der zurückge⸗ legten Route ſehr ſelten; man mußte wochenlang in Zelten wohnen. Ign ethnographiſcher Beziehung waren die Reiſenden, beſonders der jüngere Bruder Robert, ſtets bemüht, außer den Zeichnungen auch aus⸗ führliche Meſſungen, Photographien, Gipsmasken ꝛc. zu machen. Die Sammlungen und Zeichnungen werden ſo lange in Calcutta aufbewahrt, bis die im Laufe des Sommers zu machenden damit ver— einigt werden können. Von den Photographien konnten während der Reiſe nur die ne— gativen Glasbilder angefertigt werden; die kurze Friſt, die den Rei— } 2 ſenden in Calcutta vergönnt war, um nicht durch die Regen der Ebe— nen in ihren Beobachtungen unterbrochen zu werden, geſtattete ihnen nicht, ſchon jetzt die poſitiven Bilder abzunehmen, die erſt nach ihrer Rückkehr aus dem Himalaya nebſt den anderen in Calcutta copirt werden ſollen. unſere Pläne für dieſen Sommer,“ ſchreibt Hermann Schlagint— weit am 4. April von Calcutta, „ſind folgende: Adolph und Robert gehen über Patna und Benares nach Almora und Gerhwal, und werden dann von der Weſtſeite nach Nepal zu kommen verſuchen. Die indiſche Regierung und insbeſondere Lord Dalhouſie haben den 166 C. Ritter: Reſidenten in Khatmandu ermächtigt, dieſen Plan beſtens zu unter— ſtützen. Ich ſelbſt gehe nach Dardſchiling, um von dort durch Sikhim zu reifen und ſpeciell die Umgebungen des Kintſchindſchinga zu unter ſuchen. Dieſer bis jetzt noch nicht beſuchte Theil des Himalaya (die von Hooker und Campbell beſuchten Paſſe liegen bedeutend öſtlich und weſtlich davon) dürfte ſowohl für phyſikaliſche Experimente in großen Höhen, als auch in topographiſcher Beziehung von beſonderem Inter— eſſe ſein. Doch ſind bis jetzt vom Radſcha bedeutende Schwierigkeiten erhoben worden, über die ich erſt in Dardſchiling Beſtimmtes er⸗ fahren kann.“ Vom 16. März und 28. April 1855 liefen von den oberſten Be— hörden in Calcutta und Dardſchiling, an der Südgrenze von Sikhim, die zuvorkommendſten Briefe an Herrn A. v. Humboldt, mit den Zeug— niſſen der ehrenvollſten Aufnahme und hilfsreichſten Theilnahme an den Beſtrebungen der von ihm ſo warm empfohlenen Reiſenden, ein. In Abweſenheit des General-Gouverneurs von Oſtindien, Lord Dal— houfte, hatte Sir James William Colville, Präſident der Royal So- ciety in Caleutta, die Sorge für das Fortſchreiten der Unternehmung übernommen. Obwohl mit Gerichtsgeſchäften überladen, die ihm weni— ger Muße ließen, als er wünſchte, um den Reiſenden, wie er ſagt, nützlich zu fein, hatte er fie feinem Freunde, dem berühmten Brian H. Hodgſon, vieljährigem Reſidenten des britiſchen Gouvernements am Hofe von Nepal und thätigem Freunde des Botanikers Joſ. D. Hoo— ker während deſſen Himalaya-Reiſen, dringend empfohlen, und auf des General-Gouverneurs Befehl Alles von Seiten des Gouvernements in Bereitſchaft ſetzen laſſen, die Behörden in den Provinzen und den Ge— birgen zum Beiſtand der Wanderer aufzurufen. Zwar lebt noch der alte Feind der europäiſchen Reiſenden in Sikhim, der Diwan (wohl der— ſelbe, der zu Hooker's Zeit ihm und dem Dr. Campbell als Premier: Miniſter des Radſcha von Sikhim ſo gefährlich entgegentrat), aber in Ungnade gefallen, ſagt der Präſident, werde er hoffentlich den For— ſchungen Hermann Schlagintweit's das Eindringen in das Hochgebirge nicht verwehren können. Den beiden anderen Brüdern wünſche er, ſchreibt derſelbe ferner, daß es ihnen gelingen möge, in dieſer Saiſon Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 167 Khatmandu zu erreichen; der dortige britiſche Reſident werde ſchon die rechten Maßregeln ergreifen, um ihnen die eiligſte Durchreiſe durch das in der böſen Jahreszeit ſo ungeſunde Morung oder Terai, d. i. die Sumpffieberregion, möglich zu machen. Daß fie tief in Nepal ein- zudringen vermöchten, habe er zwar wenig Hoffnung (ſelbſt dem Prin— zen Waldemar von Preußen war dies ja verſagt worden), doch wür— den ſie, wenn auch die öffentliche Meinung des Landes ihnen hinder— lich ſein ſollte, unter dem Schutze der Miniſter Dſchang Bahadur's von Nepal, den ſchon Dr. Hooker als Begünſtiger wiſſenſchaftlicher euro— päiſcher Reiſender rühmte, ſicher ſo viel durchführen, als ihnen ſelbſt möglich ſein werde; daran zweifle er keinen Augenblick. Vom 28. April lief auch von dem um die wiſſenſchaftliche Kennt— niß des Himalayaſyſtems ſo hochverdienten Major B. H. Hodgſon an Herrn A. v. Humboldt ein Schreiben ein, welches die rührendſten Aus— drücke der Verehrung und des Dankes für den deutſchen Neſtor der Naturforſchung, ſowie die Nachricht enthielt, daß Hermann Schlagint— weit ihm die Briefe v. Humboldt's überbracht habe, und, wie es ihm leid gethan, daß er wegen der ſchweren Krankheit ſeines Sohnes den Reiſenden ſelbſt nicht in ſein Haus habe aufnehmen können. Doch hoffe er, derſelbe werde mit ſeinem Aufenthalte zu Dardſchiling, dem Sanatarium, zufrieden ſein; in wenigen Tagen erwarte er die Ankunft der Erlaubniß, daß der Reiſende ſeine Wanderung nach Sikhim fort— ſetzen könne, was im erſten Moment ſeines Eintreffens nicht möglich war. Den Brüdern in Kamaon habe er ebenfalls Empfehlungsbriefe zugeſandt, die ihnen hoffentlich für ihre Wanderung durch Nepal nützlich ſein würden. Es iſt lehrreich, am Schluſſe dieſes Briefes die beſcheidenen Worte des hochverdienten Mannes über feine eigene, po— litiſch, wie wiſſenſchaftlich ſo bedeutende, zwanzigjährige Wirkſamkeit im Hochgebirge zu leſen, deren Wichtigkeit ſchon aus Dr. Hooker's Hima⸗ layabriefen wiederholt bekannt geworden wäre, wenn man ſie nicht bereits ſeit Jahrzehnten aus dem Calcutta Journal der Asiatic So- ciety of Bengal kennen gelernt hätte. N Die letzten Nachrichten von den beiden Zweigen der Reiſeabthei— lung ſind vom 24. April aus Dardſchiling und vom 17. Mai aus Nainy Tal an Herrn A. v. Humboldt eingelaufen. Hermann Schlagintweit äußert ſich aus Dardſchiling den 24. April 168 C. Ritter: dankbar für die große Theilnahme, welche von den engliſchen Behörden allen ſeinen Beſtrebungen, wie denen ſeiner Brüder zu Hilfe kam. Der Name v. Humboldt drang überall durch, denn er ſei dort ſo bekannt und verehrt, wie überall; „ſelbſt viele der unterrichteten Natives in den Städten,“ ſchreibt Hermann, „überraſchten uns ſehr häufig mit den ſpeciellſten Erkundigungen nach Ihnen, nachdem ſie gehört hatten, daß wir aus Deutſchland kämen.“ Am 5. April von Calcutta abgereiſt und glücklich in Dardſchiling angelangt, wollte Hermann Schlagintweit alsbald nach Sikhim weiter gehen; aber erſt hier erfuhr er, daß die deshalb geſchehene erſte An— frage der engliſchen Regierung von dem Radſcha zu Sikhim entſchieden mit „Nein“ beantwortet ſei. Da aber aus Dr. Hooker's Geſchichte bekannt genug iſt, wie hier die Radſcha's unter dem Einfluſſe ihrer Mi- niſter ſtehen, fo kommt es vorzüglich auf geſchickte Unterhandlungen mit dieſen an, um ſeine Zwecke zu erreichen. Es wurde daher zunächſt der Vorſchlag gemacht, nur direet an den Fuß des Kintſchindſchinga zu gehen, und dies durch Dr. Campbell, den Reſidenten des oſtindiſchen Gou— vernements, der auch ſeinem Freunde, dem Botaniker Dr. Hooker, als Vermittler mit dem Sikhim-Radſcha ſo weſentliche Dienſte geleiſtet hatte, zu bewerkſtelligen. Es wurde dabei bereits angedeutet, daß es hierzu ganz unvermeidlich ſein werde, den Beamten des Radſcha, oder vielmehr ihm ſelbſt indirect bedeutende Geſchenke im Betrage von 1000 Rupien (à 20 Sgr.) zu machen, um nicht unterwegs aufgehalten zu werden. „Dazu wird uns nun die gütige Unterſtützung Sr. Majeſtät des Kö— nigs verhelfen, die uns hier auf das Freudigſte überraſcht hat,“ ſchreibt der Briefſteller. „Die gemachten Sammlungen beſtehen vorzugsweiſe in Inſekten und Verſteinerungen, ſowie in einer ziemlich vollſtändigen Reihe aller charakteriſtiſchen Fluß- und Quellwaſſer, die wir auf unſerer Reiſe in Indien fanden. Sie ſind in Glasfläſchchen mit eingeriebenen und gut verſiegelten Stöpſeln verſehen, für ſpätere chemiſche Erforſchung wohl aufbewahrt.“ „Unter den ethnographiſchen Gegenſtänden dürften von uns viel— leicht beſonders die Photographien und Abgüſſe des Geſichts in Gyps zu erwähnen ſein. Alles bis jetzt geſammelte Material liegt im Sur— veyor General Office zu Calcutta und wird ſpäterhin mit dem im . Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 169 Himalaya gewonnenen nach Europa geſchickt werden. — Dahin ſind auch Briefe zu adreſſiren.“ Adolph Schlagintweit ſchreibt vom 17. Mai an Herrn A. v. Hum— boldt; der Brief iſt zu Nainy Tal in der Provinz Kamaon, im Süd— oſten von Almora, datirt, derſelben Station, von wo aus auch Prinz Waldemar ſeine Nordweſtreiſe nach den Gangesquellen und Kaſchmir begann. Nach der am 25. März von Calcutta erfolgten Abreiſe der Brüder Adolph und Robert hörten beide ſchon in Patna am Gan— ges, daß theilweiſe wegen der zwiſchen den Nepaleſen und den Ti— betanern ſtattfindenden Grenzſtreitigkeiten für dieſen Sommer durchaus keine Hoffnung vorhanden ſei, daß die nepaliſche Regierung ihnen geſtatten werde, ſich von der Hauptſtadt Khatmandu aus tiefer in das Innere des Landes zu begeben. Sie beſchloſſen daher, weiter weſtlich nach Kamaon zu gehen, und erreichten in der Mitte des Monats April die hübſche engliſche Station Nainy Tal, an 6400 engl. Fuß über dem Meere, in der Vorkette des Himalaya, etwas ſüͤdlich von Almora gelegen ). Von der Hitze des April, die gewöhnlich in den Ebenen Benga— lens ſehr groß iſt, hatten fie verhältnißmäßig nur wenig gelitten, da dieſes Jahr ungewöhnlich kühl war, d. h. im bengaliſchen Sinne für den Monat April. Das Thermometer ſteht um Mittag ſtets 30“ Celſ., gewöhnlich 33° und oft 36° bis 37° Celſ. (28, 6 bis 29 6 R.). Aber ſie fanden die Hitze in der That mit einiger Vorſicht weit weni— ger unangenehm und ſtörend für ihre Beobachtungen, als ſie früher gefürchtet hatten. Von Nainy Tal aus machten ſie verſchiedene ſehr intereſſante geologiſche Ercurſionen in die Vorketten des Himalaya, die hier aus eocenen Schichten (untere Tertiärformation) mit Foramini— feren und Fucoiden beſtehen, die mit alpinen Schichten die größte Aehn— lichkeit haben. Sie wohnten je drei Tage auf zwei der höchſten Punkte der Vor— fetten des Himalaya, auf dem Tſchinnur Pic, 8700 engl. Fuß, und Loe— ria Kantha (?), an 8200 Fuß über dem Meere, von wo aus fie den ) Eine ſchöne Zeichnung der lieblichen Lage dieſes Nainy Tal, d h. See des Nainy, vom Prinzen Waldemar iſt in dem ſo eben von ſeinen Königlichen Geſchwiſtern unter dem Titel: Zur Erinnerung an die Reiſe des Prinzen Waldemar von Preußen durch Indien in den Jahren 1844 bis 1846. Berlin 1853. Fol. edirten Prachtwerke, Thl. I, Taf. XXXIII in Kupfer geftochen erſchienen. 170 C. Ritter: ungemein ſchönen, belehrenden Ueberblick des Himalaya von den nepaz liſchen Ketten an über Nanda-Devi, Trifüla, Niti, Badrinatha und bis über Gangotri (das Ganges-Quellgebirge) hinaus genoſſen. Sie verſuchten mehrere Zeichnungen dieſer prachtvollen Himalaya-Pics zu entwerfen, und maßen zu verſchiedenen Malen mit ihren vortrefflichen Piſtor'ſchen Theodoliten die Horizontal- und Höhenwinkel aller wichti⸗ gen Punkte. Sie erhielten hier einen ſehr guten Ueberblick über die Orographie dieſes Theiles des Himalaya. Der Commiſſioner Mr. Batten und Capt. Ramſay, welche mit der Topographie von Kamaon ſehr vertraut ſind, unterſtützten die Beobachtungen der deutſchen Rei— ſenden auf die zuvorkommendſte Weiſe. Eine große Eigenthümlichkeit iſt es, daß die höchſte Kette oder vielmehr die höchſten von Oſten nach Weſten fortziehenden Gruppen, da fie überall durch tiefe Thalein— ſchnitte getrennt ſind, ſich mauerartig ſehr plötzlich über die nie— deren Vorketten erheben. Es verleiht dies dem Himalaya den Alpen gegenüber einen ganz eigenthümlichen Charakter. „Wir haben noch zu wenig vom Himalaya geſehen,“ ſagen die Berichterſtatter, „um einen Vergleich mit den Alpen wagen zu können; überraſchend ſchön iſt jedenfalls ſeine Vegetation. Die prachtvollen Eichen am Tſchinnür und das friſche und üppige Grün aller Laubbäume an den Abhängen ſind ſicher in den Alpen nirgends ſchöner zu finden. Die Rhododendronbäume, die gerade voll rother Blüthen hingen, als wir hierher kamen, verleihen der Landſchaft einen ganz eigenthümlich reichen Charakter.“ „Wir haben vor einigen Tagen 70 Coolies (Laſtträger) mit meh— reren Inſtrumenten, Zelten u. ſ. w. nach Almora vorangeſandt. Ro— bert iſt heute Morgen abgegangen, ich werde morgen nachfolgen. Wir werden uns von hier zunächſt auf zwei verſchiedenen Wegen nach Milum, einem Dorfe der Bhotias am Oſtfuße der Nanda-Devi-Gruppe, begeben. Mein Bruder Robert geht mit dem größeren Theile der Coolies den directeren Weg; ich ſelbſt werde zuerſt die Gletſcher am Urſprung des Pindar-Stromes beſuchen und dort den Südfuß der Nanda-Devi und Nanda⸗Kota unterſuchen, von da aber öſtlich in das Thal von Milum (etwa 11,400 engl. Fuß über dem Meere) einbiegen.“) ) Nach Edw. Thornton's Gazetteer liegt Milum in Dſchewahir, 13 engl. Mei- len ſüdlich des Dſchewahir-Paſſes, unter 30 25“ n. Br. und 86° 11’ öſtl. L. von * Die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 171 „Von Milum wollen wir nach 14tägigem Aufenthalte, nur mit dem nöthigſten Gepaͤck verſehen, nach Tibet gehen. Daſelbſt wird die weitere Ausdehnung der Reiſe ſehr von den Umſtänden und von dem Zuſammentreffen mit den Eingeborenen abhängen. Wir haben von dort aus uns weſtlich zu wenden und über den Mana Ghat nach Badri— nath zurückzukommen. Von da gehen wir nach Gangotri, dann aber auf zwei verſchiedenen Wegen nach Simla, wo wir Mitte October anzukommen hoffen. Durch das guͤtige Intereſſe, welches Mr. Colvin, der Lieutenant-Gouverneur der Nordweſt-Provinzen, an unſeren Be— obachtungen nimmt, werden wir in den Stand geſetzt werden, ſehr zu— verläßige correſpondirende Barometer-Beobachtungen mit guten Inſtru— menten ſowohl hier in Nainy Tal, als in Agra, zu erhalten.“ Von dem Bruder in Dardſchiling hatten ſie zwar keine neuen Nachrichten erhalten, doch von ihm erfahren, daß er in Sikhim reichen Stoff für ſeine Beobachtungen angetroffen habe, und daß er ſich in vollkommen gutem Geſundheitszuſtande befinde. Von Milum aus ſoll wieder geſchrieben, auch eine kleine Sammlung von Photographien geſendet werden, die Robert Schlagintweit im Himalaya mit gutem Erfolge begonnen hat. Gr., die Stadt 11,430, der Tempel über derſelben 11,706 engl. Fuß über dem Meere. Es hat 140 Steinhäuſer, und liegt an der Bifurcation der Flüſſe Gunkha und Gori. Der Ort iſt nur vom Juli bis October bewohnt; wegen des tiefen Schnee's wird er dann von den Einwohnern verlaſſen, welche in das untere Kamaon gehen, von wo ſie aber das nächſte Jahr zurückkehren, weil von hier über den Dſchewahir-Paß der Haupthandel nach dem tibetiſchen Gebiete von Undes geführt wird, indem bis jetzt den Hindu's ausſchließlich der Markt auf tibetiſchem Territorium unter chineſiſcher Oberhoheit geſtattet iſt. Juli 1855. C. Nitter. Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 9. Juni 1855. Herr Maßmann theilte Auszüge aus den Briefen eines jungen Steuer— mannes mit, welche Ende 1854 und zu Anfang 1855 während einer Fahrt durch das ſtille Meer von Auſtralien nach Callao geſchrieben worden waren. — Herr Ritter legte einen Brief des Herrn de Angelis aus Valparaiſo, Mit— gliedes der Geſellſchaft, vom 20. Februar 1855 vor, worin eine Sendung von gelehrten Arbeiten für die geographiſche Geſellſchaft verheißen wird. Hier— auf las derſelbe eine Mittheilung des Herrn v. Humboldt nach Briefen von Dr. J. Macgowan in Macao und Berichten in dem North China Herald über das Erdbeben, welches Ende 1854 und zu Anfang 1855 in Japan große Verheerungen anrichtete, vor (dieſe Mittheilung wird im nächſten Hefte der Zeitſchrift enthalten ſein). — Herr v. Carnall ſprach über den Berg— werksbetrieb in dem preußiſchen Staate und den außerordentlichen Aufſchwung deſſelben in den letzten Jahren, insbeſondere des Steinkohlen-Bergbaues. Im Jahre 1820 betrug die Steinkohlenförderung des ganzen Landes nur 44 Mill. Tonnen (= 4 Scheffel oder 74 Kubikfuß, ohngefähr 4 Centner wiegend) mit einem Werthe von wenig mehr, als 1 Mill. Thaler; Braunkohle wurde nicht voll 1 Mill. Tonnen gewonnen, und der Werth aller Bergwerkspro— dukte (Kohlen und Erze aller Art) mag kaum 2 Millionen Thaler betragen haben; im Jahre 1834 war dieſer Werth auf 4 Millionen Thaler geſtiegen und kam im Jahre 1854 auf reichlich 20 Millionen Thaler. Preußen hat mit ſeiner Bergwerksproduktion, das einzige England ausgenommen, alle an— deren Länder Europa's, und — nur England und Nordamerika ausgenom— men — alle Länder der Erde überflügelt. Der Redner gab nun zunächſt eine allgemeine Ueberſicht von der Zuſammenſetzung des die Steinkohlen ein— ſchließenden Gebirges, ſeiner Lagerung, Verbreitung, Bedeckung mit jüngeren Schichten u. ſ. w., ferner von der Mächtigkeit und Beſchaffenheit der Stein— kohlenflötze, und ging dann zur Betrachtung der einzelnen Steinkohlengebirgs— partien in Preußen über, und zwar der in Oberſchleſien, Niederſchleſien, Pro— vinz Sachſen, Weſtphalen (Hauptzug von Dortmund bis an den Rhein und die Bergwerke des Staates bei Ibbenbüren) und auf der linken Rheinſeite (Bergbau des Staates bei Saarbrücken und die Kohlenminen bei Aachen) — zuſammen von der Erdoberfläche 50 Quadratmeilen einnehmend, aber ſich un— ter den aufliegenden Bildungen noch viel weiter verbreitend. Die Summe der Mächtigkeiten übereinanderliegender bauwürdiger Steinfohlenflöge, bemerkte der Vortragende, käme auf 120 und ſelbſt bis nahe 200 Fuß. Dies ſei wichti— ger, als die Größe der eingenommenen Fläche, nur wäre zu bedauern, daß. gewiſſe ausgedehnte Theile des Landes, namentlich die nördlichſten und öſtlichſten Provinzen unſeres Staats, der Steinkohlen entbehrten. Das Steigen der Stein— Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 173 kohlenfoͤrderung beruhe theils auf allgemeinen Verhältniſſen, theils auf örtli— chen Urſachen, meiſt aber auf beiden zugleich. Unter die erſten gehöre die Zunahme der Bevölkerung innerhalb der Abſatzkreiſe, die Abnahme der Wäl- der und das Hinaufgehen der Holzpreiſe, ferner die Verbeſſerung der Trans- portmittel, die Anlage von Straßen, und ganz beſonders die Herſtellung von Eiſenbahnen, welche nicht nur ſelbſt viele Kohlen conjumiren, ſondern auch vermöge Ermäßigung der Transportkoſten den Steinkohlen neue und weit ausgedehnte Debitskreiſe eröffneten. Als mehr oder weniger örtlich erſcheine der Verbrauch bei der Metall-Induſtrie, namentlich bei der Eiſenerzeugung und Verarbeitung, wo die Steinkohlen an die Stelle der Holzkohlen getreten ſeien; ferner bei den Dampfmaſchinen aller Art, den Brennereien, Brauereien, Zuckerfabriken, dem Ziegel- und Kalkbrande u. ſ. w. Faſt überall ſei darum der Begehr nach Steinkohlen ſo geſtiegen, daß die Förderungen ihn nicht zu befriedigen vermocht hätten, was in den meiſten Revieren ein Hinaufgehen der Verkaufspreiſe zur Folge gehabt habe. Mehr würde man haben fördern können, wenn es nicht an Arbeitern gemangelt hätte, ein Mangel, welcher noch fortbeſtehe und dem ſich bei den eigenthümlichen Schwierigkeiten der bergmänniſchen Arbeit nur langſam und nur mit großem Koſtenaufwande ab— helfen ließe. Im letztvergangenen Jahre (1854) ſeien auf den ſämmtlichen Steinkohlenbergwerken (392 Gruben) 48,573 Arbeiter beſchäftigt geweſen. Die letztjährige Förderung betrage: darunter auf Gruben des Staats — wʒC—ñ1ͤ—t in Oberſchleſien. ... 8,650,273 T. in Niederſchleſten. .. 2,484,842 - 35,7 pEt. 4847/54 T. (2 Grub) in dem wettiner Bezirk 196919 = 0,6 - 119,390 = (2 Grub.) in Weſtphalen 13,593,371 - 39,9 = 177,372 = (2 Grub.) in Saarbrücken. 6,363,463 - in dem dürener Bezirk 2,767,405 = 205 6,071,397 = (15 Grub.) Summe 34,056,274 T. 100 pCt. 7,915,813 T. (21 Grub.) Gegen die Vorjahre fände die ſtärkſte Steigerung in Weſtphalen und in Saar⸗ brücken ſtatt, hauptſächlich durch den Debit auf den Eiſenbahnen und den Verbrauch bei der Eiſen-Induſtrie. Die Verkaufspreiſe auf den Gruben hät- ten ſich bis zum Jahre 1847 allmählig etwas gehoben; in jenem Jahre be— rechnete ſich für alle Bergwerke des Staates ein Durchſchnitt von 11 Sgr. 7,2 Pf. für die Tonne; ſie ſeien dann im Jahre 1848 gefallen und erſt 1852 ziemlich wieder auf den früheren Stand gekommen; im J. 1854 war dieſer 12 Sgr. 3,2 Pf., was 14 Sgr. oder 11 pCt. mehr, als im J. 1851 betrage. Im Einzelnen ſtellten ſich die Preiſe je nach der Qualität der Kohlen oder vermöge der Concurrenz mit anderen Brennmaterialien ſehr verſchieden. Als Mittelſätze hatte man im J. 1854: im oberſchleſiſchen Bezirke 6 Sgr. 4,7 Pf., im niederſchleſiſchen Bezirke 11 Sgr. 1,5 Pf., im wettiner Bezirke 23 Sgr. 174 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 7,9 Pf., in den weſtphäliſchen Bezirken 13 Sgr. 7,0 Pf., im ſaarbrücker Be- zirke 14 Sgr. 5,7 Pf., im dürener Bezirke 17 Sgr. 4,7 Pf. für die Tonne ge⸗ habt. Im Allgemeinen laſſe ſich annehmen, daß von dem Kaufgelde (12 Sgr. 3,2 Pf.) nahezu die Hälfte in Arbeitslöhnen (der Arbeiter auf den Gruben ſelbſt) ausgegeben wird, alſo pro Tonne 6 Sgr. — Pf., nicht voll + betragen die übrigen Ausgaben aller Art, von denen wieder ohngefähr die Hälfte in den Koſten des Zim— merholzes beſtehe, mithin eirclꝶU UU. 2 „8,9 * Hiernach ergäben ſich als Netto-Ertrag für die Beſitzer der enen RE Er. 3 „6,3 zuſammen 12 Sgr. 3,2 Pf. Der Werth der Steinkohlenförderung nach den mittleren Verkaufspreiſen, welcher im Jahre 1820 nur gegen 13 Million Thaler betragen hatte, ſei im N ne ee it 8,326,822 Thlr. CCT na SE. RE En PIE 13,909,912 = gekommen und habe ſich alfo in 3 Jahren um.. 5,583,090 Thlr. oder um 67 pCt. vermehrt. Davon kämen etwa 4 Mill. Thaler auf die Vermehrung im Quantum und 12 Mill. Thaler auf die Steigerung der Ver⸗ kaufspreiſe. Der Gewinn der Betreiber, einſchließlich der Zinſen der Anlage— Kapitale, laſſe ſich auf wenigſtens 4 Mill. Thaler anſchlagen. Bei dem jüng⸗ ſten Steigen der Steinkohlenpreiſe, welches in einzelnen Revieren, namentlich im Weſtphäliſchen, bis 50 pCt. des früheren Preiſes betrage, möge die Be— ſorgniß der Conſumenten nicht unbegründet erſcheinen, daß dadurch manche Induſtriezweige in ihrem Fortbeſtande gefährdet werden könnten; allein es ſeien viele neue Steinkohlenwerke in der Aufnahme begriffen und zwar im großartigſten Maßſtabe; dabei würden die hohen Generalkoſten zu ſtarken Förderungen drängen, und dies müfje eine Concurrenz im Angebot herbeifüh— ren, von der ein Herabgehen der Preiſe zu erwarten ſei. Das einzige, was dies verzögern könne, ſei der Mangel an Arbeitern, welcher ſich nur allmäh— lig beheben laſſe. Uebrigens wäre nicht zu verkennen, daß die gezogenen Ge— winne meiſt auf neue Anlagen verwendet würden, auch neue Unternehmer ans lockten. Alles dies müſſe zu einem Aufſchwunge unſeres Steinkohlenbergbaues führen, den man früher nicht habe ahnen können, der aber durch die uner— ſchöpflichen Niederlagen unſerer Gebirge auf Jahrtauſende geſichert erſcheine. Um eine Maſſe von 34 Mill. Tonnen auch für Diejenigen anſchaulich zu machen, welche dergleichen zu beurtheilen nicht geübt ſind, gab der Redner an, daß jene Maſſe dem kubiſchen Inhalte eines Würfels von 632 Fuß Seite entſpreche; die Länge dieſer Seite iſt alſo etwas mehr, als der Durchmeſſer unſeres Belle-Alliance-Platzes (circa 50 Ruthen S 300 Fuß). Denkt man ſich nun ein cylindrifches Maß von der Grundfläche dieſes Platzes, jo würde man demſelben, wenn es 34 Millionen Tonnen Steinkohlen aufnehmen ſoll, u u Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 175 eine Höhe von 856 Fuß zu geben haben, was mehr, als 23 der Höhe des Petrithurmes oder, wenn man für die Häuſer des Platzes ringsum eine mitt— lere Höhe von 50 Fuß annimmt, eine 17malige Ausfüllung des Platzes be— tragen würde. Denken wir uns nun, bemerkt der Redner ferner, die abge— dachte Maſſe ſollte mit zweiſpännigen Fuhren weggefahren werden, und ſetzen dabei den beſten Weg und die ſtärkſten Pferde und ſomit eine Ladung von je 80 Centnern voraus, und nehmen an, daß ein Wagen dicht hinter dem anderen fahre, fo erhielte man einen Wagenzug von einer dem Erd— durchmeſſer gleichen Länge. Bei den Steinkohlen laſſe ſich das Verhältniß im Maße zu der anſtehenden feſten Maſſe im Durchſchnitt wie 4 zu 3 annehmen (d. i. 1 Kubiklachter 554 Tonnen ſchüttend). Demnach wären im Jahre 1854 an Flötzmaſſe circa 600,000 Kubiklachter umhauen worden oder auf einem + Lachter (34 Fuß) mächtigen Flötze 1,200,000 Quadratlachter oder, rund gerechnet, nahezu 1 Quadratmeile. Wäre nun in unſeren Steinkohlenfeldern überall nur ein einziges + Lachter ſtarkes Flötz vorhanden, fo würde man daraus bei feiner Fläche von 50 Quadratmeilen eine der 1854er gleiche För— derung auf 500 Jahre beſtreiten können. Wir können aber im Durchſchnitt mehr, als 10 Lachter bauwürdige Steinkohlenmächtigkeit (alſo 20 ſolchen Flötzen entſprechend) annehmen, und ſo die Nachhaltigkeit unſerer Steinkohlen— becken auf mehr als 10,000 Jahre berechnen. Hiernach mögen wir, ſchloß der Redner ſeinen Vortrag, immerhin unſere Förderungen verſtärken, auch nicht Anſtand nehmen, davon an unſere Nachbarn zu verkaufen, wenn ſie uns die Waare in gutem Gelde bezahlen; denn, wie einer unſerer reichen Bergwerksbeſitzer zu ſagen pflegte, wenn man ihm von Schonung der Sub— ſtanz ſprechen wollte, „meine Erben werden ſich mehr über das Geld im Kaſten, als über die Mineralien in den Bergwerken freuen.“ — Zum Schluß legte Herr Kiepert den Entwurf zu einer neuen Karte von Paläſtina, vor— nehmlich nach Robinſon's und vieler Anderen neueſten Angaben, vor. — Von Herrn Ritter wurden endlich die folgenden eingelaufenen Geſchenke vor— gelegt: 1) Zeiſchrift für das Berg-, Hütten- und Salinenweſen in dem preußi— ſchen Staate, herausgegeben von R. v. Carnall. Jahrg. I, II und III, Lief. 1. Berlin 1854 und 1855. Von dem Herrn Herausgeber. 2) Zeitſchrift für allgemeine Erdkunde, herausgegeben von Dr. T. E. Gumprecht. IV. Band, Heft 5. Berlin 1855. Von dem Verleger Herrn D. Reimer. 3) Mitthei⸗ lungen aus J. Perthes' geograph. Inſtitut über wichtige neue Erforſchungen auf dem Geſammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann. 3. Heft. Gotha 1855. Von dem Herrn Verleger. 4) Zwei aufgezogene Wandkarten, Nord- und Süd-Amerika, von E. v. Sydow. Gotha. Von dem Herrn Ver— faſſer. 5) Die norddeutſche Ebene, insbeſondere zwiſchen Elbe und Weichſel geologiſch dargeſtellt von H. Girard. Nebſt 1 Karte und 2 Taf. Profile Berlin 1855. Von dem Verleger Hrn. G. Reimer. 6) Address to the Royal Geographical Society of London; by the Earl of Ellesmere. 176 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. London 1854. 7) Proceedings of the Royal Society. Vol. VII. No. 12. Geſchenke des Herrn Dove. 8) Memorial of Aaron Haight Palmer. 1855. Von dem Verfaſſer. 9) Jahresbericht der naturforſchenden Geſellſchaft in Emden für 1853. Emden 1854. Von der Geſellſchaft. 10) Tableaux mit erläuternden Bemerkungen in portugieſiſcher Sprache über Telegraphie, Geo— däſie, Steinkohlen-Formation ſammt ihren Einſchlüſſen und über die Sem⸗ mering-Bahn. Von dem Verfaſſer, dem Kaif. braſil. General-Conſul Herrn Sturz. 11) Karte vom Rieſen- und Eulengebirge, gezeichnet von E. Haupt, in Kupfer geftochen und herausgegeben von Heinrich Broſe. 1855. Geſchenk des Herausgebers. 12) Seventeenth Annual Report of the Aborigines Protection Society. London 1854. 13) Drei kleine Brochüren, enthal- tend: Proceedings, Report of the Council und Acessions to the Library der R. Geographical Society in London. Se Königliche Hoheit der Prinz Adalbert übergab in feinem und feiner Geſchwiſter Namen der Gefell- ſchaft als Geſchenk das Prachtwerk, betitelt: Zur Erinnerung an die Reiſe des Prinzen Waldemar von Preußen nach Indien in den Jahren 1844 bis 1846. Bd. J und II. Berlin 1853. Mit Karten und vielen Anſichten nach den Originalzeichnungen des hohen Reiſenden, und mit einer Vorrede des Herrn Al. v. Humboldt. gr. Fol., wofür der Vorſitzende, Herr Ritter, den Dank der Geſellſchaft ausſprach. Pi ee ne Im Verlage der lit. artiſt. Abtheilung des Oeſterr. Lloyd in Trieſt erſcheint und iſt durch alle deutſchen Buchhandlungen zu beziehen: Eugenio Balbi, GEA, ossia la terra deseritta seconde le norme di Adriano Balbi e le ultime e mi- gliori notizie. Opera originale italiana. Das ganze Werk wird in Jahresfriſt mit 6 Bänden gr. 8. complet und den Umfang von 100 Bogen ſowie den Preis von 5 Thlr. 20 Sgr. nicht überſchreiten. Erſchienen ſind die erſten 2 Bände oder 30 Bogen, im Preiſe von 1 Thlr. 20 Sgr. So eben iſt in meinem Verlage erſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: 8 Die Reiſen des Venezianers Marco Polo im dreizehnten Jahrhundert. Zum erſten Male vollſtändig nach den beſten Ausgaben deutſch mit einem Kommentar von Auguſt Bürck. Nebſt Zuſätzen und Verbeſſerungen von Karl Friedrich Neumann. Zweite unveränderte Ausgabe. gr. 8. geh Preis 2 Thlr. Leipzig, im Juli 1855. B. G. Teubner. Im Verlage von Georg Reimer in Berlin ist so eben erschienen: Die Hellenen im Skythenlande. Ein Beitrag zur alten Geographie, Ethnographie und Handelsgeschichte. Von Dr. Karl Neumann. Erster Band. Mit 2 Karten. Geh. 2 Thlr. 25 Sgr. a K f A ner in B t so eben erschienen: 2 ham Alben HANDATLAS ÜBER ALLE THEILE DER ERD . — In 40 Blättern. Entworfen und bearbeitet von Dr. HEINRICH KIEPERT. N Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Erſte Lieferung. Inhalt: Italien. Niederlande und Belgien. Britische Inseln. Australien. Preis 1 Thlr. 18 Sgr. b 7 l Der Verfasser, dessen bisherige Leistungen auf dem Felde der auf den besonders gedruckten, durch alle Buchhandlungen ‚gratis Kartographie sich sowohl in Deutschland als im, Auslande des | zu erhaltenden, ausführlichen Prospectus, in welchem zu- Beifalls der wissenschaftlichen Grölsen, sowie der thätlichen An- gleich der Inhalt des aus 40 Karten bestehenden Atlas mitgetheilt erkennung des gröfseren Publicums in nicht geringem Malse zu | wird, verwiesen werden. Das Format der Blätter (195 u. 24 Zoll erfreuen hatten, bietet demselben in dem Werke, dessen Beginn | Papiergröfse)- ist mit Rücksicht auf die Leichtigkeit des Handge- hier vorliegt, zum erstenmal einen nach einem vollständig durch- brauchs so gewählt, dafs es die Mitte hält zwischen den allzugro- geführten neuen Plane entworfenen und bearbeiteten Atlas, der Isen und daher unbequemen Karten und denjenigen, die wie der dem heutigen Zustande der geographischen Kennfnisse und den | bekannte Stieler'sche und Sohr'sche Atlas durch beschränkteren Anforderungen der Wissenschaft möglichst entsprechen soll. Der | Raum allzuoft zur Theilung des zusammen&ehörigen Stoffes auf ver- Raum dieser Anzeige gestattet nicht, die bei der Ausarbeitung des | schiedene Blätter oder zur überflüssigen Wiederholung nöthigten. neuen Atlas mafsgebend gewesenen Grundsätze und die denselben | Die besondere Sorgfalt, welche auf schöne und elegante Ausstat- vor so vielen Vorgängern und Concurrenten auszeichnenden Vor- tung der Karten in Kupferstich, Druck und Colorit verwandt wor- züge-näher auseinanderzusetzen, und es muls in dieser Beziehung | den ist, dürfte dem Werke ebenfalls zur Empfehlung gereichen. — Die Ausgabe des Atlas erfolgt in 10 Lieferungen, jede von 4 Blättern, zu dem Subseriptions-Preise von 1 Thlr. 18 Sgr. für eine Lieferung, also 16 Thlr. für den vollständigen Atlas. Der Verkaufspreis jeder einzelnen Karte ist 15 Sgr. Die Vollendung des ganzen Werkes wird, indem bereits die Mehrzahl der Karten im Stich be- griffen und zum grossen Theile schon weit vorgeschritten sind, so sehr als möglich beschleunigt werden. 7 — . m Le ———— — —— — —— — — — Beitfärift, Allgemeine Erdkunde. WI enen der ec für Srökunde zu Berlin und unter eier Em ii 2 A Et > 2 | 9 w. ee: C. E. Ehrenberg, 9. Kiepert ud C. Ritter “N. in Berlin, K. Andree in Dresden und J. E. Werne in e Herausgegeben von Dr. T. E. Gumprecht. Fünfter Band. Drittes Heft. Berlin. Verlag von Dietrich Reimer. 48555 Inhalt. Seite C. Ritter: Ueberſicht der Thätigkeit der Berliner geographiſchen Geſell⸗ ſchaft in dem verfloſſenen Jahre vom 6. Mai 1854 bis 5. Mai 1855. 177 C. Pieſchel: Die Vulkane von Mexico. eee 5 Gumprecht: Zur Kunde von Süd⸗ Afrika. 22 Neuere Literatur. A. Rutenberg und Gumprecht: The Mediterranean. A memoir phy- sical historical and nautical by Rear-admiral Will. Henry Smyth etc. 8. London. J. W. Parker and Son. 1854. 500 S. (Schluß.) 236 Miscellen. Gumprecht: Die bedeutendſten Waſserfälle und a in den Ber: einigten Staaten und in Canada. f RER Gumprecht: Topographiſche Karte von New⸗ gerſey a W. Koner: Neu erſchienene geographiſche Werke, Aufſätze, Karten und k / A N Von dieſer Zeitſchrift erſcheint jeden Monat ein Heft von 4 bis 5 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, iſt 2 Thlr. 20 Sgr. Gerrudt bei A. W. Schade in Berlin, Grünſtr. 18. RE i cr V. Ueberſicht der Thaͤtigkeit der Berliner geographi⸗ ſchen Geſellſchaft in dem verfloſſenen Jahre vom 6. Mai 1854 bis 5. Mai 1855 '). Dem Paragraph 27 der Statuten gemäß wird in der jedesmali— gen Mai⸗Sitzung von dem Director eine Ueberſicht der Thätigkeit der Geſellſchaft im letztvergangenen Jahre gegeben. Da aber die jedes— maligen monatlichen Verhandlungen und ſelbſt ein großer Theil der gehaltenen Vorträge ausführlich bereits in der Zeitſchrift für allgemeine Erdkunde veröffentlicht worden ſind, ſo iſt es hinreichend, hier nur an den Hauptinhalt der gehaltenen Vorträge zu erinnern. Zunächſt gedenken wir des ſchmerzlichen, durch den Tod herbeige— führten Verluſtes von zwei hervorragenden Mitgliedern, nämlich des Generallieutenants von Scharnhorſt und des Geheimraths Engel— hardt, welcher letzte zu den Mitſtiftern des Vereins, zu ſeinen Be— amten und bis an ſein Ende zu den thätigſten Mitgliedern und Be— förderern deſſelben gehörte. Seinem Andenken und ſeinen Verdienſten um das Vaterland und um die geographiſche Wiſſenſchaft Hat fein viel— jähriger Freund und College, der Director des ſtatiſtiſchen Bureau's, Herr Geheimrath Prof. Dr. Dieterici, in dem biographiſchen Entwurfe ſeiner Gedächtnißrede, die in dieſer Zeitſchrift abgedruckt wurde, ein ſchönes Denkmal geſetzt. Engelhardt's letztes Werk, an dem er viele Jahre gearbeitet, war das wichtige: „Ueber die Flächenräume der euro— päiſchen Staaten und der übrigen Länder der Erde.“ Scharnhorſt's — ) Vorgetragen von Herrn C. Ritter in der Sitzung der Geſellſchaft vom 5. Mai 1855. Fee G. S3Beitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. BED \ 12 z 178 C. Ritter: raſtloſe Thätigkeit für geographiſches Studium wird ihn lange in ſei— ner hinterlaſſenen außerordentlichen Kartenſammlung, die einzig in ihrer Art genannt werden muß, überleben. Ungeachtet der Verſetzung oder des Abganges mehrerer Mitglie- der unſerer Geſellſchaft hat ſich die Zahl derſelben doch vermehrt und iſt bis auf mehr als 250 geſtiegen, worunter wir die zehn zuletzt nach faſt einſtimmiger Wahl mit uns vereinten neueſten Mitglieder auf das Herzlichſte willkommen heißen und ſie im Namen unſeres Vereins um thätige Förderung unſerer wiſſenſchaftlichen Zwecke erſuchen, da bei der herangewachſenen Größe und dem Umfange des Vereins in ſeiner in— neren Einrichtung gar manche Erweiterung, Vervollſtändigung und Ver— beſſerung nöthig ſein möchte, beſonders was das bisher durch ſo viel— fache Theilnahme und Gaben vermehrte literariſche Beſitzthum in un— ſeren Karten- und Bücherſammlungen betrifft, um daſſelbe für Alle nutzbar machen zu können. Als die erfreulichſte Bereicherung der Art dürfen wir das koſt— bare Reliefbild des Monte Roſa betrachten, welches wir der Gnade Sr. Majeſtät des Königs, als Zeichen ſeiner fortdauernden Huld, zur Förderung unſerer wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen verdanken. Durch die ſorgfältigſten Vermeſſungen und Vorarbeiten aller Art von den Gebrüdern Schlagintweit an Ort und Stelle und durch die genaueſte Ausführung des Basreliefs von dem Künſtler Herrn Warnſtedt dürfte daſſelbe als das vollendetſte Meiſterwerk aller bisher veröffentlichten Reliefbilder gelten. Auch iſt es begleitet von wiſſenſchaftlichen Beilagen in Beziehung auf Hypſometrie, Geologie, Meteorologie und anderen originalen Beobachtungen der genannten Phyſiker, die ſich gegenwärtig zur Erforſchung des Himalaya-Syſtems und zu analogen Arbeiten in einem noch größeren Umfange und Maßſtabe auf ihrer wiſſenſchaftli— chen Miſſion in Indien befinden, von wo ihr erſter Bericht an Herrn Al. v. Humboldt bereits aus Bombay einging und uns zu den größ— ten Erwartungen in Bezug auf die ferneren Forſchungen und Mitthei— lungen dieſer jüngeren Mitglieder unſerer Geſellſchaft, beſonders über Geologie, Meteorologie, Magnetismus, Hypſometrie und auch über Geographie, in der That berechtigt. Ueber die frühere Expedition nach Central-Afrika, an welcher un— Die Berliner geographiſche Geſellſchaft im Jahre 1854 — 1855. 179 ſere Geſellſchaft ſich, beſonders zur Ausrüſtung und Fortſetzung derſelben, jo eifrig betheiligt hatte, war die früher fo rege und belebte Mittheilung an den Verein durch den frühzeitigen Tod Overweg's und nicht lange darauf durch das ſcheinbare Verſchwinden Dr. Barth's aus den Kreiſen der Lebenden, auf dem Rückwege von feiner großen Entdeckungsreiſe nach Timbuktu, zu unſerer Betrübniß verkümmert; wir konnten uns nur einzelner Mittheilungen des dritten nachgefolgten Gefährten, des rüſti— gen Aſtronomen Dr. Vogel, aus Briefen an ſeinen Vater über die Umgebungen des Tſadſee's erfreuen, bis endlich in der letzten Zeit nach langem Harren die hocherfreuliche ſichere Kunde aus eigenhändi— gen Briefen Barth's zu uns gelangte, daß er vollkommen geſund und friſchen Muthes aus den großen Gefahren der Timbuktu-Reiſe mit reicher wiſſenſchaftlicher Beute nach Kuka zurückgekehrt iſt, und in ſeinem Schreiben an den Ritter Bunſen in Heidelberg die Hoffnung ausſpricht, ſchon in den nächſten Monaten über Murzuk und Tripolis nach Europa zurückkehren zu können. Es wird dies für unſeren Kreis, wie für die geographiſche Wiſſenſchaft, ein hohes Feſt und eine große Freude ſein. Die vielen, unſeren Sammlungen zu Theil gewordenen gütigen literariſchen Gaben ſind in den Protokollen und monatlichen Berichten dankbar verzeichnet; wir erinnern nur an die reichhaltigen Geſchenke der Smithsonian Institution in Waſhington, an die vortrefflichen Muſter— karten Ziegler's in Winterthur von den Cantonen St. Gallen und Ap⸗ penzell, an v. Sydow's große Wandkarte von Aſien, und an die Mit— 4 | theilungen vieler gelehrten Geſellſchaften, deren Zahl fich, um in Aus- tauſch mit unſerer Zeitſchrift zu treten, von Jahr zu Jahr mehrt, ſowie an die Geſchenke zahlreicher neuer geographiſcher Werke von ihren Ver— faſſern oder Verlegern, die von Petersburg bis Wien, London, Paris, Madrid, New-Mork und Boſton, alljährlich das Feld unſerer Wiſſen— ſchaft erweitern und bereichern. Desgleichen an die uns zu Theil ge— — wordenen Correſpondenzen aus Cambodſcha, Japan und China von Dr. Bowring und Philippi, dann aus Meſopotamien, Bagdad, Iſpahan, Jezd von Petermann, Muſeid Bey, Fresnel, Oppert u. A., aus Alge— rien von Graf Schlieffen und Gérard, aus Nordamerika von Möll— hauſen und Dr. Kohl, aus Central-Amerika von Squier u. A., die 12 * 180 C. Ritter: alle die wachfende Theilnahme an unſeren Beſtrebungen auch im fernen Auslande beweiſen. Zu ſolchen Mittheilungen gehörte auch das Vorzeigen von ein paar Hundert Gemäldeſkizzen in Oel, welche der Maler Herr Kieſe— wetter auf feinen 16 jährigen Reiſen in Oſt-Europa und Weſt-Aſien, zumal in Schweden, Finland, Rußland bis zur Krim, im Kaukaſus, nach Baku und zu den Kalmücken entworfen, und die derſelbe mit lehr— reichen charakteriſtiſchen Bemerkungen, beſonders über ſeine in den ge— nannten Ländern gemachten ethnographiſchen Beobachtungen, begleitete. Auch den wiſſenſchaftlichen Vorträgen fehlte es nicht an Mannig— faltigkeit; im Gegentheil mußten, leider nicht ſelten, bedeutende Vor— träge aus Mangel an Zeit zurückgezogen oder vertagt werden, was gewöhnlich nicht ohne Nachtheil für ihre fernere Publicirung blieb. Herr Wolfers gab von der v. Struve'ſchen Gradmeſſung von der Donau bis zum Eismeere nach deſſen zugeſandtem Memoire einen Be— richt und bemerkte, daß dieſe oſteuropäiſche Operation ihrer Vollendung nahe ſei und bereits 25 Breitengrade umfaſſe, alſo die ebenfalls groß— artige Meſſung in Oſtindien von 21 Graden an Ausdehnung noch übertreffe. Er fügte aus Beſſel's nach den zehn letzten vorzüglichſten Gradmeſſungen abgeleiteten Reſultaten deſſen Angaben über Größe und Geſtalt der Erde hinzu. — Derſelbe machte auf ein Zeitbeftimmungs- Inſtrument aufmerkſam und erklärte daſſelbe; auch beſprach er ſeine Schrift über die Vergleichung der Temperaturverhältniſſe der Winter Berlins. Herr Solly zeigte einen von ihm erfundenen Wanderſtab vor, welcher ſich zu Höhenmeſſungen auf Reiſen eignet; er ſtellte den ein— fachen Meßapparat vollſtändig auf und erklärte deſſen Gebrauch., Herr Schröner legte einen kürzlich bei Fehrbellin in die dortigen Torfmoore gefallenen Meteorſtein vor und las den Bericht über deſſen Auffindung von den Beobachtern des Niederſchlages, worauf Hr. Dove Bemerkungen über dergleichen Phänomene hinzufügte. Herr Dove theilte in mehreren Vorträgen ſeine Bemerkungen uber die verſchiedenen Theorien mit, die zur Erklärung der Erſcheinungen der Gletſcher und der erratiſchen Blöcke aufgeſtellt ſind, ſowie über die Beobachtung der neuerlichſt in Grönland aufgefundenen Eisfelder. Zur Erläuterung der Gletſcherbildungen begleitete er das Prachtwerk der Die Berliner geographiſche Geſellſchaft im Jahre 1854 — 1855. 181 Abbildungen von Dollfuß über dieſe Erſcheinungen mit Anmerkungen. — Ueber die Berichtigung der jährlichen Quellentemperatur nach den bisher unzuſammenhängenden einzelnen Beobachtungen in der kalten und warmen Jahreszeit theilte derſelbe ſeine Anſicht mit, und zwar in Be— ziehung auf die in dem Werke von Dr. Hallman niedergelegten mehr— jährigen zuſammenhängenden und vergleichenden Unterſuchungen. Nach ſeiner Rückkehr aus England machte Herr Dove mannig— faltige Mittheilungen über die Vorträge der Naturforſcher-Section bei den wiſſenſchaftlichen Zuſammenkünften in Liverpool, ſowie auch über co= loſſale Schiffsbauten und über das Syſtem der Schaufelräder und der Schrauben, die bei den Bewegungen in Anwendung gebracht ſind, ferner über ſelbſtzeichnende meteorologiſche Beobachtungen der Maſchinen auf photographiſchem Wege, über die durch electrographiſches Verfahren neu beſtimmten Längenunterſchiede zwiſchen den Sternwarten von Greenwich, Paris und Brüſſel, und über die Störungen der Magnetnadel durch das Eiſen in den Schiffen und die Verſuche, durch angebrachte Ver— beſſerungen dieſelben aufzuheben. Unter Vorlegung vieler in dieſe und andere phyſikaliſche Gegen— ſtände einſchlagenden Darſtellungen und Werke beſprach Herr Dove auch die Berichtigungen, welcher die Theorie der Ebbe und Fluth be— durftig ſei, dann des Aſtronomen Lamont in München magnetifche Karte von Deutſchland, worin die bedeutenden Störungen der magne— tiſchen Curven am Rhein und in Böhmen auf den vulkaniſchen Ter— rains dargeſtellt ſind; endlich berichtete derſelbe über die Wahrnehmung des Colonel Sabine, nach welcher wahrſcheinlich die Sonne auch als Magnet wirkſam iſt. | Später wurde von Herrn Dove Capitain Allen's Project, das mittelländiſche Meer über das 1200 Fuß unter demſelben liegende Baſſin des todten Meeres mit dem rothen Meere durch Canaliſation in Ver— bindung zu ſetzen, mitgetheilt; derſelbe gab Nachricht über die Verthei— lung der Wirbelſtürme im indiſchen Meere, über die Temperatur der Oſtküſte von Aſien nach neueren Beobachtungen in Hongkong, über das Klima von Cayenne nach 7jährigen Beobachtungen von Dalton, über die Temperatur des preußiſchen Staates nach 7 jährigen Beob— achtungen des meteorologiſchen Inſtituts, über die Erdwärme in Ber— lin bis zu einer Tiefe von 5 Fuß und über den wärmenden Einfluß 182 C. Ritter: eines Fluſſes bei ſtrenger Winterkälte auf die zunächſt liegende Luft nach eigenen Beobachtungen an der Spree in Berlin. Herr Heinr. Roſe hielt nach Anleitung des Werkes von Withney „über den Metallreichthum der vereinigten Staaten von Nordamerika, Philadelphia 1854“ in mehreren Sitzungen ausführliche Vorträge über den Metallreichthum Nordamerika's im Vergleich mit dem der übrigen Erdtheile. Es wurde das verſchiedene Vorkommen der Metallſchätze und deren Gewinnung nach Verhältniß und Zunahme ſeit dem An— fange unſeres Jahrhunderts in Beziehung auf Gold, Silber, Eiſen, Kupfer, Zink, Queckſilber u ſ. w. mitgetheilt, ſowie die lehrreiche An— wendung dieſer Verhältniſſe auf Induſtrie und Cultur der Völker und Staaten der Erde. Herr Tamnau hatte die Güte, aus ſeinen reichen mineralogiſchen und metallurgiſchen Sammlungen, eine ſehr lehrreiche Folge von gediegenen Kupfer- und Silbermaſſen, ſowie von Erzen aus den Gruben und Bergwerken am Oberen See in den Vereinsſtaaten Nordamerika's vorzuzeigen und mit Bemerkungen über deren merkwür— diges und eigenthümliches Vorkommen zu begleiten. Herr Ehrenberg legte ſein großartiges, mit 100 Kupfertafeln in Folio ausgeſtattetes Werk über Mikrogeologie oder über das „Erden und Felſen ſchaffende Wirken des unſichtbar kleinſten ſelbſtſtändigen Le— bens auf der Erde,“ Leipzig 1854, vor. Er hielt einen ausführlichen Vortrag über deſſen Plan und Inhalt. Bei der überſichtlichen Erklä— rung der Darſtellung der Naturkörper auf den einzelnen Kupfertafeln ergab ſich von ſelbſt, wie er durch eigene Sammlungen auf ſeinen Rei— ſen in Europa, Aſien und Afrika, ſowie durch reichhaltige Zuſendungen der ausgezeichnetſten Reiſenden von Erdgebilden aus faſt allen Gegen— den der Erde, wie der Oceane, vom Nord- bis zum Südpole, aus den Tropen, aus Ebenen, von Berggipfeln, aus dem tiefſten Seegrunde, aus atmoſphäriſchen Niederſchlägen und aus den Delta's großer Fluß— betten in allen Erdtheilen bei ſeinen Forſchungen unterſtützt wurde. Er zeigte, wie er dadurch nach 14jährigen phyſiologiſch-mikroskopiſchen Unterſuchungen aller dahin einſchlagenden Phänomene im Stande ge— weſen ſei, dieſes kleinſte Leben in ſeinen bis dahin unbekannt gebliebe— nen Individuen zu entdecken und deren Formen, wie ſie faſt über den größten Theil der Erde verbreitet find, in feinem Werke zuſammenzu- faſſen, zu zeichnen, zu beſchreiben, zu claſſificiren und ſie ſelbſt auf r Die Berliner geographiſche Geſellſchaft im Jahre 1854 — 1855. 183 eine eigenthümliche Weiſe für fernere Unterſuchungen compendiariſch aufzubewahren. Es ergab ſich, wie dieſes kleinſte Leben ſeinen großen Antheil an der geſammten Erdbildung nimmt und von jeher genom— men hat. Gehen wir nun von dieſen allgemeineren zu den ſpeciellen Mit— theilungen aus den einzelnen Erdtheilen über, ſo iſt es ſehr erfreulich, hierbei in Bezug auf das Gebiet von Aſien ein von den Geographen längft gehegtes Verlangen zur Ehre eines faſt verſchollenen und doch ausgezeichneten deutſchen Reiſenden, des Dr. Seetzen, der als Märtyrer für ſeine Wiſſenſchaft im Jahre 1811 in Arabien den Tod fand, näm— lich die Veröffentlichung ſeiner Tagebücher und ſeines Nachlaſſes, end— lich realiſirt zu ſehen. Wir verdanken dies einem Mitgliede unſeres Vereins, Herrn G. Reimer als Verleger, und nächſt Hrn. Kruſe auch Hrn. Dr. Müller's mühſamſter und kritiſcher Entzifferung dieſes ſchon halb verblichenen inhaltreichen Nachlaſſes. Seetzen, der ehrenwerthe Nachfolger eines Niebuhr, der wiſſenſchaftlich gebildete Vorgänger eines Burkhardt, iſt der erſte Wegweiſer am Anfange dieſes Jahrhunderts zu vielen Entdeckungen im Orient, zu denen er zuerſt für ſeine Nach— folger die Wege gebahnt hat. Ich habe mich bemüht, in einem Vor— trage die großen Verdienſte dieſes Reiſenden für ſeine Zeit hervorzu— heben. Ebenſo ſuchte ich in einem Vortrage aus den biographiſchen Zu— ſendungen, die mir von dem engliſchen Gouverneur zu Hongkong zu— gekommen waren, eine Ueberſicht von den Verdienſten des kürzlich ver— ſtorbenen Groß-Mandarin Lin in China um die Fortſchritte der chine— ſiſchen Geographie in Bezug auf die Kenntniß des Auslandes, d. h. der übrigen Erde, zu geben, und zwar nach dem geographiſchen Com— pendium, das Lin, einer der gelehrteſten Chineſen der neueren Zeit, unter dem Titel: „die oceaniſchen Königreiche,“ ſeiner Nation hinter— laſſen hat. = Herr Walter ſprach über die Temperatur des öſtlichen Aſiens, welche durch die daſelbſt vorherrſchenden Winde bedingt wird. Herr Klentz berichtete nach einem an ihn eingelaufenen Schreiben des Gouverneur Bowring zu Hongkong über die ethnologiſchen Zus ſtaͤnde in China und über den Handel der Fremden daſelbſt, dann über Bowring's Correſpondenz mit dem König von Siam und über deſſen 1 184 C. Ritter: Reiſen dahin, wie nach Japan, mit lehrreichen Angaben über dortige politiſche und Culturzuſtände. Ein zweites ſpäteres Schreiben gab Be— richt über feinen Aufenthalt auf einer Flotte von 5 englifchen und amerikaniſchen Schiffen vor Anker an der Mündung des Peihofluſſes im gelben Meere, und über die Verſuche, einen directen Handelsver— kehr mit der benachbarten Reſidenzſtadt Peking zu Stande zu bringen, nebſt andern Nachrichten über die dortigen Volkszuſtände. Aus Honolulu, der Reſidenzſtadt des Sandwich -Inſelreiches, lief an den Vorſtand von dem dortigen engliſchen General-Conſul Will. Miller ein Memoir über ethnographiſche vergleichende Beobachtungen unter auſtraliſchen Inſulanern, Peruanern und amerikaniſchen India— nern, wozu Miller's langer Verkehr mit dieſen Volksſtämmen Gelegen— heit geboten hatte, ein. Herr Philippi theilte zwei Briefe eines vaterländiſchen, im chine— ſiſchen Meere ſegelnden Schiffscapitains im Auszuge mit, welche neueſte Nachrichten über das Königreich Cambodſcha und deſſen Beherrſcher, ſowie über die dort neu begründete und ſchnell aufgeblühte Stadt und den Hafenort Kongport enthielten, nebſt Nachrichten über die Stadt Amoy und die im chineſiſchen Reiche fortſchreitenden Verheerungen durch die Rebellenkriege. Ebenſo vermochte ich einen Bericht des nordamerikaniſchen Schiffs— Capitains Perry über die Aufnahme ſeiner, ihm von den Vereinsſtaa— ten anvertrauten Flotille bei den Japanern und über die von ihm dahin geführte Geſandtſchaft, welche mit der Eröffnung eines Handels— verkehrs zwiſchen Japan und den Vereinsſtaaten beauftragt war, fer— ner über den ihm geftatteten Zutritt feiner Schiffe zu den japaniſchen Häfen Simoda und Hakodadi, wie über ſeine beabſichtigte Küſtenauf— nahme der Inſelgruppe Japans mitzutheilen. Aus dem von Prof. Petermann an ſeine Familie gelangten und von dieſer uns zur Veröffentlichung überlaſſenen Schreiben aus Meſopota— mien berichtete ich noch über die von demſelben im Süden von Bagdad am Euphrat beſuchte Gemeinde der Johannisjünger, und legte ſeinen merkwürdigen Bericht über das ſo ſelten von Europäern beſuchte Jezd in Central-Perſien vor, wo ſich die größte Gemeinde der Guebern oder Feuerdiener, die in Indien unter dem Namen Parſi jetzt zerſtreut leben, in ihrer Urheimath erhalten hat. > Die Berliner geographiſche Geſellſchaft im Jahre 1854 — 1855. 185 Ebenſo hielt ich zur Erklärung der großen, farbig gedruckten, neue— ſten Wandkarte Aſiens von unſerem Mitgliede, Herrn v. Sydow, einen Vortrag über das große aralo-caspiſche Tiefland in der Mitte der alten Welt und über die coloſſalen Höhenverhältniſſe ſeines ſüdlichen, im Halbkreis daſſelbe umgebenden Gebirgskranzes nach den neueſten Vermeſſungen, ſowie über verſchiedene Verſuche, ſich von der Entſtehung dieſer merkwürdigen Hauptſenkung in der Mitte der größten Conti— nente Rechenſchaft zu geben. Herr Piſchon, jetzt evangeliſcher Prediger in Conſtantinopel, berich— tete in zwei Sitzungen ausführlich über ſeine Reiſe im Frühjahr 1853 von Conſtantinopel über Smyrna, Cypern und Beirut nach Jeruſalem, und fügte Bemerkungen über ſeinen dortigen Aufenthalt und die neueſten Zuſtände der von ihm beſuchten Küſtenländer und Ortſchaften hinzu. Ueber Afrika fielen aus dem ſchon angegebenen Grunde unſere diesjährigen Originalmittheilungen ſparſamer aus, doch dürfen wir nun hoffen, daß in Kurzem die Quellen von daher uns deſto reichli— cher fließen werden. Außer den fragmentariſchen Notizen unſerer Miſ— ſion liefen nur Schreiben des Dr. Bleek ein, der als Sprachforſcher die Expedition des engliſchen, zur Beſchiffung des Nigerſtromes bis zu dem von Barth entdeckten Benué beſtimmten Dampfſchiffes Plejade begleitete, aber ſchon in Fernando Po durch Krankheit zur Heimkehr gezwungen wurde. Derſelbe iſt ſpaͤter mit dem Biſchof von Na— tal nach der Oſtküſte von Afrika abgegangen, um dort für die Mif- ſion ein Wörterbuch und eine Grammatik der Zuluſprache auszuarbei— ten, was ihm auch zu anderen ethnographiſchen Forſchungen Veran— laſſung geben wird. Sein letzter Reiſebericht an den Vorſtand, der auf fernere Mittheilungen rechnen läßt, iſt in einem der neueſten Hefte der Zeitſchrift mitgetheilt. Vom Grafen Schlieffen, jetzt in Al— gier, lief der Reiſebericht eines Scheikhs ein, den er als Itinerar aus dem Munde des Scheikhs aufſchrieb, weil dieſer im Innern Afrika's auf längere Zeit mit unſerem deutſchen Reiſenden Dr. Barth 1 zuſammengetroffen war und von ihm Nachricht ertheilte. Durch Herrn v. Humboldt wurde ein an ihn gerichtetes Schreiben des in Algerien berühmteſten Löwenjägers, des Lieut. Jules Gérard, mitgetheilt, in wel— chem derſelbe auf die Anfragen des Herrn v. Humboldt über die Aus— dauer des Löwen in den verſchiedenen Temperaturgraden des ſchnee— 186 C. Ritter: reichen Gebirgslandes von Nord-Afrika Auskunft giebt, wo er, wie ſich aus Gérards Löwenjagden ergeben hat, die Winterkälte von — 18 Grad gut ertragen kann. Herr Dr. v. Klöden jun. hielt einen ausführlichen Vortrag über den Namen des weißen Nils und denjenigen Fluß, welchem dieſe Be— nennung im eigentlichen Sinne nur zukommt. Der über 400 Jahre dort üblich geweſene Name wurde in ſeinem verſchiedenen Gebrauche bei den afrikaniſchen Reiſenden nachgewieſen. Dieſe Mittheilungen bil— den Bruchſtücke eines größeren Werkes. Ueber die Fortſchritte der Ent— deckungen in Südafrika konnten nur Bruchſtuͤcke angezeigt werden. Reichhaltiger waren die Nachrichten über Amerika eingelaufen. Herr Lichtenſtein theilte bei Uebergabe eines ſchönen Geſchenks des preußiſchen Conſuls Herrn Angelrodt in St. Louis an die Geſellſchaft, nämlich der großen Colton'ſchen Karte der Vereinsſtaaten, deſſelben ſtatiſtiſche Nachrichten über den außerordentlich ſchnellen Anwachs der Stadt und des Gebiets von St. Louis bis zum J. 1854, zumal durch deutſche Coloniſation, mit. Derſelbe gab auch eine Ueberſicht von Hrn. Möllhauſen's Wanderung mit der großen Expedition der Vereinsſtaa— ten aus dem Miſſiſſippi-Thale gegen Weſten durch die Rocky-Moun⸗ tains nach Californien nebſt Nachrichten über dortige Gebirgsarten und die Pueblos-Indianer, bei denen 7 Stock hohe Häuſer für ganze Dorf— gemeinden, Spuren von alten Kirchen, von chriſtlichem und nichtchriſt— lichem Gottesdienſte, aber auch noch von Verehrung ihres Ahnherrn Montezuma vorgefunden werden. Nach ſeiner glücklichen Rückkehr in die Heimath hat Herr Möll— hauſen Proben von den Verſteinerungen eines Urwaldes, den er in den Rocky Mountains unter 35° nördl. Br. und in einer Höhe von 4000 Fuß über dem Meere entdeckte und 2 Tagereiſen lang mühſam durch— reiſte, nebſt Zeichnungen dortiger Zuſtände auf einem Terrain, dem gegenwärtig aller Baumwuchs fehlt, vorgelegt. Zugleich wurde ein Bericht des Herrn Möllhauſen hierüber von mir vorgeleſen. Herr Walter beſprach das in Amerika herausgekommene ethno— graphiſche Werk von Nott und Gliddon: Types of Mankind, und ſchloß daran einen Vortrag über die verſchiedenen Menſchenracen; in einem Nachtrage hierzu entwickelte er feine Anſicht über eine Streit— frage der Zeit und theilte ſeine Gründe mit, die ihn bewogen, die Ur— 1 * ö Die Berliner geographiſche Geſellſchaft im Jahre 1854 — 1855. 187 bewohner Amerika's für eine ſelbſtſtändige und eigenthümliche Menſchen— race zu halten. Aus einem Briefe des Herrn Squier vom September 1854 aus Central-Amerika theilte ich deſſen neue, während feines dortigen Auf— enthalts gemachte Beobachtungen über die Nahual-Indianer mit, die nach ihrer patriarchaliſchen Verfaſſung, ihren Sitten, Gebräuchen und ihrer Sprache als beachtenswerthe Reſte der Urbewohner Merico’s zu betrachten ſind. Ihr Hauptgewerbe beſteht im Verkauf des aus ihren Waldungen gewonnenen fo berühmten mexicaniſchen Balſams. Herr v. Ledebur berichtete ausführlich über die mericanifchen ans tiquariſchen Schätze des hieſigen königlichen Muſeums, zumal an Bild— werken und Kunſtarbeiten aller Art; er wies durch ſie den früheſten Einfluß der Chineſen auf mericanifhe Bildung nach. Seine Beſchrei— bung ſchloß ſich nur an die in der königlichen Sammlung befindlichen ächten Idole an, die man ſtreng von den häufig nachgemachten der neueren Induſtrie zu unterſcheiden habe. Herr v. Klöden sen. las eine Abhandlung über die während der erſten Hälfte des 16. Jahrhunderts ſtattgehabten Eroberungszüge der Deutſchen in Venezuela, das Kaiſer Karl V. zum Erblehn den reichen Kaufherren der Welſer zu Augsburg gegeben hatte, von denen nun nach einander verſchiedene Erpeditionen zur Eroberung und Erwerbung die— ſes vermeintlichen Eldorado ausgeſandt wurden. Unter den deutſchen Kriegsoberſten zeichneten ſich beſonders die Alfinger, Georg v. Speyer, Federmann und Phil. v. Hutten durch ihre wundergleichen Thaten, aber auch durch ihre Grauſamkeiten, aus. Mit Vorlegung einer von Herrn Kiepert entworfenen Karte des nördlichen Südamerika hielt ich noch einen Vortrag über unſere gegen— wärtige Kenntniß des rieſigen Amazonas und ſeiner großen Zuſtröme, ſowie über die Ausſichten zu einer Dampfſchifffahrt auf demſelben, und zu der wünſchenswerthen Befreiung der bisherigen Monopole ſeiner Beſchiffung und ſeines Handelsverkehrs, wozu der ganze, das Strom— baſſin umgebende Staatenkranz von Republiken in dem Werke, das über die jüngſte Beſchiffung des Amazonas unter Lieut. Herndon und Lard— ner Gibbon im Auftrage des Gouvernements der vereinigten Staaten Bericht giebt, aufgefordert wird, mit den Nordamerikanern vereint die Hände zu bieten. 188 C. Ritter: Zu den jüngſten Mittheilungen gehören die von unſerem auswaͤr⸗ tigen Mitgliede Dr. Kohl im Herbſt vorigen Jahres an mich gerichte⸗ ten Reiſeberichte, die in wiſſenſchaftlicher Beziehung manchen intereſſan⸗ ten Aufſchluß über die neueſte hiſtoriſche Entwickelung der nordameri— kaniſchen Staaten und Zuſtände von New-Pork nordwärts bis zum St. Lorenzo, Quebec und der großen Seegruppe geben, von wo der Verfaſſer durch die inneren Staaten nach Waſhington zurückkehrte, um dort, wo möglich, ſein großes geographiſch-hiſtoriſches Werk über die Entdeckungsgeſchichte Amerika's nach Columbus bis auf die Gegenwart mit Beiſtand der Smithsonian Institution zu veröffentlichen. Es bleibt uns nur noch übrig, an einige Europa's geographiſche Verhältniſſe betreffende Mittheilungen zu erinnern. Herr Kiepert machte eine kurze Anzeige von Herrn Viquesnels Bereifung des Gebirges Rhodope und von ſeiner geographiſchen, wie kartographiſchen Aufnahme dieſes altthraciſchen Gebirgsſyſtems, das zu— vor auf allen Landkarten der Türkei ganz irrthümlich dargeſtellt war, nun aber durch die vorgelegte verdienſtliche Arbeit ſeine Berichtigung erhalten hat. i Herr Rammelsberg hielt einen längeren Vortrag über die von ihm bereiſte und ſo eben vollendete Semmerings-Eiſenbahn in den öſterreichiſchen Alpen, über deren Geſchichte und Einrichtung, ſowie über die dabei zu überwinden geweſenen, durch die bedeutenden Stei⸗ gungs- und Krümmungsverhältniſſe verurſachten Schwierigkeiten; er legte Pläne und Anſichten zur Erläuterung vor. Herr v. Sydow theilte ſpäter auch ſeine Bemerkungen über dieſe Eiſenbahn mit und beſprach die dabei überwundenen Schwierigkeiten, indem er gleichfalls Anſichten derſelben vorlegte. Endlich machte ich in einem ausführlichen Vortrage auf das von ſeinem Verfaſſer, Herrn Dr. Schmidl zu Wien, eingeſandte Werk: Zur Höhlenkunde des Karſtes, Wien 1854, aufmerkſam, welches als erſte wiſſenſchaftliche Beſchreibung dieſes weitverbreiteten Höhlenſyſtems und ſeiner merkwürdigen Erſcheinungen von verſchwindenden und wieder hervorbrechenden Flüſſen u. ſ. w. angeſehen werden muß. Herr W. Roſe legte mehrere Anſichten von Schweizergegenden, die er kürzlich beſucht hatte, mit Bemerkungen darüber vor; er beſprach vorzüglich die große Zunahme der Beſucher ihrer Naturwunder in den Be a) Die Berliner geographiſche Geſellſchaft im Jahre 1854 — 1855. 189 höheren Gebirgsregionen und die auch in den entlegenſten Winkeln der Thaler und Berghöhen getroffenen Einrichtungen zu ihrer Aufnahme. Herr Dieterici übergab der Geſellſchaft den 5. Folioband ſeiner „Statiſtiſchen Nachrichten über den preußiſchen Staat für das Jahr 1849“, beſonders die Gewerbetabellen enthaltend, und entwickelte dabei den Plan und den Zweck dieſer Arbeit des ſtatiſtiſchen Bureau's, in welcher zum erſten Male auch der Ackerbau und die Vertheilung des Ackerlandes in dem ganzen Staate unterſucht und beſprochen wird. So dürfte unſer Verein denn wohl mit einiger Hoffnung, für die Zeitgenoſſen auf ſeinem Gebiete nicht ganz unwirkſam geblieben zu ſein, mit Vertrauen auf die Zukunft in ein neues thätiges Lebensjahr eintreten und auch fernerhin ſein Scherflein zur fortſchreitenden Er— kenntniß des großen Erdenſchauplatzes beizutragen bemüht bleiben. C. Nitter. VI. Die Vulkane von Mexico. Dritter Artikel. Nördlich zur Seite des Popocatepetl, 23 Meilen entfernt, gleich— ſam zuſammen ein Ehepaar bildend, erhebt ſich der Irtaccihuatl, (indiſch: ixtac weiß, und cihuatl Frau) ), unter 19° 10’ nördl. Br. und 100° 55“ weſtl. Länge, von den Spaniern auch Sierra nevada de Puebla genannt. Dieſer Vulkan ſoll zur Zeit der aztekiſchen Kö— nige Rauch und Aſche ausgeworfen haben, ſcheint jedoch bereits ſeit langer Zeit erloſchen zu ſein 2). A. v. Humboldt giebt feine Höhe auf ) Al. v. Humboldt Essai J, 265; kleinere Schriften I, 467. Der Name würde alſo fo viel, als Weiße Frau (Dame blanche), unzweifelhaft nach der Schnee— und Eisbedeckung des Berges, bedeuten und er erhielt dieſe Erklärung ſchon in einem alten, nur manuſeriptlich vorhandenen Werke, nämlich in Camargo, Historia de Tlascala, woraus Prescott a. a. O. II, 44 folgende Stelle mittheilt: La Sierra ne- vada Ixtaceihuatl, que quiere decir la sierra, que humea y la blanca muger, fo= wie auch Gomara ſich darüber in ähnlicher Weife äußert: i con otro, que por tener siempre nieve, dicen Sierra Blanca (Cronica de la Nueva Espana in Barcia’s Historiadores primitivos de las Indias oceidentales. Madrid 1749. II, 234). Der Berg führt außerdem bei den Eingeborenen den Namen Gihuatepetl (Frauenberg) und Cihuapiltepetl oder Damenberg, von Cihuatl mit dem Zuſatze pilli, was fo viel als Edel oder Edeldame bedeutet (v. Humboldt, kleinere Schriften I, 467). Aber es iſt nach unſerem berühmten Reiſenden ganz ungenau, wenn Lorenzana dafür den Na— men Zihualtepee hat (La otra sierra inmediata, que los Gentiles creian era la muger de el Volcan y por esto la llamaban Zihualtepee, a. a. O. 71). G. 2) Herr v. Humboldt zweifelt nicht, daß der Berg ein erloſchener Vulkan ſei, obwohl ſelbſt bei den Indianern ſich keine Sage vorfände, daß derſelbe einſt Feuer ausgeworfen habe (Essai J, 162). Eine geognoſtiſche Unterſuchung des ganzen Ber— ges fand noch nicht ſtatt, nur Sonneſchmid, der den Irtaceihuatl bis zu dem Beginn der Gletſcher beſuchte, bemerkt, daß das Geſtein aus Porphyr und ſtellenweiſe aus Porphyrbreccie, d. h. alſo in der Sprache der neueren Geognoſie aus Trachyt und Trachyt-Conglomeraten beſtehe (Mineralogiſche Beſchreibung der vorzüglichſten Berg— werks-Reviere von Mexico oder Neu-Spanien. (Schleiz) 1804. S. 322). G. C. Pieſchel: Die Vulkane von Mexico. 191 4786 Meter, 2455 Toiſen oder 15,703 engl. Fuß an ). Sein Gipfel zeigt mehrere eigenthümlich gezadte Spitzen von verſchiedener Höhe, die mit ewigem Schnee bedeckt ſind, und die Phantaſie Vieler macht noch jetzt eine auf dem Rücken liegende Frau daraus, woher auch die in— diſche Benennung ſtammen ſoll. Der ganze Gebirgskamm iſt von vie— len Schluchten zerriſſen, worin ſich der Schnee ſammelt und vielen Bächen den Waſſerreichthum gewährt, welcher die zu beiden Seiten lie— genden Ebenen von Puebla und Merico befruchtet. Die eigenthümlich zerriſſene Form des Berges macht die Bildung von Gletſchern möglich, die ſich von allen mericanifchen Schneevulkanen auf dieſem am zahl— reichſten finden, und deren großer Eisvorrath hauptſächlich die Städte Mexico, Puebla, Cholula, ſowie die umliegenden Ortſchaften Jahr aus Jahr ein verſorgt. Schon im Jahre 1746 ſoll der Verbrauch des Eiſes in der Haupt— ſtadt fo bedeutend geweſen fein, daß er 15,522 Peſos (1 Peſo S 1 Thlr. 13 Sgr. 4 Pf. preuß.) und einige Jahre ſpäter ſogar 20,000 Peſos an Abgaben eingebracht haben ſoll. Noch jetzt ſieht man täglich in den Straßen von Mexico große Ladungen von Eis, in trockenes Gras verpackt, ankommen, die vom Ixtaccihuatl auf Eſeln nach Chalco, und dann auf Kähnen zu Waſſer nach Mexico gebracht werden. Der Preis des Eiſes ſoll im Verhältniß zu der ſonſtigen hier herrſchenden Theurung nur ſehr gering fein ). Der aus dieſen Gletſchern entſpringende Waſſerreichthum iſt die Urſache, daß die Abhänge des Vulkans mit üppigen Wäldern und einer auffallend reichen Vegetation bedeckt ſind, wie man ſie ſonſt nur an wenigen von gleicher Höhe findet. Bei meiner Reiſe von Mexico über Cuautla, Atlixco nach Puebla, auf der ſuͤdlichen Seite dieſer beiden Vulkane herum, ſah ich die ſüd— ) Oltmanns berechnete aus v. Gerolt's Angaben in deſſen Perfiles geognosticos de los principales districtos minerales del estado de Mexico con las elevaciones 0 el mar en pies ingleses, die Höhe des Ixtaccihuatl zu 2454,8 Toiſen (14,728, 8 2 * Par. Fuß) oder zu 15,698 engl. Fuß (Aſtronomiſche und hypſometriſche Grundlagen der Erdbeſchreibung. Stuttgart 1831. S. 27). G. )) ueber die Schnee- und Eisgewinnung am Irtaceihuatl berichtet bereits Lo— renzang (S. 71) und auch Sonneſchmid (a. a. O. 321) giebt davon Nachricht. Letzter fand bei ſeinem Beſuche des Berges 40 Indianer, die Eisſtücke, jedes ungefähr einen Ctentner ſchwer, brachen. G. 192 C. Bieichel: öftliche Seite des Irtaccihuatl von Cholula aus und war überraſcht, in den wilden zerriſſenen Felswänden und Spalten auf dieſer Seite die Ueberreſte eines alten Kraterrandes zu ſehen. Nach der großen Ausdehnung, welche dieſelben einnehmen, muß dieſer Krater einſt von ungeheurem Umfange geweſen ſein und mehr eine von Südweſt nach Nordoſt gedehnte, ſpaltenartige Form gehabt haben. In dem weſtlich und nordweſtlich von dieſem Vulkanen-Ehepaare ſich erſtreckenden Hochplateau von Mexico begegnet man vom Fuße dieſer Berge, namentlich von den Ortſchaften Amecameca, Tlalmanalco, Chalco bis zur Hauptſtadt Mexico hinab einer Menge vulkaniſcher Bergkegel und kleiner Erhebungskrater, die gleichſam als Trabanten ſich um die großen Vulkane lagern und von deren ausgebreiteter Thä— tigkeit Zeugniß geben. Die Form von vielen iſt fo regelmäßig coniſch gebildet und die abgeſchnittene Spitze mit einer ſo auffallenden Krater— vertiefung verſehen, daß ſie der ganzen Gegend einen eigenthümlichen Charakter verleihen. Man ſieht oft in ihnen das ſchönſte Bild eines Vulkans in verkleinertem Maßſtabe, und vielleicht haben ſie auch in ihrer Weiſe eben ſo thätigen Antheil an der Bildung dieſes Hochlan— des genommen, wie die großen Vulkane. Viele von ihnen ſind mit Bäumen bewachſen, tragen jetzt auf ihrem Scheitel eine Wallfahrts— kirche, und bilden durch ihre Form eine große Zierde der ganzen Ge— gend. Andere find nur mit dürrem Gras und Cactuspflanzen bewach⸗ ſen und dienen zu Steinbrüchen. Einer der merkwürdigſten dieſer kleinen Vulkane, Coschumae genannt, befindet ſich in unmittelbarer Nähe des Dorfes Ayotla, 7 Le— guas von Mexico, die zweite Station auf der großen Straße nach Veracruz. Die höchſte Spitze iſt nach barometriſcher Meſſung 852 engl. Fuß über der Ebene von Mexico. Dieſer Krater iſt von ziemlich runder Form und hat 300 Fuß im Durchmeſſer. Die Hauptausfluß⸗ öffnung an dem unteren Rande liegt gegen Oſten; ſowohl innerhalb, wie außerhalb des Kraters iſt der Berg mit einer grünlich grauen, wenig feſten Maſſe bedeckt, welche im Bruch erdig und deutlich ge— ſchichtet iſt; ſie iſt mit runden Körnern gemiſcht, die ihr ein poröſes Anſehen geben. Daß dieſe Maſſe den einſtigen Lavaſtrom gebildet hat, beweiſen die gleichförmigen Schichten, welche, mantelförmig um den Krater abgelagert, ihm ſeine coniſche Geſtalt gegeben haben. Inner— F ˙ 0 ⁰ u Die Vulkane von Mexico. 193 halb, wie außerhalb des Kraters findet man Stücke von baſaltiſcher Lava und anderen vulkaniſchen Felsarten, wie porphyriſches und tra— chytiſches Geſtein im Lavaſtrom eingekittet, wie man ſie über das ganze Thal von Merico als Elemente der vulkaniſchen Auswürfe zerſtreut ſieht. Eine andere Art von Felskegeln, die man nicht weniger zahlreich auf dieſem Hochplateau bemerkt, ſcheint dagegen einen ganz anderen Urſprung zu haben, indem fie ſchon in ihrer äußeren Formation und Geſtalt ein von den eben beſchriebenen Kraterkegeln völlig verſchiedenes Ausſehen zeigen. Zu dieſer Klaſſe von Hügeln gehört der 3 Stunden von Merico, dicht an der großen Straße nach Puebla und Vera-Cruz belegene Felshügel, El Penon viejo genannt (Peñon bedeutet im Spaniſchen einen iſolirten hohen Berg), deſſen eigenthümliche runde Geſtalt, ſowie die concentriſche Schichtung der Felsmaſſen auf die Ent⸗ ſtehung durch Emporſteigen einer flüſſigen Maſſe, welche gehoben nach allen Seiten gleichmäßig abgefloſſen und dann erſtarrt iſt, ſchließen läßt. Die Maſſe beſteht größtentheils aus einer rothen poröſen Lava, die an einzelnen Stellen in ein compactes Porphyrgeſtein übergeht. Auf der ganzen Oberfläche findet man hohle Blaſenräume von dieſer Lava, die ſich durch das Austrocknen und Entweichen der wäſſerigen Theile gebildet haben. Sie dienen theils den armen Leuten zu Woh— nungen, theils zu Ställen für das Vieh. Ein dieſem ganz ähnliches Gebilde zeigt der Penon nuevo, ein kleiner iſolirter Felshügel, der eine Stunde nördlich von Mexico ſich aus dem flachen, moorigen Ufer des See's von Tescoco, links von der Straße nach Vera-Cruz, er hebt und durch ſein iſolirtes Erſcheinen auf der weiten Ebene dem ganzen Thalbilde eine beſondere Eigenthümlichkeit giebt. Dieſer Penon hatte bei ſeiner kuppelförmigen Geſtalt und ſeinem ſchichtweiſe gehobe— nen, wildzerriſſenen Geſtein von rother und ſchwärzlicher poröſer Lava, worin er gleichfalls Höhlen und Lufträume darbietet, ohne Zweifel die— ſelbe Entſtehung, wie der vorhin beſchriebene. Das Emporſteigen die- ſer Maſſen muß zugleich mit einer vulkaniſchen Eruption verbunden geweſen fein, indem das Geſtein aus einer Miſchung faſt aller vulka— niſchen Felsarten und ihrer verſchiedenen Uebergänge beſteht. Man findet hier die rothe und ſchwarze poröſe Lava in dichtere rothe und ſchwarze Maſſen übergehen, die bald Feldſpathkryſtalle aufnehmen und Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 13 4 194 C. Pieſchel: verſchiedene Porphyrarten bilden, bald als Baſalt, Mandel- und Kling- ſtein, ſowie als trachytiſche Felsarten auftreten und ſchöne traubenför— mige Hyalithe zeigen. Am Fuße des Berges entſpringen heiße ſchwefelhaltige Quellen, die von den Merikanern vielfach als Heilbäder benutzt werden, und deren Temperatur auf 41“ R. angegeben wird. Das Waſſer enthält viele Kohlenſäure, Schwefelſaure, Chlornatrium und ſchwefelſauren Kalk. Eine ähnliche, reich mit Kohlenſäure geſchwängerte Schwefelquelle befindet ſich in dem 1 Legua von Mexico entfernten mexicaniſchen Wall— fahrtsorte der heiligen Guadalupe, gleichfalls am Fuße eines kleinen Hügels. Ihr Waſſer wird getrunken und vielfach zum Baden von den gewöhnlichen Leuten benutzt. Die Apotheker und Chemiker aus Mexico ſammeln ſich hier mit leichter Mühe ihre Kohlenſäure vermittelſt eines einfach über die Quelle gedeckten Helmes, indem ſie ſo das Gas auf— fangen und in wenigen Augenblicken mehrere Schweinshäute damit füllen, um daſſelbe zur Stadt zu bringen. So ſind auch die ſchönen, klaren, warmen Schwefelquellen auf dem Weſtabhange des Popocatepetl, in der Nähe von Cuautla und Huastepec, die von rheumatiſch Leidenden oft zum Baden benutzt wer— den. Erſtere entſpringt aus einer vulkaniſchen Felswand und hat un— gefähr 28“ R. Wärme; letztere bildet ein ſchönes, von üppigen Platanen umſchloſſenes Becken, aus deſſen weißkieſeligem Grunde das Waſſer in ſchwefelwaſſerſtoffhaltigen Gasbläschen aufperlt. Das Waſſer dieſer Quelle iſt ſchwefelhaltiger und wärmer, als das der erſteren. Der Porphyrhügel von Chapultepec, 1 Legua ſüdweſtlich von Mexico, am Wege nach Tacubaya und Toluca, iſt hier gleichfalls noch als ein ſolcher emporgehobener Hügel zu nennen, welcher ſich iſolirt aus der Thalebene erhebt und früher wahrſcheinlich von Waſſer um— floſſen war. Seine Höhe beträgt 204 Fuß über dem Platze der Haupt— ſtadt. Er beſteht, wie die erſten, aus röthlichem, dunkelgrünen Porphyr⸗ geſtein mit eingeſchloſſenem Feldſpath und Hornblende. Aus ſeinem Fuße entſpringt eine reiche, mit vielem kohlenſauren Kalk geſchwängerte Quelle, deren Waſſer auf einem 10,800 Fuß langen Aquaduct zur Hauptſtadt geführt wird. Der aztekiſche Name ſoll Berg der Grä— ber bedeuten und Chapultepec die Begräbnißſtätte der alten Herrſcher geweſen ſein, worauf auch der ſchöne alte Cedern- und Cypreſſen-Hain Die Vulkane von Mexico. 195 (Cupressus disticha), der ihn in ehrwürdigen, majeſtätiſchen Erem⸗ plaren umſchließt, hinweiſen dürfte. Andere behaupten, Chapultepec ſei vor der Eroberung Mexico's der Luſtort der Könige von Anahuac geweſen. Der Vicekönig Graf Galvez erbaute auf königliche Koſten ein Schloß auf ſeinem Gipfel; ſpäter iſt daſſelbe wegen ſeiner beherr— ſchenden Lage befeſtigt worden und hat in Revolutionszeiten oft zu Waffenplätzen gedient; jetzt iſt es zu einem Militair-Collegium umge⸗ wandelt und der den Felſen umgebende Garten mit ſeinen alten Cy— preſſen dem täglichen Beſuche des Publikums geöffnet. An den drei letztgenannten Hügeln findet ſich keine Spur von einem Krater oder einer gewaltſamen vulkaniſchen Eruption; ſie tragen vielmehr, wie bereits erwähnt, das Gepräge einer ruhigen Erhebung durch unterirdiſches Feuer umgebildeter, mehr oder weniger geſchmolze— ner Maſſen, die an der Oberfläche der Erde durch Einwirkung von Luft und Waſſer erſtarrt ſind. Daß das letzte Element hier vorzüglich mitgewirkt hat, dafür ſpricht namentlich die Lage der Hügel, die darauf hinweiſt, daß ſich dieſelben einſt aus dem Waſſer des See's von Tescoco erhoben haben, welcher früher, wie jetzt noch oft bei anhaltender ſtarker Regenzeit, ſie wie Inſeln mit ſeiner Waſſerfläche umgeben haben mag. Weſtlich vom Ixtaccihuatl erhebt ſich der | Cerro de Ajusco, der mit feinem ſich von Oſten nach Weſten hinziehenden Gebirgsrüden im Süden das Thal von Mexico unter dem 19° 15’ 27“ n. Br. und 101 32’ 45” weſtl. L. ſchließt. Derſelbe führt den Namen von dem an ſeinem nordöſtlichen Abhange gelegenen kleinen Dorfe Ajusco, und feine Höhe wurde durch Meſſung zu 12,054 Fuß beſtimmt ). Er erreicht nicht die Grenze des ewigen Schnee's und nur in den kälteren Winter: monaten December bis Februar ſieht man zuweilen Tage lang ſeine Spitze und Abhänge mit Schnee bedeckt, was dann bei der nur etwa 10 bis 12 Leguas betragenden Entfernung von der Hauptſtadt die Aufmerkſamkeit der Mexicaner als Prophezeiung einer kalten Witterung auf ſich zieht. * 4 ö Ba ) Oltmanns beſtimmte die Höhe nach v. Gerolt's geognoſtiſcher Karte zu 12,064 engl. Fuß oder zu 1886,5 Toiſen (11,319 Par. Fuß) a. a. O. I, 1, 29. . G. 13 * 196 C. Pieſchel: Ich beſtieg den Cerro de Ajusco am 16. September 1852 in Ge— ſellſchaft eines ehemaligen preußiſchen Offiziers, Bar. v. H, mit dem ich einen mehrtägigen Spaziergang und eine Jagdpartie in den Vor— bergen dieſes Vulkans gemacht hatte. Wir brachen, begleitet von einem anderen Deutſchen und zwei indiſchen Führern, am gedachten Tage früh 6 Uhr zu Fuß aus dem Dorfe Santa Magdalena de las Contreras auf und gingen über das hochgelegene Dörfchen San Nicolas, welches ſchon eine herrliche Ausſicht auf das Thal von Merico darbietet, über die Hacienda Islada, durch die bewaldeten Bergabhänge in directer Richtung dem Cerro de Ajusco zu. Der Weg durch einen fortwäh— renden Pinienwald, durch üppig bewachſene Schluchten, über klare und waſſerreiche Sturzbäche, über Wieſengründe, offene Waldſtellen, auf welchen iſolirt kleine Rancho's mit Viehwirthſchaft liegen, ſowie über romantiſch gelegene Holzſchneidemühlen war reich an mannigfachen Ab— wechſelungen und ſchönen Naturſcenen. So paſſirten wir den kleinen Waſſerfall Cascada de Llano del negro, den Rancho viejo, Rancho de Campana und gelangten gegen 10 Uhr in die elenden Holzhütten des kleinen Rancho agua es condida. Nach Beſorgung eines anderen kun— digen Führers bis zur Spitze des Berges ſetzten wir nach 12 Uhr un— ter Anführung eines 14 jährigen Knaben, Ceſario Naba, der uns auf die höchſte Spitze zu führen verſprach, unſeren Weg fort, immer im dichten Pinienwalde aufſteigend und einem kleinen Bache folgend. Nach einer halben Stunde gelangten wir auf eine Hochebene, Monte alegre, in deren hohem Graſe Rindvieh und Pferde weideten, und die im Süden von einer pittoresken Felspartie begrenzt und von einem waſſerreichen Bache durchrieſelt wurde. Die Spitze des Cerro trat hier bereits majeſtätiſch uns entgegen und zeigte ſich deutlich als Kraterwand eines gegen Nordweſten geöffneten Kraterkegels. Wir über ſchritten am Fuße dieſe Oeffnung, die vielleicht den vierten Theil des Kraters einnimmt, und ſtiegen im Norden auf dem äußeren, ſchrägen Abhange des Kraterrandes über loſes, mit üppigem Graſe und alten Tannen bewachſenes Geſtein aufwärts. Die Kraterränder ſind nach innen, wie nach außen bis zur höchſten Spitze bewachſen; die inneren fallen ſteiler ab, als die äußeren, und tragen bis zum oberſten Rande die ſchönſten Pinien, ein Zeichen, daß hier bereits ſeit vielen Jahrhun— derten jede vulkaniſche Thätigkeit erloſchen iſt. Wo einſt die Natur ein Die Vulkane von Mexico. 197 mächtiges, Verderben bringendes Feuer ſchürte, da brennt jetzt der arme Kohlenbrenner mühſam ſeine Kohlen zum täglichen Erwerbe. Wir erklimmten die höchſte, von dem norböftlichen Rande des Kraters gebildete Spitze auf dem äußeren Kraterrande zwiſchen dem lockeren Geſtein und dem üppigen Graſe ohne Gefahr, wobei wir oft auf entwurzelten alten Tannenſtämmen die bequemſten Ruheſitze fanden, um neue Kräfte, die bei der dünnen Luft doppelt erforderlich waren, zu ſammeln. Gegen 3 Uhr erreichte ich auf dem höchſten Rande, deſſen Rücken oft kaum 3 Fuß breit iſt und von wild durcheinander liegenden Felsblöcken gebildet wird, über dieſe einige Hundert Schritte hinkletternd, die höchſte Spitze, Cerro grande de Ajusco. Ich hatte die reichſte Ausſicht um mich; das Thal von Mexico mit der weißen Häuſermaſſe der Hauptſtadt ſchien ſo dicht unter meinen Füßen zu liegen, daß man die einzelnen Straßen zu erkennen glaubte; dahinter und zur öſtlichen Seite lagen die Seen von Tescoco und Kochimilco, eingeſchloſſen von der grünen Thalfläche und einem weiten Gebirgs— kreiſe, deſſen höchſte Spitzen, die Schneehäupter des Irtaccihuatl und Popocatepetl, majeſtätiſch herüberſchauten. Alles dies, ſowie die unzäh— ligen Ortſchaften mit ihren weißen Kirchen, San Angel, San Auguſtin de las Cuevas, Kochimilco, Tepeca, Mircoac, Tacubaya nebſt anderen, und die mit ihren dunklen Obſtgärten und üppigen Feldern ſich von den Abhängen in die Ebene hinabziehenden Hacienda's gaben dem Bilde einen ſo mannigfaltigen großartigen Charakter, daß man wohl ſelten ein ähnliches wiederfinden möchte. Die Kraterwände fallen ſchroff ab, ſind aber dennoch größtentheils mit einer üppigen Vegetation, namentlich mit ſchlanken Pinienſtämmen, bedeckt. Im Süden erhebt ſich der Kraterrand zu einer abgerundeten, gewölbten Spitze und ſcheint dem erſtgedachten dreikantig ſpitzzulaufen— den Gipfel den Rang hinſichtlich der Höhe ſtreitig zu machen. Jene Spitze iſt vielleicht nur wenige Fuß niedriger und hindert deshalb die weitere Ausſicht in die dahinter liegende Tierra caliente, nach Cuer— navaca und Tasco. Der Kraterrand zeigt nur an einigen Stellen in der inneren Seite nacktes Geſtein, wo wegen ſeines ſteilen Abfalles keine Vegetation zu haften ſcheint. Das Geſtein beſteht aus Trachyt und baſaltiſchen Lavaſtücken. Gegen Nordweſten iſt der Krater zum vierten Theile bis auf ſeinen Grund geöffnet, und von ſeinen gewalti— * 198 C. Pieſchel: gen Auswürfen und Ausſtrömungen nach dieſer Seite geben die lan— gen, von vulkaniſchem Schlamm und Aſche gebildeten Bergrücken hinter den Ortſchaften Tacubaya, Mirevac, Tlacopaque, San Angel, San Hieronimus, Santa Magdalena bis San Auguſtin, ſowie der ſoge— nannte Pedregal, ein ſchwarzer Lavaſtrom zwiſchen San Angel, Tiſa— pan, Coyacan und San Auguſtin, offenbar das Produkt der letzten Eruption, die großartigſten Beweiſe. Den Krater umgeben viele Fel— ſenkegel und vulkaniſche Hügel, die ſich auf den einzelnen Abſtufungen der Abhänge bis in die Ebene von Merico hinabziehen. Sie ſind alle dicht bewachſen und beſtehen aus vulkaniſchem Geſtein. Intereſſant iſt es, in der Formation des gedachten Pedregal's noch den Fluß der einſt flüſſigen Lava zu erkennen und zu ſehen, wie ſich dieſe mächtigen Maſſen in deutlichen Geſchieben über einander gelegt haben. Derſelbe iſt noch wenig bewachſen, und ſeine Vegetation zeich— net ſich merklich von der benachbarten aus, indem die Pflanzen meiſt den Euphorbien angehören, milchigen Saft haben und einen üppigen, aber kraftloſen Wuchs zeigen, ſo daß ich dieſe Vegetation eine vulka— niſche nennen möchte. Ihr ſonderbarer Character wird dadurch hervor— gerufen, daß ſie noch wenig Humus auf dieſer poröſen Lava findet und ſich nur durch das Regenwaſſer und den nächtlichen Niederſchlag nähren kann. Eben ſo eigenthümlich für die Lage iſt die Thierwelt auf dieſem Lavafelde, wo man unter anderen viele Schlangen antreffen ſoll, die ſonſt nur Bewohner wärmerer Landſtriche ſind. Auch bemerkt man Inſekten hier, z. B. rothe Ameiſen und beſondere Arten von Baum⸗ wanzen, die ſonſt nicht im Thale von Mexico gefunden werden und nur in den tiefer gelegenen, der Tierra caliente angehörigen Orten leben. Ein nicht minder intereſſantes Product dieſes Vulkans iſt ein bröckliches, leichtes Lavageſtein, welches in den Bergrücken hinter Ta— cubaya gebrochen und vielfach zum Bau der Häuſer in Mexico, wie in den umliegenden Ortſchaften verwandt wird. Daſſelbe iſt eine mäch— tige, häufig Gerölle ſchwarzer doleritiſcher Laven enthaltende Ablagerung von Trachyttuff, der ſich leicht bearbeiten läßt und, in regelmäßige vier— kantige Steine gehauen, an der Luft ſich erhärtet. Dieſer vulkaniſche Tuff, ſowie der tiefer ſich ihm anſchließende abgelagerte Mergel zeigen auf's deutlichſte, daß beide zu einer Zeit ausgeworfen, reſp. abgeſetzt wur— den, als das Thal noch in einem weit größeren Umfange und zu einer > Die Vulkane von Mexico. 199 weit beträchtlicheren Höhe mit Waſſer gefuͤllt war, als jetzt, und das— ſelbe noch ſeine bindende Kraft auf dieſes Conglomerat, wie man es jetzt ſindet, ausüben konnte. Daß dieſe Tuffmaſſe vulkaniſchen Urſprungs iſt, beweiſt auch die Lage von ſchwarzer Lavaaſche, die man dicht hin— ter Tacubaya darunter in einer Tiefe von 15 bis 20 Fuß beobachtet, und die das Ausſehen einer ganz friſchen, erſt kürzlich ausgeworfenen vulkaniſchen, blauſchwarzen Aſche hat. Nach dem Umfange dieſer vul— kaniſchen, den Cerro de Ajusco umziehenden Abhänge zu ſchließen, muß dieſer Vulkan einſt eine außerordentliche Thätigkeit entwickelt haben, und es ſcheint faſt der ganze ihn umlagernde Bergrücken, nach ſeiner vulkaniſchen Beſchaffenheit zu urtheilen, ihm ſeinen Urſprung zu ver— danken. f Wir beabſichtigten, am Abend vom Cerro de Ajusco nach dem auf dem ſüdlichen Abhange gelegenen Rancho del Flojo zu gehen, wur— den aber durch unſeren Führer theils wegen der heranrückenden Nacht, theils wegen der angeblich weiten Entfernung veranlaßt, denſelben Weg zurück einzuſchlagen, den wir hinaufgeſtiegen waren, und kehrten erſt mit einbrechender Nacht in den Rancho Agua es condida zurück. Die freundlichen, einfachen Bewohner gewährten uns mit vieler Bereitwillig— keit ein, wenn auch ſehr einfaches Obdach für die Nacht. Anderen Tages ſtiegen wir über die Thalabhänge, neben vielen kleinen vulkaniſchen Hü— geln vorüber, nach Mexico zurückkehrend, nach dem kleinen elenden Ge— birgsdorfe Ajusco und nach Tlalpan oder San Auguſtin de las Cuevas hinab. Der letzt erwähnte Ort liegt auf der Straße von Merico nach Acapulco, am Fuße des Cerro de Ajusco, umgeben von vulkaniſchen Aſchenfeldern und Lavahügeln. Er hat ſeinen Beinamen de las Cue— vas von mehreren Höhlen in dem nahen Gebirge, die durch unterirdi— ſche Gänge mit einander in Verbindung ſtehen und 3 bis 4 Stunden weſtlich von hier zwiſchen den Ortſchaften Santa Fé und Guajimäl⸗ pan auf der Straße von Mexico nach Toluco ausmünden ſollen. Die Sage erzählt von ihnen, daß heidniſche Myſterien vor dem eindringen- 0 I den Chriſtenthum darin Schutz geſucht hätten. Auffallend iſt es, daß trotz der eifrigſten Nachforſchungen jetzt über dieſe Höhlen und Gänge nichts zu erfahren iſt. (Fortſetzung folgt) VII. Zur Kunde von Suͤd-Afrika. Während die wiſſenſchaftliche Erforſchung der Nordhälfte des afri— kaniſchen Continents fortwährend im gedeihlichſten Fortſchritte begriffen iſt und faſt jedes Jahr neue dankenswerthe Beiträge zur Erweiterung und feſteren Begründung des Bekannten liefert oder Lücken ausfüllt, iſt man in Süd⸗Afrika nicht weniger thätig, wo man freilich ver— hältnißmäßig mehr von den Umſtänden begünſtigt wird. Hat auch Süd-Afrika in feinem größten Theile keine ſchiffbaren Flüſſe, welche den wiſſenſchaftlichen Forſcher, wie unter den nordafrikaniſchen Strö- men der Nil, Senegal, Gambia und Niger, mit Leichtigkeit tief in das Innere zu ſchaffen vermöchten, ſo erfreut es ſich dagegen mehrerer an— derer für den europäiſchen Reiſenden nicht weniger wichtigen Vorzüge, wozu namentlich der meiſt ſehr ſanfte Charakter der Eingeborenen, die faſt gänzliche Abweſenheit des muhamedaniſchen Fanatismus, die unge— heure Ausdehnung deſſelben Sprachgebiets und endlich das beſſere Klima innerhalb eines ſehr bedeutenden Theils ſeines Bereichs gehören. Aber vor Allem wurden hier die Forſchungen durch die Verhältniſſe des Cap— landes begünſtigt, welches, ungeachtet ſeines völligen Mangels an ſchiff— baren Strömen, durch die fortſchreitende Ausdehnung ſeiner Grenzen, die ſteigende Zahl ſeiner Bewohner, das Wachſen ſeiner Cultur und ſeines Wohlſtandes, ſeine geordnete Verwaltung, endlich durch die aus— gezeichnete Trefflichkeit ſeines Klima immer den beſten Ausgangspunkt für Reiſende nach dem füdafrifanifchen Binnenlande geboten hat. Deshalb ſah dieſer Theil des Continents viel mehr, als jedes andere afrikaniſche Küſtenland, die von ihm ausgegangenen Forſcher nach Erreichung ihres Gumprecht: Zur Kunde von Süd = Afrika, 201 Zweckes heimkehren. So finden ſich in der überaus langen Reihe von Märtyrern, welche die Erforſchung Afrika's während der letzten 60 Jahre erforderte, nicht mehr als ſechs Männer ), die, von dem Cap— lande ausgegangen, als Opfer ihrer Beſtrebungen einem frühen Tode verfielen. Es waren dies die im Jahre 1807 in den Betſchuanenlaͤndern ermordeten Engländer Cowan und Donavon, dann die beiden Schotten Cowie und Green, welche im Jahre 1829 an der de Lagöa-Bai das klimatiſche Fieber hinwegraffte, ferner der Engländer Martyn und der deutſche Naturforſcher Seidenſtücker, die im Norden des Garip gleich— falls von den Eingeborenen ermordet wurden, endlich der Engländer Alfred Dolman, den muthmaßlich feine eignen Leute, Hottentoten von Geburt, auf feiner Rückkehr vom großen Ngami-See im Jahre 1851 erſchlugen. Hatten aber die vom Caplande aus begonnenen Forſchun— gen ſo treffliche Folgen, daß in den letzten Jahren ein großer Theil Sud ⸗Afrika's von der Capſtadt bis Angola durchſucht werden konnte, ſo fehlen dagegen von den Weſt- und Oſträndern des Continents in dem Inneren gewonnene Reſultate in höchſt auffallendem Grade, wenn man die von den beiden muthigen deutſchen Miſſionaren Krapf und Rebman erworbenen ausnimmt. Dies wäre um fo auffallender, als bekanntlich ſeit mehr als 300 Jahren eine europäifche Macht, die der Portugieſen, ausgedehnte Beſitzungen dort beſaß, fänden ſich nicht in dem mörderiſchen Klima der Küſtenländer, wodurch jede europäiſche Coloniſation derſelben unmöglich wird, in dem Drucke, der Habſucht und dem Fanatismus der portugieſiſchen Behörden, dem überall ver— breiteten Sklavenhandel, der jedem freundlichen Verhältniſſe der Ein— geborenen mit den Portugieſen im Wege ſteht und dadurch eine ge— nauere Erforſchung der Binnenländer hindert, in der ſteigenden Auf— merkſamkeit, die Portugal früher Braſilien zuwandte, je mehr man deſſen Schätze kennen lernte, endlich in der langen, durch die ſpaniſche Herr— ſchaft veranlaßten Erſchlaffung des portugieſiſchen Nationalgeiſtes, in dem ſchlechten Zuſtande des Unterrichts im Mutterlande, wodurch meiſt unwiſſende Beamte in die Colonien kamen, ſowie in den falſchen Han— ) Eine lange und doch keineswegs vollſtändige Lifte der Opfer afrikaniſcher Ent: deckungsreiſen bis zum Jahre 1851 habe ich in den Monatsberichten der Berliner geo— graph. Geſellſchaſt N. F. VI, S. 73 — 86 zuſammengeſtellt. 202 Gumprecht: delsprincipien der Regierung, welche bis in die letzten Jahre allen fremden Schiffen den Zutritt in die Häfen der Colonien abſchloß “), und in der unausgeſetzten Finanznoth Portugals hinlängliche Gründe für dieſe Erſcheinung 2). Aber ungeachtet aller ſolcher ungünſtigen Um— ſtände würde unſere Kenntniß Süd-Afrika's doch viel umfaſſender ſein, hätte nicht ein im Beginn des 16. Jahrhunderts gegebenes und lange be— ſtandenes Geſetz jede Veröffentlichung über die portugieſiſchen Entdeckun— gen ohne Genehmigung der Regierung bei Todesſtrafe unterſagt (Le Bret, Geſchichte von Venedig. II, 869), was zur unmittelbaren Folge hatte, daß die portugieſiſche Regierung ſich zuletzt ſelbſt ohne alle ge— nauere Kenntniß des Zuſtandes ihrer afrikaniſchen Beſitzungen befand?) und daß eine große Menge von älteren portugieſiſchen hiſtoriſchen und erdkundlichen Arbeiten ungedruckt bleiben mußte oder völlig verloren ging, und wären auch die in neuerer Zeit in Portugal erſchienenen Werke der Art im übrigen Europa bekannter geworden. Wie reich z. B. einſt die portugieſiſche Literatur an Schriften über Afrika war, viel reicher, ) Erſt durch ein Deeret vom 5. Mai 1844 wurden die Häfen des portugieſi⸗ ſchen Afrika dem fremden Handel geöffnet. Dies geſchah an der Weſtſeite des Conti— nents mit denen von Loanda und Benguela und hatte ſo guten Erfolg, daß ſich der Verkehr ſelbſt mit Portugal fofort hob (T. Omboni, Viaggi nell' Africa occidentale. Milano 1846. S. 393). 2) Von den faſt unzähligen Zeugniſſen und Urtheilen Seitens wohl unterrichte— ter Männer aus den meiſten ſeefahrenden Nationen über dieſe Verhältniſſe genügt es, zwei hier anzuführen. So ſagt der mit den Verhältnifien Süd-Afrika's durch feine langjährigen gründlichen Studien ſo wohl vertraute Desb. Cooley Folgendes: The Portuguese could never engraft commercial prosperity on the system, which withered beneath their grasp. The avarice and fanatism, which in the sixteenth century ren- dered them equal to the boldest enterprizes, at the same time made their con- quests barren and spread desolation around their paths. Edinburgh Review 1837. LXI, 383. Ebenſo äußerte ſich mehr als 30 Jahre früher der franz zoͤſiſche Seeoffizier Ohier de Degrandpré, ein trefflicher und zuverläfftger Beobachter, nach eigenen Beobachtungen im portugieſiſchen Weſt-Afrika in ſeinem Werke: Voyage à la cöte occidentale de l’Afrique, fait dans les années 1786, 1787. 2 Vol. 8. Paris 1801. II, 34: .. . Les &tablissements des Portugais en Angola sont gouvernes par l’avarice et la cruauté. 3) Sehr wahr fagt in der Hinſicht der britiſche Capt. Tuckey: Les Portugais furent ensuite les premiers, qui s’avancerent des cötes dans l'intérieur et ils y receuilli- rent sans doute beaucoup de renseignements. Malheureusement pour l’univers il entrait dans leur plaisir de tenir leurs decouvertes séerètes et ils P'exécutèrent si bien, que leurs &erits furent perdus meme pour eux. (Franzöſiſche Ueberſetzung von Tuckey's Reiſe nach dem Congo. Paris 1818. J, 8.) Zur Kunde von Sid - Afrika. 203 als die Zahl der bekannt gewordenen gedruckten ahnen läßt, ergiebt ſich ſchon aus den noch in den Archiven und Sammlungen Portugals und des Auslandes vorhandenen ungedruckten Manuſeripten oder auch nur aus den Titeln der einſt vorhanden geweſenen Werke. Dahin gehört die allgemeine Geographie des berühmten Hiſtorikers Joäo de Barros, die von ihm erwähnt wird, der dritte Theil der Chronik des Königs Jo— hann des J., unter dem fein Sohn, der Prinz Heinrich, die glänzende Reihe der portugieſiſchen Entdeckungen begann, der Auszug der Memoi— ren dieſes Prinzen ſelbſt über die neuen Entdeckungen, die Beſchreibung von Afrika (Aethiopien) des berühmten Seehelden Vasco de Gama, die Beſchreibung von Guinea von Franz Lamos, die der Minen des öſtlichen Aethiopiens vom P. Franz d'Avelar, endlich D. Man. Barrada's Beſchrei— bung von Aethiopien, Schriften, die wahrſcheinlich ſämmtlich verloren ge— gangen find (Menèzes de Drumond in Verneur Journal des voya- ges. Paris 1826. XXXII, 199). Von anderen Werken der Art kennt man wenigſtens ihre noch jetzige Eriſtenz. So befindet ſich in der gro— ßen Bibliothek des Herzogs von Cadaval ein Band in Folio, enthal— tend eine Geſchichte von Afrika, ebendort ein Heft in Folio über die mediciniſchen Pflanzen und Wurzeln in den Wüſten Angola's ), ſowie eine Sammlung von auf die Entdeckungen der Portugieſen bezüglichen Documenten in nicht weniger als 18 Foliobänden nebſt vielen anderen Banden von geringerem Umfange, ferner in der öffentlichen Bibliothek zu Liſſabon ein merkwürdiges portugieſiſches Manuſcript von Dominik S. Abreu de Brito unter dem Titel: Summariſche Beſchreibung des Königreichs Angola, der Entdeckung der Inſel Lo— anda und der Größe der Landeshauptmannſchaften Bra— ſiliens, geſchrieben im Jahre 1592 und durch den Verfaſſer dem König Philipp I. (Philipp II. von Spanien) mit dem Zwecke gewid— met, ihm über die Vergrößerung feiner Staaten und die Vermeh— rung feiner Einnahmen Rath zu ertheilen ); in der Bibliothek der * ) Im J. 1841 ſandte die Sanitäts-Commiſſion von Angola eine Sammlung von 57 verſchiedenen heilkräftigen Wurzeln, deren ſich die Eingeborenen Angola's mit großem Nutzen bedienen, nach Liſſabon, wo ſie bis jetzt noch keinen Bearbeiter gefunden haben. J. v. Minutoli, Portugal und ſeine Colonien im Jahre 1854. 2 Bde. Stutt⸗ gardt 1855. II, 305. Auch Omboni giebt ein Verzeichniß ſolcher Wurzeln (389400). ) Nach Mendzes de Drumond, der dies Manuſcript abſchreiben ließ, giebt das— ſelbe ſehr wichtige Nachrichten über die Landeommunication quer durch Afrika von 204 Gumprecht: liſſaboner Akademie der Wiſſenſchaften ein 3 Foliobände ſtarkes Ma— nuſcript, verfaßt unter der Regierung König Johann des IV. (re gierte von 1640 bis 1656) von Anton Oliveira de Cadornega, deſſen erſte zwei Bände die Eroberung und Coloniſation Angola's im Detail behandeln, der dritte die Geographie und Statiſtik dieſes Landes enthält (Meneèzes de Drumond a. a. O. 200), endlich in der Bibliothek des Grafen Vimieyro eine Beſchreibung Angola's von Joao Mendes de Vasconcellos (Relacäo do Reino de Angola) ), und eine Beſchreibung Guinea's von P. Manoel Alvares (Descripcäo geo- graphica da Africa, chamada Guiné) ?), ſämmtlich Arbeiten, die den neueren Schriftſtellern über das portugieſiſche Afrika ganz unbekannt geblieben zu ſein ſcheinen. Außerdem finden ſich im Liſſaboner Archiv über 200 unedirte Briefe Albuquerque's von ſeinen Zügen in Oſt— Afrika und Indien nebſt vielen Actenſtücken über die Verwaltung Oſt— Afrika's (Kunſtmann in den Münchener gelehrten Anzeigen 1844. J, 405, 406) und in der Bibliothek von Ajuda ein Coder mit Berich— ten über die Entdeckung von Guinea, El Mina (St. Georg del Mina, der jetzige Hauptort der niederländiſchen Beſitzungen in Guinea), Ca— cheo, Congo und Angola (Annäes maritimos e coloniäes. Lisboa 1845. V. Parte näo official. S. 102) ). Viele Documente ſollen aber ſchon zur Zeit der Philippe nach Spanien gewandert fein (Annäes V, 108), fo daß den zukünftigen portugieſiſchen Forſchern über die Thaten ihrer Vorfahren auch in dieſem Lande eine reiche Erndte zu machen bevorſteht. Selbſt nach anderen Ländern wurden zahlreiche por— tugieſiſche manuſcriptliche ältere Schriften und Documente geographi— ſchen Inhalts verſchlagen. So beſitzt das britiſche Muſeum die Hand— ſchrift der ſogar in Portugal völlig unbekannten und deshalb nicht in Angola nach Mozambique, die man ſogar ſchon damals kannte, obgleich die Portugie— fen erſt wenige Jahre vorher, im J. 1574, unter ihrem Anführer Paulo Dias de No- vaes in Angola angekommen waren und hier feſten Fuß gefaßt hatten. ) Nach Diego Barboſa Machado's Bibliotheca lusitana. Fol. Lisboa 1759. II, 702. 2) Ebendort III, 173. 3) In dieſem Coder ſollen ſich viele Nachrichten MR dh Art für die Epoche von 1590 bis 1630 finden; derſelbe enthält z. B. den Bericht eines Capi— tains Cijara Mendes Caſtellobranco über feine Reiſe nach dem Reiche Congo, alſo nach einem anſcheinend höchſt intereſſanten Lande, von dem wir noch jetzt ſo viel wie gar nichts wiſſen. N N Zur Kunde von Sid - Afrika. 205 die große, zu Liſſabon im Jahre 1778 — 1788 gedruckte Ausgabe des Geſchichtswerkes von de Barros und ſeines Fortſetzers Diego do Couto aufgenommenen 10. Decade des letztern Autors, woraus Desb. Cooley in feinem früher hier erwähnten Werkchen: The Negroland of the Arabs, noch einige intereſſante Notizen zur Aufklärung der Kunde des öͤſtlichen Süd- Afrika entlehnen konnte (fo S. 136). Ferner findet ſich in der großen kaiſerlichen Bibliothek zu Paris das ſchon erwähnte Werk von Cadornega über Angola (Duatremere in den Notices et extraits de la bibliotheque du Roi, XII, 634), welches einſt der Bibliothek der Pariſer Abtei St. Germain des Pres angehörte und muthmaßlich auch identiſch mit dem dreibändigen manuſcriptlichen Werke über Congo, Angola und Benguela iſt, das der bekannte Ueberſetzer der Reiſe des portugieſiſchen Jeſuiten Lobo in Portugal in der Bibliothek der gräflichen Familie Ericeira antraf und mitzunehmen die Erlaubniß erhielt. Iſt letztes der Fall, ſo hätten wir in Cadornega's Werke viele intereſſante Aufſchlüſſe namentlich über das Innere Angola's zu erhal— ten, da Legrands Manuſcript (Voyage du Pere Lobo en Abyssinie. Paris 1728. S. IV) auch die Kriege der Portugieſen mit der kriegeriſchen und mächtigen Königin Gingha ) von Matamba, der Semiramis von Angola, behandelt, wobei das portugieſiſche Heer tief in das Binnenland einzudringen Gelegenheit hatte. Aber noch iſt daſſelbe nicht gedruckt ). Nur wenige von den bekannten älteren portugieſiſchen Werken und Docu— menten über die Verhältniſſe Weſt-Afrika's ſind in neuerer Zeit veröffent— licht worden, indem der beſonders durch den letzten Cardinal-Patriar— chen von Liſſabon zur Herausgabe hiſtoriſcher und geographiſcher Do— cumente angefachte patriotiſche Eifer bald nach deſſen Tode wieder er— loſch. Doch danken wir dieſer Anregung die Veröffentlichung wenigſtens einiger werthvollen älteren Schriften. Dahin gehört das von dem ver- | ſtorbenen Ingenieur-Capitain und Profeſſor Koepke im Jahre 1841 zu Oporto herausgegebene kleine, aber wichtige Werk von André Alvares de Almada: Tractado breve dos Rios de Guiné do Cabo Verde desde o Rio de Sanaga (d. h. dem Senegal) até aos baixos de ) Gingha ſcheint ein allgemeines Wort für Herrſcher zu fein, da nach den por—⸗ jeſiſchen Hiſtorikern über Angola mehrere Fürften des Innern zu verſchiedenen Zei— fo genannt wurden. 2 Langles ſchlug es ſchon im Jahre 1822 der Pariſer geogr. Geſellſchaft zum Drucke vor (Bulletin I, 163). vs * — Un. 2 . 206 Gumprecht: Santa Anna '), ferner das noch viel wichtigere und von Drumond de Menezes als verloren beklagte Werk von Gomes Cannes de Azurara: Chronica de descubrimento e conquista de Guine escripta por mandado d' El Rei Affonso V., welches durch die Furſorge des gelehr— ten Vizconde de Santarem zu Paris im Jahre 1842 erſchien. Auch an Karten mag es einer ſo erprobten ſeefahrenden Nation, wie die älteren Portugieſen waren, nicht gefehlt haben, obgleich wenig darüber bekannt iſt. Fuͤr die Wahrſcheinlichkeit dieſer Vermuthung ſpricht namentlich der Umſtand, daß die Liſſaboner Academie nach Mer nezes de Drumond (Verneur XXXII, 201) ſich in dem Beſitze eines das Buch des Univerſum betitelten Atlas in 10 pergamentenen Folio— tafeln befindet, der von einem gewiſſen Lazarus Louis angefertigt wurde und die Jahreszahl 1568 trägt. Die Arbeit ſoll ſich durch eine be— wundernswerthe Vollſtändigkeit auszeichnen und eine faſt unzaͤhlige Menge Poſitionen und Namen von Flüſſen, Baien und Meeresein— ſchnitten, ſelbſt bis zu den kleinſten herab, längs der ganzen Küſte von Afrika darbieten, ſo daß ſie einen Beweis giebt, bis zu welchem Umfange und Grade der Genauigkeit die älteren Unterſuchungen der Portugie— fen gediehen waren 2). Unter ſolchen Umſtänden läßt ſich im vor— aus annehmen, daß die Küſten ihrer eigenen afrikaniſchen Beſitzungen von den Portugieſen am wenigſten vernachläſſigt waren, und daß ſie dieſelben beſſer kannten, als wir zu beurtheilen im Stande ſind, und als ſelbſt ihre eigenen Nachkommen wiſſen mögen, die ſich an den afrifa> niſchen Küſten jetzt nur engliſcher und franzöſiſcher Seekarten bedienen, wie die engliſche Küſtenunterſuchungs-Expedition unter Capt. Owen 2) Demſelben Herausgeber verdanken wir die Veröffentlichung noch eines zweiten älteren werthvollen portugieſiſchen Werkes, nämlich des von dem berühmten Admiral Don Joao de Caſtro um die Mitte des 16. Jahrhunderts angefertigten Periplus des rothen Meeres nach einem beſſeren und vollſtändigeren Manuſcripte, als dem, wovon unſere frühere Kenntniß dieſer Arbeit herrührt. De Caſtro's Periplus hat ſich bekannt⸗ lich durch ſeine Genauigkeit ſtets der glänzendſten Anerkennung zu erfreuen gehabt und deshalb legte ihn auch der ausgezeichnete franzöſiſche Kartograph Guill. Delisle feiner Zeichnung des erwähnten Meeres vorzugsweiſe zum Grunde (Histoire de Académie de Paris. Année 1720. S. 377). 2) Auch die zahlloſen Namen portugieſiſchen Urſprungs an allen weſtlichen und öſtlichen Küſten Afrika's beſonders auf älteren Karten ſprechen für die genaue Kennt⸗ niß, welche die portugieſiſchen Seefahrer von den Rändern des Kontinents einſt be⸗ ſaßen. r Zur Kunde von Süd -Afrika. 207 im Beginn dieſes Jahrhunderts wahrzunehmen Gelegenheit hatte. Mag es auch keine veröffentlichte ältere portugieſiſche Karte von den Küſten des portugieſiſchen Süd-Afrika geben, ſo beſitzen wir doch mehrere be— ſtimmte Beweiſe, daß es der portugieſiſchen Marine früher nicht an einer genauen Kenntniß der Küften gefehlt hat. So fand ſich noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu Evora in einer öffentlichen Bibliothek eine aus dem 16. Jahrhundert ſtammende Beſchreibung der Küften von Angola (Roteiro da Costa de Angola) vor, die einen ſehr unterrichteten Ober-Piloten (Piloto Mor) Namens Domingos Fernandes zum Verfaſſer hatte (Barboſa Machado I, 711); fo ließ um die Mitte des vorigen Jahrhunderts der General-Gouverneur von Angola Fr. Innocens de Souza Coutinho (1764 — 1772) die Kuͤſten von Angola aufnehmen und genaue Karten derſelben, ihrer zahlreichen Flußmündungen und Ankerplätze zeichnen und ſo erhielt endlich der bekannte britiſche Reiſende nach Abeſſinien H. Salt während ſeines Aufenthalts zu Mozambique im Jahre 1809 eine dergeſtalt vollſtän— dige und genaue ältere portugieſiſche Karte der Oſtküſte von Afrika, ſo weit die Portugieſen Territorialanſprüche darauf machen, daß er ſie der Veröffentlichung für würdig hielt. Er ließ ſie für ſein Reiſewerk ſtechen, was die Folge hatte, daß von da an jener Küſtenſtrich auf den neuen Karten genauer dargeſtellt wurde, als man es früher vermocht hatte. Manche ähnliche ſchätzbare Documente mögen noch in Portugal in den Archiven und Privatſammlungen ruhen und dürften immer der Veröffentlichung werth ſein, da es bekannt iſt, daß Owen's Expe— dition nicht alle Strecken ihres ungeheuren Unterſuchungsgebiets mit gleicher Sorgfalt erforſchen konnte. Erſt in der neueſten Zeit hat die portugieſiſche Marine wieder einzelne Punkte der weſtafrikaniſchen Küſte Runterſucht und Pläne davon aufgenommen. Dies geſchah z. B. mit der füͤdlich von der Stadt Benguela gelegenen und hier noch öfters zu er— wähnenden Bai von Moſſämedes (Annäes maritimos e coloniäes. Parte näo official. Vol. IV) und mit der Bai von Lobito nördlich von Benguela (ebend. Vol. VI). Aber viel bedeutender iſt eine andere portu— gieſiſche kartographiſche Arbeit aus neuerer Zeit, die jedoch nicht allein hydrographiſcher Natur iſt, nämlich die Karte von Weſt-Afrika zwiſchen dem 5 — 19° ſüdl. Breite, welche der Ingenieur-Oberſtlieutenant und ſpatere Marechal de Camp Luiz Candido Cordeiro Pinheiro Furtado auf 208 Gumprecht: Veranlaſſung des General-Gouverneurs von Angola Baron Moſſäme— des im Jahre 1790 anfertigte. Sie war die Frucht eines 25 jährigen Aufenthalts in dieſen Gegenden und bis vor Kurzem die einzige, die wenigſtens ein leidliches Bild der verzeichneten Landſtriche gewährt. Furtado hatte nämlich für ſeine Arbeit eine Menge von Punkten be— ſtimmt und in derſelben eine große Zahl von einheimiſchen Völkerſchaf— ten, Flüſſen und Localitäten aufgeführt, wovon wir früher gar nichts wußten. Ein beſonderes Verdienſt erwarb ſich der Verfaſſer noch da— durch, daß er für die richtige Schreibung der Namen Sorge trug (Balbi, Essai statist. sur le Royaume de Portugal. Paris 1822. II. Append. CXIV). Dieſe Karte ift in Europa erft im Jahre 1821 durch Bowdich bekannt worden, der ſie in feiner Schrift: Account of the dis- coveries of the Portugueze in the interior of Angola and Mozam- bique, mittheilte, woraus fie in die Nouv. annales des voyages von Maltebrun und Eyriès Vol. XXIII, und aus dieſen wieder in Berghaus und Hoffmann's Hertha Bd. I überging. Auch in dem 1825 zu Paris erſchienenen Werke von Feo Cardozo de Caſtellobraneo e Torres: Me- morias contendo à biographia do Vice Almirante Luiz da Motta Feo e Torres, ſoll nach Eyriès (Douville, Voyage au Congo. I. p. XVII) eine Copie davon vorhanden ſein, indeſſen fehlt dieſelbe in dem mir vorliegenden Exemplare und ich finde auch keine Stelle in der Schrift, die über eine Beifügung der Karte Aufſchluß gäbe. End— lich iſt in Bezug auf kartographiſche Darſtellungen von Angola die große Karte zu Douville's Werke zu nennen, die, wie ſchon D. Cooley bei ſeinen kritiſchen Unterſuchungen gemuthmaßt hatte, auf zuverläſſigen älteren portugieſiſchen Karten, in deren Beſitz Douville gekommen ſein mag, beruht. Herrn Kiepert's neueſte Unterſuchungen hierüber haben ihn ganz zu demſelben Urtheile geleitet. Nach langer Vernachläſſigung und erſt nach dem Verluſte Bra— ſiliens begann man in Portugal den continental-afrikaniſchen Beſitzun-⸗ gen wieder Aufmerkſamkeit zuzuwenden und einige zweckmäßige Maß— regeln zu ergreifen, um durch beſſere Benutzung der reichen Hilfsquellen dieſer ungeheuren Landſtriche die für den Staatsſchatz und den Handel des Mutterlandes empfindlichen Verluſte einigermaßen auszugleichen. Bisher hatten nämlich alle afrikaniſchen Beſitzungen den Regierungs— kaſſen keine Ueberſchüſſe geliefert, vielmehr ſehr bedeutende Opfer in Zur Kunde von Sid- Afrika. 209 Anſpruch genommen. Zugleich erſchien in Portugal eine Reihe von Arbeiten mit der Abſicht, Publikum und Regierung gemeinſam auf die begangenen Fehler und traurigen Zuſtände des portugieſiſchen Süd— Afrika und alſo auch Angola's aufmerkſam zu machen, ſowie Maßre— geln zur Hervorrufung eines beſſeren Zuftandes zu veranlaſſen. Dazu gehörten außer mehreren Journalartikeln namentlich folgende Schrif— ten: J. Accursio das Neves, Consideracöes politicas e com- merciäes sobre os descobrimentos e possessöes dos Por- tuguezes na Africa e na Asia. Lisboa 1830. 12. Joaquim Antonio de Carvalho e Menezes, Memoria geographica e politica das possessöes Portuguezes na Africa occidental, que diz respeito aos Reinos de Angola, Ben- guela e suas depedencias. Lisboa 1834. 41 pag. Luiz Ant. de Abreu e Lima, Visconde de Carreira, Memoria sobre as coloniäes de Portugal situadas na Costa occidental d’Africa mandada ao Governo pelo antigo Gover- nador Antonio Saldanha de Gama. Paris 1839. 8. Manoel de Barros e Sousa da Mesquita de Macedo Leitäo e Carvalho, segundo Visconde de Santarem, Me- moria sobre os descubrimientos portuguezes na costa d’Africa occidental. Paris 1841; wozu noch der dritte, Angola behandelnde Theil des vortrefflichen Werkes von Lopes de Lima: Ensaios sobre a statistica na Africa occi- dental e oriental, na Asia occidental, na China e na Oceania. Lisboa 1846, gehört, das mir aber fo wenig, wie die übrigen eben genannten Werke mit Ausnahme des von Accurſio das Neves, zu Ge— bot ſteht, und das auch eine Spezialkarte der portugieſiſchen Beſitzungen in Angola enthalten ſoll. Um die Zuſtände des Landes zu verbeſſern, kam nun eine Reihe von Maßregeln theils bei der Regierung des Mutterlandes, theils bei den General-Gouverneuren in Betracht und theilweiſe auch zur Aus— führung, von denen wir einige hier anführen wollen, da man in Eu— ropa von jenen fernen Ländern wenig weiß. Vorzüglich gehörten dazu ſolche, welche die Bodencultur und den Export der Landesproducte ber trafen. So intereſſirte ſich der General-Gouverneur Nicol. d' Abreu Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 14 * * . 210 Gumprecht: ö Caſtellobranco in den Jahren 1824 — 1828 beſonders für die Förde— rung des bis dahin völlig vernachläſſigten Baumwollenbaues und ſein unmittelbarer Nachfolger der Baron de Santa Comba Dao in den Jahren 1829 — 1834 für Hebung der Kaffeebaumzucht, wozu die Berg- gelände im Innern ausgezeichnet geeignet find. Der Diftriet Encöge lieferte z. B. einen ſchon ſeit langer Zeit als trefflich bekannten Kaffee. Der erſtgenannte Gouverneur ließ auch eine Zuckerfabrik am Bengofluſſe anlegen und verſuchte einen Export von vier zum Theil wichtigen Produk- ten Angola's, von Eiſen, Schwefel, Erdöl und Gold, nach Liſſabon ein— zuleiten. Denn das Land beſitzt eine Fülle des beſten Eiſens, das in— nichts dem vorzüglichſten auf Erden, dem ſchwediſchen und biscayiſchen, | nachſteht (Accurſio das Neves 246; Lacerda in den Annäes mariti- mos e coloniäes. Parte nao official. IV, 195) und von den Ein- geborenen trotz ihres ſehr einfachen und unvollkommenen Verfahrens in hoher Güte aus den Erzen bereitet wird. Schon im vorigen Jahr— hundert hatte das hieſige Eiſen einen ſo bedeutenden Ruf, daß Ray— nal mit gebührender Anerkennung davon ſprach, und daß der treff— liche General-Gouverneur F. Innocens de Souza Coutinho in den Jahren 1764 — 1772 durch ſchwediſche und biscayiſche Bergleute die Eiſengruben von Oeiras im Diſtrict Golungo in beſſeren Betrieb zu ſetzen verſuchte und eine große Eiſenhütte anlegte, Maßregeln, die kei— nen weiteren Erfolg hatten, da die Europäer bald ſtarben (Omboni 389), doch im Beginn dieſes Jahrhunderts Veranlaſſung gaben, daß ein eben ſo ausgezeichneter Gouverneur, der Graf Antonio Porto Santo (de Saldanha de Gama), der Eiſenproduction der Eingeborenen eine größere Aufmerkſamkeit zuwandte und ſie durch zweckdienliche Maßre— geln zu heben verſuchte (Accurſio das Neves 247; Feo Cardozo 302). Die bekannteſten Eiſengruben Angola's, welche das beſte Eiſen liefern, liegen in den Gebirgen öſtlich von Benguela, hauptſächlich in den Di— ſtricten von Golungo (Accurſio das Neves 242; Feo Cardozo 303); Ilamba (Omboni 390) und Balundo (Annäes. mar e col. Parte não offic. IV, 156), ſowie am Fuße von Quibulla (Annes IV, 148), in welchen Gebieten es im Jahre 1799 überhaupt 9 Eiſengruben gab. — Der Schwefel findet ſich hier gleichfalls auf reichen Lagerſtätten und faſt rein in ſolcher Fülle, daß nach Cardozo's Meinung die ganze por— tugieſiſche Monarchie mit Einſchluß Braſilien's damit verſorgt werden Zur Kunde von Siüd- Afrika. 211 könnte (a. a. O. 303). Eine Ablagerung davon liegt in der Nähe der Stadt Benguela, nur 5 Legoas ſüdlich davon und 1 Legoa vom Meere zunächſt von der Farta-Bai (Bahia Farta), im Dombe grande von Quin— zamba, wo ſie Lacerda ſelbſt ſah (a. a. O. IV, 196; f. auch ebend. 149; Feo Cardozo 335, 368; Douville J. 12; Tams, die portugieſiſchen Be— ſitzungen von Süd⸗Afrika, Hamburg 1845. S. 154; Omboni 389). Zur Zeit des Gouverneurs de Porto Santo wurde dieſelbe bearbeitet (Accurſio das Neves 249). — Erdöl giebt es theils nördlich von Loanda an der Mündung des Dandeſtromes, wo es in ſolcher Menge aus Felsſpalten fließt, daß man es vielfach als Theer benutzt (Feo Cardozo 303, 335; Omboni 389); theils im Diſtrict Libongo und bei Moſſämedes (Omboni 393). — Gold hat dagegen Angola in geringer Menge nur im Sande des Fluſſes Lombige und des Cunene (Lacerda IV, 197), ſo daß es in der Goldproduction mit Braſilien nie hat wetteifern können. Zu den neueren Maßregeln für die Hebung Angola's gehörte weiter in den Jahren 1829 bis 1834 die Unterdrückung des Privilegiums des El— fenbeinhandels, die Errichtung einer Induſtrie- und Ackerbau-Geſell— ſchaft für Angola und Benguela durch den thätigen, zu bald ver— ftorbenen General» Gouverneur Domingo Saldanha d' Oliveira Daun, gleichzeitig und ſpäter eine verbeſſerte Organiſation der hier ſtationir— ten Truppen und der Ausbau des für den Handel in das Land Caſ— ſanci fo wichtigen Grenzforts Ambaca oder Embaca (8° 36’ nördl. Br., 25° 55“ öſtl. L); im J. 1836 die von dem portugieſiſchen Miniſterium verſuchte Einführung von Kameelen aus Teneriffa, um dem völligen Mangel an Laſtthieren abzuhelfen, eine Maßregel, die wegen der ſchlech— ten, den Thieren zu Theil gewordenen Pflege anfänglich keinen Erfolg hatte und auch keinen ſchien haben zu können, da das Klima wegen der mehrmonatlichen Dauer der tropiſchen Regen an der Küſte zu feucht für Kameele iſt, indeſſen nach ſpäteren Berichten bei der im J. 1844 erfolgten Nachſendung anderer Thiere in den ſüdlicheren gebirgigen Theilen Ango— labs gelungen iſt, weil man in dem Jahre 1845 beabſichtigte, eine regel— mäßige Verbindung mittelſt derſelben von Moffamedes nach dem geſun— den Binnenlande, namentlich nach dem Diſtrict Huila, zu organiſiren (Annaes marit. e colon. Parte offic. VI, 35, 157); ferner im Jahre 1839 der von dem Gouverneur Ant. Emm. de Noronha unternommene Bau einer ſchönen Straße nach dem Bengofluſſe, ſowie die von dem— 14 * 4 212 Gumprecht: ſelben angeordnete Einführung der Straßenerleuchtung zu Loanda, endlich die von ihm dem jungen deutſchen Arzte Dr. Lang übertragene Unter— ſuchung der vorhin erwähnten Erdölvorkommniſſe; im Jahre 1840 die von dem Gouverneur Emm. Eleuterio Malheire ausgeführte Erforſchung der Landſtriche ſüdlich von Benguela; im Jahre 1842 die von dem für die Emporbringung Angola's überaus thätigen, aber ſchon nach einem Jahre ſeines Amtes verſtorbenen Gouverneur J. X. Breſſane Leite er— griffenen Maßregeln zur Vernichtung des Sclavenhandels, zur Siche— rung des Friedens zwiſchen den Häuptlingen im Innern und zur Ci— viliſirung der Eingeborenen, die er dazu für wohl befähigt erachtete, ſowie Maßregeln zur Eröffnung neuer Verbindungen nach dem Bin— nenlande (Annäes marit. e colon. Parte näo offic. III, 632); im Jahre 1844 die erwähnte Eröffnung der Häfen Loanda und Benguela für fremde Schiffe, endlich im Jahre 1845 die durch den Gouverneur P. Alexander da Cunha ergriffenen Maßregeln zur Unterdrückung des Schmuggelhandels und die von eben demſelben angeordnete Aufhebung des Salzmonopols. In neueſter Zeit hat auch die portugieſiſche Re- gierung den öſterreichiſchen Naturforſcher Welwitſch nach Angola ge- fandt, um die reichen Produkte des Landes zu ſtudiren und darüber zu berichten, ein Plan, den ſchon frühere Miniſterien wiederholt auszufüh— ren ſtrebten, wie namentlich der portugieſiſche Naturforſcher Silva ſich dazu mehrere Jahre im Binnenlande zu Embaca aufgehalten hatte. Aber von dem Erfolge dieſer Arbeiten wiſſen wir nichts, und auch von Welwitſch iſt noch kein Bericht veröffentlicht worden. Lange vorher hatten die früheren Regierungen des Mutterlandes, beſonders um die Mitte des vorigen Jahrhunderts unter König Joſeph J., manche gute Geſetze, z. B. die vom 11. und 25. Januar 1758 erlaſſen, um den Zuſtand Angola's zu heben, aber der geringe Nachdruck bei der Ausführung der Geſetze, ſowie der häufige Syſtemwechſel bewirkte, daß die Verhaͤltniſſe ſich dadurch nicht verbeſſerten. Mit dieſen neueren Maßregeln im Laufe des Jahrhunderts ge— ſchahen einige erfolgreiche Schritte zur Vergrößerung des Gebiets von Angola. So wurde im Jahre 1838 aus den im Reich Ma- tamba eroberten, öſtlich von Ambaca gelegenen gefunden und fruchtba-⸗ ren Landſchaften ein neuer Diſtrict gebildet, der den Namen Duca de Braganza (8° 47' ſüdl. Br., 35° 53’ 20“ öſtl. L. von Ferro) erhielt Zur Kunde von Süd- Afrika. 213 und für die Vergrößerung des Verkehrs nach Central-Afrika höchſt wichtig zu werden verſpricht; ſo geſchah im J. 1840 ein zweiter ähnli— cher Schritt durch die Anlegung eines Etabliſſements an der geräumi— gen und ſchönen Bai, die fruͤher den Namen Angra do Negro hatte und jetzt bei den Portugieſen den der Bai von Moſſämedes nach einem früheren General» Gouverneur, der fie im Jahre 1785 unterſuchen ließ, führt, bei den Engländern aber unter dem Namen der kleinen Fiſchbai bekannt iſt. Bei der günſtigen Lage des Etabliſſements in einer ver— haltnißmäßig gefunden Gegend ſoll daſſelbe wohl gedeihen. Damit ge— ſchah zugleich der erſte Schritt, die Südgrenze des portugieſiſchen Ge— biets factiſcher feſtzuſtellen, indem bisher in den Verträgen, namentlich in dem 1815 mit England abgeſchloſſenen, nur im Allgemeinen angenommen war, daß daſſelbe ſich von 8° bis 18füdl. Br. erſtrecke. Moſſamedes liegt nämlich nach den neueren Beobachtungen portugieſiſcher Seeoffiziere in 15 7 25” ſüdl. Br. und 29° 42“ 12“ öſtl. L. von Ferro oder in 15 17“ 70“ ſüdl. Br. und 2942“ 7“ öſtl. L. von Ferro nach Owen und Vidal (Annäes marit. e colon. Parte näo offic. IV, 393). Für Angola's Aufblühen war es immer das wichtigſte Hinderniß, daß der Sclavenhandel in ſo bedeutendem Umfange betrieben wurde. In neuerer Zeit geſchah dies ſogar noch mehr, als früher, indem nach Vernichtung dieſes Handels an den Nigermündungen die braſiliſchen Sclavenmärkte ſich größtentheils und die ſpaniſchen Inſeln in Weſtin— dien wenigſtens ſehr ſtark von hier aus mit Negern verſorgten (Om— boni 96). Bei der zahlloſen Menge kleiner Buchten längs der ganzen, den Engländern nur wenig bekannten Küſte von Angola war in der That eine ſtrenge Ueberwachung derſelben durch die britiſchen und ſelbſt durch die in neuerer Zeit zu dem nämlichen Zwecke aufgeſtellten portu— ; gieſiſchen Kreuzer faſt eine Sache der Unmöglichkeit. Hierzu kam beſon— ders noch die Ungeſtraftheit des Sclavenhandels. War derſelbe auch ſeit dem 10. Decbr. 1836 in Angola verboten, fo fehlte es doch ſehr an einer kräftigen Vollziehung des Geſetzes, indem bei dem großen, durch den Sclavenhandel gebrachten Gewinn faſt die ganze weiße f Civilbevölkerung an dem Handel betheiligt war und die Gouverneure ihn nicht hinderten, weil ſie große Einnahmen davon bezogen, ja ihn ſelbſt betrieben. Letztes geſchah noch vor etwa 17 Jahren ſo offen, daß die portugieſiſche Regierung ſich genöthigt ſah, den damaligen Gouver— 4 1 * ur 214 Gumpredt:.n neur Em. Bern. Vidal abzuberufen, und daß deſſen unmittelbarer Nach— folger, Ant. Em. de Noronha, bei einem Verſuche, im J. 1839 das Geſetz zur Ausführung zu bringen, von der dadurch entſtandenen Aufregung ganz eingeſchüchtert wurde und feine Entlaſſung nahm (Omboni 393). Erſt dem folgenden Gouverneur Breſſane Leite gelang es, wie erwähnt, kräftige Maßregeln zur Vollziehung zu bringen, als in Folge des Ver— trages vom 3. Juli 1842 mit Großbritannien eine portugieſiſche Es— cadre an den Küſten von Angola erſchien, die man ſpäter noch ver— ſtärkte (Annäes marit. e colon. Parte offic. 1846. V, 149). Zu dem Zwecke wurde damals ein Priſengericht zu Loanda errichtet. Wie nöthig aber auch die Unterdrückung des Sclavenhandels für das künf— tige Wohl des Landes war, ſo verurſachten die neuen Maßregeln doch augenblicklich Störungen und namentlich empfindliche Verlegenheiten für die Staatskaſſen, wie bereits im J. 1843 der damalige See- und Colo— nial⸗Miniſter J. J. Falcäo in der Deputirtenkammer in feinem Geſchaͤfts- berichte, worin das Deficit in den Einnahmen von Angola und Mo— zambique ausdrücklich der geſetzlichen Abſchaffung des Sclavenhandels zugeſchrieben wurde, ausſprach (Ann. marit. e colon. Parte offic. III, 161). Der Handel ſelbſt hörte nicht auf, nur wurden die Sclaven von nun an heimlich, ohne Entrichtung der bisherigen Abgaben, aus— geführt. Man machte zwar Anſtrengungen, durch Hebung der Boden- cultur die Ausfälle zu decken und Erxport-Producte aufzuſuchen ); da die Erfolge aber davon nicht augenblicklich ſein konnten, ſo muß⸗ ten die Kaffen des Mutterlandes das Deficit, das ſich von Jahr zu Jahr vergrößerte, decken, während die Einnahme von der Sclavenaus— fuhr früher ſo bedeutend war, daß nicht nur alle Ausgaben zur Er— haltung Angola's gedeckt werden konnten, ſondern ſogar Ueberſchüſſe blieben. Ein Vergleich des Budgets von Angola aus verſchiedenen Jahren vor und nach der Abſchaffung des Sclavenhandels wird die ) Einige Maßregeln der Art wurden mit glücklichem Erfolge verſucht; fo nahm die Ausfuhr der Orſeille ſehr bedeutend zu und concurrirte erfolgreich mit der von den Inſeln des grünen Vorgebirges, aber der Gewinn wäre viel größer geworden, hätte die portugieſiſche Regierung nicht wieder zu Gunſten des Mutterlandes reſtrictive Maß⸗ regeln getroffen und im Jahre 1844 angeordnet, daß keine Orſeille, als auf portugier 7 ſiſchen Schiffen und nur nach Portugal für Rechnung des Staats ausgeführt werden dürfe (Annäes maritim, e colon. Parte offic. III, 321; IV, 31). Erſt vor Kurzem wurde dieſe Beſchränkung durch das Decret vom 16. Januar 1852 aufgehoben und die Aus- fuhr der Orſeille aus Angola für frei erklärt. Zur Kunde von Sid -Afrika. 215 Veränderung der Verhältniſſe anfchaulich machen. Nach der von der Finanzkammer zu Loanda am 10. Januar 1819 gemachten und durch Feo Cardozo (S. 341 — 342) mitgetheilten Aufſtellung betrugen näm— lich im nächſt verfloſſenen Jahre 1818 die Einnahmen noch 175,202,419 Réis ), die Ausgaben 141,836,000 - jo daß ein Ueberſchuß von 33,366,419 Reis verblieb. Reichliche zwei Drittel der Einnahmen, nämlich 137,320,800 Reis, rührten von 15,784 in dem genannten Jahre nach Braſilien verſchifften Sclaven her, indem pro Kopf je 8,700 Réis Abgabe an den Staat gezahlt werden mußten 2). Schon in dem Jahre 1843 zeigten ſich die Verhältniſſe ungünſtiger, da der vorhin genannte Ma— rine⸗ und Colonial-Miniſter in feinem am 18. März abgeftatteten Be— richte die Einnahmen von Angola allein ohne Benguela nur auf L 106,149,116 Reis, 7 die Ausgaben auf 140,504,072 veranſchlagte, jo daß ein Deficit von 34,354,956 Neis vorauszuſehen war (Annes. Parte offic. III. 164 — 169). Noch viel ungünftigere Ergebniſſe lieferten die Jahre 1845 und 1846. Nach den officiellen Zahlen bei Omboni (S. 407) betrugen damals — die Einnahmen 259,046,357 Reéis, die Ausgaben 383,398,976 „ wonach ein Deficit von gar 124,352,610 Reis oder in dem Laufe eines Jahres von etwa 62,176,305 Reis ftattfand. Poſitive Zahlen aus den letzten Jahren über die wirklichen Einnahmen und Ausga— ben fehlen, doch ſcheint es nach den obwaltenden Umſtänden kaum denkbar, daß die von Herrn v. Minutoli in ſeinem neueſten Werke (II 293) mitgetheilten Budgetsanſchläge des portugieſiſchen Miniſte— riums den wahren Verhäͤltniſſen entſprechen. Danach würden nämlich 5 die etatsmäßigen Einnahmen vorausſichtlich 235,709,900 Reis, die Ausgaben ieee eee eee agen, und es ſtellte ſich nur ein Deficit von 26,671,614 Reis ) 1000 Reis oder ein Milreis find etwa 494 Silbergroſchen. 3 2 ) Nach Omboni (S. 107) erhielt um das Jahr 1835 der General-Gouverneur eier 13,000 Reis (faſt 19 Thlr. Pr. C.) für jeden ausgeführten Sclaven. a ; * 216 Gumprecht: heraus. Solche Annahmen ſtehen aber mit der immer ungünſtiger wer— denden Handelsbilanz im entſchiedenſten Widerſpruche. Nach den durch Herrn v. Minutoli gelieferten officiellen Zahlen (II, 297) betrugen nämlich in den Jahren 1823 bis 1825 und 1830 bis 1832 die Importen 850,000,000 Reis, die Exporten aber 725,000,000 „ fo daß die letzten von jenen um 125,000,000 Reéis durchſchnittlich in einem Jahre überſtiegen werden. Berückſichtigt man hierbei, daß nach v. Minutoli (II, 298) der frühere Sclavenhandel allein einen Export— werth von wenigſtens 634,800,000 Neis hatte, jo würde der Werth aller übrigen ausgeführten Waaren jetzt kaum noch 100,000,000 Reis ausmachen, was freilich ſehr wenig wäre. Noch ungünſtiger ſtellt ſich die neueſte Handelsbilanz, die einen Ausfall von ſogar 791,000,000 Réis ergiebt ). Unter dieſen Umſtänden darf man ſich nicht wundern, daß die weiße Bevölkerung Angola's den Geſetzen des Mutterlandes über die Abſchaffung des Sclavenhandels nur mit großem Widerſtre— ben ſich gefügt hat und daß ſie überhaupt weit größere Sympathie für eine politiſche Verbindung mit Braſilien, wohin auch die Commu— nication viel leichter iſt, als für Portugal hat. Zu Benguela fand ſogar ſchon im Jahre 1821 ein freilich leicht unterdrückter Aufſtand ſtatt, um eine Vereinigung mit Braſilien zu bewirken. Bei der großen Ungewißheit über die wahre Ausdehnung des por— tugieſiſchen Gebiets, und da hier wahrſcheinlich noch nie eine ordent— liche Zählung der Bevölkerung gemacht worden iſt, iſt es auch faſt unmöglich, etwas Beſtimmtes über die letzte zu ſagen. Feo Cardozo ſchätzte ſie um das Jahr 1824 auf etwa 300,000 Köpfe (S. 331); Omboni lieferte im J. 1846 anſcheinend ſpeciellere Zahlen ſowohl in Bezug auf die Territorial-Eintheilung, als auf die Farbe der Einwoh— ner, aber es war ihm, wie er ſelbſt ſagt, nicht möglich, genaue Data zu erhalten, ſo daß die Reſultate ſeiner Tafel ſich nur der Wahrheit nähern mögen, ja mitunter auf das auffälligſte falſch ſind. So giebt er dem Binnenetabliſſement (Presidio) Caconda, wo immer nur eine ſehr ſchwache weiße Bevölkerung vorhanden war (Omboni ſetzt ſie 1) Leider haben ſich den von Herrn v. Minutoli gegebenen ſpeciellen Zahlen (II. 298) über die letzten Ein- und Ausfuhren mehrere Druckfehler eingeſchlichen, wes— 4 halb ich dieſelben hier mitzutheilen unterlaſſe. Zur Kunde von Süd - Afrika. 217 für das J. 1835, in welchem er fich in Angola befunden hatte, gar nur zu 8 Köpfen, lauter Männer) eine Bevölkerung von 2992 Mulatten, und einem zweiten ähnlichen Etabliſſement des Binnenlandes Pedras de Pungo⸗an-Dongo, in dem er 33 Weiße aufführt, 1098 Mulatten, endlich einer dritten Localität, Golungo, die 12 Weiße zu ſeiner Zeit enthalten haben ſoll, 336 Mulatten, dagegen der Hauptſtadt Loanda, in welcher ſich ſtets die ſtärkſte weiße Bevölkerung concentrirt hatte (1601 Köpfe nach ihm, 691 nach v. Minutoli) nur 491 Mulatten. Dieſe Zahlen ſind wahrſcheinlich durch Druckfehler, an denen es Ombo— ni's Tafel auch ſonſt nicht fehlt, irrig!). — Nach Omboni betrug die ganze Bevölkerung Angola's um das Jahr 1835 ohne den neuen Di— firiet Duca de Braganza 386,463, und mit dem letzten ungefähr 400,000 Seelen. Selbſt Herr v. Minutoli ſcheint keine neueren ſpe— ciellen Data über die Bevölkerung erlangt zu haben, da er im Weſent— lichen dieſelben Zahlen, wie Omboni, hat; nur nachträglich bemerkt er, daß nach einer ihm zugegangenen amtlichen Notiz ſich gegenwärtig in Angola 1553 Weiße, 31,471 Mulatten und 556,163 Schwarze, alſo im Ganzen 589,187 Einwohner befänden. 1) Caconda und der Cunene ). Seit dem Jahre 1682 beſitzen die Portugieſen unter dem 14° 43“ füdl. Br. und 33 21“ öſtl. L von Ferro und in etwa 70 Legoa's Entfernung von Benguela in einer waldreichen, gebirgigen, ſehr frucht baren und zugleich überaus geſunden Gegend des Binnenlandes das ſchon erwähnte Etabliſſement Caconda ?), welches zu Omboni's Zeit zwar nur 179 Einwohner, darunter 8 Weiße, hatte, für die Portugie— ſen aber höchſt wichtig iſt und für die Zukunft noch viel wichtiger zu werden verſpricht. Es dient ihnen nämlich als Niederlageplatz für den Handel nach den ungeheuren Strecken des Binnenlandes im Oſten und Südoſten von Benguela und mit dem 160 Legoa's nördlich davon ) Den wahren Verhältniſſen unzweifelhaft entſprechender wurde im J. 1799 die Bevölkerung der Diſtricte Caconda und Golungo (Gualangue) zu reſp. 21 und 7 Weißen, * * 2 zu 155 und 49 Mulatten angegeben (Ann. marit. e colon. P. n. off. IV, 161). ) Der Name Cunene wird theils mit einem e, theils mit einem i am Ende . geſchrieben; letztes iſt in dem Original des hier folgenden Berichts von Leal der Fall. ) Bowdich nennt Caconda ſogar den geſundeſten aller portugieſiſchen Orte in a Angola (Nouv. annales des voyages XXIII, 210). * . 8 218 Gumprecht: und 1 Legoa nur von dem großen Coanzaſtrom gelegenen Poſten Pe— dras de Pungo-an-Dongo als Verbindungspunkt Benguela's mit dem Innern ihrer Beſitzungen auf der Nordſeite des Coanza (Feo Cardozo 366 — 367). Namentlich durch die Begründung des neuen Etabliſ— ſements Moſſämedes muß Cacondas Bedeutung noch wachſen, indem bei der ungeſunden Lage und dem Verfalle Benguela's zu erwarten iſt, daß dieſer Ort bald alle Wichtigkeit verlieren wird, während der Handel von Moſſämedes bei dem guten Hafen, dem verhält— nißmäßig geſunden Klima und endlich bei ſeiner den reichen Binnen— landſchaften Huila, Caconda und Quilengues viel mehr genäherten Lage dieſes Orts!) ſich bald bedeutend vermehren wird, wobei Caconda noch ferner den natürlichen Stapelplatz abgeben dürfte. Eine gra— dere Verbindung mit dem Innern einzuleiten verſuchte man bereits unmittelbar nach der Anlage von Moſſämedes, indem im Jahre 1841 der Commandant des letztgenannten Ortes, der damalige Ar— tillerie-Lieutenant und ſpätere Major Joädo Fr. Garcia zum erſten Male den Landweg nach Caconda erforſchte (der Bericht darüber fin— det ſich in den Annäes maritimos e coloniäes. Parte näo offic. IV, 240 — 264). Als Beweis für die vergrößerte Aufmerkſamkeit, welche die portugieſiſche Regierung jetzt ihren ſüdlicheren Beſitzungen in An— gola ſchenkt, iſt die vor einigen Jahren angeordnete und wahrſchein— lich zur Ausführung gekommene Errichtung einer Ackerbaucolonie in der zwiſchen Moſſämedes und Caconda gelegenen und nur 39 Legoa's von Moſſämedes entfernten Landſchaft Huila oder Auila (Omboni 397; Annäes mar. et col. Parte offic. VI, 139) anzuſehen. Caconda dürfte endlich auch der natürlichſte Verbindungspunkt mit den von Süden her nach Norden vordringenden Europäern werden, indem es von allen portugieſiſchen Etabliſſements dem fruchtbaren und von einer verhält— nißmäßig civiliſirten und bedeutend ackerbautreibenden Bevölkerung be— wohnten Lande des Ovampé, bis in welches Francis Galton bereits im Jahre 1851 vorgedrungen iſt?) und worin der Miſſionar Hugo Hahn nächſtens ſeinen Sitz nehmen wird, am nächſten liegt. !) Mossämedes & molto più vicino ai ricchi paesi dei Cubaes, dei Quilengues, dei Jau, degli Huila e dei Caconda, è molto piü salubre di qualunque altro porto portoghese di quelle regioni. Omboni 397. 2) If Africa is to be civilised, I have no doubt, chat Ovampoland will be an important point in the civilisation of its southern parts, fagt Galton ausdrücklich Zur Kunde von Siüd- Afrika. 219 Von Benguela oder Caconda aus erhielten die Portugieſen die früheſte Kunde von der Eriſtenz eines großen im Binnenlande öſtlich und ſüdlich von Benguela fließenden Stroms, Namens Cunene, und, da wir aus den angegebenen politiſchen Gründen kein einziges aͤlteres portugieſiſches Werk uber Angola gedruckt beſitzen, fo waren es die früher hier ſtationirten italiäniſchen Capuziner-Miſſionare, welche mit der ECEriſtenz und dem Namen des Cunene uns zuerſt bekannt machten. Unter dieſen war es J. A. Cavazzi, der am früheſten in feinem Werke: De- scrizione dei tre regni cioe Congo, Matamba, Angola. Bologna 1687 (deutſch erſchienen unter dem Titel: Beſchreibung der in dem unteren occidentaliſchen Mohrenlande liegenden 3 Königreiche Congo, Matamba, Angola. München 1694, S. 15) den Cunene als denje— nigey Fluß erwähnte, bis zu dem die Landſchaft Benguela im Süden — re Faſt 50 Jahre ſpäter kommt diefelbe Angabe in der franzö— ſiſchen Bearbeitung von Cavazzi's Werk, die dem erſten Bande von des Dominikaners Labat's Schrift: Relation historique de l’Ethiopie - oceidentale. Paris 1732, einverleibt ift, vor. Hier heißt es unter an— dern: Der Rimba und der große Fluß, den man auch Cunene nennt, find die Grenzen Benguela's im Oſten (J, 67). Auf der von d'An⸗ ville zu Labat's Werk gezeichneten Karte geht der Lauf dieſes Stroms nach Südoſten und ſein Ende findet ſich im atlantiſchen Ocean. Dem unteren Theile des Stromes gab d'Anville noch einen Namen, näm— lich Rio de Angra Fria, und er ſetzt nach anderweitigen von ihm benutzten Quellen deſſen Mündung in den Norden des Cap Frio (18° 23’ ſüdl. Breite nach Capt. Owen's Beſtimmungen), wo er denſelben in dem unter dem Namen der kalten Bai (Angra Fria) be— kannten Meereseinſchnitte enden läßt. Da dieſe ſpeciellen Data bei 1 Cavazzi und anderen älteren Autoren fehlen, jo würde ſich ſchon dar— aus ergeben, daß d'Anville anderweitig nicht bekannte Quellen zu Gebote ſtanden, wäre es nicht auch ſonſt bekannt, daß ihm der da— malige portugieſiſche Geſandte zu Paris Materialien zur Conſtruction ſeiner Karten von Süd-Afrika mitgetheilt hatte. Cavazzi's Erwäh— nung des Cunene ging ſpäter aus Labat's Werk in das treffliche große von Bruns: Neue ſyſtematiſche Exbeſchreibung von Afrika. Nürnberg E A } (The narrative of an explorer in tropical South Africa by Francis Galton. Lon- don 1853. S. 229). (> 220 Gumprecht: 1793 — 1799 (Cumeni IV, 161) über. Ritter erwähnte dagegen den Strom nicht. Volle hundert Jahre dauerte es, ehe von dem letzten wieder die Rede war und faſt 150 Jahre, ehe die neuen portugieſiſchen Quellen, die des Stroms gedachten, im übrigen Europa bekannt wur— den. Erſteres geſchah wiederholt gegen den Schluß des vorigen Jahr— hunderts, zuvörderſt in des Portugieſen Mendez, durch Bowdich in ſeiner S. 208 angeführten Schrift, veröffentlichten Berichte über ſeinen Zug von Benguela nach dem heutigen Moffämedes (Nouv. annales des voy. XXIII. S. 233) und wenige Jahre ſpäter faſt gleichzeitig durch drei portugieſiſche Berichte, nämlich in einem officiellen an den Miniſter D. Rodrigo de Souſa Coutinho gerichteten Rapport des durch ſeine ſpätere große Entdeckungsreiſe vom Zambeſe nach dem Lande des Cazembe bekannten Ingenieur-Oberſtlieutenants Joſé Maria de Lacerda, dann in einem Aufſatze eines früheren Gouverneurs vou Benguela, Namens Al. Joſé Botelho de Vasconcellos, endlich in des Oberſtlieute— nants Furtado früher hier (S. 207) erwähnten Karte von Angola. Dennoch iſt man über die Quelle, Mündung und den Lauf des Stro— mes keineswegs im Klaren, da eine von dem General-Gouverneur Baron Moſſamedes im Jahre 1787 ausgeſandte Expedition, an der auch Lacerda Antheil nahm und die beſtimmt war, den Fluß bis zu ſeiner Mündung zu erforſchen, ihre Aufgabe nicht löſte (Annäes ma- ritim. e colon. Parte näo official IV, 197, 206) ), die fpäteren Ver— waltungsbehörden es aber bis in die neueſte Zeit verabſäumt haben, die für die inneren Landſchaften Angola's fo wichtige Frage über die Schiffbarkeit des Stroms und deſſen Ausmündung in den atlantiſchen Ocean zur Entſcheidung zu bringen. Denn ſchon Lacerda hatte aus— drücklich darauf hingewieſen, daß wenn der Cunene ſchiffbar wäre und in den Ocean falle, die Producte der Binnenlandſchaften, namentlich Kupfer und Eiſen, den Strom abwärts mit Leichtigkeit an das Meer gebracht und mit portugieſiſchen Schiffen nach Europa verführt wer— den könnten (a. a. O. IV, 195). Dieſe natürlichſte Anſicht über den Cunene war aber Lacerda, trotz ſeiner Kenntniß des Innern von An— gola und trotzdem daß er den Cunene aus eigener Anſchauung kannte (a. a. O. IV, 197), nicht geneigt anzunehmen, vielmehr neigte er ſich 1) Der ſpecielle Bericht über dieſe Expedition ſcheint verloren zu fein oder er ruht irgendwo noch in den Aeten (a. a. O. IV, 206). Zur Kunde von Süd-Afrika. 22¹ zu der ſehr unwahrſcheinlichen Hypotheſe, daß der Fluß nach Oſten gehe und die ganze hier etwa 300 Legoa's betragende Breite des Continents bis zu der aus älteren Berichten bekannten Landſchaft Monomotapa durch— ziehe, wobei er annahm, daß der Zambeſe der untere Lauf des Cunene ſein möchte, eine Anſicht, die durch den Herausgeber von Lacerda's Bericht, den früheren portugieſiſchen Miniſter Visconde da Sa Bandeira, mit Recht verworfen wurde (a. a. O. IV, 196). Von dem oberen Theil des Cunene berichtete nun Lacerda, daß deſſen Quelle in Candimdo bei Ca— conda liege, daß derſelbe feinen Lauf anfänglich nach Süden nehme, wobei er, nachdem er fich durch die Flüſſe Cobango und Cutado!“) ver— ſtärkt hat, das Gebiet der Häuptlinge (Sova's) von Lebando und Lu— ceque durchziehe. In dieſem Gebiete ſei der Strom, obwohl nur 20 Meilen von feinem Urſprunge entfernt, ſchon fo groß, daß er nicht mehr durchwatet werden könne. Der Sova von Luceque ziehe von ihm eine gute Revenue, indem er die zum Transport der Waaren über den Fluß nöthigen Canoes vermiethe. Dann wende ſich der Strom nach Oſten. Hier hören Lacerda's genaue Nachrichten auf und in der von ihm ſupponirten Fortſetzung des Stroms bis zum Zambeſe folgt der Berichterſtatter ſichtlich nur der Anſicht der Eingebore— nen, was er jedoch ſelbſt eingeſteht, denn er ſagt: E nada mais pode dezir se com certeza deste famoso e grande rio (a. a. O. IV, 196). Aus dieſen Worten ergiebt ſich deutlich, daß der Cunene im Innern wirklich ein beträchtlicher Strom iſt, und daß die Eingeborenen Recht haben, wenn ſie ihn ſo nennen, da Cunene in ihrer Sprache groß bedeutet (Annäes maritimos e coloniäes. Parte näo offi- Cial. IV, 196) 2); ferner folgt aus Lacerda's Mittheilungen, daß der Cunene der Abflußcanal ſehr zahlreicher Gewäſſer eines großen Ge— birgslandes bei Caconda ſein muß, weil er ſonſt unmöglich nach einem Laufe von nur 30 Legoa's ſo waſſerreich ſein würde, wie ihn ei Lacerda ſchildert. — Mit dieſen Angaben ſtimmt auch Furtado's 5 Karte ſehr wohl überein. Nach ihr entſpringt der Cunene etwa un— 3 dem 13° 30“, und richtet feinen Lauf zuerſt nach Süden, dann ———ů— Fr ) Diefer Cutato iſt verſchieden von einem anderen großen Fluſſe deſſelben Namens, der nach Furtado's Karte nach Norden zieht und in den Coanza fällt. ) Auch hieraus ergiebt ſich, wie gut Labat und d'Anville unterrichtet waren, wenn fie den Cunene la grande riviere nannten. * * 222 Gumprecht: nach Süweſten und endlich in der Breite von Caconda beinahe genau nach Oſten, worauf er ſich wendet und gegen Südſüdoſt fließt. Hier hört die Karte auf, ſo daß uns Furtado's Anſicht über den unteren Lauf des Cunene leider unbekannt iſt. In den oberen Lauf des letz— ten bis Caconda fallen nach Furtado mehrere Fluͤſſe, wovon er den Quando, den Cubamgo (wahrſcheinlich Lacerda's Cobando), der nach der Karte ſogar länger und bedeutender als der Cunene ſelbſt iſt, und den Cutato de Ganguelas (Lacerda's Cutato) nennt. Der dritte por— tugieſiſche Bericht, der des Gouverneurs Vasconeellos, iſt von noch grö— ßerer Bedeutung, indem der Strom gerade innerhalb des Verwaltungs— bezirk des Gouverneurs lag. Nach demſelben befindet ſich die Quelle des auch von ihm als ein ausgezeichneter Strom hervorgehobenen Cunene (o famoso Rio Cunene) an den Grenzen dreier Diſtricte, der von Balundo (Bailundo) und Galangue, ſowie an der Grenze des Diſtricts des Sova (Häuptling) von Candumbo !). Hier ver ſtärkt ſich der Fluß durch viele andere, und durchzieht dann, verſchie— denen Richtungen folgend, die Benguela zugehörenden Landſchaften Quallangue (Galengue bei Cardozo), Caconda und Quillengues (Qui⸗ lengues bei Feo Cardoſo), worauf er ſich dauernd nach Süden und Südweſten wendet, bis er am Cap Negro 15° 42“ ſüdl. Br. endet (a. a. O. IV, 154). So ſtimmt dieſe neuere und gewiß zuverläßige Mit⸗ theilung faſt vollkommen mit der älteren auf d'Anville's Karte überein, und es kann kein Zweifel ſein, daß die Verhälniſſe des Fluſſes und deſſen Mündung darin weſentlich richtig dargeſtellt ſind. Hiermit ſtimmen end— lich die Nachrichten ſehr wohl, welche Galton von Süden her bei ſeinem neueren Aufenthalte im Lande der Ovampo von vielen Individuen über die Eriftenz eines großen, nur 4 — 5 Tagereiſen nördlich darüber hinaus gelegenen Stroms einzog, deſſen Namen er zwar nicht kennen lernte, da er einen ſolchen wenigſtens nicht erwähnt, der aber unmöglich ein anderer, als der Cunene ſein kann. Wie Galton nämlich erfuhr geht dieſer Strom der Ovampô, der, gleich dem Cunene, fo tief iſt, daß man ihn nicht überfahren kann, und zugleich ſo breit, daß man die Stimme eines rufenden Mannes auf der anderen Seite nicht verſteht, von Weſten nach Oſten bis zum Ocean, in den er aber ) Den Namen Candumbo hat auch Furtado's Karte. 3 Zur Kunde von Süd -Afrifa. 223 nicht ſelbſt münde. Er ende nämlich ſchon in der Nahe des Meeres wie manche andere Flüſſe Afrikas, namentlich wie der Webbe (Fluß) Schebeyli des Sömalilandes (Chriſtopher's und Cruttenden's Karten der Sömalifüfte im Journal of the Geogr. Soc. of London. XIV und XVIII in dem großen Batti-See, gleichfalls in einem großen See (pool), wobei ſein Waſſer durch den gefährlich zu betretenden Sand der den See von dem Meere trennenden Zunge ſickert (Galton 218). Vergleicht man hierbei die aſtronomiſche Lage des Hauptorts der Ovampo, wo Galton ſeine Erkundigungen einzog (die rheiniſchen Miſſionsberichte 1851, S. 402 nennen denſelben irrig Mondongo, indem Ondonga der Name des ganzen Landes der Ovampo iſt [Galton 207), in 17597 n. Br., 36° 38’ 45” öſtl. L. von Ferro mit der von Caconda und mit der des Cap Frio in 18% 22’, fo kann es in der That nicht zweifelhaft fein, daß auch der Strom der Ovampé der Cunene des Innern von Ben— guela if. Nach den rheiniſchen Miffionsberichten ſoll ſich jener noch mit einem anderen prächtigen Strom, dem Omoronga, vereinigen. Auch das ſtimmt mit der hier angenommenen Identität des Cunene und des Ovampöſtromes überein, daß beide Ströme als Grenzpunkte der politiſchen Verhältniſſe und des Handels dieſer Gegenden erwähnt werden, indem ſchon Cavazzi, wie angegeben, berichtete, daß die Pro— vinz Benguela im Süden bis an den Cunene reicht, und neuerdings Galton erfuhr, daß die portugieſiſchen Handelsagenten aus Benguela nur bis an die nördliche Grenze der Ovampé und deren großen Strom gehen, nie aber denſelben überſchreiten (172, 218). Bei der Bedeutung des in Rede ſtehenden Stromes war es na— türlich von höchſtem Intereſſe ſich zu vergewiſſern, ob im Innern deſſen Mündung von der Art iſt, daß ſie Fahrzeugen eine leichte und ſtets offene Communication mit dem Binnenlande geſtattet, oder ob ſie vom Meere ganz abgeſchnitten iſt oder endlich ob ſie wie die mancher ſüd— afrikanischen Ströme durch Sandbänke nur periodiſch unpaſſirbar iſt. Letztes ſcheint hier der Fall zu fein. Als nämlich die Weſtküſte Süd-Afri— ka's durch den Capt. Ben in der engliſchen Brigg Efpiegle unter: Mündung eines Stromes von ne Stärke, daß derſelbe 2 engl. Meilen weit die See färbte, und daß ein großes mit Waſſer beladenes Boot die Mündung paſſiren konnte (Steedman, Wanderings and adventu- 224 Gumprecht: res in the interior of South Afrika. 2 vol. London 1835. II, 189; W. F. W. Owen, Narrative of voyages to explore the shores of Africa, Arabia and Madagascar. 2 vol. London 1833. II, 230). Bei der bald darauf folgenden Anweſenheit von Owen's Expedition an dieſer Küſte war es derſelben dagegen ſo unmöglich, die Mündung des von Chapman nach ſeinem und Owen's Vorgeſetzten, dem Com— modore Nourſe, Nourſe River genannten Fluſſes, in welchem man ſofort den Cunene der Portugieſen zu erkennen glaubte, zu entdecken, daß man ſogar deſſen Exiſtenz bezweifelte. Chapman's und Owen's Erfahrungen laſſen ſich jedoch bei der Annahme wohl vereinigen, daß der Fluß nur in der Regenzeit, wo er ſtets angeſchwollen ſein muß, einen freien Abzug in das Meer hat, während er in der trockenen Jahreszeit ſchon vor demſelben aufhört, weil er dann nicht mehr die Kraft hat, die durch die Brandung an ſeiner Mündung angehäuf— ten Sandmaſſen zu durchbrechen. Dies vermuthete Owen ſelbſt ſchon und es entſpricht auch ſehr gut den Ergebniſſen einer ganz neuen im November 1854 unternommenen portugieſiſchen Unterſuchung der Mün— dung des Cunene, worüber der nachſtehende von dem Liſſaboner Gou— vernementsjournal (Diario do Governo) vom 23. März 1855 mitge— theilte Bericht, den wir der Güte des Miſſionars Herrn Hugo Hahn verdanken, Auskunft giebt, ſowie ziemlich gut ſelbſt den durch Galton über die Mündung des Ovampöôſtroms erhaltenen Nachrichten. Jeden— falls iſt es nun außer Zweifel, daß es der langen hieſigen Küfte an friſchem Waſſer nicht ganz fehlt, obwohl früher dies ſonderbarer Weiſe ſehr bezweifelt wurde, indem ſogar zwei in ihren Fächern berühmte Männer, der Capt. Tuckey (Maritime Geography. 4 vol. London 1807 II, 548) und der Prof. Jameſon (Narrative of discovery and adventure in Africa. 3th ed. London 1832, 419) dieſe abſurde An— ſicht getheilt hatten, wogegen Steedman mit Recht ausſpricht, daß, da man Ortſchaften an der hieſigen, angeblich völlig waſſerloſen und nach Tuckey vom 15° 32’ — 31° ſüdl. Br. reichenden, alſo faſt 1000 engl. Meilen langen Küſte nebſt menſchlichen Bewohnern gekannt habe, alle die, welche einer ſolchen Anſicht zuſtimmten, es auch hätten erklären müſſen, auf welche Weiſe die Bewohner der Küfte ſich ihr Trinkwaſſer ver— ſchafften (a. a. O. II, 189), und wie die häufig hier vouksmie Elephanten ohne daſſelbe zu leben vermöchten. 3 Zur Kunde von Süd -Afrika. 225 Der von einer Karte und einigen landſchaftlichen Zeichnungen, Beilagen, die in dem mir vorliegenden Exemplare fehlen, begleitete neue portugieſiſche Bericht über die Unterſuchung der Mündung des Cunene iſt nun folgender: „Seit langer Zeit redete man von dem Fluſſe Cunene, der Frucht— barkeit ſeiner Ufer und ſeinem Mineralreichthum, aber dieſe, faſt nur von Handelsleuten, welche die Wuͤſte durchzogen, erhaltenen Nachrich— ten beſagten nichts über deſſen Mündung, jo daß man daraus keine Gewißheit hatte, ob der Strom in ſeinem Laufe durchweg ſchiffbar ſei oder nicht. Entſchloſſen, meinem Lande einen Dienſt zu leiſten, faßte ich den Vorſatz, mich perſönlich nach der Mündung des Fluſſes zu be— geben, um zu ermitteln, bis zu welchem Grade von Wichtigkeit ſich derſelbe, welcher nach der Weſtküſte und nicht nach der entgegengeſetz— ten Seite des Continents ſeinen Lauf nimmt, für den Handel von Afrika erheben dürfte. Der Irrthum, den Cunene nach Oſten flie— ßen zu laſſen, ſchreibt ſich nämlich aus der dem „Verſuch über die Statiſtik unſerer überſeeiſchen Beſitzungen, von Lopes de Lima“ bei— gegebenen Karte her. Es nimmt der Fluß ſeinen Urſprung in dem Lande Nano, deſſen Name bei den Bewohnern dieſer Gegenden eine allgemeine Bedeutung hat und nichts weiter als Hochland ſagen will !), worauf er Molombo und Camba, die an ſeinem rechten Ufer liegen, von der am linken Ufer belegenen Landſchaft Canhama trennt, indem er eine krumme Linie bis an den Küſtenſtrich des Bezirks Mof- ſamedes 2) in 171 Grad nördlicher Breite beſchreibt, etwas, das ſich ſowohl aus der Beſchreibung, welche die Handelsleute des Waldes über feinen Lauf machen, als auch aus den Angaben der Muimbas “) und Muſimbas, Völkerſchaften, die das linke Ufer des Fluſſes bewoh— nen und einige Verbindungen mit den anderthalb Tagereiſen ſüdlich * Moſſämedes anſäſſigen Bewohnern von Croque unterhalten, ſchlie— . läßt. Nach dieſen Angaben iſt denn auch die von mir beige— fügte und aus einem engliſchen Atlas (Bowles's new one-sheet map of Africa) entlehnte Karte entworfen; ſie zeigt die Richtung, cher der Fluß von ſeinem Urſprunge bis zu ſeiner Mündung folgt, die von der Schilderung der Handelsleute oder Eingeborenen wenig abweicht. wi Mit dem feſten Vorſatze, einen genauen Bericht über die Mün— Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 15 5 226 Gumprecht: dung des Fluſſes zu geben und zu erforſchen, bis wie weit derſelbe im Innern ſchiffbar ſei, ſchiffte ich mich am 3. November d. J. mit den Herren Bernardino F. F. de Abreu e Caſtro, Coloniedirector, Antonio Accario de Oliveira Carvalho, Capitain und Eigenthümer der Brigg Aurora, Joſé Duarte Franco, Steuermann des eben genannten Schiffes, und dem Coloniſten Antonio Romano Franco, welche den lebhaften Wunſch hatten, mich auf meinem Ausfluge zu begleiten, zu Moſſäme- des in dem Schooner Conſelho ein. Um halb 12 Uhr Nachts fuhren wir aus der Bai des letztgenann— ten Orts aus und ſteuerten ſüdlich. Am zweiten Tage erhob ſich aus Südweſt ein ſcharfer Wind, der uns nöthigte, einige Stunden beizu— legen. Am dritten Tage ward die Witterung gelinder, und wir ſteuer— ten weiter, bis wir endlich am 8. Tage an die Nordſpitze der Großen Fiſch⸗Bai gelangten und noch am nämlichen Tage in dieſelbe einliefen. Diefe weite, etwa 63 Meilen (Milhas) ) breite und 18 Meilen lange Bucht 5) wird im Oſten durch große Sanddünen ), im Weſten durch eine gleichfalls aus Sand gebildete Halbinſel, deren größte Höhe über dem Waſſerſpiegel 8 bis 9 Palmos (5,57 bis 6,27 rheinl. Fuß) betragen mag, begrenzt, und bietet Fahrzeugen von jeglicher Tragfähig— keit einen ſicheren Ankerplatz dar. Sie hat zugleich einen Ueberfluß an Fiſchen, beſonders aber an Walfiſchen, wie wir zu beobachten Gelegen— heit hatten. Wollte man hier Factoreien für den Fiſchfang anlegen, ſo würde Jeder, der ſich einem ſolchen Induſtriezweige widmete, meiner Ueberzeugung nach einen außerordentlichen Gewinn daraus ziehen. Ob— gleich der umgebende Boden faſt keine Spur von Vegetation zeigt, als etwa hin und wieder einen Cacteenſtamm, ſo findet man doch ganz nahe ſüßes Waſſer und zugleich an der ſüdlich der Bai in einer Ausdeh— nung von 30 Meilen ſich hinziehenden Küſte viele Baumſtämme, die uns ſogleich zu der ſich ſpäter bewahrheitenden Folgerung veranlaßten, daß ſie von den Ufern des Fluſſes Cunene herrühren, durch dieſen zur Zeit des Hochwaſſers herabgeſpült, dann durch die ſtarke Strömung in's Meer geführt und endlich durch die Fluth an den nördlichen Ge— ſtaden der Mündung des Fluſſes wieder abgeſetzt wurden. Als wir uns mehr dem Hintergrunde der Bucht näherten, glaubten wir einige Baumgruppen und einen großen See wahrzunehmen und fanden den Anblick des Landes deshalb immer anmuthiger werdend; dies war j Zur Kunde von Süd - Afrika. 227 jedoch eine Täufchung, die nur wenige Augenblicke dauerte, indem eines der bekannten Lichtphänomene uns kleines Strauchwerk in große Bäume verwandelte und uns veranlaßte, Sandflächen fuͤr Seen anzuſehen, worin ſich die vermeintlichen Bäume und andere erhöhte Punkte ab— ſpiegelten. Am 8., 9. und 10. Tage nach unſerer Abfahrt blieben wir in der Bai vor Anker, in der Abſicht, unſere Reiſe zur See fortzu— ſetzen, bis wir auf die Mündung des Fluſſes träfen. Da dieſer Punkt jedoch faſt unbekannt und die Beſorgniß vorhanden war, es dürfte die Einfahrt eine ſchwierige und kein geſchützter Ankerplatz für den Schoo— ner in der Nähe zu finden ſein, ſo beſchloſſen wir, die übrige Reiſe zu Lande den Strand entlang fortzuſetzen. Nach Beendigung der nöthigen Vorbereitungen ſchifften wir uns am 11. Tage um 8 Uhr 10 Minuten, aus und traten, zuſammen 10 Weiße und 11 Neger, welche letzte unſere Lebensmittel trugen, die weitere Reiſe zu Fuß an. Nachdem wir zweimal inmitten des leichten Flugſandes, den wir zu durchwandern hatten, ausgeruht, machten wir gegen 5 Uhr Abends am Strande das Esponjas (der Schwämme) Halt, wo wir eine Hütte aufſchlugen und die Nacht zubrachten. 5 Früh am Morgen des 12. Tages wurde die Reiſe in der Rich— tung von Norden nach Süden fortgeſetzt. Wir hatten große, in der Länge und Queere mit Baſaltadern durchſetzte Granitblöcke ?) zu paſ— 4 firen, während uns an der Oſtſeite große Sanddünen blieben. Unſer Marſch war diesmal minder beſchwerlich, da der Tag kein ſo heißer war, und wir öfters wegen der ziemlich ermüdeten Träger ausruhten. Nachmittags halb 5 Uhr lagerten wir uns nach einem Marſche von 12 Meilen nahe am Strande, ohne daß jedoch irgend ein Zeichen wahrzunehmen geweſen wäre, daß der Fluß nahe ſei. Bei der Aus— theilung von Waſſerportionen, was anzuordnen nöthig war, da wir kaum 10 große Flaſchen für 21 Perſonen mitgenommen hatten, wur— den wir etwas entmuthigt, als wir bemerkten, daß wir nur einen Vorrath von 5 bis 6 Quart hatten, und keine Ausſicht ſahen, in der ie Waſſer anzutreffen. Es wurde daher beſchloſſen, zwei unferer Begleiter tiefer in das Innere mit dem Auftrage zu ſchicken, an nie— drigen Stellen nach Waſſer zu graben. Das war eine vergebliche Ar— beit, doch verloren wir den Muth nicht, und mit dem feſten Vorſatze, alle Schwierigkeiten zu überwinden, machte ſich zu dieſem Zwecke Herr „ R * 3 15 228 Gumprecht: Abreu Vianna, von einigen Perſonen begleitet, auf den Weg. Wir wußten nämlich nicht, daß wir nur ungefähr noch 44 Meilen von dem Fluſſe entfernt waren. Schon um halb 10 Uhr kehrte die kleine Er— pedition zurück und brachte zwei Flaſchen eines reinen klaren Waſſers aus dem Fluſſe, den wir am anderen Morgen zu ſehen bekommen ſoll— ten, mit. Hoffnungsvoll brachten wir die Nacht hin und ſehnten uns nach der Morgenröthe, um unſer erſtrebtes Ziel zu erreichen. Das dauerte nicht viele Stunden mehr. Um 4 Uhr Morgens wurde un— ſere Hütte abgebrochen, und ſchon um halb 6 Uhr befanden wir uns am rechten Ufer des Fluſſes, anderthalb Legoas oberhalb ſeiner Mün— dung, von wo ab wir ſogleich Sandkränze bemerkten, die nach der P r ee - In Mündung zu ſich vermehrten; nahe derſelben liegt eine kleine Inſel mit einiger Vegetation. Da es aber von dieſem Punkte ſich nicht er kennen ließ, ob der Fluß eine breite und freie Einfahrt habe, ſo zogen wir längs des rechten Ufers bis zur Küſte hinab und bemerkten hier, daß ſich vorn am Fluſſe eine mit der Küſte in vollkommener Verbin— dung ſtehende Sandbank befindet, welche zur Zeit des Hochwaſſers durch die Strömung des Fluſſes durchbrochen oder verſetzt wird. Iſt das Waſſer niedrig, ſo ſickert es durch den Sand. Pimentel ſagt zwar in ſeinem Coursbuche, daß die Strömung des Fluſſes ſich noch auf einige Meilen weit im Meere ſpüren laſſe, und er giebt ſogar die Richtung an, in welcher ein Boot oder Kahn beim Eingang in den Fluß ſteuern müſſe. Ich bin aber völlig überzeugt, daß Pimentel ſich gerade hier be— fand, als die Zeit des Hochwaſſers eingetreten war. Er ſelbſt ſchweigt jedoch von dem Umſtande, und glaubte unzweifelhaft, den gewöhn— lichen Waſſerlauf vor ſich zu haben. Wenn wir alſo, ſtatt den Reſt unſerer Reiſe zu Lande zu machen, zur See geblieben wären, ſo wür⸗ den wir, da die Sandbank ziemlich hoch iſt und in den übrigen Küſtenzug übergeht, wohl gar nicht auf den Fluß getroffen fein, obwohl Piemen⸗ tel deſſen Breitenlage ganz richtig angegeben hat. Ja wären wir ſelbſt des Fluſſes anſichtig geworden, fo hat die Küſte doch hier eine ſolche Brandung, daß ſie einem Boote, welches ſich hätte nähern wollen, den Untergang bereitet haben würde. Nahe am Geſtade und am rechten Ufer des Fluſſes bot ſich eine ziemliche Vegetation dar, und wir trafen große Rudel von Rehen, Antelopen (der Verfaſſer ſchreibt Penelo— pes! G.) und Ziegen. Obwohl wir gleich unſere Gewehre zur Hand ER Zur Kunde von Süd-Afrika. 229 . nahmen, war es doch nicht möglich, die Thiere ſchußrecht zu bekommen. Die Küſte läuft hier in ſuͤd-ſüd-weſtlicher Richtung und gewährt in keiner Weiſe einen ſicheren Schutz. Nahe der Bank iſt der Fluß ſehr ſeicht und würde ſich kaum mit einem plattbodigen Fahrzeuge beſchiffen laſſen; die Ufer find von geringer Höhe und beſtehen aus Sand und Kies mit wenig Vegetation. Wir kehrten von dem Ausfluge nach un— ſerem Lagerplatze zurück, und gleich darauf ſtießen wir zum erſten Male auf einen Elephanten, der am linken Ufer luſtwandelte. Der An— blick verurſachte eine große Bewegung in dem kleinen Bivouak, und ſo— fort wateten ſechs unſerer Leute durch den Fluß, um Jagd auf das Thier zu machen, obwohl das Leben derſelben im Fluſſe wegen der Menge der darin lebenden Jacarés (Krokodile) in Gefahr ſtand. Einige der beherzteſten Jäger ſchoſſen zwar ihre Flinten in ziemlicher Nähe auf das Thier ab, aber der Elephant ſetzte, ohne auf ſeine Verfolger im min— deſten zu achten oder den Schritt zu ändern, ſeinen Weg fort. In ſei— nem gemächlichen, doch weitgreifenden Schritte gewann er den Jägern einen ziemlichen Vorſprung ab, wie ſehr dieſe auch beſtrebt waren, ihn zu erreichen, und richtete ſeinen Weg nach dem Punkte des Ufers hin, der dem, wo wir unſere Hütte hatten, gegenüber lag. Nicht ohne einige Angſt ſahen wir, wie der Elephant den Fluß in der Richtung auf uns zu durchſchritt. Wir ſetzten uns in Vertheidigungsſtand und begannen zu feuern. Das hinderte jedoch das Thier nicht, ſeinen Schritt in aller Ruhe fortzuſetzen, wenn es gleich von Zeit zu Zeit feine gewaltigen Ohren ſchüttelte zum unverkennbaren Zeichen, wie ſehr die Muſik der Kugeln ihm eine fremde und keineswegs angenehme ſei. Den Reſt des Tages und die Nacht brachten wir in vollkomme— j ner Ruhe zu, indem wir im Voraus beſchloſſen hatten, zumal wir noch Lebensmittel genug und jetzt auch Waſſer im Ueberfluß beſaßen, den Fluß, ſo weit wir könnten, zu unterſuchen. kr Am 14. Tage um 4 Uhr Morgens gingen wir längs des rechten Flußufers weiter und fahen bei jedem Schritte auf der einen, wie auf u anen Seite des Fluſſes große Ablagerungen von Schwemmholz dicke Stämme, denen ähnlich, die wir an der Meeresfüfte geſehen hatten. Allmählig wurden die Ufer höher und engten den Fluß mehr ein, ohne daß deſſen Bett dadurch eine Unterbrechung erlitten hätte. Nach zweiſtündigem Marſche ſahen wir aber zwei anſehnliche Fälle. Noch 230 Gumprecht: bildeten hohe Sanddünen das linke Ufer, an dem rechten erhoben ſich dagegen große ſenkrecht abfallende Granitfelſen ), was uns nöthigte, uns etwas vom Ufer zu entfernen und dann 44 Stunden zu marſchi— ren, ehe wir wieder an das Flußufer gelangten. Es war dies einer der beſchwerlichſten Tage auf unſerer Reiſe, beſonders für die Träger, da das Terrain von großen Schluchten durchſchnitten war, die bald quer unſeren Weg durchſetzten, bald hin und wieder ſich wanden. Da es uns der großen Ermüdung wegen nicht möglich war, unſeren Weg an dieſem Tage weiter fortzuſetzen, hielten wir uns an den Fluß, um an deſſen Ufern einen geeigneten Platz zu unſerem Nachtlager aufzuſuchen. In der That gelangten wir an eine ange— nehme und maleriſche Stelle, die eine reichere Vegetation zeigte, indem der größte Theil der dortigen Bäume aus Cedern, jedoch von weit geringeren Dimenſionen, als in Europa, beſtand. Die Ufer ſind hier etwas niedrig und laſſen ſich, beſonders das rechte, leicht paſſiren, ohne daß jedoch ein Saum von dicken Felſen aufgehört hätte, wogegen am linken Ufer die Sanddünen ununterbrochen fortgingen. Hier gewahrten wir viele Excremente von Elephanten nebſt Fußtapfen von Zebras, Rehen, Füchfen, Affen, ſelbſt von Löwen. Die Richtung des Fluſſes ſtreicht in Nordoſt 1 Oſt. Am 15. Tage ſetzten wir bei großer Abnahme unſerer Vorräthe und ohne Hoffnung des Erſatzes durch irgend ein jagdbares Wild, unſeren Marſch fort. Um halb 10 Uhr, als die Hitze drückender wurde, hielten wir an, um auszuruhen und zum Frühſtück den Reſt unſerer Lebensmittel einzunehmen, entſchloſſen, in einem Lande, wo ſich keine Spur eines menſchlichen Weſens zeigte, uns keiner Hungerkriſe auszu— ſetzen und umzukehren, um in kürzeſter Zeit die Bucht wieder zu ge— winnen. Glücklicher Weiſe entdeckten wir während der Raſt einen Ele— phanten nebſt ſeinem Jungen in weniger, als Flintenſchußweite, auf einem beraſeten Inſelchen. Es ward ſofort der Vorſchlag gemacht, die Mutter anzugreifen, um das Junge zu erhalten; dies gab ich jedoch nicht zu, weil mich eine große Verantwortlichkeit getroffen hätte, ſobald einer aus unſerer Begleitung das Opfer ſolcher Kühnheit geworden wäre. Wir ſahen das Thier eine Weile um das Junge herumgehen, gleich als ob es daſſelbe gegen irgend einen Anfall ſchützen wollte. Endlich ließ es daſſelbe ſtehen und ging flußaufwärts durch das Waffer. # * Zur Kunde von Süd -Afrika. 231 Sobald wir es aus dem Geſicht verloren hatten, geftattete ich die Jagd auf das Junge; in wenig Minuten durchſchritt einer von den uns beglei— tenden Soldaten, ein beherzter Schwarzer, den Raum, der uns von dem Thiere trennte, und gab ihm faſt im Berühren einen Schuß, welcher ihm die Schulter durchbohrte. Nun ward es durch 6 Mann nach dem Platze, wo wir lagerten, geſchleppt, geöffnet, abgezogen, zerſchnitten und rationsweiſe vertheilt. Es wog 7 Arroben (d. h. 224 Pfund, die por- tugieſiſche Arroba zu 32 Pfund gerechnet. G.), obgleich es erſt neu— geboren ſein mußte, was ſich daran erkennen ließ, daß es nichts, als Milch, im Magen hatte. Es ward ſogleich eine Portion des Fleiſches gekocht und gebraten, und ich kann verſichern, daß es vortrefflich war. Mit beſſerer Zuverſicht ſetzten wir nun unſere Reiſe weiter fort. Der Anblick, den das demnächſt durchzogene Land darbot, blieb immer derſelbe, mit dem Unterſchiede, daß die Vegetation mehr entwickelt war und Fußtapfen verſchiedener Thiere ſich in größerer Anzahl wahrneh— men ließen, beſonders von Elephanten, was uns glauben ließ, daß mehr nach dem Innern des Landes ſich große Heerden dieſer Thiere an den Flußufern aufhalten, die zu beſtimmten Jahreszeiten die Ufer herabkommen, längs denen wir gezogen waren. Von der Muͤndung des Fluſſes bis zu der von uns erreichten Stelle, eine Strecke von ungefahr 21 Meilen, begegneten wir ſchon acht Elephanten, die nach dem Innern zu ihren Weg nahmen. Bis zu dem Punkte wenigſtens kann man dem Fluſſe eben keine Wichtigkeit beilegen, indem er eng, ges wunden und voller Fälle, mithin nicht ſchiffbar iſt. Denn wollte man auch die Stromſchnellen ebnen, was nicht unmöglich ſein dürfte, ſo würde man die Mündung doch nie völlig frei haben. Das linke Ufer beſteht näm— lich aus ſtarken Sandhügeln, welche die Gewalt des Hochwaſſers leicht hinwegſpült und nahe an der Mündung, wo der Fluß am ſeichteſten und mithin auch die Strömung am ſchwaͤchſten iſt, wieder abſetzt. Ob der Strom an anderen Punkten ſchiffbar iſt, wiſſen wir nicht, und eben ſo wenig, in welcher Entfernung von hier ſich deſſen Ufer— bewohner befinden. Was wir in der Entfernung ſahen, war eine Kette ziemlich hoher, von Norden nach Süden ſich hinziehender Berge, auf deren Ueberſteigung wir jedoch in Betracht der wenigen oder gänzlich uns fehlenden Bequemlichkeiten der Reiſe verzichteten. Ueberdies war der Zweck unſerer Miſſion ein anderer, und dieſen hatten wir erreicht. Am 232 Gumprecht: 16. Tage traten wir deshalb unſere Rückreiſe nach der Großen Fiſch-⸗ Bai in der Richtung Nord-Weſt 4 Nord an und kamen dort am 17. etwa um 10 Uhr Morgens an, indem unſere Fußreiſe zu Lande 30 und einige Legaos betragen hatte. Wir ſchifften uns hier ein, und ließen am 18. um 1 Uhr Nachmittags den Anker in der ſchönen Bai von Moſſamedes fallen. Gleich nach der Ausſchiffung wurde ein Protokoll über den Ver— lauf der Reiſe, ſowie über die Gründe, die uns zur Veränderung des Namens jenes Fluſſes bewogen hatten, niedergeſchrieben. Schon jetzt machen ſich die Folgen unſeres Ausfluges bemerkbar. Mehrere Be— wohner von Mofjamedes, die als Handelsleute den Wald zu durch— ziehen pflegen, rüſten ſich zu einer Land-Excurſion nach den Ufern des unterſuchten Stroms, wo ſie ohne Zweifel eine neue Quelle der Bereiche— rung ihres Handels-Etabliſſements ſinden werden. Knüpfen ſie dann einen fried- und freundlichen Verkehr mit den Eingeborenen jener Land— ſtrecken an, ſo dürfte dies leicht den Erfolg haben, daß die Eingebo— renen künftig ſelbſt nach Moſſämedes, um Handel zu treiben, kommen, nach dem Beiſpiel der Völkerſchaften der Gambos ), Huilla !“), Jaun), Humputa, Quillengues, Humbe ?), Cumba, Mulondo !?) und anderer. Moſſämedes, den 20. November 1854. Fernando da Coſta Leal.“ ) Ein Land Namens Nano erſcheint bereits in dem früher (S. 220) angeführ- ten Berichte Lacerda's vor, worin geſagt wird, daß daſſelbe bis zu dem früher und ſpäter nirgends weiter erwähnten, nach Lacerda aber die beiden Provinzen Benguela und Angola trennenden Fluſſe Aco reiche und die Landſchaften Balundo, Ambo, Quiaca, Quitata und Galangue umfaſſe (a. a. O. IV, 190, 198). In des italiäniſchen Capuci⸗ ners Cannecattim umfangreichen Wörterbuche der in Angola herrſchenden Bundaſprache kommt das Wort Nano gar nicht vor, während das Wörterbuch doch ausdrücklich ſagt, daß die Bundaſprache in Galangue (Gullungo bei Cannecattim) herrſche (Diccionario da lingua Bunda ou Angolense. Lisboa 1804. S. VII). So iſt es möglich, daß Nano ein Wort der Benguelaſprache iſt, die, wenn auch von gleichem Stamm mit dem Bunda, doch fo ſehr davon abweicht, daß fie von den Bunda Redenden ſchwer verſtanden wird (Cannecattim, Collecäo de observagoes grammaticäes sobre a lingua Bunda ou Angolense. Lisboa 1805. S. XV). Eine ähnliche geographifche Bedeutung, wie Nano, ſcheint übrigens noch ein anderes Bundawort, nämlich Bambi, zu beſitzen, das kalt bedeutet (rio nach Cannecattim Diccionario 427) und einfach oder in Zuſammenſetzungen ſich vielfach auf den Karten d'Anville's und Furtado's und in den verſchiedenen älteren Berichten über Angola als Benennung von Localitäten, Ge— Zur Kunde von Std = Afrika. 233 birgen und Flüſſen Angola's in mannigfachen Formen findet, wobei man deutlich ſieht, daß ſolche Namen vorzugsweiſe gebirgigen Gegenden eigen ſind und daß alſo die gemäßigte oder ſelbſt kalte Atmoſphäre die Wahl von dergleichen Namen Seitens der Eingeborenen veranlaßt haben mag. So erſcheint ſchon bei dem älteſten italiäni— ſchen Berichterſtatter über Angola, Ed. Lopez, eine große, zwiſchen dem Ambriz- und Loze⸗ (sic! G.) Fluſſe gelegene Gebirgs-Landſchaft des Reiches Congo, Namens Bamba (Purchas Pilgrims. London 1625. II, 999), was mit Furtado's Karte übereinſtimmt, die zwiſchen dem Ambriz- und Logefluſſe ein Land Bamba hat; ſo erwähnten G. Mendez (f. hier S. 218; Nouv. Annales des voyages. XXIII, 353, 357) und der Lieutenant Garcia (ſ. S. 218 und Ann. marit, e col. Parte n. offic. IV, 243) zwiſchen Benguela und Caconda eine Gebirgslandſchaft Baͤmbo, und auch Furtado die Namen Muene Bumbe, d. h. Herr von Bumbe, ſüdlich von Loanda, Muene Bumbe zwiſchen dem Loge- und Dandefluſſe, Bumbe Lunga ebendort, Bambea moxima am Fluſſe Cutato dos Ganguelas (ſ. hier S. 222), Cambambe am Coanza, Quimbumby oſtſüdöſtlich von Moſſämedes hat, wozu endlich Bambe (Omboni S. 130) und die Völkerſchaften der Bimba's im Diſtricte Balundo (Ann. marit, e colon. Parte nao offic. IV, 157) treten. Danach iſt anzunehmen, daß die von Lopez (Purchas II, 999) in das Binnenland Angola's verſetzten fal- ten Berge (Monte freddi; Sierra fria der Portugieſen), die derſelbe ſogar zu 4 Schneebergen macht, bei den Angolaeın auch Bumbo, Bambi oder ähnlich genannt werden. Hiernach und bei der großen Verbreitung des ſüdafrikaniſchen Sprachſtammes darf man ſich ſelbſt nicht wundern, daß es noch ein Gebirge Bumbo an der de La— goabai giebt (Cowie und Green bei Steedman I, 285). G. ) Der Name Mofjamedes wurde ſchon im J. 1785 bei Gelegenheit von G. Men- dez Expedition der ſogenannten Negerbai (Angra do Negro), wie ſchon S. 213 erwähnt, nach dem damaligen Gouverneur dieſes Namens gegeben, während dieſelbe bei den Engländern den Namen der kleinen Fiſchbai (Little Fishbay) führt. Aber erſt im 3. 1840 fand hier die Gründung einer Handelsſtation ftatt, die ſich bald zu einem im J. 1846 ſchon 120 weiße Einwohner zählenden Dorfe erhob, das bei den Eingeborenen Biſungo Bittoto heißt und eine Liniencompagnie zur Beſatzung hat. Eine Beſchrei⸗ bung der Bai, in welche ein großer Fluß, der Bero der Eingeborenen, fällt, liefern die Annäes marit. e colon. IV, 393 — 395, wozu der hier S. 207 erwähnte Plan der Bai gehört. G. 3) Die Muimbas nennt auch Vasconcellos (Moimbas, IV, 151); fie ſcheinen verſchieden von den am Cunene im Diſtrict Caconda wohnenden Munhembas (Vas⸗ 1 concellos IV, 153) zu ſein, welche letzte ebenfalls Lacerda als Monhembas erwähnte V, 198). ) Dieſe Meilen find wahrſcheiulich portugieſiſche Seemeilen zu 54 auf den Grad, während von den fpäter zu erwähnenden Legoas 18 auf den Grad gehen. G. 9 Die große Fiſchbai, die mitunter, freilich ſehr ungeeignet, Tigerbai ge— nannt wird, da es weder hier, noch ſonſt in Afrika wahre Tiger giebt, wurde in neue- rer Zeit zuerſt durch die britiſchen Capitaine Heywood vom königlichen Schiffe Ne— eus im Jahre 1811 und Owen im Jahre 1825 (II, 230), dann durch die franzö— ſſiſchen Seeoffiziere Cceille und Troude mit dem Kriegsſchiff IIcroine beſucht (An- 1 nales maritimes et coloniales. Paris 1845. II bis S. 272 — 273). Die Beſchrei⸗ 1 bungen dieſer Offiziere ſtimmen ſehr gut mit der unſeres Berichterſtatters überein. 1 L* 3 1 en A 234 Gumprecht: Danach iſt die Lage der Bai, die Heywood in 1618“, Cécille und Troude in 16° 31“ ſüdl. Breite, 299 21’ öſtl. Länge von Ferro verſetzten, eine der ausgezeichnet ſten dieſer Gegenden, indem ſie 15 bis 16 Meilen weit in das Land hineinreicht und noch in der Mitte 10 bis 12 Meter Tiefe hat. G. 6) La cöte orientale de la baie est formée de hautes dunes de sable stériles d'une apparence brunätre. Annales maritimes et coloniales. Paris 1845. II bis S. 309, nach Purdy, New sailing directory for the Ethiopic or southern Atlantic. G. ) Dieſe Baſaltadern find viel wahrſcheinlicher Adern von Diorit, den der Rei⸗ ſende der dunklen Farbe wegen mit Baſalt verwechſelt haben mag. G. 6) Ein großer Theil der hieſigen Küſten und vielleicht der ganze Zug derſelben ift granitiſch, indem von dem granitiſchen Cap St. Marie an bis zur Elephanten⸗ Bai in dem ganzen Terrain Granitfelſen anſtehen (Warnet de Recouvrance, Annales marit. et colon. 1845. II bis S. 265 — 266). G. 9) Die Gambo's wohnen in dem zwiſchen der Stadt Benguela und Caconda gelegenen Diſtriet Quilengues (Vasconcellos IV, 151). G. 10) Huila oder Huilla iſt ein Binnendiſtrict der Provinz Benguela (f. hier S. 211). G. 11) Die Völkerſchaft der Jan erwähnt auch Omboni als in der Nähe von Moſ— ſäamedes wohnend (S. 397), nicht minder Mendez dort ein Land Jaou (a. a. O. XXIII, 353, 355, 356). G. 12) Humbe oder Huambo iſt eine Landſchaft im Nordoſten von Caconda (Feo Cardozo 368; Vasconcellos IV, 153, 161). G. 13) Einen Sova von Molondo im Diſtrict Quilengues erwähnt Vasconcellos (IV, 151). G. 14) Die Namen Humputa und Cumba finde ich bei keinem Berichterſtatter über das Innere von Benguela. G. Zuſatz, Der früher hier (S. 204 — 205) als Verfaſſer eines ausführlichen dreibändi⸗ gen hiſtoriſch-geographiſchen Werkes über Angola, das den Titel: Historia geral de Angola führt (Barboſa Machado I, 343), erwähnte Antonio Oliveira de Cador⸗ nega hat nach demſelben Literarhiſtoriker noch zwei gleichfalls nur handſchriftlich vor- handene große hiſtoriſche Werke über dieſe Gegenden, nämlich eine Geſchichte der Ereigniſſe in Angola zu feiner Zeit bis zur Verwaltung des General-Gouverneurs D. Joao de Lencaſtre in 4 Bänden (Historia de todas as cousas, que succederäo em Angola no tempo dos Governadores, que governaräo depois da Guerra [wahr ſcheinlich iſt damit der Krieg mit den Niederländern gemeint]) und einen Abriß der Geſchichte der Eroberung der Provinz Benguela (Compendio da expugnagao de Reyno de Benguela e das terras adjacentes) geſchrieben. Das erſtgenannte der drei Werke war aber nicht allein im Jahre 1822, wie S. 205 berichtet, durch Langles der Pariſer geographiſchen Geſellſchaft zur Herausgabe vorgeſchlagen wor— Fr 1 4 Zur Kunde von Süd - Afrika. 235 den, ſondern daſſelbe geſchah noch einmal 10 Jahre ſpäter im Jahre 1832 durch Dubeuxr, auf deſſen Vorſchläge die Central-Commiſſion der Geſellſchaft einging und den Druck beſchloß, der aber noch heute bei dem Mangel an Mitteln nicht erfolgt iſt, obwohl das Werk von der Commiſſion als ſehr vollſtändig in geographiſcher Hin— ſicht gerühmt wurde (Bulletin de la Soc. de Geogr. 1% Ser. XVIII, 287, 289, 368, 369). Dies iſt ſehr zu bedauern, da Cadornega's langer Aufenthalt in An— gola und ſeine thätige Theilnahme an vielen Kriegen und Vorfällen ihn zu einer beſſeren Kenntniß des Landes geführt haben muß, als irgend Jemand vor ihm und nach ihm beſeſſen haben mag. Zugleich iſt der Verfaſſer eines der merkwürdigſten Bei⸗ ſpiele der Widerſtandsfähigkeit einer europäiſchen Körperconſtitution, ſowie einer bei— ſpiellos langen, ungeſchwächten, geiftigen und körperlichen Thätigkeit in dem verberb- lichen Klima von Angola und Benguela. Cadornega kam nämlich ſchon im Jahre 1639 mit dem zum General-Gouverneur ernannten D. Pedro Cezar de Menezes in dieſe Gegenden, gerade als die Niederländer die erſten Eroberungsverſuche machten, denen im Jahre 1640 die Eroberung von Loanda folgte, und focht ſehr tapfer gegen die Feinde ſeines Volkes, wobei er allmählig zum Capitain vorrückte. Nach der Vertreibung der Niederländer aus Angola im Jahre 1648 blieb er hier noch über 40 Jahre, indem er erſt im Jahre 1690 in der Hauptſtadt als penſtonirter Haupt⸗ mann ſtarb, nachdem er im J. 1680 das erſte ſeiner genannten Werke verfaßt hatte. Auch Barboſa Machado (I, 342) bemerkt ausdrücklich, daß Cadornega ſowohl aus Büchern, als durch die Thaten, die er beſchrieben, eine wahre Kenntniß des Landes erlangt habe. Wo ſich aber zu Machado's Zeit deſſen beide anderen Werke in Por- tugal befanden, giebt dieſer Verfaſſer nicht an. — Zum Beweiſe der Kenntniß der älteren Portugieſen von den afrikaniſchen Küſten läßt ſich endlich aus Barboſa Machado's überaus ſeltenem Werke noch eine Arbeit von Antonio Mariz Carneiro über die Oſtküſte des Continents zwiſchen Mozambique und Sofala, nämlich das Begimento de Pilotos e Roteiro das Navegacoes de India oriental aumentado e acrecentado com o roteiro de Sofala atè Mogambique, das in Liſſabon in drei ver een Auflagen in den Jahren 1632, 1655, 1660 erſchien, anführen. * 2 Gumprecht. Neuere Literatur. The Mediterranean. A memoir physical historical and nautical by Rear-admiral Will. Henry Smyth etc. 8. London. J. W. Parker and Son. 1854. 500 8. (Schluß). Das Werk unſeres Verfaſſers enthält nun 4 größere und einen kleineren Abſchnitt nebſt einem Anhange. Von den fünf Abtheilungen giebt der erſte auf 100 Seiten eine Ueberſicht der Küſten des Mittelmeeres mit beſonderer Berückſichtigung ihrer Städte und Producte, ſowie ihres Handels, der zweite auf 92 Seiten eine ausführliche und wichtige Darſtellung der Eigenſchaften des Mittelmeeres an ſich, namentlich der Eintheilung, Temperatur, Farbe, ſpez. Schwere, Strömungen und Größe deſſelben, endlich eine Nachricht über die Zuſammenſetzung feines Waſſers, woran ſich eine Aufzählung der darin le benden Fiſche anſchließt, der dritte gleichfalls auf 92 Seiten iſt eine Abhand- lung über die im Bereiche des Mittelmeeres beobachteten atmoſphäriſchen Er— ſcheinungen, der vierte abermals von 92 Seiten liefert eine Geſchichte der Auf— nahmen und anderweitigen Unterſuchungen im Mittelmeere, woraus der erſte Abſchnitt unſerer Anzeige bereits das Weſentlichſte mitgetheilt hat, der fünfte endlich auf 29 Seiten berichtet über die in dem Werke angenommene Ortho- graphie und Nomenclatur, und theilt ein überaus reiches Verzeichniß von 16— 1700 Längen- und Breitenbeſtimmungen von Localitäten an der Küfte nebſt Beobachtungen über die Abweichungen der Magnetnadel mit. Die Krone des Werks, der größte Theil jener erſten Reihe von Beobachtungen rührt von dem Verfaſſer ſelbſt her (S. 431 — 452), der kleinere (S. 452 — 470) iſt anderen Quellen, namentlich den Beobachtungen Gauttier's entlehnt. Dieſer Reichthum von ſorgfältig beobachteten und fleißig berechneten Ortsangaben iſt ein unſchätzbares Hilfsmittel für die Theorie und Praxis in der Nautik und zugleich ein außerordentlicher Gewinn für die Geographie und Kartographie, indem die Kenntniß der Geſtalt des Mittelmeeres, des Marmora- und ſchwar— zen Meeres von nun an auf unwandelbaren Grundlagen beruht. Der 28 Seiten lange Anhang behandelt die Eröffnung eines Weges nach dem Innern von Afrika, wozu Admiral Smyth das Material während ſeines Aufenthalts zu Tripoli im Jahre 1846 geſammelt hat, dann die vulkaniſche Grahamsinſel, die bekanntlich im Jahre 1832 erſchien und bald wieder verſchwand. Was den von dem Verfaſſer empfohlenen Weg in das Innere von Afrika betrifft, ſo iſt es der von Tripoli aus über Fezzan, d. h. derſelbe, den früher Horne— mann und bereits im Beginn des vorigen Jahrhunderts die Geſellſchaft katho— 1 liſcher Geiſtlichen eingeſchlagen hatte, über deren Unternehmung der Admiral eine in dieſer Zeitſchrift II, 245 — 248 mitgetheilte Notiz zu Tripoli aufge— funden hatte. Um die Erneuerung der Unterſuchungen im centralen Afrika P bat ſich derſelbe in der That ein ſehr weſentliches Verdienſt erworben, indem er wieder die erſte Anregung dazu gab, wie er ſelbſt ausdrücklich bemerkt (S. 479), und den leichteſten Weg dazu anwies. Ein ausführlich und forg- fältig gearbeitetes Regiſter erleichtert ungemein die Benutzung des Werkes, indem es einen ſehr großen Reichthum von einzelnen Beobachtungen und An— gaben jeder Art nachweiſt. — In dem Folgenden wollen wir den Leſern unſe— rer Zeitſchrift eine allgemeine Ueberſicht des Inhalts des Werkes mittheilen, indem wir uns vorbehalten, von einigen der wichtigeren und intereſſanteren Materien deſſelben ſpecieller Rechenſchaft zu geben. Der erſte Abſchnitt ent⸗ hält, wie geſagt, eine Schilderung aller Ränder des Mittelmeeres; von den Dardanellen aus benutzt der Verfaſſer jedoch die Gelegenheit, in das Meer von Marmora, das ſchwarze und aſowſche Meer überzugehen, von deren Rändern und ihren Verhältniſſen er gleichfalls einige Nachrichten, meiſt nach Gauttier, liefert. 1 Von einem der beiden weſtlichſten am Mittelmeer gelegenen Punkte, der t . W. H. Smyth: The Mediterranean. 237 * Felſenfeſtung Gibraltar, aus, die ſich an eine umfangreiche Kalkſteinmaſſe aus der oolitifchen (juraſſiſchen) Periode in 1430 Fuß 1) Höhe anlehnt, beginnt die Küftenfahrt und endet auf der anderen Seite der berühmten Meeresſtraße bei Tanger und dem Cap Spartel, dem zweiten weſtlichſten Punkte. Die Länge der ſpaniſchen Meeresküſte von Gibraltar bis Cap Creux, wo das fran— zöftiche Gebiet beginnt, wird auf 780 engl. Meil. angegeben. An die Befchrei= bung der ſpaniſchen Küſte und ihrer Häfen ſchließen ſich Bemerkungen über die ſpaniſchen Inſeln Majorca, Minorca, Jviza nebft Formentera; beſonders iſt es hier der umfangreiche Hafen Mahon, einer der ſtattlichſten und ficher- ſten Plätze für die Schifffahrt in dieſem Meere, welcher den Engländer interef- ſirt. Die franzöſiſche Küſte dehnt ſich zwiſchen Cap Creur und der Var— Mündung auf 300 Meilen aus; die hier gelegenen Punkte, welche kürzer oder ausführlicher berührt werden, find Port Vendre, Cette, Montpellier, die Rhone⸗ 5 Mündung, die ſonderbare, la Crau genannte Ebene, der Golf von Foz, Mar- tigues, Marſeille, Toulon, die Hyeren. Die Beſchreibung der klaſſiſchen Kü- ſten von Italien und Griechenland nebſt den dazu gehörigen Inſeln nimmt en verhältnißmäßig ausgedehnten Raum von S. 17 — 73 ein. Neben der Darſtellung und Kritik der Hafenorte, der phyſiſchen Beſchaffenheit der Küften- iche, der hiſtoriſchen Erinnerungen, welche ſich an dieſe Gegenden in ſo em Maaße knüpfen, ſind es auch ſtatiſtiſche Ueberſichten von Länder— um und Bevölkerungsverhältniſſen, welche zur Kenntniß dieſer merkwürdigen 1 4) Die hier und in dem Folgenden angeführten Höhen find ſammtlich in engli- ſchem Maß gemeint, ſowie auch die Angaben der Längen und Flächen. 238 Neuere Literatur: Geſtadeländer hier beitragen, zumal in hiſtoriſchem Intereſſe für die Zeit, in welcher das Buch entſtanden iſt, und zur Vergleichung mit ihren heutigen Zus ſtänden. Was der Verfaſſer „geologiſche Veränderungen“ nennt und worauf er in dieſer Ueberſicht der Küſten wiederholt und ſpäterhin im Zuſammenhange zurückkommt, ſind nach ſeiner Auffaſſung durch Waſſerkraft ſowohl, wie durch vulkaniſche Thätigkeit hervorgebrachte bedeutende Umgeſtaltungen an dem von ihm in Betracht gezogenen Theile der Erdoberfläche. Namentlich erregt in dieſer Beziehung das untere Italien, ſüdlich vom Veſuv, ſowie Sieilien mit dem Aetna hohes Intereſſe. Die Meſſungen an dem Aetna, wie ſie Smyth im J. 1814 vornahm, ergeben ein faſt gleiches Reſultat, wie die von Herſchel im J. 1824 veranſtalteten, nämlich bis zur Ziegengrotte 5,362 Fuß nach Smyth und 5,423 nach Herſchel, bis zum engliſchen Hauſe 9,592 Fuß nach beiden Meſſungen, und der Gipfel 10,814 Fuß hoch nach Smyth und 10,872 F. nach Herſchel. Die Höhe des Veſuvs wird zu 3880 F. angegeben, die höchſten Granitmaſſen der Inſel Corſica ſollen 8,100 Fuß über dem Mee⸗ resſpiegel erreichen, und auf Sardinien ſteigt der Gere-Argentu bis 5,276 F. Höhe an. Unter den Producten, durch welche die Inſel Sicilien den Nachbar⸗ ländern beſonders voranſteht, nimmt bekanntlich der Schwefel eine vorzügliche Stelle ein. Um Radduſa bei Aidine, am Fiume ſalſo, bei dem alten Himera befinden ſich die ſehr weit verbreiteten Lager deſſelben, und in dem weiten Gebiete von Girgenti herrſcht, wie Hoff in ſeiner Geſchichte der Veränderungen der Erdoberfläche Bd. II, S. 250 anführt, der Glaube, daß, wo man auch gras ben möge, man eine Schwefelmine finden werde. Die am längſten bekannten Niederlagen befinden ſich in dem Theile der Inſel, der ſich von ihrer Mitte bis an die ſüdliche Meeresküſte erſtreckt und zu beiden Seiten von Linien ein⸗ geſchloſſen wird, die man von einer Seite nach Sciacca zu und von der ans dern in Schlangenzügen über das Gebiet von Radduſa her nach dem Meere zieht. In dieſem Bezirke beſteht, kann man ſagen, ein großer Theil des Bo— dens aus Schwefel, welcher hier und da ganze Gänge ausfüllt ). — Die benachbarte Inſel Malta nimmt die Aufmerkſamkeit des Engländers beſonders in Anſpruch und erhält deshalb auch hier eine ſehr umfaſſende Darſtellung; in alter Zeit mit ihren Nebeninſeln als Zubehör Afrika's betrachtet und wohl Melita Africana zum Unterſchied von Melita IIlyriaca genannt, ift fie, ſeitdem ſie in engliſchen Beſitz kam, durch eine Parlamentsacte als zu Europa gehörig erklärt worden, ungeachtet der Gebräuche, Sprache und Lebensart der Einge— borenen, die ſehr entſchieden ihre Verwandtſchaft mit den Arabern in der Berberei beurkunden. Der Hafen von Malta gehört bekanntlich zu den vor— züglichſten des Mittelmeeres und ſteht in gleicher Linie mit dem prachtvollen 1) Ueber dieſe Producte, ſowie über das Ganze der Inſel erhielten wir bekannt— lich bereits vor mehr als 25 Jahren von dem Verfaſſer eine treffliche und ausführliche Monographie. Doch iſt es nach der üblichen geognoſtiſchen Sprache nicht richtig, wenn er den Schwefel Sieiliens in Gängen auftreten läßt. W. H. Smyth: The Mediterranean. 239 | 3 zu Port Mahon auf Minorca. Malta hat eine ſehr bequeme Lage für den Handel mit dem öſtlichen Theile der Berberei, mit Aegypten, Syrien und Griechenland. Schiffe finden hier Alles, was ſie bedürfen. In Betreff der von Malta aus beſonders in das engliſche Handelsintereſſe aufzunehmenden Nachbarinſeln und Länder treffen mit unſeres Verfaſſers Unterſuchungen zu— ſammen die Reiſebriefe des Engländers Blaquière, welcher um dieſelbe Zeit mit ihm das Mittelmeer bereiſte und über Sicilien, Malta, Tunis und Tripolis eine ſehr ſchätzenswerthe Darſtellung veröffentlichte, um damals die Aufmerkſamkeit der britiſchen Regierung auf jene Gegenden zu lenken und richtigere Begriffe über ihre politiſchen und commerciellen Hilfsmittel zu ver- breiten — eine Kenntniß, die jedem Staate unentbehrlich iſt, welcher Vortheile aus freundlicher Verbindung mit anderen Staaten zu ziehen ſucht. Der darauf folgenden Beſchreibung des adriatiſchen Meeres geht eine kurze hiſtoriſche Skizze voran, woran ſich einige Angaben über die Seetiefe, die zwiſchen 100 und 500 Faden wechſelt, zwiſchen Otranto und Valona 350 Faden beträgt und dann plötzlich zur joniſchen See hin zunimmt, ſchlie— ßen. Cap Spartivento (Windſpalter), als der ſüdöſtlichſte Vorſprung von Calabrien, und Cap Santa Maria di Leuca umſchließen die Küfte mit den Golfen von Squillace und Taranto und einigen winzigen Hafenplätzen. Ueber Trieſt bemerkt der Verfaſſer, daß dieſer blühende Hafenplatz der commercielle Sieger über Venedig und die bedeutendſte Seeſtadt Oeſterreichs geworden ſei und einen ſicheren, künſtlich geſchützten Hafen mit ziemlicher Waſſertiefe beſitze; ‚ doch fei fein Ankergrund den Weſt- und Südweſt-Winden und beſonders den heftigen Windſtößen der Bora ausgeſetzt. An den Küften von Dalmatien werden dann Zara, Scardona, Spalatro, Raguſa und andere Ortſchaften erwähnt. Auch dem Gebiete von Montenegro und feinen Beziehungen zu Rußland wid⸗ met der Verfaſſer eine Erwähnung. Die Aufzählung der dalmatiſchen Inſeln, ſowie die Erwähnung der albaneſiſchen Küſte mit ihren Hafenplätzen Anti- vari, Valona und anderen ſchließt dieſen Abſchnitt. Unter der Ueberſchrift: „die Küſten und Inſeln des weſtlichen Griechenlands“ erſtreckt ſich die folgende Darſtellung auf den Raum zwiſchen Ancona und Cap Malea, ſammt den ſieben Inſeln und den übrigen zu Griechenland gehörigen. Auf die ältere Geo— graphie und Geſchichte Griechenlands wird in engliſchem Geſchmacke viel Rück— ſicht genommen, beſonders find es die fieben joniſchen Inſeln, welche als engli— ſches Beſitzthum etwas ausführlicher beſprochen werden. Auf Morea's Weſtſeite finden Patras, Caſtel Torneſe, der Alpheius, Navarino, Modon, Koron, der Bergzug Taygetus, der Buſen von Kolokynthia und der Eurotas, Erwäh— nung. Aus dem 8. Paragraphen, in welchem der Archipelagus, das ſchwarze Meer und die Levante auf 22 Seiten dargeſtellt wird, erwähnen wir die Höhe des Berges Elias von Karystus aus zu 4750 Fuß und des Berges Delphi (Dirphi) über dem Meeresſpiegel zu 7306 Fuß; der alte Pelion (Pleſſidi) hat 5200 Fuß Höhe, der Kiſſavo, der ehemalige Oſſa, 6100 Fuß, und der 240 Neuere Literatur: Elymbo (Olympus) 9850 Fuß über dem Meeresſpiegel. Was den Berg Athos mit feinen zahlreichen Kirchen und Klöſtern betrifft, fo iſt feine Höhe wohl auf 6500 Fuß anzunehmen; ſeine Spitzen werden vom Cap Siguenm und der Ebene von Troja aus erblickt. Dem alten Ida in dieſer Ebene, jetzt der Berg Gagara, werden 5700 Fuß berechnet, ſowie dem Ida auf Candia, der jetzt Berg Poitoriti heißt, 6700 Fuß. Der auf der Inſel Melos (Milo) ſich erhebende Berg vulkaniſchen Urſprungs, Namens St. Elias, wird auf 2000 Fuß Höhe angegeben. Was den Archipelagus, deſſen zahlreiche Inſeln der Reihe nach aufgezählt werden, im Allgemeinen betrifft, ſo finden ſich auch hier geologiſche, auf die Vulkanität dieſer Erdzone bezügliche Erörterungen angereiht. Unter den Inſeln des Archipelagus und vorzüglich unter denjenigen, die der Küſte von Klein-Aſien am nächſten liegen, find nicht nur mehrere, welche Bewegungen der Erde, die dieſe Halbinſel trafen, zu Zeiten mitempfun⸗ den haben, ſondern bekanntlich auch einige, von denen die Ueberlieferung eigent⸗ liche vulkaniſche Erſcheinungen berichtet, und wo ſie zum Theil noch in der neue— ſten Zeit wahrgenommen wurden. Hier hat man gleichfalls das als eine der merkwürdigſten vulkaniſchen Wirkungen nachgewieſene Phänomen der Erhebung des Bodens von innen heraus oftmals und in beträchtlichem Maaße beob— achtet. Die Inſeln Rhodus, Anaphe, Delos, Halone und Nea ſollen, einer bei den Alten gangbaren Sage zufolge, aus dem Meere hervorgetreten ſein und man leitete die Namen einiger unter ihnen von dieſem Umſtande ab. Ueber die Zeit, in der jede zuerſt ſichtbar geworden ſein ſoll, erklärt die Sage ſich jedoch nicht; eben ſo wenig über die Art, wie die Ereigniſſe geſchehen ſind. Von der Dardanellen-Straße, dieſem prachtvollen Meereswege, wird be— merkt, daß ſie ſich von 6 bis 7 Meilen auf 2700 Pards zwiſchen Seſtos und Abydos verengt. Was den thraciſchen Bosporus oder die heutige Straße von Conſtantinopel betrifft, ſo wird die mittlere Breite auf eine Meile, die Tiefe des Fahrwaſſers abwechſelnd zwiſchen 16 und 30 Faden angegeben. In Bezug auf das jetzt ſehr in den Vordergrund der engliſchen Intereſſen getre— tene ſchwarze Meer äußert ſich der Verfaſſer auf zwei Seiten ſeines Werks (S. 76 und 77); die Länge deſſelben beträgt nach ihm von Weſt nach Oſt 650 Meilen, die Breite etwas mehr als 300 M., und das Areal 17,200 engl. Quadratmeilen. Der moderne Name des Meeres ſoll von den dichten Nebeln herrühren, mit welchen es bisweilen bedeckt iſt, oder von den Gefahren, welche der Schifffahrt durch dieſe Nebel entſtehen. Die Tiefe des Meeres iſt im Ganzen bedeutend, indem nicht leicht Grund bei 150 Faden gefunden wird. Die zufließenden Waſſermaſſen der großen Ströme bewirken ſtarke Meeres- ſtrömungen, beſonders im Beginn des Sommers, wenn jene in Folge der Schneeſchmelze ſehr angeſchwollen ſind; wenn dann noch ſtarke der Strömung entgegengeſetzte Winde hinzutreten und dadurch eine heftige Wellenbewegung entſteht, jo kann dies in Verbindung mit dem Nebelwetter kleineren Fahr- zeugen gefährlich werden. Sonſt iſt das ſchwarze Meer frei von Gefahren, u a, W. H. Smyth: The Mediterranean. 241 hat außer einer oder zwei unbedeutenden Ausnahmen keine Inſeln, Felſen, Riffe in der gewöhnlichen Bahn der Schifffahrt und bietet überall den treff— lichſten Ankergrund dar. Solche Anſicht hat Admiral Smyth über das ſchwarze Meer niedergelegt, und ſie ſcheint bis in die neueſte Zeit auch ſo ziemlich die allgemeine in England geweſen zu ſein. Von den Hafenplätzen der Krim, namentlich von Sebaſtopol, wird nichts Näheres erwähnt, dagegen noch das aſow'ſche Meer und ſein Haupthafenort Taganrog in einigen Zeilen berührt. Anders verhält ſich der Autor dagegen im fünften Abſchnitt ſeines Werkes zu dieſem für England ſchon ſeit Jahrzehnten ſo wichtigen Terrain, in dem Abſchnitt, wo die von ihm beobachteten und berechneten Längen- und Breitenbeſtimmungen der verſchiedenen Punkte im Mittelmeere, muthmaßlich alle nach Gauttier, aufgeführt werden. Da ſind es nicht weniger, als 43 Punkte auf der Krim, deren Länge und Breite angegeben werden, und zwar befinden ſich darunter die Mündung der Alma und des Belbek, das höchſte Haus des Lazarethes, die Hospitalkuppel und der Kirchthurm von St. Nico⸗ las, alle drei Punkte von Sebaſtopol, deren nördliche Breite im Durchſchnitt 40» 35’ iſt, mit der Abweichung von einigen Sekunden. Eben ſo verhält es ſich mit der öſtlichen Länge, die für die genannten Orte zwiſchen 33 31“ und 29’ nach Greenw. angegeben wird. Wenn man dieſe Beſtimmungen mit früheren vergleicht, die ebenfalls auf correcte Sicherheit Anſpruch machten, z. B. mit denen, welche die im J. 1804 aus dem kaiſerl. ruſſ. Kartendepöt zu St. Petersburg hervorgegangene Karte des ſchwarzen, aſow'ſchen und Mar— mora⸗Meeres, zu der die damals neueſten aſtronomiſchen Beſtimmungen von Franzoſen und Ruſſen benutzt wurden, giebt, ſo wird man kaum umhin kön⸗ nen, dieſen engliſchen Aufnahmen den Vorzug der Richtigkeit einzuräumen. Die erwähnte ruſſiſche Karte hatte den Urſprung, daß zwei Seeoffiziere, Graf Heiden und Herr Vaillant, durch eine lange Reihe von Beobachtungen die Länge und Breite der Stadt Odeſſa beſtimmten, und zwar erſter auf 48° 17 35” und letzter auf 46° 29’ 30“. Admiral Smyth führt fünf Punkte in Odeſſa nach Länge und Breite an, deren Lage durchſchnittlich ziemlich genau mit den eben erwähnten Angaben übereinſtimmt. Die weitere Darſtellung der Küſtengeſtade beginnt ſodann mit dem le- vantiſchen Baſſin an dem alten Caramanien, wo am Golf von Adalia die Bergſpitze des Takhtalu 7800 Fuß hoch zu erwähnen iſt. Nach einigen Be— merkungen über die geologiſchen Veränderungen an der Südküſte Klein-Aſiens wird die 440 Meilen lange Küfte von Syrien beſprochen mit den auf ihr ge= legenen Hafenplätzen, wie Latakia, Beirut, Saida, Sur, Akka und Jaffa; daran ſchließt ſich die Bemerkung, daß der See von Galiläa 628 Fuß unter dem Spiegel des Meeres liege, ſowie das todte Meer tiefer, als 1200 Fuß. Der hoͤchſte Gipfel auf Cypern, der Oros Troados (Olympus) erhebt ſich 6590 Fuß über den Meeresſpiegel. Die Nordküſte Afrika's beginnt nach altem Gebrauch im Oſten mit Ti⸗ Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 16 242 Neuere Literatur: neh (Peluſium); über Damiette, Rozette und Alexandria geht die Darſtellung zur Barca über, wo ein Blick auf das alte Cyrene geworfen wird, verfolgt die beiden Syrten, beſpricht Tripoli mit feinen Exportartikeln und Verbin- dungen in's innere Afrika !), und giebt ſodann eine ausführliche Ueberſicht der im tuneſiſchen Gebiete gelegenen Ortſchaften, berührt dabei die Ruinen von Carthago, und geht in einige Details der heutigen Stadt Tunis ein. Der letzte Küftenftrich, das Gebiet von Algier und die Geſtade Marokko's, er— ſcheinen hier noch unter den Einflüſſen der barbariſchen Gebräuche, die ſo lange für die zur See mächtigen Culturvölker Europa's eine gerechte Klage bildeten, bis jene ſeeräuberiſche Macht am Vorabende der Julirevolution von Frankreich gebrochen und beſeitigt wurde. Zum Schluß dieſer Küftenfchau werden einige ſtatiſtiſche Tabellen über Bodengröße, Bevölkerungs-, Ackerbau⸗, Handels- und Gewerbe-Verhältniſſe der engliſchen Beſitzungen am Mittelmeere, alſo von Gibraltar, Malta und den joniſchen Inſeln mitgetheilt, welche, da fie den J. 1820 bis 1824 angehören (ſ. hier S. 60), jetzt nur ein hiſtoriſches Intereſſe haben. Damals befanden ſich in Garniſon zu Gibraltar 3330 Mann engliſche Truppen, auf Malta 2340 und auf Corfu 3890, eine Stärke, die ſo ziemlich dieſelbe iſt, wie ſie in den letzten Jahren war. Die Einleitung zu dem zweiten Hauptabſchnitte, der von den Strömuns gen, Ebbe und Fluth ꝛc. handelt, umfaßt wiederum allgemeine geologiſche Erörterungen über die vulkaniſchen Erſcheinungen dieſes Meeres in ihren ver— ſchiedenen Beziehungen, was dann von ſelbſt zu einer Unterſuchung über den Urſprung des Meeresbeckens ſelbſt hinleitet, indem hierbei verſchiedene An— ſichten und Hypotheſen, wie ſie bereits aus älteren Zeiten überliefert ſind, zuſammengeſtellt werden. Der Verfaſſer ſcheint die auf hiſtoriſche Quellen aller Zeiten geſtützte, gründliche Unterſuchung dieſer Verhältniſſe, wie ſie in Hoff's Geſchichte der Veränderungen an der Erdoberfläche vorliegt, nicht gekannt zu haben, während ſonſt eine große Reihe von Gelehrten aus alter und neuer Zeit und von verſchiedenen Nationen, aber mit Ausnahme deutſcher wiſſenſchaftlicher Männer, citirt werden. — Was die Flächeneintheilung des Mittelmeeres betrifft, fo iſt ſie zum Theil von den natürlich gegebenen Ver⸗ hältniſſen abhängig, theils aber auch, namentlich in ihren kleineren Abſchnitten, von den hiſtoriſch entftandenen Einflüſſen. Ueber Temperaturgrade und Farbe des Waſſers in verſchiedenen Gegenden und Tiefen find höchſt intereſſante Be— obachtungen angeſtellt, auch beſonders mit Rückſicht auf die Frage der Gegen— ſtrömung in der Straße von Gibraltar, zu welchem Zwecke die von Wolla— ſton angeſtellte bekannte Analyſe mitgetheilt wird, indem danach ein unterer Gegenſtrom vorhanden ſein ſoll. Entſchieden dürfte aber dieſe Streitfrage damit noch nicht ſein, indem für die gegentheilige Annahme wohl beachtens— 1) Dieſe Gegenden wurden in dem Jahre 1821 von den Gebrüdern Beechey, die Smyth dahin geführt hatte, unterſucht und in dem Werke: Proceedings of the expedition to explore the northern coast of Africa from Tripolis eastward in 1821 — 1822. London 1824. 4., ausführlich beſchrieben. . er 2 . { * W. H. Smyth: The Mediterranean. 243 werthe Beobachtungen ſprechen. Daß in dieſer Meerenge eine verſchieden— artige Strömung, jedoch nur neben einander, ſtattfindet, kann nicht geleug— net werden, weil in der Mitte der eigentlichen Straße von Gibraltar und durch die ganze Länge derſelben nach Hoff's Darſtellung der Strom immer fort aus dem Ocean gegen Oſten in das Mittelmeer hineingeht. Dieſer Oſt— ſtrom, der ſich zu beiden Seiten, da wo die Straße am engſten iſt, ungefähr drei Viertel einer geographiſchen Meile von jeder Küſte entfernt hält, alſo ſelbſt wenigſtens eine halbe Meile breit iſt, ſtrömt unabläſſig in gleicher Rich— tung fort. Nichts verändert ihn oder hält ihn auf, weder der Oſtwind, noch die Ebbe des Oceans. Seine Schnelligkeit iſt am ſtärkſten da, wo die Straße am engſten iſt. Zwiſchen den beiden (Nord- und Süd-) Grenzen dieſes be— ſtändigen Oſtſtromes — ſeinen Waſſerufern könnte man ſagen — und den Küften ift der Lauf der Strömung veränderlich, und richtet ſich in Hinſicht auf die Zeit, wie Ebbe und Fluth, nach dem Zunehmen und Abnehmen des Mondes. Es findet dort auch noch eine andere merkwürdige und bis jetzt nicht genügend erklärte Erſcheinung ſtatt. Zwiſchen den beiden eben gedachten Grenzlinien auf jeder Seite des beſtändigen Oſtſtromes nämlich und jeder Küſte, ſowohl der ſpaniſchen, wie der afrikaniſchen, giebt es, ungefähr eine Viertelmeile von dem Lande und ſeinen Spitzen entfernt, eine andere Grenz— linie, innerhalb welcher — d. i. zwiſchen ihr und dem Lande — die Strö— mung in Hinſicht auf diejenige, welche mit Ebbe und Fluth zugleich zwiſchen der Grenze des Oſtſtromes und eben dieſer mittleren Grenzlinie ſtattfindet, eine derſelben grade entgegengeſetzte Richtung nimmt. Es läuft alſo zwiſchen dieſer mittleren Grenzlinie und der Küſte die Strömung während des Stei- gens des Oceans (ſeiner Fluth) weſtwärts, und während des Fallens (ſeiner Ebbe) oſtwärts. Dieſe Bewegungen des Meeres zu beiden Seiten des Oft- ſtromes, welche ihren Grund vielleicht in der Geſtalt der Küſten oder gar des Meeresbodens haben, ſcheinen, ſo wie die Sache ſich zeigt, einander aufzuhe— ben oder ſich das Gleichgewicht zu halten. Auf die Beſtändigkeit des Oftftro- mes haben ſie keinen Einfluß, und auf das Mittelmeer wirken ſie gar nicht, denn alle hier erwähnten Erſcheinungen finden blos in der Straße ſelbſt, weſtlich von Gibraltar und Ceuta ſtatt, folglich außerhalb des mittelländi— ſchen Meeres ). In Bezug auf die Größe des Mittelmeeres wird bemerkt (S. 139), daß ſich die Länge deſſelben von 6° weſtl. bis 36° öſtl. L. von Greenw. erſtreckt, und daß die Breite zwiſchen 30° und 36 o nördl. Br. liegt, ferner daß man von Gibraltar bis zum äußerſten Oſtpunkt an der ſyriſchen Küſte 2000 engl. Meilen rechnen kann, endlich daß die Breite von Norden nach Süden zwiſchen 80 und 500 Seemeilen wechſelt und der Küſtenumfang, mit Einſchluß des ſchwarzen Meeres, 4500 Seemeilen erreicht. Die Flächenangaben über die einzelnen Meerestheile ſind folgende: das Weſtbaſſin (von der Straße von ) S. Hoff, Geſchichte der Veränderungen der Erdoberfläche Th. J, S. 155. 16 * 244 Neuere Literatur: Gibraltar bis zu einer Linie, welche das Cap Bon mit dem Faro di Meſſina verbindet) 325,272 engl. U M., das adriatiſche Meer 52,819 engl. UU M., die levantiſche See 518,755, der Archipelagus 75,291, das Marmora-Meer 4,644, das ſchwarze Meer 159,431 und das Azow'ſche Meer 13,075; im Ganzen alſo 1,149,287 engl. UM. Von dieſen Größenverhältniſſen wird zu den in das Mittelmeer ſich ergießenden Strömen und Fluͤſſen übergegangen und bei dieſer Gelegenheit das mittelländiſche Flußſyſtem nach einer Ueberſichtstafel von Berghaus mitgetheilt. Eine gewiß intereſſante, aber eben ſo ſchwer zu löſende Frage, betreffend den Zufluß der Waſſermaſſe und die Abnahme durch Verdunſtung, ſowie die beiderſeitige Ausgleichung, wird daran geknüpft. — In dem . 4 dieſes Hauptabſchnittes wird ein auf die Schifffahrt des Meeres höchſt einflußreicher Gegenſtand behandelt, die Strömungen im Mittelmeere, auf den hingewieſen zu haben, wir uns begnügen wollen. Der F. 5 handelt von Ebbe und Fluth, wie ſie an den verſchiedenſten Theilen des Mittelmeeres beobachtet wurden. Endlich ſchließt dieſen Abſchnitt der §. 6 mit der Ichthyo⸗ logie dieſes Meeresbeckens; eine intereſſante Nomenclatur der vorzüglichſten Fiſcharten, wie der Schaalthiere und Mollusken, in lateiniſcher, ſteilianiſcher und engliſcher Sprache iſt hinzugefügt. Der dritte Hauptabſchnitt umfaßt Wind, Wetter und atmoſphäri— ſche Phänomene, alſo die das Leben beherrſchenden Einflüſſe der Meteoro— logie, wie ſich dieſe in ſchreckenerregender Weiſe noch täglich an den Küften der Krim zeigen. Daß hier die ſpeciellſte Kenntniß dieſer mächtigſten und ein- flußreichſten Verhältniſſe, welche das Gelingen oder Scheitern der größten wie der kleinſten Unternehmen bedingen, eine abſolute und unumgängliche Forderung iſt, wird unbedingt von theoretiſcher, wie von praktiſcher Seite eingeräumt werden. Der Verfaſſer berichtet zunächſt über die Mittel feiner Beobachtun- gen, indem zur Zeit feiner Forſchungen im Mittelmeere der Zuſtand man— cher meteorologiſchen Inſtrumente noch der ſpäter erzielten Vollkommenheit entbehrte, andere Inſtrumente aber noch gar nicht im Gebrauche ſich vorfan— den. Die höchſten und niedrigſten Barometer- und Thermometerſtände, ſowie die Maſſe des Niederſchlags werden von Gibraltar, Marſeille, Sardinien, Rom, Sicilien, Malta, Cephalonia, Conſtantinopel, Alexandria, Tripoli und Algier angegeben und auf die Umgeſtaltung der Temperatur hingewieſen, welche im Verlaufe großer Zeiträume an dieſen Meeresgeftaven ſich erwieſen haben, in- dem nach den Zeugniſſen der alten Schriftſteller in vielen Gegenden hier ein viel ſtrengeres Klima, als gegenwärtig, geherrſcht haben ſoll. Mit den Wit— terungsverhältniſſen ſteht die Dispoſition zu Krankheiten in naher Verbindung. Während das Mittelmeer im Allgemeinen ein ſehr geſundes Klima beſitzt, fehlt demſelben auch die Schattenſeite an der Malaria nicht, deren ſehr nachtheilige Einflüſſe auf militairiſche Unternehmungen an verſchiedenen Beiſpielen nach— gewieſen werden. Was die auf dem Mittelmeere vorkommenden Winde betrifft, ſo ſteht W. H. Smyth: The Mediterranean. 245 damit die Breitenlage, ſowie die Beſchaffenheit der Geſtadeländer in der engſten Verbindung. Im Februar, März und April herrſcht der Süpoft- und Südweſt⸗Wind vor, doch ändert ſich dies nach den verſchiedenen Locali— täten immer noch bedeutend und namentlich, je näher man den Küften kommt. Eine große Mannigfaltigkeit herrſcht in letzter Beziehung und wird nicht ſel— ten der Schifffahrt ſehr hinderlich, wie z. B. der Solano an den Süͤdſpitzen Spaniens und der Scirocco, ein Südoſtwind, von den alten, wie von den modernen Schiffern gleich gefürchtet ſind. Ueber die Anzeichen des entſtehen— den Seirocco's, ſowie über feine Wirkungen berichtet der Verfaſſer etwas aus— führlicher. Andere Winde, wie der Siffanto, ein heftiger Südweſtwind im adria— tiſchen Meere, und die Bora mit ihren Wirkungen ſchließen ſich daran. In gleicher Weiſe werden die atmoſphäriſchen und meteorologiſchen Erſcheinungen in den öftlichen Gewäſſern des Mittelmeeres erwähnt und geſchildert; fo die zuweilen dort vorkommenden Wirbelwinde oder Typhone, Waſſerhoſen und Wolkenbrüche, das Elm-Feuer und andere elektriſche Erſcheinungen. Bei dem öſtlichen Griechenland ſind es die eteſiſchen Winde, welche, wie zu alter Zeit, ſeoo auch für die Gegenwart das Intereſſe der Schifffahrer in hohen Anſpruch nehmen; eine ähnliche Bewandtniß hat es mit den ſogenannten Monſunen der Levante, die aus Nordoſt und Nordweſt während der Sommerzeit anhal⸗ tend wehen. Auch ſämmtlichen im Alterthume gebräuchlichen Bezeichnungen der verſchiedenen Winde widmet der Verfaſſer eine ſorgſame Betrachtung. — Ueber das ſchwarze Meer und die vom Winde und Wetter auf demſelben herrührenden Gefahren iſt Admiral Smyth durchaus entgegengeſetzter Anſicht, als die Alten, welche ſelbſt dem Namen Pontus Euxinus noch ihr Mißtrauen bezeigten in den Worten: „quem tenet Euxini mendax cognomine littus.“ Die neuere Schifffahrt hat dies alles geändert; mag auch dann und wann ein dichterer Nebel auf dieſem Meere den griechiſchen Schiffer in Sorge verſetzen, ſeoo find doch ſtarke Stürme ſehr ſelten, und wenn fie eintreten, halten fie ge= wöhnlich nicht über 12 Stunden in ihrer Heftigkeit an. Während des Som— mers walten die Nordwinde vor, und die Südwinde im Beginn des Herbſtes oder Frühlings. General Monteith hat dem Admiral die intereſſante Thatſache mitgetheilt, daß zu Kalla und Poti an der Oſtküſte des ſchwarzen Meeres eine ſteife Kühle faſt ununterbrochen aus Weſten wehe und ein Steigen der Gewäſſer an den Küften von Mingrelien entlang bis auf 4 Fuß hervorbringe, was zugleich die Urſache ſei, daß die dortigen Küſtenflüſſe nicht ſelten über ihre Ufer träten und die anliegenden Tiefebenen überſchwemmten. Die ſonſtigen, in dieſem Abſchnitte behandelten Gegenſtände ſind, um aus der reichen Zahl nur N einige anzudeuten, die Erſcheinung der Mirage, der Fata Morgana, dann aber beſonders die Nebel, welche in den verſchiedenſten Theilen des Mittelmeeres unter mannigfach zuſammenwirkenden Umſtänden vorkommen, wie in den Shr- ten, an den Küſten Siciliens, um Majorka, namentlich aber im Pontus Euri- nus. Auch der Sciroccoſtaub und die mikroskopiſche Unterſuchung deſſelben | g 246 Neuere Literatur: durch Herrn Prof. Ehrenberg gehört hierher, ſowie die Erörterung der ver— unglückten Expedition Kaiſer Karls V. nach den Küſten von Algerien. Den letzten Paragraphen dieſes Abſchnittes endlich füllt eine Erörterung hinſichtlich der elektriſchen Telegraphen. Wenn wir nun ſchließlich noch einige Bemerkungen hinzufügen dürfen, ſo verdient wohl darauf hingewieſen zu werden, daß eine in's Einzelne gehende und die verſchiedenen nautiſchen Verhältniſſe des ſchwarzen Meeres umfaſſen⸗ dere Darſtellung ſich zu den ſonſtigen Vorzügen dieſes Werkes gerade nicht zählen läßt, was mit Rückſicht auf die Zeit ſeines Entſtehens und die da— mals verfolgten Zwecke der Engländer leicht zu erklären iſt. Von Sebaſtopol war damals kaum noch die Rede, und eine engliſch-franzöſiſche Kriegsfahrt in den Pontus Euxinus gehörte jedenfalls in das Gebiet der unglaublichen Dinge. Seitdem hat ſich die Weltlage ſo bedeutend verändert, daß gerade dieſes Meer der Gegenſtand der allgemeinſten Aufmerkſamteit und damit zu= gleich der umfaſſendſten Unterſuchungen geworden iſt. Die geographiſche Wiſſenſchaft hat von dieſen kriegeriſchen Ereigniſſen der Gegenwart einen nicht unbeträchtlichen Zuwachs neu gefundener oder gründlich geprüfter Thatſachen zu erwarten. Was das ſchwarze Meer betrifft, auf welchem der November⸗ ſturm des vorigen Jahres eine ſo allgemeine Verwüſtung unter den Flotten der Allüirten anrichtete, fo hat man von feinen Eigenthümlichkeiten bereits jetzt fo viel erforſcht, um den eben erwähnten Sturm als eine Seltenheit bezeich- nen zu können. Seit Beginn dieſes Jahrhunderts weiß man nur von vier ſolchen Stürmen im ſchwarzen Meere. Der erſte wüthete am 17. November 1801, der zweite gleichfalls am 17. November 1818, der dritte im Jahre 1839 und der vierte endlich am 14. November v. J., welcher zugleich als einer der heftigſten betrachtet wird. Erſt ſeit dem Aufenthalte der vereinigten Flotten im ſchwarzen Meere iſt es Aufgabe der Seemänner geworden, eine Reihe von Beobachtungen und Thatſachen zu ſammeln, welche jetzt ſchon hin reichen, ohne Uebertreibung als Reſultat hinzuſtellen, daß das ſchwarze Meer zwei große Eigenſchaften für die Schifffahrt beſitzt: es iſt im Allgemeinen tief n) und geſund. An der Einfahrt in den Bosporus iſt es 40 Faden tief und bis nach Sebaſtopol beträgt die Tiefe nirgends unter 60 Faden, aber auch 100 bis 150. An vielen Stellen erreicht man mit der Sonde keinen Grund. Mit Ausnahme einiger bekannten und bezeichneten Küftenpunfte iſt ) Straton, ein im Alterthum berühmter phyſiſcher Geograph, nannte irriger Weiſe das ſchwarze Meer ein wenig tiefes (Kat Boauyvrara Ai eivaı Ta πεν Tov Iovrov, Strabo Ed. II. Cas. 50) im Gegenſatze des kretiſchen, ſieiliſchen und fardini- ſchen Meeres, eine Anſicht, womit Ariſtoteles übereinſtimmt (Meteorologica. Ed. Becker I, 354), dem zufolge nur die Macotis (das heutige aſow'ſche Meer) eine noch gerin- gere Tiefe hatte. Zu den allerflachſten Stellen des ſchwarzen Meeres zählte man im Alterthume die an der Weſtküſte des Meeres und unfern der Mündung der Donau an den hier flachen Geſtaden des Continents gelegenen, unter dem Namen der Ste- the bekannten Sandbänke (Tron). Straton bei Strabo a. a. O. 50. EN c 9 W. H. Smyth: The Mediterranean. 247 das ſchwarze Meer ohne gefährliche Stellen, Klippen, Felſen, welche Uebel— ftände in der Oſtſee und zumal im finniſchen Meerbuſen vorherrſchend find. Während des Sommers und der günſtigen Frühlings- und Herbſtzeit iſt die Oberfläche des Meeres ruhig, der Himmel rein, die Luft warm, ſo daß man ſich nach dem blauen Waſſer des Meerbuſens von Neapel oder der Rhede von Palermo verſetzt glaubt. Die Gefahren für die Schifffahrt, welche das ſchwarze Meer darbietet, hat es mit allen von Ländern rings umſchloſſenen Meeren gemein. Einige beſondere Schwierigkeiten hängen mit ſeiner Natur, ſeiner geographiſchen Geſtaltung und jener der es umgebenden Länder zuſam— men, aber dieſe Gefahren und Schwierigkeiten ſind in keiner Jahreszeit für gut conſtruirte Dampfſchiffe unüberwindlich. Das ſchwarze Meer erhält be— kanntlich zahlreiche und mächtige Zuflüſſe, die längs ſeiner Küſten örtliche Strömungen veranlaſſen, die in Verbindung mit gewiſſen Winden Unglücks— fälle verurſachen können, wenn man ſie nicht ſorgfältig beachtet. Die Haupt ſtrömung nimmt die Richtung gegen den Bosporus, dringt in die Dardanellen, indem fe vorzüglich an der europäiſchen Küſte ſich fortwälzt, und miſcht ihre Gewäſſer mit denen des Archipelagus, in welchem ſie ungefähr 35 Seemeilen vom Eingange der Meerenge verſchwindet. Dieſe Strömung, die am Beginn des Bosporus bei ſtillem Wetter anderthalb Knoten beträgt, ſteigt bisweilen durch ſtarke Briſen auf 34, ja ſelbſt 4 Knoten, wie dies aus einer Reihe von Beobachtungen ſich ergiebt, welche durch den franzöſiſchen Kriegsdampfer „Napoleon“ angeſtellt worden ſind. Wenn man aus dem ſchwarzen Meere kommt, iſt die Einfahrt in den Bosporus oft ſchwierig und gefahrvoll; ſie iſt an ſeiner ſchmalſten Stelle kaum eine Seemeile breit und bildet in gewiſſer Entfernung einen ſchroffen Ausſchnitt, deſſen Geſtalt der mehrerer anderen nahen Küſtenſtellen ähnlich iſt, ſo daß man ſie leicht mit einander verwechſeln kann. Iſt die Briſe ſtark und weht ſie von der offenen See her, ſo gehen die Fahrzeuge, welche eine falſche Richtung einſchlagen, unfehlbar zu Grunde. Die Nebel bilden auch eine der großen Schwierigkeiten dieſes Meeres; ſie vermehren die Möglichkeit eines Zuſammenſtoßes, und da ſie in gewiſſen Zei— ten längs der Küfte ſehr dicht find, laſſen ſie dieſe ſelbſt nicht erkennen und . verhindern ſo die Landung. Die Gebirge, die es umgeben, bewirken zahlreiche Luftſtrömungen. Dieſem atmoſphäriſchen Umſtande muß man die Heftigkeit der Winde und ihr oftmaliges Umſchlagen in der Richtung zuſchreiben. Trotz aller dieſer Hinderniſſe, die nicht wegzuleugnen find, wird das ſchwarze Meer wiederum ein für die europäifche Schifffahrt geöffneteres Meer werden, als es ſeit vielen Jahren der Fall war, und damit zugleich die welthiſtoriſche Bedeu— tung des Mittelmeeres, das erſt wieder als Verbindungsglied der Culturvöl— ker Aſiens und Europa's ſeit wenigen Jahrzehnten in ſein altes Recht einge— treten iſt, ihre vollkommene Würdigung zurückerhalten. A. Nutenberg und Gumprecht. 248 Neuere Literatur: W. H. Smyth: The Mediterranean. Zuſatz. Smyth's Unterſuchungsgeſchichte des Mittelmeeres erwähnt auffallender Weiſe eine überaus wichtige, im Jahre 1720 veröffentlichte Arbeit des großen franzöſiſchen Kartographen Guill. Delisle, wodurch die Dimenſionen und die Darſtellung auch des Mittelmeeres auf den Karten einer gründlichen Unterſuchung unterworfen wur⸗ den, gar nicht, ſo daß es zweckmäßig erſcheint, aus dem Memoir dieſes Verfaſſers (Determination géographique de la situation et de l’&tendue des differentes parties du globe in der Histoire de Academie. Année 1720. S. 365 — 385) Einiges zur Vervollſtändigung hier anzuſchließen. Derſelbe wurde zu ſeiner Arbeit durch den damaligen Herzog von Orleans, Regenten des Reichs, veranlaßt, der ihm aufgegeben hatte, für den Gebrauch des unmündigen Königs Ludwig XV. eine allgemeine Karte der Welt anzufertigen. Der berühmte Kartograph fand hierbei nöthig, die zahlreichen Portolane unter einander und mit den vorhandenen aſtronomiſchen Beſtimmungen zu vergleichen. Beſtimmungen der letzten Art gab es damals noch ſehr wenige, ja für einige Theile der Mittelmeerländer, z. B. für die Oſtküſten Spaniens, die nord⸗ afrikaniſchen Küſten von Algier bis Gibraltar fehlten ſie ſogar ganz, wie der Ver— faſſer ausdrücklich bemerkte. Was von der Art etwa 50 Jahre früher bekannt war, hatte der auch von ihm mit gerechtem Lobe erwähnte Jeſuit Pater J. B. Riecioli in feinem großen Werke: Geographiae et hydrographiae reformatae nuper recogni- tae et auctae libri duodecim. Venetiis 1672 (S. 388 — 409) zuſammengeſtellt, doch da es Riccioli's Zweck nicht war, in Details einzugehen, ſo blieb es Delisle's Aufgabe, die vielen anderweitig vorhandenen Data aufzuſuchen, zuſammenzuſtellen, kritiſch zu prüfen und für die Kartographie der Erde nutzbar zu machen. In Bes zug auf das Mittelmeer benutzte derſelbe beſonders zwei Portolane, die von Jac— ques Colomb und Verkeulen, wobei er fand, daß die darin angegebenen Diſtan— zen viel beſſer mit Chazelles und Feuillées Poſitionen, als mit den gewöhnlichen Karten des Mittelmeeres ſtimmten. So ergaben ihm die Portolane für Malta's Entfernung von Alexandria 283 Lieues oder, den Grad in dieſen Breiten — 20 Lieues gerechnet, 15° 58“, was von Chazelles nur um wenige Minuten abweicht, aber 6— 7° weniger, als die Karten zeigten, ausmachte. Von Tripoli bis Gibral⸗ tar wichen die gewöhnlichen Karten gar um 7 auf 26 Breitengrade ab, ebenſo war die Entfernung der Ränder des Golfs von Lyon um 3° oder 75 Lieues kleiner zu machen, endlich die von Malta nach Tripoli von den 110 Lieues der Karten auf 53 Lieues zu reduciren (S. 368). Die Länge des ganzen Mittelmeeres vermochte Delisle jetzt erſt, da noch Riccioli keine Beſtimmung des öſtlichen Punktes im Mittel⸗ meere, d. h. von Alexandrette (Scanderun) beſaß, auf 41° 30' d. h. auf 860 Lieues zu beſtimmen, während man bis dahin immer 1160 Lieues oder 300 Lieues zu viel angenommen hatte (a. a. O. 368). . Miscelſen. N Die bedeutendſten Waſſerfälle und Stromſchnellen in den Vereinigten Staaten und in Canada. Engl. Fuß Höhe 0 American, Snake River, Oregen . „u . J 17 Amonooſuck, Fluß gleichen Namens, New - Hampfhire n Aνν Auſtin Stream, = - - Maine Sinn any - Au Sable, = = = New⸗ NDork „ 140 Baker's, Fluß Hudſon, New⸗-Nork . . eng | Bellow's, Fluß Connecticut, New-Hampſhire 5 Perc „5 0 5 Berlin, Fluß Androscoggin, New-Hampf hire 90 Brazos, Fluß gleichen Namens, Teradg . — Calumet, Fluß Ottawa, Canada DIT Carp River, Michigan „ MEIN ee | Carthago, Fluß Geneſee, New= Hort Br rg eoes, Columbia, Oregans fle. lee h- Catskill oder Katershill, New-DYorr k 175 Chats, Fluß Ottawa, Canada ue e 0 Chattahoochee, Fluß gleichen Namens, Georgia Nele T ne Ed Chaudière, Fluß Ottawa, Weſt⸗- Canada 60 > Chaudière, Fluß Hachen Namens, Oſt- Canada 130 h Chicontimi, = - H. B. Com. Ter. 30 Clifton, Fluß Little Miami, o Nute 0% 50 Cohoes, Fluß Mohawk, New- Pork 70 Columbia, Fluß gleichen Namens, A Re * Dead River, Mihigan . g ren 6 4 Des Moines, Iowa. . . ee = rin ee 84 Dover, New-Hampſhire und Maine b ee dard NEE 2 Trek, New⸗ Pork 3% ( 87% 150 Fiſching, Fluß Snake, Oregon . . . Ans IT 22157) SET Blume, Abzweigung Pemigewaſſet, New - Sumpf . en Geneſee oder High, New-Dork . 40. 90 Nen Ellis, New⸗Hampfhire % e, Silent Glen's, Fluß Hudſon, Nw- Pork 60 Great, Fluß Miſſouri, Nebraska. 88 Hadley's, Fluß Hudſon, Nw- Pork 60 High, Black River, New- York NASE a Ai Hooſick, Fluß gleichen Namens, New⸗ - Hort Run Houſatonic, Fluß gleichen Namens, Eonnectieut 224.060 250 Miscellen: Engl. Fuß Höhe Kanawha, Virginia.. ai Lewiſton, Fluß Androscoggin, Maine ee e „ ee Br Fluß Mohawk, New⸗ Mork K Lodi oder Silverthread, New- Pork 125 Lorette, Canada aste Ne Luzerne, Fluß Hudſon, Nerv „Pork Fe en Martin's, Fluß Albany, H. B. Com. Ir. . 2 2 2. 2.0. Minnehaha oder Laughing Er m ee Mee Montmorency, Canada. „ ee Montreal-Fluß, Canada. „„ EEE Mountain, oder Kakabaka, H. B. Go e „eren, ne Niagara: Horſe Shoe, New-Mork und Canadaæa e 160 American, New⸗NDork ane mt e Norridgewock, Maine „ An Rue Paſſaic, New-Jerſe gn r eee ee Portage, Fluß Geneſee, New— „Nork TH e. en e Potomac, Virginien .. . „ e eee ene , . siegen. De MWchelien, Canada 1]⁰, 2. eee. RT Hasen, Cangdaa any ee e e e en MWumford „„ - en. A St. Anne, Canada.. „ e e eee St. Anthony, Fluß Miſſiſtppi, wn „„ St. Croix, Minneſokkcgoaa . N EEE Re S. John's, New Brunswick Ina sang eee I ae St. Lawrence: Galogs, New Dorf und Canada 7 Rapid Plat, New Dorf und Canada 12 Long Sault, = = - „ iin ee rue Coteau, Cedars, Canada 118 -n Bu e Cascade, Ln Chine, Canada Jm ee In Ste. Marie, Michigan und Canada 20 Saco, oder Great, Maine. ie oi n Shawanagenne, Fluß St. Maurice, 7 e eee. e e Sheyboygan, Wisconſin . tere» e Shelburne, Deerfield-Fluß, waffe „ U ie e Shenandoah, Virginien .. ; zus C bie A Alan Silver Cascade, New = „Sangsfkine, Aral ib Au note * Topographiſche Karte von New-Jerſey. 251 Engl. Fuß Höhe Tagheanick, New- Pork. Mense, Nd OR Tallulah und Stromſchnellen, Gigege BE ee Fit Ticonderoga, New-Mork: D 100 „ RAR a ene Dr rns. eU Tinton, New⸗ -Ierfen . Fe RT erg, . % FT}, Sur ie . Ferse BO Trenton, New-Pork: een er ne 3 e ee e Alf ann AA te > Art ar te dern ig 8 40 Upper . -. al a a ar a a Wilberforce, Fluß Bun. h B. 972 Ter. nn Williamette, Oreoen S e IA. e 0 r mene Dantie, Connecticut 2 Vorſtehende Zuſammenſtellung enthält! die borzüglichſten Waſſerfall, welche in den Vereinigten Staaten und Canada bekannt und der Beachtung eines Rei— ſenden werth ſind. Das Verzeichniß wird einen Theil eines Werkes ausmachen, welches unter dem Titel: „Quellen und Waſſerfälle Amerika's“ erſcheinen ſoll. (The Geographical and Commereial Gazette. No. 1. Januar 1855.) Gumprecht. Topographiſche Karte von New-Jerſey. Lieut. Viele iſt eben mit der Ausführung einer topographiſchen Karte dieſes Staats beſchäftigt, welche das genaueſte und detaillirteſte Bild deſſelben gewähren ſoll, indem ſie nicht allein eine genaue Darſtellung jedes Berges, Hügels und Stromes, jedes Weges und Pfades, ſondern auch jeder Farm und jedes Hauſes enthalten wird, worauf dann wieder die künftigen Eifen- bahnen und allgemeinen Verbeſſerungen zu gründen wären. Die Karte wird nach denſelben Principien, wie die Küſtenaufnahme der Vereinigten Staaten, angefertigt. Eine ſolche genaue topographiſche Erforſchung, wie die erwähnte, iſt aber nöthig, um den geographiſchen Charakter des Staates darzuſtellen; bei der berühmten Aufnahme des Staates von New-Pork beging man den großen Fehler, daß auf dieſe Gegenſtände nicht genügende ſorgfältige Auf— merkſamkeit verwandt wurde. Deshalb fehlte hier eine Baſis, worauf die Ergebniſſe der mannigfachen naturwiſſenſchaftlichen Unterſuchungen ſich hät— ten genau darſtellen laſſen. (The Geographical and Commercial Gazette. Vo. 1. Januar. New York 1855.) Gumprecht. 1) Selbſtſtändig erfchienene Werke und Aufſätze. Blackie (W. G.), Imperial Gazeteer; or general dictionary of geography, physi- cal, political, statistical and deseriptive. With views, maps and plans. Vol. II. ee (Blackie). 2220 S. 8. (2 L. 7 S. 6 d.). Beide Bände 4450 S. (4 L. 15 S. The Journal of the Roy. Geographical Society. Vol XXIV. London (Murray) 1854. 484 S. 8. Charton (E.), Voyageurs anciens and modernes, ou choix des relations des voya ges les plus intéressants et les plus instructifs depuis le Vme siècle avant Jésus- Christ jusqu’au XIX We siècle. Avec biographies, notes et indications icono- graphiques. T. II. Paris 1855. 440 S. 8. Shaw (N.), Geographical list of places with two names. — Journ. of the Geo- graph. Soc. XXIV. 1854. p. 318. Hoffmann (W.), Encyelopädie der Erd-, Völker- und Staatenkunde. 1.—5. Lief. Leipzig (Arnold) 1854. 55. 4. (à 4 Sgr.) Mittheilungen aus J. Perthes' geographiſcher Anſtalt über wichtige neue Erforſchun— gen auf dem Geſammtgebiete der Geographie, von A. Petermann. Gotha (Perthes) 1855. Heft 3 — 5. gr. 4. (à 4 Thlr.) Zimmermann (W. F. A.), Der Erdball und ſeine Naturwunder. 28. Lief. Berlin (Hempel) 1855. gr. 8. (4 Thlr.) — Daſſelbe. 3. Aufl. 12. Lief. gr. 8. (4 Thlr.) Petermann (A.), Die hydrographiſchen Arbeiten der britiſchen Admiralität im Jahre 1853. — Petermann, Mittheilungen III. S. 71 — 84. 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Myionnet-Dupuy (A)), Union des deux océans Atlantiques et Pacifiques, par le transit ouvert à travers la république de Nicaragua, carte détaillée des cinq départements avec indication des principaux tracés du canal interoc&anique ap- prouvé par le gouvernement de Nicaragua. Paris 1855. 1 feuille. 3) Meteorologie. Drew (J.), Practical Meteorology. London (van Voorst) 1855. 291 S. (5 S.) Quetelet, Sur l’extension qu'a prise, en Allemagne, l' observation des phenome£nes périodiques. — Bull. de l'Acad. Roy. de Bruxelles. XXII. 1855. p. 216. Kämtz, Sur differentes questions météorologiques. — ibid. p. 219. Quetelet, Sur l’hiver de 1854 à 1855. — ibid. p. 225. Crahay, Temperature observée à Louvain, pendant les mois de janvier et de fevrier 1855. — ibid. p. 227. —, Note sur quelques hivers remarquables par le froid du mois de février. — ibid. p. 229. —, Temperature centigrade, observee à Namur, pendant les mois de janvier et de fevrier 1855. — ibid. p. 228. W. Koner. Im Verlage von Guſt. Butz in Hagen iſt erſchienen und in allen Buchhandlungen zu haben: i Die Experimental-Phyſic. Dargeſtellt in 29 lithographirten Tafeln mit phyſikaliſchen Apparaten, nach der Natur gezeichnet und lithographirt von Ed. Schulte, und begleitet von einem erläuternden Texte von D. Grothe, Direktor der techniſchen Schule in Utrecht. Preis 3 Thlr. Das vorliegende Werk dürfte ſowohl für den Lehrer wie den Schüler und das große Publikum eine ſehr willkommene Erſcheinung ſein. Der Verfaſſer hat ſich be⸗ müht, das Weſentliche der Phyſik in ungefähr 150 Sätzen kurz darzuſtellen, aus de⸗ nen die für das Studium nöthige Ueberſicht mit der geringſten Mühe gewonnen wird. Dieſe Sätze ſind ſelbſt da, wo es thunlich war, nicht auf mathematiſchem Wege be⸗ wieſen, ſondern durch mancherlei Verſuche vermittelſt phyfikaliſcher Apparate und durch Naturerſcheinungen, die ohne unſer Zuthun erfolgen, begründet. Die auf den Kupfer⸗ tafeln dargeſtellten Apparate find meiſt nach der Natur aufgenommen und von dem Zeichner mit einer ſolchen Genauigkeit und Eleganz ausgeführt, daß alles ſeither Er⸗ ſchienene der Art dagegen zurückbleibt Im Verlage von Dietrich Reimer in Berlin erscheint so eben: Generalkarte des Türkischen Reiches in Europa und Asien. Nebst Ungarn, Süd-Rufsland, den Kauka- sischen Ländern und Westpersien. Entworfen und bearbeitet von Dr. Heinrich Kiepert. 4 Blatt. Maafsstab 1: 3,000 000. In Farbendruck und color. Preis 2 Thlr. Auf Leinwand aufgezogen in Mappe Preis 3 Thlr. BE Karte der Entdeckungen im Arktischen Polarmeer, in Folge der Aufsuchung der Franklinschen Expedition. Nach der von der Britischen Admiralität (20. Januar 1855) heraus- gegebenen Karte auf 3 des Längenmaalsstabes verkleinert, von Dr. H. Kiepert. Nebst! Bogen Erläuterungen. Preis 74 Sgr. Scharff, G., Die Ordnung des Weltenbaues, in Kürze beleuchtet, mit der Beweisführung, daß die Sonne ſich im Mittel⸗ 3 punkt aller Planetenbahnen befinde, und daß die Planeten im Kreiſe und auch zugleich in einer elliptiſchen Bahn ſich um die Sonne bes wegen. Mit zwei Steindrucktafeln. gr. 4. geh. 10 Sgr. DE A 7 + 2 ee”. Be 5 . October 1855. er Barum der eſellſchaft für Brökumde RR: zu Berlin ER und unter befonderer Mitwirkung von 3 dme, C. G. Ehrenberg, 4. Kiepert und C. Ritter x in Berlin, Brass; egeben > 355 von Dr. T. E. Gumprecht. Fünfter Wand. Viertes Heft. Inhalt. Fortſetzung der Nachrichten über die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebrüder Schlagintweit in Indien E. L. Schubarth: Vergleichende ueberſicht bet Ergebuiſſe des Bergbau Hütten⸗ und Salinenbetriebes im Bar Staate in den Es: 1823, 33, 43, 53. 3 ä 7 Briefliche Aiiteheiten gen. Schreiben des Königl. „ e Sir . Bow⸗ ring an Herrn J. Klentz. Miscellen. J. Altmann: Die Bolgaren-Colonieen in 5 Gumprecht: Anthraeitkohle in Ehina. g Gumprecht: Das letzte große Erdbeben in Spun N Gumprecht: Barth's Rückkehr nach Europa und Vogel's Arbeiten im nöd. lichen Central⸗ Afrika. 5 7 Gumprecht: Das Bergſyſtem des Staates New Pork. Gumprecht: Der Eishandel in Nordamerika . Gumprecht: Der Verkehr auf dem Iſthmus von Panama v. Etzel: Der Guano und feine Hauptfundorte. Gumprecht: Die neueſten Erſteigungen der höchften Alpengipfel Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 7. Juli 1855. Von dieſer Zeitſchrift erſcheint jeden Monat ein Heft von 4 Seite 258 270 297 301 310 311 317 318 324 325 326 331 332 bis 5 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, iſt 2 Thlr. 20 Sgr. Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünſtr. 18. r * VIII. Fortſetzung der Nachrichten uͤber die wiſſenſchaftliche Reiſe der Gebruͤder Schlagintweit in Indien. | . ö 5 N Bericht an Se. Majeſtät den König Friedrich Wilhelm IV. !) Wir haben länger, als wir ſollten, verſäumt, Ew. Majeſtät einen Bericht über den Fortgang unſerer Reiſe vorzulegen, aber wir haben di in der That gefürchtet, daß das, was wir über unfere Reife und un— ſere Beobachtungen von Calcutta bis in den Himalaya zu berichten 1 hätten, nicht neu und intereſſant genug wäre, um im Geringſten der Aufmerkſamkeit Ew. Majeftät würdig zu fein. Mein Bruder Robert und ich verließen Calcutta nach einem kur— zen Aufenthalte am 25. März; wir beabſichtigten anfangs, nach Khat— mandu und Nepal zu gehen; wir wurden jedoch in Patna benachrich— tigt, daß Joeng Bahadur, der erſte Miniſter und factiſch der Herr— ſcher von Nepal, ſich mit orientaliſchem Mißtrauen unſerem Plane, von Khatmandu in das Innere zu gehen, widerſetze; wir hielten es daher für beſſer, weiter nach Weſten in den engliſchen Theil des Himalaya zu gehen. Wir gingen über Benares, Allahabad und Foettigoerh nach Nainy Tal, einer Station in den Vorbergen des Himalaya, was wir Ende April erreichten. Sehr überraſchend iſt der Eintritt aus den Ebenen in den Nei Mit einem Male ſcheint ſich Alles zu ver— * a 9 Der Redaction mitgetheilt auf 80 Sr. Majeftät durch Herrn Alexander v. Humboldt den 2. September 1855. 1 Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. . 17 258 Die wiſſenſchaftliche Reiſe ein prachtvoller greller Contraſt. Während man des Morgens am Fuße des Gebirges in Kaladungi im leichten indiſchen Anzuge ſelbſt unter der Punka über Hitze klagt, hatten wir Abends nach einem leich— ten Regenſchauer in Nainy Tal (eirca 6300 engl. Fuß über dem Meere) Gelegenheit, an einem warmen Kaminfeuer phyſikaliſche Betrachtungen über den Einfluß der Höhe auf die Abnahme der Temperatur anzu— ſtellen. Was den Vorbergen des Himalaya im Gegenſatze zu den Alpen einen eigenthümlichen Reiz verleiht, iſt die Ueppigkeit und Man— nigfaltigkeit der Vegetation. Schöne reichbelaubte Eichen, baumartige Rhododendra, mit großen rothen Blüthen bedeckt, gedeihen überall auf den höchſten Theilen der Vorketten. Wir hatten Gelegenheit, die äuße— ren Ketten des Himalaya von Nainy Tal aus in verſchiedenen Rich— tungen zu unterſuchen, und von zwei hohen Punkten aus, vom Chin— nür und Loeria Kanta bei 8700 und 8500 engl. Fuß, auf welchen wir mehrere Tage verweilten, genoſſen wir einen herrlichen Ueberblick über einen großen Theil des Himalaya in Kamaon und Gharwal. Das wundervolle Panorama der ſchneebedeckten Gipfel des Himalaya vom Api in Nepal über Nanda-Khat, Nanda-Devi, Triſſul, bis über die Badrinath- und Jamnutri-Gipfel hinaus, läßt ſich an Schönheit und Intereſſe mit nichts in den Alpen vergleichen. Wir beeilten uns, in die Nähe dieſer majeſtätiſchen Bergketten zu gelangen. Am 16. und 20. Mai verließen wir Nainy Tal, um auf zwei verſchiedenen Wegen nach Milum zu gehen. Robert ging mit dem größeren Theile des Gepäckes über Almora, Bägeſur und Ghirgaun nach Munſchari, einer großen Gemeinde im Gorithale, in welcher die nöthigen Vorbereitungen zur Lieferung von Proviant u. ſ. w. nach den höheren Theilen des Gebirges gemacht werden mußten. Ich ſelbſt ging über Bägeſur das Soerchuthal aufwärts nach Käthi, dem letzten klei— nen Dorfe im Pindurthale. Wir hatten in Nainy Tal gehört, daß einmal vor 25 Jahren ein Commiſſioner von Kemaon, Traill, direct über die Gletſcher aus dem Pindurthale in das Gorithal gelangt ſei; er litt damals viel vom grellen Schneelichte, war einige Tage ſchnee— blind, und die Eingeborenen behaupten, er ſei erſt wieder geſund ge— worden, nachdem er dem Tempel der Nanda-Devi in Almora ein an— ſehnliches Geſchenk gemacht. Das Factum iſt, daß er kurz nach ſeiner Rückkehr einen Streit zwiſchen den Brahminen dieſes Tempels und — 2 ne der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 259 zwiſchen dem Fiskus über den Beſitz einiger Grundſtücke zu entſcheiden hatte, und daß er zu Gunſten der Brahminen und des Tempels das Urtheil fällte. Als ich mich in der Nähe befand, ſprach ich mit den Leuten über den Weg, welchen Traill genommen hätte, und zu meinem großen Vergnügen ſah ich bald, daß die Leute unter dem Verſprechen guter Bezahlung und eines reichen Opfers fuͤr die Nanda-Devi bereit waren, mit mir den Weg zu verſuchen. Ein alter Mann, der einzige von den 100 Leuten, die Traill begleitet hatten, welcher noch am Le— ben war, wurde als Hauptwegweiſer mitgenommen. Um die Furcht der Leute vor dem Erblinden durch den Schnee zu verſcheuchen, gab ich Jedem ein Stück grüner Gaze, wovon ich mir einen Vorrath in Almora verſchafft hatte. Am 28. Mai verließ ich Käthi, von 30 der kräftigſten Leute aus dem Danpur-Diſtricte begleitet. Am 29. Abends kamen wir nach Pinduri, einer ſchönen grünen Alpe am Fuße des von prachtvollen hohen Felſenwänden und firnbedeckten Gipfeln umge— benen Pindur⸗Gletſchers. Hier wurden 4 Ziegen für die Nanda-Devi gekauft; überdies hatten wir von Käthi Reis, kleines füßes Backwerk u. ſ. w. für das Opfer auf der Paßhöhe mitgebracht. Der Aberglaube der Leute und ihre große Furcht vor der Nanda-Devi waren jetzt faſt das einzige, was mich für das Gelingen des Unternehmens beſorgt machte. Am 30ſten gingen wir über den Pindur-Gletſcher aufwärts, und nahmen unſer Nachtlager auf einem Bergabhange über dem rech— ten Ufer des Gletſchers, Schem Koerik genannt, über der Grenze alles Holz⸗ und Strauchwuchſes. Ich hatte einen wunderſchönen Ueberblick über den Pindur-Gletſcher und über einen Theil des maleriſchen Pin— dur⸗Thales; alle fernen Gegenſtände waren ſchon Mittags in einen dicken grauen Dunſt gehüllt; dieſer dicke Höhenrauch herrſcht Nachmit— tags immer im Himalaya während der heißen Jahreszeit; es ſind die mit Staub beladenen Dünſte aus der erhitzten Ganges-Ebene, die durch den Südwind in das Gebirge getrieben werden. Abends lagen ſchwere Gewitterwolken im tiefen Pindur-Thale, einige Blitze wurden ſichtbar; wir ſelbſt blieben oben conſtant außer dem Bereiche der Wol— ken. Abends, als ich die Karte des Gletſchers und der umgebenden Berge entwarf, erzählten mir die Leute bei jedem neuen Berge, nach deſſen Namen ich fragte, ſeine Beziehungen zur großen Legende der Nanda⸗Devi. Die Nanda-Devi bildet den Mittelpunkt des Gebirges 5 1 260 Die wiſſenſchaftliche Reife von Pinduri bis über Milum hinaus; die Benennungen vieler der höchſten Gipfel knüpfen ſich an die Thaten der Göttin (Devi S Göttin), und die Bhutias in Milum verehren keine Gottheit, als dieſe. Wir hatten hier und ſpäter in Milum Gelegenheit, die Legende der Nanda— Devi und ihre Beziehungen zur Gebirgsbenennung ziemlich vollſtändig zu erfahren, und ich glaube, es wird wenige gleich anziehende und reichhaltige Gebirgslegenden geben. Man iſt beſonders überraſcht durch die Treuherzigkeit und den feſten Glauben, womit die Legende erzählt wird, während man in Europa in ähnlichen Fällen gewohnt iſt, den Erzähler ſelbſt über die Leichtgläubigkeit ſeiner Voreltern lächeln zu ſehen. Die Nacht war etwas unangenehm, da ich und meine Leute ge— zwungen waren, in der feuchten Atmoſphäre ohne Zelt oder irgend an— deren Schutz im Freien zu ſchlafen. Es wäre in der That ohne große Lebensgefahr für die armen Leute nicht möglich geweſen, ſchweres Ge— päck, wie Zelte u. ſ. w., über die ſteilen felſigen Abhänge hinaufzutra— gen; ich hatte daher faſt all mein Gepäck mit den Bedienten auf einem großen Umwege über Namik nach Munſchari und Milum geſandt. Am 31. Mai brachen wir um halb 2 Uhr Morgens auf; ich war leider genöthigt, 4 Leute zurückzulaſſen, welche während der Nacht ſehr unwohl geworden waren und zurückzukehren verlangten. Die kalte Nacht hatte den Schnee hart und feſt gemacht, und wir ſtiegen langſam aber ſtetig empor. Wir erreichten den Gipfel des Paſſes um 8 Uhr Mor— gens. Nur das letzte Anſteigen zur Paßhöhe über ſteile eiſige Schnee— rinnen, wo wir Hunderte von Stufen mit der Axt hauen mußten, war etwas erſchöpfend für Leute, welche bereits durch einen langen Weg und eine ſchlechte Nacht etwas ermüdet waren. Nachdem ich kurze Zeit auf dem Paſſe geweſen war, wurde ich plötzlich dadurch er— ſchreckt, daß drei meiner kräftigſten Leute in raſcher Folge von epilep— tiſchen Zufällen befallen wurden; ſie warfen ſich in den Schnee nieder, verdrehten die Augen, ſchlugen mit Händen und Füßen um ſich und waren offenbar ganz von Sinnen. Alle meine Leute begannen zu ru— fen: „Nanda Devi aya, Nanda Devi aya!“ (die Nanda-Devi iſt in ſie gefahren). Ich war in der That erſchreckt, da ich fürchten mußte, daß dieſer Unſinn weiter um ſich greifen könnte; ich nahm das her zwei Brahminen, die ich bei mir hatte, bei Seite, ſagte ihnen, daß der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 261 dies reiner Unſinn ſei, daß ich der Nanda-Devi Alles gegeben hätte, was ſie irgend gefordert, und daß dieſer unangenehme Auftritt nur die Folge ihrer dummen Redensarten während des Weges ſei, wo ſie an jeder etwas ſchwierigen Stelle die Nanda-Devi anriefen und Ver— beugungen und Salems ohne Ende machten. Ich befahl ihnen unter Androhung ſtrenger Strafe in Almora, die Leute ſogleich zu beruhigen, was ſie durch lange Gebete und durch Auflegen von Schnee auf den Kopf bewerkſtelligten, wobei das letztere ſicher das wirkſamſte war. Ich verweilte eine Stunde auf dem Paſſe, um meine Beobachtun— gen mit dem Barometer und einem kleinen Theodoliten anzuſtellen, dann brachen wir auf. Der Paß führt noch nicht über den Hauptkamm der Schneekette, ſondern nur auf die ausgedehnten Firnfelder, welche dem Pindur⸗Gletſcher feinen Urſprung geben; man kann denſelben nicht erreichen, indem man den Pindur-Gletſcher entlang aufwärts geht, da derſelbe weiter oben in unzugängliche Eisnadeln zerborſten iſt. Wir hatten faſt zwei Stunden lang über dieſe ausgedehnten Firnfelder zu gehen, ehe wir den zweiten Paß erreichten, welcher hinab in das Loan— Thal führt. Hier begannen wir die Wirkung der Sonne und des Schneeglanzes zu fühlen; meine Leute lagen fortwährend im Schnee umher, und ich hatte große Mühe, ſie vorwärts zu treiben. Das Ther— mometer, welches am Paß 0“ ſtand, ſtieg hier in der Sonne auf 17 und 19° Celſ., was uns hier oben eine drückende Hitze ſchien. Um 11 uhr erreichten wir den zweiten Paß, wo wir endlich die ſteilen felſigen Abhänge des Nanda-Devi-Gipfels und der Milum- und Darma-Berge erblickten. Hier wurde geopfert, indem man die Ziegen, in 4 Theile getheilt, nach den verſchiedenen Himmelsgegenden ſchleu— derte und das übrige auf Steinen geſchmackvoll aufſchichtete. Ich ſelbſt ? war hinter einen Felſen verſteckt, da ich heilig verſprechen mußte, nicht hinzublicken. Während des Weges vom erſten zu dem zweiten Paſſe hatten wir beſtändig die hohen Gipfel der Schneekette vor uns; ich war im Stande, von verſchiedenen Punkten aus Winkel zu meſſen, und hoffe, daß meine Beobachtungen vielleicht nicht ganz ohne Nutzen r die Orographie und Geologie dieſes Theiles des Himalaya ſein erden. Wir blieben 12 Stunden auf dem zweiten Paſſe, welcher nur wenig niedriger, als der erſte, iſt; dann ſtiegen wir über ſteile Sönreninne zum Loan-Gletſcher hinab. 262 Die wiſſenſchaftliche Reife Nachdem ich mich öfters zum Zwecke meiner Beobachtungen auf— gehalten hatte, erreichten wir Abends 5 Uhr Naſſapänpatti-Koerik (Koerik = Alpe), wo wir unter dem Schutze einiger überhängenden Felſen vortrefflich ſchliefen. Den nächſten Tag gingen wir nach Mar— toli, und am 2. Juni hatte ich das Vergnügen, meinen Bruder Ro— bert in Milum zu begrüßen, wo er bereits zwei Tage früher einge— troffen war. Wir bedauerten jetzt ſehr, nicht gemeinſchaftlich dieſen Weg gegangen zu ſein, aber als wir Nainy Tal verließen, war es ſehr unwahrſcheinlich, daß bei dem vielen neuen Schnee der Weg mög— lich ſein würde, und wir glaubten ſicher, daß ich den großen Umweg über Namik zu machen haben würde. Wir können keine abſoluten Höhen für die Päſſe geben, da wir die correſpondirenden Barometer— Beobachtungen aus den Stationen in Nainy Tal und Agra noch nicht erhalten konnten; nach einer annähernden Berechnung glauben wir, daß die Höhe des Paſſes 17,950 engl. Fuß betragen wird. Wir blieben einige Tage in Milum, um unſere Karten und Zeich— nungen auszuarbeiten, die Inſtrumente aufzuſtellen und um unſeren Pflanzenſammlern u. ſ. w. die nöthigen Inſtructionen zu geben, dann gingen wir beide an den Fuß eines Gletſchers oberhalb Pachu, um die Gruppe der Nanda-Devi im engeren Sinne, welche gerade über dem Gletſcher emporfteigt), näher zu unterſuchen. Wir hatten zwei Tage vorher 7 Leute vorausgeſandt, um die Berge zu beiden Seiten des kleinen Gletſchers näher zu beſehen, und am 10. Juni gelang es uns, einen kleinen Gipfel auf dem öſtlich von der Nanda-Devi aus: laufenden Kamme zu erreichen. Wir hatten hier einen ſehr ausge— dehnten Ueberblick über einen großen Theil der Himalaya-Ketten von Darma und Dſchohär (Jawahir der Karten). Die Höhe des Gipfels iſt nahezu gleich jenen des Pindur-Paſſes, circa 17,900 engl. Fuß, aber da es kein Paß, ſondern ein ganz freier von ſteilen Abhängen umgebener Gipfel war, jo bot er noch eine viel beſſere Gelegenheit für unſere Winkelmeſſungen dar, als der Pindur-Paß. Wir verließen unſer Lager um 4 Uhr Morgens, und nach beſtändigem Anſteigen über Felſen und über Schneeabhänge erreichten wir um halb 11 Uhr den Gipfel. Wir fanden keine beſonderen Schwierigkeiten; es wäre kaum der Mühe werth, diejenigen zu erwähnen, welche von einem ſolchen Unternehmen unzertrennlich find. Wir waren von 13 Bhutias beglei— der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 263 ut, die unſere Inſtrumente und einige Lebensmittel trugen. Der Gipfel war ſehr ſchmal; wir fanden jedoch etwas unterhalb deffelben einen kleinen geſchützten Platz, wo ſich unſere Bhutias hinſetzten, um ſich zu wärmen, während wir ſelbſt auf dem Gipfel mit unſeren Be— obachtungen beſchäftigt waren. Wir verweilten von halb 11 bis 3 Uhr Nachmittags auf dem Gipfel, die Temperatur war 2 bis 5“ Celf— Einige unſerer Leute klagten über heftiges Kopfweh, wir ſelbſt fühlten es nur ganz wenig und es verlor ſich ſogleich im Hinabgehen. Der Hinabweg war raſch und angenehm; nachdem wir die gefährlichen und zerklüfteten Stellen des Schnee's paſſirt hatten, glitten wir mit großer Schnelligkeit über die Schneehalden hinab; um halb 6 Uhr erreichten wir den Fuß des Berges, von wo wir langſam zu unſerem Lager zurückwanderten. Wir verweilten noch zwei Tage, um die trigonome— triſche Meſſung der Nanda-Devi zu vervollſtändigen, und kehrten dann 1 nach Milum zurück, wo unſer Gehülfe Daniel, ein junger Oſtindier von guter Schulbildung, ſehr gute correſpondirende barometriſche und meteorologiſche Beobachtungen angeftellt hatte. Wir verweilten in Milum bis zum 16. Juni, mit magnetifchen Beobachtungen und photographiſchen Verſuchen beſchäftigt. Unſer photo— graphiſcher Apparat brachte unter den Bhutias einen wirklich wunder— vollen Eindruck hervor. Wir waren im Stande, verſchiedene Photo— graphien von guten Typen dieſer Menſchenrage zu ſammeln. Wir wagen es, zwei dieſer Verſuche Ew. Majeſtät vorzulegen, und werden im Simlah Gelegenheit finden, von unſeren negativen Collodiumbildern poſitive Abdrücke zu nehmen und werden die Ehre haben, unſerem Be— richte dann einige dieſer Abdrücke beizulegen. Am 16. Juni verließen wir abermals Milum, um den großen Milum⸗Gletſcher zu unterſuchen, welcher ganz nahe bei Milum ſelbſt endet. Es iſt der größte Gletſcher, welchen wir bis jetzt geſehen haben, 2 bis 24 deutſche Meilen lang, 1000 Meter breit, an Ausdehnung mit keinem Gletſcher in den Alpen vergleichbar. Am 18ten verlegten wir unſer Lager auf den Rata Dak oder Rothberg, einen kleinen iſo— lirten Felſenkamm, welcher inmitten der Firn- und Eismaſſen des Mi— lum⸗Gletſchers emporragt. Wir hatten von hier einen ausgezeichneten Ueberblick über den ganzen oberen Theil des Milum-Gletſchers und 4 über die Bergzüge, welche die Firnmeere umgeben. Die Südſeite des 264 Die wiſſenſchaftliche Reife Gipfels, auf welchem wir unſer kleines ſchwarzes Bhutia-Zelt aufge— ſchlagen hatten, war eben von Schnee frei geworden; auf der Nord— ſeite waren noch dicke Lagen von Winterſchnee aufgehäuft. Die Höhe des Punktes betrug ungefähr 15,500 Pariſer Fuß; wir befanden uns weit über der Grenze der höchſten Sträucher, und da durch die ſteile enge Felsſchlucht, über welche der einzig mögliche Weg heraufführte, nur ganz leichte Ladungen heraufgetragen werden konnten, ſo hatten wir den erſten Tag einen fühlbaren Mangel an Brennmaterial. Den heiteren Abend benutzten wir, um mit dem Fernrohre den ſehr zerklüf— teten Gletſcher zu unterſuchen, und wo möglich einen Weg durch das Labyrinth der Spalten nach den höheren Theilen des Gebirges aufzu— finden. Unſere 16 Bhutias erklärten es für unmöglich, irgend weiter vorzudringen; ſie gehen gut auf Felſen, aber ſie fürchten Schnee und Eis und beſonders die Gletſcherſpalten. Am 19ten vor Tagesgrauen verließen wir unſer kleines Lager; mit feſten Seilen verbunden, welche den Muth der Bhutias weſentlich erhöhten, wanderten wir über die zerſpaltenen Gletſcher aufwärts. Nach einigen Stunden kamen wir an die ſchwierigſte Stelle, einen etwa 1000 Fuß hohen, ſehr ſteilen Abſturz des Firnmeeres; Einer von uns ging, am Seile gehalten, voran, um den Weg zu bahnen und die Feſtigkeit des friſchen Winterſchnee's zu beiden Seiten der großen Firnſpalten zu prüfen. Unſere 12 Leute folgten mit ſtummer Reſignation unſeren Tritten; ſie hatten ſich längſt jedes Urtheiles über den einzuſchlagenden Weg begeben. Nach vielen vergeblichen Verſuchen gelang es uns, den oberen Theil des Abfalles zu erreichen. Wir glaub— ten jetzt dem Ziele unſerer Wanderung, einem ſchwarzen Felſenkamme, welcher das Firnmeer des Milum-Gletſchers im Norden begrenzt, ziem— lich nahe zu fein; aber das allmählig anſteigende Firnfeld ſchien ſich, wie dies häufig der Fall iſt, mit jedem Schritte zu vergrößern. Drei lange Stunden wanderten wir langſam vorwärts. Der Einfluß der Höhe und der Ermüdung machte ſich jetzt in ſehr verſchiedener Weiſe bei den Leuten bemerkbar. Wir ſelbſt fühlten nicht das leiſeſte Kopfweh, indem wir uns bereits allmählig ganz ae— climatiſirt hatten. Um uns gegen die Wirkung der ſenkrechten indi— ſchen Sonne zu ſchützen, die man, wenn uns nicht Alles täuſcht, hier oben auf den Schneefeldern ganz anders, als in den Alpen, fühlt, P der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 265 hatten wir wieder unſere dicken indiſchen Hüte aus leichtem Baum— mark hervorgeholt, die einen vortrefflichen Schutz gewährten. Einige unſerer Leute, die ſich durch geiſtige Getränke zu ſtärken ſuchten, klag— ten über heftige Kopfſchmerzen. Aber wir Alle fühlten eine eigenthüm— liche Ermattung, die theils den Anſtrengungen des Weges, theils dem CEinfluſſe der verdünnten Luft zuzuſchreiben war. Endlich um 1 Uhr erreichten wir den oberſten Theil des Firn— meeres, am Fuße des Felſenkammes, wo auf dem Schnee einige Zeit geruht und das Barometer aufgeſtellt wurde; wir befanden uns gerade unter dem halben Drucke der Atmoſphäre; Barometerſtand 380 Milli— meter. Wir waren, mit Milum verglichen, ungefähr 18,000 Par. oder 19,100 engl. Fuß hoch. Von einem Paar unſerer Leute begleitet, ſtie— gen wir noch auf den Felſenkamm, der ſich nördlich von uns befand. Das Barometer mitzunehmen zeigte ſich bei der allgemeinen Ermüdung und der Steilheit der Felſen ganz unmöglich. Die Höhe war ſicher 500 bis 600 Fuß über dem Aufſtellungspunkte des Barometers; wir haben fpäter dieſe Höhe eben fo wie jene einiger Gipfel in der Um— gebung trigonometriſch gemeſſen. Oben wurde uns eine ſchöne Aus— ſicht auf die tibetaniſchen Bergzüge zu Theil; Girthi lag unmittelbar zu unſeren Füßen. Während von Süden her, wie gewöhnlich des Nachmittags, ſchwere Wolken heraufzogen, war in Tibet klarer blauer Himmel. Unſere Leute mahnten dringend zur Rückkehr; nach halb 4 Uhr brachen wir auf. Raſch eilten wir über jene Stellen hinweg, wo wir jetzt, nachdem die Sonne den Schnee erweicht hatte, Lawinen— gefahr befürchten mußten; um halb 6 Uhr erreichten wir bereits den Fauß des ſteilen zerklüfteten Abſturzes, und legten nun ermüdet den Reeſt des Weges langſam zurück. Nach Einbruch der Nacht um halb 9 uhr trafen wir auf unſerem Lager in Rata Dak ein, wo die zurück— gebliebenen Leute ängſtlich unſerer Rückkehr geharrt hatten. =» Am nächſten Morgen fanden wir unſer Zelt und den Boden mit ie Schnee bedeckt, den jedoch die Sonne bald wieder 8 . d das Bedürfniß nach Waſſer, 5 uns das 8 ren all- miäͤhlig ganz ungenießbar wurde, zur Rückkehr. Spät Abends erreich— 1 ten wir bei Fackelſchein unſere Zelte, die nebſt unſeren Dienern auf TRIEBE Ve 266 Die wiſſenſchaftliche Reiſe einem kleinen Raſenplatze am linken Ufer des Milum-Gletſchers zurück— gelaſſen waren. Die Bhutias zeigten ſich über das Gelingen unſeres Unterneh— mens höchſt erfreut; abergläubiſch in hohem Grade ſind ſie jetzt zu der Ueberzeugung gelangt, daß wir einen ganz ſpeciellen Glücksſtern be— ſitzen müßten, und wir werden des Morgens von Leuten wahrhaft be— lagert, die unſerer glückbringenden Vermittelung in irgend einer Ange— legenheit, beſonders in ihren Speculationen im tibetaniſchen Getreide— und Borarhandel, bedürfen. Da das Gelingen unſerer tibetaniſchen Reiſe ganz von den guten Dienſten und der Anhänglichkeit der Bhu— tias abhängt, ſo müſſen wir uns natürlich liebenswürdig machen und den ſämmtlichen Anliegen Gehör ſchenken und Alles ſo glücklich als möglich ſchlichten. Die Gebirge in den Umgebungen des Milum-Gletſchers, welche wir in der letzten Zeit unterſuchten, ſind in geologiſcher Beziehung ſehr intereſſant. Auf die cryſtalliniſchen Schiefer der Centralzone des Hi— malaya folgen hier ſehr verſteinerungsreiche ſedimentäre Schichten der ſiluriſchen Formation. Wir waren ſo glücklich, anf unſerem Lager in Rata Dak, ſowie auf dem höchſten Punkte, den wir erreichten, zahl— reiche ſiluriſche Verſteinerungen von ſchöner Erhaltung zu finden; da das Gebirge hier faſt ganz von Vegetation entbloͤßt iſt, ſo hatten wir eine ſehr gute Gelegenheit zur Aufnahme von geologiſchen Profilen, welche den Uebergang von den cryſtalliniſchen Schiefern in die ſedi— mentären Schichten zeigen. Wir konnten uns hier beſtimmt überzeugen, daß das, was in den eryſtalliniſchen Schiefern als Schichtung er— ſcheint, nur Schieferung iſt, welche ſich in gleicher Weiſe in die ſe— dimentären Schichten fortſetzt, wo man alſo 1) die Schieferung, 2) die davon ganz verſchiedene wahre Schichtung oft in ſehr complicirten Verhältniſſen vor ſich hat. Von der maleriſchen Schönheit des Himalaya ſind wir im höch— ſten Grade befriedigt; in der centralen Zone mit den Gletſchern iſt die Gebirgsgeſtaltung vollſtändig, wie in den Alpen, aber alle Ver— hältniſſe ſind weit großartiger. Das obere Pindurthal, die prachtvolle Thalſchlucht oberhalb Munſchari, und das Gebirge zwiſchen Pinduri und Milum laſſen ſich an Großartigkeit und Schönheit nur mit den ſchönſten Theilen der berner und ſavoyiſchen Alpen vergleichen; das der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 267 2 große Milumthal ſelbſt iſt, wie alle ähnlichen Hochthäler, da es völlig uber der Grenze der Baumvegetation liegt, etwas monoton; es hat Aehnlichkeit mit dem Engadinthale in Graubündten von dem Maloja— paſſe bis zur Finſtermünz; aber die Höhe der Thalſohle und der Berg— züge iſt hier ungefähr doppelt jo groß, als im Engadin. Wir haben verſucht, eine Reihe von Zeichnungen und Agquarellſkizzen dieſer herr— lichen Gebirgsſcenen zu entwerfen, und werden es wagen, von Agra aus im Herbſte Ew. Majeſtät einige dieſer unvollkommenen Skizzen vorzulegen, deren große Fehler Ew. Majeftät leider nur zu raſch ent— decken werden. Die letzten Tage waren wir in Milum mit dem Verpacken und Verſenden unſerer geologiſchen, botanischen und zoologiſchen Samm— llungen beſchäftigt, die mit Hülfe von drei Pflanzenſammlern und zwei Schikars (Jägern) reichhaltiger geworden waren, als wir anfangs ge- hofft hatten, da wir ſelbſt nur ſo wenig Muße zu rein naturhiſtori— ſchen Sammlungen haben. In ungefähr drei Tagen werden wir uns von hier über Uta Dhura und Laptel nach Tibet wenden. Wir gehen Beide allein, nur von 10, ſämmtlich wohlbewaffneten Bhutias begleitet. Wir ſelbſt ha— E ben uns ganz als Bhutias verkleidet und tragen lange Röcke aus weißer Schafwolle, Beinkleid und Kappe ſind aus demſelben Stoffe; unſer Gepäck, nur aus Lebensmitteln und einigen guten Inſtrumenten beſtehend, wird auf 15 ſchwarzen, langhaarigen Chübus (Dſchübus) transportirt. Das übrige Gepäck und unſere ſämmtlichen Leute gehen nach Badrinath, um dort unſere Ankunft zu erwarten. Wir werden verſuchen, wenn es irgend möglich iſt, zum Manſarauer See und den heiligen Seen von Tibet zu gehen und, von dort in Tibet weſtlich gehend, über den Mana-Paß nach Badrinath zu gelangen. Ein Um— fi and, der gerade dieſes Jahr unſere Reife erſchwert und das Gelin— gen n ſehr unſicher macht, iſt der Krieg zwiſchen den Nepaleſen und Ti— betanern. Joeng Bahädur hat aus einem ziemlich unbegreiflichen Grunde die Tibetaner angegriffen und Taclacot genommen; die Ti— etaner ſollen nach zuverläſſigen Nachrichten Verſtärkung aus Laſſa er— galten haben, und es ſcheint ſich da oben um ein, fo viel man bis jetzt weiß, ganz werthloſes Beſitzthum ein ganz regelmäßiger kleiner krieg zu entwickeln. Die Leute hier in Milum politiſiren und ſpioni— 268 Die wiſſenſchaftliche Reife ren auf das lebhafteſte, da ſie als Handelsleute ſehr durch dieſe Un— ruhen leiden. Wir ſelbſt haben vor drei Wochen einen Kundſchafter ausgeſandt, der uns berichtete, daß der Weg zu den Seen bis jetzt ganz frei ſei; wie es ſich ſpäter verhalten wird, muß uns der Augen— ſchein lehren. Wir erfreuen uns Beide ſeit unſerer Ankunft in Indien der beſten Geſundheit; unſer Lager iſt jedoch hier oben ein wahres Hoſpital und die Hälfte unſerer Leute iſt beſtändig unter den Händen eines ärztli— chen Gehülfen oder „ſchwarzen Doctors“, wie er in Indien heißt, wel— chen uns der ſehr liebenswürdige Gouverneur der Nordweſt-Provin— zen, Mr. Colvin, in Nainy Tal mitgegeben hatte. Von unſerem Bruder Hermann haben wir keine ſehr neuen Nach— richten erhalten; er befindet ſich in Sikhim im öſtlichen Himalaya, mehr als 800 engl. Meilen von uns entfernt, und unſere Mittheilun— gen durch das unwegſame Gebirge ſind natürlich etwas langſam und unzuverläſſig. Hermann befand ſich vor 4 Wochen auf dem Phoellut— Gipfel, an der Grenze zwiſchen Nepal und Sikhim, circa 12,000 Fuß über dem Meere, von wo er eine ausgedehnte Ueberſicht des öſtlichen Himalaya hatte. Geſtatten Ew. Majeſtät den Ausdruck des unterthänigſten, tief— gefühlten Dankes für Ew. Majeſtät Allerhöchſte Gnade, welche es uns allein möglich machte, unſere Unterſuchungen in einem Lande fortzu— ſetzen, welches an Großartigkeit der Natur und an wiſſenſchaftlichem Intereſſe unſere Erwartungen bei weitem übertrifft. Wie ſehr fürchten wir, daß die Reſultate unſerer Arbeiten die Erwartungen Ew. Maje— ſtät nur in ſehr geringem Grade befriedigen werden. Wir erſterben in unterthänigſter Ehrerbietung Ew. Majeſtät treugehorſamſte Milum, in Chohär, den 28. Juni 1855. Adolph Schlagintweit. Robert Schlagintweit. der Gebrüder Schlagintweit in Indien. 269 Erläuterung zweier an Se. Majeſtät den König gefandten Photographien. Die beiden Photographien der Bhutias wurden in Milum ge— macht. Der Anzug dieſer Leute iſt ganz aus weißer Wolle gefertigt, 1 welche die Männer und Kinder ſpinnen. Er beſteht aus einem Bein— kleide, einem langen Rocke, faſt ganz nach indiſchem Schnitte, und einer leichten, oben etwas ſpitz zulaufenden Muͤtze. Die Erwachſenen tragen 2 häufig eine ſtarke, weiße Leibbinde, die Kinder ſelten. Dieſe haben große ſilberne Ringe um den Hals und zuweilen an den Händen. Die Beſchäftigung der Bhutias iſt vorzugsweiſe Handel; viele derſelben ſind wohlhabende Leute; ſie bringen Getreide, Zucker u. ſ. w. auf Schafen nach Tibet und fuhren Salz, Borax, Salpeter u. ſ. w. in ähnlicher Weiſe herüber. Die Dörfer, in welchen die Bhutias woh— nen, gleichen weit mehr europäiſchen, als indiſchen Dörfern. Der Rage nach ſtehen die Bhutias in der Mitte zwiſchen den Bewohnern Hindoſtans und jenen von Tibet; von den Bewohnern der Ebene unterſcheiden ſie ſich durch größeren, kräftigeren Körperbau, vollere, rundere Formen und ſtärkere Musculatur; aber es fehlt ihnen . die mongoliſche Phyſiognomie, welche bei den Tibetanern in ſolchem Grade vorhanden iſt, daß man ſie ſogleich von den Bhutias unter— IX. Vergleichende Ueberſicht der Ergebniſſe des Berg— baues, Huͤtten- und Salinenbetriebes im preußiſchen Staate in den Jahren 1823, 33, 43, 53). Nach gedruckten amtlichen Quellen zuſammengeſtellt. J. Ergebniſſe des Bergbaues. 10823 1.33 1843 1853 Tonnen Tonnen Tonnen Tonnen 1) Steinkohlen . . 5,822,720 8,254,311 14,168,441 28,688,165 im 5; 1825; | 2) Braunkohlen ).. | 1,342,449 | 2,142,528 | 4,122,849 | 12,200,687 | im J. 1837: N 3) Eifenerze . — 679,874 914,044 1,496,516 Gentner Centner Centner 4) Zinkerze | — 995,300 1,871,906 3,246,660 5) Bleierze „Wache — 498,879 421,600 324,645 6) Kupfe rere — — 647,925 1,254,247 j 7) Kobalterze — — | 1,6293 229 | 8) Nicelerze . — — — 910 % 9) Arſenikerze — — 9,648 9,091 10) Antimonerze . | — 2,3434 1,785 285 11) Manganerze — — 2,476 9,500 Tonnen Fr 12) Bitriolerze — — 12,781 97,915 5 C ei 128,921 168,500 | | Gentner Centner ö 1D Geht — — 6,572 1,122 im J. 1840: 10 Asppalt — — 652 — 16) Alußſpo t) — — = 9,587 | | \ 50,038 Reis, 17) Dachſchiefen .. = — | — 6311 Fuder, | | | ! 15,516 ◻Fuß ) Mitgetheilt von dem Königl. ee Regierungsrathe und Proſeſſor Herrn Schubarth. G. 2) 1825 und 1833 ſehr unzuverläſſig. Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 271 . Bemerkungen zu J. | N 1) Was die Steinkohlen-Gewinnung in der preußiſchen Mon— archie betrifft, fo findet fie in folgenden Haupt-Bergdiſtricten ſtatt: a) im ſchleſiſchen, b) im ſächſiſch-thüringiſchen, e) im weſtphäliſchen und d) im rheiniſchen. Es find gefördert worden Tonnen, zu 4 preuß. Scheffeln, im Haupt⸗BBergdiſtritte- 1823. 1833. 1843. 1853. 4627 gegen 9 ſchleſiſchen 2,744,359 2,424,024 4,797,298 10,093,921 13,678 ) ſächſiſch⸗thüring. 61,8383 77,762 80,522 182,036 12,9437 D weſtphäliſchen 1,708,203 3,807,553 5,397,927 10,933,241 1:6,400 d) rheiniſchen 1,308,319 1,944,972 3,892,694 7,478,967 125,716 Summe 5,822,720 8,254,311 14,168,441 28,688,165 1:4,926 Das Alter des niederſchleſiſchen Steinkohlen-Bergbaues läßt ſich nicht mit Zuverläſſigkeit angeben. Erſt ſeit 1776 iſt es möglich geworden, das aus den dortigen Gruben gewonnene Quantum mit Zauverläſſigkeit auszumitteln; es betrug in jenem Jahre 368,630 Scheffel oder 92,1574 Tonnen. Weit jüngeren Urſprungs iſt der Steinkohlen— Bergbau in Oberſchleſien. Die erſten Verſuche wurden vor etwa 800 Jahren daſelbſt gemacht. Es betrug im Jahre 1776 das daſelbſt gewonnene Quantum Steinkohlen nur 4296 Scheffel = 1074 Tonnen. Die Steinkohlen-Niederlage im Saalkreiſe (Wettin, Löbejühn) iſt von geringer Bedeutung. Die Nachrichten reichen bis zum Jahre 1701. Von dieſem Jahre an bis einſchließlich 1815 ſind 23,771,093 5 Scheffel oder 5,942,773 Tonnen gewonnen worden, alſo durchſchnitt— lich jährlich 206,705 Scheffel = 51,426 Tonnen. Y Im weſtphäliſchen Haupt-Bergdiſtricte hat in der Grafſchaft Mark ſchon ſeit 1739 Steinkohlenförderung ſtattgefunden, allein erſt ſeit 1787 konnte die Größe derſelben richtig ausgemittelt werden. Von 1787 bis Ende 1815 betrug dieſelbe 94,129,462 Scheffel, alſo im Durchſchnitte jährlich 3,361,766 Scheffel oder 840,441 Tonnen. — Im Eſſen⸗Werdenſchen, wo der Bergbau auf Steinkohlen ungleich älter it, konnten frühere Nachweifungen, als bis zu 1803, nicht erhalten werden. Von 1803 bis einſchließlich 1815 betrug die geförderte Menge 29,767 „770 Scheffel, alſo jährlich im Durchſchnitte 2,480,647? Schef— fel oder 620,161 Tonnen. — Im Tecklenburg-Lingenſchen kann erſt von 1747 ab eine Berechnung aufgeftellt werden, obgleich auch hier 272 E. L. Schubarth: ſchon früher Steinkohlen gefördert wurden. Von 1747 bis mit 1815 betrug die Fördermenge 7,648,884 Scheffel, jährlich im Durchſchnitte 110,853; Scheffel oder 27,7130 Tonnen. Was zuletzt den Steinkohlen-Bergbau in der Rheinprovinz betrifft, ſo findet er ſtatt: im Saarbrückenſchen, an der Inde, an der Worm (Aachen, Eſchweiler). Die Größe der Gewinnung iſt erſt ſeit 1816 angegeben, in welcher Zeit die Gruben, welche auf jenen Nie— derlagen bauen, der preußiſchen Monarchie einverleibt worden ſind. Frühere Nachrichten waren nicht zu erhalten. Im Jahre 1816 be— trug das Quantum der geförderten Steinkohlen 5,069,407 Scheffel oder 1,267,351 Tonnen. Bei dem Steinkohlen-Bergbau waren beſchäftigt 1843 22,888, 1853 42,087 Mann. Zu dieſer Zahl treten noch einige Tauſend Ar— beiter hinzu, die bei Schurfarbeiten auf Steinkohlen und bei der Ab— teufung von Schächten beſchäftigt ſind. Durch den Aufſchwung des Steinkohlen-Bergbaues iſt in vielen Revieren ein Mangel an Arbei— tern ſehr fühlbar geworden und mahnt derſelbe dringend, mit der Ver— wendung der Menſchenkräfte durch Benutzung der von der Mechanik dargebotenen Verbeſſerungen ſparſam umzugehen. Der Werth der ge— förderten Kohlen betrug 1843 am Urſprungsorte 5,307,661 Thaler, 1853 dagegen 10,274,472 Thaler. Oberſchleſiſche Steinkohlen fanden Abſatz bis nach Magdeburg und Wittenberge, auf der anderen Seite bis über Wien hinaus, theils auch nach Galizien. Einen ganz außerordentlichen Aufſchwung hat die Stein— kohlenförderung in Weſtphalen genommen; in den Bergamts-Bezirken Bochum und Eſſen iſt dieſer Zweig des Bergbaues gegen frühere Jahre in hohem Flor. Großen Einfluß darauf haben die Anlage der Cöln— Mindener Eiſenbahn und der Zweigbahnen, die Errichtung zahlreicher neuer Hochöfen und Puddelwerke, ſowie die Anlage von Fabriken in der Nähe der Bahn geäußert. Den Gruben in der Saargegend iſt durch Anlage der Pfälzer Ludwigsbahn und der Metz-Forbacher Bahn ein bedeutend vermehrter Abſatz erwachſen. 2) Braunkohlen-Bergbau. In der officiellen Zuſammen— ſtellung der Bergwerks-Production von 1823 ift des Braunkohlen— Bergbaues nicht Erwähnung gethan. Derſelbe hat ſich erſt in der neueſten Zeit außerordentlich gehoben, namentlich in der Provinz Sach— n N | Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 273 ſen und auch in der Mark Brandenburg, wozu die Anlage vieler Runkel— | rübenzucker-Fabriken in erſtem Landestheile ganz beſonders beigetra- gen hat. j Es find gefördert worden Tonnen zu 4 preuß. Scheffeln im Haupt⸗Bergdiſtriete: 1825. 1833. 1843. 1853. 1825 gegen 1853. az) brandenb.⸗preuß. — — 158,207 1,224,956 — ph ſchleſiſcher 10,000 ) u 19,061 416,628 1:4,166 0) fähfifch-thäring. 589,878 1,278,986 2,701,415 9,430,660 1:15,986 4) rheiniſcher 742,574 863,542 1,244,166 1,128,443 11,519 find 4,342,449 2,142,528 4,122,849 12,200,687 1:9,088 Bei dem Braunkohlen-Bergbau waren beſchäftigt 1843 3513, 1853 8010 Arbeiter. Geldwerth der geförderten Kohlen am Urſprungs— orte 1843 434,186 Thlr., 1853 dagegen 1,607,728 Thlr. Haupt- förderungen von Braunkohlen fanden ſtatt in runder Summe: im Re— gierungsbezirke Merſeburg 5,900,000, Magdeburg 3,500,000, Cöln 1,800,000, Frankfurt 789,000, Liegnitz 290,000 Tonnen. 3) Eiſenerze. Ueber die Förderung der Eiſenerze fehlen für die früheren Jahre die Angaben; erſt in der Zuſammenſtellung der Bergbauproduction von 1837 kommt eine ſolche vor. Es ſind geför— dert worden Tonnen: Haupt- Bergdiſtriet: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. . a) brandenburg-preußiſcher 5,273 7,704 8,084 14,533 v) ſchleſiſcher 157,541 433,534 563,730 1:3,578 o) ſächſiſch⸗thüringiſchen 27,264 36,233 51,963 124,905 d) weſtphäliſcher 53,709 42,143 146,320 112.724 e) rheiniſcher 436,087 394,430 726,410) 114,665 ſind 679,874 914,044 1,496,516 12,201 Die Eiſenerze beſtanden aus: Brauneiſen- und Thoneiſenſtein, Wieſenerz, Rotheiſen-, Spatheiſen-, Magneteiſenſtein und thonigem Sphäroſiderit. Bei dem Eiſenſtein-Bergbau waren beſchäftigt 1837 7738, 1843 6845, 1853 10,037 Mann. Geldwerth am Urſprungsorte 1837 481,504 Thlr., 1843 540,325 Thlr., 1853 965,535 Thlr. 2 4) Zinkerze. Früher wurde nur Galmei, erſt ſpäter auch Blende gefördert. Blende wird namentlich im Siegenſchen, auch im Dürener an Dieſe Zahl iſt ganz unzuverläſſig. ) Hierbei 6,726 Tonnen im Fürſtenthum Sigmaringen. Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 18 * 274 E. L. Schubarth: und Saarbrückener Bergamts-Reviere gewonnen. Das Förderungs— Quantum betrug im Jahre 1853 143,793 Centner, welche in der Geſammtſumme der in dieſem Jahre geförderten Zinkerze mit inbe— griffen ſind. Es wurden gefördert Centner: Haupt-Bergdiſtiet: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. a) ſchleſiſcher 951,994 1,665,876 2,967,821 13,117 p) weftphälifcher 3,891 7,027 19,835 1:5,097 c) rheiniſcher 39,415 199,003 259,004 16,571 ſind 995,300 1,871,906 3,246,660 13,362 Bei dem Zinkerz-Bergbau waren beſchäftigt 1837 2027, 1853 dagegen 6459 Arbeiter. Geldwerth am Urſprungsorte 1837 388,394 Thlr., 1853 1,704,983 Thlr. Die ſtärkſte Förderung an Galmei in Oberſchleſien hatten die Gruben: Thereſia 579,600 Centner, Maria 508,223 Ctn., Scharley 449,660 Ctn. 5) Bleierze. Bleierz-Bergbau findet ſtatt: in Oberſchleſien bei Tarnowitz (nebenbei in den Galmeigruben dortiger Gegend), im Sie— genſchen, in der Eifel, am Fuße des Harzes in der Herrſchaft Stol— berg, bei Bochum im Steinkohlengebirge, bei Homberg im Bergamts— bezirke Eſſen, im Bezirke des Fuͤrſtl. Wied'ſchen Bergamts, im Berg— amtsbezirke Saarbrücken. Die bedeutendſte Förderung fand in letzter Zeit ſtatt im Dürener Bezirke, häuptſächlich auf dem Bleiberge bei Kommern, ſodann im Siegener Bezirke. Die Bleierzförderung betrug Tonnen im Haupt- Bergdiſtriete: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. a) ſchleſiſchen 24,826 22,151 15,242 10,654 b) rheiniſchen 474,053 399,177 309,057 10,630 c) ſächſiſchen — 272 190 — d) weſtphäliſchen — — 156 — ſind 498,879 421,600 324,645 10,650 Es hat die Bleierzförderung hinſichtlich der Gewichtsmenge bedeu— tend ab⸗, dagegen, was den Reichthum der geförderten Erze an Blei (und Silber) betrifft, außerordentlich zugenommen. (Vergl. weiter unten die Angabe über Blei- und Silbergewinnung). Bei dem Blei-Bergbau waren beſchäftigt 1837 1888, 1843 2110, 1853 aber 5462 Arbeiter. Der Geldwerth betrug am Urſprungsorte 1837 404,623, 1843 307,005 1853 903,779 Thaler. a an ic Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 275 6) Kupfererze. Die Hauptförderung derſelben findet ſtatt in der Grafſchaft Mannsfeld und dem angrenzenden Thüringen (Sanger— hauſen). Das geförderte Erz iſt Kupferſchiefer, welcher außer Kupfer auch Silber (Nickel, Blei ꝛc.) enthält. Der Bergbau im Mannsfeldi— ſchen beſchäftigte im Jahre 1853 3007 Arbeiter. Nächſt der vorge nannten Förderung wird auch im Siegenſchen ein nicht unbeträchtliches Quantum an Kupfererzen, beſtehend in Kupferkies und ſilberhaltendem Fahlerze, gewonnen. Bei Stadtberge in Weſtphalen wird Kieſelſchiefer, welcher kleine Mengen kohlenſaures Kupferorydhydrat führt und nur durch die naſſe Ausziehung mittelſt Schwefelfäure, nicht durch Schmel— zung, zu gute gemacht werden kann, gewonnen. Kupfererze werden ferner gewonnen in Niederſchleſien bei Kupferberg, wo man in den letz— ten Jahren angefangen hat, den faſt zum Erliegen gekommenen Berg— bau wieder neu aufzunehmen; im Kammsdorfer Reviere (einer Enclave in den thüringiſchen Fürſtenthümern); bei Plettenberg und Meinerzha— gen (Kupferkies); im Fürſtenthum Wied; im Bergamtsbezirke Düren (Sandſtein mit fein eingeſprengtem Malachit und Kupferlaſur); im Bezirke von Saarbrücken (Kupferkies), namentlich bei St. Goar. Gefördert wurden Centner im Haupt⸗Bergdiſtricte: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. a) ſchleſiſchen 2,381 2,418 2,852 11,197 b) ſächſiſch⸗thüring. 531,466 u. 50 Tonnen 570,265“) 967,860 11,821 c) weſtphaͤliſchen — — 517 — d) rheiniſchen 46,617 2) 75,242 2) 283,018) 126,071 find 578,083 u. 50 Tonnen 647,925 1,254,247 1:2,169 Bei dem Kupfer-Bergbau waren beſchäftigt 1837 2537, 1843 2805, 1853 4450 Arbeiter. Der Geldwerth betrug am Urſprungsorte 1837 43,900, 1843 271,689, 1853 615,420 Thaler. 7) Kobalterze finden ſich vornehmlich im Siegenſchen, auch, wiewohl nur wenige, im Kammsdorfer Reviere; früher wurden auch in Schleſien bei Friedeberg am Fuße des Iſerkamms dergleichen geför— dert, welche Förderung aber in neuerer Zeit eingeſtellt worden iſt. 1) Einſchließlich 109 Centner Fahlerze. 2) Einſchließlich 3230 Centner Fahlerze. ) Einſchließlich 5763 Centner Fahlerze. ) Einſchließlich 5543 Centner Fahlerze. 18” 276 E. L. Schubarth: Es wurden gewonnen Centner im Haupt- Bergdiſtriete: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. a) ſchleſiſchen 45 1 — — b) ſächſiſch⸗thüringiſchen 411 2 — — c) rheiniſchen 871 1628 229 1:0,262 find 1327 16294 229 17017 8) Nickelerze findet man im Sangerhauſer Kupferſchiefer-Re— viere, welche daſelbſt auf den Sprungklüften einbrechen; auch im Sie— genſchen ſind in neuerer Zeit, wenn auch nur ſehr ſparſam vorkom— mend, ſolche Erze gewonnen worden. Die Gewinnung betrug (auf— bereitetes Erz): 1853 im ſäͤchſiſch-thüringiſchen Haupt-Bergdiſtriete 903 Gentner, = = vheinifchen > 7 = zuſammen 910 Gentner. 9) Arſenikerze brechen in Schleſien zu Neichenftein (golofüh- rend, vergl. unter II, 26), zu Altenberg und Rothenzechau; es iſt Arſenikalkies und Mißpickel. Es wurden gefördert Centner: im ſchleſiſchen Haupt- Bergdiſtricte 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. 10,190 9648 9091 120,892 10) Antimonerze (Schwefelantimon) werden gefördert: bei Wolfsberg in der Grafſchaft Stolberg-Roßla am Fuße des Harzes, in Weſtphalen bei Arensberg; früher auch bei Nuttlar und bei Brück auf dem linken Ufer der Ahr. Die Förderungen haben ſich immer mehr vermindert; ſie betrugen Centner: Haupt⸗Bergdiſtriet: 1833. 1843. 1853. 1833 gegen 1853. a) ſaͤchſiſch-thüringiſcher 21132 1593 33 10,015 b) rheiniſcher 7293 192 252 1: 0,345 find 28433 1785 285 1:0,100. 11) Manganerze (Braunſtein) brechen auf der Eifel, das Meiſte liefert die Grube bei Arloff; ferner im Saarbrückenſchen bei Wadern (2 Gruben) von beſonderer Güte; im Siegenſchen wurde früher auch Braunſtein gewonnen. Die Fördermenge betrug im Gan— zen 1837 5632, 1843 2476, 1853 9500 Centner; 1837 gegen 1853 1:1,686. 12) Vitriolerze, Schwefelkies, Vitriolkies, Torf mit Vitriol— kies durchdrungen; letztes Vorkommen namentlich zu Schmelzdorf bei Neiſſe und zu Kamnig bei Münſterberg in Schleſien, wo man den Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 277 letztern dann als Brennmaterial benutzt. Gefördert wurden Centner im Haupt- Bergdiſtricte: 1837. 1843. 1853. a) ſchleſiſchen 4,345 u. 34,222 Tonn. 6,596 u. 9,500 Tonn. 56,980 b) ſaͤchſiſch-thuͤringſchen 1,176 u. 5,426 „ 7,385 u. 3,281 = 13,058 c) weſtphäliſchen — — 2,950 d) rheiniſchen — 1,369 24,927 find 5,521 u. 39,648 Tonn. 15,350 u. 12,781 Tonn. 97,915 13) Alaunerze, beſtehend in Alaunerde zu Freienwalde, Glei— ßen, Schermeiſel, Muskau, Schwemſal; in Alaun liefernden Braun— kohlen zu Bornſtedt bei Eisleben, am Fuße des Siebengebirges an der Haardt bei Bonn, im Fürſtenthume Wied; in Alaunthon zu Friesdorf bei Bonn; in Alaunſchiefer bei Limburg a. d. Lenne und bei Eppen— hauſen bei Hagen. Die Förderung ergab im | Vitriol enthaltenden Torf nach ftattgefundener Oxydation auslaugt und Haupt- Bergdiſtricte: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen Tonnen Tonnen Tonnen 1853. a) preußiſch-brandenburg. 8,016 34,794 54,169 1:6,757 bp) ſchleſiſchen — — 25,000 — e) ſaͤchſiſch-thüringiſchen 26,430 55,967 51,854 1:1,899 d) weftphäfifchen 8,440 9,098 18,395 12,178 ) rheiniſchen 25,705 29,062 19,0921) — find 68,591 128,921 168,500 12,457 14) Graphit iſt erſt in neuerer Zeit und zwar aus 2 Gruben, bei Sackrau unweit Münſterberg und zu Altbiebersdorf bei Reinerz in Schleſien, gefördert worden. Letzte iſt erſt im Jahre 1853 in Betrieb geſetzt worden. Zuerſt im Jahre 1843 wird unter den geförderten Mineralien auch Graphit aufgeführt. Es wurden gewonnen 1843 6572, 1853 1122 Centner. 15) Asphalt gehört auch zu den erſt in neuerer Zeit aufge— fundenen und verſuchsweiſe geförderten Mineralſtoffen; er wird zuerſt im Jahre 1839 mit 250 Centnern aufgeführt, im Regierungsbezirke Miünſter bei Coesfeld vorkommend. 1840 betrug die Förderſumme 652, 1842 103 Centner; ſeit dieſer Zeit wird er nicht mehr aufgeführt. 16) Flußſpath wird zu Rottleberode in der Grafſchaft Stol— pi berg⸗Roßla für den Betrieb der Kupferrohhütten des Mannsfeldes ge— N ) Dieſe Zahl iſt deshalb fo klein, weil die Alaun liefernden Braunkohlen zum größeren Theile mit unter der Summe der geförderten Braunkohlen enthalten find. 278 E. L. Schu barth: brochen. Die Gewinnung betrug daſelbſt 1843 87,400, 1853 9,587 Centner. II. Ergebniſſe des Hüttenbetriebes. | 1823 1833 1843 1853 Gentner | Gentner [Centner | Gentner Pagnbeien end IE I AR „ 1,524,463|3,483,224 2) Rohſtahleiſen \ 10, 20 1129839) 125,901 141,438 3) Gußwaaren vom Hohofen ab 7 5 — — 314, 119 475, 270 4) Desgl. durch Umſchmelzen von Roheiſen — — 390,287 1,033,687 5) Schmiedeeiſen, gefriſcht, gepuddelt (ein⸗ ſchließl. Eifenbahnfchienen) . . . 593,474 808,053/1,711,79 104,062,547 6) Schwarzblech . — 42,280 151,406 423,912 7) Weißblech, verzinnt, verbleit (die An- gaben für 1823 und 1833 ae ganz unvolltändig) ) — — 39,164 56,386 8) Eiſendraht (desgl. ) — — 141,664 294,572 9) Rohſtahl, auch Puddelſtahl, Cementſtahl 44,198 59,465 107,730 146,048 10) Gußſtahl (die Angaben für 1823 und 1833 find ganz unvollftändig) . . — — ? 909] 55,651 11) Raffinirter Stahl (Reckſtahl), (besgt.) — — = 45,768 12) Zink in Barren, Platten. 150,625 | 135,462 360,472] 693,446 i Blechen — — 17,603] 135,232 14) Zinkweiß . — — — 14,052 15) Blei (Kaufblei ).. 23,311 10,960 20,591 128,838 16) = gewalzt a di — — 1,870 2,878 17) Bleiglätte (Ranfgätte) eee 8,482 19,373] 15,254 18) Kupfer (Gaarkupfer) . 14.032 15,073] 20,272 33,202 19) Kupferwaaren, get 8 — — 16,0800 28,028 20) Meſſing . er FE 13,560 17,028 32,660] 38,917 e dns — — 90 179 22) Arſenikalien . 1,553 3,014 3,757 2,859 23) Antimon n u. Ant. ada) — — 1,304 108 24) Smalte 2 2,431] 2 2,820 7,727 3,232 Marf Marf Mark Mark r 16,943 | 20,3752 30,152 45,134 ANSCHAUEN DR RR — — — 19 Centner | Gentner | Gentner | Gentner e . 52,059 ZUR im 3.1824 280 Nupfemiitriol 1. N 1,728 1,424 3,143 4,399 29) Eiſenvitrio l. 221,900 24,005] 28,283| 44,475 30) Gemiſchter Vitrioo l. 3,784 3,8044 5,542 2,469 im J. 1823 31) Schwefel 883 752 593 761 Bemerkungen zu II. 1) und 2) Wie aus den vorſtehend mitgetheilten Productions— zahlen ſich ergiebt, hat die Erzeugung von Roheiſen und Rohſtahl— ) Erſt feit 1837 find 3) und 4) getrennt angegeben. 1 | | . Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 279 eiſen zuſammengenommen von 1823 ſich im Jahre 1853 mehr als vervierfacht, ſie iſt in der That 4,576 größer, als vor 30 Jahren. Die Ziffern für die einzelnen Haupt-Bergdiſtricte ergeben ſich aus Nachſtehendem: Haupt- Bergdiſtrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen Centner Centner Centner Centner 1853 a) brandenburg=preußifcher 15,887 7,160 -- — — b) ſchleſiſcher 341,877 518,194 733,801 1,315,590 13,848 e) ſächſiſch⸗thüringiſcher 22,942 22,171 33,848 58,271 122,539 dq) weitphälifcher 1,756 2,555 25,815 485,165 1:276,3 e) rheiniſcher 409,508 629,779 856,900 1,713,196“) 1:4,183 find 791,970 1,179,859 1,650,364 3,624,662 14,576 Was die Erzeugung des Rohſtahleiſens anlangt, ſo findet dieſe faſt nur im rheiniſchen Haupt-Bergdiſtricte, und zwar im Sie— genſchen ftatt, früher auch, aber nur zu einem ſehr geringen Antheile, im ſchleſiſchen. Die Zunahme der Roheiſenerzeugung in dem Bezirke des weſtphäliſchen Haupt-Bergdiſtrictes iſt ganz außerordentlich, eine Folge der in neueſter Zeit aufgefundenen reichen Eiſenerz- (black- band) und Kohlenlager daſelbſt. Es find die Hohöfen an der Eiſen— bahn, wie Pilze aus der Erde, hervorgeſchoſſen. Aber nicht allein in Weſtphalen, ſondern auch in der Rheinprovinz und in Oberſchleſien iſt ein ſehr reges Fortſchreiten darin bemerkbar geworden, ſo daß ein drückender Mangel an Menſchenhaͤnden für den Gruben- und Hütten: betrieb ein bisher nicht zu bewältigen geweſenes Hemmniß für das ener— giſchere Vorwärtsſchreiten abgiebt. Es können nicht Kohlen genug ge— foͤrdert werden, um den durch die Hohöfen und Puddelwerke, durch die Eiſenbahnen und gewerblichen Anlagen hervorgerufenen großartigen Bedarf zu decken. Die beſtehenden Eiſenhütten, welche Roheiſen erzeugen, ſind theils Staats-, theils Privatwerke. Zu den erſten gehören: Die Eiſengießerei bei Gleiwitz mit 2 Kokshohöfen; Königshütte mit urſprünglich 4, durch die beſchloſſene und in Ausführung gebrachte Erweiterung des Werks künftig mit 8 Kokshohöfen; Malapane mit 1 Hohofen auf Holzkohlenbetrieb; desgleichen auf der Kreuzburger Hütte, ſaͤmmtlich in Oberſchleſien. Wondollek (Regierungsbezirk Gum— ) Einſchließlich 30,917 Gentner im Fürſtenthum Hohenzollern-Sigmaringen. > 1 280 E. L. Schu barth: binnen) 1 Holzkohlenhohofen; Torgelow (Regbez. Stettin) 1 desgl.; Peitz (Regbzk. Frankfurt) 1 desgl.; Vietz (Regbzk. Frankfurt) 1 desgl.; Sayn (Regbzk. Coblenz) 1 Kokshohofen. Summa 13 Hohöfen. Zu den Privatwerken gehören: in Oberſchleſien 61 Holzkohlen— und 18 Kofshohöfen, mit einer Production im J. 1853 von 1,267,270 Ctn., darunter 39,287 Ctn. Gußwaaren. In Niederſchleſien: a) Re— gierungsbezirk Breslau 2 Holzkohlenöfen, b) Regierungsbezirk Liegnitz 20 Hohöfen, die ſämmtlich Holzkohlen verwenden. In der Provinz Brandenburg außer den oben angeführten Staatswerken 3 Holzkohlen— öfen, welche aber 1853 kalt lagen. In der Provinz Sachſen 14 Hoh— und Blauöfen, letzte im Kreiſe Suhl, meiſt auf Holzkohlenbetrieb ein— richtet. In Weſtphalen 12 Hohöfen, 6 mit Holzkohlen, 3 mit Koks, 3 mit einem Gemenge von beiden betrieben. Von dem Roheiſen, wel— ches dieſe Hochöfen lieferten, fallen 64,7 pCt. auf Koks, 17,2 pCt. auf das Gemenge von Koks und Holzkohle, 18,1 pCt. auf Holzkohle. Außer den 12 in Betrieb geweſenen Hohöfen lagen 1853 noch 3 an— dere kalt. Erbaut wurden 4 neue Oefen von dem Hörder Bergwerks— und Hüttenvereine, und 2 andere ſind noch beabſichtigt. Ein zweites Hüttenwerk mit 4 Oefen iſt im Herbſt 1853 bei Hattingen zu bauen begonnen worden; ferner von der Phönix-Geſellſchaft mehrere Hohöfen an der Steele-Vohwinkler Eiſenbahn; bei Duisburg 4 Hohöfen, meh— rere bei Ruhrort. Hiernach geht die weſtphaliſche Eiſenerzeugung einem ganz außerordentlichen Aufſchwunge entgegen, welcher in den vortreff— lichen, reichhaltigen Steinkohlenflözen, in den theils ſchon früher bekann— ten, theils neu aufgeſchloſſenen Eiſenerzlagerſtätten, in der Nähe dreier ſchiffbaren Flüſſe, des Rheins, der Ruhr und der Lippe, in zahlreichen Kunſtſtraßen und dem in fortwährender Erweiterung begriffenen Netze in einander greifender Eiſenbahnen eine ſichere Grundlage hat. In dem rheiniſchen Haupt-Bergdiſtricte befinden ſich a) im Sie— genſchen 46 Hohöfen, welche 76,2 pCt. des erblaſenen Roheiſens bei Holzkohlen, 20,5 pCt. bei Koks, 3,3 pCt. bei einem Gemenge beider lieferten. b) Im Dürener Bezirke 23 Hohöfen, von denen 22 mit Holzkohlen betrieben wurden. ) Im Saarbrücker Bezirke 16 Hoh— öfen, welche bei Koks 63,3 pCt., bei Holzkohlen 13,7 pCt., bei einem Gemenge beider 24 pCt. der Geſammtmenge des erblaſenen Roheiſens lieferten. * * 7 “ N 1 Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 281 In dem Hohenzollernſchen Lande haben 2 Holzkohlenöfen in Be— trieb geſtanden. ' Was die Erzeugung von Rohſtahleiſen betrifft, jo fand die— ſelbe ausſchließlich auf 9 Hohöfen ſtatt, wovon 7 im Siegenſchen, 1 auf Saynerhütte, 1 in Oberſchleſien belegen ſind. Bei der geſammten Roheiſenerzeugung waren beſchäftigt: 1837 3000, 1843 2722, 1853 6960 Arbeiter. Der Geldwerth der Pro— duction am Urſprungsorte betrug: 1837 2,662,951, 1843 2,772,286, 1853 aber 6,592,190 Thaler. 3) Was die Erzeugung von Gußwaaren direct aus den Erzen (vom Hohofen) anlangt, ſo haben wir ſtatt der Angabe von 1823 die von 1824 deshalb gewählt, weil die Production von dem ſaͤchſiſch⸗thüringiſchen Haupt-Bergdiſtricte nicht angegeben und die vom rheiniſchen mit unter „Roheiſen“ begriffen war. Auch in dieſem Zweige hüttenmänniſcher Thätigkeit iſt ein bedeutender Fortſchritt zu erkennen. Was die einzelnen Haupt-Bergdiſtricte betrifft, fo ſtellte ſich die Production folgendermaßen: Haupt⸗Bergdiſtriet: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. Centner Centner Centner a) brandenburg⸗preußiſcher 16,566 23,056 16,740 11,010 p) ſchleſiſcher 67,381 32,490 132,905 11,974 c) ſächſiſch⸗thüringiſcher 2,892 38,245 47,601 1:16,46 d) weſtphäliſcher 98,040 82,792 118,064 114,204 e) rheiniſcher 152,590 136,536 159,960’) 14,047 ſind 337,469 314,119 475,270 11,408 4) Erſt ſeit 1837 hat eine Trennung der Gußwaaren direct vom Hohofen und der durch Umſchmelzen von Roheiſen gewonne— nen durchgreifend ftattgefunden, weshalb wir hier dieſes Jahr berück— ſichtigen. Haupt⸗Bergdiſtrict: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. Centner Centner Centner a) brandenburg-preußiſcher 42,195 121,690 393.978 129,337 b) ſchleſiſcher 32,257 148,424 157,390 1:4,879 c) ſächſiſch⸗thüringiſcher 31,464 4,850 54,946 11,746 d) weſtphäliſcher 15,491 42,417 160,090 110,334 e) rheiniſcher 12,623 72,906 267,283 121,182 ſind 134,030 390,287 1,033,687 12772 ) Einſchließlich 4824 Centner im Fürſtenthum Hohenzollern-Sigmaringen. 282 E. L. Schubarth: Außer den Eiſengießereien auf Staatswerken, welche unmittelbar mit dem Betriebe von Hohöfen verbunden ſind und welche in dem Vorſtehenden erwähnt wurden, verdient die Königl. Eiſengießerei zu Berlin genannt zu werden, welche 2 Cupol- und 4 Flammöfen beſitzt, ferner die Eiſengießereien von Borſig, Wöhlert, Egells, Schwarzkopf, Freund u. a. m. daſelbſt. Es wurden in den Privatwerken Berlins, deren 1853 13 in Thätigkeit waren, 12 Flamm-, 22 Cupol- und 21 Tiegelöfen betrieben, welche zuſammen 207,685 Centner Gußwaaren lieferten und 3009 Arbeiter beſchäftigten. Rechnet man zu dem vor— ſtehenden Quantum die Summe der von der Königl. Eiſengießerei er— zeugten Eiſengußwaaren hinzu, ſo erhält man eine Gewichtsgröße von 231,685 Centnern, d. i. reichlich 3 der im ganzen Staate durch Um— ſchmelzen von Roheiſen erzielten Gußwaaren-Production. 5) Schmiedeeiſen. Daſſelbe wurde, wie nachſtehende Ueber— ſicht ergiebt, in folgender Progreſſion erzeugt. Haupt- Bergdiſtrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen Centner Centner Centner Centner 1853. a) brandenburg preußiſcher 29,489 50,904 107,862 296,253 129,130 b) ſchleſiſcher 207,011 335,730 547,139 1,005,993 1:4,859 e) ſächſiſch⸗thüringiſchen 32,291 39,697 36,524 35,217 11,090 d) weſtphäliſcher 2,805 11,578 280,815 898,226 1:320,2 e) rheiniſcher 321,878 370,144 739,451 1,853,858 125,759 find 593,474 808,053 1,711,791 4,062,547 126,845 Die Zahl der bei den Friſchfeuern und Puddelwerken beſchäftig— ten Arbeiter betrug: 1837 4529, 1843 5710, 1853 17,038. Der Geldwerth der Erzeugniſſe am Urſprungsorte 1837 5,656,608, 1843 7,829,955, 1853 17,751,839 Thaler. Auf den Staatswerken waren 1853 40 Friſchfeuer, 7 Puddel— öfen, 9 Schweißöfen, 5 Walzwerke, 2 Dampfhämmer ꝛc. in Thätigkeit. In den Privatwerken ftanden im Gebrauch: im brandenburg-preußi— ſchen Haupt-Bergdiſtricte 136 Friſch-, Reck- und Zainfeuer, 13 Pud⸗ del-, 17 Schweißöfen, 7 Dampfhämmer. Darunter das Puddelwerk von Borſig zu Moabit bei Berlin mit 13 Puddel-, 13 Schweißöfen, 7 Dampfhämmern, 12 Paar Walzen ꝛc., 10 Dampfmaſchinen. In Schleſien 272 Friſchfeuer, 70 Puddel-, 34 Schweißöfen, 21 Walz— werke; im ſächſiſch-thüringiſchen Diſtricte 42 Friſch- und Löſchfeuer, | g Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 283 4 Puddel⸗, 3 Schweißöfen; im weſtphäliſchen Diſtricte 184 Friſchfeuer, 139 Puddel-, 96 Schweißöfen, 30 Wärme- und Glühöfen, 11 Dampf: hämmer, 8 Luppenquetſchen, 25 Walzwerke. In dem genannten Di— ſtricte befinden ſich folgende große Werke: die Hermannshütte zu Hörde mit 14 Dampfmaſchinen, 1607 Arbeitern, 50 Puddelöfen; die Hütte zu Oberhauſen mit 23 Puddelöfen, 12 Dampfmaſchinen. Im rheini— ſchen Diſtricte: a) im Siegenſchen 68 Puddelöfen, 80 Friſch- und Reckfeuer; b) im Dürener Bezirke 43 Friſchfeuer, 110 Puddel- und 42 Schweißöfen; in demſelben ſind die größten Werke: das zu Eſch— weiler Aue mit 33 Puddelöfen, ferner bei Eſchweiler mit 16, Eber— hardshammer mit 12, Puͤmpchen mit 11, die Quint mit 16 Puddel⸗ öfen; c) im Saarbrückner Bezirke 31 Friſch- und Reckfeuer, 15 Pud— delöfen; d) in dem Hohenzollernſchen Lande 4 Friſchfeuer. Summirt man dieſe Zahlen, ſo ſtellen ſich die im Jahre 1853 in Betrieb geweſenen Feuer und Oefen alſo: Friſch-, Reck- und Fein— eiſenfeuer 832, Puddelöfen 426, Schweiß- und Gluͤhofen 231, Walz— werke 55. 6) Die Fabrikation des Schwarzblechs war in den Jahren 1833, 1843, 1853 die nachſtehend verzeichnete: Haupt⸗Bergdiſtrict: 1833. 1843. 1853. 1833 gegen 1853. Centner Centner Centner a) brandenburg⸗preußiſcher 7,389 11,490 64,722 18,759 p) ſchleſiſcher 7,048 19,052 34,525 14,898 c) ſächſiſch⸗thüringiſcher 6,974 8,655 5,506 10,789 d) weftphälifcher — 33,515 143,011 — e) rheiniſcher 20,869 78,694 176,148 1:8,440 find 42,280 151,406 423,912 1:10,026 Unter diejenigen Werke, welche bedeutende Mengen Schwarzblech liefern, gehören: das Werk von Borſig in Moabit bei Berlin, es er— zeugte 1853 40,800 Centner; das Werk zu Hörde in Weſtphalen, welches 45,796, das in Oberhauſen, welches 51,569, und das Werk zu Dillingen (Regbzk. Trier), welches 51,807 Centner Schwarzblech er— zeugte. Die Zahl der in den Schwarzblechhütten im Jahre 1853 be— * 5 ſchäftigten Arbeiter betrug 790 und der Geldwerth am Urſprungsorte = 2 2,662,052 Thaler. 284 E. L. Schubarth: 7) Weißblech, d. h. verzinntes, auch verbleites Eiſenblech, iſt nur in 2 oder 3 Diſtricten dargeſtellt worden. Aeltere Nachweiſungen fehlen; erſt ſeit 1842 iſt die Erzeugung von Weißblech beſonders auf— gezeichnet worden. Wir können daher nur 1843 und 1853 mit ein- ander vergleichen. Haupt- Bergdiſtriet: 1843. 1853. 1843 gegen 1853. Centner Centner a) weſtphäliſcher 15,135 10,325 1:0,68 b) rheiniſcher 24,029 46,061 11,91 ſind 39,164 56,386 124,439 Geldwerth am Urſprungsorte 1853 663,297 Thaler. Die Haupt- werke für die Darſtellung von Weißblech ſind: das Dillinger, welches 25,161, und das zu Neu-Oege bei Limburg, welches 10,325 Centner darſtellte. 8) Die Erzeugung von Eiſendraht hat in der letzten Zeit außerordentlich zugenommen, was ſeinen Grund in der Verwendung des Drahtes zu den Telegraphenleitungen hat; die Ausdehnung dieſer nützlichen Anſtalten iſt es aber nicht allein, ſondern vornehmlich die Vermehrung der Drahtleitungen auf einzelnen Strecken, welche den Verbrauch, alſo die Erzeugung, des Drahtes ſo bedeutend geſteigert hat. Es wurden erzeugt im Haupt-Bergdiſtriete: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. Centner Centner Centner a) ſchleſiſchen 54 350 6,200 1 114,8 b) ſächſiſch⸗ thüring. — 1,272 500 = c) weſtphäliſchen 62,780 114,950 196,500 13,13 d) rheiniſchen 2227 25092 91,372 133,5 ſind 65,561 141,664 294,572 1:4,493 In den Drahthütten waren 1853 bejchäftigt 1412 Arbeiter. Geld— werth des erzeugten Drahtes 1,837,194 Thaler. Die weſtphäliſchen Drahthütten liegen in der Grafſchaft Mark, zu Hamm, Menden, Bochum, Altena, Nahmer. Der märkiſchen Draht— hütten ſind 42 mit 569 Drahtzügen; im Siegenſchen ſind 36 Werke mit 135 Zügen. 9) An Rohſtahl, ordinären Cementſtahl, Puddelſtahl — eine Stahlſorte, welche erſt ſeit wenigen Jahren gefertigt wird — wurden erzeugt im Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 285 Haupt ⸗Bergdiſtriete: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen Centner Centner Centner Centner 1853. a) brandenburg -preußiſchen — — 882 2,280 — b) ſchleſiſchen 665 1,251 130 6,452 1:9,70 J fächſiſch⸗ thuͤringiſchen 4,038 2,802 6,812 4,817 1:1,19 dd) weſtphaͤliſchen — — 37,862 77,647 — e) rheiniſchen 38,425 53,214 62,044 54,852 11,42 ſind 43,128 57,267 107,730 146,048 13,386 Die Stahlerzeugung in Weſtphalen findet auf 41 Rohſtahlhäm— mern und 5 Cementſtahlwerken ftatt, die meiſt in der Umgegend von Hagen liegen; fie beſitzen 52 Feuer und 10 Cementiröfen; eine Firma P. Harkort u. Co. producirte allein 4091 Centner Roh- und 8182 Cementſtahl. Im Siegenſchen waren 39 Feuer im Gange. Puddel— ſtahl wurde in Oberſchleſien 5022, auf der Hasper Hütte in Weſt— ö phalen in 4 Oefen 20,981, zu Limburg a. d. Lenne 5000, zu Alten— hagen 1250, zu Lohe bei Müſen 2446, auf dem Ründerother Werke (Rheinprovinz) 4871, auf 2 anderen Werken 3960 Centner erzeugt. Die ganze Summe des erzeugten Puddelſtahls betrug 1853 57,055 Centner mit einem Werthe von 271,617 Thalern. Die Gewichtsmenge des bei Holzkohlen erzeugten Stahls verhält ſich zu der bei Steinkoh— lenbrand gefertigten wie 54,8 zu 45,2. — Im Jahre 1853 waren in den Rohſtahlhütten 383 Arbeiter beſchäftigt, und der Geſammtwerth betrug 800,814 Thaler. 10) Was den Gußſtahl betrifft, ſo ſind frühere Nachrichten theils ganz mangelnd, theils völlig ungenau. Auch die Angaben für das Jahr 1853 ſind ohne Zweifel bedeutend unter der Wirklichkeit. Im Regierungsbezirk Potsdam ſind 2 Werke, das Karlswerk bei Neu— ſtadt⸗Eberswalde und das zu Liepe, Kreis Angermünde. Der Hauptſitz der Gußſtahlfabrikation iſt in Weſtphalen in der Fabrik von Fr. Krupp bei Eſſen, welche mehr, als die Hälfte des im Jahre 1853 im preußi— ſchen Staate erzeugten Gußſtahls lieferte. In dieſer Anſtalt wurden 31,364 Centner Stahl erzeugt und in Stangen, zu Eiſenbahnwagen— und Locomotivachſen, zu Wellen für Dampfmaſchinen, zu Wagenfedern und Maſchinentheilen aller Art verarbeitet. Die Fabrik beſchäftigte 327 Arbeiter; fie wurde 1810 begründet und mit 2 Arbeitern betrie— ben, hat ſich aber ſo emporgehoben, daß ſie einen, man kann ſagen, europaͤiſchen Ruf erlangt hat, namentlich durch die Production großer R * } F * > £ 1 286 E. L. Schubarth: Gußſtücke bis zu 10,000 Pfd. Gewicht! Eine neuere Fabrik iſt die von Meyer und Kühne bei Bochum, welche an 300 Arbeiter hat. Außerdem giebt es noch Werke zu Dortmund, Witten, Hagen und Goffontaine bei Saarbrücken. — Geſammtwerth des erzeugten Guß— ſtahls 600,332 Thaler; Arbeiterperſonal 861. 110 Raffinirter (Reck-) Stahl wurde früher in den Liſten nicht genau nach dem Gewicht ausgeſchieden, weshalb wir nur allein vom Jahre 1853 reden können. Die Erzeugung betrug in Oberſchle— ſien 4020, in Weſtphalen 32,061, in der Rheinprovinz 9687, zuſam— men 45,768 Centner, mit einem Geldwerthe von 417,883 Thalern; Arbeiterzahl 318. Zum Schluß der Mittheilungen über Eiſen wollen wir noch über den Verbrauch an Roheiſen im J. 1853 einen Ueberſchlag machen. An Gußwaaren wurden aus den Erzen erzeugt .. . Nein. 475/270 Ein Zur Darſtellung von 1,033,687 Ctn. Gußwaaren aus Roheiſen wur⸗ den, wenn zu 90 Ctn. derſelben 100 Ctn. Roheiſen nöthig find, verbraucht 1,148,541 Zur Erzeugung von 100 Ein. Stabeiſen Hinäten uni 135 Ctn. Roheiſen, alfo zu 4,026,547 Cen. 5,484,438 Von dem zur Blechfabrikation verwendeten Materiale iſt ein Theil ſchon in obigem Stabeiſen enthalten; der Roheiſenbetrag für den übrigen Theil kann geſchätzt werden aun ft.. 640,000 = Für die Bereitung von 201,699 Ctn. Stahl iſt, da auf 70 Ctn. 100 Ctn. Verbrauch gerechnet werden können, anzuſetzen. . 288,141 ſind 8,036,390 Gtn. Erzeugt wurden 1853 an Noheifen . . . 3,483,224 Ctn. - = = = Gußwaaren . 475,270 = E - = = Mohftahleifen . 141,438 = 4,099,932 „ Mithin wurde mehr verbraucht als erzeugt eine Summe von 3,936,458 Etn. Von dieſem Mehrbedarf wurde bei weitem das Meiſte aus Eng— land und Belgien, alſo aus dem Auslande, eingeführt, nur ein kleiner Theil wurde älteren Vorräthen entnommen und durch Umſchmelzen von altem Gußeiſen gedeckt. Ohne Zweifel wird, bei dem mächtigen Auf— ſchwunge, den die Roheiſenerzeugung in neueſter Zeit entfaltet hat, der fehlende Bedarf bald gedeckt werden. 12 bis 14) Zinkhüttenbetrieb. Im Jahre 1853 waren 47 Zinkhütten im Gange mit einer Production von 693,446 Centn. Rohzink. Wie raſch die Production ſich zu dieſer Höhe emporge— 4 3 Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 287 ſchwungen hat, geht aus nachfolgender Zuſammenſtellung hervor. Es wurden gewonnen im } Haupt=Bergpijiriete: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 1853. Centner Centner Centner Centner a) ſchleſiſchen 147,799 134,473 323,641 563,368 13,811 b) weſtphaliſchen 1,818 989 1,870 55,533 1:30,54 e) rheiniſchen 1.008 — 34,961 74,545 1:73,95 find 150,625 135,462 360,472 693,446 1:4,603 Im Jahre 1853 waren in den Zinkhütten befchäftigt 4406 Ar- beiter; der Werth des erzeugten Zinks betrug 4,028,904 Thaler. Kein europäiſches Land hat eine ſolche Production an Zink! — In Ober— ſchleſen waren in 41 Hütten 625 Oefen in Thätigkeit, in deren Muf— feln geröſteter Galmei verhüttet wurde. In Weſtphalen wird in der Grüne bei Iſerlohn Galmei in 2 Lütticher Oefen zu je 50 Röhren verhüttet, auf der Hütte zu Borbeck Blende ſowohl in ſchleſiſchen, als Lütticher Oefen, auf der Hütte zu Eppinghofen ſowohl Blende, als Galmei. Ebenſo verhüttet man auch zu Linz am Rhein, zu Bergiſch— Gladbach, zu Stolberg und Eſchweiler Blende, auf letzteren Werken aber auch Galmei. Zinkblech wurde auf dem Kupferhammer bei Neuſtadt-Ebers— walde, zu Jedlitze bei Malapane, auf dem Rybnikerhammer bei Rybnik in Oberſchleſien, ferner zu Ohlau, zu Kattowitz und Gleiwitz, zu Schneid— hauſen im Kreiſe Düren und an anderen Orten dargeſtellt, und zwar zu Neuſtadt 3157, in Schleſien 125,175, im Kreiſe Düren 6900 Ctn. Geſammtwerth 1,112,615 Thaler. Zinkweiß wurde erzeugt: in Oberfchlefien 1402, in Weſtphalen in der Hütte zu Eppinghofen 12,650 Ctn., in Summa 14,052 Ctn. mit einem Geldwerthe von 175,268 Thalern. Auch Kadmium iſt ſeit länger als zwei Jahrzehnten in Ober— ſchleſien, zuerſt allein auf der Königl. Lydognia-Zinkhütte, ſpäter auch auf einigen Privathütten dargeſtellt worden. Auf erſter Hütte im Jahre 1853 133 Pfd. à 3 Thlr. das Pfund. 15) und 16) Bleihüttenbetrieb findet ſtatt in Oberſchleſien * auf der Friedrichshütte bei Tarnowitz, im Siegenſchen auf 11 Werken, im Bezirke von Düren in 13 Werken, im Saarbrücker Bezirke auf I Werke, in Summe auf 26 Hüttenwerfen. Die Production betrug im DE ine aa de de 288 E. L. Schubarth: Haupt-Bergdiſtriete: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen Centner Centner Centner Centner 1853. a) ſchleſiſchen 9,387 783 2,550 9,991 14,064 b) ſächſiſch-thüring. — — — 404 — c) rheiniſchen 13,923 10,177 18,041 118,443 18,507 ſind 23,310 10,960 20,591 128,838 15,527 Der Geldwerth betrug 1853 897,472 Thaler, die Zahl der in den Hütten beſchäftigten Arbeiter 635. (Im Dürener Bergamtsbezirke wird die Pattinſon'ſche Kryſtalliſationsmethode zur Scheidung des ſilber— reichen vom ſilberarmen Blei angewendet.) Bleiglätte wurde erzeugt: Haupt- Bergdiſtriet: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 1853. Centner Centner Centner Centner a) ſchleſiſcher 10,194 5,355 8,027 6,075 10,595 p) rheiniſcher 2,753 3,128 10,746 9,179 13,334 ſind 12,947 8,488 19,373 15,254 14,255 Die Menge der Kaufglätte richtet ſich nach dem Preiſe des Bleies, je nachdem es vortheilhafter erſcheint, die Glätte zu verfriſchen und als Weichblei oder auch unmittelbar als Glätte in den Handel zu bringen. Das Werkblei auf der Friedrichshütte enthielt im Centner durchſchnitt— lich 56,9 Grän S 3,1611 Loth Silber, auf der Hütte zu Lohe bei Müſen enthielt daſſelbe 73 Loth Silber im Centner. 18) Kupfer wird gewonnen: 1) in Schleſien zu Rudelſtadt bei Kupferberg. Die Hütte iſt ſehr alt und genügt nur für einen ſchwa— chen Betrieb. Auf derſelben wurden die bei den dortigen Verſuchs— bauen gewonnenen ſilberhaltigen Blei- und Kupfererze verſchmolzen. 2) Im Mannsfeld und Thüringen (Sangerhauſen). Hier befinden ſich 5 Rohhütten, welche den Kupferſchiefer auf Rohſtein verſchmelzen, mit 8 Groß- und 12 Kleinöfen, welche theils mit heißer, theils mit kalter Luft betrieben werden. Der reichere Rohſtein wird ohne weitere Vorbereitung der Entſilberung überwieſen, wogegen der ärmere erſt noch einer Concentrationsarbeit unterworfen wird. (Erſter hat 51 bis 56,5 Pfd. Kupfer und 43 bis 93 Loth Silber im Centner; der durch die Concentrationsarbeit erhaltene Spurſtein enthält 69 bis 77 Pfd. Kupfer und 13 bis 144 Loth Silber im Centner.) 3) Zu Kamms— dorf, einer Enclave der thüringiſchen Staaten, werden reine, theils auch ſilberhaltende Kupfererze geſchmolzen. 4) Am Harze bei Stol— . Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 289 berg. 5) Im Siegenſchen. 6) Zu Stadtberge in Weſtphalen. 7) Am Rheine zu Bendorf und St. Goar. Ueberſichtliche Zuſammenſtellung der Kupfergewinnung des preußi— ſchen Staats: Haupt⸗Bergdiſtriet: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 1853. Centner Centner Centner Centner a) ſchleſiſcher 277 421 324 140 10,505 b) ſaͤchſiſch⸗thüringiſch. 11,977 13,946 18,235 25,415 12,122 c) weftphälifcher — — — 1,000 ?) — d) rheiniſcher 1.778 706 1,713 6,647 13,738 find 14,032 15,073 20,272 33,202 12,366 Beſchäftigt waren in ſämmtlichen Kupferhütten im Jahre 1853 1010 Arbeiter. Der Geldwerth des Gaarkupfers am Urſprungsorte betrug 1,089,777 Thaler. 19) Grobe Kupferwaaren, auf Kupferhämmern Dargeftellt, wurden geliefert: . Haupt⸗Bergdiſtrict: 1837. 1843. 1853. 1837 gegen 1853. * Centner Centner Centner 2) brandenburg⸗preußiſcher 8,325 8,632 15,120 11,816 by) ſchleſiſcher 3,244 2,451 1,824 10,562 oh ſaͤchſiſch⸗thüringiſcher 3,550 3,750 6,329 1:1,783 d) weſtphäliſcher 1,029 1,247 3,935 1:3,824 1 e) rheiniſcher — — 820 — find 16,148 16,080 28,028 11,735 N Der Werth der erzeugten Waaren betrug 1853 1,192,069 Tha— ler; beſchäftigt wurden 432 Arbeiter. b 20) Meſſing wird auf dem Königl. Meſſingwerke Hegermühle bei Neuſtadt⸗Eberswalde, in Berlin von Heckmann, im Regierungsbe— zirke Arnsberg in 47 einzelnen Werken, im Regierungsbezirke Aachen zu Stolberg in 7 Werken erzeugt. Die Production betrug: Haupt⸗Bergdiſtrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen a Centner Centner Centner Centner 1853. a) brandenburg⸗preußiſcher 2,721 3,867 5,887 12,283 14,514 ö 240 432 240 — — ) weſtphaliſcher 891 1,037 18,054 16,077 1:18,04 9,208 11,692 8,479 10,557 1:1,087 find 13,560 17,028 32,660 38,917 12,825 8 aufeher 5 entſtanden. * f allg. Erdkunde. Bd. v 19 8 “ Zzän Ba v . 290 E. L. Schubarth: Die Zahl der beſchäftigten Arbeiter betrug 1411, der Werth des gefertigten Meſſings 1,479,564 Thaler. 21) Auf der Sangerhäuſer Kupferhütte wird ſeit 1843 Nickel— ſpeiſe gewonnen (ebenſo zu Kamsdorf im Regierungsbezirke Erfurt) und zwar 1843 in Summa 90, 1853 179 Centner im Werthe von 13,425 Thalern, wobei zu bemerken, daß auch in Iſerlohn Nickelſpeiſe gewonnen wird; wie viel iſt nicht bekannt. 22) Arſenikerze brechen, wie vorn unter I, 9 nachgewieſen worden iſt, in Schleſien; daſelbſt befinden ſich auch 3 Hütten, zu Rei— chenſtein, Altenberg und Rothenzechau. Es werden weißes, gelbes (auch rothes) Arſenikglas und Arſenikſublimat dargeſtellt. Die Production betrug: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen Centner Centner Centner Centner 1853. Weißes Arſenikglas 1,205 2,7913 re . bi ar in Summa: Arſenikſublimat 22 571 find 1,553 3,014 3,757 2,859 1:1,839 Außerdem wird noch auf den Blaufarbenwerken etwas Arſenik— mehl gewonnen und daſelbſt verbraucht. 23) Antimon wird ſowohl als rohes Spießglanz, Antimonium crudum, als auch im metalliſchen Zuſtande als Regulus Antimonii, gewonnen. 1837 zu Wolfsberg am Harz 526 Centner des erſteren, und zu Altena (Regierungsbezirk Arnsberg) Regulus 375 Centner. — 1843 an erſtem Orte 704, an letztem 600. — 1853 8 Centner am erſten und 100 Centner am letzten Orte. 24) Smalte (blaue Farbe) wird jetzt nur noch in 3 Werken dargeſtellt, zu Haſſerode bei Wernigerode, zu Heidthauſen und bei Steele, beide in Weſtphalen. Früher wurde auch in Querbach am Fuße des Iſergebirges Smalte dargeſtellt. Die Production hat be— deutend abgenommen, namentlich durch die ſtarke Concurrenz mit Ultras marin. Es wurden producirt: 1 * 5 Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 291 * Haupt ⸗Bergdiſtrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen 1853. Centner Centner Centner Centner a) ſchleſiſcher 524 340 — — p) ſächſiſch⸗thüringiſcher 1,667 1,551 965 292 c) weftphälifcher 240 — 6,762 2,940 d) er — 929 — — “ find 2,431 2,820 7,127 3,232 1:1,329 a Geeldwerth 1853 48,617 Thaler. 2 25) Silber wird theils aus ſilberhaltenden Bleiglanzen, theils aus dergleichen Kupfererzen (Fahlerzen, wie im Siegenſchen), theils Raus dem Silbergehalte der Kupferſchiefer gewonnen, in Schleſien, im . zu Kamsdorf, im Siegenſchen, im Dürener Bezirke aus den Bleierzen der Eifel (Bleiberg zu Kommern), im Saarbrückener Bezirke (zu St. Goar). Die Gewinnung an Silber betrug: Haupt⸗Bergdiſtrict: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen Mark Mark Mark Mark 1853. a) ſchleſiſcher 1,2203 84912 1,652 3,443 12,820 b) ſächſiſch⸗thüringiſcher 12,646 15,7533 20,965 27,655 12,186 . e) rheiniſcher 3,0762 3,7724 7,535 14,036 1:4,562 2 find 16,9433 20,3753 30,152 45,134 12,663 5 Geſammtwerth des im Jahre 1853 gewonnenen Silbers 619,464 Thaler. 8 26) Die Reichenſteiner Arſenikalkieſe enthalten Gold. In frühe— ren Jahrhunderten wurde daſelbſt Gold gewonnen und Dukaten ge— prägt, welche man nur noch in Münzſammlungen findet. Seit 230 Jahren hat die Goldgewinnung aufgehört, indem im Centner aufbe— 3 reiteten Erzes nur 4 Quentchen Gold enthalten war, wodurch bei ge— 8 steigerten Löhnen und Preiſe des Brennmaterials die Ausſcheidungs— koſten nicht gedeckt wurden. Der Goldgehalt blieb demnach in den Arſenikabbränden, dem Rückſtande von der Arſenikgewinnung, enthalten. Frühere, in den Jahren 1816 — 1819 angeſtellte Verſuche, das Gold durch den Schmelzprozeß zu gewinnen, lieferten ein in pecuniärer Be— hung ſehr unvortheilhaftes Reſultat, bis es gelang, mittelſt Chlor— gas den Goldgehalt ache und aus der Löſung zu fällen. Die Rückſtände enthalten 21 bis 4 Loth Gold im Centner. — 1850 begann die r und es e in dieſem en 5 Mark 15 1 19 * 292 E. L. Schubarth: 27) Alaun wird zu Freienwalde, Schermeiſel, Gleißen, zu Mus— kau aus Alaunerde, in den chemiſchen Fabriken zu Oranienburg und Köpnik aus Thon dargeſtellt. In der Provinz Sachſen zu Schwemſal (bei Düben), zu Bornſtedt bei Eisleben. In Weſtphalen wird auf 2 Werken Alaunſchiefer, in der Rheinprovinz zu Pützchen, Oberkaſſel, Spich, Kreuzkirch Braunkohle, ferner Alaunthon zu Friesdorf auf Alaun verhüttet Im ganzen Lande arbeiteten 1853 15 Alaunhütten. Die Production belief ſich auf: Haupt- Bergdiſtriet: 1823. 1833. 1843. 1853. 1823 gegen Centner Centner Centner Centner 1853. a) brandenburg⸗-preußiſcher 5,850 6,513 5,515 15,616 12,67 p) ſchleſiſcher 740 8,144 6,242 5,100 1:6,89 c) ſächſiſcher 2,601 2,588 8,572 8,020 13,08 d) weſtphäliſcher 1,114 — 545 900 — e) rheiniſcher 3,732 21,283 31,185 40,915 1:10,96 find 13,037 38,528 52,059 70,551 1:5,411 In ſämmtlichen Hütten waren 1853 beſchäftigt 334 Arbeiter; der Geldwerth des Alauns betrug 286,210 Thaler. 28) bis 30) Was die Erzeugung der Vitriole anlangt, ſo ſtellte ſich dieſelbe, wie folgt: 1824 1833 1843 Marten Eiſen⸗(Kupf. Gem.] Eiſen⸗Kupf.“ Gem.] Eiſen⸗Kupf. Gem. Haupt⸗BBergdiſtrit: Vitr. Di. Vitr. Vitr. Vitr. Vitr. Vitr. Vitr. Vitr. Centner Centner Centner a) brandenburg⸗-preußiſch. — — — — — —| 254 736/1,002 b) ſchleſiſcher 11,979 1552,46 115,842 62) 6588 7,8360 81] 385 c) ſächſiſch⸗thüringiſcher [2,667 1,3130 — 2,911) 894,354 2,528 4,650 205 d) rheiniſcher 7,254 260/1,323]| 5,252 468|1,792|17,665| 676 3,950 find 121,900]1,728]3,784]24,005]1,424|3,804128,283[3,143 15,542 1853 1824 gegen 1853. Haupt = Bergdiftrict: an £ Bin. Den ‘ 1 Eifen= | Kupfer=| Gem. Centner Vitriol | Vitriol | Vitriol a) brandenburg - preußifcher 3,056 | 4,280 | 916 | ö) ſchleſiſcher 10,781 119 1,192 e) ſächſiſch⸗thüringiſcher 7720 alas d) rheiniſcher 27,725 — | 361 find [44,475 | 4,399 | 2,469 [1:2,030|1:2,545 |1:0,652 Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 293 2 Geſammtwerth der erzeugten Vitriole im Jahre 1853: a) Eifen- 2 vitriol 47,614 Thaler, b) Kupfervitriol 61,317 Thaler, c) gemiſchter Vitriol 8,938 Thaler. Geſammtſumme 117,860 Thaler. j 31) Die Gewinnung von Schwefel aus Schwefelfies findet nur in Schleſien auf dem Morgenſterner Schwefel- und Vitriol-Werke zu Rohnau ſtatt. Sie iſt nicht von Bedeutung. Geldwerth der im Jahre 1853 gewonnenen 761 Centner 3425 Thaler. Aus den Abbränden wird Eiſenvitriol erzeugt. 32) In den Jahren 1838 und 1839 wurde aus Zinnobererz, welches in der Rheinprovinz, nahe der Grenze der bairiſchen Rhein— pfalz, gefördert worden war, eine kleine Partie Queckſilber von einer Privatgeſellſchaft gewonnen, welche Production aber ſehr bald zum Er— liegen kam. Sie betrug 1838 292, 1839 nur 135, im Ganzen alſo 427 Pfund. * ” III. Ergebniſſe des Salinenbetriebes. 5 Der preußiſche Staat hat 22 Salinen, theils dem Fiskus, theils Gewerkſchaften oder Privatperſonen angehörend. Die Production an weißem, gelbem und ſchwarzem Salz betrug in Laſten (zu 4000 Pfd.) nachſtehende Summen: Haupt- Bergdiſtriet: 1823. 1833. 1843. 1853. 889055 a: „ a) brandenburg = preußifcher 1,310 1,636 1,958 1,789 1:1,365 b) ſächſiſch⸗thüringiſcher 31,263 34,668 36,198 43,522 11,392 o) weſtphaliſcher 5,585 6,4939 8,647 10,562 11,891 d) rheiniſcher 2,785 3,380 3,846 5,605 12,012 ſind 40,943 46,177 50,644 61,478 11,501 Geldwerth am Urſprungsorte 1853 1,438,011 Thaler. Das Ar- beiterperſonal betrug 2465 Mann, die Zahl der Familienglieder 5350. f Salinen befinden ſich in folgenden Regierungsbezirken (Sternchen bei den Ortsnamen bezeichnen Staatswerke): In Pommern (Regbzk. Cöslin) Colberg*; (Regbzk. Stralſund) Greifswald. In Sachſen (Regbzk. Magdeburg) Schönebeck“, Staßfurt“; (Regbzk. Merſeburg) Halle“ (eine Staats- und eine Privatſaline), Dürrenberg“, Köſen“, Artern“, Teuditz, Kötſchau. In Weſtphalen (Regbzk. Minden) Neu— “ — 294 E. L. Schubarth: jalzwerf*, Salzkotten; (Regbzk. Münſter) Gottesgabe; (Regbzk. Arns— | berg) Königsborn*, Saſſendorf, Werl und Weſternkotten* (A Sali- nen, theils Staats-, theils Privatwerk). In der Rheinprovinz (Regbzk. Coblenz) Kreuznach, Münſter am Stein“. Die Hauptproduction iſt zu Schönebeck 16,480 Laſten = 599,273 Centner; ſodann Artern 9538 Laſten, Dürrenberg 8287 Laſten. 1) Allgemeine Ueberſicht der Bergwerke, des Geldwerths der Förderung, der Anzahl der Arbeiter und ihrer Fami— lienglieder im Jahre 1853. Zahl Werth Zahl Zahl Mineralien der Berg⸗ Menge der Productionſder Arbei- der Fami⸗ werke der Production ter lienglieder Thaler 1) Steinkohlen .. 376 28,688,165 Tonn.| 10,214,474 42,087 | 77,796 2) Braunkohlen . 384 12,200,687 = 1,607,728 8,010 11,826 3) Eiſenerze AR 997 1,496,576 = 965,535 | 10,037 21,588 4) Zinferze 86 3,246,660 Ctn. 1,704,983 6,459 10,156 5) Bleierze 148 324,645 = 903,779 5,462 8,965 6) Kupfererze . . . 74 | 1,254,247 = 615,420 | 4,450 6,933 7) Kobalterze..... . 3 ZAIT- 7,570 128 382 8) Nickelerze ...unter 910 = 4,120 | unter desgl. 3) und 6) 3) u. 6) 9) Arſenikerze .. 2 9,091 = 2,424 39 73 10) Antimonerze. . . 3 285 = 827 12 28 11) Manganerze .. 2 9,500 = 8,360 66 144 12) PVitriolerze .. . 15 9459194 = 6,885 114 251 13) Alaunerze . 8 168,500 Tonn. 14,107 176 499 14) Graphit 2 1,122 Ctn. 560 15 4 15) Flußſpath .. 3 9,587 Tonn. 7,206 52 134 50,038 Reis 16) Dachſchiefer .. 164 | 6,311 Fuder 83,246 | 1,076 | 2,232 15,516 Fuß | 2267 2 | 16,147,221 | 78,183 | 141,011 2) Allgemeine Ueberſicht der Hüttenw glieder derſelben im Jahre Nach den Provinzen geordnet. Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 295 erke, des Werths ihrer Producte, der Anzahl der Arbeiter und Familien— 1853. a Anzahl Werth Zahl Zahl ö . Regierungs- der . a0, „ihrer Fami⸗ Provinz bezirk Hütten der Production der Arbeiter lienglieder pEt pCt. pCt. pCt. Preußen Königsberg 18] 1,44 476,083] 1,0 720 1,5] 1,184| 1,1 Gumbinnen 7 0,6 54,406 0,1 94 0,2 2450 0,2 Danzig 49 3,8“ 390,298) 0,8) 356) 0,8) 595 0,5 Marienwerder | 9] 0,7 55,416| 0,1 87 0,2 187 0,2 Summe 83 6,51 976,203] 2,0] 1,257] 2,2] 2,211 2,0 Pommern Stettin 8 0,6 293,925 0,6 511 1,10 1,439 1,3 Cõslin 14 1,1 133,312 0,2 1310 0,3 2650 0,2 Summe 22 1,7 427,237 0,88 642 1,4 1,704 1,5 Brandenburg Potsdam 25 1,9) 4,00 1,902] 8,1] 4,2780 9, 11,128|10,0 Frankfurt 160 1,3] 353,535 0,80 328 0,7 661 0,6 Summe 41| 3,2] 4,355,437 8,9 4,606 9,8 11,789 10,6 Poſen Poſen 5 0,4 118,984|0,25 75 0,2 137 0,1 Bromberg 5 0,4 65,399)0,15 161| 0,3 2860 0,3 Summe 10| 0,8] 184,383 0,44 236 ra 423| 0,4 Schleſien Breslau 19! 1,5 699,161) 1,4 337 0,7 671 0,6 Liegnitz 37 2,9 822,914 1,7 1,611 3,50 3,412 3,0 Oppeln 244 19,2 11,135,827 22,6 9,836020,9] 22,878|20,5 Summe 300 23,6 12,657,902 25,7 1 5 26,961.24, 792! 1,6] 1,613] 1,4 * Sachſen Magdeburg 9 0,7 441,909 0,9 Merſeburg Al 1,7 1,644.283| 3,3 Erfurt 29| 2,3] 243,139 0,5 a Summe l 4 4,7 2,329,331 4,7 Weſtphalen Münſter | 7! 0,6! 370,311 0,8 Minden 9 0,7 119,325 0,2 Arnsberg 523 41,1 11,660,939 23,7 Summe 539 42,4112,150,575]24,7 Rheinprovinz Coln 56 4,4 1,083,482] 2,2 - Düſſeldorf 30 2,3 3,423,146 7,0 Coblenz 33 2,6) 1,672,611 3,5 Aachen 72 5,7 5,876,93512,0 Trier 250 1,9 3,779,787 7,7 Summe 216|16,9|15,835,961|32,4| Hohenzollern ‚Sigmaringen | 2| 0,2] 215,381| 0,4 Hauptſumme | 1272| 100|49,132,410]| 100 1 1,472| 3,2 2,374| 2,1 352 0,7 877 0,8 4,3 2,616) 5,5/ 4,861 4, 833 1,8 2,087| 1,9 266 0,5 657 0,5 10,3 1622.0 26,528 23,8 11,415 24,30 29,272 20,2 1,214 2,5 2,375 2,1 3,594 7,60 8,769 7,9 1,567 3,3 3,237 2,9 5,184 11,3 12,033 10,8 2,685] 5,6 7,696 6,9 14277 30,5 34,110]30,6 1780 0,44 315 0,3 76,9780 100|111,649] 100 296 Vergleichende Ueberſicht des preuß. Berg-, Hütten- und Salinenbetriebes. 3) Geſammtwerth der Production des Bergbaues, Hüt— ten- und Salinenbetriebes; Geſammtzahl der durch den— ſelben beſchäftigten Arbeiter und deren Familienglieder im Jahre 1853. Werth der 8 des Bergbaues Zahl der Arbeiter: = Hüttenbetriebes = Salinenbetriebes . Beim Bergbau 78,183 = Hüttenweſen 46,978 ⸗Salinenweſen 2,465 Summe 16,147,221 Thaler, 49,132,410 1,438,011 66,717,642 Thaler. deren Familienglieder: 144,011 111,649 5,350 Summe 127,626 258,010 4) Nachweiſung der Dampfmaſchinen auf den Berg— werken im preußiſchen Staate im Jahre 1852. Diſtrict ſchleſi- ſächſiſch-⸗ weſtphä-rheini- branden⸗ ſcher thüring. liſcher | fcher [burg-pr. A. Oampfkünſte. | | 1) Beim Steinfohlenbergbau . ER PER: 3. 2 70 28 — 2) = Braunfohlenbergbau ...| — 56 — 1 3 Dei irg daes 10 3 1 17 — B. Dampfgöpel. 1) Beim Steinkohlenbergbau. Bi — 72 31 — 2) Braunkohlenbergbanu .. — 6 — — en bergen — 1 — 8 C. Maſchinen zum Waſſerheben | und Fördern. 1) Beim Steinfohlenbergbau. . . . 5 1 14 8 2) = Braunfohlenbergbau ... 1 3 — — — e Erzbergbaän „8.0. 2.5.0. — — — 4 D. Außerdem zu anderen Zwecken 1 1 1 10 — Summe | 9 7 158 | 107 | 3 In Summa 440 Dampfmaſchinen. Die Anzahl der Pferdekräfte in den Maſchi⸗ nen ftellt ſich alſo: Beim Steinkohlenbergbau 17,395; beim Braunkohlenbergbau 1514; beim Erzbergbau 2576; Summe 21,485; und zwar: zum Waſſerheben 16,922, zur Förderung 3371, zu beiden Zwecken 1013, zur Fahrung 27, zur Förderung und Fah- rung 62, zur Aufbereitung 90. Kohlenverbrauch der Keſſel: 1,158,708 Tonn. Stein= und 331,580 Tonn. Braunkohlen im Werthe zuſammen von 406,372 Thalern. Anz E. L. Schubarth. lagekoſten 7,009,884 Thaler. r Priefliche Mittheilungen. Schreiben des Königl. Großbritanniſchen General-Conſuls Sir John Bowring an Herrn J. Klentz. Bucht von Pecheli, an Bord des Rattles, den 7. Nov. 1854. Es durfte Ihre geographiſche Geſellſchaft intereſſiren, zu erfahren, 5 bie Gefahren dieſes Meerbuſens in dieſer Jahreszeit ſehr übertrieben wur— den. Der amerikaniſche Miniſter und ich find an der Mündung des Tien— tſin⸗ho (irrthümlich in den Karten Pei- ho genannt, obgleich kein Chineſe dieſen Namen kennt) 1) faſt einen Monat lang geweſen, um der Verhand- lungen willen, die wir mit den Mandarinen zur Uebereinſtimmung unſerer ö Handels-Einrichtungen mit dem gegenwärtigen Zuſtande China's führen. Was wir ausrichten können, iſt noch ungewiß. — Wir hatten die Abſicht, in die Hauptſtadt Peking zu gehen; dies hätte in einer früheren Jahreszeit vielleicht ausgeführt werden können, aber jetzt wird der Fluß bald zufrieren, und wir müſſen daher daran denken, uns nach Süden zu wenden. Indeſſen werden wir wahrſcheinlich noch die große Mauer beſuchen, wovon ich Ihrer Geſell— ſchaft wo möglich einen Stein als Anerkennung des Intereſſes, das fie an meinen Unternehmungen beweiſet, zu ſenden Willens bin. Wir haben zuſammen 5 Schiffe im Fluſſe und im Meerbuſen. Die Amerikaner haben eine herrliche Dampffregatte, die „Powhatan“, von beinahe 3000 Tonnen Laſt, das Dampfboot „John Hancocth“ von ungefähr 600 T. und einen Schooner, den „Fennimore Cooper“, welcher mit meinem „Lorcha“ unſere Geſchäfte innerhalb der Barre beſorgt. Ich kam im „Rattles“, einem Schraubenſchiffe von 900 Tonnen. Wir machten einen ganz leidlichen Auf— zug am Lande mit ungefähr 200 Seeſoldaten und Matroſen, mit unſeren Muſikbanden, Böten und Flaggen, und möglicher Weiſe war es zum erſten Male, daß ſo Etwas in der Nachbarſchaft der Hauptſtadt geſehen wurde. Wir kamen nicht als Tributpflichtige, ſondern als die Geſandten der großen y ) Bei der Stadt Tien⸗tſin fließt der aus 4 bis 5 größeren Flüſſen oberhalb dieſer Stadt gebildete Hauptſtrom zu ſeiner wahren Mündung im Golf von Pe— tſchy⸗ li vorüber. Der nördlichſte jener großen Zuflüſſe iſt der Pei⸗ho oder Pe⸗ho, der von Peking herabkommt; dieſer hat noch immer ſeinen Namen beibehalten. Nur der vereinte untere Flußlauf, an deſſen Mündung die Fregatte „Rattles“ ſtationirte, wird gegenwärtig nach der anliegenden großen Handelsſtadt genannt ſein. Biot's Dict. 1842, S. 232 ſchreibt fie Thien⸗tſin⸗fou, unter 39° 10“ nördl. Br. und 113° 53’ 5 östl. L, eine Stadt von erſtem Range in der Provinz Pe⸗tſchy⸗ li, die aber zur Zeit der Ming-Dynaſtie noch eine Stadt geringer Art war. Auf Biot's Karte iſt wohl irrig Thian⸗ tſin geſchrieben, im Text Thien⸗tſin, ganz fo wie fie Pater Martin a Martino in dem Atlas Sin, vom Jahre 1655 nach feiner Schreibweiſe Tien ⸗ ein eintrug. C. Ritter. 298 Briefliche Mittheilungen: weſtlichen Nationen, um mit den Chineſen auf gleiche Bedingungen zu unter— handeln, und da wir keine Unwüurdigkeiten geduldet haben würden, fo wurden wir auch nicht aufgefordert, uns irgend einer zu unterwerfen. Nicht daß die Chineſen auch nur im Geringſten weniger ſtolz und mißtrauiſch, nicht daß ſie weniger geneigt zu Ausſchließungen und Austreibungen wären, aber ſie haben einen Inſtinkt, daß es nicht gerathen ſei, mit uns zu ſtreiten, und nachdem ſie alle Anſtrengungen erſchöpft hatten, uns fortzuſchicken, und ſie uns durch— aus unerbittlich fanden, ward ein kaiſerlicher Commiſſar herab geſandt, um uns zu empfangen. Was vorging, iſt natürlich diplomatiſch, und das Siegel der Verſchwiegenheit iſt auf meinen Lippen. Doch zu ſeiner Zeit wird unſere Geſchichte erzählt werden. Es iſt höchſt angenehm, eine Stellung einzunehmen, wie ſie uns unſere Freihandels-Politik geftattet. Ich fordere nichts für England ausſchließlich, Alles, was ich erlange, wird für alle Handelsleute der Welt fein. Meiner Meinung nach ſollte das Benehmen unſerer Regierung eines zuſtimmenden Urtheils des menſchlichen Geſchlechtes ſich erfreuen. Wir rüſten koſtſpielige Expeditionen aus, ſenden theure Geſandtſchaften ab, und doch verlangen wir keine beſonderen Privilegien, wir beſtehen nicht, wie früher, auf irgend ein Monopol oder beſondere Bevorzugung zum Vortheile unſerer Kaufleute und Fabrikanten. Unzweifelhaft nehmen wir großen Antheil, ja den größten ge— gen alle anderen Nationen, an dem Ertrage des neuen Feldes, welches wir eröffnen; aber dies iſt nur der Fall, weil Billigkeit des Preiſes und Gedie— genheit der Waare die Grundlagen unſeres Ausfuhrhandels werden, wie die Ausgedehntheit und die Bequemlichkeit unſerer Märkte, der Reichthum, die Bildung und der Unternehmungsgeiſt unſerer Handelsleute große Zufuhren nach Großbritannien ziehen müſſen. — Der amerikaniſche Handel mit China iſt wirklich ungeheuer, obgleich er hauptſächlich durch Credite auf London und Calcutta geführt wird; aber die Amerikaner verdienen wohl den Erfolg, den ſie in dieſen Meeren gefunden haben, und ich ſehe auf ihre Fortſchritte ohne den leiſeſten Anflug von Eiferſucht oder Beſorgniß. Der Aufſtand findet in dieſen nördlichen Provinzen, wo das Volk auf Seite der Regierung iſt und die Tar-ping-wang- Bewegung für eine beute— luſtige Unternehmung von Räubern und Piraten hält, keinen Anhalt. Die Rebellen waren indeſſen ſowohl in Pecheli, als in Schantung eingedrungen, haben ſich aber nach großen Unfällen aus beiden Provinzen zurückgezogen. Ich bezweifle ſehr, daß die tatariſche Herrſchaft je wieder in ruhigen Beſitz eines großen Theiles von China gelangt, und wirklich ſcheint mir zweifelhaft, daß ſie noch lange zuſammenhalten werde; aber was wir von den Aufſtändi— ſchen ſahen, iſt noch weit weniger verſprechend, weit weniger hoffnungsvoll, als ſelbſt die Schlechtigkeit der Mandſchu-Regierung. Welch ein religiöſer Lug und Trug, welche Akte der peinlichſten Barbarei, welche eine Zerſtörung von Eigenthum, welche Fehde gegen Aufklärung mit nicht weniger, fondern od #5 Schreiben des Herrn General-Conſul Bowring an Herrn J. Klentz. 299 mit noch größerem Haß und Verachtung der Fremden, ohne alle Sympathie von Seiten der angeſehenen Stände in China. — Es iſt wahrlich eine ſchwere Stellung, in welcher ſich die Vertreter der fremden Mächte (Tnatzpowers) be— finden. Ich glaube jedoch, die Eröffnung von China und ſelbſt aller ſich ab— ſchließenden Nationen im fernen Oſten wird der unvermeidliche Erfolg der Begebenheiten ſein. — Ich hoffe, vor Ende des Jahres hinab nach Bangkok zu gelangen, um mit dem Könige von Siam mein Heil zu verſuchen, und, . wenn Leben und Geſundheit mir erhalten werden, beabſichtige ich, mit der britiſchen Flotte nächſtes Jahr nach Japan zu gehen, ſobald es der Monſun geſtattet, vielleicht auch nach Corea, dem ausſchließlichſten aller ausſchließlichen Reiche. — Der ruſſiſche Krieg war ein Hinderniß dieſes Jahr, da wir die chineſiſchen Gewäſſer von allen ruſſiſchen Kriegsſchiffen ſäubern mußten. Sie flohen jedoch nach allen Winden, und es iſt die Frage, ob die Bucht von Ochotzk oder Kamtſchatka oder das nördliche Amerika ihr Zufluchtsort iſt. Ueber Japan ſagt ein Bericht, der mir ſo eben zu Händen kommt: Der Anblick bei der Annäherung iſt außerordentlich ſchön. Die Berge im Innern ſind hoch und auf den Südabhängen mit Bäumen bedeckt, aber der hohe Pflanzenwuchs hört ſogleich auf, ſobald man den Gipfel erreicht, denn die ganze Nordſeite hat keine Bäume, ſondern iſt mit niedrigem Grün bedeckt, das eine ganz eigenthümliche Erſcheinung darbietet, indem die Nord— winde es ſo regelmäßig geſtutzt haben, als ob es von Menſchenhänden ge— ſchehen wäre. Der Kamm iſt mit einer Reihe von Baumſpitzen beſetzt, deren Wurzeln auf der Südſeite geſchützt ſind, und die den Borſten auf dem Rücken einer Hyäne gleichen. Je mehr man ſich dem Lande nähert, deſto mehr ent— faltet es ſeine Schönheiten. Das Land, wellenförmig und zum Theil ſehr hoch, iſt mit Grün bedeckt und bis zu den Spitzen der Berge bebaut. Die Luft iſt herrlich, klar und durchſichtig, gerade das Gegentheil von der feuch— ten gelblichen und windigen Atmoſphäre in China. Die Wärme iſt auch auf 70 (21 R.) geſunken, was uns ſehr angenehm kühl erſchien. Nachdem | wir unſere Ankunft und unſere Abficht, in den Hafen einzulaufen, dem Gou— verneur angezeigt hatten, liefen wir ein. Die Einfahrt iſt ungemein anmuthig, da ſie von einigen maleriſchen Inſeln bedeckt iſt, und beſetzt mit zahlreichen Geſchütze, in Batterien aufgeſtellt, aber augenſcheinlich von Leuten, die keine Idee von Befeſtigungskunſt haben. Das Fort am Eingange hat 22 ausge- zeichnet hübſche Ordonnanzſtücke aufgepflanzt. Wir gingen in geringer Ent— fernung von der Oeffnung des inneren Hafens vor Anker, vor deſſen Ein— 9 g eine Reihe großer, mit Ankertauen verbundener Boote gezogen war. Sobald wir Anker geworfen hatten, ſandte der Admiral ſeine Depeſchen nach Jeddo. Nachdem wir nun eine Woche hier geweſen, erlaubte man uns, auf © kleinen Inſel von etwa 2 Acres Größe, mit Bäumen und Bambus be— t, zu landen, jedoch unter ganz außerordentlichen Beſchränkungen; es wur- Wachtboote rund umher aufgeſtellt, um jede Verbindung mit der Küfte 300 Briefliche Mittheilungen: abzuſchneiden; auch ſollten wir kein Feuer anzünden, keine Bäume fällen oder Felſen bewegen und jeden Mann bei Sonnenuntergang entfernen. — Die Japaneſen ſind klein von Statur und haben einen geiſtreichen Ausdruck, dabei find fie reinlich, ſowohl auf ihrem Leibe, als in ihren Böten. Von ihren Häuſern habe ich nichts geſehen. Alle Japaneſen ſind bewaffnet, die höheren Ranges mit zwei Schwertern. Ihre Kleidung beſteht aus einem Anzuge von Grastuch oder Flor und ſeidenen weiten Beinkleidern; ſie tragen Schuhe mit Grasſohlen und Riemen über den Riß, der zwiſchen der großen und zwei— ten Zehe durchgeht. Sie ſehen beſſer aus, als die Chineſen, auf die ſie mit Verachtung herabſehen. Da man von den Ruſſen ſprach, ſagten ſie, ſie hiel— ten nicht viel von ihnen, ſie ſeien ſchmutziger als die Chineſen. Dieſe dürfen jährlich 4 Djunken und die Holländer 2 Schiffe ſenden, der einzige auswär— tige Handel der Japaneſen. Da es verabredet war, daß der Admiral vorige Woche dem Gouverneur die Aufwartung machen ſollte, ſo ward er am Landungsplatze von den ange— ſehenſten Offizieren des Platzes empfangen, die ihn in das Haus des Befehls— habers führten. Die Straße oder vielmehr die Reihe Stufen war zu beiden Seiten mit Truppen beſetzt, eine elende Schaar, die ihre Luntenſchlöſſer mit rother Boy bedeckt hatten, weil es nicht für angemeſſen gehalten wurde, Stahl dem Auge eines Freundes zu zeigen; ja wir hatten große Mühe, einige zu überreden, uns ihre Schwerter zu zeigen, welche ſehr ſchön geſtählte Waffen zu fein ſchienen. — Der Admiral ward ſehr freundlich vom Gouverneur empfan— gen, die begleitenden Offiziere wurden vorgeſtellt und ein Mahl von Süßig— keiten und Kuchen aufgetragen. Nach dem Eſſen begann der Admiral ſeine Unterhandlungen, welche zwar langſam, aber befriedigend vor ſich gingen. Ein Vertrag wurde aufgeſetzt und bei einer zweiten Unterredung mit dem Gouverneur unterzeichnet. Den genauen Inhalt kenne ich nicht, doch geht er dahin, daß uns dieſelben Privilegien zugeſtanden wurden, die anderen Natio— nen zu irgend einer Zeit ertheilt waren, daß ferner eine gewiſſe Anzahl Häfen uns geöffnet werden, und daß die Ruſſen keine Hülfe von den Japaneſen er— halten. Der Gouverneur verlangte eine Liſte der Offiziere der Flotille, indem er bemerkte, daß es der Wille des Kaiſers ſei, daß ein jeder nach ſeinem Range ein Geſchenk bekomme; als die Geſchenke aber ankamen, beſtanden ſie nur in Geſchirr von geringem Porzellan. Das für den Admiral, welches vom Kaiſer ſelbſt kam, war jedoch prächtig und beſtand in einem lackirten Cabinetsſtück im beſten Geſchmack, mit Perlmutter ausgelegt, zwei ſehr ſchö— nen Porzellanvaſen mit erhabener Arbeit, mit Schüſſeln und anderen paſſen— den Dingen, ferner in einigen ſeidenen Stoffen, lackirten Käſtchen und zwei kleinen Hunden, eine Art Wachtelhunde, die, wie ich glaube, für die Königin beſtimmt ſind. — Nachdem der Vertrag unterzeichnet war, blieben wir noch einige Tage, während welcher Zeit die Papiere überſetzt wurden. Die Japa— neſen drückten ihr Bedauern über unſere Abreiſe aus und ſchienen ſehr zu wünſchen, daß Handelsverbindungen zwifchen den beiden Ländern eröffnet wer— den möchten. Die Lage von Japan, auch durch das Klima und den Boden begünſtigt, macht die Japaneſen zum großen Theil unabhängig von anderen Ländern, und da hier Alles durch Vergleich gemeſſen werden muß, und man nur die eigene japaniſche Welt kennt, ſo berechnen die Japaneſen den Grad des Glückes und Wohlſtandes auch nur nach dem eigenen um ſie herum, zumal da ſie von europäiſchen Genüſſen nichts gekoſtet haben, als die kleinen Proben, die ihnen die holländiſchen Schiffe zuführten. Miscelſen. Die Bolgaren-Colonien in Beſſarabien. —1 Ein Bruchſtück aus einer noch ungedruckten Reiſe !). Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts begann der Strom jener gro— ßen, einer Völkerwanderung gleichenden Auswanderung, der fo viele in dama— liger Zeit mit dem türkiſchen Joche unzufriedene Familien meiſt ſlawiſcher Voͤlkerſtämme, die dem griechiſchen Culte huldigten, aus den der Pforte ge— hoͤrigen Donauländern, der Dobrudſcha, Moldau, Walachei und Serbien, ſo— wie aus den inneren Ländern der Balkan-Halbinſel, aus Bulgarien, Rume- lien, Macedonien und Albanien in die damals Neu-Serbien genannten Grenz— länder Rußlands hinüberſpühlte. Die Vortheile, welche die Kaiſerin Eliſabeth und ihre Nachfolger auf dem Throne denjenigen zuſagten, die ſich in den damals noch völlig wüſten und 2 unwirthbaren Grenzgebieten des ruſſiſchen Ländereoloſſes, über welche hinaus das damals noch erſt aufſtrebende Zaarenreich ſeine Grenzen mit der Zeit vor— uſchieben beabſichtigte, anſiedelten oder gar unmittelbar ſich den ruſſiſchen en einverleibten, lockten von allen Theilen des osmaniſchen Reiches Coloniſten herbei, und die mit den Türken glücklich geführten Kriege in den Jahren 1787 bis 1791, 1806 bis 1812 und 1828 bis 1829 ſteigerte die Zahl dieſer transdanubiſchen Ueberſiedler zu einer ſehr bedeutenden Höhe 2). ziſſenſchaften durch den Academiker P. v. Köppen gehaltenen Vorleſung. J. A. ) Die zwiſchen 1801 und 1806 nach Rußland gekommenen Bolgaren waren in den Gub. Cherſon und Taurien untergebracht worden, wo ſie 9 Niederlaſſungen, im erſten nämlich 6 (Klein- und Groß-Bujalyk, Ternöwfa, Kubaänka, Parfäny und Ka— hina), im letzten 3 (Kiſchlan, Eskikrim und Balta-Tſchokrak) gründeten. v. K. 302 Miscellen: Als der um die Statiftif der neuruſſiſchen Provinzen ſehr verdiente Statiſtiker Skal'kowskij im Jahre 1848 zu Odeſſa ſeine ſchätzenswerthe Schrift über die Bolgaren-Colonien („Bolgarskija Kolonii W Bessarabii i Nowo- rossiiskom kraje; statistitscheskoj otscherk Apollona Skal’kowskago*) herausgab, eine Schrift, welche der um die geſammte ruſſiſche Statiſtik hoch— verdiente Akademiker, Wirkliche Staatsrath Peter v. Köppen, bei feiner jüngſt erfolgten Anweſenheit in Beſſarabien aus archivaliſchen Quellen an Ort und Stelle zu prüfen und als zuverläſſig zu befinden Gelegenheit hatte, exiſtirten um das Jahr 1821 in den ſämmtlichen beſſarabiſchen ſogenannten Bolgaren— Colonien bereits 7735 Coloniſten-Familien mit 20,711 männlichen und 17,312 weiblichen Gliedern, alſo überhaupt 38,023 bolgariſche Anſiedler. Die Vertheilung über die einzelnen Diftriete war folgende. Es beſtanden: Bewohner Häuſer amilien | I r 8 r männliche] weibliche ſbeid. Geſchl. Im prut'ſchen Bezirke ... 1,220 1,462 3,626 3,255 6,881 Im kagul'ſchen Bezirke .. 906 1,076 2,778 2,521 5,299 Im ismael'ſchen Bezirke. . 2,082 2,599 6,922 5,744 12,666 Im budſchak'ſchen Bezirken. 2,078 2,898 7,385 5,792 13,177 Im Ganzen | 6,286 | 7,235 | 20,711 | 17,312 | 38,023 Noch nicht 30 Jahre ſpäter, nämlich am 1. September 1850, um jene Zeit, als v. Köppen ſeine ſtatiſtiſchen Sammlungen in Beſſarabien anſtellte, hatte ſich die Coloniſtenzahl bereits auf 85,461 Seelen beiderlei Geſchlechts gehoben, wovon 44,115 dem männlichen, 41,346 dem weiblichen Geſchlechte angehörten, ſo daß die Zahl der Männer und Knaben zu der der Frauen und Mädchen ſich wie 100: 99,72 verhält. Denn der in den Jahren 1828 und 1829 in den Donauländern geführte Krieg hatte abermals eine große Zahl bolgariſcher Familien (man giebt ihre Zahl zu 3900 an, wie Herr v. Köppen hörte) zur Auswanderung bewogen. Mehr als 3000 Familien fanden jedoch nicht ihr Heil in Beſſara- bien, ſondern ſahen ſich durch Hunger und Peſt genöthigt, wieder in ihre Heimath zurückzukehren ). Die Coloniſten waren über 83 ſogenannte Bolgaren-Colonien vertheilt; wir ſagen ſogenannte, weil nicht nur die früheren Bewohner der Gegenden, wo ſich die heutigen Bolgaren-Anſiedlungen befinden, keine Bolgaren waren, ſondern weil auch andere Ueberſiedler orthodoxen Glaubens mit den Bolga— ren in Rußland einwanderten, wie Griechen, Arnauten, Walachen u. a. m., ja ſelbſt Ruſſen, deren Vorfahren ihrem Vaterlande untreu geworden waren, ) Auswanderungen von Bolgaren haben bekanntlich wieder in der neueſten Zeit ſtattgefunden. Die Bolgaren-Colonien in Beſſarabien. 303 3 die nun der ihnen wider Wiſſen und Willen vorenthaltenen Heimath wie⸗ zueilten. Da Herrn v. Köppen in ethnographiſcher Beziehung ſehr daran lag, genaue Details über die Stammverſchiedenheiten zu erhalten, die ſich inner— halb der gedachten Bolgaren-Colonien geltend machen, ſo veranlaßte er den Bezirksalteſten des ismail'ſchen Kreiſes, Stephan Semenowitſch Panow, der ſelbſt ein geborener Bolgar iſt und an der Verwaltung der Colonien Theil nimmt, in dieſer Hinſicht genaue Unterſuchungen anzuſtellen. Dieſen zufolge ſtellt ſich die Nationalität unter den 85,461 Coloniſten in folgender Weiſe heraus. Es gab: männlichen weiblichen beiderlei Geſchlechts Geſchlechts Geſchlechts > ren ne | 35,908 33,637 69,525 Bolgariſche Zigeuner... 29 27 56 . Moldauer oder Walachen!) 6,619 6,186 12,850 iörnſſen 22 708 1,440 Arnauten ) | 686 | 642 1,328 r 141 166 307 Im Ganzen wie oben | 44,115 | 41,346 | 85,461 Dies giebt, in Procenten ausgedrückt: 81,353 pCt. Bolgaren, 0,066 pCt. bolgar. Zigeuner, 14,983 pCt. Walachen, 1,685 pCt. Kleinruſſen, 1,554 pCt. Arnauten, und 0,359 pCt. Griechen. Die Bolgaren bilden demnach den bei weitem der Zahl nach vorwiegen— den Theil der Bevölkerung in dieſen Colonien, und dieſem Umſtande iſt es zu— crab, daß man die ſämmtlichen Colonien nach ihnen benannt hat. Sie unterſcheiden ſich der Sprache nach in ſolche Bolgaren, die bolgariſch, und in f lche, die türkiſch reden, während man hinſichtlich der ſchriftlichen Documen— ation der Rede ſogar dreierlei Schriftzeichen bei ihnen in Gebrauch findet. N Die bolgariſch redenden Bolgaren ſtammen aus Macedonien und Rume— lien her und heißen in Beſſarabien Tschernyje Bolgary d. i. ſchwarze Bol⸗ garen, die türkiſch ſprechenden hatten ihre Wohnſitze früher in der Dobrud— ſcha und in der Gegend von Varna und find in Beſſarabien unter dem Na- men Gagaüsy (Tarayssı), Gagauſen, wie ſie ſich auch ſelbſt benennen, be— kannt. Dieſe letzten wanderten 1807 bis 1812 in Beſſarabien ein, die ſchwar⸗ en Bolgaren zum Theil gleichzeitig mit ihnen (wie die Macedonier), zum Theil aber erſt im Jahre 1830 und ſpäter (wie die Rumelier). Die meiſten 9) Ganze Dörfer finden ſich im Gebiete der Bolgaren-Colonien, die gar nicht Bolgaren ſelbſt, ſondern von Walachen, die hier Moldauer genannt werden, und on Klein⸗Ruſſen bewohnt find. v. K. 9 Die Arnauten ſtammen aus Dewho, weſtlich von Kama, her. v. K. 304 Miscellen: Bolgaren reden mehrere, oft 3 bis 4 Sprachen; außer dem Bolgariſchen noch türkiſch, walachiſch und nun auch ruſſiſch, mitunter ſogar griechiſch. 1 Hinſichts der Schrift bedienen ſich die Ankömmlinge aus Macedonien der ſlawiſchen Schriftzeichen, die geweſenen Rumelier dagegen der griechiſchen; die Schriftzeichen der türkiſch redenden Gagauſen endlich find walachiſche !). Was die Unterſchiede der Tracht betrifft — welche ebenſo wie die Sprache und die Schrift nicht immer die Nationalität entſcheidet, — ſo treten die frü— heren Bewohner Rumeliens zumeiſt in türkiſchem Coſtüm auf, die früheren Bewohner Macedoniens dagegen gewöhnlich in der bolgariſchen Kleidung. Unter den 69,525 oben verzeichneten Bolgaren giebt es überhaupt 12,056 d. i. 17,341 pCt. Macedonier, 18,816 d. i. 27,064 pCt. Rumelier und 17,129 d. i. 24,637 pCt. Miſchlinge, bei denen ſich der macedoniſche oder rumeliſche Urſprung nicht hat feſtſtellen laſſen. Im Ganzen ſind alſo 48,001 oder 69,042 pCt. ſchwarze Bolgaren vorhanden, während es 21,424 d. i. 30,958 pCt. Gagauſen giebt. Die Zahl der bolgarifch redenden Macedonier und Rumelier verhält ſich hiernach zu der der türkiſch ſprechenden Gagauſen, wie 100: 44,81. N Wären die als Miſchlinge bezeichneten 17,129 Individuen zu gleichen Theilen dem macedoniſchen und rumeliſchen Stamme angehörig, ſo könnte man 20,620 Macedonier, d. h. 42,957 pCt. und 27,381 Rumelier, d. h. 57,043 pCt. innerhalb der ſchwarz-bolgariſchen Bevölkerung annehmen. Die 83 beſſarabiſchen Bolgaren-Colonien ſtehen ſeit dem Jahre 1819 nebſt den tauriſchen und cherſoneſiſchen Bolgaren-Colonien unter der vom Kaiſer Alexander für die fremden Anſiedler in Süd-Rußland errichteten be— ſonderen Curatel und vertheilen ſich über Beſſarabien in folgender Weiſe: 1) Der ismail'ſche Bezirk hat 16 derſelben mit 25,106 Individuen bei⸗ derlei Geſchlechts. Dieſe beſtehen aus: ö f N f N ö | Individuen k männl. Geſchl.ſ weibl. Gefcht. |beiderl. Geſchl. 2285 bolgarifchen Familien mit .. 11,188 10,507 21,695 254 walachiſchen Familien mit .. 1,042 936 1,978 27 kleinruſſiſchen Familien mit . 128 10 245 119 arnautiſchen Familien mit .. 561 536 1,097 5 griechiſchen Familien mit .. 19 16 35 und 6 Zigeuner-Familien mit.. 29 27 56 zuſammen aus 2696 Familien mit . | 12,967 12,139 [ 25,106 ) Den Gebrauch verſchiedener Schriftzeichen bei einem und demſelben Volle finden wir auch bei anderen flawifchen Stämmen, wie bei den Serben, wo die flawo— niſchen oder altflawifchen Lettern neben den lateiniſchen Schriftzeichen in Brauch find; desgleichen bei den Albaneſen (Arnauten und Schkipetaren), von denen ein Theil, die Geghiden, ſich der Inteinifchen, ein anderer, die Toskiden, der griechiſchen 3 be⸗ dienen. . A. Die Bolgaren-Colonien in Beſſarabien. 305 An Areal beſitzen dieſe Colonien 127,004 Deſſjatin 1,402 Quadrat- Sſaſhen brauchbares Land und 1,964 Deſſj. 1,207 Q.⸗Sſaſh. unbrauchba— res Land ). Die Colonien ſind muſterhaft eingerichtet und beſitzen größtentheils eine ſehr wohlhabende und zahlreiche Bevölkerung 2), welche die der meiſten Städte der Umgegend an Frequenz weit hinter ſich läßt. So zählt die in dieſem Bezirk gelegene wichtigſte aller Bolgaren-Colonien Bol'grad, an der Mündung des 9 Jalpuch⸗Fluſſes, der in den See gleichen Namens fällt, ein Ort, der als Colonie ſeit dem Jahre 1819 beſteht, die bedeutende Bevölkerung von 8,214 Seelen, worunter ſich 8,053 Bolgaren, 78 Walachen, 11 Kleinruſſen, 37 Ar— nauten und 35 Griechen befinden, die zuſammen 22,521 Deſſj. brauchbares und 224 Deſſj. 618 Q.⸗Sſaſh. unbrauchbares Land beſitzen. 4 Andere volkreiche Colonien in dieſem Bezirke ſind: Taraklija, an der Steppenſchlucht dieſes Namens, ſeit 1819 als Colonie beſtehend, mit 2067 Einwohnern und 9752 Deſſj. brauchbaren Landes; Tatarkoptſchäk, ſeit 1812, an der Schlucht dieſes Namens und dem in den Jalpuch fließenden Bache Taraklija, mit 1421 Einwohnern und 7681 Deſſj. brauchbaren Landes; Kubej, ſeit 1819, an der Steppenſchlucht Sſarlyk, mit 1361 Einwohnern ö und 8280 Deſſj. brauchbaren Landes; Taſch-Bunär, ſeit 1819, an der Schlucht gleichen Namens, mit 1211 Ein⸗ wohnern und 8280 Deſſj. brauchbaren Landes; Karakurt, ſeit 1820, am Sſarlyk, der in den See Jalpuch fließt, mit 1191 1 Einw. und 9120 Deſſj. brauchbaren Landes; Tſchiſchmé-waruit, ſeit 1819, am See Jalpuch, zwiſchen Ismail und Bol'grad, mit 1184 Einw. und 7860 Deſſj. brauchbaren Landes; Tſchijſchija, auch Gradina genannt, am Katlabug-Fluſſe, mit 1167 Einw. und 7800 Deſſj. brauchbaren Landes; Waiſſal, ſeit 1830, am Urſprunge der Steppenſchlucht Taſch-Bunär, mit 15160 Einw. (worunter die oben vermerkten 56 Zigeuner) und 7722 Deſſj. 1402 Q.⸗Sſaſh. brauchbaren Landes, und Babel oder Babeli, ſeit 1819, am linken Ufer des See's Jalpuch, mit 1133 f Einw. und 8263 Deſſj. brauchbaren Landes. 1 ] Eine Deſſjatina, welche 2,400 Quadrat-Sſaſhen oder Quadrat-Faden ent: hält, iſt = 2,940 00 livländiſche Loofſtellen, = 3,19550 Arpens de Paris, 1,09250 Hektaren, = 2,69972 engl. Acres, 4,2789 0 preuß. Morgen. J. A. 9) In den erſten 8 Jahren der ruſſiſchen Herrſchaft in Beſſarabien, alſo von 1812 bis 1820, hatten es dieſe bolgariſchen Auswanderer nicht beſonders, ja ihr Loos war gegen ihr früheres ſogar noch verſchlechtert, indem auf Anſuchen moldauiſcher und walachiſcher in Beſſarabien begüterter Bojaren die bolgariſchen Einwanderer, die ſich deren Boden niedergelaſſen hatten, an die Scholle gebunden, alſo Leibeigene wer— en. Dies hat ſich jedoch geändert, und es giebt jetzt in Beſſarabien fait keine Leib— eigenen mehr, mit Ausnahme einiger Ruſſen, die mit ihren Herren dahin kamen, und einigen Tauſend Zigeunern. v. K. Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. v. 20 * 306 Miscellen: Nur 6 Colonien haben unter 1000 Einwohner, nämlich: Nowotrojän, feit 1819, am Katlabug . .. 0985 Tabaf, gegründet 1830, am linken Ufer des Jalpuch⸗ Fluſſes. „„ gr Dolukioj, ſeit 1819, am See 3 bei 3 Mündung in die Domain n d 913 Dermén-deré, ſeit 1830, am u Urſpräng no Steppenſchlucht Sſaf⸗ tian, zwiſchen den See'n Jalpuch und Katlabug . ... 739 Kajraklija, ſeit 1819. .. „ eee eee ee Erdek-burnu, ſeit 1819, am See Katlabug 11 et 668 2) Der kagulo-prut'ſche Bezirk hat 19 Colonien mit 17,875 Indivi⸗ duen beiderlei Geſchlechts. Dieſe beſtehen aus: Individuen 22 ER eh a männl. Gefchl.| weibl. Geſchl. beiderl. Geſchl. 1068 bolgariſchen Familien mit .. 4,526 4,199 8,725 1280 walachiſchen Familien mit .. 4,502 4,242 8,744 11 kfleinruſſiſchen Familien mit . 64 54 118 4 arnautiſchen Familien mit .. 29 21 50 und 34 griechiſchen Familien mit .. 104 134 238 zuſammen aus 2397 Familien mit | 9,225 8,650 | 17,875 An Areal beſitzen dieſe 19 Colonien 97,302 Deſſjatin 1704 Q.-Sſa⸗ ſhen brauchbares und 4902 Deſſj. 878 Q.-Sſaſh. unbrauchbares Land. Die größte dieſer Colonien iſt Wolkanéſcht, als Colonie ſeit 1819 beſtehend, am Kagul-Fluſſe, mit 2284 Einwohnern (worunter 1623 Bolga⸗ ren, 417 Walachen, 61 Kleinruſſen, 41 Arnauten und 142 Griechen). Sie beſitzt uber 11,994 Deſſjat. brauchbares Land. Die volkreichſten Colonien nach Wolfanefcht find: Tſchiſchmé-Kioj, als Colonie ſeit 1819 beſtehend, rechts, in einiger Ent= fernung vom Kagul-Fluſſe, reich an Quellen, nach denen es auch ſeinen Namen führt, mit 1510 Einw. und 8164 Deſſj. brauchbaren Landes; Karagätſch, als Colonie ſeit 1819, zur Linken des See's Kagul, mit 1381 Einw. und 6120 Deſſj. brauchbaren Landes; Sſlobodſeja oder Sſlobodſeja Mare, ein alter moldau'ſcher Ort am Prut, als Colonie ſeit 1819, mit 1181 Einw. und 7637 Deſſj. brauch- baren Landes; Kurtſchi, als Colonie ſeit 1819, am rechten Ufer des See's Jalpuch, ge— genüber Bol'grad, mit 1074 Einw. und 6090 Deſſj. brauchb. Landes; Hadſhi-Abdulla, ſeit 1819, am Kagul-Fluſſe, mit 1005 Einw. und 6402 Deſſj. brauchbaren Landes. Alle anderen Colonien haben unter 1000 Bewohner, nämlich: Sfatundw, auch Jeni-Kioj genannt, am Ende des See's Jalpuch . 993 Inpuzita, am rechten Ufer des See's Jalpu ). 9838 Frikazej, am rechten Ufer des See's Kaguull . 956 Die Bolgaren-Colonien in Beſſarabien. 307 Bolboka, zur Rechten des Jalpuch .. 886 SEtulija, an der Mündung des Fluſſes Kagul in bon Ser = Nam. 773 Kolibaſch, am Balatſch, einem Nebenfluſſe des Pri 738 Barta, am rechten Ufer des Sees Jalpuc ß 696 Dſchurſchuléſchti, am linken Ufer des Prunt 687 Kartäl, an der Donau. . . b R. Man cn RE 4 Anadolka, neben der Stadt Reni n een e era ur eee Waleni, am Prut mahl d dei. u: To Brinſa, auch Brindſa, am Brut. malt dd ui naher an. 2.411248 Kißliza, am linken Ufer des Pruii 2 22... 367 3) Der nieder-budſchaker Bezirk hat 28 Colonien (der 8001 nach die meiſten) mit 20,611 Individuen beiderlei Geſchlechts. Dieſe beſtehen aus: Individuen — —— . — männl. Gefchl.| weibl. Geſchl. beiderl. Geſchl. 2384 bolgariſchen Familien mit.. | 10,409 | 9,788 20,197 58 kleinruſſiſchen Familien mit . 206 208 414 zuſammen aus 2442 Familien mit. | 10,615 9,996 20,611 Andere Völkerſchaften kommen hier nicht vor. An Areal beſitzen dieſe 28 Colonien 165,155 Deſſj. 297 Q.⸗Sſaſhen brauchbares und 2401 Deſſi. 262 Q.⸗Sſaſhen unbrauchbares Land. 5 Die größte der Colonien iſt Pandaklija oder Fundukly, ſeit 1830 bes ſtehend, an der Steppenſchlucht Kaſän-Kubaä, welche am Katlabug zur Lin- ken deſſelben mündet, mit 1046 Einw. und 4980 Deſſj. brauchbaren Landes. 2 Es giebt außerdem nur noch eine Colonie in dieſem Kreiſe, welche eine Einwohnerzahl von mehr als 1000 Seelen enthält, nämlich Schikirli-Ki⸗ taj, ſeit 1819, zur Linken des See's Katlabug, mit 1042 Einwohnern und 7380 Deſſj. brauchbaren Landes. Alle übrigen Colonien haben einen Einwohnerſtand von unter 1000 Seelen, nämlich: f Dimitrijewa, an der Steppenſchlucht Wale-Perſch i. 970 Staro⸗trojan, von den Bolgaren gewöhnlich Minitſchewa ee am oberen Ende des Sees Kita /f 9240 Haſſan⸗-Batyr, am kleinen Katlabug -. . . 919 Sſeli-Oglu, am Fluſſe Taſchlyk, der ſich in den . Kita n 944 Fontino-Dſinilor, an der Steppenſchlucht 1 am e von Akjermann nach Ismail * e 898 del'ſhiler, an der Steppenſchlucht Bachtſchalija. „ nden hee 889 )ewlet⸗Agätſch, am Bach Ali-Agghg nn 877 , am Fluß Kurgyſh⸗ Kita „½„877 Tſchumlekioj, am kleinen Kurgyh hh. 870 Jeni⸗kioj, zur Linken vom See Kita j. 856 Er a 20* 7 308 Miscellen: Banowa, am großen Katlabug . .. ne re Burgudſhi, an der Steppenfchlucht Drakul ur: af) e Kulewtſcha, am Fluſſe Adfhi-Dere . . 758 Dül’men, auch Gülümen, an der Soon Stu), die an Fluſſe Kurgyſh ausläuft.. 0 714 Kod-Kitaj, am Fluſſe Kurgyſh— Kita an E 71 1 EE Kamtſchik, am linken Ufer des Fluſſes Sfarata. . 2 22.2...670 Kuparan, zur Linken des kleinen Kurghh hh. 666 Göliza, am rechten Ufer des kleinen Katlabug . .. n. 110609 Sſatalyk-Hadſhi, am rechten Ufer des kleinen Katlabug iin Sadunajewa, am Flüßchen Kurgyſh-Kita jj „615 Glawan, am linken Ufer des Flüßchens Ali-Aga .. 606 Iwanowa, am Kurgyſh-Fluſſe, gegenüber dem a Y Step⸗ penſchlucht Wale-Perſhi . 595 Tropoklo, zur Rechten der Mündung der Sforsta in den Ser Kunduk 483 Nowo-Karagätſch, am Flüßchen Mahal, N in den . Schahan fließt... e 351 Nowopokrowka, am Flüßchen Fenikioj P Eskipolos, zur Rechten des See's Kunduiun . . 207 Endlich A) der ober-budſchaker Bezirk beſitzt 20 Colonien mit 21,869 Individuen beiderlei Geſchlechts. Dieſe beſtehen aus: Individuen ———— SE männl. Geſchl.] weibl. Geſchl. |beiderl. Geſchl. 2298 bolgariſchen Familien mit .. 9,785 9,123 18,908 291 walachiſchen Familien mit .. 1,075 1,008 2,083 97 kleinruſſiſchen Familien mit . 334 329 663 31 arnautiſchen Familien mit .. 96 85 181 5 griechiſchen Familien mit .. 18 16 34 zuſammen aus 2722 Familien mit. 11,308 10,561 24,869 An Areal beſitzen dieſe 20 Colonien 137,810 Deſſj. 755 Q.-Sſaſhen brauchbares und 3067 Deſſj. 1823 Q.⸗Sſaſhen unbrauchbares Land. Der volkreichſte Ort ift Komrat, welcher als Colonie ſeit 1819 exi— flirt und am rechten Ufer des Jalpuchfluſſes liegt. Er zählt 4160 Bewoh- ner (worunter 3323 Bolgaren, 607 Walachen, 33 Kleinruſſen, 164 Arnau- ten und 33 Griechen) nnd beſitzt 20,100 Deſſj. brauchbaren Landes. Die bevölkertſten Colonien nächſt Komrat ſind: Kirſſow, von den Bolgaren auch Baſch-kioj genannt, am rechten Ufer des Fluſſes Jalpuch, beſtehend ſeit 1830, mit 1668 Einwohnern und 8130 Deſſj. brauchbaren Landes; Ka ſajaklija, als Colonie ſeit 1819, gegründet 1812 an den Steppen⸗ ſchluchten Kara-Türkmen und Kara-Tſchokrak, die in den Fluß Lunga auslaufen, mit 1334 Einw. und 8702 Deſſj. brauchbaren Landes; Die Bolgaren-Colonien in Beſſarabien. 309 Kongaäs', als Colonie ſeit 1819, gegründet im Jahre 1811 am rechten Ufer des Jalpuch, mit 1314 Einw. und 6540 Deſſj. brauchbaren Landes; Wali⸗Perſhi, als Colonie ſeit 1819, an der Steppenſchlucht gleichen Na— mens, die zum Fluſſe Kurgyſh-Kitaj ausläuft, mit 1310 Einw. und 7590 Deſſj. brauchbaren Landes; Disginſché, als Colonie ſeit 1819, gegründet 1812 an der gleichnamigen Schlucht, mit 1286 Einw. und 9120 Deſſj. brauchbaren Landes; Twardiza, ſeit 1830, am oberen Theile der Steppenſchlucht Kurgyſh-Ki— taj, mit 1242 Einw. und 7208 Deſſj. brauchbaren Landes; TſchadFr⸗Lunga, als Colonie ſeit 1819, an der Lunga, mit 1208 Ein⸗ wohnern und 7680 Deſſj. brauchbaren Landes; Baurtſchi, als Colonie ſeit 1819, gegründet im Jahre 1812 an der Step» penſchlucht Kara-Türkmen, mit 1029 Einw. und 6420 Deſſj. brauch⸗ baren Landes. 11 Colonien in dieſem Bezirke zählen unter 1000 Einwohner, nämlich: Kirjutné, am linken Ufer des Flüßchens . n Tamäj, am rechten Ufer der Lunguza .. N ee Beſch⸗ alma, am linken Ufer des Jalpuchfluſſes e Tſchok⸗ majdan, an der Steppenſchluchhttt . 703 Besgios oder Beſch-gös, am Fluſſe Lung 613 Awdarma, am Anfang der e Ki Namens, die dem Bette der Lunga zuläuffft Nr Hajdär, an der Lunguga » a 579 Kiriet-Lunga, an der Steppenſchlucht Kiriet, 5 en Stufe kung >» e n Kr 562 Ferapöntijewka, am . ufer br e 536 Baſchkalija, an der Schlucht AR Namens, die in die Aan 5 läuft 446 Dſholtäj, rechts . be 5 an 15 in 1 50 l nat Stu r ̃ N 398 Faſſen wir dieſe Zahlen zuſammen, ſo befinden ſich in ſammilichen 83 BVBolgaren⸗Colonien Beſſarabiens: 8031 Bolgaren= Familien n) mit 69,525 Individuen beiderlei Geſchlechts, 1825 Walachen-Familien mit 12,805 = 193 Kleinruffen= Familien mit 1,440 = 154 Arnauten= Familien mit 1,328 = und 44 Griechen- Familien mit 307 = ſammen alſo 10,247 Coloniſten-Familien mit 85,461 Individuen männ⸗ und weiblichen Geſchlechts. = = * * * „ mu u ) Einſchließlich der 6 bolgariſchen Zigeuner-Familien, welche 56 Individuen ählten. IM: 310 Miscellen: Mit Hinzurechnung des den Kirchen überwieſenen Landes beträgt das Geſammt-Areal des zu dieſen Colonien gehörigen Landes 598,693 Deſſjatinen oder 118,79 geogr. Q.-Meilen, fo daß in den Bolgaren-Anſtedlungen auf jede Quadratmeile 719 Bewohner, und auf jede männliche Seele im Durch— ſchnitte 13,57 Deſſjatinen Land zu rechnen find, worunter 11,96 Deſſjatinen kulturfähigen Bodens ſich befinden. J. Altmann. Anthracitkohle in China. In der Sitzung des Chinazweiges der Königlichen aſtatiſchen Geſellſchaft am 21. März d. J. berichtete Dr. Macgowan über eine von ihm neuerlichſt nach den Boheabergen in der chineſiſchen Provinz Fühkeen (Fühkin) behufs Unterſuchung der dort in der Nahe des Neun Drachenfluſſes (Nine Dragon river) gelegenen Kohlenlager unternommenen Reiſe. Er hatte die Kohle von der Natur der Anthracitkohle und ſtellenweiſe der beſten amerikaniſchen Anthracitkohle im Werthe ganz gleich gefunden, doch werde, wie er erfuhr, bis jetzt nur wenig davon gewonnen, da nur ein geringer Begehr danach ſei, der ſich jedoch bei Vergrößerung der chineſiſchen Dampfſchifffahrt außerordentlich ſteigern müſſe, zumal das Product leicht nach dem Meere verführt werden könne. Jetzt koſte die Tonne davon zu Amoh 42 Dollar. Deshalb empfahl auch Maegowan eine möglichſt genaue Unterſuchung der Ausdehnung der Lager dieſer Kohle, die von den Chineſen bisher nur zum Kalkbrennen benutzt wird, da die daſigen Eiſenhütten noch kein fo ſtarkes Gebläſe beſitzen, um ihre Erze mit Anthracit— kohle verſchmelzen zu können. Der in der Sitzung anweſende M. Harland erkannte in den Pflanzenabdrücken des Letten im Liegenden der Kohle (Un- der Clay) Abdrücke eben ſolcher Stigmarien, wie ſie die entſprecheuden Schich⸗ ten der engliſchen und nordamerikaniſchen Kohlenformation führen. In Be⸗ zug auf Maegowan's Forſchungen berichtete noch der Vorſitzende, Sir John Bowring: es ſei ihm ein officielles Schreiben des Gouverneurs von Fühkin mit einer Beſchwerde darüber zugegangen, daß neugierige Fremde in das Koh— lenrevier und zwar über die für Excurſtonen durch die Verträge angewie— ſene Grenze hinaus eingedrungen wären, und daß der Gouverneur deshalb bei ihm auf Beſtrafung oder wenigſtens auf einen Verweis dieſer Neugieri- gen angetragen habe, eine Anzeige, die in der Verſammlung große Heiterkeit erregte (Overland China Mail. Hongkong, 10. Juni 1855). Gumprecht. SFR Das letzte große Erdbeben in Japan. 311 Das letzte große Erdbeben in Japan. Die das Reich Japan bildende Inſelkette liegt in einer ungeheuren Strei— fungslinie vulkaniſcher Thätigkeit, welche im Süden mit den Vulkanen auf Java, Sumbava und den Molucken, vielleicht ſogar ſchon mit dem Krater auf der Inſel St. Paul oder Amſterdam beginnt, durch die Marianen, Philippi— nen und die Lutſchugruppe fortſetzt, in den japaniſchen Inſeln durch zahl— reiche Vulkane, Thermalquellen und Schwefelablagerungen ſich kund giebt und endlich nördlich von Japan durch die Kurilen bis zu den großen Vulkanen auf Kamtſchatka zu verfolgen iſt. Mit dieſem faſt den ganzen Oſtrand Aſiens begleitenden Zuge vulkaniſcher Punkte läßt ſich nur noch ein einziger auf Erden in Bezug auf Länge, gemeinſchaftliche Richtung von Süden nach Nor— den und Intenſität ſeiner Erſcheinungen vergleichen, nämlich der, welcher bei— nahe auf dem ganzen Weſtrande des amerikaniſchen Continents vom Cap Horn bis zur Halbinſel Unalaſchka fortläuft. Sieht man noch, wie die vulkaniſche Thätigkeit von Unalaſchka aus in den Vulkanen der Aleuten— Inſelreihe nach Weſten zu fortſetzt und endlich mit den Vulkanen der Beh— rings- und Kupfer-Inſel an die Vulkane von Kamtſchatka ſich anſchließt, ſo ſcheint es in der That, als wäre das ungeheure Becken des ſtillen Oceans von drei Seiten durch einen ununterbrochenen Zug vulkaniſcher Phänomene umſchloſſen, und man dürfte wohl nicht irren, mit J. R. Forſter und Steffens den Boden dieſes Oceans ſelbſt als die Decke eines einzigen großen ſubmarinen vulkaniſchen Heerdes anzuſehen, deſſen Rauchfänge die offenen Kratere der zer— ſtreuten kleinen Südſee-Inſeln bilden. In dem weſtlichen Aſte des angedeuteten großartigen vulkaniſchen Gebietes erſcheint nun, wie erwähnt, die unterirdiſche Thätigkeit auf den japaniſchen Inſeln durch eine große Zahl mächtiger Vulkane (Leop. v. Buch führte im J. 1825 14 allein mit Namen auf; Phyſikaliſche Beſchreibung der canariſchen Inſeln S. 319 — 382), von Thermalquellen, Schwefelablagerungen und Erdbeben vertreten, und nicht mit Unrecht ſagte ſchon der eben genannte Naturforſcher, daß Japan, wie Quito, Java, Gilolo und Lucon, ein Hauptſitz vulkaniſcher Wirkungen ſei. Beſonders iſt von den In— ſeln dieſes Reiches die nördliche und größte derſelben, Jeſſo, reich an Vulkanen, faſt alle aber ſind ſo häufigen Erdbeben ausgeſetzt, daß nach dem Ausſpruch des Jeſuiten Charlevoir (Histoire et descript. gener. du Japon. Paris 1736. J. 11), kein anderes Land bekannt ſei, welches fo viele Erdbeben habe; durch die Häufigkeit derſelben wäre die Bevölkerung aber ſo daran gewöhnt, daß ſte nicht darauf achte, wenn auch die Phänomene mitunter von der größten Heftig— keit ſeien, daß ganze Städte umgeworfen und die Einwohner unter den Trüm— mern begraben würden. So wurde z. B. im J. 1703 nach Charlevoir die auf der größten Inſel Nipon oder Niphon gelegene Hauptſtadt des Reiches und Reſidenz des Beherrſchers, Jeddo, durch ein gewaltiges Erdbeben zerſtört, ſo daß 200,000 Menſchen dadurch zu Grunde gingen (a. a. O. S. 12). i 1 312 Miscellen: Kämpfer's, Thalberg's, Tſitſing's, v. Siebold's und der neueren Seefahrer Anz gaben ſtimmen in der Hinſicht mit Charlevoir vollkommen überein. Das am 13. December des vorigen und im Januar dieſes Jahres auf Niphon ſtattgefundene große Erdbeben iſt nun ein neuer Beweis, wie wenig in der oſtaſiatiſchen Zone die Intenſität der vulkaniſchen Thätigkeit in neuerer Zeit abgenommen hat, wenn gleich, wie ein Bericht ausdrücklich erwähnt, die japaniſchen Vulkane während des angegebenen Ereigniſſes gerade keine beſonderen Phänomene kund gaben, wogegen in dem amerikaniſchen Aſte die Beobachtungen in Mexico (Pieſchel in der Zeitſchrift IV, 380 — 381) und Peru übereinſtimmend eine Abnahme der vulkaniſchen Thätigkeit zu erweiſen ſcheinen. Ueber das letzte große Erd— beben in Japan geben zwei Nummern, die vom 8. und 17. März d. J. der zu Schanghai in China erſcheinenden engliſchen Zeitung The North China He- rald umſtändlichen Bericht. Ihr Inhalt wird durch ein Schreiben des für die naturhiſtoriſche Kenntniß des öſtlichen China fo ſtrebſamen Dr. J. Mac- gowan (Zeitſchrift I, 233) aus Macao vom 13. April an Herrn A. v. Hum⸗ boldt vollkommen beſtätigt. Die im Folgenden uns geſtattete Mittheilung beider Berichte verdankt die Zeitſchrift der Güte des Herrn v. Humboldt. In dieſen Berichten iſt beſonders ein ſtattgefundenes Ereigniß von hohem Intereſſe, nämlich die in Folge des Erdbebens dauernd eingetretene beträchtliche He— bung des Erdbodens, weil dadurch die Hebungstheorie der neueren Geognoſten mit einer neuen Stütze bereichert und ein Seitenſtück zu den bei dem großen Erdbeben an der chileniſchen Küſte im Jahre 1822 ſtattgefundenen Hebungen, an deren Richtigkeit man anfänglich ſo vielfach zweifelte, erlangt wird. Das in den Jahren 1795 und 1814 bei Unalaſchka ſtattgefundene Emportreten kleiner Inſeln aus dem Meeresgrunde kann endlich auch als eine Erſcheinung derſelben Art gelten. Gumprecht. 1. Auszug aus einem Schreiben eines nordamerikaniſchen See— Offiziers am Bord des Dampfers „Powhatan“ in der Mün- dung des Man-tzekiang, vom 2. März 1855 ). „Wir ſegelten am letzten Donnerſtag (vor einer Woche) von Simoda und hofften in 5 Tagen Ueberfahrt in Schanghai eintreffen zu können; aber wir hatten kaum den Hafen von Simoda verlaſſen, fo überfiel uns ein hefti— ger Sturmwind, der einen großen Aufwand von Kohlen nöthig machte, um ihm Widerſtand zu leiſten. Nachdem ſich dieſer Sturm gelegt hatte, erhob ſich ein zweiter viel länger anhaltender, und endlich nach einer Pauſe trat ſogar ein dritter ein, der noch heftiger war, als die beiden erſten zuſammenge— ) Der Commandeur des Dampfers war mit der Auswechſelung des zwiſchen den Vereinigten Staaten und Japan abgeſchloſſenen Tractats beauftragt; die Aus⸗ wechſelung erfolgte am 21. Februar. Das letzte große Erdbeben in Japan. 313 nommen, ſo daß ſich das Schiff kaum noch flott erhalten konnte. Niemals habe ich je zuvor auf der See etwas Aehnliches wahrgenommen. Die Inſel Niphon, auf welcher Simoda liegt »), erlitt am 23. December 1854 ein furchtbares Erdbeben. Die Stadt Ohoſaca, eine der größten des japaniſchen Reiches, wurde völlig verwüſtet. Jeddo litt viel, aber noch mehr kurz darauf durch einen großen Brand. Die Stadt Simoda war bei unſerer Ankunft zu einer völligen Wüſtenei geworden. Nach dem Erdſtoße erhob ſich das Meer und überſtrömte die ganze Stadt; dann ſtrömte es in einer Tiefe von 6 Fuß, den ganzen Boden bedeckend, eben ſo gewaltſam zurück zum Meere und riß Häuſer, Brücken, Tempel und Alles mit ſich fort. Fünfmal wäh— rend des Tages wiederholte ſich dieſes fürchterliche Fluthen und verwandelte die ganze Gegend weit und breit in eine Einöde. Die größten im Hafen lie— genden Djunken wurden über die höchſte Waſſermarke, 1 bis 2 Meilen weit auf das trockene Land verſetzt. Zum Glück konnten noch viele der Stadtbe— wohner ſich bei andringender Fluth auf die nahe liegenden Berge retten, aber über 200 verloren durch Ertrinken ihr Leben. Die ruſſiſche Fregatte „Diana“ mit 50 Kanonen, unter dem Viceadmiral Putiatin, der ſich ſelbſt am Bord befand, war im Hafen von Simoda noch mit der Ausfertigung des von der ruſſiſchen Regierung mit der japaniſchen abgeſchloſſenen Tractates beſchäftigt. Unmittelbar nach dem erſten Erdbebenſtoß kam die Waſſermaſſe des Hafens in ſolche Convulſionen, Fluthungen und Wirbel, daß in Zeit von 30 Minu- ten die Fregatte 43 Mal völlig um ſich ſelbſt herumgedreht wurde, und daß ſich ihre Taue und Ketten in Knoten verwickelten. Die Bewegung war ſo reißend ſchnell, daß ſich keiner der Schiffsmannſchaft auf den Beinen erhalten konnte, und daß Alle in Taumel und Schwindel geriethen. Nach dem Zurückweichen der Fluth blieb die Fregatte, welche gewöhn— lich 21 Fuß tief in das Waſſer ging, bei 8 Fuß Waffertiefe ſtehen. Als die Fluth wieder heranſtrömte, ſtieg ſie zwar 30 Fuß über ihre gewöhnliche Höhe, aber als dieſelbe nochmals zurückwich, blieben der Fregatte nur noch 4 Fuß Waſſer übrig, ſo daß man die Ankerhaken über dem Waſſer hervorragen ſah. So gewaltig war die Hebung des Bodens in der Bai, daß die Fregatte, ob— wohl nur 4 Fuß im Waſſer ſtehend, doch von ihren Ankern losgeriſſen und fortgetrieben wurde. Die Offiziere des Schiffes dachten jeden Augenblick, es werde ſich der Boden der Bai ſelbſt als ein Feuerſchlund öffnen und fie ver— ſchlingen. Als das Schiff wieder flottirte, ſah man den losgeriſſenen Kiel und das Steuerruder neben dem Schiffe ſchwimmen, welches ſich ſogleich mit aſſer füllte. Noch ſuchte man daſſelbe durch allerlei Hilfsmittel flott zu alten, und zog es am folgenden Tage, nachdem das Meer ruhig geworden „in ein tieferes Waſſer der Bai. Zwar fühlte man noch einige Stöße, Iben brachten jedoch keinen weiteren Schaden. ) Ueber Simoda ſ. Zeitſchrift III, 500 — 501; IV, 231, 235 u. f. w. 314 Miscellen: Weil der Hafen von Simoda zur Reparatur des Schiffes untauglich war, bugſirte man daſſelbe mit 100 vorgeſpannten japaniſchen Booten in eine andere, 7 Meilen davon entfernte Bai. Als aber hier ein Sturm die Fregatte überfiel, ſank fie ganz unter Waſſer; das Leben der Mannſchaft und der Offiziere wurde zwar in den japaniſchen Booten gerettet, aber nichts von der Ladung des Schiffes, ſo daß die Mannſchaft nur das, was ſie auf dem Leibe trug, mit an das Land brachte. Nur das Leben eines einzigen Matroſen, der ſeinen Tod zwiſchen zwei Kanonen, zwiſchen welchen er einge— klemmt war, fand, ging dabei verloren.“ N 2. Auszug aus dem Logbuche der Fregatte „Diana“. „Ohne jedes vorhergegangene Anzeichen ſpürte man den erſten Erdbeben⸗ ſtoß 1 nach 9 Uhr auf dem Verdeck des Schiffes und in der Kajüte ſehr heftig; er hielt 2 bis 3 Minuten an. Um 10 Uhr rollte eine große Woge in die Bai, in welcher die Fregatte vor Anker lag, und in wenigen Minuten lag die ganze Stadt mit Häuſern und Tempeln im Waſſer; die vielen vor Anker liegenden Schiffe ſah man nach allen Richtungen hinfluthen, an einander ſtoßen und in Folge des Stoßes in Trümmer fallen und ſinken. Nur 5 Mir nuten ſpäter beobachtete man, wie das ganze Seewaſſer der Bai ſich emporhob und kochte, gleich als wenn es durch tauſend Quellen emporgetrieben würde, indem es mit Schlamm, Lehm, Stroh und anderem Material aller Art ge— mengt war, dann wie es mit furchtbarer Gewalt zurückſtrömte und Stadt und Land und alle Schiffe vollends vernichtete. Unſere Mannſchaft mußte die Kanonenlöcher ſichern, da das Waſſer mit Balken, Dächern und Trümmern aller Art umherwogte. Die Fregatte riß ſich + auf 11 Uhr von ihrem Anker los. Sofort wurde der zweite Anker herabgelaſſen, dennoch kam das Schiff in eine wirbelnde Bewegung, und es wurde gezwungen, ſeine Stelle zu verlaſſen, als das Waſſer mit größerer Geſchwindigkeit, als zuvor, herbeikam. Die ganze Stadt war ein einziger Schauplatz der Verwüſtung, von etwa 1000 Häuſern ſtanden nur 17 noch aufrecht. Dicke Dunſtwolken lagerten um dieſe Zeit auf der Stadt, und die Luft war erfüllt mit Schwefeldünſten. Das plötzliche Steigen und Fallen des Waſſers in der engen Bai gab zur Bildung zahlreicher Wirbel Veranlaſſung, wodurch die Fregatte in eine ſo drehende Bewegung kam, daß am Bord Alles ſchwindlich wurde. Um 103 Uhr wurde durch die furchtbaren Wirbelſtrömungen eine Djunke gegen die Fregatte geſchleudert und verſank ſogleich in Splitter; nur zwei Mann, denen man Stricke zuwarf, konnten gerettet werden, die übrigen fanden, in die Ka— jüte zuſammengedrängt, den Tod. Nun wurde die Fregatte ſelbſt im Wirbel mit fortgeriſſen, doch erhielt ſie ſich während der 43 maligen Umdrehung fern von den umliegenden Klippen, an welchen ſte ſonſt, angeſchleudert, zertrümmert worden wäre. Aber die erlittenen Stöße hatten die Kanonen von ihrer Stelle Das letzte große Erdbeben in Japan. 315 gerückt, einen Mann zerquetſcht und andere verwundet. Bis zur Mittags— ſtunde hörte das Steigen und Fallen des Waſſers in der Bai nicht auf, ſo daß die Höhe deſſelben von weniger als 8 bis 40 Fuß wechſelte. Gegen 2 Uhr wiederholten ſich die Emporhebungen des Seebodens ſo ſtark, daß die Fregatte dadurch mehrmals auf die Seite gelegt wurde, und man bei einer Tiefe von nur 4 Fuß die Anker zu ſehen bekam. Nun erſt beruhigte ſich das Meer; die Fregatte brauchte vier volle Stunden, um ſich aus den Ver- ſchlingungen ihrer Taue und Ankerketten herauszuwinden. Die Bai war voll Ruinen. g Am 13. Januar konnte man erſt die Erlaubniß vom japaniſchen Gou— vernement erhalten, in eine andere Bai zur Reparatur überzuſchiffen. 100 Djunken wurden vom Gouvernement beordert, der Fregatte beizuſtehen. Glück⸗ licher Weiſe waren die Kranken und Verwundeten ſammt der Mannſchaft in den Booten, als die Japaneſen, durch eine kleine weißliche Wolke vor einem herannahenden Sturme gewarnt, die Taue abſchnitten und nach dem Lande Ddavoneilten. Hätten fie länger verweilt, fo wäre Alles vom Sturme vernich— tet worden. Die Fregatte verſank unmittelbar darauf in die Meerestiefe. Die Umgebung der Bai zeigte überall Spuren häufiger Erdbeben! Es ſchien mir, als müſſe ein untermeeriſcher Feuer-Canal, der mit dem Vulcan F der Inſel Ohoſima in directer Verbindung ſteht, unter der Bai von Simoda weggehen und dieſe Bewegungen in der Richtung von Südweſten nach Nord— oſten, wie ſie hier vorherrſchend ſein ſollen, veranlaſſen. In allen Schichten der umliegenden Felſen ſieht man Schwefelmaſſen abgeſetzt. Aber auch die ganze Inſel Niphon litt von demſelben Erdbeben. In Jeddo ſelbſt wurden mehrere Häuſer niedergeworfen. Zu Kanagawa, wo der erſte Handelstractat der Japaneſen mit den Vereinsſtaaten von Nordamerika am 31. März 1854 in 12 Artikeln abgeſchloſſen wurde, war eine ganze Mauer umgeworfen. In Oſaka litt man durch Erdbeben und Feuers brunſt zugleich; ganze Felsmaſſen ſtürzten herab und zerſchmetterten Käufer mit ih- ren Bewohnern. Die Stadt Simoda, welche für den Hauptmarkt der Ame⸗ rikaner im Tractat beſtimmt war, wird nicht leicht wieder zu einem Marktorte ſich eignen, ſowie die anliegende Bai eine fo völlig veränderte Bodenlage er— halten hat, daß auch fie ſchwerlich den Bedürfniſſen amerikaniſcher Schifffahrt wird entſprechen können. Man wird deshalb zu neuen Tractaten ſchreiten müſſen.“ ö Die Despotie des japaniſchen Gouverneurs der Stadt Simoda, fügt der Referent Mr. Lobſchied ſeinem Berichte über das Erdbeben hinzu, vermehrte noch das Leiden der unglücklichen Bewohner des Ortes, indem er ihnen, die ihren Lumpen kaum das Leben gerettet hatten, bei Todesſtrafe verbot, vor 75 Ablauf von drei Tagen auch nur das Geringſte aus den Trümmern ihrer ohnungen zu berühren und zu retten. Da es ſehr kalt und naß war, irr- e dieſe Armen ſo lange in Nacktheit, Hunger und Froſt umher, bis ihnen 316 Miscellen: endlich nach 3 Tagen und 3 Nächten erlaubt wurde, das etwa noch Vorhan— dene aus ihren zertrümmerten Wohnſtätten zu holen. Doch ſollen nach ſpä— teren officiellen Angaben nur 90 Menſchen bei dem Erdbeben in Simoda ihr Leben verloren haben. 5 Dr. Maecgowan fügt dieſen Berichten in einem Schreiben an Herrn v. Humboldt die Bemerkung hinzu, daß ſeit 70 Jahren kein gleich heftiges Erdbeben in dieſen Gegenden geſpürt worden ſei, und zugleich daß auffallen der Weiſe auch keiner der vielen japaniſchen Vulkane dabei einen Ausbruch ges zeigt habe. C. Ritter. Vorſtehende Nachrichten über das Erdbeben in Japan erhalten noch durch einige Notizen in einer ſpäter durch die Güte des Herrn A. v. Humboldt uns zu⸗ gegangenen Nummer der ſchon erwähnten Hongkong-Zeitung Overland China Mail vom 10. Juni einige Ergänzungen. Dieſelben finden ſich in einem Be— richte Dr. Macgowan's, welchen derſelbe am Tage zuvor in der Sitzung der aſiatiſchen Geſellſchaft zu Hongkong geleſen und urſprünglich für Herrn von Humboldt beſtimmt hatte. Der Verfaſſer bemerkte in ſeinem Vortrage, daß die Phänomene des Erdbebens große Aehnlichkeit mit denen des großen am 1. November 1755 zu Liſſabon ſtattgefundenen gehabt hätten, indem daſſelbe gleichfalls von einer Erhebung der Binnenwaſſer zu Chihkiang in China und von einem außerordentlichen Zurückweichen und darauf folgenden Steigen des Meeres an den Bonin-Inſeln begleitet geweſen ſei, gerade wie man zur Zeit der liſſaboner Erderſchütterung die Erhebung ſchottiſcher See'n und ein wunder⸗ bares Steigen des Meerwaſſers bei Madeira beobachtete. Ebenſo hätte im J. 1854 das Steigen und Sinken einer vulkaniſchen Inſel bei Formoſa nebſt Staubfällen im Bereiche der chineſiſchen See ſtattgefunden, doch ſei es nicht ſicher, ob dieſe Phänomene vulkaniſcher oder organiſcher Natur geweſen wä- ren, endlich habe man eine hohe Temperatur der Strömungen bei Formoſa bemerkt, ſowie auch die bei den Chineſen unter dem Namen der „weißen Haare“ bekannte und in ihrem Lande den Erdbeben öfters folgende und durch den Contact entweichender Dämpfe und ſchwefelicher Säure (emission of vapours and sulphuric acid) mit atmoſphäriſcher Luft angeblich gebildete Erſcheinung damals nicht fehlte. Gumprecht. Barth's Rückkehr nach Europa und Vogel's Arbeiten in Central-Afrika. 317 i Barth's Rückkehr nach Europa und Vogel's Arbeiten im nördlichen Central-Afrika. Seit dem 7. December v. J., wo Dr. Vogel einem nach Ghadämes gehenden Courier einige mit Bleiſtift geſchriebene Zeilen mitgab, um Kunde von ſeinem und Barth's Befinden nach Europa gelangen zu laſſen (Zeitſchr. N., 407), hatte es uns an jeder Nachricht über das Schickſal dieſer Reiſenden geſehlt und, wenn nicht in der Zwiſchenzeit in Tripolitanien der Aufſtand ge— gen die türkiſche Herrſchaft ausgebrochen wäre, welcher eine Unterbrechung der Communication erklärlich machte, ſo hätte in der That das lange Aus— bleiben jeder Mittheilung von Seiten der beiden Forſcher Raum zu Beſorg— niſſen geben können. Solche Befürchtungen find nun glücklicher Weiſe gänz⸗ lich beſeitigt, indem in den letzten Tagen Barth glücklich und wohlbehalten in Europa angelangt iſt. Am 8. September, Morgens 11 Uhr, traf der treffliche Reiſende zu Marſeille ein, und ſo dürften nun zur aufrichtigen Freude aller Derer in der ganzen civiliſirten Welt, die feinen großartigen Unter- nehmungen 52 Jahre hindurch mit Spannung gefolgt find, die Worte wahr werden, mit denen ich die Skizze ſeines Lebens und Wirkens beſchloß (Zeit— ſchrift IV, 89), als ſich die Nachricht von ſeinem Tode unter Umſtänden verbreitet hatte, die kaum an ihrer Wahrheit Zweifel laſſen konnten, obgleich eben dieſe Umftände ſich ohne Ausnahme ſpäter in der erfreulichſten Weiſe als irrthümlich erwieſen. Bei unſeres Forſchers raſtloſer Thaͤtigkeit laßt ſich wohl mit Grund erwarten, daß, ſobald nur ſeine Geſundheit ihm die Arbeit erlaubt, wir nicht lange auf eine Kenntniß der Ausbeute ſeiner Unterſuchungen werden zu warten haben. Nur drei Tage ſpäter, ſchon am 1. September, ging bei Herrn A. Petermann ein von Barth noch auf der Rückreiſe zu Murzuk am 20. Juli d. J. geſchriebener Brief ein, deſſen Ver⸗ oͤffentlichung wir Herrn Petermann verdanken, und der auch von Vogel's Wohlbefinden und ſeinen Arbeiten die wünſchenswertheſte Kunde bringt. Da— nach war dieſer Reiſende im Süden von Bornu bis zu der noch von keinem 3 Europäer bisher betretenen großen Fellanſtadt Jacoba (Pacöba), deren Na— men man bisher häufig, aber irrig, der Landſchaft Boſchi (Geographie von Afrika S. 299 — 300), wovon Jacöba nur die Hauptſtadt bildet, beigelegt hatte, vorgedrungen und hatte deren genauere Lage beſtimmt. Von da gedachte derſelbe feinen Weg durch Adamäua bis Tibati und Baja fortzuſetzen, zwei Ort⸗ ſchaften, die Barth zuerſt erkundet hatte, und die ſich auf Herrn Petermann's open Karte von Eentral= Afrika zwiſchen dem 6. und 7. Grade nördl. Breite zugleich zwiſchen dem oberen Benue und deſſen von Süden kommendem en Zufluſſe, dem Faro, niedergelegt finden, in Adamäua den hohen Berg Alantika zu beſteigen und endlich ſich nordöſtlich wendend von da aus zu verſuchen, nach dem großen Reiche Uadät (Wadaf oder Sala [Dar Sala!) 318 Miscellen: zu gelangen. Gelingt dieſer Zug, fo wird dadurch einer der intereſſanteſten Theile des centralen Nord-Afrika's aufgeſchloſſen, indem der ſüdlich von Adamäua's Hauptſtadt Pola gelegene Alantika, über deſſen Exiſtenz Barth gleichfalls die erſte Kunde gab, eine ſehr bedeutende Höhe erreicht, welche Barth auf etwa 8 — 10,000 Fuß ſchätzt. Barth, der den Alantika von Mola aus geſehen haben muß, berichtet, daß man ihm denſelben als vulkaniſch geſchildert habe, und daß warme Quellen an ihm beſtimmt zu Tage träten (Berl. Monatsberichte, N. F. IX, 359). Vogel's Beſtimmung der Lage von Jacöba weicht nun von den bisher angenommenen nicht ſehr bedeutend ab. Während nämlich Denham's Karte dieſelbe im J. 1826 genau in den 10° nördl. Br. und in 10° 15’ öſtl. L. Gr. verſetzte, fand fie Vogel in 10° 17’ 30“ nördl. Br. und in 9° 28’ 0” öſtl. L. von Greenw. Aus der uns gewordenen Nachricht ſcheint endlich noch hervorzugehen, wie Herr Petermann ſchließlich bemerkt, daß Vogel ſeine Rückkehr nach Europa aufgeſchoben hat und daß er zunächſt, wie anfänglich ſchon von ihm beabſichtigt war, verſuchen will, die öſtlich vom Tſad gelegenen Landſchaften zum Schauplatze ſeiner Thätig— keit zu machen. Gelingt ihm dies, ſo dürfte er vielleicht Gelegenheit finden, mit der aller 2 Jahre von Uada nach Benghazi, der bekannten Seehandels— ftadt in der alten Cyrenaica, gehenden ſehr großen Karavane einen ſicherern Rückweg einzuſchlagen, als den gefährlichen von Uavai oſtwärts über Dar Fur nach Kordofän, und ſo unſere Kunde des centralen Nord-Afrika mit der Kenntniß des wichtigen Landes des Tibbovolkes zu vermehren. Dieſe Wahl. würde in der That einen glücklichen Erfolg verſprechen, weil die Karavane von Uadä nach Benghazi unter dem ſpeciellen Schutze des Beherrſchers von Uadat ſteht, und weil ſich dieſer Fürſt ſelbſt in ſteter Handelsverbindung mit den zu Benghazi wohnenden europäiſchen Kaufleuten befindet, es ihm alſo nur von Intereſſe ſein kann, einem Europäer ein ſicheres Geleit bis an die Küſte zu ver— ſchaffen. Auch ſcheint der tripolitaniſche Aufſtand ſich nicht bis zur Cyrenaica verbreitet zu haben, fo daß auch in der Hinſicht unſer Forſcher keine Hinder niſſe finden dürfte, ſeine Heimreiſe glücklich zu vollenden. Gumprecht. Das Bergſyſtem des Staates New-Pork. Nach feiner natürlichen Eintheilung und Topographie von Prof. E. Emmons ). Den Staat New-Mork durchziehen zwei große Thaler; das erſte und längſte iſt das des Hudſonsſtromes, welches ſich, genau genommen, durch die ) Aus der Geographical and commercial Gazette. New Vork. No. 1. Ja- nuar 1855. ö ö | | | : 74 Das Vergſyſtem des Staates New-Pork. 319 ganze Länge des Staates von Norden nach Süden erſtreckt und die Vertie— fung einſchließt, worin der Champlainſee liegt. Daſſelbe wäre deshalb eigent— lich das vereinigte Hudſon- und Champlain-Thal zu nennen. Das zweite iſt das Thal des Mohawkfluſſes, welches im Oſten oder eigentlich mehr noch im Norden des mittleren Theils jenes erſten Thales endet, und von dem man annehmen kann, daß es ſich weſtlich nach dem Thal der großen Seen und durch die Vertiefung, welche den See Oneida und den Fluß Oswego enthält, hin— zieht. Der Staat New⸗Pork zerfällt alſo durch dieſe beiden großen Thäler ſeiner natürlichen Eintheilung nach in drei Abtheilungen von ungleicher Größe, eine öftliche, nördliche und ſüdliche. Die öſtliche Abtheilung iſt ein langer, ſchmaler, von dem Hochlande der Grafſchaft Putnam bis zur Spitze des Champlain-See's geſtreckter Gür= 1 tel, deſſen weſtliche Ränder die Grenzen von Connecticut, Maſſachuſets und Vermont bilden, und der von dieſen Rändern ziemlich regelmäßig gegen den Hudſon abfällt, aber der Länge nach von langen ſchmalen Thälern durchzo— gen wird, deren Streichungslinie im Weſentlichen nach Norden und zwar parallel der Hauptkette der grünen Berge von Vermont geht. Dieſe Abthei⸗ lung enthält den weſtlichen Abhang der an den öſtlichen Rändern der Graf— ſchaft Columbia gelegenen Taghkanie-Berge, welche die Waſſerſcheide zwis ſchen den weſtlich in den Hudſon ſich ergießenden und den ſüdlich in den Long Island⸗Sund mündenden, endlich auch der im Süden dieſer Inſel bis zur Stadt New-Mork vorkommenden Gewäſſer bilden. . Die nördliche Abtheilung oder der nördlich vom Mohawk gelegene Theil des Staates enthält einen Verein von Bildungen, die von denen am weſtlichen Abhange der Taghkanieberge ganz verſchieden ſind, indeſſen wird die Darſtellung ſehr vereinfacht, wenn man ſich dieſen Theil von New-Pork als von einem einzigen großen Zuge von Bergen und Hochländern (highlands) durch⸗ zogen denkt. Es würde der Zug dann bei Little-Falls im Thale des Mohawk innen, ſich in einer nordöſtlichen Richtung durch das Land hindurch bis 4 Trembleau⸗Point in der Nähe von Port Kent, Grafſchaft Eſſer am Cham⸗ plain ⸗ See, verfolgen laſſen und als eine einzige große Erhebung gelten kön— nen, wovon ein Theil bis zu der höͤchſten Höhe in der Nachbarſchaft von Mount Marcy anſteigt. Der Abfall ginge demnach nach den großen, dieſen Theil des Staates begrenzenden Thälern hin. Freilich genau genommen iſt dieſe Auffaſſung nicht ganz richtig, indem ſich mehrere parallel laufende Bergreihen, wenn man auf einige zwiſchenliegende Felshöcker kein beſonderes Gewicht legt, unterſcheiden laſſen. Die einzelnen Bergreihen wollen wir nun ſchreiben, indem wir mit den öſtlichſten beginnen. Die erſte Reihe ift als eine ſolche zu betrachten, die ſich in der Graf— Haf Saratoga erhebt; ihr Anfang liegt hier in der Nähe von Wilton und enige Meilen nördlich vom Bade Saratoga, worauf ſie einen nordöſtlichen 1 Weg durch die den George-See vom Champlain-See trennende Landzunge N verfolgt und zuletzt an dem Seeufer ſüdlich von Ticonderoga bei Mount De⸗ 320 Miscellen: fiance endet. Rauh und ſteil wird ſie erſt, wenn der Hudſon in der Nach— barſchaft von Moreau ſie durchbrochen hat. Wo ſie zwiſchen den beiden See'n eingeſchloſſen iſt, ſtürzt ſie nach beiden Seiten ſteil in die Tiefe, und das Terrain nimmt einen rauhen und unebenen Charakter an. Sie führt den Namen der Palmertown-Reihe; der zwiſchen beiden See'n gelegene Theil der— ſelben heißt jedoch zuweilen Black-Mountains oder die Tongue- Mountains. Die zweite Reihe erhebt ſich in dem nordöſtlichen Theile der Grafſchaft Montgomerry und folgt einer mit der erſten parallelen Richtung, indem ſie durch die Grafſchaften Saratoga und Warren, dem weſtlichen Ufer des See's George entlang, fortſetzt; bei Ticonderoga endet ſie. Ihre Breite beträgt un— gefähr 6 engl. Meilen, ihre Länge nicht viel weniger, als 60. Der franzö— ſiſche Berg liegt zwiſchen beiden Bergreihen und iſt ungefähr 6 engl. Meilen lang. Gewöhnlich führt dieſe zweite Kette den Namen Kavaderoſſeras, zu— weilen heißt ſie aber auch die der grünen oder Lucernefeldberge; fie wird in der Richtung der Grafſchaften Warren und Saratoga durch den Hudſon durchbrochen, und zwingt den Fluß Sacandaga, um ihren Fuß herum eine nordöſtliche Richtung einzuſchlagen und ſich bei Hadley mit dem Hudſon etwa 5 oder 6 Meilen oberhalb des romantiſchen Waſſerfalls gleichen Namens zu vereinigen. Die dritte Reihe erhebt ſich in Mayfield oder doch in dem nördlich von Johnstown gelegenen Theile des Landes und zieht ſich durch den öſtlichen Theil von Hope, Athol, Cheſter und Schroon, worauf ſie am Champlain— See in der Nähe von Crown-Point und Port Henry endet. Cranes Moun— tain in Athol und Pharaoh in Schroon bilden bemerkenswerthe Höhen in derſelben. Die vierte Reihe ſteigt aus dem Mohawkthale in der Nähe oder zu Palatine ſelbſt auf und verfolgt eine mit der vorhergehenden gleiche Richtung; ſie zieht durch den weſtlichen Theil von Hope oder zwiſchen Hope und dem See Plea— ſant, ferner durch den weſtlichen Theil von Schroon und Moriah und endet endlich an dem See bei Willsborough. Es iſt dies ein hoher und imponi⸗ render Höhenzug, deſſen höchſter Theil ſich weſtlich von Pondsville in der Stadt Moriah befindet!). Dix's Pik erhebt ſich etwas weiter nördlich und läßt ſich am beſten von Johnſon's am Clearpond aus erblicken; er bildet die höchſte Spitze des Zuges überhaupt. Der fünfte und bedeutendſte Höhenzug nördlich vom Mohawk kann der Clinton-Zug genannt werden, der ſchon als bei Little Falls beginnend und bei Trembleau-Point endend erwähnt wurde. Wo derſelbe ſeine größte Höhe erreicht, finden ſich viele hohe, in bemerkenswerthe, die Adirondack-Gruppe ) Its most elevated portion is to the west of Pondsville in the town of Moriab, ſagt Emmons wörtlich. — — r — Das Bergſyſtem im Staate New-Nork. 321 genannte Berggruppe zuſammentretende Pies. Die Clintonreihe iſt die wirk— liche Waſſerſcheide dieſes Theils des Staates; ſie trennt die Waſſer des Hud— ſons, d. h. die ſuͤdlich in das atlantiſche Meer fließenden, von denen, welche nördlich in den Lorenzgolf ſich ergießen. Weſtlich von der Clintonkette befindet ſich noch eine weniger deutliche, weniger in ihrem Zuge regelmäßige und weniger vollkommen bezeichnete Berg— reihe, die ſich beſonders in ihren ſüdlichen und mittleren Theilen längs dem weſtlichen oder St. Lorenz-Abhang hinzieht und deren nördlicher Theil ſich durch vereinzelte Pies oder Berggruppen auszeichnet. Sie endet einige Mei— len nördlich von der canadiſchen Reihe und bildet den nördlichen Abhang des Landes; zu ihr gehören die Hügel von Ellenburgh und Chateaugay. Nörd— lich folgt ſodann die Ebene Nieder-Canada's, und man erblickt von ihrem Abfalle vollkommen dieſe ebene und durchaus flache Gegend zwiſchen dem Ri— chelieu⸗ und St. Lorenzſtrome. Die Hauptberge des nördlichen Theiles dieſes Zuges ſind Mount Seward in der Grafſchaft Franklin und Lyon Mountain in der Grafſchaft Clinton. Der erſtgenannte Berg iſt der höchſte Theil einer deutlichen Berggruppe, welche, wenn man den Long Lake hinabfährt, ſehr be— deutend hervortritt. Der ſüdliche Theil dieſer wichtigen Bergkette zeichnet ſich dagegen durch ein Querthal aus, worin ſich die Fultonſee'n-Kette befindet, und welches ein bequemes Terrain für einen Weg von dem Thal des ſchwar— zen Fluſſes nach dem Tafellande von Racket und Long Lakes und von hier weiter nach dem Hudſonfluß oder dem Champlainſee darbietet. Gehen wir dann zu der ſüdlichen Abtheilung des Staates zwiſchen dem Ontarioſee und Pennſylvanien über und laſſen die kleinen Unregelmäßigkeiten, ſowie wellenförmige Erhebungen der Oberfläche unbeachtet, ſo können wir das ganze Territorium zwiſchen dem See und der Grenze des Staats als allmäh— lig anſteigend betrachten, bis es das Maximum feiner Höhe in dem ſüdlichſten Theile der Grafſchaften erreicht. Von einer wirklichen, dieſe Abtheilung des Staates durchziehenden Bergkette können wir aber hier nicht ſprechen, indem die Vertiefungen der Oberfläche des Terrains allein durch die Zerſtörung der weichen und leicht zerſtörbaren Schieferletten und Sandſteine entſtanden ſind, oder mit anderen Worten, die Thäler, worin dieſe zahlreichen See'n liegen und durch welche der Fluß ſeinen Lauf nimmt, ſind Eroſtonsthäler, deren Mehrzahl ſich nach Norden öffnet. Die öſtlichen und weſtlichen Wege, d. h. diejenigen, welche quer auf die Thäler ſtoßen, ſind hiernach bergig, oft ſteil und verleihen der Landſchaft den Charakter eines Gebirgslandes. Wenden wir uns zuletzt dem ſüdöſtlichen Abſchnitte dieſes Theiles des Staates zu, ſo finden wir den Character ſeiner Terrainverhältniſſe wieder ſehr verſchieden von dem im Weſten, indem wir hier deutlich drei Bergzüge unter— ſcheiden können: 1) die Hochländer der Grafſchaften Orange und Putnam, 2) den Shawangunk mit einer regelmäßigen Kette, ebenfalls einer nordöſtli⸗ chen Richtung folgend und das Thal von Rondout begrenzend, endlich 3) die Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 21 322 Miscellen: Catskills, deren Richtung nach Nordweſt oder nach dem Thale des Mohawk geht, und deren Fortſetzung die Grafſchaften Albany und Schoharie berührt. In dieſer Verlängerung treten die Helderberg-Berge auf, die, als ein Gan— zes betrachtet, einen der intereſſanteſten topographiſchen Umriſſe des Staates bilden ). Aus dieſem, wenngleich kurzen und noch unvollſtändigen Berichte ergiebt ſich alſo, daß drei verſchiedene Bergſyſteme den Staat New-Pork durchſchnei⸗ den, nämlich: 1) das nordöſtliche in Nord-, wie in Süd-New-Pork, 2) das Nordſyſtem im öſtlichen New-Mork und 3) das nordweſtliche Syſtem oder das der Catskillberge. Dieſen Bergſyſtemen iſt jedoch bis jetzt noch nicht die verdiente Aufmerkſamkeit zu Theil geworden, und es iſt deshalb nicht möglich, über dieſen intereſſanten Gegenſtand mit völliger Beſtimmtheit zu ſprechen. Das Weſen des nördlichen und nordöſtlichen Syſtems wird wenig in Zweifel gezogen; aber ſelbſt wenn man die Richtung der Catskillberge oder die des nordweſtlichen Syſtems im Allgemeinen auffaßt, iſt unſeres Erachtens nach gleichfalls wenig Grund vorhanden, unſere Auffaſſung zu bezweifeln. Der Gegenſtand erfordert noch weitere Unterſuchungen; es iſt ein Feld voll in- tereſſanter Phänomene, worin bisher Wenige im Lande geforſcht haben. Höhe der verſchiedenen Berge in dem Staate New-Pork. a) Nördliche Abtheilung: 1 — ngl. Ju Mount March 2) oder ER 1 ee von Adirondack, Graf— ſchaft Null ; ; R le er en 19) Die Helderberge ſind in der Geognoſie Nord- Amerikas durch die großen Maſſen von Steinkohlen berühmt geworden, die in ihnen auftreten. Sir Charles Lyell hat ihnen eine beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet. G. 2) Mount Marey, der König dieſer Wildniß, thront über den ihn umgebenden Höhen mit einer wunderſchönen Kuppe oder von einer Seite vielmehr mit einer bei— nahe ſcharfen Spitze. Da er über alle feine Umgebungen aufſteigt und mit feinem charaf- teriſtiſchen Weſen zu bedeutender Höhe ſich erhebt, ſo iſt es unmöglich, die Richtigkeit des ihm von den Indianern in ihrer kräftigen und ſchönen Bezeichnungsweiſe gegebe- nen Namens zu verkennen. Dieſe nannten ihn nämlich den himmelanſtrebenden Berg „Tawahus“ — „den Wolkenſpalter“. Seine Höhe über dem höchſten Stande des Meeres bei der Fluth beträgt 5467 engl. Fuß. Eine andere Höhe Mount Me. In⸗ tyre, von welcher man annimmt, daß fie etwas niedriger, als der Mount Marcy iſt, übertrifft dieſen vielleicht noch an erhabener Majeſtät und zeigt eine gleichmäßigere, maſſige und compacte Structur. Der Dial Mountain, Me. Martin, Calden und an⸗ dere ungemeſſene Pics von ſcheinbar gleicher, wenn nicht gar noch bedeutenderer Höhe treten ebenfalls in dieſer Gruppe auf und ertheilen der Landſchaft den Stempel alpi⸗ niſcher Großartigkeit. Eine hohe, unter dem Namen Keene Mountains bekannte Kette bietet einen eigenthümlichen Anblick dar; fie erſcheint finſter, zerklüftet und drohend. Der White- face Mountain, in dem majeſtätiſchen indianiſchen Dialeet „Wahopartenie“ genannt, von 4855 Fuß Höhe, ſteht entfernt von den anderen Gruppen und bildet die nörd— liche Spitze des hohen, die Stadt Nord-Elba einfaſſenden Berggürtels. Dieſer Pie bildet durch ſeine bewundernswerthen Verhältniſſe, wie dergleichen ſelten vorkommen, 9 — — . — S — — nie Das Bergſyſtem im Staate New-Pork. 323 Engl. Fuß Mount Me. Intyre, Gruppe von Adirondack, 1 Sie anne Mount Me. Martin, = - = 5000 Dial Mountain, - - _ - Fe 00 Whiteface Mountain = = - - gan bz 8 Mount Seward, Grafſchaft Franklin. 4600 Mount Emmons, Grafſchaft Samilon gs 4500 Crane Mountain, Grafſchaft Warren. 3000 Mount Lyon, Grafſchaft Clintaçsçu ga — Mount Pharaoh, Grafſchaft Eſſꝶ u — Bald Mountain, Grafſchaft Eſſeeee rt — Mount Defiance, Grafſchaft Waſhingtannmgdgdddd . —3 b) Südliche Abtheilung: Round Top, Cattskillberge, Grafſchaft Greene 3804 High Peak, - - = „ en TR I STR Pine Orchard, - = % Ar 80 „7050 Shawangunk, Grafſchaft Sullivan . » . 2. 2 222... 1866 Helderberg, Grafſchaft Alban — c) Oeſtliche Abtheilung: Taghkanic, Grafſchaft Columbia. Sec „ een ene New ⸗ Beacon, Highlands, Grafſchaft 1 9 2 ene e ee EEE Butter Hill, = - Orange 9 2 050 Crow's Neſt, = = Drunsp hir ua PAD Sugar Loaf, = = Putnam „ 1300 Fiſhkill oder Matteawan 1), Highlands, Grafſchaft Dutche). ri ge Breakneck Hill oder Upper Anthony's Noſe, Grafſchaft Putnam . 1187 Anthony's Noſe, ware Babs in die eee n Putnam 2 82 e ſeine kahle Kuppe, ſeine vereinzelte Stellung und ſein Emporragen über die Umge⸗ bungen ein wunderſchönes, weit ſichtbares Wahrzeichen in einem weiten Horizont. Die allgemeine Stimme ift nicht geneigt, denen beizuſtimmen, welche die einge- borenen Benennungen der natürlichen großartigen Bildungen des Continents verlö⸗ ſchen möchten, um ihnen andere von politifch hochſtehenden und in ihrem Privatcha⸗ er höchſt achtbaren Männern entlehnte zu geben, indem die alten indianiſchen Na— men ſich durch Kraft, Wohlklang, Schönheit und Beziehung auszeichnen. Die Namen, welche die Ureinwohner den natürlichen Verhältniſſen ihres Landes gaben, werden ſo⸗ bald die einzigen Erinnerungen an ihre eigene Eriſtenz ſein. Siehe „Phyſikaliſche ographie der Grafſchaft Eſſer von W. C. Watſon“ in den Transactions of the New k State Agricultural Society for 1852. Emmons. — (Ueber das neuere Beſtre⸗ der Gelehrten Nord-Amerika's, die alten indianiſchen geographiſchen Namen wie- in Gebrauch zu bringen, ſ. Kohl in dieſer Zeitſchrift IV, 505.) ) Dieſer Name wird den „Highlands“ von den Eingeborenen gegeben, indem ſie damit die Landſchaft „Good Fur“ meinen. = Gumprecht. 5 21 * . 324 Miscellen: Der Eishandel in Nord-Amerika. Es find gerade jetzt 50 Jahre, daß ein intelligenter Kaufmann zu Bo- ſton, Namens Zuvor, auf den Gedanken kam, das Eis auch in Nord-Amerika zum Handelsgegenſtande zu machen und die Landſtriche wärmerer Zonen da⸗ mit zu verſorgen. Zwanzig Jahre dauerte es, ehe Tuvor mit feinen Plänen Glück hatte, bis es demſelben endlich gelang, die ſüplicheren Theile der Ver⸗ einigten Staaten und Weſtindien mit Eis zu verſorgen und ein vortheilhaftes Geſchaft damit zu betreiben. Als dieſe Unternehmungen gewinnreich wurden, folgten große Handlungshäuſer in Maſſachuſets und zu New-Mork Tupor's Beifpiele, und jetzt hat der Eishandel in den Vereinigten Staaten eine ſolche Bedeutung gewonnen, daß das darin angelegte Capital zu 6 Millionen Dol⸗ lars veranſchlagt wird, und daß 9000 Perſonen in der Zeit, wo der Handel Arbeitskräfte verlangt, davon ihre Exiſtenz haben, ja man ſchätzt den Werth des in einem Jahre in den Handel gebrachten Eiſes gerade eben ſo hoch, wo nicht höher, als den einer Reisernte im Staat Georgien. Noch iſt Bofton der Hauptſltz des amerikaniſchen Eishandels, indem von hier aus das meiſte Eis exportirt wird, und 2— 3000 Menſchen bei dieſem Handel beſchaftigt find. Viel unbedeutender iſt der zu New-Mork, von wo aus nur wenig Eis aus⸗ geführt wird, indem das meiſte, welches in den Handel kommt, zur inneren Conſumption beſtimmt iſt. Welchen Umfang der Eishandel Boſtons jetzt überhaupt erlangt hat, ergiebt ſich daraus, daß im letzt verfloſſenen Winter 300,000 Tons Eis hier allein einmagazinirt wurden. (New Vork Daily Times und baraus in den londoner Times vom 8. Sept. 1855). Bei der ſtets zunehmenden Eisconſumtion in den warmen und heißen Zonen, wo man das unſchätzbare Product immer mehr würdigen lernt, und der ſteigen⸗ den Bedeutung dieſes Exports für die Vereinigten Staaten muß man ſich in der That wundern, daß andere nörbliche Länder, namentlich die britifchen Ve⸗ ſitzungen Nord-Amerika's und Norwegen, noch nicht daran gedacht haben, in dieſem gewinnreichen Handel mit Bofton, New-Mork u. ſ. w. zu concurriren. Wirklich iſt erſt in der neueſten Zeit anderwärts ein Verſuch gemacht worden und den weſtlichen Nord- Amerikanern dadurch eine Concurrenz erwachſen. Nach einer Mittheilung in der zu S. Francisco erſcheinenden Zeitung Alta California (londoner Times vom 10. September) haben nämlich californiſche Capitaliſten unter dem Namen „ruſſtſch-amerikaniſche Handelscompagnie“ eine Geſellſchaft gebildet, die nicht allein den ſchon ſehr bedeutend gewordenen Verkehr zwiſchen den ruſſiſchen Beſitzungen in Nord-Amerika und Californien zu heben beabſichtigt, ſondern auch beſonders den Eiserport von dort aus nach den wärmeren Zonen im Großen zu betreiben vorhat. Schon jetzt äußern die Operationen der Compagnie ihren Einfluß bis tief in das Binnen⸗ land, und man fürchtet in den öſtlichen Seeplätzen der Vereinigten Staaten gar ſehr, daß die Eisausfuhr aus Sitka nicht allein dem Eishandel aus den FÄPPrVrVrVrVrVr»PV'Vrrr r ˙ - !ü¼ Oͤr]]̃̃—r˙²!.ʃ Qn :tr;: ᷑ —ů¹ ] ]ÜÄ“ÄW1EW˖? pp 1 Der Verkehr auf dem Iſthmus von Panama. 325 weſtlichen Staaten nach Californien und Weit- Amerika bindernd in den Weg treten wird, ſondern daß ſelbſt Oſtindien, einer der Hauptabſatzpunkte für Bioſton, künftig von dort aus mit Eis verſorgt werden dürfte. Gumprecht. Deer Verkehr auf dem Iſihmus von Panama. Die ſeit Jahrbunderten unablaſſig verkündete Bedeutung der Landenge von Panama für die künftige Entwickelung des Welthandels ſcheint ſich, ſeit⸗ dem die Eiſenbahn durch den Iſthmus im Beginn dieſes Jahres vollendet dem Verkehr übergeben werden konnte, bereits zu beſtätigen. Namentlich batte Herr v. Humboldt ſchon vor 30 Jahren in ſehr eindringlichen und umfaſſen⸗ den Erörterungen (Voyage dans l’Amerique équinoctiale. 4. Paris 1825. III. S. 144 — 145) auf den großen Gewinn an Zeit bingewiejen, der Per⸗ ſonen und Waaren zu Theil werden müßte, ſobald ein Weg über den Iſth⸗ mus von Panama ſtatt der langen und böchft beſchwerlichen Reiſe um die ‘ Spitze von Süd-Amerika gewählt werden konnte. Der neueſte Bericht des Ober⸗Ingenieurs der Panama-Eiſenbahn (Londoner Times vom 8. Sep⸗ tember 1855) beſtätigt nun dieſe Erörterungen vollſtändig und letzte werden mit der wachſenden Bedeutung Californiens, der Eröffnung Japans für den Welthandel, der Zunahme ruſſiſcher Niederlaſſungen im Amurlande und in Nord⸗ Amerika, endlich mit der größeren Zugänglichkeit China's für Europäer noch immer mehr ihre Beſtätigung erhalten. Schon jetzt beginnen Reiſende und Waaren dieſen etwa um die Hälfte kürzeren Weg nach Californien, Quito und Peru einzuſchlagen, indem Perſonen für die Reiſe von News Pork nach Callao, dem Hafen von Lima jetzt nur noch 42 Tage, nach S. Francisco in Californien aber nur 57 Tage ſtatt der früheren reſp. 88 und 108 Tage bedürfen. Als im Jahre 1853 erſt 23 engl. Meilen der Panama⸗ Eiſenbahn fertig waren, benutzten dieſelbe ſchon 32,111 Perſonen, um über den Iſthmus zu gelangen; im Jahre 1854, wo auch erſt 31 Meilen der Bahn vlaollendet waren, geſchah daſſelbe mit 30,108 Perſonen. Der Ober-Inge⸗ nieur glaubt, daß im Jahre 1855 wenigſtens 40,000 Perſonen dieſen Weg wählen werden, und in der That iſt dieſe Annahme nach Lage der Verhäͤlt⸗ niſſe keineswegs unwahrſcheinlich. Gumprecht. 326 Miscellen: Der Guano und ſeine Hauptfundorte. Die immer größer werdende Bedeutung, zu welcher ſich der Guano, jenes Jahrhunderte und Jahrtauſende hindurch als werthlos betrachtete Material der oceaniſchen Inſeln und Klippen, in der kurzen Jahresreihe ſeit ſeiner Ent— deckung aufgeſchwungen hat, macht denſelben zu einem der näheren Betrach— tung höchſt würdigen Stoffe. Wir theilen deshalb die neueſten Angaben aus zwei ſchwediſchen Werken über die in dieſer Zeitſchrift Bd. III, S. 496 — 497 erwähnte Weltumſegelung auf der königl. ſchwediſchen Fregatte Eu- genie aus den Federn des Botanikers der Expedition Dr. J. N. Anderſſon, Docenten an der Univerſität Upſala, und des Premierlieutenants C. Skog— man, Aſtronomen und Hiſtoriographen der Expedition, mit, und fügen den Hauptinhalt der intereſſanten Daten hinzu, welche der Dr. K. J. Clement, als von einem frieſiſchen Schiffer, dem Capitain des Klippers „der Goldfinder von Liverpool“ entlehnt, veröffentlichte. Die Fregatte Eugenie kehrte 1853 nach ihrer Heimath Karlskrona zurück; das letztgenannte Fahrzeug beſuchte im vergangenen Jahre auf der Rückreiſe von Melbourne nach Europa auf meh— rere Monate die Chinchas-Inſeln. Es erſcheint der Guano in Form einer mehr oder weniger compacten Maſſe, doch meiſtentheils in Geſtalt eines gröblichen Pulvers von weißlicher, gelblicher, bräunlicher oder röthlicher Farbe im europäiſchen Handel. Seine Anwendung als Dungmaterial beruht hauptſächlich auf dem Gehalt an phos— phorſauren Salzen, der natürlich ſehr verſchieden iſt, je nachdem er mit mehr Thon oder Sand gemifcht erſcheint. Aus dieſem Grunde iſt auch eine ziem- lich große Verſchiedenheit in dem von der Guanomaſſe repräſentirten Kapital⸗ werthe bemerkbar. Von den drei Hauptſorten, welche auf dem Markte er⸗ ſcheinen, iſt der afrikaniſche Guano bei weitem der ſchlechteſte. Seine Fund- orte ſind Ichaboe und die Klippen der Saldanha-Bai an der Weſtküſte Afrika's, im Norden des Caps der guten Hoffnung, unter dem 32. Grade ſüdlicher Breite und dem 36. Grade weſtlicher Länge von Ferro. Den Grund zu der geringeren Güte des afrikaniſchen Products glaubt man in der klima⸗ tiſchen Verſchiedenheit der Fundorte erkannt zu haben. Der Einfluß der Wärme und des Lichts ändert nämlich den vorzugsweiſe werthvollen Beftand- theil des Guano, die Harnſäure, in Oxalſäure um, und deshalb iſt die letztere mehr, jene aber weniger in dem Saldanha-Guano vorhanden, da die beider— ſeitigen Einflüſſe der Sonne dort bei weitem gewaltiger wirken, als an den amerikaniſchen Küſten, namentlich der glücklichen von Peru, wo der Himmel, oft mit Wolken bedeckt, ein Schutzmittel gegen die ſengenden Strahlen der tropiſchen Sonne iſt. Unter den beiden amerikaniſchen Guanoſorten ſteht der patagoniſche aus ähn— lichen Gründen, nämlich wegen feines geringeren Gehalts an Ammoniakſalzen, be= deutend hinter dem peruaniſchen zurück. Seine Fundorte ſind die Inſeln und f 5 Der Guano und feine Hauptfundorte. 327 Klippen der Spiringsbucht, ſowie der Desvelos- oder Watchmannsbucht, im Norden des Cap de las Virginas, vor der öſtlichen Einfahrt in den Magal— haens⸗Sund, unter dem 53. Grade ſüdl. Breite. Der Anblick des mit Guano bedeckten Landes iſt hier, wie überall, ein durchaus trüber und abſtoßender, denn es iſt eben ein charakteriſtiſches Zeichen, daß dieſes die befruchtende Kraft der Natur bei richtiger Verwendung fo erhöhende, noch unenträthſelte Product der Gegend, welche es bedeckt, den Anſchein öden Todes und unbe— ſiegbarer Unfruchtbarkeit verleiht. Die Küften der Guano-Inſeln und Klippen find hier ziemlich hoch und ſtürzen ſich ſteil in das Meer hinab; den Strand bedeckt ein hin und wieder wallartig aufgethürmtes Geröll von Steinen. Auf den Inſeln ſelbſt erheben ſich in weichen Formen ziemlich flach gewölbte Hügel zu der Höhe von ein paar Hundert Fußen; einer oder der andere nimmt etwas beſtimmtere und kühnere Formen an und ſteigt, nach dem Augenſcheine beurtheilt, wohl faſt zu 1000 Fuß Höhe auf. So weit das Auge zu reichen vermag, iſt nirgends ein Baum zu erblicken, nur einzeln ſtehendes niedriges Buſchwerk ſticht durch ſeine dunklere Färbung gegen das gelblich braune, wie verdorrt erſcheinende Ausſehen des Bodens ab. Schaaren von Seevögeln umſchwirren die Inſeln und vorliegenden Klippen, und Pinguinen plätſchern und tauchen zu Tauſen— den in der brandenden See. Es hat den Anſchein, als ob das ſchon allein durch das Vorkommen des Guano hinreichend charakteriſirte Klima für dieſe Seevögel eine gewiſſe Anziehung habe, ohne daß die niedere oder höhere Tem— peratur eine Beziehung dazu beſitze, denn in gleich großer und unberechnen— barer Menge ſieht man ſie hier unter dem kalten 53., wie in Afrika und an der Küſte von Peru unter dem gemäßigteren 32. und dem heißen 14. und 8. Grade der Breite. Die gänzliche Abweſenheit von Regen, woraus die Unfruchtbarkeit als nothwendige Folge hervorgeht, ſcheint hierbei die erſte kli⸗ matiſche Bedingung zur Guanobildung zu ſein, weil anders die im Waſſer auflöslichen Salze von demſelben verzehrt und fortgeſpült werden würden. Dieſer Umſtand iſt glaublicher Weiſe mehr der Grund, daß jene Vogelercre— mente, die bekanntlich auf den ſchottiſchen Klippen geſammelt und zur Dün— gung des ſterilen Bodens benutzt werden, nicht zu wahren Guanolagern wur— den, als der Mangel eines Jahrhunderte langen ungeſtörten Daſeins. Gleiche Berhältniffe, aber in noch höherem Grade, rauben der Maſſe dieſes Stoffes auf den hohen Felſen der Loffoden, der norwegiſchen Küſte und dem weſtli— chen Hochlande Grönlands allen Werth, indem die gewaltige Macht des arkti— ſchen Winters durch ſeine feuchte Schneedecke die belebende Kraft deſſelben gänzlich ertödtet. Trotz der geringeren Güte wurde doch in der letzten Zeit viel Guano aus Patagonien geholt, da ſcheinbar, oder vielmehr de facto, wenn auch nicht de jure, die hieſigen Lager noch nicht in den Beſitz eines Staates übergegan- gen waren, und daher als Eigenthum Niemandes und dadurch eben Jeder⸗ ’ 328 Miscellen:; manns betrachtet wurden. Ein genügſamer und induſtrieller Sohn Grün⸗ Erins hat das Elend feiner Heimath mit der Dede der Guanoinſel vertauſcht, ſich in jämmerlichen Hütten auf derſelben etablirt, einige Arbeiter zeitweiſe gedungen, und beſorgt nun mit dieſen die Belaſtung der Fracht holenden Fahrzeuge gegen die Abgabe von 1 Pfund Sterling für die Tonne. Nie hat er jedoch ſeine Anſprüche ſo weit erhoben, für den Beſitzer des Lagers zu gelten, oder gar eine Stellung unter den ſouverainen Landesvätern der neuen Welt einzunehmen. Dagegen hat ein engliſcher Kauffahrer-Capitain im Jahre 1845 den Verſuch gemacht, das Guanoland in ſeinen oder Englands Beſitz zu bringen, indem er es ſich durch allerlei Mittel von einem indianiſchen Caziken abtreten ließ. Die Regierung von Buenos-Ayres, wie man weiß, damals ohnehin nicht die Freundin Großbritanniens, betrachtete von jeher ganz Patagonien als zu ihrem Staatsgebiete gehörig, und das Feuerland wiederum als eine Provinz Patagoniens, und erhob deshalb Anſprüche auf einen Erſatz für den bereits verſchifften Guano. In ſeiner Botſchaft an die Kammern der Deputirten, unter dem Datum des 27. December 1848, führte Roſas Klage darüber, daß engliſche Unterthanen, in Folge der liſtig gewon— nenen Abtretung eines nicht dazu berechtigten Indianerhäuptlings, ſich in den Beſitz des erwähnten Umkreiſes geſetzt und dadurch die territoriale Integrität der argentiniſchen Republik gekränkt hätten. Die Angelegenheit blieb aber deshalb doch auf dem alten Fuße beſtehen, und der Aufenthalt des Flüchtlings in London wird wohl nichts zur Erledigung der Beſchwerden des Dictators beitragen, da die argentiniſche Republik vorläufig noch um näher liegende Dinge, als die fern gelegenen Guanoklippen, ſich zu bekümmern hat. Vor der Inſel liegt eine Bucht, welche den Frachtſchiffen guten Anker- grund bei mäßiger Tiefe und feſtem Lehmboden bietet; fie iſt zwar eben jo= wohl den öſtlichen, als ganz beſonders den nordöſtlichen Winden offen, aber einestheils wehen dieſelben, namentlich zur Sommerzeit, ſelten hart und an— haltend, und anderntheils wird der Seegang durch dichte Maſſen von Tang, die außerhalb der See wachſen, in feiner Kraft ſehr gebrochen. Für die Bes ſatzungen der Fracht ſuchenden Schiffe iſt der hieſige Aufenthalt ein trüber, denn außer der Fiſcherei und Jagd auf die Menge der Seevögel, auf die ziemlich häufig vorkommenden Phoken und anderen Floſſenfüßlern und das wenige kleine Wildpret bietet die nahe gelegene patagoniſche Küſte weder Zeit— vertreib, noch andere Hülfsquellen, als höchſtens etwas niedriges Buſchwerk zum Brennmaterial dar. Der in den peruaniſchen Fundſtätten vorkommende Guano iſt in zwei weſentlich verſchiedene Arten zu ſondern, in den Angamos-Guano und den gewöhnlichen Guano. Der erſte iſt aus den noch verhältnißmäßig friſchen Ererementen gebildet und bedeckt nur in dünner Schicht die Felſen und Riffe und jene unberührten Guanolager, die noch jetzt den Vögeln zum Aufenthalte dienen. Er wird mühſam mit der Hand geſammelt, iſt, wie es ſich von ſelbſt — — Ben Der Guano und feine Hauptfundorte. 329 verſteht, in nur geringer Menge vorhanden und kommt daher ſo gut, als gar nicht zur Verſendung. Kaum mehr, als eine Schiffsladung ſoll bisher nach Europa gelangt ſein, und es iſt derſelbe alſo keines Falls als ein Handels— artikel auf unſeren Märkten zu erwähnen. Die Peruaner, welche ihn im Lande ſelbſt zur Düngung verwenden, loben ihn ſehr und ſchreiben ihm mehr befruchtende Kraft, als dem gewöhnlichen trockenen Guano, zu. Dieſer letzte iſt auf den meiſten Inſelgruppen an der Küſte von Peru vertheilt und in ſo ungeheuren Maſſen zu finden, daß in ihm ein reicher Erſatz für die ſpärlicher werdende Goldausbeute der peruaniſchen Minen — ein ſüdamerikaniſches Sprüch— wort ſagt: eine Kupfermine iſt ein ſicherer, eine Silbermine ein möglicher Gewinn, doch eine Goldmine ein gewiſſer Verluſt, — die jedenfalls durch kaliforniſches und auſtraliſches Gold in der Quantität weit überflügelt wurde, geboten iſt, und zwar ohne die Ausſicht einer möglichen Erſchoͤpfung, fo lange dieſelben klimatiſchen Verhältniſſe herrſchend bleiben, und weiſe Vorſicht die den Dung erzeugenden Vögelarten ſchont und hegt. Die Region, in der ſich dieſe Klippen und Inſeln befinden, reicht ungefähr vom 14. bis 8. Grade ſüdl. Breite und vom 59. bis 65. Grade weſtl. Länge. Drei Hauptgruppen find hierbei zu unterſcheiden. Die erſte find die dem Aequa— tor zunächſt befindlichen Inſeln Lobos de Terra und Lobos de Afuero !), ſüdwärts von Punta Aguja liegend und nicht zu verwechſeln mit den Lobos— Inſeln, die ſüdlicher, dicht unterhalb Payta, zu finden find. Sie find haupt- fächlich berühmt durch den kürzlich entſtandenen Zwiſt zwiſchen den vereinig— ten Staaten von Nord-Amerika und der Republik Peru in Folge der ſtrei⸗ tigen Berechtigung des Guanobodens. Die zweite Gruppe, die bis jetzt am meiſten beſucht wird und ihres ungeheuren Vorraths halber die wichtigſte iſt, iſt die der Chinchas-Inſeln, und die dritte bilden endlich die unfern von ihr, wenig mehr nach Südweſt gelegenen Klippen, wodurch die Inſel San Gallan umgeben wird. Beide Gruppen gehören zu der Pisko-Bucht, welche ihren Namen von der Stadt Pisko erhält, die in einem durch künſtliche Bewäſſerung fruchtbar gemachten Felsthale der peruaniſchen Küſte erbaut iſt, und durch die große Quantität Branntwein, die ſie jährlich erzeugt und mit gutem Abſatz un— ter der einfachen Bezeichnung Pisko über die ganze Weſtküſte Amerika's ver- breitet, zu einer ziemlich bedeutenden Wichtigkeit gelangt iſt 2). Die Inſel San Gallan (auch Sangallan geſchrieben) muß durch ihre ſeltſame Bildung die ganze Aufmerkſamkeit derer erregen, welche ſie zum erſten Male ſehen, namentlich die der von Süden Kommenden. Sie erhebt ſich zu 1160 Fuß Höhe, und zwar in ſchroffen Bergen mit meiſtentheils ſpitzigen 9) Ihre Lage wurde zu 6° 34’ ſüdl. Br. und 80 » 45 weil. L. von Greenw. mt G 2) Der zu Pisko in großer Menge gewonnene Wein iſt nach den durch den ver⸗ ſterbenen Prof. Meyen nach Europa gebrachten Proben ein ſehr feuriges, aber zugleich ſehr wohlſchmeckendes Product, ähnlich den ſpaniſchen und portugieſiſchen Weinen. G. 330 Miscellen: und zackigen Gipfeln, dem Kennzeichen ihres Granitgeſteins. Die einzelnen Abhänge ſind ſteil und voller tief eingeriſſener Spalten und Schluchten. Das bei gewährt die ganze Inſel ein Bild der äußerſten Unfruchtbarkeit; keine Spur von Vegetation iſt weder auf ihr ſelbſt, noch auf der ſichtbaren nahe dahinterliegenden Küfte des Feſtlandes zu entdecken; jedes Grün's beraubt ſpielt Alles in einer Färbung, die zwiſchen Braun und Grau wechſelt, nur hier und dort weiß glänzend, wie wunderlich zuſammengewehte Sandhügel. Die Menge kleiner Klippen, welche ſie umgeben und die faſt alle, wenigſtens ſo weit ſie dem Bereich der höchſtgehenden Wellen entrückt ſind, mit Guano dicht bedeckt erſcheinen, haben die mannigfachſten Geſtalten. Einige ſind hoch und ſchmal, andere flach, wieder andere thurmartig aufragend, oder in ſo regelmäßiger Form gewölbt, daß ſie faſt einem Werke der menſchlichen Kunſt gleichen. Der Fels iſt von der mit unermüdlicher Macht wirkenden Brandung in hohem Grade ausgewaſchen, ſo daß viele Grotten und Höhlen entſtanden ſind, wo— von einige den Booten Durchgänge durch die Klippen geſtatten und Pforten und Thoren ähnlich ſind, was ſich bei den Chinchas- und Lobos-Inſeln wiederholt und ein charakteriſtiſcher Zug für alle Klippen dieſer Küſte zu ſein ſcheint. Die Chinchas-Gruppe !) liegt unweit der von San Gallan und beſteht der Zahl nach aus drei Inſeln, auf denen Guano lagert, einer vierten unbe— deckten, und mehreren kleinen Klippen, welche nicht in Berechnung gezogen werden können. Die bedeutendſte iſt die der ganzen Gruppe den Namen leihende Inſel Chinchas, die nordöſtlichſte der drei; die andern beiden heißen Balleſta und Isla Blanca, welche letztere die ſüdlichſte und bisher noch un— berührt iſt. Alle drei ſcheinen niedriger zu ſein, als die eben beſchriebenen San Gallan-Inſeln, und ſind von rötherer Farbe, faſt einem abgebrannten Haidelande gleichend. Ihre Geſtade erheben ſich hin und wieder zu ſteilen Bergen, die aber vermöge der Formation ihrer Felsart, eines porphyrartigen Gneis, ſanfter aufſteigen und weniger Steilheit beſitzen, die mannigfache Zer⸗ gliederung in Grotten und die häufig vorkommenden Thor- und Höhlenbil- dungen verleihen ihnen aber dennoch oft den Charakter grotesker Felspartien. Auch zum Ocean hinab ſchrägt ſich der Abhang meiſt nur allmählig, doch finden ſich auch ausnahmsweiſe Stellen, wo der Strand von Felſen berührt wird, die ſteil wie die Mauern ſind. Alle drei Inſeln, die ſelbſtredend, wie San Gallan, öde und kahl und ohne Grashalm ſind, können von einem rüſtigen Fußgänger in nicht viel mehr als einer halben Stunde umgangen werden. ) Ueber die Chinchas-Inſeln und ihren Guano giebt ein Aufſatz in den An- nales maritimes et coloniales 1844 genauere Kunde. G. (Schluß folgt.) A. v. Etzel. .. ˙ö ²Ütt!ũ ...... —CMõ̃̃——᷑⅛ʃb ̃ ion ˙;!:; :; Ä 'r —³g ̃ͤ—²b lo . * Die neueſten Erſteigungen der höchften Alpengipfel. 331 Die neueſten Erſteigungen der höchſten Alpengipfel. Als der hochberühmte Alpenforſcher Horace Benedict de Sauſſure die Herausgabe ſeines Reiſewerkes begann, hielt er ſelbſt nach dem Urtheile aller Gebirgsbewohner in der Nähe des Montblanc, namentlich derer in und um Chamouny, den Gipfel des Berges für unerſteiglich (Voyage dans les Al- pes F. 1102) und erſt während der Veröffentlichung des Werkes gelang es bekanntlich im Auguſt des Jahres 1786 dem Dr. med. Paccard und dem ſpäter ſo oft genannten Alpenführer J. Balmat, den Montblane zu erſteigen, nachdem bis zum Jahre 1785 viele vergebliche Verſuche gemacht waren, von denen Sauſſure Kunde gab. Sauſſure's eigene Erſteigung des Montblanc erfolgte erſt im Jahre 1787; aber ſie war von vielen Gefahren begleitet, die auch Denen nie fehlten, welche nach jenem das Wageſtück wiederholten. Bis in die letzten Jahre war man deshalb weit entfernt, zu ahnen, daß eine Unter⸗ nehmung der Art ſogar zu einer Vergnügungspartie werden könnte, wie ſie es wirklich jetzt zu werden ſcheint, nachdem man einen verhältnißmäßig ſo be⸗ quemen Weg nach dem Gipfel des Montblanc gefunden hat, daß ſelbſt Da— men das Unternehmen in der jüngften Zeit glücklich vollendet haben. Die neueſten Erſteigungen des Montblane und Monte Roſa im verfloſſenen Som mer lehrten namentlich, daß dergleichen in überaus kurzer Zeit und mit der Unterſtützung nur eines einzigen oder höchftens weniger Führer gefahrlos ausgeführt werden können. So bedurfte der 17jährige britiſche Juͤngling Kyrle Alfred Chapman, der eben erſt die Schule von Eton verlaſſen, im Aus guſt dieſes Jahres nur zweier Tage, um von Chamouny aus den Gipfel des Montblanc zu erreichen und nach Chamouny glücklich zurückzukehren, indem er am 16. Auguſt Morgens von dem genannten Orte ausging, die folgende Nacht auf der bekannten Station Grandes Mulets zubrachte, von hier aus 17. Morgens 2 Uhr Ae um 9 Uhr 20 Min. auf dem Gipfel an⸗ langte und denſelben nach nur 2 Stunde Aufenthalt verließ. Um 12 Uhr 45 Min. war Chapman wieder n den Grandes Mulets und um 5 Uhr 30 Min. zu Chamouny. Faſt unmittelbar darauf, noch im Auguſt, beſtieg der⸗ h ſelbe kühne Jüngling in Begleitung gar nur eines einzigen Führers auch den Gipfel des Monte Roſa (Londoner Times vom 8. September 1855). Gumprecht. Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 7. Juli 1855. Herr v. Carnall legte mit Bezug auf ſeinen in der Juni-Sitzung ge— haltenen Vortrag über den Steinkohlen-Bergbau in der preußiſchen Monar— chie eine gezeichnete Karte von den weſtphäliſchen Kohlenbezirken und eine in Farbendruck ausgeführte geognoſtiſche Karte von dem ſaarbrücker Steinkohlen— Bergbau vor; die letzte gehört zum nächſten Hefte der Zeitſchrift für Berg-, Hütten- und Salinenweſen, in welchem eine Darſtellung jenes Bergbaues ge— liefert wird. Hierauf folgte ein längerer Vortrag deſſelben über den Braun— kohlen-Bergbau, eingeleitet mit allgemeinen Bemerkungen über Vorkom⸗ men, Lagerung, Verbreitung, Beſchaffenheit und Anwendung der Braunkohlen. Der Redner gab die einzelnen Gegenden an, wo man in Preußen Braun— kohlen aufgeſchloſſen und in Angriff genommen hat und bemerkte, daß man die Verbreitung dieſer Lagerſtätten auf eine Fläche von weit mehr, als 100 Quadrat-Meilen berechnen könne, worin die Braunkohle bis jetzt wirklich und bauwürdig aufgefunden worden ſei, daß ſich die Lagerſtätten aber noch viel weiter ausdehnten, indem der Zuſammenhang nur durch aufliegendes Schutt- und Sandland verdeckt wäre. Daran knüpften ſich Angaben über die Aufnahme und Entwickelung dieſes Bergbaues in den betreffenden Landes- theilen, wobei hervorgehoben wurde, daß die Gewinnung an Braunkohle nur in ſolchen Gegenden im großartigen Maßſtabe möglich ſei, in denen es ent weder ganz an Steinkohlen fehle, oder wo dieſelben nicht billig genug zu ge— winnen oder heranzubringen ſeien; außerdem dürften die Verbrauchsſtätten von den Gewinnungspunkten nicht entfernt liegen, und es müßten große Quan— titäten gewonnen werden können, weil fonft bei dem geringen Werthe des Produktes die Gewinn- und Förderkoſten zu hoch kämen. Solche günſtigen Verhältniſſe fänden ſich beſonders in dem Bergamts-Bezirke Halberſtadt, wo die Rübenzuckerfabriken viel Braunkohlen verbrauchen, ferner auf einzelnen Punkten im Bergamts-Bezirke Eisleben, während der dortige Privat-Braun⸗ kohlen-Bergbau im Beſitz der Oberflächen-Eigenthümer meiſtens nur gerin- gen Ertrag gebe. In dem Bergamtsbezirke Rüdersdorf ſeien es beſonders die Gruben bei Rauen und Petersdorf, welche durch den Abſatz nach Berlin (zu Waſſer) ſtark förderten, nächſt dieſen die Gruben bei Frankfurt. In Schleſien lägen die wichtigſten Gruben in der Nähe von Grünberg. Am Rhein würden unweit Bonn Braunkohlen gefördert, die man hauptſächlich zur Alaunfabrikation verwende; auf der linken Rheinſeite liege zwiſchen Brühl und Düren eine Anzahl von Braunkohlengruben, die aber meiſtens nur für den Hausbrand förderten. — Die Braunkohlenförderung des ganzen Landes, welche vor 18 Jahren nur 14 Mill. Tonnen betrug, ſei im J. 1854 auf 12 Mill. Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 333 Tonnen gekommen, die man auf 363 Gruben mit 8104 Arbeitern gewonnen habe. Nach den einzelnen Bergamtsbezirken waren es: a) im Bergamtsbezirke Rüdersdorf 1,544,157 Tonnen oder 12,3 pCt. b) = = Waldenburg 487,492 = = 3,3 '= ec) = = Halberſtadt 3,376,425 = | 743 d) - Eisleben 5,986,938 = i e) = - Siegen (Bonn) 397,744 = | W Er, 5 Düren 709,924 = a Summe 12,502,680 Tonnen, 100 pCt. Für Rechnung des Staates wurden 7 Gruben betrieben, 6 für den Be— darf der Salinen und 1 für cumulativen Debit, ſämmtlich in der Provinz Sachſen; ihre Förderung betrug 1854 977,135 Tonnen, alſo 7,8 pCt. des obigen Quantums. Die durchſchnittlichen Verkaufspreiſe auf den Gruben ſeien ſeit längerer Zeit ziemlich gleich geblieben; im Mittel etwas unter oder über 4 Sgr. für die Tonne. Danach hätte die letztjährige Förderung einen Werth von überhaupt 1,665,622 Thalern gehabt. Davon möge der Rein— ertrag der Gruben etwas mehr als 10 pCt. oder ungefähr 200,000 Thaler betragen haben. Im Einzelnen wären aber die Preiſe, ſowie die Erträge ſehr verſchieden. — In Betreff der ferneren Entwickelung des Braunkohlen-Berg⸗ baues bemerkte der Vortragende, daß dieſelbe im Weſentlichſten von denſelben Verhältniſſen abhänge, welche den bisherigen Aufſchwung herbeigeführt haben, namentlich von der Zunahme der jetzigen Verbrauchsſtaͤtten und von dem Steigen der Holzpreiſe, wodurch ſich die Debitskreiſe immer mehr erweiterten; es ſei aber auch darauf zu rechnen, daß die Braunkohlen noch zu manchen anderen Zwecken Anwendung finden würden, wie z. B. zu der Bereitung von Mineralöl und Paraffin, die bereits in einer Fabrik bei Beul (Bonn gegen— über) ſtattfände. Die bis jetzt aufgeſchloſſenen Braunkohlenfelder könnten ſelbſt eine vielfach ſtärkere Förderung, als die jetzige, auf Jahrtauſende decken. Das letztjährige Förderquantum habe ein Volumen von 88,907,954 Kubik⸗ fuß, was einen Würfel von 446 Fuß Seite gebe. Ein eylindriſches Maß von der Grundfläche des hieſigen Belle-Alliance-Platzes würde, um das Quantum zu faſſen, eine Höhe von 314 Fuß haben müſſen. — Stein- und Braunkohlen zuſammengefaßt, hatte man im Jahre 1854 eine Förderung von 46,558,954 Tonnen, oder im Gewichte (zu reſp. 4 und 22 Centner die Tonne) von 167,481,796 Centner. Im laufenden Jahre würde vieſelbe auf etwa 200 Mill. Centner kommen. Der Werth der letztjährigen Forderungen habe auf den Gruben 15,575,534 Thaler betragen, wovon circa 30 pCt. oder rund gerechnet 4 Mill. Thaler als Reinertrag der Gruben aufgebracht ſein dürften. — Nach den Erfahrungen auf den Salinen, bemerkte der Redner, bedürfe man 47 Tonnen Steinkohlen oder 134 Tonnen Braun- kohlen, um daſſelbe zu erlangen, was die Verbrennung von 1 Klafter Kiefer- 334 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. holz leiſte; danach repräſentirt obiges Kohlenquantum (1854) ein Aequiva⸗ lent von 84 Mill. Klaftern Holz. Nehme man nun ferner an, daß im gro⸗ ßen Durchſchnitt 1 Morgen Waldgrund jährlich + Klafter Holz liefere, jo berechne ſich für obige Klafterzahl eine Waldfläche von 254 Mill. Morgen oder 1147,5 O Meilen, alſo weit mehr, als die ganze Waldfläche des preußi⸗ ſchen Staates von etwa 18 Mill. Morgen oder 810 Meilen. — Zur Ver⸗ gleichung der Förderung in Preußen mit derjenigen anderer Länder gab der Vortragende an, daß der gegenwärtige Stand der Stein- und Braunkohlen— Förderung auf der ganzen Erde einer Jahresproduction von etwa 2000 Mill. Centnern entſpreche, davon kämen auf: Großbritannien .. 1,000,000,000 Centner oder 50,0 pCt. Nord-Amerika. 250,000,000 = „ 128 Preußen 200,000,000 õ/%9ͤ = - 100 = Belgien 170,000,000 = „ 85 ⸗ Frankreich.. 170,000,00 = „ 8,5 Oeſterreich ... 60,000,000 - - 3,0 3 Spanien 50,000,000 = „ 5 fonftige Länder.. 100,000,000 „ 5,0% Summe 2,000,000,000 Centner, 100 pCt. Dieſe hätten nach den Verkaufspreiſen auf den Gruben einen Werth von mehr als 200 Mill. Thalern, oder mit einem Zuſchlage von 50 pCt. als Trans⸗ portkoſten an den Verbrauchsſtätten, von über 300 Mill. Thalern, was weit mehr ſei, als der Werth alles Goldes und Silbers, welches jetzt alljährlich auf der ganzen Erde gewonnen werde. Rechne man von dem Verkaufswerthe auf den Gruben nur 25 PCt. Reinertrag, fo würden jährlich bei der Kohlen- förderung 50 Mill. Thaler Ausbeute gebaut, eine Summe, die bei den edlen Metallen weder direct noch indirect gewonnen werde. An Arbeitern wären auf den Kohlengruben der ganzen Erde nahe an 600,000 beſchäftigt und mit den Frauen und Kindern ſeien es nahe an 14 Mill. Perſonen, welche dabei ihren Lebensunterhalt fänden. Danach berechne ſich im großen Durch- ſchnitte für je 1 Arbeiter ein Productenwerth von jährlich 333 Thlr. und 80 bis 90 Thlr. Reinertrag. Als von Kohlengebirgen eingenommene Flä⸗ chen wären auf der ganzen Erde mindeſtens 8000 Meilen anzunehmen, alſo etwa + pCt. der ganzen Feſtland- und Inſelfläche. Rechne man nun auch nur 48 Fuß (I, Meile) als durchſchnittliche Stärke der abzubauenden Kohlenlager, ſo ergäben ſich 16 Kubikmeilen feſter Kohlenflötzmaſſe; da nun obige 2000 Mill. Centner — 26662 Kubikfuß Flötzmaſſe find, fo genüge der Aushieb von 1 Kubikmeile, um die jetzige Förderung auf mehr als 5000 Jahre zu beſchaffen, 16 Kubikmeilen alſo für circa 80,000 Jahre. Berechne man für dieſe 16 Kubikmeilen in der früher angenommenen Weiſe das Aequi⸗ valent im Holzwuchſe, ſo fände man, daß hierzu die ganze Erdoberfläche Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 335 einſchließlich der Meeresflächen mit einem 134jährigen Walde be— deckt ſein müßte. Zum Schluſſe kam der Redner noch einmal auf Preußen zurück und wies nach, daß der Reichthum ſeiner Kohlengebirge hinreiche, um die Förderung aller Länder auf mehr als 1000 Jahre zu liefern; er äußerte, daß Preußens Bewohner deshalb ebenſo, wie die Engländer, ihre Steinkohlen „our black gold“ nennen dürften. — Herr Peters hielt hierauf einen Vortrag über eine im J. 1831 von Tete auf der Küſte von Mozambique nach Loanda in Angola unternommene und von dem Major Monteiro und Capt. Gamito ge— führte Expedition, welche in einem von Gamito im Jahre 1854 zu Liſſabon herausgegebenen portugieſiſchen Werke beſchrieben worden iſt. Die Expedition iſt ſowohl für die Kenntniß des Landes als der daſelbſt lebenden Negerſtämme von Wichtigkeit und gab dem Vortragenden Veranlaſſung, die durch dieſelbe gewonnenen Reſultate, namentlich in Bezug auf die afrikaniſche Thierwelt, der Geſellſchaft vorzulegen. — Herr Ehrenberg theilte mit, daß von Herrn Hermann Schlagintweit ein Brief vom 25. April d. J. aus Dardſchiling ein— gelaufen ſei, in welchem derſelbe meldet, daß er einen ausführlichen Bericht über feine bisherige Reiſe an Se. Majeſtät den König habe abgehen laſſen, und daß er und ſeine Brüder ſich einer glücklichen Thätigkeit zu erfreuen hätten. (Der Bericht befindet ſich bereits in dieſem Bande S. 148 — 172 abgedruckt). — Herr Kiepert legte eine von ihm neu entworfene Karte des ſuͤdlichen Afrika vor, auf welcher er die Reſultate der neueſten, in jenem Erd⸗ theile unternommenen Reiſen zuſammengeſtellt hatte. Zu dieſen Reſultaten iſt insbeſondere zu zählen, daß wir jetzt bereits eine aſtronomiſch geſicherte Route quer durch Afrika beſitzen. Der bekannte Reiſende Livingſton iſt aber, wie der Vortragende erwähnte, von S. Paolo de Loanda wieder aufgebro— chen, um quer durch den Erdtheil nach der Oſtküſte vorzudringen. Schließ— lich gab der Vortragende eine Ueberſicht über die Kartographie Afrika's für die letzten drei Jahrhunderte, wobei ſich als Reſultat ſeiner Unterſuchungen unter Anderem die Thatſache herausſtellte, daß die viel bezweifelten Angaben des franzöſiſchen Reiſenden Douville, wenn fie mit Kritik benutzt würden, nicht ganz werthlos wären, weil derſelbe ſeine Erfindungen von vorgegebenen Reiſen in Länder, die er ſelbſt niemals geſehen hat, auf gewiſſe Daten por— tugieſiſcher Karten aus dem vorigen Jahrhundert, welche von ihm in Ben— guela erworben ſein mochten, baſirte. (S. hier S. 208). — Der durch ſeine Reifen in Afrika bekannte Herr Werne hatte einen Plan zu einer militairi⸗ ſchen Expedition behufs der Erforſchung des Sudans an den Vorſtand ein— geſchickt. Ferner war ein Brief von Herrn Prof. Göppert in Breslau mit der Anzeige eingelaufen, daß der vielerfahrene Reiſende Herr Lothar Becker ſich anſchickt, wieder nach Auſtralien zu gehen, und bereit iſt, wiſſenſchaftliche Beſtellungen und Aufträge dahin mitzunehmen. — An Geſchenken für die Bibliothek der Geſellſchaft waren eingegangen: 1) The Journal of the Royal Geographical Society. Vol. XXIV. 1854. London. Geſchenk der genann- 336 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. ten Geſellſchaft. 2) Die neun erſten Jahrgänge deſſelben Journals. 9 Bde. 1831 — 1839. Geſchenk eines ungenannten Geſellſchaftsmitgliedes. 3) Por- tugal und feine Colonien im Jahre 1854, vom Königl. preuß. General-Con⸗ ſul Herrn J. v. Minutoli. Bd. 1 und 2. Stuttgart und Augsburg 1855. Geſchenk des Verfaſſers. 4) Compte rendu des Operations de la com- mission instituée par M. le Ministre de la Guerre pour étalonner les roͤgles qui ont été employees à la mésure des bases geodesiques belges. Bruxelles 1855. 1 Vol. 4. Uebergeben durch Herrn Generalmajor Baeyer. 5) Beſteigung des Vulkans Tambora auf der Inſel Sumbawa und Schilde rung der Eruption deſſelben im Jahre 1855, von Heinrich Zollinger. Mit 2 Karten. Winterthur 1855. 1 Vol. 4. 6) Geologiſche Ueberſichtskarte der Schweiz von L. Studer und A. Eſcher v. d. Linth. Winterthur. Beides Geſchenke des Herrn J. M. Ziegler. 7) Mittheilungen aus J. Perthes' geo⸗ graph. Inſtitut über wichtige neue Erforſchungen auf dem Geſammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann. 4. Heft. Gotha 1855. Mit einer Karte der Parry-Inſeln. Von dem Herrn Verleger. 8) The Zoologist, a popular monthly magazine of natural history. No. CL. London. Erſtes Heft. 9) Eine Abhandlung: On the food of certain Gregarious Fishes by R. Knox. 1855. 10) Zeitſchrift für allgemeine Erdkunde, herausgege⸗ ben von Dr. T. E. Gumprecht. IV. Band, 6. Heft. Berlin 1855. Von dem Verleger Herrn D. Reimer. 11) Beiträge zur Geſchichte und Geo— graphie des Sudan, in arabiſchen Manuferipten Timbuctuer Autoren, zumal des Annaliſten Ahmed Baba, eingeſandt aus Timbuctu von Dr. H. Barth. Nach dem Arabiſchen bearbeitet von C. Ralfs. Eingeſandt durch Herrn Prof. Fleiſcher und den Bearbeiter. Einige andere Schriften wurden zur Anz ſicht vorgelegt, desgl. war durch Herrn J. v. Minutoli ein ſchönes und gro— ßes Relief des Pie von Teneriffa aufgeftellt, Bei Wilhelm Hertz, Beiier’fhe Buchhandlung, in Berlin (Behrenſtr. 44) iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu haben: 1 Wanderungen durch das puniſche und Nyrenäiſche lend oder Mäg'reb, Afrik' da und Barba von Dr. Heinrich Barth. Mit einer Karte. Preis 4 Thlr. Die Verlagshandlung erlaubt ſich, auf dies anerkannte Werk des berühmten 2 Reiſenden, welches ſeine erſte Reiſe in Afrika ſchildert, von Neuem aufmerkſam zu machen. a ER Bei Georg Reimer in Berlin erfhien: 7 Carl Ritter, Die Erdkunde im Verhältniß zur Natur er 2 zur Geſchichte des Menſchen u. ſ. w. 17r Theil, 2te Ab⸗ theilung (Schluß von Syrien). 4 Thlr. 25 Sgr., fein Papier 5 Thlr. 25 a Theil 14 bis 17 unter dem beſondern Titel: Vergleichende Erdkunde der > = Sinai⸗Halbinſel, von Paläſtina und Syrien Carl Ritter. 4 Dar, in 6 Bänden, vollſtändig 24 Thlr. 5 Sgr., fein Papier € 29 Thlr. 5 Sgr. 8 3 — — November 1855. geist Aigeneine Erdkunde. . terug 75 Gefecht für Erdkunde zu Berlin und unter e eee 5 1 f von 9. 5. Dove, C. E. Ehrenberg, 9. abet und C. ae N in Berlin, N a Andrer in Dresben und J. E. wappäus in Sötingen. Herausgegeben | 8 von N Dr. T. E. Gumprecht. 0 _ Fünfter Band. Fünftes Heft. Berlin. BVBerlag von Dietrich Reimer. . 1855. —— Inhalt. Seite K. L. Biernatzki: Der Pangtſz' Kiang. a Gumprecht: Die neueſten ruſſiſchen Erwerbungen ir im Andrlande a Neuere Literatur. Baeyer: Die Terrainaufnahme, von H. v Schintling. Miscellen. R. Boeckh: Ueberſicht der Wee aus der adminiſtrativen Statiſtik. 2 ? Helfft: Das Klima und bie Bodenbeſchaffeuheit Algeriens. K. L. Biernatzki: Triſtan d'Acunha. 5 Walter: Ueber einige Baſtardverhältniſſe ber in Amerika lebenden Men⸗ ſchenraſſen. . C. Brandes: Die Erpebition des Dr. Kane lane des Smitfunes 1853—1855. . . i BE rer: a Gumprecht: Die Provinz Chiloe in Chile. DIN A. v. Etzel: Der Guano und feine Hauptfundorte. (Schluß). Von dieſer Zeitſchrift erſcheint jeden Monat ein Heft von 4 337 351 362 366 383 392 393 396 412 425 bis 5 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 es, welche nicht getrennt abgegeben werden, iſt i 2 Thlr. 20 Sgr. % Der Vangtſz' Kiang '). Bis auf den heutigen Tag ſind ungeachtet aller Forſchungen kundiger und ausdauernder Reiſenden die innerſten Gegenden von Central⸗Aſien jo unbekannt geblieben, daß unter den verſchiedenen Geographen keine Uebereinſtimmung darüber herrſcht, welche kleineren Ströme die eigentlichen Quellſtröme des Pangtſz' Kiang oder des blauen Fluſſes ausmachen. Man vermuthet jedoch, daß in einer und der— ſelben Gegend und zwar auf einem nicht ſehr ausgedehnten Raume ſowohl der Brahmaputra und der Meikon, als auch der Pangtſz' Kiang ihre Quellen haben, und daß in nicht ſehr großer Entfernung in denſelben hochgelegenen Gegenden ſich auch die Quellen anderer großer Ströme, des Salwin und des Hwangho oder gelben Fluſſes, befinden. Der Hwangho, der kleinſte der beiden großen Ströme in China, durchfließt auf ſeinem Laufe bis zum gelben Meere einen Raum von 2500 Meilen, von ſeinen Quellen an gerechnet, welche unter dem 35. Grade nördl. Breite und 20. Grade weſtl. Länge von Peling liegen. Faſt unter demſelben Breitengrade, wie wenigſtens chineſiſche Geo— graphen behaupten, und ungefähr 425 Meilen weſtlich von den Quellen des gelben Fluſſes, ift der Urſprung des Pangtſz' Kiang, des Sohnes "a ) Meiſtentheils liegt ein Aufſatz im Shanghai Almanac for 1855 zu Grunde. B. — Das Waſſerſyſtem des Stromes nach den bis zum Jahre 1834 reichenden Quellen hat Herr C. Ritter in feiner Erdkunde, Aſien Bd. III, S. 650 — 692 ge⸗ ſchildert. G. Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 22 338 K. L. Biernatzki: des Oceans, zu ſuchen. Anfangs fließt er füdwärts, dann wendet er ſich nach Norden und durchſtrömt ein vorzugsweiſe ebenes Land unter dem Namen Muru Uffu, d. h. gewundene Gewäſſer, wie dieſer Name auch auf unſeren Karten verzeichnet zu ſein pflegt. Schon hier im Beginn ſeines Oberlaufes auf einem noch ſehr hochgelegenen Terrain, hat der Strom eine bedeutende Größe, denn hier war es, wo jenſeits der Gebirge Bayen Khara der bekannte neueſte Reiſende, der römiſche Prieſter Huc, eine Heerde wilder Ochſen antraf, welche bei dem Ver— ſuche, über den Fluß zu ſetzen, eingefroren und ſo umgekommen waren. Nachdem die Muru Uſſu dieſe höchſten Regionen verlaſſen und das weite Gebiet der Koko Nor durchſtrömt haben, wenden ſie ſich ſüdlich und treten in die große Provinz Setſchuen ein unfern des 32. Grades nördlicher Breite und etwa einen halben Grad von der Grenz— linie entfernt, welche das Koko Nor von dem öſtlichen Tibet ſcheidet. Nicht weit von dieſem Punkte, ein wenig gegen Norden, nimmt der Fluß den Namen Pulutſu ho oder Plutſu an. Reißenden Laufes ſtrömt er von hier über 7 bis 8 Breitengrade hin ganz nahe jener mächtigen Bergreihe, welche die Grenze zwiſchen Tibet und der Pro— vinz Setſchuen bildet. Zwiſchen dem 28. und 29. Grade nördlicher Breite und zwiſchen dem 17. und 18. Grade öſtlicher Länge von Peking durchſchneidet er die Nordgrenze der Provinz Pünnan und wird hier Kinſcha ho oder Goldſandfluß genannt. Dieſen Namen erhält er, während er ſich zwei oder drei Grade weiter nach Süden wendet, dann eine rückläufige Be— wegung machend, durchſtrömt er wieder die Provinz Setſchuen. So⸗ bald er den Diſtrict Hoh Tſchau erreicht hat, wird er nicht anders, als ausſchließlich der „große Fluß“, Ta Kiang genannt, ein Name, den er gewöhnlich im Munde des Volkes bis zu ſeiner Mündung in den Ocean beibehält. Mit Recht hat man dieſen mächtigen, majeſtätiſchen Strom den „Gürtel von China“ genannt. Es iſt wirklich ein prächtiger Gürtel, der ſämmtliche mittlere Provinzen des großen Reiches, welche zwiſchen Tibet, dem Koko Nor im Weſten und dem ſtillen Ocean im Oſten lie— gen, mit einander verbindet und gleichſam umſchlungen hält. Seine ganze Länge, alle ſeine zahlloſen Windungen mitgerechnet, beträgt ge— wiß nicht weniger, wahrſcheinlich aber noch mehr, als 3000 Meilen. Der Yangtſz' Kiang. 339 Und wenn man ſeine Nebenflüffe, die zahlloſen, an feinen Ufern gele— genen Städte, den fruchtbaren Boden und die mannigfaltigen Erzeug— niſſe feiner Geſtade, dazu noch die in den Thälern, Ebenen und hügeli- gen Landſchaften, welche er durchfließt, angeſiedelte Bevölkerung in Be— tracht nimmt, ſo hat dieſer Sohn des Oceans gewiß nicht ſeines Gleichen auf Erden. Mitſammt ſeinen zahlreichen Zuflüſſen und der Menge von Kanälen, welche dieſe unter einander verbinden, bildet er ein Netz von Waſſerſtraßen innerhalb der 18 Provinzen China's, wie nirgends auf dem Erdboden ein ähnliches weder an Ausdehnung und Umfang, noch an Lebhaftigkeit des Verkehrs, anzutreffen iſt Daher hat der große Strom auch eine außerordentliche Wichtigkeit für den Binnenverkehr, für den Handel und den Austauſch der Erzeugniſſe im Norden und im Suͤden von China. Er iſt die Hauptarterie des com— merciellen Lebens im Reich der Mitte, und die ſeinem Gebiete angehö— rigen größeren und kleineren Flüffe und Kanäle bilden gleichſam das übrige Geäder, durch welches alles Handels- und Verkehrsleben hin— durchſtrömt. Selbſt gleicht er einem mächtigen See, der die bewun— dernswürdige Weisheit des Schöpfers in ſeinen durchſichtigen Wogen abſpiegelt. Während ſeines Oberlaufes bis zu der Stelle in der Provinz Setſchuen, wo er ſich nördlich wendet, nimmt der Pangtſz' Kiang eine vorherrſchend ſuͤdliche Richtung; in feinem Mittel- und Unterlaufe da— gegen ſtrömt er vorwiegend gen Oſten, anfangs nach Nordoſten ge— wendet. In den Provinzen Yünnan und Kweitſchau ſind feine ſüdli— chen Zuflüffe zahlreich, aber nicht groß. Der vornehmſte unter dieſen entſpringt in jener langen, Nanling d. h. ſüdliche Felſen genannten Bergkette, welche die Scheidewand zwiſchen den ſüͤdlichſten und mittle— ren Provinzen bildet und von deren Abhängen gegen Süden der Perl— fluß in öſtlicher Richtung nach Canton hinabſtrömt. Sein Name iſt Wu Kiang d. h. ſchwarzer Fluß; er durchfließt die Provinz Kweit— ſchau in nördlicher Richtung, erhält eine Menge kleinerer Zuflüffe, die gleichfalls an den Abhaͤngen des Nanling entſpringen und mündet bei der Stadt Peitſchau in Setſchuen in den großen Fluß. Die nördlichen Zuflüffe dagegen find eben fo zahlreich und einige größer als die fünlichen. Sie liegen ſämmtlich in der Provinz Set— ſchuen, welche ihren Namen „Vier Stromland“ wahrſcheinlich von den 22 340 K. L. Biernatzki: vier Hauptſtrömen hat, durch welche ſie vorzugsweiſe bewäſſert wird. Dieſe find der Kinſcha, der Yalung, der Min und der Kia— ling; einige Geographen nennen ſtatt des Kinſcha den Wuliang als den erſten der vier vornehmſten Ströme. Die Quellgebiete dieſer vier Flüſſe liegen über die Nordgrenze von Setſchuen hinaus; ſie fließen ſämmtlich parallel neben einander von Norden nach Süden und erhal— ten von der Oft, wie von der Weſtſeite eine beträchtliche Waſſermenge durch zahlreiche Nebenflüſſe zugeführt, ehe ſie in den Pangtſz' Kiang münden. Huc, der dieſe Gegenden im Winter bereiſte, ſagt von die— ſen prächtigen Strömen, daß ihre Wogen durch enge Thäler und über hohe Felſen hinabrollten und große Maſſen Eis mit ſich führten. Der am weiteſten weſtlich gelegene iſt der Wuliang ho d. h. end— loſer Fluß. Ihm zunächſt fließt der Pa lung, deſſen Lauf mehr als tauſend Meilen lang iſt, und der auf dem Gebirge Bayen Khara ent— ſpringt. Der dann folgende Min iſt 700 bis 800 Meilen lang und bewäſſert die mittleren Landſchaften von Setſchuen; ſeine Quellen lie— gen gleichfalls an den Abhängen des Bayen Khara. Der Kialing, von den vier Flüſſen der öſtlichſte, hat eine Länge von wenigſtens 800 Meilen; er entſpringt im Süden der Provinz Kanſu am Koko Nor und nimmt eine Menge Nebenflüffe auf, ehe er bei der Stadt Tſchung— king in den Pangtſz' Kiang mündet. Jeder dieſer vier Flüſſe iſt ſchon für ſich allein ein bedeutender Strom, der, je mehr er ſich dem großen Fluſſe nähert, an Breite und Waſſermenge zunimmt. Bis beinahe zur Oſtgrenze von Setſchuen verfolgt der Pangtſz' Kiang eine nordöftliche Richtung, dann aber wendet er ſich bald nach ſeinem Eintritte in die Provinz Hupi in weit geſchwungenem Bogen ſuͤdlich. Hier erhält er aus mehreren kleineren Flüſſen und mehreren Landſeen bedeutende Zuſtrömungen. Der größte ſeiner Nebenfluͤſſe hier iſt der Han, welcher ehemals dem berühmteſten Herrſcherhauſe China's ſeinen Namen gab. Er entſpringt am Gebirge Peling in der Provinz Schenſt, und zugleich wird derſelbe hier, wie von Hunan her, durch zahl— reiche Zufluͤſſe verſtärkt; bei der Stadt Hanyang, der gegenüber am rechten Ufer des Pangtſz' Kiang die Stadt Wutſchang auf 31“ 34’ 50“ nördl. Br. und 114° 13’ 30“ öſtl. L. liegt, ergießt er ſich in den gro— ßen Fluß. Innerhalb des nach Süden gewölbten Bogens des letzteren liegt eine Anzahl größerer und kleinerer Landſeen, die nach allen Seiten Pe u er 1 u Der Pangtſz' Kiang. 341 hin durch Waſſerſtraßen mit dem Han und dem Pangtſz' Kiang ver— bunden ſind. Der Name Hupi bedeutet die nördlichen, Hunan die ſüdlichen Seen; beide Provinzen liegen nämlich am linken und am rechten Geſtade des großen Fluſſes. An der äußeren Wölbung des Bogens, den derſelbe hier beſchreibt, liegt das große Reſervoir der Gewäſſer von Hunan, der größte See in China, Tungting hu. Er nimmt einen Raum von 300 Meilen ein, und fein Umfang beträgt mehr, als 250 Meilen. Nachdem der Sohn des Oceans in einiger Entfernung an dieſem mäch— tigen Binnenſee vorübergeſtrömt iſt, wendet er ſich plötzlich nach Süden, gleichſam um die Schätze des Tungting in ſich aufzunehmen, deſſen Gewäſſer ſich unweit der Stadt Potſchau auf 29“ 24’ nördl. Breite mit den ſeinigen vermiſchen. Er fließt alsdann in nordöſtlicher Richtung weiter, worauf er ſich bei Hanyang und Wutſchang noch einmal wieder nach Süden wendet und ſich an der Wölbung dieſes zweiten Bogens, unfern einer kleinen ummauerten Stadt Hukau, d. h. Mündung des Landſee's, mit den Gewäſſern des weit und breit berühmten Poyang— See's vereinigt. Hier war es, wo im Jahre 1816 die bekannte Ambaſſade des Lord Armherſt auf ihrer Rückreiſe von Peking, die ſie auf dem großen Kanal und über Nanking zurückgelegt hatte, die Fahrt über dieſen See antrat. Nachdem ſie denſelben von Norden nach Süden durchkreuzt hatte, fuhr ſie in ihren Booten auf einem ſeiner vornehmſten Zuflüſſe weiter, bis ſie den Nanling oder Meiling, 300 Meilen von Canton, erreichte. Der Poyang-See erhält ſein Waſſer aus dem Kan Kiang und deſſen Nebenflüſſen in der Provinz Kiangſi, und gleich dem Tungting ſchüttet er ſeinen geſammten ann reichthum in den Pangtſz' Kiang. Vom Süden her ergießt ſich nur ein einziger namhafter Fluß in den Pangtſz' Kiang, der Tſing Kiang nämlich, d. h. der klare Strom, welcher aus der Provinz Kweitſchau kommt und noch inner— halb Setſchuen in den Yangtſz' Kiang mündet. Derſelbe bewaͤſſert eine außerordentlich ſchöne und fruchtbare Gegend zwiſchen dem 30. und 31. Grade nördl. Breite und verdient mit Recht feinen Namen wegen ſeiner durchſichtigen Fluthen. unterhalb Hukau, wo der Unterlauf des großen Fluſſes ſeinen An— fang nimmt, wendet dieſer ſich nach Nordoſten, und während er dann 342 K. L. Biernatzki: die Provinz Nganhwui durchſtrömt, wird er immer tiefer und breiter, und von beiden Seiten her entladen Zuflüſſe ihre Gewäſſer in ſeine majeſtätiſch dahinrollenden Wogen. Ein Reiſender, der vor wenigen Jahren dieſe Gegend beſuchte, jagt: „Die Landſchaft, welche hier die ſchönſte Abwechſelung von Berg und Thal darſtellt, im fernen Hinter— grunde eine Reihe ſehr hoher Gebirge, war ungemein anziehend; ſie hat ein Klima, das von keiner anderen Gegend in der Welt an Lieb— lichkeit übertroffen wird, und nur in wenigen Gegenden iſt das Klima eben fo ſchön.“ Die nordamerikaniſchen Marine-Ofſiziere, welche im vorigen Jahre den Strom befuhren, beſtätigten die Wahrheit dieſer Schilderung. Nachdem der Fluß an Nanking vorübergeſtrömt iſt, wendet er ſich in der Provinz Kiangſu ſüdwärts. Nahe bei Kwatſchau und Tſchin⸗ kiang ein wenig weſtlich von dieſen beiden Städten, wird er von dem großen Kanal durchſchnitten, der bei den Chineſen Yun ho, d. h. Trans⸗ portfluß heißt. Bekanntlich findet auf dieſer künſtlich angelegten, groß— artigen Waſſerſtraße alljährlich der Transport des Reis ſtatt, mit welchem die fruchtbaren Südprovinzen die weniger ergiebigen Nordpro— vinzen und namentlich die kaiſerliche Reſidenz Peking verſorgen. Ueberall nimmt hier der Pangtſz' Kiang Nebenflüſſe auf, welche bald ſchmaler, bald breiter ſind, alle aber dazu beitragen, daß der Hauptſtrom mehr und mehr ſich erweitert, bis er in einer Breite von 6 Meilen ſich in's gelbe Meer ergießt. Die Mündung, in welche gewöhnlich die von der See herkommen— den Schiffe einfahren, liegt 31“ 9“ 3“ nördl. Br. und 122° 15“ 4“ öſtl. Länge von Greenwich, während der Hafen von Schanghai am Hwangpu 31° 15’ 41“ nördl. Breite und 121° 20“ 6“ öſtl. Länge belegen iſt. Dieſer kurze Ueberblick über den Pangtſz' Kiang und die mit ihm verbundenen Ströme zeigt, welcher trefflichen Waſſerverbindung ſich der Binnenhandel China's erfreut. Aber auch für den überſeeiſchen Han— del iſt der Strom von größter Bedeutung. Der 18 Fuß tief gehende nordamerikaniſche Dampfer „Susquehannah“ (8 Kanonen) ſtieß auf kein einziges Hinderniß bis Nanking, und noch darüber hinaus bis Wuhu; an manchen Stellen fand das 8 Faden lange Senkblei keinen Grund. Ob über kurz oder lang die Chineſen Dampfſchiffe zu bauen ö 4 2 * 4 Der Pangtſz' Kiang. 343 und zu benutzen anfangen, iſt gleichgültig; der Verkehr des Reiches mit dem Abendlande iſt im ſteten Zunehmen und es kann nicht lange währen, daß auch den Seeſchiffen fremder Nationen die Einfahrt in den Pangtſz' Kiang eröffnet werden wird. Die gegenwärtigen Unruhen in China können dieſen Zeitpunkt noch über Gebühr hinaus verſchieben, aber die Chineſen ſind durch und durch ein handeltreibendes Volk. Unabhängig von der politiſchen Stellung ihres Vaterlandes zu anderen Ländern bricht der Verkehr ſich unabläſſig neue Bahnen, die ungeheure Bevöl— kerung bedarf nothwendig zu ihrer Exiſtenz eines ſtets ſich erweitern— den Handelsverkehrs. Der fortdauernde Bürgerkrieg erſchwert zwar hier und dort den Austauſch der Producte; ſobald aber dieſer Druck entfernt ſein wird, beginnt ohne Zweifel eine neue Aera für den Han— del, und der Yangtſz' Kiang mit feinen zahlreichen Nebenflüſſen wird die Hauptverkehrsſtraße des Reiches der Mitte bilden. In der That hat dieſer Sohn des Oceans nicht ſeines Gleichen auf Erden. Der Amazonenſtrom mag durch ſeine Mündung eine noch größere Waſſermenge in's Meer ergießen, der Miſſiſſippi auf ſeinem Laufe von der Quelle bis zur Mündung ein größeres Terrain durch— ſchneiden, beide tragen vielleicht auf ihren Wogen eine größere Man— nigfaltigkeit von Erzeugniſſen aus den an ihren Ufern gelegenen Land— ſtrichen; die Menge der Producte, die auf dem Pangtſz' Kiang verſchifft wird, ſteht dagegen ganz einzig da. Wären jene weſtlichen Gegenden China's, die derſelbe durchſtrömt, hinlänglich bekannt und durchforſcht und kennte man mit einiger Zuverläſſigkeit und Genauigkeit die Bodenbe— ſchaffenheit der Provinz Setſchuen, man würde dort, aller Wahrfchein- lichkeit nach, die ergiebigſten Mineralgegenden der Erde finden. Aber wie groß auch immer die Menge von Producten ſein mag, welche jene Gegenden erzeugen, es iſt dies doch nur ein Geringes im Vergleich mit der zahlloſen Bevölkerung, die an den Geſtaden des Pangtſz' Kiang wohnt. In dieſer Hinſicht erſcheint das Miſſiſſippi— Thal wie eine unangebaute Einöde und das des Amazonenſtromes wie eine einſame Wüſtenei. Nur die Anſiedelungen der Menſchen verleihen einem Strome ſeinen Werth und ſeine Bedeutung, und in dieſer Be— ziehung hält kein anderer Strom der Erde einen Vergleich aus mit dem Sohne des Oceans. Wollte Jemand ſich die Mühe geben und die Lage ſämmtlicher 344 K. L. Biernatzki: bedeutenden Handelsſtädte im Innern von China erforſchen, er würde finden, daß in den wichtigſten Provinzen des Reiches die bei weitem größte Mehrzahl derſelben durch Waſſerſtraßen mit einander in Ver— bindung ſtehen. Viele Hunderte dieſer Städte ſind faſt nur durch die Fahrzeuge der Eingeborenen, welche auf dem Pangtſz' Kiang und feinen Nebenflüſſen hin- und herfahren, zugänglich. Wir werden einige derſelben hier anführen. Zunächſt nennen wir die Stadt Schanghai, deren geographiſche Länge bereits angegeben iſt, am linken Ufer des Hwangpu, etwa 12 Meilen von feiner Vereinigung mit dem Pangtſz' Kiang. Dieſe Vereini— gung findet 50 Meilen nordweſtlich von der Güßlaff-Infel ſtatt, welche Denen, die in das Innere von China zu Waſſer vordringen wollen, gleichſam als Wegweiſer dient. Es iſt noch nicht ſehr lange her, daß Schanghai nur ein unbedeutender Ort war, namentlich ein Schlupf— winkel für Seeräuber von Korea und Japan. Gegenwärtig iſt es an— ders. Schanghai iſt, wenn nicht der erſte, ſo doch ein dem erſten völlig gleicher Seehafen des chineſiſchen Reiches, deſſen Wichtigkeit, je mehr China den Fremden ſich eröffnet, von Jahr zu Jahr zunehmen wird. Hierher müſſen die Erzeugniſſe der fremden Nationen gebracht werden, welche in die mittleren, in die weſtlichen und in die nördlichen Bro- vinzen eingeführt zu werden beſtimmt ſind; hierher müſſen gleicherweiſe wenigſtens drei Viertheile von allen Producten des Reiches der Mitte gebracht werden, welche nach fremden überſeeiſchen Häfen ausgeführt werden ſollen. Für Ein- und Ausfuhr giebt es keinen geeigneteren Ort in ganz China, und wenn die Zeit kommt, wo man auch in die— ſem Lande Eiſenbahnen bauen wird, — und vielleicht iſt ſie nicht mehr fern, da die breiten Ebenen von Kiangnan und das weite Thal des Nangtſz' Kiang ſich beſonders dazu eignen, — fo wird Schanghai den großen Centralpunkt abgeben, von wo die reich beladenen Züge in's Innere des Reiches abgehen, und wohin ſie von dorther ebenfalls mit reichen Ladungen zurückkehren. Sutſchau und Hangtſchau, das Paradies von China, zwei überaus gewerbreiche Städte, liegen gleichfalls im Flußgebiete des Pangtſz' Kiang, die erſtere 31° 23’ 25“ nördl. Br. und 120° 25’ 25” öſtl. Länge, die zweite 30“ 20’ 20“ nördl. Br. und 120° 7’ 34“ öſtl. Länge. Namentlich findet hier ſtarke Seidenmanufactur und fleißiger Der Mangtſz' Kiang. 345 Theeanbau ſtatt, und auch für dieſe beiden Artikel bildet Schanghai den angemeſſenſten Ausfuhrplatz. Während des Krieges zwiſchen China und England in den Jah— ren 1841 und 1842 waren alle bewaffneten Unternehmungen gegen China fo lange erfolglos, als noch Tſchinkiangfu nicht erobert wor— den war. Schon der Name dieſer unterhalb Nanking, unmittelbar am Pangtſz' Kiang gelegenen Stadt zeugt von ihrer militairiſchen Wich— tigkeit, er bedeutet: Wächterſtation am Fluſſe. Nachdem ſie von den britiſchen Truppen beſetzt worden war, fand Sir Henry Pottinger die Miniſter Sr. kaiſerl. Majeſtät bereit, ſeinen Eröffnungen ein geneigtes Ohr zu leihen und ſeine Wünſche hinſichtlich der Abſchließung eines Friedens- und Handelsvertrages zu erfüllen. Auch im gegenwärtigen Bürgerkriege hat ſich die Bedeutſamkeit dieſes Platzes abermals bewährt. Es zeugt von der großen taftifchen Kunde der ſogenannten Inſurgen— ten, daß ſie, ſobald als möglich, dieſen Ort beſetzten, von dem aus ſie alle Communication auf dem Pangtſz' Kiang und dem großen Kanal auf's Genaueſte beaufſichtigen können. Wer Tſchinkiangfu zu behaup— ten vermag, dem iſt auch der Beſitz von Nanking, Wuhu und anderen, am großen Fluſſe gelegenen Städte geſichert. Tſchinkiangfu iſt das große Eingangsthor in das Innere von Oſt-Aſien, ebenſo wie dahin der Pangtſz' Kiang die Einfahrt zu Waſſer ermöglicht. h Die Chineſen haben von Alters her ihre Städte fo angelegt, daß ſie mit Fahrzeugen zugänglich ſind; faſt jede nur einigermaßen bedeu— tende Stadt iſt von Kanälen durchſchnitten oder umgeben und ſteht durch ſolche oder durch einen ſchiffbaren Fluß mit der nächſtgelegenen Stadt in Verbindung. Man hat in China keine Landkarten; ſoviel aber aus den geographiſchen und topographiſchen Schriften zu erſehen iſt, jo find die Gewäfjer in Kiangnan ſämmtlich für tiefer gehende Fahrzeuge ſchiffbar, und zwiſchen dem Pangtſz' Kiang und dem vorhin angeführten großen Binnenſee kann die Kommunikation nicht ſchwierig ſein. Einige chineſiſche Schriftſteller ſprechen ſogar von einer Waſſer— verbindung zwiſchen dem Pangtſz' Kiang und dem gelben Fluſſe im Innern des Reiches, allein es iſt doch bis jetzt nicht mit Sicherheit feſtzuſtellen, ob eine ſolche wirklich vorhanden iſt, und wenn ſie es ſein ſollte, ob ſie zu jeder Jahreszeit für größere Schiffe brauchbar iſt. Denn, ſoviel uns bekannt, iſt der Stand der Gewäſſer keineswegs ein | | 346 K. L. Biernatzki: regelmäßiger, ſelbſt die Ebbe und Fluth äußern ſich noch weit in den Mangtſz' Kiang und feine Zuflüſſe hinauf, weshalb es nicht gewiß iſt, ob größere Fahrzeuge nach allen wichtigen Handelsplätzen, die im Gebiet des großen Fluſſes liegen, gelangen können. Die Diſtrictshauptſtädte in der Provinz Kiangſu, zu denen chineſiſche Segelboote fahren, ſind Tſungkiangfu, Taitſangfu, Sut— ſchaufu, Tſchangtſchaufu, Tſchinkiangfu und Kiangninfu (32° 40 40“ nördl. Br. und 11847“ öſtl. L) an dem ſüdlichen Ufer des Pangtſz' Kiang; Pangtſchaufu (32“ 26 32“ nordl. Br. und 119° 24' 43“ öſtl. L.) am nördlichen; und an beiden Ufern deſſelben liegen eine Menge Ortſchaften zweiten Ranges, wie Kiangyinhien u. a. m. Als der amerikaniſche Miniſterreſident im vorigen Jahre einen Ausflug nach Nanking und Wuhu machte, entdeckte man mehrere Ka— näle, welche in den Strom mündeten und ſelbſt für Dampfſchiffe fahr— bar zu ſein ſchienen. Nicht fern von Tſchinkiangfu ſah man eine Flo— tille von mehreren Hundert Booten, welche aus einem Kanal vom Norden her in den Fluß einſegelte, der, wie es hieß, dieſen mit dem Salzfluſſe verband. An vielen anderen Orten, auch an ſolchen, die vom Pangtſz' Kiang entfernt lagen, ſah man eine Menge größerer Schiffe vor Anker liegen. Dies war z. B. bei Taitſangfu der Fall, welches ehemals, und vielleicht auch noch jetzt, eine bedeutende Han— delsſtadt war. In der Provinz Nganhwui find folgende Städte entweder un— mittelbar am Pangtſz' Kiang oder an einer mit ihm in Verbindung ſtehenden Waſſerſtraße gelegen und deshalb für chineſtſche Fahrzeuge zugänglich; am rechten Ufer: Taipingfu 31° 56“ 57“ nördl. Br. und 117° 21' 50” öſtl. L, Wuhuhien 31° 27 nördl. Br. und 118° 21’ öſtl. L., Tunglinghien 31° 4 nördl. Br. und 117° 50° öſtl. L., Tſchi⸗ tſchaufu 31“ 56“ 57“ nördl. Br. und 117“ 27“ 4“ öſtl. L., Tungliu— hien 30° 22“ nördl. Br. und 116° 54“ öſtl. L.; dagegen am linken Ufer: Hotſchau 31“ 44’ nördl. Br. und 11820“ öſtl. L., Ngankingfu 30° 37 10“ nördl. Br. und 117° 4’ 13“ öſtl. L., außer anderen von geringerer Wichtigkeit. Alle dieſe Städte liegen in einer ausgedehnten Landſchaft, deren Haupterzeugniß, der Thee, nach allen Welttheilen ausgeführt wird, und treiben unter einander einen lebhaften Handel. Der Binnenſee Tſchau oder Tſchau hu (hu heißt Waſſer, See) —— — . Der Mangtſz' Kiang. 347 wird durch einen Kanal, der leicht befahrbar iſt, mit dem Pangtſz' Kiang in Verbindung geſetzt und vermittelt den Zugang zu der Di— ſtrictshauptſtadt Lutſchaufu 31“ 565 57“ nördl. Br. und 117915“ 20“ öſtl. Länge. Sämmtliche Hauptſtädte der Provinz Kiangſi, 14 an der Zahl, ſind für chineſiſche Fahrzeuge auf dem großen Fluſſe ſelbſt oder auf feinen Zuflüſſen erreichbar; der Pangtſz' Kiang durchſtrömt dieſe Pro— vinz in einem 80 Meilen langen Laufe. Unter dieſen Städten ſind die vornehmſten: Nantſchangfu 28937 12“ nördl. Br. und 115° 48’ 17“ öſtl. L., Jautſchaufu 28° 57“ 20“ nördl. Br. und 116° 44’ 8“ öſtl. L., Nankangfu 29“ 31 42“ nördl. Br. und 115° 54' 23” öſtl. L, Kiukiangfu 20 54’ nördl. Br. und 116° 4 30“ öſtl. L., Linkiangfu 2757“ 36“ nördl. Br. und 115° 27’ öſtl. L., Kantſchaufu 25° 527 48“ nördl. Br. und 114° 47 6“ öſtl. L., und Nannganfu 25° 30’ nördl. Br. und 101° 45’ öſtl. Länge. Von der zuletzt genannten Stadt an erſtreckt ſich die Schifffahrt mit chineſiſchen Booten ſüdwärts bis auf 300 Meilen nach dem Po— vang-See. Kantſchaufu liegt ganz im Süden der Provinz Kiangfi und ſchien, wie der Reiſende Davis behauptet, jede andere Stadt, die er in China geſehen, an Umfang zu übertreffen. Die Städte Nantſchangfu, Kiukiangfu und einige andere in der Provinz Kiangfi find haufiger während der letzten Jahre erwähnt wor— den, weil ſie unter den erſten ſich befanden, die unter dem Joche des Bürgerkrieges, der in Kiangſi ausbrach, ſeufzten. Nur die Waſſer— ſtraßen, welche ſie mit einander und den benachbarten Ortſchaften ver— binden, machten den ſchnellen Truppentransport möglich, dem nament— lich die Inſurgenten ihre raſchen, zum Theil unblutigen Erfolge ver— dankten. Dieſe Städte werden auch wahrſcheinlich die erſten ſein, welche ſich von dem Drucke, der auf ihnen gelaſtet hat, wieder erholen. In der Provinz Hupi bilden die drei Städte Wutſchang, Hanyang und Hankau einen einzigen großen Verkehrsplatz. Kaum ein anderer Ort in China iſt hinſichtlich der Volksmenge und der Leb— haftigkeit des Handels mit dieſem zu vergleichen; nur London und Jeddo, die Hauptſtadt von Japan, bieten ein ähnliches Bild. Hankau iſt eigentlich nur eine Vorſtadt der beiden anderen, aber unter dem Namen Hankau verſtehen die Handelsleute gemeiniglich alle drei Städte 348 K. L. Biernatzki: zuſammen. Sie liegen 600 Meilen oberhalb der Mündung des Nangtſz' Kiang, der hier eine franzöſiſche Meile breit iſt. Am 12. Jan. 1853 wurden ſie von den Inſurgenten erobert, die, kaiſerlichen Berichten zu— folge, durch Anlegung einer Mine an der Weſtſeite, deren Sprengung zur rechten Zeit gelang, ſich zu Herren der Stadt machten und deren Beſatzung verjagten. Noch manche andere Diſtrictshauptſtädte in Hupi haben eine Waſſerverbindung mit dem Nangtſz' Kiang, z. B. Ngan⸗ luhfu 31° 21’ nördl. Br. und 112“ 31’ 58“ öſtl. L., Siangyangfu 32° 6’ nördl. Br. und 113° 5’ 16” öſtl. L, Kingtſchaufu 30% 26’ 40“ nördl. Br. und 1124 50“ öſtl. L., Itſchangfu 30° 49 nördl. Br. und 111° 10’ 20“ öſtl. L. und Schinanfu 30° 15’ 56“ nördl. Br. und 109° 25’ 55“ öſtl. Länge. In Hunan ſind die Mehrzahl der Diſtrictshauptſtädte, ſowie der weniger anſehnlichen Handelsſtädte gleichfalls mit dem Nangtſz' Kiang verbunden. Von den 16 der erſten Art entbehren etwa 5 oder 6, und von den 67 geringeren Städten nur etwa eben ſo viele dieſer vortheilhaften Lage. Johtſchaufu 29° 24“ nördl. Br. und 112“ 54“ 25“ öſtl. L. und Tſchangſchafu 28° 12’ nördl. Br. und 11246“ 57“ öſtl. L. ſind hier vornehmlich namhaft zu machen. Erſtere Stadt fiel ſchon am 13. December 1852 den Inſurgenten in die Hände, nachdem die in der Stadt garniſonirenden Truppen, wie der kaiſerliche Bericht ſelbſt eingeſteht, bereits am Tage vorher davon gegangen waren. An Tſchangſchafu dagegen marſchirten die Inſurgenten vorüber, ohne es an— zugreifen; nach dem Falle von Johtſchaufu konnte es überhaupt nicht länger von den kaiſerlichen Truppen gehalten werden, die angeblich dort in einer Stärke von 3000 Mann, Freiwilligen aus der Provinz Fo— kien, ſtanden. Die Provinz Setſchuen zählt keine einzige Stadt von einiger Bedeutung, welche nicht im Gebiet des Nangtſz' Kiang und feiner oben— genannten vier Zuflüſſe läge; es würde aber zu weit führen, auch nur die bedeutendſten namhaft zu machen. Es herrſcht hier dieſelbe Leich— tigkeit des Waſſerverkehrs, wie in den öſtlichen Provinzen des Reichs, worüber die im vorigen Jahre bereits in zweiter Auflage erſchienene Reife des Pater Hue (empire chinois) nähere Auskunft giebt. Wir haben nur eine Skizze dieſes mächtigen Stromes und ſeines Landgebietes den Leſern vorlegen wollen; das vorhandene Material | | | Der MPangtſz' Kiang. 349 würde allerdings noch eine detaillirtere Darſtellung zulaſſen, aber aus dieſen Umriſſen ergiebt ſich zur Genüge, welch eine Pulsader commer— ciellen Lebens dieſer Strom iſt, deſſen Ufer noch überdies größtentheils überall dem Auge die herrlichſten Landſchaften vorſtellen. Nachdem auch Japan, wenigſtens theilweiſe, dem Verkehr mit dem Abendlande eröffnet worden, ruckt der Zeitpunkt immer näher, wo die chineſiſche Regierung, wenn auch ohne Waffengewalt, gezwungen werden wird, die letzten Schranken ſelbſt niederzureißen, durch welche ſie ihr herrli— ches Land von dem Verkehr mit den übrigen Nationen ausſcheidet. Dann werden in kurzer Zeit die Wogen des Nangtſz' Kiang, zumal wenn erſt das Fahrwaſſer genau ſondirt und mit Tonnen und Bojen verſehen ſein wird, wozu jetzt die Amerikaner ernſtlich Anſtalt machen, eine Handelsflotille auf ihrem Rücken tragen, die an Größe, an Reich— thum der Ladungen, und, wie wir wenigſtens meinen, auch an Zahl der einzelnen Schiffe von keiner anderen irgend eines Stromes der Welt übertroffen werden wird. Denn China's Producten-Reichthum iſt unerſchöpflich und alle Welttheile begehren denſelben, — die Blume der Mitte iſt das Land der Zukunft! K. L. Biernatzki. RM: Die neueſten ruſſiſchen Erwerbungen im Amuͤrlande. Als im Beginn des 17. Jahrhunderts die Ruſſen bis in die öſt— lichſten Theile Sibiriens vorgedrungen waren, brachten tomskiſche Ko— fafen in den Jahren 1636 — 1639 vom Uljafluſſe her die erſte Kunde von der Exiſtenz eines ſehr großen Stromes in der Mandſchurei (Müller in ſeinen Sammlungen ruſſiſcher Geſchichten. St. Petersburg 1736. II. 292), welcher bei den Chineſen den Namen des He-long—⸗ kiang führt und bei den Ruſſen ſofort den des Amur erhielt. Bald dar— auf (im Jahre 1647) wurden durch zwei Unternehmungen Wege aus dem Jakuͤtenlande bis zu dieſem Strome gefunden, aber beſonders war es der Koſakenoffizier Waſilei Pojarkoff, welcher den größten Theil des Laufes des Amur bis zu deſſen Mündung in den Ocean aus eigener Anſchauung kennen lernte. Derſelbe drang nämlich im Jahre 1643 mit einem Haufen ſogenannter Promuiſchleniks, d. h. Abenteurer, die im 16. und 17. Jahrhundert in der Entdeckungsgeſchichte Sibi— riens ungefähr daſſelbe waren, was heute die Pioneers im Innern Nord-Amerika's, von der neubegründeten Stadt Jakuͤtsk in die Man— dſchurei in der Hoffnung ein, Silbererze zu finden, die angeblich am Ura-(Urka⸗) Fluſſe gegraben wurden, indem er anfänglich die Lena abwärts bis zu der Einmündung des Aldanfluſſes (Zeitſchr. IV, 484) in dieſelbe zog und hierauf dem Laufe dieſes Fluſſes 4 Wochen lang, ſowie dem mehrerer anderen Flüſſe aufwärts folgte, bis er endlich das große Grenzgebirge zwiſchen dem damaligen Gebiete der Jakuͤten und der Mandſchuren, den Jablonoi Chrebet oder Stanowoi (Zeitſchr. IV, 486 — 487) erreichte. Zwei Wochen bedurfte Pojarkoff in dem Ge— rc Zu * Die neueſten ruſſiſchen Erwerbungen im Amuͤrlande. 351 birge, um den Wolok (Trageplatz) zwiſchen der Nujemka, einem noch zu dem Gebiete der Lena gehörenden Fluſſe, und der Briända, einem anderen bereits auf dem Südabhange des Gebirges entſpringenden Flüßchen, das ſich in die Seia (Tſchikira-ula der Mandſchu's oder Dſchi der Tunguſen; Fiſcher, ſibiriſche Geſchichten II. 780), einen be— deutenden Zuſtrom des Amür, ergießt, zu überſchreiten. Auf der Seia ſchiffte ſich Pojarkoff mit ſeiner Mannſchaft ein, und indem er dieſen Strom bis zu ſeiner Vereinigung mit dem Amuͤr und dann den Lauf des letzten ſelbſt bis zu der Ausmündung in das Weltmeer befuhr, ſo wurde gleich in den nächſten Jahren nach der erſten Entdeckung eine ſo vollſtändige Kenntniß des Amur erworben, wie die Entdeckungsge— ſchichte der Rieſenſtröme der Erde kein Beiſpiel einer umfaſſenderen Er— forſchung in ſo kurzer Zeit aufzuweiſen hat. Pojarkoff fand zwar keine Silbererze, dagegen aber erwarb er mit ſeinen Gefährten eine ſolche Fülle des koſtbarſten Pelzwerkes, daß ſchon im Jahre 1650 der Ko— ſakenanführer Jerofei Chabaroff mit einem Haufen Promüiſchleniks zu demſelben Zwecke nach dem Amüͤrlande aufbrach, wo er eine Linie be— feſtigter Poſten am Strome und an den oberen Zuflüſſen, namentlich darunter den Poſten Jakſa, das in der ſpäteren Geſchichte dieſer Ge— genden ſo oft genannte Albaſinsk, anlegte und einen großen Theil der Mandſchurei der ruſſiſchen Krone unterwarf. Chabaroff gelangte je— doch nicht ſelbſt bis zur Mündung des Amur, wohl aber war dies mit einem feiner Unteranführer, dem Koſaken Nagiba im Jahre 1651 der Fall (Müller a. a. O. II, 328 — 329). Pojarkoff's und Nagiba's Befahrungen des faſt ganzen Amur waren übrigens die einzigen von Europäern oder wenigſtens von deren Nachkommen in Sibirien ausge— führten Unternehmungen der Art, die wir kennen, indem bis in die neueſte Zeit niemals wieder eine ſolche beendet werden konnte. Aus dem Angeführten iſt ſchon erſichtlich, daß Pojarkoff nicht allein den Ruhm hat, den man ihm zuweilen zugeſchrieben, den Amuͤr bis zu ſei— 7 ner Mündung befahren zu haben, indem Nagiba mit ihm dieſe Ehre theilt. Erſt in neuerer Zeit wurde wieder ein ſolches Unternehmen ver— ſucht, das aber leider im Entſtehen eine Unterbrechung erlitt. Der fran— zöͤſiſche Lazariſten-Miſſionar P. de la Bruniere beſchloß nämlich nach einem von ihm am 5. April 1846 an den Ufern des Uſuri (Ufuli der Chineſen) geſchriebenen Briefe (Excursion en Mandschourie en 1845 352 Gumprecht: in den Nouv. Annales des voyages 1848, IV, 82 — 115) den Amuͤr bis zu feiner Ausmündung zu befahren, indeſſen machten Mör— derhände unmittelbar darauf dem Plane ein Ende, indem de la Bru— niere in dem am Amuͤr gelegenen Dorfe Hon-Tong von den Einge— borenen, einem langhaarigen Menſchenſchlage, ermordet wurde (Bericht des Lazariſten P. Venault ebendort 1852, II, 216 — 217). Häufige Fehden der ruſſiſchen Eindringlinge mit den Eingebore— nen, die von jenen in ihrem Hauptnahrungszweige, der Jagd der Pelz— thiere, beeinträchtigt wurden und noch manche andere Bedrückungen zu erleiden hatten, folgten unmittelbar Chabaroff's weitſchichtigen Eroberun— gen, welche in Bezug auf das Glück, das ſie begleitete, manche Aehn— lichkeit mit Cortez', Pizarro's, Alvarado's und der ſpaniſchen Abenteu— rer Unternehmungen in Amerika hatten und gleich den Thaten der Spanier allein durch das Uebergewicht des Feuergewehrs über die un— vollkommenen Waffen der Eingeborenen ermöglicht wurden. Durch die Kriegszüge der Koſaken wurde zugleich die erſte freilich ſehr unvoll— kommene Kenntniß des Amürlandes erlangt. Den Berichten der Ruſ— ſen folgten bis jetzt nur noch die faſt eben ſo dürftigen Nachrichten in den chineſiſchen geographiſchen Werken und in den letzten Jahren einige nicht minder magere Berichte franzöſiſcher Lazariſten, der einzigen Eu— ropäer, denen es in neuerer Zeit gelungen iſt, in das Innere des Amtırlandes einzudringen, namentlich die Mittheilungen der Mifftonare de la Bruniere und Venault. Nach Aaron Haight Palmer's Werk (Memoir geographical, political and commercial on the present state, productive ressources and capabilities for commerce of Siberia, Mantschuria and the Asiatic Islands of the Northern Pa- eific Ocean and the importance of opening commercial inter- course with those countries etc. Reports 30. Congress. I. Sess. No. 80. Washington 1848) ſoll zwar der frühere apoftolifche Vicar für Korea und die Lutſchu-Inſeln Dr. Ferréol in den Annales de l’Asso- ciation de la Propagation de la Foi Maiheft 1846 eine ausführliche Beſchreibung des Amüͤrlandes geliefert haben; indeſſen iſt dieſe Angabe irrig, indem weder der ebengenannte, noch die früheren oder ſpäteren Jahr— gänge einen dergleichen Bericht Ferréols enthalten. Was bis zum Jahre 1834 über das Amuͤrland bekannt war, hat Herr C. Ritter mit gewohnter KR n a in Die neueſten ruſſiſchen Erwerbungen im Amuͤrlande. 353 ſicherer Hand zu einer umfaſſenden Darſtellung dieſer Gegenden in feiner Erdkunde benutzt (Aſien II, 430 — 490, 612 — 622). Ungeachtet der Fehden mit den Eingeborenen blieben die Ruſſen faſt 40 Jahre hindurch im ungeſtörten Beſitze des Amuͤr und des nördliche— ren Theiles der Mandſchurei, da die Mandſchu ſelbſt erſt kurz vorher (im J. 1644) das chineſiſche Reich zerſtört hatten und noch zu ſehr mit der Conſolidirung ihrer Macht in dem ungeheuren Bereiche ihrer Eroberungen beſchäftigt waren, als daß ſie den ruſſiſchen Eroberungen im Heimathlande die nöthige Aufmerkſamkeit hätten ſchenken können. Erſt im Jahre 1689 ſandte der Kaiſer Kang-hi, einer der ausgezeich— netſten Regenten, die China je beſeſſen hat, eine ſtarke Militairmacht nach dem Amur, welcher die Ruſſen nicht widerſtehen konnten und die deren Niederlaſſungen zerſtörte. Dadurch gelangte das ganze Amuͤrland wieder in den Beſitz der Mandſchuherrſcher in China. In dem unmittel— bar darauf am 7. September 1689 zu Nertſchinsk zwiſchen China und Rußland abgeſchloſſenen Frieden, wobei die Jeſuiten P. Gerbillon und Pereira als Dolmetſcher der chineſiſchen Bevollmächtigten thätig waren, ließen ſich die ruſſiſchen Geſandten durch eine ſtarke chineſiſche Flotte auf dem Amuͤr und durch ein Landungsheer von 10,000 Mann, das Nertſchinsk und ganz Transbaikalien bedrohte, einſchüchtern und traten alle Beſitzungen Rußlands in der Mandſchurei nebſt dem Amürlaufe ab, indem in dem Tractat feſtgeſtellt wurde, daß im Oſten und Nord— oſten von Nertſchinsk die Grenze beider Staaten durch den von Nor— den her in die Schilka fließenden Goritza bach oder nach einer anderen Auslegung noch weiter im Oſten durch den gleichnamigen Goritza fluß, welcher in dem aus der Vereinigung der Schilka und des Argun ent— ſtandenen Amur endet, gebildet werden ſollte, und daß weiter von der Goritza an die Grenze beider Reiche bis zu dem Ocean der Waſſer— ſcheide auf dem Stanowoi zu folgen habe. Ein zweiter am 14. Juni 1728 zu St. Petersburg geſchloſſener Vertrag änderte in dem Wort— laute des Nertſchinsker Vergleiches nichts, aber ſo öde und unbekannt iſt das Land in dieſen Gegenden, daß, wie früher erwähnt (Zeitfchrift IV, 492), Middendorff's Forſchungen noch im J. 1845 zu der unerwar— teten Entdeckung führen konnten, daß nach beiden Verträgen und den von den Chineſen ſelbſt geſetzten Grenzpfählen und Landmarken ein un— 2 „ Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 23 354 Gumprecht: geheurer Strich von nicht weniger, als 50,000 A Werſt unzweifelhaft zu Rußland gehört, der aber bisher gar nicht von den ſibiriſchen Be— hörden beachtet worden war. Die völlige Aufgabe des Amuͤrlandes war aber nicht der größte Nachtheil von den beiden Verträgen, ein viel bedeu— tenderer entſtand für Rußland dadurch, daß durch keinen Paragraphen den Ruſſen die Befahrung des Amur bis zu feinem Austritte in das Weltmeer vorbehalten worden war. Die Chineſen benutzten den Fehler, ſchloſſen ſofort die Ruſſen von der Benutzung des Stromes und ſeiner großen ſchiffbaren Zuflüſſe aus und hinderten dadurch faſt 200 Jahre das Aufblühen des ſüdlichen Sibiriens auf das empfindlichſte, indem ohne dieſes Hinderniß nicht allein Nertſchinsk und ganz Transbaikalien eine Waſſerverbindung mit der ganzen Mandſchurei und dem Ocean gehabt hätten, ſondern auch eine ſolche mit Leichtigkeit aus dem In— nern Sibiriens ſich hätte herſtellen laſſen (Zeitſchrift IV, 428). Denn nach den Angaben eines neueren engliſchen Reiſenden Mr. Cotrell ließe ſich von der Schilka bis zu dem großen, in den Baikalſee fallenden Se— lengafluſſe ohne bedeutende Koſten eine ſchiffbare Waſſerſtraße herſtellen, da die wenigen Stromſchnellen und Waſſerfälle in den ſonſt fahrba— baren und theilweiſe, wie die Ingoda, der Schilka, theilweiſe aber auch, wie der Khiljok, der Selenga zugehenden Flüſſen, ohne große Mühe und Koſten zu entfernen wären (Cotrell bei Pallmer S. 42). Erfol⸗ gen dieſe Stromregulirungen, fo vermöchte man mittelſt der Angära und des Irtiſch, alſo aus dem Herzen Sibiriens, in Booten bis zu dem Weltmeere im Oſten zu gelangen, während andererſeits die Fluß— ſchifffahrt auf den großen Zuſtrömen des Amur, dem Songhari oder Songhu (dem Schingal der Ruſſen, dem Kuantong der Chineſen) und dem Uſüri (Uſuli) oder Uſüri Ula die Mandſchurei in allen Richtun⸗ gen den Ruſſen eröffnen würde. Der Songhari, der ſich unter dem 49. Grade nördl. Breite mit dem Amur vereinigt, iſt nämlich ein Fluß von ſo gewaltiger Größe und Tiefe, daß die Chineſen denſelben für den wahren oberen Lauf des Amuͤr halten, und durchzieht die weſtliche und beſonders die ſuͤdweſtliche Mandſchurei, und auch der Uſüri, deſſen Quellengebiet in den Gebirgen nahe dem japaniſchen Meere liegt, iſt nach dem Berichte eines der wenigen Europäer, die ihn aus eigener Anſchauung kennen lernten, des ſchon genannten de la Bruniere, ein eben ſo großer und tiefer Fluß als der Songhari; er vereinigt ſich Die neueſten ruſſiſchen Erwerbungen im Amürlande. 355 nach einem langen nördlich gerichteten Laufe etwa unter dem 49. Grade nördlicher Breite mit dem Amur und bewäſſert den ganzen ſuͤdlicheren Theil der Mandſchurei. Unter dieſen Umſtänden war es ſeit faſt zwei Jahrhunderten das eifrigſte Beſtreben der Ruſſen in Sibirien, wieder in den Beſitz des Amur zu gelangen oder von den Chineſen wenig— ſtens die ungehinderte Befahrung deſſelben bis zu ſeiner Ausmündung in den Ocean zu erlangen, indeſſen glückte dies nicht, da ſolchen Wün— ſchen die bekannte mißtrauiſche Politik der Chineſen ſtets hindernd im Wege ſtand, bis erſt die neueren politiſchen Verhältniſſe China's auch für dieſe Gegenden eine Umgeſtaltung erlitten. Schon vor einigen Jahren hatten ſich zwar die Ruſſen beſtrebt, ohne förmliche Einwilli— gung der chineſiſchen Regierung auf der nördlichen Seite des Amur feſten Fuß zu faſſen, wobei ſie von der jetzigen Verödung des Landes und der äußerſten Dünne der Bevölkerung unterſtützt wurden (Zeit: ſchrift IV, 492), ja ſie beabſichtigten nach Venault's Bericht ſchon im Jahre 1850, eine Stadt zu Poulo anzulegen (Nouv. Annales des Voyages 1852, IV, 223), aber erſt vor Kurzem find ihnen von der chineſiſchen Regierung ſo umfaſſende Conceſſionen gemacht wurden, daß ſie Alles erreichten, was ſie ſo lange und oft vergeblich erſtrebt hatten. Nach einem im Frühlinge dieſes Jahres zu Irkutsk geſchriebenen und im Juli durch die petersburger Zeitſchrift die nordiſche Biene mit— getheilten Briefe hat nämlich der jetzige Beherrſcher des himmliſchen Reiches den Ruſſen nicht allein die volle freie Befahrung des Gro— ßen Stromes ) geftattet, ſondern auch denſelben freiwillig den gan— zen an deſſen Mündung gelegenen Theil der Mandſchurei abgetreten, eine Conceſſion, die Seitens der Chineſen kein bedeutendes Opfer war, da, wie die chineſiſchen Beamten den ruſſiſchen erklärten, der Fluß ihnen von gar keinem Nutzen war. Mit Recht begrüßt das Jaküuͤtsker Schrei- ben dieſe Erwerbungen als ein Ereigniß von unſchätzbarem Werthe für die Zukunft Sibiriens und meint wohl nicht ohne Grund, daß die Po— litik der Chineſen daran keinen geringen Theil habe, indem die letzten nach den faſt 200 Jahre beſtandenen freundſchaftlichen Verhältniſſen mit Rußland die Hoffnung hegten, im Falle eines Krieges mit einer euro— 547 ) Der Name Amur oder Tamuͤr ſoll nichts anderes, als Großer Fluß, be— deuten (Pallmer a. a. O. 34). 23 * 356 Gumprecht: päiſchen Macht von jenem Reiche Beiſtand zu erlangen. Wie trefflich überhaupt der Amur für die Steigerung des Verkehrs in dieſen Ge— genden, ja für das ganze Aufblühen Sibiriens geeignet iſt, haben be— reits die neueſten Erfahrungen erwieſen, indem ruſſiſche Dampfer von ge— ringer Kraft von der ſchilkinskiſchen Fabrik ) bis an den Ocean in 14 Tagen zu fahren vermögen ) und da ferner die Erfahrung gelehrt hat, daß man von nun nicht mehr genöthig ſein wird, das zur Verpro— viantirung Kamtſchatka's und der ruſſiſchen Beſitzungen in Nord-Ame— rika beſtimmte Mehl auf dem 6000 Werſt langen beſchwerlichen Land— wege von Jakuͤtsk nach Ochotsk zu ſenden, ſondern daß man aus den transbaikaliſchen Landſtrichen das Mehl den Amür abwärts bis zu deſſen Mündung zu verführen vermag. Welche Erſparniſſe dadurch für die Krone und die ruſſiſch-amerikaniſche Compagnie ſich ergeben, erweiſt die Thatſache, daß das Pfund Mehl in Kamtſchatka für 15 Kopeken Silber verkäuflich ſein wird, während man daſſelbe bei erſchwer— ten Zufuhren hier oft mit 10 — 15 Rubel in Aſſignaten, ja im Jahre 1847 nach Pallmer's Angabe Ca. a. O. 15) fogar mit 28 Papier- rubeln bezahlen mußte. Freilich möchten ſolche Veränderungen die Stadt Jakutsk, die weſentlich durch den Waarentransport nach und von Kamtſchatka und Nord-Amerika ihre Bedeutung erhielt (Zeitſchr. IV, 448) auf das empfindlichſte berühren, indem auch die Theetransporte aus China künftig den naturgemäßen Waſſerweg nach Sibirien ein— ſchlagen werden, ſo daß Jakuͤtsk kaum noch etwas anderes, als der Stapelplatz für die in den Waldregionen der Tunguſen und Jakuͤten gewonnenen Pelzwaaren bleiben dürfte. Aber abgeſehen davon, daß das Amürland in der Zukunft zu einem wichtigen Tranſitland ſich er— heben wird, bietet deſſen Erwerbung Rußland noch andere wichtige Vor— theile dar, indem es nicht allein ein eben ſo reiches Gebiet an Pelz— thieren, wie das öftliche Sibirien iſt, ſondern auch in feinen Erzen und ſeinem überaus trefflichen Boden dauerndere Vortheile verſpricht. Die ) Das iſt wohl die große Schilkiſche zu Nertſchinsk gehörende Siberſchmelz— hütte (Georgi, Bemerkungen auf einer Reiſe im ruſſiſchen Reiche J. 332, 334). 2) Der Amor hat nämlich, wie ſchon Müller im Jahre 1741 wußte, weder Klippen, noch Waſſerfälle, und ſogar eine fo anſehnliche Tiefe, daß auch mittelmäßige Seefahrzeuge von europäiſcher Bauart ohne Noth darauf fortkommen können (Müller in Büſching's Magazin für die neue Hiſtorie und Geographie IV, 507). Die neueften ruſſiſchen Erwerbungen im Amurlande, 357 Mandſchurei ward zwar damals weſentlich nur von nomadiſchen einge: borenen Pelzjägern durchſtreift, die einen Theil ihrer Erträge als Tribut abliefern mußten, und allein in den ſüdlichen Regionen fanden ſich ange— ſiedelte chineſiſche Verbannte, da die chineſiſche Verwaltung dieſes Land ganz ebenſo als Verbannungsort, wie die ruſſiſche Regierung Sibirien, benutzt, indeſſen ſcheint es nicht, daß die Verbannten hierher, wie die ruſſiſchen nach Sibirien (Zeitſchrift IV, 430), Elemente der Civiliſation gebracht haben, da wenigſtens de la Brunière's, Venault's und des apoſtoliſchen Vicars Verolles Berichte nichts davon erwähnen. Den— noch ſcheint die Mandſchurei für die Errichtung feſter Niederlaſſungen ganz geeignet zu ſein, indem ſchon die erſten ruſſiſchen Streifpartien und Eroberer in der Nähe des Amuͤr ſelbſt und ſeiner Zuflüſſe Acker— bau vorfanden. So traf Pojarfoff denſelben bei den an der Seia wohnenden Da⸗üren, nicht minder war dies mit Chabaroff der Fall, und endlich wußte ſogar ein zur Unterſuchung des Amuͤrlandes von Nertſchinsk aus mit einem Koſakentrupp abgefertigter Offizier, der Bojarenſohn Ignatei Milowanoff, nicht genug die Güte des dortigen Ackerlandes hervorzuheben (Müller bei Büſching II, 496), indem auch er an der Seia und dem Amuͤr den Boden an vielen Stellen culti— virt fand; ja ſelbſt den Gebrauch der Silo's ſah Chabaroff bei den Eingeborenen (Müller in feiner Sammlung ruſſiſcher Geſchichten II. 311). Deshalb ſäeten ſchon deſſen Leute Korn (S. 312), und Cha— baroff's Nachfolger, der von der ruſſiſchen Regierung eingeſetzte Statt— halter des Amuͤrlandes Sinowiew, wollte gleichfalls im Jahre 1652, daß Ackerbau hier betrieben würde (S. 337), ja der ruſſiſche Hiſto— riker Fiſcher fand ſich nach den ihm vorliegenden Berichten ſogar zu der Aeußerung veranlaßt, daß man ſich keine bequemere und frucht— barere Gegend für den Ackerbau wünſchen könne (Sibiriſche Geſchich— ten II, 807). Dieſe günſtige Beſchaffenheit des Amtırlandes im Ver— gleiche mit Sibirien machte einen ſolchen Eindruck, daß die Sibirier damals die neuen Eroberungen, ganz wie die Anglo-Amerikaner vor einigen Jahren Californien, als ein neues Ganaan und als ein ſibi— riſches Paradies anſahen, und daß ſich ein allgemeiner Schwindel der dünnen Bevölkerung Sibiriens bemächtigte, die ſich nun immer mehr nach dem Süden hin zerſtreute (Müller Sammlung II, 337). Da endlich Eiſenerze zwiſchen dem Amür und dem Selindafluſſe vor— 358 Gumprecht: kommen, die, wie es ſcheint, noch heute nicht von den Eingeborenen benutzt werden, alſo Quellen des Gedeihens in dieſem Theile der Mandſchurei reichlich vorhanden waren, ſo ſchlug ſchon Chabaroff das von dem Amuͤr und der Seia gebildete Zweiſtromland zur Anlegung einer Stadt vor, ein Plan, der nicht zur Ausführung kam und unter den obwaltenden Umſtänden zwei Jahrhunderte hindurch ruhen mußte, bis er erſt in der neueſten Zeit nebſt anderen Plänen des intelligenten Chabaroff aufgenommen werden konnte. Schon im Frühlinge dieſes Jahres ſandte nämlich die ruſſiſche Regierung einige Bauernfamilien aus dem Irkuͤtsker Bezirke den Amur abwärts mit der Weiſung, ſo— fort Aecker anzulegen und dieſe zu bebauen, damit die Coloniſten ſchon im Herbſte ihr eigenes Korn und Gemüſe hätten. 300 Werſte von der Mündung des Amur wird eine Bezirksſtadt mit einer Feſtung an— gelegt werden, der Verwaltungsbezirk von Kamtſchatka hört nach dem irfütsfer Berichte wahrſcheinlich ganz auf, worauf der neueſte Abzug der ruſſiſchen Beſatzung und der ruſſiſchen Behörden aus Kamtſchatka hindeutet, und ein neuer im Amürlande tritt an deſſen Stelle. Eben— falls im Frühlinge begab ſich der General-Gouverneur des öſtlichen Sibiriens nach dem acquirirten Gebiet, um die nöthigen Maßregeln zur Regulirung der Verhältniſſe und namentlich zur Feſtſtellung der Grenzen mit den chineſiſchen Behörden zu treffen. Gleichzeitig gingen ununterbrochene Züge von Feſtungsartillerie, Kanonenkugeln, Bomben, eiſernen Laffeten, Ankern und Dampfmaſchinen durch Irkuͤtsk, die ſo— fort über den Baikal weiter geſchafft wurden, ſo daß alle Maßregeln der ruſſiſchen Regierung darauf hinweiſen, daß ſie das Amuͤrland umfaſſend zu benutzen beabſichtigt. Dadurch erklärt es ſich zugleich vollkommen, daß nach den neueſten Berichten aus jenen fernen Gegenden die Amur mündung durch ſtarke Forts mit einer Beſatzung von angeblich 8 — 10,000 Mann geſichert iſt, aber es ſcheint nicht richtig, daß der Fluß bei ſeinem Eintritte in den Ocean nur 13 Fuß Waſſertiefe hat, indem die den vereinigten Flotten in Kamtſchatka entgangenen ruſſiſchen Kriegs— fahrzeuge, darunter zwei große Fregatten, die Amuͤrmündung paſſirt und in dem Strome ſelbſt Schutz gefunden haben. Unter den Elementen für das künftige Aufblühen des Amürlan— des dürfte namentlich auch der ungemeine Fiſchreichthum der großen Ströme keine geringe Stelle einnehmen, indem die Flüſſe nach de la r „ ne Die neueſten ruſſiſchen Erwerbungen im Amürlande, 359 Bruniéère nicht allein von bekannten Fiſchen, wie Lachſen, Lachsforellen, Stören, Haufen (Bjeluga) von 20 — 25 Fuß Länge, Hechten, Wel— ſen, welche letzte erſt wieder im Onon, einem Quellſtrome der Schilka, ſich finden, nachdem ſie in ganz Sibirien vom Ural an fehlen (Ritter's Erdkunde, Aſien II, 281), wimmeln, ſondern auch zahlreiche andere unbekannte und werthvolle große Fiſche beſitzen. Dazu gehört z. B. der Iluam-iù von 1000 bis 2000 Pfund Schwere, der ein ſehr weißes, ſehr delicates knorpliges Fleiſch hat und deſſen eigentliche Knorpel ſogar für das Beſte an dem ganzen Thiere gehalten werden, weshalb anch die chine— ſiſchen Beamten ſie für die Tafel des Kaiſers ſammeln müſſen; ferner der Tamara von 10 — 15 Pfund Gewicht, der aus dem Meere in die Fluͤſſe aufſteigt. Die Anwohner des Amuͤr find übrigens ſehr geſchickte Fiſcher, und beſonders die Tunguſen am unteren Amuͤr ſchießen die Fiſche mit Armbrüſten, ſobald fie deren Nüdenfloffen aus dem Waſſer auftauchen ſehen. Selbſt ein Pflanzenproduct der ſüdlichen Mandſchurei dürfte für den künftigen Handel der Ruſſen mit China von Bedeutung werden. Es iſt dies der bei den Chineſen ſo hoch berühmte Ginſeng, die tuberculoſe Wurzel von Panax Ginseng, einer Araliacee, deren erſte genauere Beſchreibung und Zeichnung wir ſchon vor faſt 150 Jahren dem Jeſuiten P Jartoux verdankten (Lettres édifiantes des Missions. Paris 1713. X, 160 — 172), und die in neuerer Zeit wieder durch Nees von Eſenbeck wiſſenſchaftlich unterſucht und im Supplement ſeines zu Düſſeldorf erſchienenen Werkes über Arzeneigewächſe Tafel 112 abgebildet wurde. Ueber die Heilkräfte dieſer merkwürdigen Pflanze, deren Vorkommen im öſtlichen Aſien ſich auf Korea (J. M. Callery in der Revue de l’Orient 1844, V, 277) und auf die ſüdliche, an Korea anſtoßende Mandſchurei in der Nähe des Uſuri zu beſchränken ſcheint !), find die Berichterſtatter bekanntlich ſehr verſchiedener Anſicht. Wahrend die Chineſen den Ginſeng in allen körperlichen Uebeln für eine Panacee halten, die Schwindſüchtige nach Verluſt ihrer halben Lunge heilen ſoll, Greiſen angeblich das erloſchene Jugendfeuer wiedergiebt, die Wirkung von Giften im Körper völlig zerſtört und ähnliche Wunderkräfte ausübt (Callery 277), haben ſich neuere euro— ) Sonderbarer Weiſe ſagt der franzöſiſche Conſul Gallery, der freilich nicht in Korea ſelbſt war, daß der Ginſeng hier auf waldfreien (decouvertes) Bergen waͤchſt, wogegen de la Bruniere denſelben am Uſuri gerade in Bergwäldern gedeihen läßt. 360 Gumprecht: päiſche Forſcher in der Hinſicht ziemlich ungläubig gezeigt ). Die Chi— neſen nennen in ihrer Vorliebe für den Ginſeng denſelben nach Jar— tour auch wohl Orhota d. h. König der Pflanzen, während das Wort Ginſeng nicht das Leben der Menſchen in Bezug auf die angeblichen Heilkräfte der Pflanze, ſondern in Bezug auf die eigen— thümliche formelle Geſtaltung der Wurzel lebender Menſch bedeuten ſoll (Gallery 278). Nach dem Werth, den die Chineſen dem Ginſeng beilegen, ſind die Preiſe in deren Lande natürlich ſehr hoch und nament— lich Eremplare des wahren Ginſeng von Korea werden noch immer mit Golde aufgewogen, ſo daß die Wurzel den lohnendſten Theil des Han— dels von Korea mit China bildet. Die Exemplare aus der Mandſchurei haben aber ſogar einen erſtaunlich hohen Werth, wenn es wahr iſt, wie P. Verolles berichtet, daß man 50,000 Francs für das Pfund bezahlt, wogegen der koreaniſche Ginſeng jetzt nur noch 200 Francs im Handel gilt (Nouv. Annales des voyages 1852, IV, 223) 2). Mit Recht führt darum der Ginſeng der Mandſchurei, wie de la Bru— nière verſichert (a. a. O. IV, 107), den Namen des Schatzes des Landes. Bei ſo enormen Preiſen und der wenigen Wirkſamkeit des durch Cultur gezogenen Ginſeng nach Angabe der Chineſen darf man ſich auch nicht wundern, daß der canadiſche Ginſeng, die Wurzel einer dem mandſchuriſchen Ginſeng nachſtehenden Panaxart, trotz ihres viel geringeren Werthes zwei Drittel von dem Conſum dieſes Products in China bildet (Callery 277). Was endlich noch die Heilkräfte des Gin— ſeng betrifft, ſo iſt es gegen die europäiſchen Zweifler allerdings von Be— deutung, daß die älteren und neueren franzöſiſchen Geiſtlichen in Ching dieſelbe gar nicht für eine Chimäre erachten. Schon Jartoux erklärte den Ginſeng aus eigenen Beobachtungen für ein treffliches toni— ſches Mittel (a. a. O. 162 — 164) und übereinſtimmend damit ſagte de la Bruniere, er halte denſelben nach eigener Erfahrung für das beſte tonifche Mittel bei Magenſchwäche, wo der Ginſeng noch wirke, ) Der berühmte franzöſiſche Botaniker Richard jagt z. B. in feiner Botanique médicale, daß der Ginſeng ſich durch 100 andere unendlich wohlfeilere europäiſche Pflanzen erſetzen laſſe. 2) Nach de la Bruniere bringt eine Wurzel von Fingersdicke dem Finder in Mandſchurien einen Gewinn von 800 — 1000 Taels (a. a. O. IV, 105). Der Tael iſt 612 preuß. Silbergroſchen gleich. e Die neueſten ruſſiſchen Erwerbungen im Amuͤrlande. 361 wenn ſelbſt die China ihre Dienſte verſage (a. a. O. 106), freilich wäre nur die wilde Pflanze gut. Wie dem auch ſei, ſo dürften die Ruſſen, wenn ſie ſich des Handels von Süd-Mandſchurien bemächtigen, was nicht lange ausbleiben wird, in dieſem Producte einen werthvollen Export— artikel nach China erlangen. Bisher geſtattete die Regierung nur etwa 10 chineſiſchen Kaufleuten gegen Erlegung von 100 Taels und mehr und gegen Ertheilung von Päſſen den Eintritt in die Mandſchurei, ſowie die Befahrung des Sunghari und Uſuri, um Ginſeng zu kau— fen, ſo daß der höchſt einträgliche Handel damit das Monopol weni— ger Begünſtigten war. Außer dieſem Product und dem Tribut von Pelzwaaren brachte das ganze Amuͤrland China nichts ein, woge— gen die Unterhaltung einer beträchtlichen Flotte auf den ſchiffbaren Strömen, einer Militairmacht und der Beamten große Koſten verur— ſachte. So muß man alſo ganz der von Herrn C. Ritter in richtiger Erkenntniß der Verhältniffe ſchon im Jahre 1834 ausgeſprochenen An— ſicht (Erdkunde, Aſien III, 437) beiſtimmen, welche wörtlich alſo lau— tete: „Den Chineſen bringt der Amur, in deſſen Hauptbeſitz fie nach ſeinem mittleren und unteren Laufe ſind, gar keinen beſonderen Vor— theil, doch ſchließt die bewaffnete Macht, die ſie auf ihm halten, jeden Anderen von deſſen Beſitze aus. Den Ruſſen allein würde eine Schiff— fahrt auf ihm zu einer höchſt bequemen und erwünfchten Communica— tion ihres ſibiriſchen Binnenlandes mit den transmarinen Coloniſatio— nen und dem Handel im Nord des Oſt-Oceans verhelfen können.“ Außer dem Amur hat in neueſter Zeit noch ein intereſſanter Punkt der im Süden von Sibirien gelegenen chineſiſchen Landſchaften die Auf— merkſamkeit auf ſich gezogen. Nach dem bekannten Werke des alten tatariſchen Hiſtorikers Abulghaft Bajandur Khan wußte man nämlich, daß Dſchingis Khan unfern der heutigen ruſſiſchen Grenze in dem zur Mongolei gehörenden Bezirke Blun Juldyk oder Delun Boldak, welcher unweit des See's Eke-Aral und an dem ſchon genannten Ononfluſſe liegen ſollte, geboren war. Ueber die Geburtsſtelle ſtellte neuerlichſt ein junger zum Chriſtenthum übergegangener und in Kaſan auf Staats— koſten ausgebildeter Buräte, Namens Dſchordſchi Banſaroff, nach ſeiner Rückkehr zu Irkutsk, wo er als Regierungsdolmetſcher angeftellt iſt, in einer Abhandlung Unterſuchungen an, nachdem er ſchon vorher zu St. Petersburg eine im dortigen Muſeum der Kaiſ. Academie der Wiſſen— 362 Neuere Literatur: ſchaften darauf bezügliche berühmte Tafel gezeichnet und erläutert hatte. Um hierüber in das Klare zu kommen, veranlaßte der ſibiriſche Zweig der ruſſiſchen geographiſchen Geſellſchaft einen in Nertſchinsk angeſie— delten Kaufmann, der ſelbſt ein heidniſcher Buräte war, die Ufer des Onon zu unterſuchen. Wirklich fand derſelbe auf der rechten Seite des Onon, 7 Werſt oberhalb des See's, einen Landſtrich, der noch heute Delun Bolduk heißt. Leider erkrankte der Kaufmann auf der Rückkehr und ſtarb bald darauf zu Nertſchinsk, ſo daß von den Er— gebniſſen ſeiner Reiſe wenig bekannt werden dürfte. Gumprecht. Neuere Citeratur. Die Terrainaufnahme rationell aus der Lehmann'ſchen Theorie der Ter— raindarſtellung entwickelt von Hermann v. Schintling, Oberft- lieutenant und Director des topographiſchen Bureau's des königl. baieriſchen General-Quartiermeiſter-Stabes. Mit einer lithographir⸗ ten Tafel. München 1855 1). Die Methode, Berge und Unebenheiten des Bodens durch ſenkrechte Be— leuchtung anfchaulich darzuſtellen, hat nach und nach über alle anderen Mas nieren der Bergzeichnung den Sieg davon getragen und iſt gegenwärtig all— gemein eingeführt. Ihr Erfinder war der kurſächſiſche Lieutenant Lehmann. Die Zeit der Erfindung fällt in das Jahr 1797, obgleich ſeine Schrift über die Theorie des Situationszeichnens erſt 1802 erſchien. Die erſten Proben, welche Lehmann in ſeiner Manier lieferte, übertrafen an Wahrheit und an Gefälligkeit im Ausdruck alle früheren Leiſtungen. Sein ſcharfer Blick im Auffaſſen der Formen und eine wohlgeübte Hand verliehen feinen Zeichnungen neben der Treue noch einen fo hohen künſtleriſchen Werth, daß ſie bisher nirgends übertroffen wurden. Es war ihm gelungen, die bild— liche Darſtellung der Berge von einer meiſt principloſen Arbeit auf mathe— matiſche Grundlagen zurückzuführen und die Technik derſelben zu einer Kunſt zu erheben; eine natürliche Folge davon war aber auch, daß nicht Jeder ſie 1) Mitgetheilt von dem Königl. Generalmajor und Dirigenten der trigonometri— ſchen Aufnahmen, Herrn Baeyer. G. et ee he rn ur 4 * ee ae vr. H. v. Schintling: Die Terrainaufnahme. 363 ausüben konnte, denn es gehörten außer Fleiß und Anſtrengung auch natür— liche Anlagen dazu. Dieſer Umſtand verſchaffte ihm Widerſacher; man fand ſeine Methode zu ſchwierig und es tauchten von verſchiedenen Seiten Ver— beſſerungs-Vorſchläge, bequemere Methoden auf, die ſich namentlich bei Di— lettanten leicht Eingang verſchafften; es fanden ſich aber auch unter Sach— kennern und Praktikern warme Vertheidiger. Zu dieſen gehörte bei uns der Duartiermeifter Lieutenant v. Rauch, derſelbe, welcher nach den Freiheitskrie— gen als General und Chef des Ingenieur-Corps allgemein bekannt war und zuletzt als Kriegsminiſter geſtorben iſt. Die Veranlaſſung dazu war folgende. Als im Jahre 1803 die Lehmann'ſche Methode bei unſeren Militairſchulen eingeführt werden ſollte, hatte der preußiſche Artillerie-Lieutenant Schienert eine verbeſſerte, nach ihm benannte Methode in Vorſchlag gebracht, die darin beſtand, daß er an die Stelle der Lehmann'ſchen Bergſtriche Signaturen (gerade, punktirte, gekrümmte und gekreuzte Striche) ſetzte, alles Uebrige aber nach Lehmann ließ. Der damalge General-Quartiermeiſter der Armee, Ge- neral v. Geuſau, hatte den Lieutenant v. Rauch mit einer Begutachtung die— ſes Vorſchlages gegenüber der Lehmann'ſchen Methode beauftragt und es ſcheint, daß in Folge dieſes Gutachtens die Lehmann'ſche Methode definitiv bei uns eingeführt wurde. Es wird nicht ohne Intereſſe fein, einige Stellen dar— aus anzuführen, weil ſie einen Vergleich zwiſchen der damaligen und jetzigen Auffaſſung der Sache geſtatten. Nachdem der Berichterſtatter die wiſſenſchaftliche Grundlage der Lehmann— ſchen Methode klar und bündig erörtert, die treue und dem Auge gefällige Darſtellung der Formen hervorgeboben hat, fährt er fort: „Die Gegner dieſer Methode ſagen, daß dazu 1) ein größerer Zeitaufwand, 2) mehr Mühe und Anſtrengung der Augen, 3) ein verhältnißmäßig ſehr großer Maßſtab, 4) mehr Aufmerkſamkeit beim Copiren der Zeichnungen gehören; 5) kein deutliches Brouillon beim Aufnehmen geführt werden könne, und 6) die Berg-Gradation ſchwer zu beurtheilen ſei. Alle dieſe Einwürfe ſind jedoch nur äußerſt relativ und zeigen mehr von der Unkunde und der wenigen Mühe, welche man ſich bis jetzt gegeben hat, die Lehmann'ſche Methode gründlich zu ſtudiren und ſich darin zu routiniren, als daß ſolche dieſer Methode zum reellen Vorwurf gereichen könnten. Nicht allein das Beiſpiel des Lieutenants Lehmann und das aller ſeiner Eleven und Zöglinge ſelbſt, welche an ſeinem muſterhaft vortrefflichen Unter— richt Antheil nahmen ), ſondern auch anderer Perſonen, deren es bereits einige in der preußiſchen Armee giebt, beweiſt hinlänglich, daß weder das Er— lernen, noch das Ausüben ſeiner Methode mit ſo großen Schwierigkeiten, als ) Lehmann war Lehrer am Cadetten-Corps in Dresden. B. 364 Neuere Literatur: man wohl glaubt, verbunden iſt. Keiner, am wenigſten der Lieutenant Lehmann, hat bei der ſteten Ausübung dieſer Methode ſeine Augen verletzt u. ſ. w.“ In Bezug auf die Schienert'ſche Methode heißt es an einer anderen Stelle des Berichts: „Es kann wohl unmöglich gegründet ſein, daß ein nach dieſer Methode gut gezeichneter Plan in kürzerer Zeit, als nach der Lehmannſchen Manier vollendet werden könne, indem es doch wohl ausgemacht iſt, daß man ge— ſchwinder und leichter einförmig grade Striche, als punktirte und bald dünne bald dickere und wiederum quer durchzogene Striche verfertigen kann. Uebri— gens macht dieſe Bezeichnungsart dem Auge einen fremdartigen unangenehmen Eindruck. Man ſehe nur die Schienert'ſche Aufnahme der Gegend um Freien— walde an, um ſich zu überzeugen, daß dieſe Darſtellung nicht eine bildliche, ſondern eine Darſtellung durch Zeichen oder Charaktere ſei, welche man will— kürlich auf ſehr mannigfaltige Art verändern könnte. Bei der Lehmann'ſchen Methode iſt ſicher ein gewiſſer Aufwand von Zeit und Mühe nothwendig, ſie läßt dann aber auch nichts mehr zu wünſchen übrig. Es wird dabei hauptſächlich auf eine durch Erfahrung begründete Kenntniß der Theorie des Terrains überhaupt, auf Ueberblick des Ganzen, auf ein richtiges Augenmaß, eine leſerliche Zeichnung und auf eine gewiſſe Fertigkeit, ein charakteriſtiſches Bild einer Gegend nach gewiſſen Hauptzügen zu entwerfen, ankommen. Zu jeder Sache, die man bis zu einem gewiſſen Grade von Fertigkeit bringen will, gehört Studium, viel Uebung, Geduld, Fleiß, Zeit und Genie.“ Zum Schluſſe heißt es: „Eifer für die gute Sache, verbunden mit einer anfänglichen Anſtrengung, um ſich Routine in dieſem neuen Syſteme zu verſchaffen, Hintanſetzung der Verbeſſerungsſucht und Vergeſſenheit aller mangelhaften alten, durch das Her— kommen nur allein geheiligten Methoden würde hinreichend ſein, um binnen kurzer Zeit große und auffallende Fortſchritte zum allgemeinen Nutzen und Frommen in dieſem gewiß wichtigen Zweige der militairiſchen Wiſſenſchaften zu thun.“ Dieſer 4 Bogen lange Bericht iſt mit ſeltener Klarheit geſchrieben und zeigt einen fo ſicheren praktiſchen Blick auf dem Gebiet der Terrain-Auf— faſſung und Darſtellung, daß er noch jetzt als eine gründliche Abwehr gegen Neuerungsſucht und ſogenannte verbeſſerte Methoden dienen kann; denn der Gedanke, bequemere Methoden für die bildliche Darſtellung der Berge zu er— finden, iſt noch keineswegs aufgegeben und obgleich er bis jetzt ſtets mißlun— gen, ſo bringt er doch von Zeit zu Zeit immer wieder neue Vorſchläge, oder alte unter einem neuen Gewande zum Vorſchein, ruft aber auch auf's Neue gewichtige Vertheidiger der Lehmann'ſchen Methode auf. Das oben angeführte Werk verdankt dieſem Umſtande ſeine Entſtehung; H. v. Schintling: Die Terrainaufnahme. 365 und vielleicht auch zum Theil ſeine ſo gründliche und klare Darſtellung; es iſt eine dankenswerthe Bereicherung der Literatur über dieſen Gegenſtand. Der Verfaſſer behandelt feine Aufgabe rein wiſſenſchaftlich, man erkennt aber überall den erfahrenen Praktiker heraus, der über jede Schwierigkeit ſelbſt nachge— dacht und es verſtanden hat, ſie zu überwinden; er geht deshalb auch keinem Einwande gegen die Lehmann'ſche Methode aus dem Wege und erörtert mit großer Unparteilichkeit die ſtreitigen Punkte. Das Buch iſt in 4 Abſchnitte getheilt: Der 1. Abſchnitt — Theorie der Terrainzeichnung, econſtrue— tive Grundlage derſelben — handelt von der Projection der Berg— flächen, den Horizontalen, Neigungslinien u. ſ. w. Der 2. Abſchnitt — Betrachtungen über die Anwendung der conſtruetiven Geſetze auf die Terraindarſtellung und über die Modificationen, welche hierbei eingetreten ſind — giebt eine kri— tiſche Beleuchtung der verſchiedenen Methoden und Manieren der Bergzeichnung und wägt ihre Vortheile und Nachtheile gegen einander ab. Der 3. Abſchnitt — Fehlergrenzen für die Aufnahme und Dar— ſtellung des Terrains — iſt neu in den Lehrbüchern der Bergaufnahme und Bergzeichnung und verdient von Jedem, der ſich nicht über den Grad der Genaigkeit ſeiner Arbeiten täuſchen will, eine gründliche Beachtung. Der 4. Abſchnitt — die Aufnahme des Terrains — behandelt die praktiſchen Verfahrungsweiſen und iſt beſonders reich an nützlichen Regeln und Winken, die aus einer vieljährigen Erfahrung hervorgegangen ſind; ſie werden jedem Anfänger ſehr willkommen ſein und ihm über manche Schwie— rigkeit und Unſicherheit hinweghelfen. Dieſe wenigen Bemerkungen dürften genügen, um das Buch für Lehrer und Schüler nützlich und empfehlenswerth erſcheinen zu laſſen; ich kann die— ſelben aber nicht abbrechen, ohne zugleich auf eine andere Erſcheinung auf dieſem Gebiete aufmerkſam zu machen: es iſt dies die praktiſche Schule des Situationszeichnens mit beſonderer Berückſichtigung der Terraindarſtellung nach Modellen von C. Ph. Neutze. Caſſel 1854. Beide Werke ſtehen ſo in Verbindung zu einander, daß das erſte ge— wiſſermaßen den theoretiſchen Theil zu dem zweiten bildet. Die Modelle des Herrn Neutze ſind treue Nachbildungen der Natur und die ſauber ausgeführ— ten Zeichnungen beruhen auf genauen und ſorgfältigen Aufnahmen. Baeyer. ltiscefflen. Allgemeine Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der admi— niſtrativen Statiſtik der verſchiedenen Staaten. Bei Zuſammenſtellung der nachfolgenden Ueberſicht hatte der Verfaſſer zweierlei im Auge, einmal die Darlegung der adminiſtrativ-ſtatiſtiſchen Ein richtungen in den verſchiedenen Staaten und dann den rein praktiſchen Zweck, denjenigen, welche ſich mit ſtatiſtiſchen Fragen beſchäftigen, einen Quellen— anzeiger der adminiſtrativen Statiſtik zu liefern. In beiden Beziehungen glaubte der Verfaſſer einem Bedürfniſſe zu begegnen. An Darſtellungen der Lage der officiellen Statiſtik einzelner Staaten fehlt es allerdings nicht, der erſte ſtati— ſtiſche Congreß hat hierin wichtige Mittheilungen zur allgemeinen Kenntniß gebracht, ebenſo ſind in Bezug auf den Nachweis der Quellen officieller Sta— tiſtik Arbeiten vorhanden, in deren gewiſſenhafter Sorgfalt der Verfaſſer ein Vorbild erblicken mußte, wie in Fallati's Aufſätzen in der Zeitſchrift für Staatswiſſenſchaft. Eine vollſtändige Sammlung der Art fehlt jedoch bis jetzt, hier iſt die Vollſtändigkeit wenigſtens verſucht worden, und gerade die Fülle des Materials, welches dem Verfaſſer namentlich in den reichen Samm- lungen des königl. ſtatiſtiſchen Bureau's zu benutzen geſtattet war, hat den— ſelben zu ſolchem Verſuche angetrieben. In der Art der Beſprechung hat ſich der Verfaſſer lediglich durch das praktiſche Bedürfniß leiten Yaffen; Abwei— chungen in der Auswahl des Anzuführenden wurden hierbei ſchon dadurch bedingt, daß ſich die adminiſtrative Statiſtik in den einzelnen Staaten in ganz verſchiedenen Stadien der Entwickelung befindet; der Verfaſſer iſt nur ſo weit zurück gegangen, als der Zweck einer nicht hiſtoriſchen, ſondern „ſtatiſtiſchen“ Ueberſicht erforderte, überhaupt hat er es für ſeine Pflicht gehalten, die ganze Darſtellung ſo kurz zu faſſen, als es ſich irgend mit dem Gegenſtande ver— einigen ließ. I. Der deutſche Bund im Allgemeinen, die Hanſeſtädte und Mecklenburg ins beſondere. Eine adminiſtrative Statiſtik des deutſchen Bundes giebt es noch nicht; die Beſchaffung der zu Bundeszwecken erforderten Data war den einzelnen Staaten überlaſſen und beruhte nicht auf gleichmäßigen Aufnahmen. Im Januar 1847 wurde auf Reden's Betrieb der Verein für deutſche Statiftif zu Berlin gegründet, die Zeitſchrift dieſes Vereins erſchien in dieſem und dem folgenden Jahre und brachte ſtatiſtiſche Arbeiten über Deutſchlands Bevölke— rungsverhältniſſe, Schulen, Rhederei, Militair, Creditinſtitute, Verſicherungs— weſen, Weinbau, Forſten und Handel; ſeit Reden's Abgang nach Frankfurt Y. Ale eo u Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 367 hatte der Verein nur noch unter dem Namen des Berliner Zweigvereins eine kurze Exiſtenz. Im deutſchen Parlamente brachte Hildebrandt zuerſt die Be— arbeitung der deutſchen Statiſtik in Anregung, Reden richtete ein ſtatiſtiſches Bureau beim volkswirthſchaftlichen Ausſchuſſe ein, als deſſen Arbeiten meh⸗ rere Beilagen zu den Parlaments verhandlungen, namentlich die vergleichende Zuſammenſtellung der Einfuhrzölle nach Oeſterreich, dem Zollverein, dem Steuerverein und Schleswig-Holſtein (mit Bemerkungen über Schiffahrt und Handel), die vergleichende Darſtellung der Gewerbegeſetzgebung der ein— zelnen Staaten und eine ſtatiſtiſche Zuſammenſtellung des deutſchen Poſtwe— ſens erſchienen ſind. Die Reichsgewalt zog behufs Feſtſtellung der Matriku— larbeiträge von ſämmtlichen Staaten Nachrichten über den Stand der Bevöl— kerung ſeit 1818 ein, auf Grund deren im Frühjahr 1849 die proviſoriſche Bevölkerungsmatrikel angelegt wurde. Auf Antrag des Parlaments (zuerſt von Schubert beantragt) unternahm es das Reichsminiſterium, eine allgemeine deutſche Volkszählung auszuführen, es kam jedoch dieſe eben ſo wenig, wie die beabſichtigte Errichtung eines ſtatiſtiſchen Reichsbureau's zu Stande (Hanſ— ſen's Gutachten über die Volkszählung iſt in Rau's Archiv abgedruckt). Zum Zwecke derſelben hatte das Reichsminiſterium (durch Ausſchreiben des Unter— ſtaats⸗Secretärs Fallati) von den einzelnen Staaten Nachrichten über die beſtehenden ſtatiſtiſchen Einrichtungen und die Aufnahmen über Stand und Bewegung der Bevölkerung insbeſondere eingezogen; keine Antwort hatte daſ— ſelbe von Baiern, den Heſſen, Limburg, Schaumburg, Bernburg, Gotha, Altenburg und Rudolſtadt, keine Auskunft von Oeſterreich, Braunſchweig, Weimar und Frankfurt erhalten. Außerdem hatte das Handelsminiſterium des Reiches durch Anfrage bei den einzelnen Staaten die ſtatiſtiſchen Data über die deutſche Flußſchifffahrt in den Jahren 1843 bis 1847 geſammelt. — Bei dem Verwaltungsrathe der deutſchen Union wurde die gleichmäßige Er— hebung ſtatiſtiſcher Data in den verbundenen Staaten von preußiſcher Seite in Antrag gebracht; es hatte dies die Folge, daß namentlich in mehreren klei- neren Staaten die Förderung der adminiſtrativen Statiſtik in Angriff genom— men wurde. Auf die Herſtellung einer deutſchen Statiſtik wirkt jetzt in den ihr vorzugsweiſe übertragenen Gebieten die Privatthätigkeit hin, wobei beſon— ders das Hübnerſche Inſtitut zu erwähnen iſt, indem Hübner in feinem Jahr buche Zuſammenſtellungen der deutſchen Schifffahrt, Auswanderung, Banken, Sparkaſſen und des Verſicherungsweſens giebt. Die Statiftif der deutſchen Eiſenbahnen wird alljährlich von dem Bureau des Vereins der Eiſenbahn— Verwaltungen herausgegeben. Da von den anderen deutſchen Staaten theils unter II. (Zollverein), III. (Oeſterreich), V. (Niederlande) und VII. (Dänemark und die Herzogthümer) die Rede ſein wird, Liechtenſtein aber füglich übergangen werden kann, ſo bleibt hier nur die adminiſtrative Statiſtik der Hanſeſtädte und Mecklenburgs zur Beſprechung übrig. 368 Miscellen: In Hamburg beſteht ſeit 1847 bei der Commerzdeputation das handels- ſtatiſtiſche Bureau, welches die ſehr ausführlichen tabellariſchen Ueberſichten des hamburgiſchen Handels herausgiebt; die erſte derſelben erſchien für die Jahre 1845 bis 1848 im Jahre 1850, ſeitdem ſind ſie jährlich erſchienen. Voran gingen denſelben Soetbeer's Arbeiten über den Hamburger Handel ſeit 1836 in dreijährigen Perioden; überhaupt aber fanden ſich in Hamburg, wie in den anderen Hanſeſtädten, auch früher ſchon allgemeine Zuſammen— ſtellungen über Handel, Rhederei und Schiffahrt. Zur ſtatiſtiſchen Bearbei— tung der übrigen Verwaltungszweige iſt dadurch ein Schritt geſchehen, daß die Senatsmitglieder beauftragt worden ſind, von 1849 ab über die ihnen untergeordneten Zweige der Verwaltung ſtatiſtiſche Jahresberichte zu erſtatten. Der Umfang der ſtatiſtiſchen Erhebungen iſt erſichtlich aus der Statiſtik und Topographie der Stadt Hamburg und ihres Gebiets von Neddermeyer (vor— mals in der ſtatiſtiſchen Section des hiſtoriſchen Vereins zu Hamburg); ſie bezieht ſich auf die Jahre 1826 bis 1842. Sehr unvollkommen ſind noch jetzt die Zählungen, ſogenannten Umſchreibungen, dagegen werden die Tabellen der Geburten, Trauungen, Sterbefälle (Bewegung des Civilſtandes) genau gearbeitet, weitere ſtatiſtiſche Aufſtellungen betreffen z. B. die Tabellen der Rechtspflege, der Gefängniſſe, der Markt-, Sicherheits- und Feuerpolizei, ferner die Krankenhäuſer, Wohlthätigkeitsanſtalten und die Geldinſtitute. Im Herbſt 1853 hat ſich ein Verein für hamburgiſche Statiſtik gebildet, dieſer hat im vorigen Jahre das erſte Heft der Beiträge zur Statiſtik Hamburgs herausgegeben, welches den Stand der Bevölkerung, die Bewegung des Civil— ſtandes, die Ertheilung des Bürgerrechts, die Armenanſtalten, die Conſumtion acciſepflichtiger Gegenſtände und den Staatshaushalt im Weſentlichen ſeit 1821 in einer Anzahl überſichtlicher Tabellen darſtellt. Auch die von Aſher heraus— gegebene Criminalſtatiſtik beruht auf amtlichen Quellen. In Lübeck hat die Bearbeitung der Statiſtik mit Behrend's Werk (voll- endet 1839), an welchem verſchiedene dortige Beamte mit thätig waren, be— gonnen. Im Jahre 1841 hat ſich ein Ausſchuß der Geſellſchaft zur Beför— derung gemeinnütziger Thätigkeit zu Lübeck als Verein für lübeckiſche Sta— tiſtik conſtituirt; derſelbe hat die Statiſtik der Stadt und ihres beſonderen und gemeinſamen Gebiets ſeit 1840 bearbeitet; ſeit 1848 hat er einen halb— offiziellen Charakter erhalten. Die von ihm herausgegebenen Tabellen be— treffen Meteorologie, Waſſerſtand, Areal, die Ergebniſſe der fünfjährigen Volks⸗ zählungen und die Bewegung der Bevölkerung, das Land nach Culturarten, Gebäude, Viehſtand, Unterricht, Conſumtion, Marktpreiſe, Beſteuerung, Schif— fahrt und Seeverſicherung. Die erſten 54 Tabellen (bis 1850) ſind unter dem Titel der Arbeiten des Vereins für lübeckiſche Statiſtik zuſammen erſchie— nen, die Tabellen 55 bis 74 umfaſſen die drei folgenden Jahre. Außerdem ſind an ſtatiſtiſchen Arbeiten lübeckiſcher Behörden die Finanzüberſichten, die Tabellen der Einfuhr und Schiffahrt für 1834 bis 1843 von der Zolldepu⸗ ai a a r A e * Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 369 tation und der Bericht" der Armendeputation über die Wohlthätigkeitsanſtalten in den Jahren 1833 bis 1839 herausgegeben worden. In Bremen iſt im Jahre 1847 nach dem Muſter des hamburgiſchen Bureau's eine handelsſtatiſtiſche Behörde eingeſetzt worden, welche für 1848 einige allgemeinere Tabellen, dann zuerſt für 1849 und alljährlich je im fol— genden Jahre die tabellariſchen Ueberſichten des bremiſchen Handels, welche zugleich Schiffahrt und Handelsmarine enthalten, herausgegeben hat. Vor— her waren als die reichhaltigſte Quelle über den bremiſchen Handel die von den dortigen Maklern aufgeſtellten Rückblicke über den Handel von Bremen anzuſehen. Außerdem werden in Bremen die Conſumtionsliſten, die Zuſam— menſtellungen der Geburten, Trauungen, Sterbefälle, der Verleihung des Bür— gerrechts und der Auswanderungen veröffentlicht; Volkszählungen finden in Bremen nicht regelmäßig ſtatt, ſondern nur in außerordentlichen Fällen, ſo 1823 und 1842. Die Statiſtik der beiden Großherzogthümer Mecklenburg iſt regelmäßig in betreffenden Staatskalendern mitgetheilt, insbeſondere die Statiſtik der Tau— fen, Trauungen, Sterbefälle, die jedesmal im November aufgenommene Be— völkerungsliſte, der Flächeninhalt der Güter, die Gewerbeliſten, und die Ta— bellen der Verſicherungsanſtalten und Sparkaſſen. In Mecklenburg-Schwerin iſt 1851 ein ſtatiſtiſches Bureau unter dem dortigen Geſammtminiſterium er— richtet worden, es iſt mit Bearbeitung der Topographie, Meteorologie, Bevöl— kerung, des Beſitzſtandes, der Erwerbsverhältniſſe, der gerichtlichen, Polizei-, Kirchen⸗, Schulz, Armen- und Finanzſtatiſtik beauftragt. Als Organ deſſel— ben dient das Archiv für mecklenburgiſche Landeskunde, in welchem das Bu— reau bis jetzt Aufſätze über Volkszahl, Viehſtand, Irrenanſtalten, Kornaus— fuhr und Meteorologie veröffentlicht hat; aus anderen Quellen theilt das Archiv die ſtatiſtiſchen Nachrichten über Auswanderung, Schiffahrt, Waaren— verkehr und Getreidepreiſe mit. In Mecklenburg-Strelitz ſins die ſtatiſtiſchen Aufnahmen ſeit 1850 erweitert worden, die Cenſus werden nach ausführlichen Formularen, angehend Gebäude, Bevölkerung, Viehſtand, aufgenommen; außer⸗ dem werden über die Strafgefangenen ſtatiſtiſche Tabellen geführt. II. Die Staaten des deutſchen Zollvereins. Seit der Errichtung des Zollvereins, d. h. ſeit 1834, wurden bei dem Centralbureau deſſelben Nachweiſungen der Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr auf— geſtellt, ſeit 1836 erſchienen die Commercialnachweiſungen, mit der Zeit auf 20 Hefte erweitert, anfangs lithographirt, dann als Manuſcript gedruckt; fie enthalten Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr, Niederlagen und Verkehr auf inlän— diſchen und mit inländiſchen Waaren auf ausländiſchen Meſſen. Die 6 all gemeineren Hefte erſchienen zugleich im Buchhandel unter dem Titel: Stati- ſtiſche Ueberſichten über Waarenverkehr und Zollertrag im deutſchen Zoll— verein; der erſte Band derſelben bezog ſich auf das Jahr 1842 und bis 1834 Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 24 370 Miscellen: zurück, der neueſte, auf 1853 bezügliche, iſt in dieſem Jahre erſchienen. An— gehängt ſind die proviſoriſchen Abrechnungen über die Zolleinnahmen und gegenwärtig auch Ueberſichten der Bevölkerung. Außerdem werden jetzt Zu— ſammenſtellungen des Waarenein-, aus- und durchgangs auf den Grenzſtrecken des Auslandes und nach den einzelnen Hauptämtern herausgegeben, wovon die erſte im Jahre 1850 für 1848 erſchien. In den Ueberſichten der Bevöl— kerung der Vereinsſtaaten ſind nur wenige Kategorien unterſchieden, auch dieſe wurden erſt mit der Zeit von den verſchiedenen Staaten angegeben. Von Anhalt-Cöthen z. B. wurde 1843 nur die Geſammtbevölkerung angezeigt, 1846 kam daſelbſt die Zählung überhaupt nicht zu Stande; für mehrere Theile von Vereinsländern fehlte auch bei den ſpäteren Zählungen noch die Angabe der Familienzahl und die Unterſcheidung von Alter und Geſchlecht. Weiter werden bei dem Centralbureau aufgeſtellt die definitiven Abrechnungen über die Einnahmen (dies geſchieht erſt nach mehreren Jahren), die Ueber— ſichten der zur Verzollung gekommenen wichtigeren Gegenſtände verglichen mit dem Vorjahre, und die Ueberſichten des Rübenverbrauchs bei der Zuckerfa— brikation mit den entſprechenden Abrechnungen über die Rübenzuckerſteuer. Am Schluſſe des Jahres 1846 ſollte im Zollverein eine Gewerbetabelle nach theilweiſe übereinſtimmend feſtgeſtellten Formularen aufgenommen werden; im Fürſtenthum Lippe und Amt Homburg kam dieſelbe überhaupt nicht zu Stande, in Frankfurt und Braunſchweig nur die Fabrikentabelle und zwar in letzterem auch dieſe ſehr unvollkommen, in ſechs kleineren Staaten wurde die Hand— werkertabelle nach anderen Principien aufgenommen. Die angegebenen ftati= ſtiſchen Materialien ſind bearbeitet in Dieterici's ſtatiſtiſchen Ueberſichten der wichtigſten Gegenſtände des Verkehrs und Verbrauchs im deutſchen Zollverein, wovon der erſte Band 1838 erſchien; eine Ueberſicht der Gewerbetabellen iſt in den Mittheilungen des hieſigen ſtatiſtiſchen Bureau's gegeben worden. — Während im Zollverein ſeit Ende 1834 die Zählungen alle drei Jahre ſtatt⸗ gefunden haben, wurden dieſelben in dem ehemaligen Steuerverein ſeit Mitte 1836 alle drei Jahre ausgeführt, und zwar hier nach ſehr übereinſtimmendem Formular, jedoch nach anderen Grundſätzen, als' in den Zollvereinsſtaaten; auch find daſelbſt ſtatiſtiſche Ueberſichten der Einfuhr, Ausfuhr und Durch⸗ fuhr aufgeſtellt worden, wovon diejenigen für die Jahre 1844 bis 1848 in den Beiträgen zur Statiſtik des Königreichs Hannover abgedruckt ſind; im Steuerverein, wie im Zollverein, iſt nur die Quantität, nicht der Werth der Waaren ermittelt. — Als ſtatiſtiſche Aufſtellungen, welche mehreren Zoll— vereinsſtaaten gemeinſam ſind, ſind namentlich die Tabellen der Conſumtion reſp. Production von Bier, Branntwein, Wein und Taback zu bezeichnen, über welche die Abrechnungen im preußiſchen Finanzminiſterium feſtgeſtellt werden, und die ſtatiſtiſchen Jahresberichte über die Rheinſchiffahrt, welche die Rhein⸗ ſchiffahrts-Commiſſion regelmäßig herausgiebt. Die preußiſche adminiſtrative Statiſtik iſt prineipiell in dem ſtatiſtiſchen PP * r Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 371 Bureau zu Berlin centralifirt; von den Verhältniſſen des letzteren handelt ein Artikel in den Mittheilungen dieſes Bureau's, Jahrgang 1851. Daſſelbe wurde im Jahre 1810 errichtet, ſtand anfangs unter dem Miniſterium des Innern, ſeit 1812 unter dem Staatskanzler, dann unter dem Geſammtmini— ſterium, von 1824 bis 1834 unter dem Miniſterium des Innern, bis 1844 unter dem Geſammtminiſterium, von da bis 1848 unter dem Handelsamt, und ſteht ſeitdem unter dem Miniſterium des Innern. Die Thätigkeit des Bureau's begann mit der Einſchränkung der vorher ſehr umfangreichen ta— bellariſchen Aufnahmen. Die jetzige Einrichtung der Tabellen datirt im We— ſentlichen vom Jahre 1822, ſeitdem wurde nur die Bevölkerungstabelle (der Geburten, Trauungen und Sterbefälle) jährlich, die anderen Tabellen aber alle drei Jahre aufgenommen Guletzt im December 1852); einzelne Erwei- terungen haben in mehreren Tabellenformularen zu verſchiedenen Zeiten ſtatt— gefunden, die erheblichſte Erweiterung hat die Gewerbetabelle durch die Ein— richtung der Fabrikentabelle erfahren; auch ſind einzelne kleinere Tabellen— formulare überhaupt erſt ſpäter eingeführt worden. In Betreff der Volks— zaͤhlungen fällt die bedeutendſte materielle Verbeſſerung in das Jahr 1840. Im Jahre 1848 iſt bei dem ſtatiſtiſchen Bureau das meteorologiſche Inſtitut eingerichtet worden und 1854 wurde dem Bureau die Herausgabe des Staats- kalenders übertragen. Von den Arbeiten des ſtatiſtiſchen Bureau's ſind früher unter dem Namen der Direktoren erſchienen: vom Staatsrath Hoffmann: Ueberſicht der Bodenfläche und der Bevölkerung des preußiſchen Staats im Jahre 1817 (erſchienen 1818); Beiträge zur Statiſtik des preußiſchen Staats (1821); Ueberſicht der Bodenfläche, der Bevölkerung und des Viehſtandes des preuß. Staats im Jahre 1831 (erfchienen 1833); die Bevölkerung des preuß. Staats 1837 in ſtaatswirthſchaftlicher, gewerblicher und ſittlicher Beziehung (erfchienen 1839); Darſtellung der Geburts-, Ehe- und Sterblichkeits ver- hältniſſe im preuß. Staate 1820 bis 1834 (erſchienen 1843); Geburten, Trauungen und Sterbefälle zu Berlin 1816 bis 1841 und die Wirkungen der Cholera im preuß. Staate 1831 (in der mediciniſchen Zeitſchrift 1833); dann von Dieterici: Statiſtiſche Tabelle des preuß. Staats 1843 (erſchienen 1845); die Bevölkerung des preuß. Staats 1846 (erſchienen 1848) und der Volkswohlſtand im preuß. Staate, enthaltend eine vergleichende Darſtellung der Verhältniſſe der Production, Induſtrie, des Verkehrs und Verbrauchs be— ſonders in den Jahren 1806, 1831 und 1843 (erſchienen 1846). Seit dem April 1848 find die Mittheilungen des ſtatiſtiſchen Bureau's, monatlich zwei Hefte, herausgegeben worden; ſie enthalten ſowohl Darſtellungen, welche ſich an die regelmäßigen ſtatiſtiſchen Tabellen-Aufnahmen anſchließen, als Artikel über verſchiedene Gegenſtände, welche außerhalb des eigentlichen Tabellenwerkes ſtehen, wie Wahlſtatiſtik, Budget der arbeitenden Klaſſen, Kaufwerth von Län— dereien, Lebensmittelpreiſe u. ſ. w., und außerdem Ueberſichten der ſtaatswirth⸗ ſchaftlichen Literatur. Die Herausgabe der Tabellen und amtlichen Nachrich— 24% 372 Miscellen: ten für den preußiſchen Staat ift 1849 auf Staatskoſten unternommen wor- den; von dieſen enthalten Theil 1, 2, 5 und 6 das eigentliche Tabellenwerk, nämlich Theil 1 (1851 erſchienen) die ftatiftifche Tabelle der Einwohner, Ge— bäude und des Viehſtandes nach der Aufnahme von 1849 (auch Tabellen der Wohnplätze, Ein- und Auswanderung, Judentabelle); Theil 2 die Bevöl— kerungstabelle (Geburten, Trauungen, Sterbefälle), die Kirchen- und Schul- und die Sanitätstabelle von demſelben Jahre; Theil 5 die Handwerkertabelle, ſowie die ländlichen Beſitzverhältniſſe, und Theil 6, welcher gegenwärtig er— ſcheint, die Fabrikentabelle, die beiden letzteren nach den Aufnahmen von 1849 und 1852. Theil 3 enthält die meteorologiſchen Tabellen, Theil 4 die Reſultate der Verwaltung; hier finden ſich u. A. ſtatiſtiſch dargeſtellt unter dem Finanzminiſterium die Tabellen der Steuererhebung, der Ausmünzung e., unter dem Handelsminiſterium Poſt- und Eiſenbahnverkehr, Seeſchiffahrt, Waſſerbauten, Berg- und Hüttenwerke und Salinen, unter dem Miniſterium des Innern Armenweſen, Strafanſtalten, Sparkaſſen, landſchaftliche Credit— inſtitute, Communalfinanzen, unter dem Kriegsminiſterium der Armeebeſtand, unter dem Cultusminiſterium Irrenanſtalten, gemiſchte Ehen, höherer Unter— richt, unter dem Juſtizminiſterium die Civil- und Criminalrechtspflege. Als Nachtrag zum erſten Theile iſt die Ueberſicht des Flächenraums und der Ein— wohnerzahl des preuß. Staats nach der Aufnahme von 1852 erſchienen. Die von den Directoren des ſtatiſtiſchen Bureau's der Academie der Wiſſenſchaften vorgelegten Abhandlungen, namentlich die Abhandlungen von Dieterici über Verhältniſſe der Bewegung der Bevölkerung, gehören gleichfalls zu den Wer— ken aus der preußiſchen adminiſtrativen Statiſtik. Die ſelbſtändige ftatiftifche Bearbeitung der Gegenſtände ihres Reſſorts durch die verſchiedenen Centralſtellen iſt in Preußen nicht ausgeſchloſſen. So hat das Handelsminiſterium ſeit 1847 das Handelsarchiv herausgegeben, wel— ches neben der Sammlung der auf Handel und Schiffahrt bezüglichen Ge— ſetze auch ſtatiſtiſche Mittheilungen uͤber den Zuſtand und die Entwickelung des Handels und der Induſtrie enthält, namentlich die Berichte der Handels— kammern und Kaufmannſchaften; fo theilt die Zeitſchrift für Berg-, Hütten- und Salinenweſen im preuß. Staate die Statiſtik der Production des Berg— werks⸗, Steinbruch-, Hütten- und Salinenbetriebes mit; auch vom Juſtiz— minifterium wurden eine Zeit lang ſtatiſtiſche Jahresberichte über die Juſtiz- verwaltung herausgegeben, und werden jetzt ſtatiſtiſche Ueberſichten im Jahrbuche dieſes Miniſteriums mitgetheilt; die Vorlagen des Finanzminiſteriums an die Kammern können wenigſtens theilweiſe als ſtatiſtiſche Zuſammenſtellungen be— zeichnet werden, aus dem Reſſort des Cultusminiſteriums ſind Dieterici's Nach— richten über die Univerſitäten im preuß. Staate (erſchienen 1836) zu nennen; eine Darſtellung der Agriculturſtatiſtik unternahm v. Lengerke in den vom Landesökonomie-Collegium herausgegebenen Annalen der Landwirthſchaft; die Statiſtik des auswärtigen Handels vor der Bildung des Zollvereins iſt in PP Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 373 Ferber's Beiträgen zur Kenntniß der gewerblichen und commerciellen Zuſtände Preußens und in dem erſten Bande von Dieterici's ſtatiſtiſchen Ueberſichten des Verkehrs und Verbrauchs aus amtlichen Quellen mitgetheilt worden. Was die preußiſche Provinzialſtatiſtik angeht, ſo ſind auf Veranlaſſung und mit Unterſtützung der Regierung Beſchreibungen der meiſten Regierungs— bezirke ſchon um das Jahr 1820 herausgegeben, viele derſelben auch neuer— dings überarbeitet worden; zum größeren Theile ſind dies nur Ortſchaftsver— zeichniſſe, nur wenige geben eine eigentlich ſtatiſtiſche Darſtellung der Bezirke, wie Viebahn's Statiſtik und Topographie des Regierungsbezirks Düſſeldorf lerſchienen 1836), Hermes und Weigelt's Regierungsbezirk Magdeburg, No— back's Regierungsbezirk Erfurt, Bärſch's Regierungsbezirk Trier; die gegen— wärtig erſcheinende geographiſch-hiſtoriſch-ſtatiſtiſche Beſchreibung der Mark Brandenburg von Berghaus iſt gleichfalls hierher zu zählen. Das neuerdings bei dem Polizeipräſidium zu Berlin organiſirte ſtatiſtiſche Amt hat ſeit 1853 ſtatiſtiſche Jahresberichte über die zur polizeilichen Cognition kommenden Ver— hältniſſe herausgegeben; für längere Perioden haben verſchiedene Zweige der Statiſtik von Berlin in den von den ſtädtiſchen Behörden erſtatteten Verwal— tungsberichten ausführliche Darſtellung erhalten, die beiden letzten erſchienen 1842 und 1853. — Der ſtatiſtiſche Verein der Provinz Pommern, 1846 zu Stettin geſtiftet, giebt Beiträge zur Kunde Pommerns heraus; die in denſel— ben abgedruckten oder beſonders erſchienenen Abhandlungen betreffen theils die Statiſtik der ganzen Provinz (Auszüge aus den ſtatiſtiſchen Tabellen, Aus— wanderung, Seebäder, Tabacksbau, Chauſſeen), theils den Regierungsbezirk Stettin (Verbrechen, Armenpflege), theils einzelne Kreiſe (die Inſeln, Handel und Schiffahrt von Stettin). Weiter beſteht in Preußen keine ſtatiſtiſche Ge— ſellſchaft, doch zählen einzelne andere Vereine, wie die ſchleſiſche Geſellſchaft für vaterländiſche Cultur, 1847 zu Breslau geſtiftet, und die oberlaufigifche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Görlitz, die Statiſtik mit zu den Gegen— ſtänden ihrer Thätigkeit. — Die ſtatiſtiſchen Aufnahmen in den hohenzollern— ſchen Fürſtenthümern wurden in den dortigen Verordnungsblättern mitgetheilt, eine kurze ſtatiſtiſche Ueberſicht des Fürſtenthums Sigmaringen enthielt das dortige Staatshandbuch von 1844, auch werden die als Manufeript gedruck— ten miniſteriellen Verwaltungsberichte dieſes Fürſtenthums für die Jahre 1841 bis 1846 als ſtatiſtiſche Documente bezeichnet. Von der Statiſtik des Fürſten— thums Neuenburg iſt unter IV. (Schweiz) die Rede. Im Königreich Vaiern wurde ſchon 1809 für die jährlichen Verwal— tungsberichte die Aufnahme zahlreicher ſtatiſtiſcher Tabellen vorgeſchrieben; fpäter wurden dieſelben beſchränkt und feit 1825 die Verwaltungsberichte nur noch alle drei Jahre erfordert; ein ſtatiſtiſches Bureau ſoll zuerſt im Jahre 1813 errichtet worden fein. Die völlige Umgeftaltung der bairiſchen admini— ſtrativen Statiſtik fand 1832 unter dem Miniſterium Wallerſtein ſtatt; im Miniſterium des Innern wurde eine Abtheilung zur Bearbeitung der Jahres— 374 Miscellen: berichte organiſirt und das Tabellenweſen anders eingerichtet, auch die Bil— dung ſtatiſtiſcher Kreisbureau's vorgeſchrieben. Die Reſultate der Aufnahmen von 1832 ſollen drei Jahre ſpäter lithographirt erſchienen ſein; im Uebrigen befinden ſich die Mittheilungen aus der adminiſtrativen Statiſtik dieſer Zeit in den Beilagen zu den Ständeverhandlungen, hier namentlich die miniſteriellen Berichte von 1837, welche die Bodentheilung nach Culturarten, die Production, den Viehſtand, die Conſumtion, Gewerbe, Gemeinde- und Stiftungshaushalt und die Armenpflege betreffen. Seit 1839 ſteht das ſtatiſtiſche Bureau (ge- genwärtig im Miniſterium des Handels und der öffentlichen Arbeiten) unter v. Herrmann's Direction, die Aufnahmen — in 37 Tabellen, bezüglich auf alle Zweige der Verwaltung — ſind durch die Inſtruction von 1839 geregelt. Die Veröffentlichung der ſtatiſtiſchen Tabellen hat erſt 1850 begonnen (vor- her Mittheilung einiger Tabellen im Staatskalender von 1844); ſie erſcheinen unter dem Titel: Beiträge zur Statiſtik des Königreichs Baiern, faſt ohne Tert; die drei bis jetzt erſchienenen Lieferungen enthalten den Flächeninhalt, Wohnplätze, Gebäude, die Reſultate der Volkszählungen (für 1840 auch nach Civilſtand, Confeſſion, Beſchäftigung) und die Gewerbetabelle von 1846; die Geburten, Trauungen und Sterbefälle von 1825 bis 1851 (ſie find von Herrmann außerdem in einer akademiſchen Rede behandelt worden), die Ein— und Auswanderung ſeit 1835, ferner die Militairconſeription ſeit 1822, Impfungen ſeit 1832, die Criminalrechtspflege und die Leiſtungen der Sicher— heitspolizei ſeit 1835 (ſtatiſtiſche Berichte über die Reſultate der Strafrechtspflege waren ſchon vorher theils gedruckt, theils lithographirt erſchienen). In der ſo eben erſchienenen vierten Lieferung iſt die Statiſtik der Strafanſtalten von 1833 bis 1848 und die Bevölkerung nach den Zählungsergebniſſen von 1852 dargeſtellt. Im Königreiche Sachſen lag die Bearbeitung der adminiſtrativen Sta— tiſtik bis zum Jahre 1850 in den Händen des ſtatiſtiſchen Vereins. Derſelbe war im Jahre 1831 gegründet worden, zwei Jahre ſpäter wurde ihm das Recht der Benutzung der amtlichen Quellen zugeſtanden und im Jahre 1836 die Anfertigung der Bevölkerungs-, Viehſtands-, Kirchen- und Schul- und der Prozeßtabellen übertragen. Unter dem Centralvereine waren Zweigver— eine thätig. In den von demſelben herausgegebenen Mittheilungen des ſtati— ſtiſchen Vereins für das Königreich Sachſen wurden die verſchiedenſten Gegen— ſtände wie Klima, Topographie, Bevölkerung (ſeit 1813), Kirchen und Schu— len, Medieinalſtatiſtik, Militär (Armeeleiſtungen und Conſcription), Rechtspflege, Bergbau, Erntereſultate, Conſumtion, Brennereien, Brauereien, Marktverkehr, Preiſe, Verſicherungen und Lokalſtatiſtik behandelt. Daneben hatte der Verein ein Ortſchaftsverzeichniß herausgegeben, auch redigirte derſelbe das Staats— handbuch, in welchem eine kurze ſtatiſtiſche Ueberſicht voranging. Im Jahre 1842 erlitt der Verein eine Umgeſtaltung, welche auf feine Thaͤtigkeit nicht förderlich wirkte, er erhielt einen ganz officiellen Charakter und wurde aus— ſchließlich aus höheren Staatsbeamten zuſammengeſetzt; ſeitdem erſchienen nur noch 4 Hefte der Mittheilungen (Lieferung 15 bis 18), welche die Zählungs— u r Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 375 reſultate von 1840, 43 und 46 und die Gewerbetabelle enthielten. Außer— dem fanden jedoch ſtatiſtiſche Veröffentlichungen ſeitens einzelner Behörden ſtatt; dahin gehören die Statiſtik der Berg- und Hüttenwerke im Jahrbuch des Ober— Bergamts, die ſtatiſtiſchen Zuſammenſtellungen (aus dem Miniſterium des Innern) der Baumwollſpinnereien und Dampfmaſchinen, welche im polytechniſchen Cen— tralblatt abgedruckt wurden, und die der Sparkaſſen, der Bodennutzung nach Culturarten, der Erntereſultate, des Steuerwerths der Ländereien, der land— wirthſchaftlichen Nebengewerbe, des Getreidehandels, welche in der Zeitſchrift des landwirthſchaftlichen Hauptvereins des Königr. Sachſen mitgetheilt wor— den ſind. — Das im Jahre 1850 im Miniſterium des Innern errichtete ſta— tiſtiſche Bureau iſt unmittelbar in die Stelle des Vereins getreten, die Mittel deſſelben ſind ſehr bedeutend; von dem größeren Werke, welches das Bureau herausgiebt: ſtatiſtiſche Mittheilungen aus dem Königreiche Sachſen, ſind drei Bände erſchienen, welche die Zählungstabelle (nach Haushaltungen, Civilſtand und Alter, Confeſſion und Nationalität, auch Taubſtumme u. ſ. w., und Ge— bäude), dann die Tabellen der Bewegung der Bevölkerung (Geburten, Sterbe— fälle, Trauungen, Scheidungen und Umzüge) und die Bevölkerung nach Be— rufs⸗ und Erwerbsklaſſen enthalten; ſie ſind von vielen vergleichenden Zu— ſammenſtellungen in Bezug auf klimatiſche und topographiſche Verhältniſſe und von ausführlichem Texte begleitet. Von dem Jahrbuche der Statiſtik und Staatswirthſchaft, welches das Bureau herausgiebt, iſt 1853 der erſte Theil erſchienen; er umfaßt die Territorial- und Bevölkerungsſtatiſtik, u. A. auch Conſumtion, Bildung und Unterricht, Verbrechen und die Statiſtik der land- wirthſchaftlichen Production; die Zahlen beruhen auf den Aufnahmen der Jahre 1850 bis 1852. Eine Ueberſicht der Thätigkeit der Sicherheitspolizei iſt beſonders herausgegeben worden. Seit dem laufenden Jahre giebt das ſta— tiſtiſche Bureau auch eine Zeitſchrift heraus, deren erſte Hefte die Statiſtik der Städte und Aemter, die kirchliche Statiſtik, Getreidepreiſe und die Münzprä— gung behandeln. Unter dem eigenen Namen des Directors des ſtat. Bureau's Engel iſt eine aus den amtlichen Aufnahmen entwickelte Abhandlung über die Branntweinbrennerei im Königreich Sachſen erſchienen. Im Königreich Hannover fehlte bis zum Jahre 1848 eine ſtatiſtiſche Centralſtelle. Das in den verſchiedenen Verwaltungszweigen aufkommende ſtatiſtiſche Material blieb bei den Landdroſteien und Nachrichten daraus gingen in die Jahresberichte derſelben an das Miniſterium des Innern über; dem entſprechend gaben die Berichte der Juſtizkanzleien an das Juſtizminiſterium die ſtatiſtiſchen Data ihres Reſſorts. Das ſtatiſtiſche Material wurde in den einzelnen Landestheilen mehr oder weniger vollſtändig geſammelt und verar— beitet; beſondere Aufmerkſamkeit wurde in den Jahren 1831 und 1832 in Verbindung mit den Kataſterarbeiten der Agrarſtatiſtik zugewendet. Das zweite Heft der unter dem Titel: Zur Statiſtik des Königreichs Hannover, heraus— gegebenen Arbeiten des ſeit 1848 unter dem Geſammtminiſterium eingerichteten und unter Abeken's Direction geſtandenen ſtatiſtiſchen Bureau's enthält den Be— 376 Miseellen: ſtand und die Vertheilung des Grundeigenthums in den Jahren 1831, 1832 und den Grundbeſtand, die Steuerkraft und Bevölkerung im Jahre 1848 (auch den Viehſtand, Brandverſicherung, Sparkaſſen und ländliche Beſitzver— hältniſſe); das dritte Heft derſelben enthält die Reſultate der Gemeinheitsthei⸗ lungen und Verkopplungen ſeit 1832 und die Geburten, Trauungen und Sterbe— fälle in den Jahren 1848 bis 1852. Die Reſultate der ſeit 1833 regelmäßig ausgeführten Zählungen theilte der Staatskalender mit; die Aufnahmen er— ſtreckten ſich auf Unterſcheidungen nach Alter, Civilſtand, Confeſſion und Ge— werbe; außerdem finden ſich z. B. ſeit längerer Zeit Schiffahrtstabellen aus amtlichen Aufnahmen. Ringklib's Darſtellung der neuen Eintheilung des Königreichs Hannover (Flächeninhalt und Volkszahl) iſt aus den Materialien des ftatiftifchen Bureau's gearbeitet. Statiſtiſche Mittheilungen enthält auch das Organ des landwirthſchaftlichen Centralvereins des Königr. Hannover. Im Königreich Würtemberg war 1817 die Bearbeitung der Statiſtik dem Collegium für die Staatscontrole übertragen worden; im Jahre 1820 wurde das topographiſch-ſtatiſtiſche Bureau errichtet; es wurde dem Finanz- miniſterium untergeordnet und unter Memminger's Leitung geſtellt. Mit die— ſem Bureau wurde 1822 der Verein für Vaterlandskunde verbunden, eine Art ſtatiſtiſcher Commiſſion, welche die Arbeiten des Bureau's unterſtützen ſollte. Eine Erweiterung der Mittel und der Wirkſamkeit des Bureau's fand feit 1834 ſtatt und es wurde demſelben die Redaction des Staatshandbuchs übertragen. Nach Memminger's Tode übernahm daſſelbe die Herausgabe von deſſen ſtatiſtiſch-topographiſcher Beſchreibung von Würtemberg, ſetzte auch die ſtatiſtiſch-topographiſchen Beſchreibungen der würtembergiſchen Oberämter fort, von denen ſeit 1824 die erſten 14 unter Memminger's Namen erſchienen waren und ſeitdem bis 1854 19 weitere Lieferungen erſchienen ſind. Im Jahre 1850 wurde auf kurze Zeit die Statiſtik dem Bureau abgenommen und dem Steuercollegium übertragen, dann wurde das frühere Verhältniß hergeſtellt. Die eigentlich ſtatiſtiſchen Arbeiten des Bureau's enthalten die Würtembergi- ſchen Jahrbücher für Geſchichte, Geographie, Statiſtik und Topographie, deren Herausgabe Memminger im Jahre 1818, das Bureau 1839 begann. In Die ſen wird der Bevölkerungsſtand nach den würtembergiſchen Landeszählungen (der ortsangehörigen Bevölkerung nach Alter, Civilſtand, Confeſſion ꝛc.) und nach den Zollvereinszählungen (der ortsanweſenden Bevölkerung), die Bewe— gung der Bevölkerung, die Zählungen des Viehſtandes und die Gewerbeta— bellen (zuletzt für 1852), die Ergebniſſe der Weinleſe, der Marktverkehr, Preiſe und Witterungsverhaͤltniſſe mitgetheilt. Außerdem theilt dieſe Zeitſchrift auf amtlichen Quellen beruhende ſtatiſtiſche Privatarbeiten mit, wie die Statiſtik der Bodentheilung nach Culturarten aus den Ergebniſſen der Landesvermeſſung, die Statiſtik des Ackerbaues und der Obfteultur, der Feuersbrünſte ꝛe. An ſelbſtändigen Arbeiten ſtatiſtiſchen Inhalts ſeitens der einzelnen Miniſterien ſind die theilweiſe im Buchhandel erſchienenen Berichte des Finanzminiſteriums 7 Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 377 und die im Juſtizminiſterium zuſammengeſtellten Reſultate der Rechtspflege hervorzuheben. Im Großherzogthum Baden wurde im Jahre 1836 eine ſtatiſtiſche Com— miſſion aus höheren Staatsbeamten errichtet; ſeit 1837 nimmt das Großher— zogthum an den Zollvereinsaufnahmen Theil. Statiſtiſche Veröffentlichungen ſind von den verſchiedenen Miniſterien ausgegangen, vom Miniſterium des Innern bisher nur in geringem Maße; hierher gehören das Ortſchaftsverzeich— niß aus dem Jahre 1845, die Mittheilungen über Bevölkerungsſtand, Wohn— plätze, Schulen ꝛc. im Staatskalender u. a. Seit 1853 iſt in dieſem Mini- ſterium ein ſtatiſtiſches Bureau errichtet worden, welches zunächſt die Samm— lung von Materialien für die Moralſtatiſtik in Angriff genommen hat. Vom badiſchen Juſtizminiſterium iſt zuerſt die Statiſtik der Criminalrechtspflege im J. 1829 (erfchienen 1831) herausgegeben worden, dann regelmäßig die der weites ren Jahre, zuletzt für 1847 (erſchienen 1849); ſie enthielt auch die gerichtliche Polizei, Unglücksfälle, Steuerkapitalien, Bewegung des Civilſtandes; ſtatiſtiſche Ueberſichten der Civilrechtspflege wurden anfänglich im Regierungsblatte mit⸗ getheilt, für 1840 bis 1843 ſind ſie in einem beſonderen Werke erſchienen. Vom badiſchen Finanzminiſterium iſt im Jahre 1851 unter dem Titel: Amt⸗ liche Beiträge zur Finanzſtatiſtik des Großherzogthums Baden, eine ſyſtema— tiſche ſtatiſtiſche Darſtellung der verſchiedenen Zweige der Finanzverwaltung dieſes Staates ſeit 1831 in Verbindung mit der Territorial-, Bevölkerungs- und Gewerbeſtatiſtik (letztere nach den Aufnahmen von 1849) herausgegeben worden. Aeltere ſtatiſtiſche Arbeiten dieſes Miniſteriums behandelten den Flä— cheninhalt nach Culturarten (von 1830), die Gewerbeſtatiſtik (nach der Auf— nahme von 1843) und die Steuertopographie (1844). Vom badiſchen Kriegs⸗ miniſterium iſt eine ſtatiſtiſch⸗topographiſche Tabelle des Großherzogthums und eine Statiſtik des Krankheitszuſtandes der Armee in den Jahren 1833 bis 1842 herausgegeben worden. rr Im Großherzogthum Heſſen iſt die Organiſation der Statiſtik durch Er— richtung eines ſtatiſtiſchen Bureau's ſeit drei Jahren im Werke; officielle ſta— tiſtiſche Werke find daſelbſt noch nicht herausgegeben, auch enthält das Staats- handbuch nur wenig ſtatiſtiſche Data. Sehr thätig jedoch für die Landesſta— tiſtik iſt der im Jahre 1845 geſtiftete Verein für Erdkunde und verwandte Wiſſenſchaften zu Darmſtadt. In dem erſten Hefte der von demſelben heraus gegebenen Beiträge zur Landes-, Volks- und Staatskunde des Großherzog— thums (erfchienen 1850) find ſtatiſtiſche Abhandlungen über die Bevölkerungs— verhältniſſe (von Ewald und Schmidt), Flächeninhalt, Klima, Wohnungen, Geſundheitszuſtand, Landwirthſchaft ꝛc. enthalten; ein zweites Heft iſt 1853 herausgekommen. Die im Kurfürſtenthum Heſſen vor etwa 10 Jahren errichtete ſtatiſtiſche Commiſſion begann ihre Thätigkeit mit Ausarbeitung und Einführung von Formularen für die ſtatiſtiſchen Aufnahmen in den verſchiedenen Verwaltungs⸗ 9 378 Miscellen: zweigen; von ihren Arbeiten iſt indirect einiges zur Veröffentlichung gelangt, inſofern in den von dem vormaligen wiſſenſchaftlichen Mitgliede derſelben, Hildebrandt, herausgegebenen ſtatiſtiſchen Mittheilungen über die volkswirth— ſchaftlichen Zuſtände Kurheſſens die Bodentheilung nach Culturarten, die Agri— cultur und Mineralproduction, der Gebäudewerth, die Gewerbe-, Verbrauchs-, Bevölkerungs- und Steuerſtatiſtik nach den officiellen Materialien behandelt ſind. Von ſtatiſtiſchen Arbeiten einzelner Behörden iſt die von dem Staats— procurator aufgeſtellte Ueberſicht der Strafrechtspflege im Jahre 1849 zu er— wähnen; ſtatiſtiſche Nachrichten über die Geſundheitsverhältniſſe ſollen ſeit langer Zeit bei dem Obermedicinalcollegium geſammelt worden fein; der kur— heſſiſche Staatskalender enthält eine Art Ortſchaftsverzeichniß. Der Verein für heſſiſche Geſchichte und Landeskunde zu Caſſel zählt die Statiſtik zu den Gegenſtänden ſeiner Thätigkeit. Das Großherzogthum Luxemburg iſt in der niederländiſchen Statiſtik bis 1830, in der belgiſchen bis 1839 inbegriffen, außerdem erſchien in dieſer Zeit das Ortſchaftsverzeichniß in dem Verwaltungsmemorial von 1821. Der erſte luxemburgiſche Provinzialverwaltungsbericht iſt 1833 erſchienen, die Zollver— einsaufnahmen traten ſeit 1843 ein. Die Hauptquelle der luxemburgiſchen Statiſtik find die Jahresberichte des General-Adminiſtrators des Innern des Großherzogthums (Exposé de la situation du Grandd. de Luxembourg sous le Rapport administratif commerciel et industriel), welche u. A. die Territorialſtatiſtik nach Culturarten, die Bewegung der Bevölkerung, die Sta— tiſtik der Juſtiz- und Sicherheitspolizei, des Unterrichts, der Staats- und Communalfinanzen enthalten. Auch die Berichte der luxemburgiſchen Handels— kammer enthalten ſtatiſtiſches Material. Aus der Statiſtik des Großherzogthums Oldenburg werden amtliche Ta— bellen und Nachrichten ſeit längerer Zeit im Staatskalender mitgetheilt; ſte betreffen den Flächeninhalt, den Stand und die Bewegung der Bevölkerung (erftere nach den Steuervereins-, Zollvereins- und den den holſteiniſchen ent— ſprechenden, im Fürſtenthum Lübeck ſtattfindenden Zählungen, letztere nach den Kirchenbüchern), Ortſchaften, Gebäude, Communalfinanzen, Sparkaſſen, ſowie jetzt die Schiffahrt (der Umfang des Materials in der Bevölkerungsſtatiſtik iſt auch aus Steenken's Werke erſichtlich); außerdem werden Prozeßtabellen aufgeſtellt. Im Anfange dieſes Jahres iſt unter dem Miniſterium des Innern ein ſtatiſtiſches Bureau (Vorſtand Becker) errichtet worden. Von den ſtatiſtiſchen Aufnahmen im Herzogthum Braunſchweig iſt Eini— ges in der unter dem Titel: Statiſtiſch-topographiſches Handbuch des Herzog— thums Braunſchweig, veröffentlichten Privatarbeit mitgetheilt (Bevölkerung, Geburten, Sterbefälle, Trauungen, Häuſer, Viehſtand, Steuerkapitalien im Grundbeſitz). Seit 1850 iſt die Organiſation der adminiſtrativen Statiſtik mit Einführung von Formularen in den verſchiedenen Verwaltungszweigen in Angriff genommen, und neuerdings unter dem Staatsminiſterium ein ſtatiſti— F | | el A > 1a 0 ui P Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 379 ſches Bureau errichtet worden (Director Rhamm), von deſſen Arbeiten das Bremer Handelsblatt Einiges (betreffend Zählungsreſultate, Bewegung der Bevölkerung einſchließlich Auswanderung, Sparkaſſen, Strafrechtspflege) mit— getheilt hat. Das Staatshandbuch des Herzogthums Naſſau giebt den Flächeninhalt nach Culturarten, die Ortſchaften, Gebäude, Bevölkerung, Gewerbtreibende, Viehſtand, Forſten, Steuern. Ferner werden amtlich zuſammengeſtellt die Auf— nahmen über die Bewegung des Civilſtandes und des Wohnſitzes, die Berg— und Hüttenproduction, die Erntereſultate, der Weinbau, die Verbrechen und die Sicherheitspolizei, ſowie auch die Domainenverwaltung und Armenpflege— In den thüringiſchen Vereinsſtaaten beſteht noch nirgends ein ſtatiſtiſches Bureau, doch wird die Errichtung eines ſolchen im Großherzogthum Sachſen— Weimar beabſichtigt und findet ſchon jetzt eine ſtatiſtiſche Bearbeitung der Materialien im Miniſterium des Innern ſtatt; das weimariſche Staatshand— buch enthält den Flächeninhalt nach Culturarten, Wohnplätze, Bevölkerung, Unterricht, landwirthſchaftliche Production und gewerbliche Verhältniſſe; ander— weitige Mittheilungen aus den Arbeiten dieſes Miniſteriums (namentlich die Bewegung des Civilſtandes, Auswanderung und Sicherheitspolizei betreffend) finden ſich im Bremer Handelsblatt. Eine Ueberſicht der ſtatiſtiſchen Auf— nahmen im Herzogthum Sachſen-Meiningen giebt Brückner's Landeskunde des Herzogthums Meiningen, welche namentlich Zuſammenſtellungen der Volks— zahl, der Gebäude und des Viehſtandes, der Bewegung der Bevölkerung, die Kirchen-, Schul- und Sanitätstabelle, die Tabelle der Strafanſtalten und ſta— tiſtiſche Nachrichten über Finanzen, Münze, Bergbau, Forſteultur und gemein— nützige Anſtalten mittheilt; über einzelne dieſer Gegenſtände (Ortſchaften, Zäh— lungsreſultate 2.) giebt auch das meiningiſche Staatshandbuch Auskunft. Das Staatshandbuch des Herzogthums Coburg-Gotha enthält nur ein Ortſchafts— verzeichniß; anderweitig mitgetheilt finden ſich die Aufnahmen über die Be— völkerung nach ihren verſchiedenen Beziehungen und die Bewegung des Civil— ſtandes. Es iſt im Herzogthum C.-Gotha in den letzten Jahren die Verbeſſe— rung der ſtatiſtiſchen Formulare für die Aufnahmen in den verſchiedenen Ver— waltungszweigen in Angriff genommen worden. Das herzoglich altenburgiſche Staatshandbuch theilt Bevölkerungsſtand, Gebäude, Ortſchaften und Landes— eintheilung mit, auch werden daſelbſt Tabellen der Geburten, Sterbefälle und Trauungen ſeit längerer Zeit zuſammengeſtellt. Mittheilungen aus der ſchwarz— burgiſchen adminiſtrativen Statiſtik (namentlich die Zählungsreſultate und die Bewegung des Civilſtandes betreffend) kommen in die Regierungsblätter. Ver— Öffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik der Fürſtenthümer Reuß fehei- nen zu fehlen, doch iſt dem Vernehmen nach wenigſtens in Greiz ſeit mehre— ren Jahren die Einführung und Reviſion ſtatiſtiſcher Aufnahmen in den ein— zelnen Verwaltungszweigen im Werke. In den Staatshandbüchern der Herzogthümer Anhalt wird der Stand 380 Miscellen: der Bevölkerung, der Viehſtand und der Flächeninhalt angegeben; im Herzog— thum Deſſau-Köthen iſt die Organifation der Verwaltungsſtatiſtik durch Ein— führung mehrerer Tabellenformulare ſeit drei Jahren unternommen worden. Was endlich die weſtlichen kleinen Staaten des Zollvereins betrifft, ſo finden im Fürſtenthum Waldeck Aufnahmen über Stand und Bewegung der Bevölkerung, Getreidepreiſe, Beſteuerung, Armenweſen, Rechtspflege und Ge— fängniſſe ſtatt; über den Umfang der Specialſtatiſtik der Fürſtenthumer Lippe und Schaumburg und des Landgrafthums Heſſen-Homburg waren keine An— gaben zu finden. Für die Statiſtik der Stadt Frankfurt und ihres Gebietes iſt der daſelbſt im Jahre 1836 gegründete geographiſche Verein thätig. Die— ſer hat in den Jahren 1839 bis 1841 drei Hefte Mittheilungen über phyſiſche, geographiſche und ſtatiſtiſche Verhältniſſe herausgegeben (betreffend Bevölke— rung, Areal, Waſſerſtand, Klima, Preiſe, Verkehr, Schulen ꝛc.) und ſeitdem in der Frankfurter gemeinnützigen Chronik verſchiedene Artikel ähnlichen In— halts publicirt; im Jahre 1848 hat das ſtatiſtiſche Comité deſſelben unter dem Titel: Zur Statiſtik Frankfurts, eine Arbeit von Meidinger, betreſſend Stand und Bewegung der Bevölkerung, Gebäude, Conſumtion, Gewerbe und Armenpflege, auf amtlichen Ermittelungen beruhend, herausgegeben. Im vori— gen Jahre hat ſich der Verein reorganifirt und die Bezeichnung Verein für Geographie und Statiſtik angenommen. III. Oeſterreich einſchließlich Ungarns und der Lombardie. Im Jahre 1828 wurde bei der öſterreichiſchen General-Rechnungs-Di⸗ rection ein ſtatiſtiſches Bureau errichtet und mit der Bearbeitung der Stati— ſtik der Bevölkerung, des Ackerbaues, Unterrichts, Clerus und der Finanzen beauftragt; die Arbeiten deſſelben wurden lithographirt den Behörden mitge— theilt; Becher hat dieſelben zu feinen in den Jahren 1841 und 1846 erſchie— nenen Schriften über den Stand der Bevölkerung (1834 bis 1840) und die Bewegung der Bevölkerung (1819 bis 1833) benutzt. Die Errichtung der Direction der adminiſtrativen Statiſtik fallt in das Jahr 1840, v. Czörnig wurde Director derſelben; im Jahre 1848 wurde ſie dem neugebildeten Han— delsminiſterium untergeordnet. Die zunächſt von ihr aufgeſtellten Tabellen für 1841 beſchränkten ſich auf einzelne Verwaltungszweige, vom folgenden Jahre ab bearbeitete ſie die geſammte adminiſtrative Statiſtik, wobei ſie ſich überdies nicht auf die amtlichen Erhebungen beſchränkte, ſondern die freie Aus— kunft der Privaten zur Bereicherung des Materials mit herbeizog. Die Ta— feln zur Statiſtik der öſterreichiſchen Monarchie kamen für 1842 zuerſt im Jahre 1846 unter der Bezeichnung fünfzehnter Jahrgang heraus, ſie ſind inzwiſchen erſt bis zum Jahrgang 21, dem Jahre 1848, fortgeſchritten. Sie geben neben umfaſſendem Text eine Anzahl Tabellen ſowohl für das ganze Reich, als für die einzelnen Kronländer; die Tabellen betreffen Flächeninhalt, A u 4 Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 381 Wohnorte, Gebäude, Bevölkerung (nach Civilſtand, Religion, Heimatsverhaͤlt— niß), Geburten, Sterbefälle, Trauungen, Unterrichtsanſtalten, Gewerbebetrieb, productive Bodenfläche, landwirthſchaftliche Produetion, Viehſtand, Bergbau und Aerarialfabriken, Baumwollſpinnereien, Sanitäts- und Wohlthätigkeits— anſtalten, Eiſenbahnen, Straßen- und Waſſerbauten, Handel und Schiffahrt, Civil⸗ und Criminalrechtspflege, Strafanſtalten, die Bank, Sparkaſſen, Ver— ſicherungs- und Verſorgungsanſtalten und Marktpreiſe, in dieſer Vollſtän— digkeit für die deutſch-ſlawiſchen und italieniſchen Provinzen, ſowie größten— theils für die Militärgrenze; vom folgenden Jahrgange an kamen die Ta— bellen der Finanzverwaltung (hier auch die Steuertabellen und die der Staats— ſchuld und der Münze) und die des Verwaltungsperſonals hinzu. Am voll— ſtändigſten ſind die Tabellen für die Stadt Wien, ſie betreffen z. B. auch Todesurſachen, Conſumtion, Meteorologie. Für die ungariſchen Kronländer treten größtentheils Schätzungen an die Stelle der auf Zählung und Berech— nung ruhenden Angaben; mit einiger Genauigkeit iſt nur die Statiſtik des Bergbaues, der Baumwollſpinnereien, des Clerus und der höheren Lehranſtal— ten, für Siebenbürgen auch die des Privatunterrichts, der Sanitätsanſtalten, der Gewerbetreibenden und der Bewegung des Civilſtandes ermittelt. Die Volkszählungen finden in den deutſch-ſlawiſchen Kronländern alle drei Jahre ſtatt, in den italieniſchen Ländern, ſowie in Tyrol, Trieſt und Dalmatien wird der Stand der Bevölkerung jährlich feſtgeſtellt. In den ungariſchen Kron— ländern iſt die erſte allgemeine Zählung erſt im Jahre 1851 vollendet wor— den (die Erhebungen beziehen ſich auf Civilſtand, Religion und Nationalität, zugleich fand eine Aufnahme des Viehſtandes ſtatt); früher waren in Ungarn grundſätzlich beſtimmte Kategorien der Bevölkerung von den Zählungen aus— geſchloſſen, die Kenntniß der Volkszahl ergab ſich annähernd aus den kirchli— chen Schematismen, deren letzterſchienener (Universalis Schematismus ecele- siasticus Cleri romano- et graecolatini) ſich auf die Jahre 1842 und 1843 bezog; ſie wurden von Fenyes in der 1843 erſchienenen Statiſtik von Ungarn benutzt. — Nächſt den Tafeln zur Statiſtik der öſterreichiſchen Monarchie wird in einem zweiten ſpecielleren Werke die Statiſtik des auswärtigen Han— dels bearbeitet; die Ausweiſe über den Handel von Oeſterreich erſchienen zu— erſt für das Jahr 1840 mit Ueberſichtstafeln bis 1831 zurück; ſie erſcheinen jährlich, die letzterſchienenen betreffen den Handel im Jahre 1851. Sie ent— hielten die Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr des öſterreichiſchen und — ſo lange derſelbe getrennt beſtand — des ungariſchen Zollverbandes und die Handels— tabellen für Dalmatien. Noch weiter zurück gehen die öſterreichiſchen Handels— tabellen in Becher's 1841 erſchienenem Werke, welches ebenſo, wie die ſpäte— ren Arbeiten deſſelben über dieſen Gegenſtand, aus dem amtlich geſammelten Material gearbeitet war. Oeſterreichiſche Schiffahrtstabellen finden ſich in einer italieniſchen Ausgabe (Navigazione nei Porti austriachi e Navigazione 6 austriaca al estero, 1850). — Die Direction der adminiſtrativen Statiſtik 382 Miscellen: hat drittens in den Jahren 1850 und 1851 Mittheilungen über Handel, Ge— werbe und Verkehrsmittel herausgegeben, welche ſeit 1852 unter dem Namen Mittheilungen aus dem Gebiete der Statiſtik von derſelben fortgeſetzt worden ſind; in dieſen werden die Ueberſichtstafeln der Statiſtik der öſterreichiſchen Monarchie ſchneller mitgetheilt, als in dem vorerwähnten größeren Werke, außerdem bringen ſie die Statiſtik einzelner Kronländer (Bukowina, Woiwo— ding), ferner Specialftatiftifen (der Zuckerproduction, der Dampfmaſchinen, der Lehranſtalten der ganzen Monarchie, und andere für einzelne Kronländer), auch Aufſätze über auswärtige Handelsverhältniſſe nach Berichten der Conſuln. Die Auſtria, ſeit 1849 Organ des Handelsminiſteriums, enthält zahlreiche fta= tiſtiſche Artikel, hierunter Auszüge aus den Berichten der Handelskammern, von welchen auch viele (namentlich die der Handelskammern zu Brünn, Prag, Reichenberg, Pilſen, Olmütz, Troppau, Klagenfurt, Laibach, Grätz, Leoben, Linz, Pavia, Cremona, Brescia, Bergamo, Treviſo, Sondrio, Krakau, Kronſtadt, Agram und der fünf ungariſchen Diſtrietshauptorte) im Buchhandel erſchienen ſind. Eine halbofficielle Bearbeitung einiger wichtigen ſtatiſtiſchen Materien giebt Hain's Handbuch des öſterreich. Kaiſerſtaats vom J. 1852. — Die Bearbeitung der öſterreichiſchen Provinzialſtatiſtik iſt überwiegend der Privatthätigkeit überlafjen; dieſe hat ſich am fruchtbarſten hinſichtlich der italieniſchen und böhmiſchen Kron— länder gezeigt: mit Benutzung der amtlichen Materialien arbeitete Quadri ſeine Statistica delle Provincie venete; neuerdings hat die Rechnungskammer für Dalmatien einen Prospetto generale sulla Popolazione, Bestiame e Mezzi di Trasporto (zu Ende 1849) herausgegeben. An ſtatiſtiſchen Geſellſchaften ſind zwei zu erwähnen, die 1846 in Mailand gegründete Accademia fisico- medico-statistica und die mähriſch-ſchleſiſche Geſellſchaft des Ackerbaues und der Landeskunde, von welcher die Schriften der hiſtoriſch-ſtatiſtiſchen Section fortdauernd herauskommen. IV. Die Schweiz. Die Volkszählungen in den Cantonen der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft werden von der Bundesbehörde veranlaßt und ziemlich gleichzeitig in den ein— zelnen Cantonen ausgeführt. Die Reſultate der 1836 angeordneten Aufnahme ſind lithographirt erſchienen; vollſtändiger war die Zählung von 1850, bei derſelben wurde die Heimath, Confeſſion und Sprache (auch theilweiſe das Alter) der Bevölkerung unterſchieden; die Aufnahmen ſind im eidgenöſſiſchen Regierungsdepartement des Innern bearbeitet und in den Jahren 1851 bis 1854 herausgegeben worden; in dem zweiten Bande ſind Auswanderung, Miliz⸗, Wähler- und Finanztabellen beigefügt. Für die fortdauernde Kennt⸗ niß des Bevölkerungsſtandes find 1851 durch gemeinſame Beſtimmungen für die Aufnahmen über die Bewegung der Bevölkerung Vorkehrungen getroffen. Die Herausgabe von Handelstabellen kann, ſeit das Zollweſen Bundesſache geworden iſt (1850), als bevorſtehend betrachtet werden. Statiſtiſches Ma⸗ | 2 Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 383 terial über den auswärtigen Handel der Schweiz aus früheren Jahren findet ſich namentlich in dem Bericht der eidgenöſſiſchen Experten-Commiſſion vom Jahre 1844 und in Gonzenbach's Werken. Die hauptſächliche Quelle der adminiſtrativen Statiſtik der einzelnen Can— tone ſind die Verwaltungsberichte der Cantonalbehörden; der Umfang des in denſelben vorhandenen Materials läßt ſich aus Franſeini's Statiſtik der Schweiz erſehen. Umfang und Werth deſſelben iſt nach den einzelnen Cantonen ſehr verſchieden; hervorgehoben werden die Verwaltungsberichte der Cantone Baſel, St. Gallen (Amtsberichte des kleinen Raths) und Zürich (aus letzterem Can— ton werden aufgeführt die Jahresberichte über das Medicinalweſen und die über die Armenpflege; die Volkszählung daſelbſt iſt durch Meyer von Kno— nau, dem Mitarbeiter an dem hiſtoriſch-geographiſch-ſtatiſtiſchen Gemälde der Schweiz, in einer beſonderen Abhandlung erörtert worden). Im Canton Bern iſt ſeit längerer Zeit die Errichtung eines ſtatiſtiſchen Bureau's beabſichtigt worden. Im Canton Genf haben die Statiſtik der Sterblichkeit und die der Juſtiz beſondere Pflege gefunden, die Tableaux des Operations des Tribu- naux de Geneve ſind zuerſt für 1829 bis 1834, ſeit 1844 jährlich erſchie⸗ nen, das Annuaire de la Mortalité genevoise hat M. d'Eſpine im Auf— trage des Geſundheitsrathes ſeit 1842 herausgegeben, die Reſultate der Sterb— lichkeit in den Jahren 1838 bis 1845 hat derſelbe in einer beſonderen No— tice statistique behandelt. Was die Statiſtik des Fürſtenthums Neuenburg betrifft, ſo ſind die Reſultate der Aufnahmen der Bevölkerung, Gebäude und des Viehſtandes, der Geburten, Sterbefälle, Trauungen, und der Gewerbe— treibenden früher in der amtlichen preußiſchen Statiſtik mitgetheilt worden. R. Boeckh. (Fortſetzung folgt.) Das Klima und die Bodenbeſchaffenheit Algeriens. Dr. Bertherand hat ſo eben ein ausführliches Werk über die Heilkunde Hund Geſundheitspflege der Araber unter dem Titel: Médecine et hygiene des Arabes, Paris 1855, veröffentlicht, in welchem ſich auch manche noch unbekannte Mittheilungen über die klimatiſchen Verhältniſſe und die Bodenbe— ſchaffenheit Algeriens vorfinden, die wir hier zuſammenſtellen. Das Klima Algeriens gehört zu den warmen, die Temperatur beläuft ſich auf 20° bis 25 C. — Von der Meeresküſte erhebt ſich das Land all— mählig anſteigend durch zahlreiche Thäler und Bergketten ungefähr in einer Ausdehnung von 80 Kilometer. Kalk- und Sandſtein herrſchen vor; in Folge der geringen Permeabilität des Bodens wird faſt alles Waſſer den Bächen und 4 4 384 Miscellen: Flüſſen der Ebene zugeführt und dadurch fehlt es auch den an den Abhän— gen der Berge gelegenen Dörfern nie an Waſſer. Auf einer nur wenig ge— neigten Fläche gelangt man auf Plateau's von einer mittleren Höhe von 1200 bis 1400 Meter von Kalkſtein. Die angeſtellten Höhenmeſſungen haben fol— gendes Reſultat ergeben: Der See Fezzara (bei Bona) und einige Punkte der Ebene von Bona lies gen im Niveau des Meeresſpiegels, die Ebene der Metidja zwiſchen Har- rach und Khemis . . . . 13 Meter über dem Meeresſpiegel, die Ebene der Metivja beim befeſtigten Fort. us > 2 6 = = = = die Ebene = Metivjä bei 1 Farik 48 ne „„ * = der Sebkha (Salzſee) von Oran. 60 = = = = die Ebene der Metidja zu Beni-Merd 148 = = = - die Ebene von Iſſer (im Norden von Tlemeen cee se ee 250 = eure = die Ebene der Hachem-Reris (bei Mas— raden A e a seen 350 = ne = die Ebene der Haractass 800 = ids = die Ebene der Med jana 1000 = Sande * der Diebe Daran e . e 11600 = ese = Der Nif in Nſer ee naar 145345 fi sale . der Sidi-Reiſſ ene e e e 1678 = = = = der Djebel⸗Afrounnnn 1900 = 2 8 ee e e 2100 3 = Der Diebel= Mella . 2126 = RE e r i =,'2 = DEE VONEANIENIB na Nana a sinne E - Dieſe Bergwand ſchützt die Wohnungen der ſich am Meere ausdehnen— den Ebene gegen die häufig wehenden heftigen Südwinde. Die Seitenwände dieſer Plateau's ſind reich an verſchiedenen Mineralien; der Boden ſcheint an vielen Stellen vulkaniſch zu fein, wie ſich wohl aus der großen Anzahl heißer Quellen annehmen läßt. Die großen Salzſeen liegen nach Renou nicht höher, als 500 Meter. Mehrere Stellen der Sahara liegen unter dem Meeresſpiegel, ſo z. B. der Theil bei Mghafer nach Dubocg 70 Meter tiefer, als der Meeresſpiegel. Im Frühjahr 1853 war dieſes ſandige Terrain ſtark mit Salz und Salpeter imprägnirt. Bei El-Aghouat ſcheint der Sand reich an Eiſenoryd zu fein, wodurch die Erdhaufen, aus denen die Mauern der Häuſer gebildet werden, eine außerordentliche Härte erlangen. Von den Städten, welche mitten zwiſchen der eingeborenen Bevölkerung liegen, erhalten wir folgende Höhenbeſtimmungen: r * * n Das Klima und die Bodenbeſchaffenheit Algeriens. 385 DR u . ... 15 Meter über dem Meeresſpiegel, See 20 = gt ä IDE 20 = = = e ae an einigen Punkten 16 = tt - 8 Aue an anderen 47 = 3 75 1 er. n o ber 501 ae - e Fa sie . Moſtagha nm I 3 Goleah Nai 150; ne = = = een AG . 200 3 - air, wien are: 254 ER - Sidisbel-AbbEd ... ......: 400 U - . s 478 88 - enge te 4a 670 - = - > 0 ö ao e - %% 750 > s z o 1000 = 3 - b 1100 = S . Im erſten Augenblicke ſetzt uns die fortwährende Friſche der Vegetation in Erſtaunen. Eine ziemlich große Anzahl von Wäldern und Gehölzen (die auf eine Million Hectaren geſchätzt werden) ſind durch die Araber für die häuslichen und Nahrungsbedürfniſſe nutzbar gemacht worden; da die Wal- dungen jedoch im Allgemeinen ſehr licht find, jo gewähren ſie keinen hin⸗ reichenden Schutz gegen die heißen Sonnenſtrahlen, und daher gehören hier die cryptogamiſchen Gewächſe zu den Seltenheiten. Die geringe Waldeultur Algeriens ſcheint eine natürliche Folge des Clima's zu ſein; Hardy ſucht näm⸗ lich die Urſache in dem nachtheiligen Einfluſſe der beiden von entgegengeſetzten Seiten wehenden Winde und in der ungleichen Vertheilung des Regens. In Folge der lange anhaltenden hohen Temperatur erreichen manche Pflanzen, 3. B. der Fenchel und Schierling, eine ungeheure Größe. Die Cedern von Tenief⸗el⸗Had haben einen Umfang von 5 bis 7 Meter und eine Höhe von = 18 bis 25 Meter. Das Barometer bietet ziemlich bedeutende Schwankungen dar, ſo war z. B. zu Oran (v. 1841 bis 1853) der beobachtete hoͤchſte Stand 778,60 Millimeter, der niedrigſte Stand 736,70 5 e zu Moſtaghanem (von 1850 bis 1853) der höchſte Stand 768,70 = . der niedrigſte Stand 736 = n der höchſte Stand . 772 der niedrigſte Stand 755 5 > zu Viskra (von 1846 bis 1849) .. der höchfte Stand . 766 1 der niedrigſte Stand 749 Das Barometer zeigt auch für denſelben Ort eine Schwankung im Laufe Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 25 386 Miscellen: des Jahres, die aber um ſo unbedeutender wird, je mehr man ſich dem Süden nähert. So betrug dieſelbe: in Algier im Jahre 1832 zwiſchen 750,25 und 771,15 Millimeter, im Jahre 1834 = 748,20 und 770,35 = in Biskra im Jahre 1846 = 752,20 und 758,90 - im Jahre 1847 „ 753,00 und 756,50 = Im Allgemeinen fteigt das Barometer ſtark bei Nord- und Südweſt— wind, wenig bei Süd- und Oſtwind, und fällt ſchnell beim Eintritt des Südoſt- und Nordoſtwindes. Der mittlere Barometerſtand beträgt für Al— gerien 757,90 Millimeter. Die Hitze iſt verſchieden, je nach der Höhe des Ortes. Das Maximum der täglichen Temperatur variirt nach der Senkung der Bodenfläche, im All— gemeinen nimmt es gegen das Meeresufer hin zu. Zu Sidi bel Abbes findet der höchfte Thermometerſtand zwiſchen 2 und 3 Uhr ſtatt, zu Algier um 11 Uhr, zu Milianah um 2 Uhr, zu Medeah um 12 Uhr, - zu Tlemeen gegen 1 Uhr, zu Blidah um 11 Uhr, zu Biskra um 12 Uhr. Bekanntlich beträgt die mittlere Jahrestemperatur in Tunis 20°,30 C. In Algerien haben die Beobachtungen an verſchiedenen Orten folgende Re— ſultate ergeben: zu Setif 10 C., zu Sidi-bel-Abbes 17% 0 C., zu Medeah 13° C., zu Tlemcen 18% 4 C., zu Milianah 16° C., zu Bougia 18% 20 C., zu Mascara 16° C., zu Bona 20° C., zu Conſtantine 17° C., zu Algier 21° C., zu Teniet⸗el⸗Haäd 17%18 C., zu Moſtaghanem 22% 1 C., zu Oran 17%50 C., zu Biskra 220,27 C. Theilt man das Jahr in zwei Jahreszeiten, Sommer und Winter, fo er⸗ hält man für dieſe folgende mittlere Temperaturen: im Winter: im Sommer !): e 16°,40 26°,80 zu Sidi⸗el⸗Abbess .. 9—10° 26— 27° zu Colead ....... 10—15° 30— 36° am nördlichen Abhange des Berges Sahel .. 15° 28° 1) Die mittleren Temperaturen des Sommers und Winters find den Tempera= turen der 3 heißeſten und 3 kälteſten Monate entnommen. ”. Das Klima und die Bodenbeſchaffenheit Algeriens. 387 im Winter: im Sommer: zu Mascara 6 30° zu Tlemcen 8°,12 28° ,26 zu Biskra 9—10° 47° zu Teniet⸗el⸗ Had. 9,46 26° ,37 BER ee 10 — 15° ,75 18 — 235,75 zu Djid jelli .. .. 10° 30 — 350 zu Moſtaghanem . . 14— 15° 27 — 30% C. Am Meeresgeſtade ſteigt das Thermometer im Sommer von 26° bis auf 32°, zu Algier bis auf 40° und 50°, aber die Seewinde mildern die Hitze bedeutend und führen feuchte Nächte und Thau herbei. — In Tlemcen war der niedrigſte jährliche Thermometerſtand — 5 bis — 6e, und der höchfte + 40 bis 41°. — Auf den hohen Plateau's find die weiten tiefen Keffel durch die ſehr hohen Bergwände vor den herrſchenden Süd- oder Nordwin⸗ den geſchützt, daher fällt die große Hitze und ſtarke Kälte beſonders in dieſen tiefen Thälern läſtig, weil die Winde die Temperatur nicht zu mildern ver- mögen. Auch die Temperatur in den Nächten bedarf der Beachtung; ſo hat Dr. Fourqueron in der Ebene der Metidja das Thermometer nie bis auf den Gefrierpunkt fallen ſehen, ſondern fand eine mittlere Temperatur von + 4 bis 8° C. Zu Biskra waren im Sommer niemals weniger, als 35° gegen Mitternacht. — Die Differenz zwiſchen der Temperatur am Tage und in der Nacht iſt im Allgemeinen ſehr verſchieden, im Süden aber ſtets beträchtlicher. Zu Bordj bei Sada (ſüdlich von Biskra), wo Bertherand mehrere Male in der Woche ein Detachement der Fremdenlegion inſpicirte, fand er oft einen Unterſchied von 17 zwifchen der Temperatur um 9 Uhr Abends und 5 Uhr Morgens. Der höchſte Thermometerſtand tritt nicht überall in demſelben Monate ein, ſo in Bona, Oran und Algier im Auguſt, zu Hammam-Mescoutin, Sidi⸗ el⸗Abbes, Moſtaghanem, Teniet-el-Häd im Juli, zu Tlemcen, Biskra und Blidah im Juni. December und Januar ſind die kälteſten Monate. Die an verſchiedenen Orten beobachteten Extreme der Temperatur verdie— nen ebenfalls eine beſondere Beachtung. So war der niedrigſte Thermometerſtand in Bona +3°, der höchſte +42° (im Jahre 1838), = = in Algier +4°,85, der höchſte + 45°, = . > in Tlemceen 0°, der höchſte + 34°, z = . in der Ebene von Tlemeen +1°, der höͤchſte —+39°,50, N - - in der Ebene der Metidja +1°, der höchfte + 47 (im Jahre 1839), * 388 Miscellen: der niedrigſte Thermometerſtand am Geſtade der Provinz Oran + 1°, der höchſte + 36, . P = in Setif +4°,50, der höchſte 38°, = - = in Medeah +2 °, der höchſte 36°, “ - - in Milianah 0°, der höchſte E42“ (im J. 1842), . - - in Conſtantine 0, der höchſte +40°, - - = in Mascara +2°, der höchſte +58°,50 (im Jahre 1849), > = - in Blidah +7°, der höchſte +39°,50, - = - in Biskra +1, der höchſte 52° (im Jahre 1844), - - - in Coléah +10°, der höchſte 36°, - = = zu Hammam-Mescoutin — 1°, der höchſte + 40 (im Jahre 1844), = - - in Oran +5°,25, der höchſte +56°,25, - - - in Sidi⸗el-Abbes + 5, der höchſte 41, . = . in Batna +3°, der höchſte 39 (im J. 1850), - = = in Orleansville + 30, der höchſte zwiſchen + 45% und 50° C. Im Allgemeinen ſcheint ſich die Temperatur auf den hohen Plateau's durch beträchtliche Differenzen auszuzeichnen. Nach Aimé ſchwankt das Ther- mometer im Süden an einem und demſelben Tage zwiſchen 22° und 44°, und nach Fournel ſollen die Wechſel an einem Tage ſich zwiſchen 69 und 33° belaufen (Differenz 27). Es giebt Orte, wo die mittleren Werthe der Maxima im Auguſt bis auf 40° ſtiegen und die der Minima in demſelben Monate nur 25° betrugen. — In einem Bivouak fand Dr. Perrier am 25. Mai 1840 um 6 Uhr Morgens den Nachtthau auf dem Raſen um das Zelt herum gefroren; die Temperatur der Luft betrug 2°, 5 Stunden ſpäter zeigte das Thermometer im Schatten 25, und 3 Stunden darauf 231 5. Am 4. Juni ſtand das Thermometer im Lager von Aln-Turck, öſtlich von Setif, um 1 Uhr Nachmittags auf 34°, an der Oberfläche des Bodens in der Sonne auf 58 ; nach einem Gewitter mit Hagel fiel es um 120. Wegen dieſes ſchroffen und beſtändigen Temperaturwechſels iſt die wollene Kleidung der Eingeborenen ein unumgängliches Erforderniß. Der Winter tritt in der Sahara weit ſtrenger auf, als an der Meeres- küſte 1); Schnee und Froſt kommen häufig vor; ebenſo an allen Stellen, ) Ueber die Strenge des Klima's in der algeriſchen Sahara machten zwei fran— zöſiſche Militaircolonien unter den Generalen Renaud und Cavaignae im Jahre 1847 Erfahrungen, die für dieſelben leicht ſehr böſe Folgen hätte haben können, indem in einer Nacht des Monats April das Thermometer bis auf — 1“ herabſank und die 9 Das Klima und die Bodenbeſchaffenheit Algeriens. 389 wo die Wärmeausſtrahlung durch die klaren Nächte begünftigt wird. So ſank am 2. Juni 1850 mitten in den Waldungen der oberen Plateau's bei Tlemcen in der Nacht das Thermometer auf — 4. Während der Expedition im März 1853, in der Umgegend von Tuggurt, waren die Nächte äußerſt N friſch (das Thermometer fiel auf — 3), während bei Tage oft eine Hitze von 52° im Schatten herrſchte. N Die Araber halten die letzten 20 Tage des November und die erſten 20 des December für die kälteſten des Jahres und die letzten 20 des Mai und N die erſten 20 des Juni für die heißeſten. Wenn die Regenzeit im Allgemeinen lange dauert, ſo pflegt auch die Hitze ſehr lange anzuhalten, oder einen um ſo höheren Grad zu erreichen; daher zeigt ſich bei den Eingeborenen die Haut ſo empfindlich gegen Tempe— raturwechſel, und eine ganz natürliche Folge davon iſt ihre Eintheilung des Jahres in zwei große Abſchnitte: Sommer und Winter. Die Entwickelung der Electricität muß in Algerien um ſo ſtärker von Statten gehen, da fie unter dem Einfluſſe einer hohen und bedeutendem Wechfel unterworfenen Temperatur, durch die fortwährenden Veränderungen in der F Feuchtigkeit der Luft begünſtigt wird. Gewitter kommen im Allgemeinen häufig im Frühjahr, zumal in der Ebene, vor; im Süden im Herbſt; am Meeres— geſtade zeigen ſie ſich weit ſeltener. Erdbeben gehören nicht zu den Selten— heiten; Blidah wurde mehrere Male zerſtört; im Jahre 1847 fanden häufige Erſchütterungen in Sherſhell ſtatt; gewöhnlich treten ſie gegen Ende des Sommers auf. In Algier fand ein bedeutendes Erdbeben am 11. April 1853 und zu Medeah, Orleansville, Algier, Milianah u. ſ. w. am 23. November deſſelben Jahres ftatt. Hagel fällt häufig, beſonders an der Küſte. Im Mai 1848 fielen zu Teniet⸗el⸗Häd Stücke, welche 15 Grammes wogen. * Der Schnee, der an der Küſte ſelten iſt, zeigt ſich häufiger auf den Pla— teau's und in den Städten im Innern des Landes und fällt in gewiſſen Ge⸗ * genden mehrere Monate hinter einander (zu Setif vom November bis Ende > Pebruar) und bleibt oft 14 Tage liegen. In Oran ſchneit es ungefähr nur einmal im Jahre; in Batna fällt der Schnee in ungeheuren Maſſen. Am 23. März 1853 lag er in Conſtantine 15 bis 16 Zoll hoch; in Biskra hat man nur einmal, am 3. Februar 1844, Eis geſehen; in demſelben Monate ſchneite es, der Schnee ſchmolz aber, ehe er zu Boden fiel. Die hohen Berge Algeriens, wie der Djurjura, bleiben faſt das ganze Jahr hindurch mit Schnee bedeckt. palmenreiche Landſchaft, gleich als läge fie in Sibirien, mit einer dicken weißen Schnee: maſſe, die im Lauf des Tages wieder verſchwand, überdeckt wurde. Freilich befand man ſich damals in 2500 Fuß Höhe über dem Meeresſpiegel. (J. F. Jacquot, Ex- pediiion du General Cavaignac dans le Sahara Algerien en Avril et Mai 1847. 8 Paris, 97; Revue de deux mondes 1849. IV, 519.) G. 390 Miscellen: Sehr oft ward ein plötzlich eintretender Froſt den franzöſiſchen Truppen verderbenbringend. Auf dem Rückzuge von Bou-Thaleb im Jahre 1846 ka⸗ men mehr als 500 lokale Erfrierungen vor; bei der Expedition nach Con— ſtantine, im October 1836, litten mehr als 100 Mann an erfrorenen Füßen, Händen und Lippen, und im nächſtfolgenden Jahre gingen eine große Zahl von Wunden in Geſchwüre über. Bemerkenswerth iſt, daß im Jahre 1836 das Thermometer nicht bis auf den Gefrierpunkt fiel, ſondern in der Nacht, wo der Schnee fiel, einen halben Grad über dem Nullpunkt ſtand, und im Jahre 1837 ſogar auf +2°,50. Der Boden, auf dem die Soldaten lager— ten, war aber bedeutend kälter und entzog mithin dem Körper fortwährend Wärme. Dr. Gandilhon hat nachgewieſen, daß in Algerien die Feuchtigkeit, durch mäßigen Wind und Kälte unterſtützt, hinreicht, um ein Erfrieren der Zehen zu bewirken. Was die Winde anbelangt, ſo weht der Nordwind vom Meere her, am Tage, wenn die Temperatur den höchſten Grad erreicht, und am häufig— ſten in den heißeſten Monaten; er läßt ſich bis auf den hohen Plateau's wahrnehmen. Der Scirocco (Südweſtwind), der aus den dürren Ebenen des Soudan kommt, iſt trocken; ein plötzliches Sinken des Barometers ver— räth ſein Nahen; er hält oft nur einige Stunden, oft aber auch 3 Tage anz das Hygrometer fällt dann oft 15 bis 20° in einer Sekunde. Im Süden fällt wenig Regen (in Biskra bisweilen im Februar oder März), aber nicht fo ſelten, als man wähnt, denn Renou hat in der Sa— hara Eis und Regen beobachtet. An der Küſte und auf den Plateau's wer- den die Regen in Hinſicht auf die Geſundheit dadurch nachtheilig, daß ſie die Ebenen in Sümpfe verwandeln, Sehr oft regnet es vom Mai bis October gar nicht; im October beginnt die Regenzeit, der Regen wird im November und December ſtärker, läßt im Januar und Februar wieder nach, nimmt aber von neuem im März und April zu. Man hat die Beobachtung gemacht, daß es in der Provinz Conſtantine weit mehr, als in der Provinz Algier, und in dieſer weit mehr, als in der Provinz Oran regnet. In der erſteren fällt der Regen im Sommer, was in der zweiten ſich ſehr ſelten ereignet. Wenn die Alos frühzeitig blüht, ſo ſehen die Araber dies für ein Zeichen vieles Regens und zahlreicher Krankheiten an. Die afrikaniſche Luft enthält, obwohl ſie wegen der im Allgemeinen hohen Temperatur verhältnißmäßig trocken iſt, doch eine ziemlich beträchtliche Menge Waſſerdampf, der ſich an den kälteren Gipfeln der Berge niederſchlaͤgt. In Tlemcen betrug das Minimum des Hygrometers 10° im Juni 1849, das Maximum 85° im Jahre 1849; in Algier betrug das Minimum des Hygrometers 16° im Juni 1849, das Maximum 80°. In Conſtantine fielen im Jahre 1838 1 Meter 210 Millimeter Regen, - Bisfra = = = 1845 0 = 102 = „ „1846 0. 150 = (6 Regentage) v * — * 5 Das Klima und die Bodenbeſchaffenheit Algeriens. 391 in Biskra fielen im Jahre 1847 0 Meter 125 Millimet. Regen (8 Regentage), Algier 1839 0 562 = = 4 = = = = 1840 0 = 490 - = = = = = — 1841 0 = 714 = 7 = = 4 = 2 1842 0 = 899 = 3 in Bona 18411 =. 418 . - = Br „ „„ 18410 344 5 z A er ar 585 - z in Cherchel Zi WE 5 1841 0 = 669 z z Der mittlere Stand des Hygrometers für ganz Algerien würde ſich auf 45° bis 50% belaufen. Die Flüſſe Algeriens, die im Sommer faſt ausgetrocknet ſind, ſchwellen zur Regenzeit ungeheuer an und ergießen ihre toſenden Waſſer in die Ebe— nen, die dadurch in Sümpfe umgewandelt werden, welche um ſo verderblicher wirken, weil der Boden aus Thon und Mergel beſteht. Daher ſchreibt ſich das ungeſunde Klima Bona's, der Metidja und an den Mündungen der Flüſſe. Man ſchätzt die Sumpfgegenden Algeriens auf 40,000 Hectaren, d. h. ein Tauſendtheil der ganzen Oberfläche. Es giebt eine große Anzahl von Salzſeen, von denen einige nie ver— fiegen (wie der von Fezzara), andere im Sommer austrocknen (fo die großen Seen in Oran, auf den Plateau's von Conſtantine). In den Oaſen findet man einige Meter unter der Oberfläche Waſſer. In der Sahara giebt es unterirdiſche Quellen, von den Arabern bahar that el ard (das Meer unter der Erde) genannt. So enthält das Waſſer in Biskra, wo es nach einem langen Laufe durch die Ebene ankommt, viel Koch— ſalz, und bewirkt daher faſt anhaltende Durchfälle. Die Ufer dieſer kleinen Bäche ſind ganz weiß gefärbt durch die ſich in Folge der Verdunſtung bil— denden Niederſchläge von Salz. An mehreren Stellen ſindet man ſolches Waſſer von ſchlechter Beſchaffenheit. — Das Flußwaſſer enthält aber nicht allein eine große Menge organiſcher und unorganiſcher Stoffe, die es mit ſich führt, ſondern auch eine bedeutende Quantität Alaun. Marſeilhan leitet die abführende Wirkung des Waſſers bei Oran, die ſich bei Neuangekommenen zeigt, von dem Gehalte an Natron- und Magneſtaſalzen her. Der Ingenieur Fournel hält ſich nach den ſehr intereſſanten Unterſuchun— N gen, die er im Jahre 1846 in der Sahara angeſtellt hat und die ſich auf die Neigung des Bodens gegen Süden, die allgemeine Senkung der Sahara von Oft nach Weſt und die Poroſität des Bodens ſtützen, der in den oberen aus feſtem Kalkſtein beſtehenden Schichten Mergel eingeſchaltet enthält, zu der An— nahme berechtigt, daß die Bohrung arteſiſcher Brunnen in der Wüſte ſehr leicht gelingen werde. Aus der Unveränderlichkeit der Temperatur gewiſſer Quellen läßt ſich erklaren, weshalb ſie heiß oder kalt ſcheinen, je nach der Jahreszeit; fo giebt * 392 Miscellen: es in Milah eine Quelle, deren Waſſer im Winter warm und im Sommer kühl iſt. Ebenſo fand Bertherand bei den Beni-Sliem eine ergiebige Quelle, Ain el Arba, die, während der Hitze ſehr erfriſchend, im December warm war, und bei den Amraouas, zu Ain el Mizab, iſt eine von Ruinen umſchloſſene Quelle, deren Temperatur im Juli ziemlich niedrig, dagegen während der Ne- genzeit ſehr hoch iſt. Carette berichtet über die Waſſer in Kabylien, daß bei den Beni-Sliman, in der Nähe der drei Dörfer der Ouled-Tizi, eine Quelle ſich befinde, deren Waſſer während des ganzen Jahres in hohem Grade erfri— ſchend ſei und die deshalb die kalte Quelle (Tala Somta) genannt wird. Zuweilen werden Wetten gemacht, hinter einander und ohne Unterbrechung ſieben auf dem Grunde befindliche Gegenſtände herauszuholen; es iſt ſchwer, der Kälte wegen, dies auszuführen; nach dem vierten oder fünften Eintauchen iſt die Hand erfroren. Algerien iſt ſehr reich an heißen Quellen, die die Araber hammam (von hamm, erwärmen) nennen. Unbekannt mit den Wirkungen der Ming ralwaſſer im Allgemeinen, ihren Eigenſchaften, Indikationen und Contrain⸗ dikationen je nach der Conſtitution in den Krankheiten, gebrauchen ſte dieſel— ben nie innerlich, ſondern nur zum Baden. Bis jetzt hat man 15 Schwefel-, 8 Stahl- und 43 alkaliſche kalte, laue und heiße Quellen entdeckt 1). Helfft. Triſtan d'Acunha. Die unter dieſem Namen bekannte, im ſüdlichen atlantiſchen Ocean, weſt— lich von Afrika gelegene Inſelgruppe war bisher ihrer Lage nach nicht genau beſtimmt. Nach einer 1811 an Bord des „Nereus“ gemachten Beobachtung lag der Waſſerfall auf der vornehmſten Inſel der Gruppe auf 12° 3’ öſtl. Länge; nach einer zwei Jahre ſpäter an Bord der „Semiramis“ gemachten Beobachtung befindet ſich derſelbe in 11° 57’ 45“, eine wiederholte Beobach⸗ tung am Bord deſſelben Schiffes ergab 12° 7“ und im Mittel 12° 2“ öſtl. Länge. Andere Unterfnchungen beſtimmten die Länge zwiſchen 11° 44“ und 11° 50“. Neuerdings hat Capt. Potter folgenden vom Bord des „Architect“ Hongkong den 29. März d. J. datirten Brief an Lloyds Agenten auf Hong— kong über die Lage der Inſelgruppe geſchrieben: „Gentlemen! Ich erlaube mir ) Ueber die Mineralquellen Algeriens habe ich die bis zum Jahre 1851 be- kannt geweſenen Nachrichten in meinem Aufſatze: Die Mineralquellen auf dem Feſt⸗ lande von Afrika, beſonders in Bezug auf ihre geognoſtiſchen Verhältniſſe, in Karſtens Archiv für Mineralogie, Geognoſie ꝛc. 1851, Bd. XXIV, S. 71 — 280 und in dem beſonderen Abdrucke dieſer Schrift: Berlin 1851, S. 145 — 181, 191 u. ſ. w. zu⸗ ſammengeſtellt. G. . me Pe n Ueber einige Baſtardverhältniſſe der in Amerika lebenden Menſchenraſſen. 393 Sie zu benachrichtigen, daß die Inſel Triſtan d'Acunha im ſuͤdlichen atlanti— ſchchen Ocean auf den meiſten Karten circa AO engl. Meilen zu weit öſtlich ö angegeben iſt. Purdy's Karte von 1854 zeigt fie auf 12° 20“ weſtlich von Greenwich, deſſelben Karte von 1850 auf 13°. Ich fand die letzte Angabe mittelſt zwei guter Chronometer richtig, oder doch beinahe richtig. Horsburgh und Raper ſcheinen gleichfalls im Irrthum zu fein; und da die Inſel auf der direkten Route der zwiſchen Auſtralien und China ſegelnden Schiffe liegt, ſo iſt es wünſchenswerth, daß ihre wahre Lage allgemein bekannt werde.“ — Dennoch wird dieſe Angabe des Capt. Potter in Zweifel gezogen, weil der— N ſelbe ſeine Beobachtungen nur während einer flüchtigen Vorüberfahrt ange— ſtellt hat und die Declination der Magnetnadel in jener Gegend, wegen der Nähe des Südpols, beſtändig varürt. K. L. Biernatzki. | | W Aid "4 i Ueber einige Baſtardverhältniſſe der in Amerika lebenden . Menſchenraſſen. Wenn man die in Amerika lebenden Menſchenraſſen und ihre Miſchungs— verhältniſſe verfolgt, ſo möchte es Einem auf Augenblicke vorkommen, als ö wenn Amerika beſtimmt wäre, den Boden abzugeben, auf welchem das Men— ſchengeſchlecht aus der Zerſplitterung von Arten oder Abarten zu der Einheit, aus welcher es angeblich hervorgegangen iſt, zurückkehren ſolle. Dieſer Ge— danke erweiſt ſich aber als irrig, wenn man erwägt, daß die Natur, während fe die Vermiſchung von verſchiedenen Zweigen deſſelben Stammes durch leib— liche und geiſtige Vorzüge der Kinder belohnt, die Vermiſchung verſchiedener Raſſen — wenn auch vielleicht nicht immer, ſo doch öfters — durch eine ſchwächliche und den Eltern unebenbürtige Nachkommenſchaft beſtraft. 1 Als ich vor Kurzem in eine Unterfuchung über das unanfhaltſame Hin— ſterben der rothen Raſſe Nord-Amerika's und das gleichzeitige Fortbeſtehen derſelben Raſſe in Süd-Amerika einging, gelangte ich zu dem Reſultat, daß dieſe Erſcheinung aus zwei Urſachen zu erklären ſei. Die eine beſteht darin, daß der angelſachſiſche Stamm Nord-Amerika's mit feiner Civiliſation uns aufhaltſam gegen Weſten vordringt, die Indianer auf immer engere Räume beſchränkt und ihnen ſo auf mannigfaltige Weiſe die Mittel entzieht, welche ihnen zur Erhaltung ihres Lebens unentbehrlich ſind, während der romaniſche Stamm Süd ⸗Amerika's ſich nur ſehr langſam ausbreitet und daher bis jetzt auf ſeine rothen Nachbarn nicht den zerſtörenden Einfluß ausübt, wie der erſte. Die zweite Urſache iſt darin zu finden, daß die Angelſachſen Nord— Amerika's mit den Rothhäuten ſehr ſelten eheliche Verbindungen eingehen, 394 Miscellen: während die Romanen Süd-Amerika's dergleichen Verbindungen ſehr häufig ſchließen und dadurch die ohne dieſe Stütze auch hier dem Untergange über kurz oder lang geweihete rothe Raſſe erhalten. In Nord-Amerika ſind näm⸗ lich dergleichen Verbindungen ſo ſelten, daß in den vier Völkergruppen, deren ſtatiſtiſche Verhältniſſe durch Beſchluß des Congreſſes vom 3. März 1847 feſtgeſtellt wurden, ſich unter einer Zahl von 34,700 Seelen noch nicht 200 Weiße befanden »). Dagegen iſt die Vermiſchung der beiden Raſſen da, wo Romanen wohnen, fo gewöhnlich, daß v. Tſchudy in Peru, die durch Ver⸗ bindung der Weißen oder Rothen mit Negern erzeugten Baſtarde hinzuge— rechnet, überhaupt 23 mit Namen belegte Kreuzungen kennt, und daß in man— chen Gegenden von Paraguay und Chile reines europäiſches Blut kaum noch anzutreffen iſt 2). Hierbei darf nicht unerwähnt bleiben, daß auch an einer Stelle Süd-Amerika's die rothe Raſſe mit haſtigen Schritten dem Untergange entgegeneilt; dies iſt aber gerade die einzige, wo bis jetzt die angelſächſiſche Raſſe ſich feſtgeſetzt hat, nämlich das britiſche Guiana. Dies haben Robert und Richard Schomburgh ſchon vor einigen Jahren zu allgemeiner Kenntniß gebracht 3). Indem ich dieſe Verhältniſſe im Einzelnen verfolgte, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, daß zwiſchen den Romanen und den rothen Men— ſchen eine phyſiſche Wahlverwandtſchaft beſtehe, die zwiſchen den Angelſachſen und den Rothen nicht wahrzunehmen iſt. Eine ſolche Wahlverwandtſchaft dürfte zwar ſchon als erwieſen anzuſehen ſein, wenn man erwägt, mit welcher Leichtigkeit ſich der Romane bei ſeinen geſchlechtlichen Verbindungen über den Unterſchied der Raſſe hinwegſetzt, und wie der Angelſachſe dagegen ſolche Ver— bindungen zurückweiſt. Eine merkwürdige, wiewohl nur indirekte Stütze er— hielt dieſer Gedanke noch durch eine Beobachtung des Dr. Nott in Nord- Amerika, welche, wenn man an ihrer Richtigkeit nicht zweifeln darf, unwider— leglich darthut, daß zwiſchen den Romanen und den Negern eine ſolche leib- liche Wahlverwandtſchaft in der That beſteht, wie ſie hier zwiſchen den Ro— manen und den Rothhäuten bis jetzt nur vermuthet wird. Dr. Nott bemerkte nämlich in den atlantifchen Staaten Nord-Amerika's, daß die Mulatten im Allgemeinen viel ſchwächlichere Menſchen wären, als ihre Vorfahren, ſowohl auf Seiten der Weißen, als der Schwarzen. Er machte dieſe Beobachtungen bereits in einer im Jahre 1842 in Amerika herausgegebenen Schrift bekannt und ſtellte in derſelben namentlich die Behauptung auf, daß von allen Klaſſen des menſchlichen Geſchlechts die Mulatten die kürzeſte Lebensdauer haben; daß ſie weniger fähig ſind, Strapazen und Anſtrengungen zu ertragen, als die 1) Schoolcraft, Historical and statistical information of the Indian Tribes, I, im Anhang. W. 2) Zeitſchrift IT, 28. G. 3) Monatsbericht der Berl. Geſellſchaft für Erdkunde 1845 II, 1 u. 2, S. 111; II, 3 u. 4, S. 154 und Jahrgang 1844 J, 3 u 4, S. 198. W. ä Ueber einige Baſtardverhältniſſe der in Amerika lebenden Menſchenraſſen. 395 Schwarzen oder die Weißen; daß die Mulattinnen beſonders zart und einer Menge von chroniſchen Krankheiten unterworfen ſind; daß ſie wenig Kinder und nicht ſelten unzeitig gebären, daß fie ſchlechte Ammen find, und daß ihre Kinder gewöhnlich jung ſterben; daß, wenn Mulatten unter einander heira— then, ſie weniger fruchtbar ſind, als wenn ſie ſich mit Individuen ihrer eltern— lichen Stämme vermählen u. ſ. w. Dieſer Anſicht ſind ſeitdem dieſſeits und jenſeits des atlantiſchen Meeres mehrere Gelehrte beigetreten. Erſt neuerlichſt hat Dr. Jeſſen 1) nachgewieſen, daß bei Menſchen, Thieren und Pflanzen die Fortpflanzungsfähigkeit der Ba— f [ ä ſtarde in gleichem Maße unvollkommen fei, und der von Jeſſen angeführte Oberſt Smith ſoll in ſeiner Naturgeſchichte des Menſchen 2) bezweifeln, daß es auch nur eine Mulattenfamilie, aus irgend einem Stamme entſtanden, irgendwo unter den Tropen gebe, welche durch vier Generationen ſich fortge— pflanzt hätte. Da ich in das eben genannte Werk bis jetzt keine Einſicht habe erlangen können, ſo ſind mir die vom Oberſten Smith für ſeine Behauptung etwa beigebrachten Beweiſe ebenfalls unbekannt; es ſcheint jedoch, daß nament— N lich in Bezug auf die Bewohner Mexico's und Süd-Amerika's eine gleich um— fuaſſende und gründliche Unterſuchung vorhergehen muß, ehe das, was Oberſt Smith ſich zu erweiſen bemüht, als eine fichere Errungenſchaft betrachtet wer— den darf. Schließlich ſei hier nur bemerkt, daß auch am Cap und in Auftra- lien angeblich Erfahrungen gemacht werden, welche die eben beſprochene An— ſicht unterſtützen; die Nachkommen der Hottentotten und der Europäer ſollen in dem einen Erdtheile eben ſo wenig zur Fortpflanzung geeignet ſein, als die . Abkömmlinge der Auſtralneger und der Weißen in dem anderen. Ganz im Widerſpruch mit den oben mitgetheilten Erfahrungen traf Dr. Nott ſpäterhin in Mobile, New-Orleans und Penſacola viele Beiſpiele von langem Leben unter den Mulatten an, nicht minder einzelne Beiſpiele, wo ihre unter einander geſchloſſenen Heirathen von einem reichen Kinderfegen be— gleitet waren. Als er nun nach dem Grunde dieſes thatſächlichen Unterſchie— des zwiſchen den Mulatten der atlantiſchen und denen der Golf -Staaten forſchte, ſo führte ihn die Beobachtung auf den Gedanken, daß jener Unter— ſchied aus dem verſchiedenen Charakter der in dieſen Ländergebieten wohnenden kaukaſiſchen Stämme hervorgehe. In den atlantiſchen Staaten iſt nämlich die Bevölkerung germaniſch und celtifch, wogegen in den Golf- Staaten Ameri— ka's das Blut franzöſiſcher, italieniſcher, ſpaniſcher, portugieſiſcher und ande- rer dunkelhäutiger Stämme das Uebergewicht hat. Solche Raſſen geben, wenn ſie in Amerika mit den eingeführten Negern gekreuzt werden, gewöhn— lich einem ſtärkeren und daher fruchtbarerem Stamme den Urſprung, als die eißhäutigen Raſſen und namentlich die Angelſachſen, wenn ſie mit Negerin— 7 !) Ueber die Lebensdauer der Gewächſe. Breslau und Bonn 1855. S. 37. ) Smith, Natural history of man. S. 119 396 Miscellen: nen Umgang haben. Daß aber die mulattiſche Nachkommenſchaft der Letztern (Angelſachſen), wenn überhaupt, nur wenig fruchtbar ſei und eine angeborene Neigung zum Ausſterben zeige, ift jetzt in den Sclavenſtaaten Amerika's un— ter denjenigen, welche darüber Beobachtungen anſtellen, eine allgemein ver— breitete Anſicht. Der Gedanke, daß dieſe über die Mulatten Amerika's geſammelten Er— fahrungen Aehnliches hinſichtlich der Meſtizen vermuthen laſſe, liegt ſehr nahe, und es iſt daher wohl zu erwarten, daß die ethnologiſche Geſellſchaft in New— York, welche durch das ihr zu Gebote ſtehende Material einen glänzenden Vorzug vor jeder ähnlichen Geſellſchaft Europa's genießt, recht bald ihre Auf— merkſamkeit auf dieſe Verhältniſſe richten werde. Walter. Nachrichten über die Expedition des Dr. Kane nach den Ge— genden jenſeit des Smithſundes 1853 — 1855. Die glückliche Wiederankunft des Dr. Kane — der bekanntlich mit der Brigantine Advance am 31. Mai 1853 aus dem Hafen von New-NPork ab- geſegelt war, um in den unbekannten Gegenden jenſeit der Baffins-Bai und des Smithſundes nach Sir John Franklin und ſeinen Gefährten zu forſchen, und über deſſen Verbleib ſeit Juli 1853 alle Nachrichten fehlten “), — iſt ein in ſo hohem Grade überraſchendes und von allen Seiten mit der erreg— teſten Theilnahme begrüßtes Ereigniß in der Geſchichte der letzten arktiſchen Expeditionen, daß wir gern Veranlaſſung nehmen, die verſchiedenen bis jetzt an uns gelangten Mittheilungen über den Verlauf und die Reſultate dieſer Er— pedition den Leſern unſerer Zeitſchrift darzubieten. Es liegt in der Natur der Sache, daß unſere Nachrichten, als die erſten und friſcheſten Ergießungen der Heimgekehrten aus der Fülle ihrer Erlebniſſe, Beobachtungen und Erinnerungen, weder auf Vollſtändigkeit, noch ſelbſt auf Genauigkeit im Einzelnen Anſpruch machen können. Allein das Bild, welches ſie vor uns aufrollen, hat doch ſchon als ſolches einen höchſt bezeichnungsvollen Inhalt, ganz abgeſehen davon, daß es auch ein eigenthümliches Intereſſe gewährt, dem Zuge der Mittheilungen über ein ſo bedeutendes Unternehmen gleichſam auf dem Fuße zu folgen. Die Mannſchaft des Dr. Kane beftand aus folgenden 17 Mitgliedern: J. Wall Wilſon, Segelmeiſter, im Dienſt der Flotte der Vereinigten Staa— ten, gewiſſermaßen erſter Lieutenant der Expedition; neben ihm Henry Brooks, 1) Vergl. das diesjährige Juli-Heft dieſer Zeitſchrift Bd. V. S. 39 ff. und be⸗ fonders die von Ritter Bd. IN, S. 74 — 77 (Juli⸗Heft 1854) mitgetheilten Nach⸗ richten. | | 3 0 : N — 4 . Die Erpedition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 — 55. 397 } James Mac Geary, Amos Bronſell als Offiziere; Dr. J. J. Hayes, Arzt Hund Naturforſcher; Auguſtus Sontag, Aſtronom; Bouſall, Daguerreotypiſt n); Henry Goodfellow, Gehülfsdaguerreotypiſt; William Morton, Proviantmei— ſter; Peter Shepard, Koch; Chriſtian Ohlſen, Schiffszimmermeiſter; außer— dem 6 Seeleute. Unterwegs hatten die Reiſenden ſich noch auf die möglichſt zweckmäßige Weiſe zu verproviantiren geſucht. Sie nahmen zu St. Johns in Neufundland Vorräthe an friſchem Rind- und Hammelfleiſch ein, welchem ſie behufs beſ— ſerer Aufbewahrung die Knochen auslöſten (moiled). Sowohl hier, als auch an der grönländiſchen Küſte wurden außerdem Hunde und Pelzwaaren ein— gehandelt. Auf der weiteren Fahrt kamen ihnen die an den Küſten und auf den Inſeln der Davis-Straße und Baffins-Bai in außerordentlicher Menge vorgefundenen Eier der dort in zahlloſen Schwärmen vorhandenen Vögel zu Statten. Die Reiſe nahm anfangs einen außerordentlich glücklichen Fortgang. Am 5. Auguſt ankerte die Brigantine bereits an der Grenze des im Jahre 1852 von Capt. Inglefield erkundeten Gebiets am Cap Hatherton. Hier ſollte der ge— troffenen Verabredung zufolge der Bericht über den bisherigen Verlauf der Fahrt und kurze Auskunft über die etwaigen letzten, angeſichts der geheimniß— vollen Regionen im höheren Norden gefaßten Entwürfe oder Beſchlüſſe nieder— gelegt werden. Dr. Kane zog es jedoch vor, die emporragende Kuppe der vorgelagerten kleinen Inſel Littleton für dieſen Zweck zu benutzen, indem er den Fundort durch Errichtung einer weithin ſichtbaren Flaggenſtange be— zeichnete. Mit dieſem Punkte — in der Nähe des Cap Alexander, — an welchem Capt. Inglefield am 26. Auguſt 1852 eine unverkennbare Strömung der Fluthen nach Norden hin beobachtet und beim Anblick des bis in unabſeh— bare Fernen eisfreien Meeresſpiegels ſeine Ueberzeugung von der vorhandenen offenen Polarſee geſchöpft, jedoch bei einem plötzlich hereinbrechenden heftigen Nordwinde ſchon am folgenden Tage, zumal in Rückſicht der ſpäten Jahres— zeit ſich zur Rückfahrt entſchloſſen hatte, — mit dieſem Punkte beſchritt Dr. Kane am 6. Auguſt 1853 (in einem der arktiſchen Schifffahrt freilich ungleich weniger günſtigen Jahre) wie auf einmal die Gegend der wildeſten Schreck— niſſe der polaren Natur. In furchtbaren Maſſen durchwogte das Treibeis den Sund und ſchob ſich zu „Barrikaden“ bis 60 Fuß Höhe aufeinander. Bei einem mit unglaublicher Kühnheit unternommenen Verſuch, dieſe einerſeits 1 ) Obgleich uns fünf verſchiedene Verzeichniſſe dieſes Perſonals vorliegen, find wir doch nicht im Stande, für die richtige Schreibart der Namen aufzukommen; ja 0 es iſt nicht unmöglich, daß dieſer Daguerreotypiſt „Bouſall“ mit dem vorher genannten Offizier „Bronſell“ identiſch iſt. Die Nachläſſigkeit, mit welcher die Zeitungsberichte in dieſer Beziehung abgefaßt und redigirt find, gränzt oft an's Unglaubliche. In dem Verzeichniſſe des New York weekly Herald vom 17. October ward z. B. ein Henry Gookfellow als Gehülfs, aſtronom“ der Expedition namhaſt gemacht! e 398 Miscellen: Gefahr, andererſeits aber Stillſtand und Mißlingen des Vorhabens drohende Zone zu durchſchneiden, wäre das kleine Fahrzeug faſt von den Eismaſſen eingeklemmt und der freien Bewegung beraubt, wenn nicht erdrückt worden. Zuletzt erkannte Dr. Kane als einzigen Ausweg den Verſuch dicht an der Küfte hinzuſteuern, wo die gewaltigen Brandungen des Fluthwechſels (welcher letz— tere ſich hier auf 12—16 Fuß belief) eine wenn auch nur ſehr ungewiſſe Mög— lichkeit des weiteren Vordringens zu eröffnen ſchienen. Aber dieß war ein äußerſt bedenkliches Wagniß, welches jeden Augenblick zur Zertrümmerung des Schiffes ausſchlagen konnte. Um bei einem Unfalle dieſer Art den Zu— ſtand der äußerſten Hülfsloſigkeit abzuwenden, ließ Kane, ehe er ſich weiter hinauswagte, an jener Stelle in einer weiten Bucht (im Breitengrade 78,26) das kleine eiſerne Rettungsboot Francis mit angemeſſenen Vorräthen zurück. Und nun begann die Mannſchaft von Neuem dem Küſtenrande entlang den Kampf mit dem arktiſchen Element, um mit ihrer „Advance“ einen mög— lichſt weiten Fortſchritt zu erringen und ſich eine Baſis zu ferneren Erfor— ſchungen gegen den Nordpol hin zu ſichern. Aber welch ein Kampf! Es war das größte Glück, daß das Fahrzeug eine ungewöhnliche Stärke und Haltbarkeit bewährte und im Ganzen unverſehrt blieb, obgleich es zur Zeit der Ebbe auf den Eismaſſen ſtrandete und bei der eintretenden Fluth von dem toſenden Gewäſſer und den umhertreibenden Maſſen hin und her gewor⸗ fen wurde. Zweimal kam es durch das Andrängen der Eisblöcke dahin, daß die Quer-Balken faſt ſenkrecht zu ſtehen ſchienen. Ein anderes Mal fehlte wenig, daß das Schiff von einem in Folge äußerer Erſchütterungen ausbrechenden Feuer zerſtört wäre. Dennoch wurden die Anſtrengungen in der ſteten Hoff— nung auf endliches beſſeres Gelingen faſt einen Monat hindurch fortgeſetzt. Jedoch der Erfolg verſagte; ſie rückten zwar von Tag zu Tag um ein geringes weiter, allein ſie waren noch nicht volle 5 deutſche Meilen vorwärts gekommen, als ſie (im Breitengrade 78,44) zu Anfang des September eine feſtgeſchloſſene Eisdecke vor ſich ſahen, welche keinen Gedanken eines Durchdringens aufkommen ließ. Nicht ohne Schwierigkeit gelang es, in der Tiefe einer Bucht („Renſ— ſelaer- oder Renaſelger-Bai“ genannt), an welcher fie bereits vorübergefah- ren waren, eine verhältnißmäßig ſichere Winterzuflucht zu erreichen. Hier richteten ſie mit freudig dankbaren Gefühlen nach ſo vielen über- ſtandenen Schreckniſſen das Schiff am 10. September 1853 zum Winterlager ein. Sie waren jetzt an dem Punkte angelangt, der ihnen als Ausgangs- punkt zu weiteren Reiſen nach Norden hin beſchieden war. Für den Reſt des Jahres blieb ihnen nichts zu thun übrig, als ein Depöt von Lebensmit⸗ teln nach einem möglichſt entfernten Punkte nordwärts hinaufzuſchaffen, um von dort aus im kommenden Jahre die Nachſuchungen und Auskundſchaftun- gen nach Franklin und ſeinen Gefährten ausführen zu können. Eine weſent— liche Erleichterung dieſer Aufgabe waren die zur Beſpannung der Schlitten mitgenommenen Hunde, mit welchen bisweilen 50, ja 60 engl. Meilen in einem Tage zurückgelegt ſein ſollen. Dagegen war es ein immer wiederkeh— Die Expedition des Dr. Kane jenſeit des Smithſundes 1853 — 55. 399 rendes Hemmniß, daß die mit ſchroffen Eisklüften und unüberſteiglichen Höhen⸗ bildungen verſperrte Gegend oft unerhört weite Umwege und den peinlichſten Aufenthalt verurſachte. Dennoch gelang es, dieſes Depöt in nord- nord- öſt⸗ licher Richtung jenſeit des 80. Breitengrades anzulegen, nachdem (mit Einrech— nung der durch die Terrainſchwierigkeiten bedingten Zickzacklinien) eine Weg— ſtrecke von etwa 400 engliſchen Meilen zurückgelegt war. Die merkwürdigſte Entdeckung auf dieſer erſten Excurſion war ein ungeheurer Gletſcher, deſſen Anblick die Reiſenden an dem nordweſtlichen Küftengebiete Grönlands aufs Lebhafteſte überrafchte und an deſſen Fuße ſie noch 50 engliſche Meilen nord— wärts vorgedrungen waren, inmitten einer Landſchaft, deren Dede, wie fie fa- gen, jede Beſchreibung überbietet. In dem langen arktiſchen Winter 1853 — 54 haben die Reiſenden die Strenge des polaren Klima !) weit über ihre ſchlimmſten Erwartungen hin= aus zu empfinden gehabt; davon zeugen nicht nur ihre Schilderungen und Beobachtungen, ſondern auch die furchtbaren Einwirkungen auf das Befinden und den Geſundheitszuſtand. Zunächſt ſtellte ſich bei dem eintretenden Win- ter die Krankheit des Scorbut ein, jedoch nur in mäßigem Grade, ſo daß ſie unter der geſchickten und umſichtigen Behandlung des Arztes Dr. Hayes für den erſten Winter ohne ſchlimme Folgen blieb. Allein ein anderes bösartige res Uebel, welches bei arktiſchen Reiſenden ſonſt nicht hervorgetreten iſt, war ein durch die Strenge der Kälte herbeigeführter Starrkrampf in den Kinnla⸗ den. Dieſe Zufälle trotzten den vereinten Bemühungen des Dr. Kane und des Dr. Hayes; ſie haben unter der Mannſchaft zwei Opfer gefordert. Von den 60 Hunden, auf deren Nützlichkeit zur Beförderung der Schlittenercurfig- nen ſo weſentlich gerechnet worden war, ſtarben nicht weniger als 57 an der entſetzlichen Plage. Der Verluſt dieſer treuen Thiere iſt in der Folgezeit nur N zu ſtark gefühlt worden; ihm ſchreiben die Berichterſtatter eines guten Theils mit zu, daß die ſpäteren Forſchungen nicht vollſtändiger gelungen ſind. Das Leben im Winterlager am Bord des Schiffes geſtaltete ſich während dieſer langen Winternacht zu einer beſtimmten wohlthuenden Regelmäßigkeit. Die für den Dienſt des Schiffes erforderlichen Arbeiten und Geſchäfte wurden ohne Schwierigkeiten beſorgt; überall herrſchte Ordnung und das glücklichſte Einverſtändniß unter den Mitgliedern. Sowohl der Anführer der kleinen 1 ) Dem Herrn Prof. Dove verdanken wir hierüber folgende authentiſche Mit⸗ th ilung: „„Die Angabe, daß das Queckſilber 4 Monate hindurch gefroren blieb, würde allerdings darauf deuten, daß der Winter hier der ſtrengſte war, von welchem man Beobachtungen beſitzt. Die mittlere Jahreswärme 5,2 Fahrenheit — A: aber nicht die niedrigſte, wie Dr. Kane glaubt. Cs iſt nämlich: Boothia⸗ Aſſiſtance⸗ Melville⸗ Mercy Pr Wales⸗ Wolſtenholm⸗ N. Felir Bai Inſel Bai Straße Sund Win inter 26,54 — 26,10 —2686 — 27,67 — 28,09 — 26,90 | i, 58 we 12, 65 —13, TER 14, 30 213,74 120 400 Miscellen: Schaar, als auch die übrigen Offiziere waren unermüdlich in der Wartung ihrer Obliegenheiten. Die ganze Mannſchaft war, ſo lange die Seuche noch nicht ihre ſchrecklichen Wirkungen übte, augenſcheinlich zufrieden und froh. Das Schiff war durch die angewandte Umſicht reichlich mit Vorräthen und Lebensmitteln ausgeſtattet, ſo daß eine heilſame Mannigfaltigkeit und der nöthige Wechſel bei den dargereichten Speiſen nicht fehlte. Mit dem Schlage ſieben erhoben ſich die Männer von ihrem Lager; ſpäteſtens um 28 Uhr war Alles auf den Füßen. Um 8 Uhr wurde das Frühmahl eingenommen. Dann ging es an die zur ordnungsmäßigen in-Stand-Erhaltung und Reinigung des Schiffes gebotenen Tagesgeſchäfte. So weit das Wetter es geſtattete, wurden um der Uebung der Kräfte und der Geſundheitspflege willen kleine Schlittenausflüge oder ſonſt Wanderungen in den nächſten Umgebungen des Schiffes angeſtellt. Um 2 Uhr verkündigte der Schall der Glocke die Stunde des Mittagsmahles, und von jetzt ab gaben ſich alle dem geſellſchaftlichen Verkehr hin. Ein Berichterſtatter ſagt: „ſie hatten nun nichts mehr zu thun, als zu leſen, ſich mit einander zu unterhalten, zu ſchwatzen, zu lachen, fo weit es etwas zu lachen gab, ſich warm zu halten und guter Dinge zu ſein.“ Später wurde noch eine gemeinſchaftliche Mahlzeit gehalten; um 9 oder 10 Uhr Abends herrſchte bereits auf dem Schiffe die tiefſte Ruhe und Stille. Alle Lichter waren erloſchen. Nur das obere Deck, auf welchem der Schiffs— wachtpoſten ſtationirt war, blieb ſpärlich erhellt. Bei dieſer Einrichtung des Lebens und der Thätigkeiten und unter den Umgeſtaltungen derſelben, welche durch die oben erwähnten Unfälle bedingt waren, ſchwanden die 120 ſonnenloſen Tage der arktiſchen Winternacht nach und nach dahin. Am 24. Februar 1854 wurde das Wiedererſcheinen des „Tagesgeſtirns“ mit neuem Muthe, mit Freude und Hoffnung begrüßt; es war das Signal zur energiſchen Wiederaufnahme des Werkes zur Aufſuchung der verſchollenen Mannſchaften des Erebus und Terror. Inmitten eines noch gänzlich unerforſchten Gebiets war die Aufgabe, der die kleine Schaar ſich unterziehen mußte, fo umfaſſend, daß ein Aufbruch in möglichft früher Jah— reszeit unerläßlich erſchien: denn hierbei war es ein ſchwer empfundener Schlag, daß von der beträchtlichen Anzahl von Hunden, welche Kane zum Beſpannen der Schlitten in Neufundland und Grönland angekauft hatte, nur 3 oder 4 am Leben geblieben waren. Abgeſehen von den unbeſchreiblichen Beſchwer— den, welche das Ziehen der mit dem Bedarf für Reiſe und Raſt beladenen Schlitten mit ſich brachte, erforderte dieſer Transport nunmehr einen alle vorhergehende Berechnung weit überſchreitenden Zeitaufwand. Unter dieſen Umſtänden mußte der Verſuch gewagt werden, ſchon im Monat März, in welchem bei dauerndem Vorherrſchen eines überaus ſtrengen Wetters die Tageslänge auf 12 Stunden kam, die Kundſchaftsreiſe zu bes ginnen. Dieſes Unternehmen mißlang jedoch gänzlich. Die Männer wurden durch die Unebenheiten des Terrains, beſonders aber durch maſſenhafte Eis— r * } — — Die Erpedition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 — 55. 401 blöcke und Eisſchichten, welche allenthalben den Weg verſperrten, dergeſtalt gehemmt, ermüdet und aufgerieben, daß ſie ſich mit ſchmerzlicher Reſignation zur Rückkehr entſchließen mußten, als ſie kaum erſt 40 engl. Meilen (in grader Richtung?) vom Schiffe entfernt waren. Aber auch jetzt ſchon kam dieſer ihnen von der ſteigenden Noth abgezwungene Entſchluß zu ſpät. Das Erſcheinen des Dr. Kane, der durch drei der Männer, — die einzigen, welche noch im Stande waren, den Weg zu machen — in aller nur möglichen Eile vom Schiff herbeigerufen wurde, vermochte eine Reihe von ſchweren Leiden und Verluſten nicht mehr abzuwenden. Einer der Männer (der Matroſe Baker) erlag dem Kinnbackenkrampf in Folge der furchtbaren Kälte; ein an— derer (der Koch Shepard) ſtarb an den Folgen der nothwendig befundenen Amputation ſeiner erfrorenen Zehen. Zwei andere Männer, die ſich einer ähnlichen Operation unterwerfen mußten, beſtanden dieſelbe glücklich. Eine zweite Auskundſchaftsreiſe wurde im folgenden Monate (April) un⸗ ter Anführung des Dr. Kane unternommen. Sie beſtand aus zwei Schlitten, von welchen der eine mit den noch am Leben erhaltenen Hunden beſpannt war, der andere von Männern gezogen wurde. Es war ein hartes Mißge— ſchick, daß Dr. Kane unterwegs von einem heftigen Fieber niedergeworfen wurde. Nach acht Tagen ſah man die Partie in niedergeſchlagener Stimmung zum Schiff zurückkehren. Im Mai gelang es einer anderen Abtheilung unter Anführung des Dr. Hayes die Weſtſeite des Smithſundes zu erreichen und auf 80 engl. Meilen von dem Standorte des Schiffes vorzudringen. Allein bald geſellte ſich zu der Plage der Schneeblindheit, bei der äußerſten Hülfsloſigkeit der Landſchaft in jener Jahreszeit, ein Mangel an Lebensmitteln; Dr. Hayes kehrte nach 12 Tagen zum Schiffe zurück, nachdem er mit Hülfe des Hundegeſpanns, deſſen einziges Futter während dieſer Zeit aus einem alten Stiefel und einem abgetragenen Esquimaux-Beinkleide beſtand, eine Wegſtrecke von ungefähr 350 Meilen zurückgelegt hatte. Schon ſeit dem Monat März war die Mannſchaft mit Esquimaux, deren nächſte Anſiedlung nur etwa 70 Meilen entfernt lag, in Verkehr getreten 1). Dieſe Gelegenheit wurde benutzt, um einen der Eingeborenen zur Theilnahme an der nunmehr nicht länger aufzuſchiebenden großen Ausfahrt in nordöſtli— cher Richtung zu gewinnen. Dieſelbe wurde hauptſächlich erſt im Monat Juni ausgeführt; ſie dauerte bis zum 12. Juli und bildet den eigentlichen Gipfelpunkt aller Unternehmungen. Leider find indeß die bis jetzt dargebote— n ) Die nördlichite bisher bekannte Esquimaur-Niederlaſſung war die vom Capt. Inglefield 1852 im Süden des Walſiſch-Sundes entdeckte. Die von Kane's Mann⸗ ſchaften beſuchten Esquimaur⸗Wohnſtätten lagen offenbar viel höher hinauf. Es find auch hierüber erſt noch genauere Nachrichten abzuwarten. In früheren Jahrhun⸗ derten müſſen ſich die Anſiedlungen dieſer Eingeborenen viel weiter nach Norden er⸗ ſtreckt haben, als heutigen Tages. Capt. Belcher fand bekanntlich im Jahre 1853 eine ſolche verlaſſene Wohnſtätte oben am Northumberland-Sund. Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 26 402 Miscellen: nen Nachrichten darüber — fie beſtehen theils in dem offiziellen Bericht oder vielmehr in dem erſten mit augenſcheinlicher Flüchtigkeit hingeworfenen Be— richtsentwurf des Dr. Kane, theils in Mittheilungen von Morton, von Hayes, Bouſal und Sontag und von einem Seemann der Expedition — noch ſehr lückenhaft und ſelbſt von inneren Widerſprüchen nicht ganz frei geblieben. Die Reſultate ſind im Ganzen folgende: Der öſtliche Rand des Smith-Sundes iſt ſeiner ganzen Ausdehnung nach ausgekundſchaftet und aufgenommen. Es hat ſich ergeben, daß dieſer Sund im Nordoſten in einen großen Golf — den Peabody-Golf — aus- läuft, deſſen Längendurchmeſſer auf 110 engl. Meilen geſchätzt wird. Das Gebiet von Grönland, über deſſen Ausdehnung bis dahin die ver— ſchiedenſten Anſichten herrſchten, — indem die ſpeculative Geographie bald einerſeits eine gänzliche Zerſplitterung ſeiner Landmaſſen vom Walfiſchſund ab, bald andererſeits ſeine Erſtreckung bis zum Nordpol zu behaupten ſuchte — iſt bis zu ſeiner Nordweſtſpitze hin beſtimmt. Es iſt beobachtet, daß die Küſte von dort beinahe rein oſtwärts ſich umbiegt, mit einem Winkel von 17 nach Norden hin. An dieſer Stelle aber hängt das Gebiet Grönlands durch einen umfangreichen und höchſt merkwürdigen Gletſcher, der, wie wir ſahen, bereits auf der zum Niederlegen von Lebensmitteln im Herbſt 1853 unternommenen Reiſe entdeckt war, mit den an der Weſtſeite des Smithſun⸗ des ſich nordwärts hinaufziehenden Landgebieten zuſammen. Dieſer Gletſcher, deſſen Anfangspunkt auf den 60. Grad weſtl. Länge angegeben wird, hat die Einbildungskraft der Entdecker und Berichterſtatter auf das Lebhafteſte beſchäftigt. Sonderbarer Weiſe betrachten fie Grönland als der „Alten Welt“ zugehörig und ſehen das gegenüber liegende Landge— biet des Smithſundes als „Continent der neuen Welt“ an. Verſunken in dieſe Anſchauung erſcheint ihnen eine ſolche Eisverbindung der alten und neuen Welt durch eine ſo großartig impoſante Bildung der arktiſchen Natur als ein Phänomen von eigenthümlich bezeichnungsvollem und romantiſchem Intereſſe. Den coloſſalen Gletſcher, — wohl der größte, den je das Auge eines Seefah— rers geſehen — der mit einer Höhe von 500 Fuß in das Meer abfällt, der, wie fie hinzufügen, auf alle Zeiten eine unpaſſirbare Barriere, ſpätere Erkun— dungsreiſen beſchränken wird, bezeichnen ſie als das einzige Hinderniß der In— ſularität Grönlands, als die einzige Schranke zwiſchen Grönland und dem atlantiſchen Meere (22). Ihm ſchreibt Kane die wilde Zerriſſenheit, die ewige Froſt⸗ und Winternatur im Smithſund zu; von ihm leitet er die dort in ſo großer Zahl umtreibenden Eisberge und das ſtrenge Klima jener unwirthli— chen Landſchaften ab. Der Landbildung, auf welcher dieſer Gletſcher ruht, gab Dr. Kane den Namen „Waſhington-Land“. Wie dem Allen auch ſei, der Fuß dieſes Gletſchers wurde jetzt auf 80 Meilen weit verfolgt. Der Weg zog ſich uͤber wilde Abhänge dahin; es wird — in New York Daily Times 12. Oct. und engl. Times 27. Oct. — erzählt, daß die Die Expedition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 — 55. 403 Reiſenden (wie viele ihrer an dieſer Stelle geweſen, iſt nicht erwähnt) trotz aller Schwierigkeit an herabſtürzenden Eisſchichten den Fuß des Gletſchers bis zum Meere (wie wir meinen, bis zu jenem eisfreien Polarmeere) verfolgt haben, indem ſie die offenen Stellen des Kanals mit faſt unglaublicher Kühn— heit auf Eisflarden durchfloͤßten! — Bei weiterem Vordringen ergab ſich näm— lich die bedeutungsvolle Entdeckung, daß der oben erwähnte Peabody-Golf, in deſſen Becken der Smith-Sund nördlich ausläuft, mit dem Breitengrade 80,12 ſich zu einem großen Kanal — den Kennedy-Channel — verengt, der zuletzt wiederum nach Norden zu in eine eisfreie, offene Polar-See ausmündet. Ungeachtet der mannigfaltigen Combinationen und Vermuthungen und aller vorhergehenden Berichte über ähnliche Entdeckungen wird das Vorhan— denſein eines offenen Meeres in fo hohen Breiten den Meiſten im böchften Grade überraſchend erſcheinen. Wir begnügen uns, die Ausſprüche der ver— ſchiedenen Berichterſtatter darüber zuſammenzuſtellen. Die Darſtellung in Kane's jetzigem officiellen Report!) lautet wie folgt: „Dieſer Canal breitet ſich nordwärts zu einer offenen und eisfreien Fläche aus, die von animaliſchem Leben erfüllt iſt und ganz die Kennzeichen einer offenen Polar: See darbietet. Ein Waſſerſpiegel von 3000 (engl.) Quadratmeilen wurde von ver— ſchiedenen hochgelegenen Punkten aus frei vom Eiſe und mit einem in gleicher Weiſe freien nördlichen Horizont erblickt Während eines 52 Stunden dauernd anhaltenden Nordwindes wurde kein Treibeis auf dieſer Fläche erblickt. Nicht ohne Schmerz be— richte ich dem Departement (d. h. der Admiralität der Vereinigten Staaten), daß es unmöglich geweſen iſt, dieſes Waſſer zu befahren. Ein mit feſten Eismaſſen erfüllter Zwiſchenraum von „ein hundert fünf und zwanzig Meilen“, noch dazu ſo uneben, daß keine Boote über denſelben hinweg transportirt werden können, trennt dieſe offene See von dem nächſten auf dem Waſſerwege erreichbaren Punkte weiter ſüdlich .... Ge⸗ gen Norden hin in dem Breitengrade 81,17 wurden die Ufer des (von dem Peabody— Golf zu dieſer Polar-See führenden) Kanals abſchüſſig und ſelbſt für Schlitten nicht mehr paſſirbar. William Morton (Proviantmeiſter der Expedition), der mit einem Esquimaur und einem kleinen Hundegeſpann an dieſe Stelle gelangt war, verfolgte zu Fuß weiter dieſe Richtung, bis ein mauerartig emporragendes Vorgebirge, an wel- chem eine gewaltige Strömung brandete, ſeinem Fortſchreiten abſolut ein Ziel ſetzte. An den weſtlichen Küſten dieſer See hatte ich die Spuren der muthvollen Märtyrer, um derenwillen dieſe Expedition ausgerüſtet wurde, zu finden gehofft. Die gewicht— vollen Ermittelungen des Dr. Rae, die mir erſt jetzt bekannt geworden ſind, bekunden, daß dieſe Auskundſchaftungen lediglich ein geographiſches Intereſſe gehabt haben wür—⸗ den. Wenn ich den Zuſtand meiner Mannſchaft gewiſſenhaft in Betracht ziehe, ſo erkenne ich mit Wahrſcheinlichkeit eine Fügung der Vorſehung darin, daß mein Ver— ſuch, mich dorthin einzuſchiffen, mißlungen iſt. Das nach Norden und Weſten zu von dieſer offenen See beſpülte Land iſt bis zum Breitengrade 82°,30 und bis zum Län: gengrade 76“ aufgenommen (charted); unter allen bis jetzt entdeckten Landbildungen N liegt dieſe dem Pole am nächſten. Sie trägt den Namen Grinnell-Land.“ Ein zweiter unter dem Namen dreier anderer Mitglieder der Expedition, Dr. Hayes, Bouſal und Sontag, veröffentlichter Bericht ſagt: ) New York weekly Herald 17. Oct. p. 326. — Es mag noch bemerkt werden, daß The Times in der Nummer vom 26. Oelbr. ein freilich nur kurzes, aus Godhavn vom 12. Septbr. datirtes Schreiben von Dr. Kane an Geo. Peabody in London ent- halten, in welchem dieſe offene Polar-See mit großer Bedeutung hervortritt. 26 * 404 Miscellen: „Im Innern der Bucht (nämlich der Peabody-Bai) erhebt ſich jener Gletſcher ... An dieſem Punkte wurde ein Canal entdeckt, der direct nordwärts lief. Die Abthei— lung reiſete längs dem Rande, bis fie auf offenes Waſſer ſtieß. Dieſe offene Fläche war ganz frei von Eis und mit animaliſchem Leben, mit Geflügel, Fiſchen, Walroß und Seehunden erfüllt. Ein zwei Tage lang anhaltender Nordwind brachte kein Eis herab, zum Beweiſe, daß eine große offene See vorhanden war; aber ob es die große Polar-See iſt oder nicht, bleibt zweifelhaft. Nach der Meinung des Dr. Kane iſt es die große Polar-See, welche niemals zufriert ...“ (New York Herald vom 17. October.) Noch wunderbarer klingt die Erzählung eines, Seemanns“ der Advance, der die ganze Entdeckung der Schlittenreiſe unter Kane im Herbſt 1853 zus ſchreibt: „Der Schlittenzug ging mit einer Caravane von 60 Esquimaur- und Labrador⸗ Hunden über Schnee und Eis 60 engl. Meilen des Tags in einer großartig erhabe— nen Natur, durch die wildeſte, nur von dem Geheul der arktiſchen Winde durchtönte Einöde. Das Thermometer hatte einige Tage hindurch (ehe die Reiſenden zu dem offer nen Polarmeer kamen) eine allmähliche Steigerung der Temperatur gezeigt, bis es zuletzt an den Nullpunkt kam; an den Geſtaden dieſer „nördlichen See“ zeigte es eine noch viel höhere Temperatur. Sowohl das Gewäſſer, als auch der umliegende Erd— boden zeigte 40° bis 45° (3,5 bis 5,8 Réaum.). Eine Art Gras und zähes See⸗ kraut wuchs an den Ufern, und eine große Anzahl grasfreſſender und anderer Thiere und Vögel, bisher den Naturforſchern unbekannt, gingen auf ihre Nahrung aus und ſtreiften umher in furchtloſer Unbekümmertheit. Die Relief (d. h. „Releaſe“, in wel⸗ cher ein Theil der Mannſchaft Kane's nach New-Pork zurückkehrte) hat einen leben⸗ digen Vogel mitgebracht, der in einiger Beziehung dem Silber-Seeheher gleicht. Der⸗ ſelbe wurde jung am Ufer gefangen, vollſtändig gezähmt und ſcheint glücklich in ſeiner neuen Umgebung.“ (New Vork Daily Times 12. Oct. und wahrſcheinlich daraus ab⸗ gedruckt in den engl. Times 27. Oct. Unverkennbar ſind dieſe am erſten Tage nach er Rückkehr veröffentlichten Notizen mit unkritiſcher Haft zuſammenge— rafft.) Nachdem die Mannſchaften zurückgekehrt waren, harrte Kane im Sommer 1854 dem Aufbrechen des Eiſes, welches fein Schiff umſchloſſen hielt, ent— gegen. Allein es erging ihm, wie dem Capt. M'Clure in den Jahren 1852 und 1853 in der Mercy-Bai; er harrte vergebens. Indem er zuletzt ſeiner Täuſchung inne ward, war die Jahreszeit ſchon zu weit vorgerückt, als daß ein Verſuch, die däniſchen Niederlaſſungen in Grönland zu erreichen, noch hätte unternommen werden können. Gleichwohl war die Verlegenheit groß. Es fehlte an Brennmaterial; ſelbſt die Vorräthe an Lebensmitteln waren, wenn auch an ſich reichlich genug, gleichwohl nicht geeignet, die zur Abwehr des Scorbut erforderliche Diät und Abwechſelung zu gewähren. In dieſer peinvollen Lage kam Kane auf den Gedanken, einen Verſuch zu wagen, ob es ihm vielleicht gelingen möchte, entweder die Beechey-Inſel, wo ſeines Wiſſens eine Abtheilung des Belcher'ſchen Geſchwaders ſtationirt war, zu erreichen, oder im Lancaſterſund ein engliſches Schiff anzutreffen. Er brach mit 5 Begleitern auf und nahm ein kleines Walfiſchboot mit in der Hoffnung, weiter ſüdlich ein offenes Waſſer zu finden. Sie kamen in der That bis zum Jones-Sunde, allein hier trat ihnen die unter dem Namen des „Mitteleiſes“ bekannte Maſſenformation der Davisſtraße und der Baffins bai D . Die Expedition des Dr. Kane jenſeit des Smithſundes 1853 — 55. 405 hemmend in den Weg; nirgends war eine offene Fahrſtraße zu gewinnen. Die weite Strecke zu Fuß zurückzulegen, war bei dem Mangel an Unterhalt für die dazu erforderliche lange Zeit unmöglich. Daher blieb zuletzt nichts übrig, als unter peinvollen Beſchwerden und unter den aufreibendſten Ent— behrungen den Rückweg zu dem Schiffe zu ſuchen. Die gehegten Beſorgniſſe vor dem zweiten Winter gingen nur zu ſehr in Erfüllung. Zunächſt machte ſich der Mangel an Material zur Erheizung des zum Winterlager eingerichteten Schiffsraums ſehr bitter fühlbar. Die Kohlen— vorräthe waren im Laufe des vorhergehenden Winters nahezu erſchöpft; man mußte jetzt dazu ſchreiten, alles nur irgend entbehrliche Holz auf dem Schiffe als Brennholz zu benutzen. Aber auch dies war eine keineswegs hinreichende Auskunft, obgleich nach und nach die Sparren, die Dielen des Fußbodens, die innere Bekleidung ſogar der Cabinen, bis auf die, welche ſie als gemein— ſchaftliche Wohnung eingerichtet hatten, als Heizmaterial verwendet war. Die Nothwendigkeit, ganz nach der Weiſe der Esquimaur zu leben, durch Moos— wälle die Kälte abzuwehren und ſich von rohem Seehund- und Bärenfleiſch zu nähren, brachte Krankheit und Siechthum über die ganze Mannſchaft. Der Scorbut griff unwiderſtehlich um ſich; einmal kam es dahin, daß nur noch einer der Gefährten (der Daguerreotypiſt Bouſal) außer Kane ſich aufrecht zu erhalten und mit ihm die Krankenpflege und die Tagesgeſchäfte der Rein— erhaltung des Schiffes zu beſorgen im Stande war. In dieſen Bedrängniſſen brachte der Verkehr mit den Esquimaur, welche das Schiff beſuchten und Fleiſch zum Eintauſch gegen allerlei Waaren dar— boten, einige Erleichterung, bis das Wiedererſcheinen der Sonne und die mit der milderen Frühlingsluft gegebene Möglichkeit der Bewegung im Freien das Wohlbefinden der Mannſchaft beförderte. ö Dr. Kane konnte nicht darüber in Zweifel ſein, daß es unter dieſen Um— ſtänden die nächſte Aufgabe war, feine Mannſchaft, ſobald es die Jahreszeit geſtattete, ſüdwärts nach einem Punkte zurückzuführen, von welchem aus ſie die Heimath wieder erreichen konnten. Er hätte nicht daran denken können, ſich der Gefahr auszuſetzen, einen dritten Winter in den arktiſchen Gegenden zu verbringen. Von der Brigantine, welche, ſeit dem Herbſt 1853 unbeweg— lich vom Eiſe umſchloſſen, den Reiſenden zur Wohnſtätte und bei der Rück— kehr von ihren Kundſchaftsreiſen zur Zuflucht und gleichſam zur zeitweiligen Heimath geworden war, ſcheint faſt nur der Rumpf erhalten zu ſein. Sie war unwiederbringlich den arktiſchen Elementen verfallen. Die Ankunft einer Ret— tungs⸗ Expedition zu erwarten, erſchien um fo mißlicher, als der Smithſund im Jahre 1854 bis auf 90 Meilen ſüdwärts des Winterlagers mit ſtarren Eismaſſen bedeckt, mithin für die Schifffahrt unzugänglich geblieben war. Weiter konnte Dr. Kane kaum noch darüber zweifelhaft ſein, wohin er ſich mit den Seinen zunächſt wenden ſollte, um das Vaterland wieder zu er— reichen. Im letzten Spätſommer hatte er noch erfahren, welchen Schwierig— . * > * . 406 Miscellen: keiten und Hemmungen der Weg zur Beechey-Inſel unterlag; ja er konnte nichts weniger als darüber gewiß fein, ob die im Jahre 1852 von dem Bel- cher'ſchen Geſchwader zur Stütze weiterer Nachforſchungen im hohen Norden daſelbſt angelegte Station überhaupt noch fortbeſtand. Offenbar blieb ihm jetzt keine Wahl, als zunächſt nach den däniſchen Niederlaſſungen an der Weſt— küſte Grönlands hinabzugehen. Am 17. Mai verließ er mit der Mannſchaft das Schiff, um dieſen letzten Ausweg der Rettung zu verſuchen. Die Organiſation dieſer Reiſe erforderte die höchſte Umſicht und eine außerordentliche Reſignation. Die kleine Schaar ging den größten Fährlich- keiten entgegen. Abgeſehen von den Vorräthen an Talg, Pemmikan und zer= riebenem Brot, welche ſie mit ſich führte, war ſie darauf angewieſen, auf der erſten Strecke des Weges mit ihren Flinten ſich den nothwendigen Unter— halt zu verſchaffen. Die beiden Hunde, welche noch am Leben waren, wur- den zur Beſpannung eines Schlittens angewandt, auf welchem man vier Kranke mitnahm. Einer der letzteren, der Schiffszimmermeiſter Ohlſen, ein Mann von 32 Jahren, der eine außerordentliche Tüchtigkeit und die treueſte Hingebung für den ſchönen Zweck der Expedition bewährt hatte, ſtarb unterwegs zur tiefſten Trauer des Dr. Kane, der ihn ſehr liebte und von den Lippen des Sterbenden die letzte Beſtellung an ſeine Familie empfing. Sein Leichnam wurde auf der Littleton-Inſel, unweit des Cap Alexander, beigeſetzt. Mit ſtillem Schmerz mußte ſich Dr. Kane entſchließen, die eingeſammelten natur⸗ hiſtoriſchen Gegenſtände zurückzulaſſen, da man alle Mühe hatte, außer den erkrankten Mitgliedern die nothwendigſten Erforderniſſe fortzuſchaffen; man mußte ſich begnügen, die ſchriftlichen Aufzeichnungen mit ſich zu nehmen. Selbſt ihre Kleidung beſchränkte ſich auf das Nothdürftigſte, und auch die kleine Bücherſammlung, welche die Offiziere mit ſich genommen hatten, mußte zurückbleiben. Die erſte Strecke des Weges war die ſchwierigſte. Mehr als einen Mo— nat lang mußten die Seefahrer über die Eis- und Schneewüſten ſich ihre Bahn ſuchen, um eine directe Entfernung von 81 engl. Meilen zu erreichen. Am 21. Juni beſtiegen ſie in der Nähe des Cap Alexander zum erſten Male — unter dreifachem Freudenruf auf glückliche Rückkehr nach der Heimath! — die kleinen Boote, deren ſie drei mit ſich führten, die ihnen bisher bei der nächtlichen Raſt zum Obdach gedient hatten. Anfangs wurde die Fahrt durch die Eisbildungen, über welche ſie die Fahrzeuge hinweg tragen mußten, vielfältig unterbrochen. Am Cap Pork, bei den früheren Franklin-Expedi⸗ tionen oftmals genannt, nahmen fie eine kurze Raſt, um Depeſchen einzugra— ben. Hier benutzten ſie ein Boot, deſſen ſie nunmehr entbehren konnten, als Brennholz, und errichteten eine Flaggenſtange, um den Ort der niedergelegten Depeſchen den in der Melville-Bai vorüberſegelnden Schiffen anzuzeigen. Am 6. Auguſt kamen fie, ohne weiteren Unfall, im Hafen von Uper— navik an, nachdem ſie auf einer Wegſtrecke von ungefähr 1300 engl. Meilen * Die Erpedition des Dr. Kane jenſeit des Smithſundes 1853 — 55. 407 84 Tage dem Wetter der arktiſchen Zone unausgeſetzt preisgegeben waren. Ungeachtet der harten Kämpfe und der tauſendfachen Gefahren war ihr Zu— ſtand wohlbehalten und ſelbſt verhältnißmäßig kräftig; wenigſtens erholten fie ſich unter der gaſtfreundlichen Pflege in der dortigen däniſchen Niederlaſſung überrafchend ſchnell von den überſtandenen Anſtrengungen und Entbehrungen. Dennoch nahm Dr. Kane Anſtand, mit ſeinen Männern die Reiſe zu den ſüd— lichen däniſchen Colonien an der Diskobucht zu unternehmen; vielmehr zog er vor, die Ankunft des däniſchen Handelsſchiffes abzuwarten, welches regel— mäßig gegen den Anfang des Monats September zu Upernavik eintrifft. Die— ſer Entſchluß veranlaßte einen Aufenthalt von mehr als einem Monate, da das Schiff Marianne aus Kopenhagen faſt zwei Wochen zur Erledigung der Geſchäfte des Ausladens der mitgebrachten Güter und des Einladens der Rückfracht im Hafen verweilte. Erſt gegen die Mitte des Monats September gelangten ſie nach Godhavn auf der Disko-Inſel. Oft hatten ſie früher unter der Laſt ihrer Bedrängniſſe der Ausſicht ge— dacht, daß eine aus den Vereinigten Staaten entſandte Rettungs-Expedition ihnen begegnen werde. Jetzt ſchien dieſe Hoffnung aufgegeben und ſie waren bereits zu dem Entſchluß gekommen, über England nach Amerika zurückzu— kehren. Es iſt unerklärlich, daß fie während des langen Aufenthalts zu Uper— navik auch nicht die geringſte Kunde von der Fahrt des Lieut. Hartſtein er= halten zu haben ſcheinen, obgleich derſelbe auf ſeinem Wege zum Smithſunde daſelbſt angelegt hatte, um Winterkleider und Pelzwaaren für die erwartete Ueberwinterung in den Polargegenden einzukaufen. Deſto lebhafter war ihre Freude, als am 13. September, am Tage vor dem Antritt der beabſichtigten Ueberfahrt nach England plötzlich die beiden Fahrzeuge Arctic und Releaſe vor der Disko⸗Inſel erſchienen, um fie unverweilt gerades Weges ihrer Hei— math wiederzugeben. In einem früheren Artikel dieſer Zeitſchrift!) wurde bereits erzählt, daß Lieut. Hartſtein ſeit dem Anfange des Monats Juni aus dem Hafen von New— Vork zur Rettung des Dr. Kane und feiner Gefährten abgeſegelt war. Bald nach der Abfahrt traten dieſer Expedition auffallende Anzeichen der außer— ordentlichen Strenge des letzten Winters in den Polargegenden entgegen. Schon am Ende der zweiten Woche ſtießen die Fahrzeuge nicht blos auf Eisberge, ſondern ſogar auf große Eisfelder; ja ſie trugen durch den Zuſammenſtoß mit Eis blöcken ungefähr im 53 » nördl. Br. einige, wiewohl nur unerhebliche Beſchädigungen davon. An der grönländiſchen Küſte zeigte ſich ungewöhn— lich viel Schnee. In der Davisſtraße machten ſich Walfiſche und nordiſche Waſſervögel in auffallend großer Menge bemerklich. Es wird erzählt, daß zwei ihrer Offiziere, die an das Land geſtiegen waren, um ſogenannte grön— ) Vergl. Juli⸗Heſt Bd. V. S. 44 ff. 408 Miscellen: ländiſchen Enten zu erlegen, dieſe in ſo dichten Schwärmen antrafen, daß ſie nach 6 Stunden deren bis zum Gewicht von 1200 Pfund an Bord brach— ten, obgleich nur ein Drittheil des erlegten Geflügels aufgeleſen war. Auf den Höhen der Umgegend von Upernavik erblickte die Mannſchaft, fo weit das Auge reichte, nichts als Eis; die gehegten Hoffnungen auf das Gelingen ihres Unternehmens wurden immer tiefer herabgeſtimmt, als fie gewahr wur— den, wie bei den dortigen Anſiedlern, die in ihnen anfangs die muthvollen Mannſchaften der Advance zu erkennen meinten, faſt alle Ausſicht auf deren Rettung geſchwunden ſchien. Auf der Weiterfahrt ſpäheten ſie unermüdlich nach den Geſuchten umher. Wie es gekommen iſt, daß ſie dieſelben dennoch verfehlt haben, iſt bis jetzt noch nicht aufgehellt. Die Kraft des Dampfes kam ihnen bei dem Vordrin— gen nach dem Smithſunde vortrefflich zu Statten; fie erreichten den Breiten- grad 78,30. Kein früherer Seefahrer, mit alleiniger Ausnahme des Dr. Kane, war hier ſo hoch hinaufgekommen. Es gereichte ihnen zur größten Befriedi— gung, daß ſie nicht blos an jenen Geſtaden Spuren von den Mannſchaften der Advance (Zeltſtangen, Segeltuch-Stücke u. dergl.) vorfanden, ſondern auch von den Eingeborenen, die ſogar die Namen zu nennen wußten, die be— ſtimmteſten Nachrichten über ihre zwei Monate zuvor angetretene Rückfahrt einzogen. Lieut. Hartſtein kam hierauf, wie es ſcheint durch die Annahme, daß er ſie bei der ſteten Tageshelle des arktiſchen Sommers kaum hätte ver— fehlen können, wenn ſie ſich nach Upernavik gewandt hätten, zu dem Entſchluß, zunächſt auf der Beechey-Inſel nach dem Dr. Kane und ſeinen Gefährten zu ſuchen. Dies lag um ſo näher, da ihm dadurch zugleich Gelegenheit geboten wurde, dem Wunſche der Lady Franklin gemäß das von ihr überſandte Denk— mal für die tiefbetrauerten Mannſchaften des Erebus und Terror an der Stätte des erſten Winterlagers derſelben aufzuſtellen. Unter mannigfachen Hemmungen gelang es ihm zuletzt, glücklich in den Lancaſterſund einzulaufen. Allein in dieſem Meeresgebiete, welches Capt. Inglefield in den drei vorher— gehenden Jahren bei feinen jedesmaligen Sommerfahrten nach der Beechey— Inſel ohne beſondere Schwierigkeiten durchkreuzt hatte, war im Jahre 1855 kein Vordringen möglich. Bei Admirality-Inlet war die Meeresſtraße des Lancaſter-Sundes in ihrer ganzen Breite von einer dichten unüberwindlichen Eismaſſe überdeckt. Alle Ausſichten auf Erreichung des erſtrebten Zieles muß— ten aufgegeben werden. Es läßt ſich denken, wie ſchwer es dieſen Seefahrern geworden ſein muß, auf die Erfüllung einer im Namen der edelſten Pietät unter den ergreifendſten Umſtänden ihnen anvertrauten und ſo gern von ihnen übernommenen Miſſion zu verzichten. Gleichwohl mußten ſie ſich entſchließen, die zum Gedächtniß Franklins und ſeiner Gefährten beſtimmte Marmartafel an der grönländiſchen Küſte zurückzulaſſen. — Lieut. Hartſtein wandte ſich zu⸗ nächſt nach der Ponds- und Poſſeſſion-Bai, indem er vermuthete, daß Dr. Kane mit feinen Gefährten hierher verſchlagen fein möchte, und gelangte erſt, Die Expedition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 — 55. 409 nachdem er noch 14 Monat in dieſen Meerestheilen gekreuzt hatte, nach der Disko⸗Inſel, wo er endlich das Glück hatte, ſeine Landsleute aufzunehmen. Ueberblicken wir ſchließlich die Ergebniſſe der Expedition unter Dr. Kane, ſo drängen ſich zunächſt folgende Bemerkungen auf: 1) Es iſt kaum zu erwähnen, daß der Hauptzweck des Unternehmens ) gänzlich verfehlt wurde, daß für jene im Spätherbſt 1854 durch amerikaniſche Zeitungen verbreiteten Gerüchte über die Auffindung der Leichname Franklins und ſeiner Gefährten ſich auch nicht der geringſte Anhaltspunkt ergeben hat. Der Entwurf des Dr. Kane fällt in eine Zeit, in welcher man die Vermißten lediglich in dem hohen Polarnorden ſuchen zu müſſen und bei den Nachfor— ſchungen nicht nördlich genug gehen zu können wähnte. Bei den damals mit fo geſpanntem Intereſſe und mit erregter Vorliebe gehegten Ideen einer offes nen Bolar-See, eines milderen Klima's und einer belebteren Schöpfung in jenen bis dahin noch in unerreichten Fernen angeſchauten hochnördlichen Ge— genden iſt das Verlangen, immer noch Troſt für die Angehörigen und Freunde der Vermißten und aufreizende Motive zu neuen Ausrüſtungen zu finden, ge— wiß nicht ohne Einwirkung geblieben. Wenigſtens haben die troſtloſen Er— mittelungen des Dr. Rae über das Schickſal und das endliche Verkommen der Vermißten jene Vermuthungen wie mit kalter Hand ihrer belebenden Mo— mente entkleidet und dieſelben ſichtlich herabgedrückt. Es muß einen unbe— ſchreiblichen Eindruck auf den Dr. Kane gemacht haben, als ihm bei ſeiner Rückkehr plötzlich die Nachrichten von den erheblichen geographiſchen Ent— deckungen, welche während der beiden Jahre ſeiner Abweſenheit an das Licht getreten waren (er hatte bis dahin von der endlich entdeckten nordweſtlichen Durchfahrt und der Ankunft M'Clure's in der Merey-Bai nicht die entfern⸗ teſte Ahnung gehabt), wie auf einen Zauberſchlag entgegenſtrömten, und da= neben die verhängnißvolle Kunde des Dr. Rae den furchtbarſten Aufschluß des langjährigen Geheimniſſes eröffnete. 2) In Bezug auf die wiſſenſchaftlichen Ergebniſſe läßt ſich auf das bis jetzt vorliegende Material kein Urtheil begründen. Es iſt uns nicht gelungen, aus dem offiziellen Bericht des Dr. Kane und den verſchiedenartigen ander— weiten Mittheilungen ein klares geographiſches Bild über die neuen Entdeckun— gen zu gewinnen 2). Bei den Angaben über die „offene Polarſee“ fehlen die authentiſchen Nachrichten. Das einzige Mitglied der Expedition, von welchem wir ganz gewiß erfahren, daß er von einer Felskuppe herab auf den eisfreien Meeresſpiegel mit erhelltem Horizont in der Ferne hingeſchaut, iſt der Pro 1) In den uns vorliegenden Berichten wird u. A. erzählt, daß die Expedition ein Denkmal mit ſich führte, welches an der Stelle des Verbleibens oder des Unter— | gange der Vermißten aufgeſtellt werden ſollte. Im New York Herald wird bereits eine im Landkarten-Verlage von Diftur- nell vorbereitete Karte der arktiſchen Gegenden angekündigt, welche „die Stelle der zu— rückgelaſſenen Advance und noch andere intereſſante Localitäten, er bis jetzt auf keiner arktiſchen Karte zu finden ſind“, zur Darſtellung bringen Fell, 410 Miscellen: viantmeiſter Morton; und es ift ſonderbar, daß dieſer Reiſende in den Mitthei— lungen, welche New York Daily Times 12. Oct. (engl. Times 27. Oct.) von ihm giebt, über eine ſolche außerordentliche Entdeckung ganz ſchweigt. Daher ſind ſowohl über die geographiſchen, als über die naturwiſſenſchaftlichen Ermitte— lungen vor Allem erſt nähere Nachrichten abzuwarten. Gewiß iſt es ein bedauerlicher Verluſt, daß die eingeſammelten naturge— ſchichtlichen Specimina auf der Brigantine zurückgelaſſen wurden, welche den Plünderungen der Esquimaur und der unausbleiblich ſchnellen Zerſtörung durch die arktiſchen Elemente preisgegeben blieb. Dagegen ſind außer den Inſtrumenten auch die entworfenen Zeichnungen 1), Berichte und Documente von den Reiſenden mitgebracht, und wir dürfen mit Zuverſicht eben fo lehr— reichen, als intereſſanten Mittheilungen entgegen ſehen. Selbſt die während der finſteren Wintertage zur Belebung und Aufmunterung der Geſellſchaft be— gründete, jedoch nur in 7 bis 8 Nummern fortgeſetzte handſchriftliche Wochen- Zeitung „The Iceblink* — ſie führte das Motto: „In tenebris servare fidem“ — wird einer künftigen Publikation vorbehalten. 3) Aber ſelbſt rein äußerlich betrachtet, wird ſowohl die kühne Fahrt der Advance, als auch der Muth und die Energie, welche die kleine Mann— ſchaft bewährt hat, in der Geſchichte der arktiſchen Unternehmungen unver— geßlich ſein. Nicht ohne ein gewiſſes nationales Selbſtgefühl erwähnen nord— amerikaniſche Zeitungen, daß ihre Schiffe in neueſter Zeit dem Südpol, wie dem Nordpol nahe geweſen ſind. Mit Recht können ſie rühmen, daß nie— mals zuvor Seefahrer in ſo hohen Breiten überwintert haben, als Dr. Kane und ſeine Gefährten, und daß die von ihnen bis zum Breitengrade 82,30 er— blickte und chartographiſch gezeichnete Landbildung dem Nordpol näher liegt, als irgend ein anderes bis jetzt entdecktes Land. Mit lebendiger Theilnahme verſetzen wir uns in die Scenen des freudigen Jubels dieſer Rückkehr, deren Eindruck durch gleichzeitig verbreitete truͤbe Nachrichten noch außerordentlich gehoben wurde ). Eine empfindliche Täuſchung begegnete denjenigen, welche die Hoffnung faſſen und ſelbſt ausſprechen konnten, Kane werde durch den Wellington-Ka— nal zurückkehren und die im Eiſe zurückgelaſſenen Schiffe der letzten großen engliſchen Expedition mit ſich führen. Sie mußten jetzt erfahren, daß auch 1) Es verdient angeführt zu werden, daß alle Verſuche, den mitgenommenen daguerreotypiſchen Apparat zu benutzen, gänzlich mißlangen. Man ſchob es auf die Eigenthümlichkeit der arktiſchen Atmoſphäre, daß keine Abſpiegelung der dort vorhan— denen Gegenſtände erzielt werden konnte. 2) Die zu Boſton erſcheinende Zeitung Daily Evening Travellers vom 11. Det, 1855 brachte die Meldung: ein eben angekommenes Fifcherboot ſei im 42° 50 nördl. Br. und 64° 40“ weſtl. L. von dem Dampfboot Arctic angeſprocheu, welches den Leich— nam des Dr. Kane an Bord habe. — Es war ein glückliches Zutreffen, daß Dr. Kane an demſelben Tage (11. October) im Hafen von New-Pork an's Land ſtieg, und alle ſeine Freunde durch ein geſundes und kraftvolles Ausſehen überraſchte. 3 Die Expedition des Dr. Kane jenfeit des Smithſundes 1853 — 55. 411 Kane genöthigt geweſen war, ſeine Advance im Eiſe ſtecken zu laſſen; ja noch mehr, daß er ſich im Herbſt 1854 unter Fäͤhrlichkeiten vergeblich bemüht hatte, jene engliſche Expedition zu erreichen, um von ihr Hülfe und Rettung zu erbitten. Ueber den Anführer dieſer zweiten amerikaniſchen Expedition fügen wir mit Benutzung einiger im New Vork Herald gegebenen Mittheilungen fol— gende Notizen bei: Eliſha Kent Kane, am 3. Februar 1822 zu Philadelphia geboren, widmete ſich zuerſt dem Studium der Mediein, erlangte nach einem 7 jährigen Beſuch der Pennsylvania medical University zu Philadelphia im J. 1843 den akademiſchen Doctorgrad, und begleitete hierauf in der Eigenſchaft des Arztes die erſte von den Vereinigten Staaten nach China abgeordnete Ge— ſandtſchaft. Zum größten Mißbehagen ſcheiterten feine Pläne, in das Innere dieſes geheimniß vollen Landes vorzudringen. Er ſuchte ſich zu entſchädigen, indem er ſeine Rückreiſe auf eine größere Ausdehnung und Mannigfaltigkeit anlegte. Zunächſt wandte er ſich nach den Philippinen, wo ihm feine Kühn- heit die äußerſte Gefahr brachte, indem er nicht davon abzubringen war, ſich in den Krater des Taal hinabzulaſſen, und dadurch die höchſte Wuth fanatiſcher Prieſter und der Eingeborenen erregte, welche ihn als Schänder des mit hei— liger Scheu betrachteten Vulkans zu ergreifen ſuchten. Von hier ging Kane über Ceylon und Oſtindien unter mehrfachen Ausflügen in das Innere heim— wärts. Bald nachher finden wir ihn auf den Sandwich-Inſeln mit einem preußiſchen Baron von Los in gefahrvolle Conflicte mit den Eingeboren kom— men, deren Folgen dem letzteren das Leben gekoſtet haben. Ein Jahr ſpäter ging Kane nach Aegypten, verfolgte den Lauf des Nils bis Nubien, verlebte eine Saiſon unter antiquariſchen Nachforſchungen, durchwanderte auf der Heim— reiſe Griechenland, und kam nach Philadelphia zurück, als eben die Verwicke— lungen mit Mexico im Ausbruch begriffen waren. Indem feine Bemühungen, in einer entſprechenden Stellung an dem mericanifchen Feldzuge Theil zu neh— men, erfolglos blieben, wandte er ſich nach der weſtafrikaniſchen Küfte, kehrte des folgenden Jahres mit einem neuen Reichthum von Entdeckungen und Er— fahrungen zurück (er hat u. A. den Sclavenmarkt von Wydah beſucht), und erlangte von dem Präſidenten Polk nachträglich noch eine Miſſion nach Neu— Merico, die feinem faſt abenteuerlichen Streben einen neuen Spielraum ge— währte, den er auch in eigenthümlicher Weiſe ausgebeutet hat. Zuletzt haben die Franklin-Expeditionen der Thatenluſt dieſes merkwür— digen Mannes ein großartiges Feld der Arbeit, aber auch einen um fo höhe- ren Aufſchwung gegeben. Als die erſte amerikaniſche Erpedition im Mai 1850 plötzlich zur Ausführung reifte, kam er aus einer Entfernung von 1300 engl. Meilen Landwegs in 72 Tagen faſt im Augenblicke der Abfahrt herbei, um aus den warmen Bädern des mexicaniſchen Golfs unmittelbar nach dem Eis— 412 Miscellen: meer zu ſegeln. — Seine Thaten und Verdienſte auf dem Felde der Nach- ſuchungen haben ihm in ſeinem 34ſten Lebensjahre einen bleibenden Ruhm geſichert. Wir erfahren, daß er gegenwärtig mit philantropiſchen Plänen für die Esquimaux, mit welchen er im Smithſunde in Verbindung kam, beſchäf— tigt und von dem Gedanken ergriffen iſt, ihrer traurigen Exiſtenz in jenen unwirthlichen Eiswüſten durch Verpflanzung in ſüdlichere Gegenden ein Ziel zu ſetzen. Dr. E. Brandes. Die Provinz Chiloe in Chile. Der ſüdliche Theil der Republik Chile iſt ein in Europa noch ſo unbe— kannter Theil von Süd-Amerika, daß wir den nachſtehenden, von dem Gou— verneur der Provinz Chiloe im vorigen Jahre an den Miniſter des Innern abgeſtatteten Verwaltungsbericht als ein höchſt werthvolles Document zur Vermehrung unſerer Kenntniß der neueren Zuſtände jener fernen Gegenden anſehen müſſen. Für Deutſchland hat derſelbe noch ein ſpecielles Intereſſe dadurch, daß die Provinz wegen ihres überaus trefflichen, gleichförmigen Kli— ma's und wegen der reichen, von der Natur gebotenen Hülfsquellen von vie— len Deutſchen, namentlich aus Kur-Heſſen, zur Anſiedelung gewählt worden iſt. Dies geſchah beſonders am Fluſſe Llanquihue. Nach allen neuen Nach— richten, die wir über die Niederlaſſungen erhalten haben, befinden ſich deren Bewohner im beſten Gedeihen und nehmen ſo raſch zu, daß ſich hier bald, wie unter ähnlichen Verhältniſſen im ſüdlichen Braftlien, eine compacte deutſche Bevölkerung vorfinden wird. Auch die Ruhe, deren ſich der Staat ausnahms— weiſe von den übrigen ehemals ſpaniſchen Provinzen ſeit einer langen Reihe von Jahren erfreut, und die verſtändige Sorgfalt der Regierung tragen wirk— ſam zu dem Aufblühen des Landes ) und ſpeciell der Provinz bei, welche ſich die deutſchen Auswanderer zu ihrer Heimath erwählt haben. Der hier vorgelegte umfaſſende und auf das gründlichſte in alle Zweige ſeiner Verwal— tung eindringende Bericht des Gouverneurs iſt ein neues erfreuliches Zeichen, 1) Die neueſten, durch die Times vom 7. September d. J. aus Chile mitge— theilten Nachrichten geben hiervon die überzeugendſten Beweiſe, indem der Handel in dem Jahre 1854 um nicht weniger, als 33 pCt. zugenommen hatte. Bei einer Be— völkerung von wenig mehr als 1 Million, betrugen nämlich nach den letzten officiellen, das Jahr 1854 betreffenden Bekanntmachungen die Einfuhren 17,422,299, die Aus⸗ fuhren 13,778,416 Dollars. Auch in dem Tonnengehalt der Schiffe zeigte ſich dieſe Vermehrung, indem derſelbe im Jahre 1854 ſich um 17,523 Tonnen höher, als im Jahre 1853 ſtellte; aber das Wichtigſte war der Umſtand, daß die meiſten ein- und ausgegangenen Schiffe Chile ſelbſt angehörten. In den Anfchlägen für das naͤchſte Jahr ſind große Summen für öffentliche Verbeſſerungen und das Schulweſen ausge⸗ worfen, ſowie auch der Plan zu einer Depoſiten- und Disconto-Bank dem Congreſſe eben zur Berathung vorgelegt werden ſollte. Die Provinz Chiloe in Chile. 413 mit welchem Ernſt die öffentlichen Angelegenheiten in Chile betrieben werden. Leider iſt uns derſelbe nicht vollftändig zugegangen, da die Nummer 25 der zu Santiago erſcheinenden chileniſchen Zeitung EI Araucano vom 2. Januar 1855 nur den Anfang des Berichts enthält und die Fortſetzung verſpricht, welche wir aber bisher nicht erhalten haben, ſo daß wir ſelbſt den Namen des trefflichen Gouverneurs der Provinz nicht kennen. Die Mittheilung der eben erwähnten Nummer verdanken wir dem Königlichen General-Conſul in Chile Herrn v. Gülich, die Ueberſetzung Herrn Bastide hierſelbſt, der durch einen vieljahrigen Aufenthalt in Süd-Amerika, namentlich in Braſilien, genau mit deſſen Verhältniffen bekannt iſt. Leider konnten einige Ausdrücke, nament⸗ lich naturhiſtoriſche, nicht überſetzt werden, da ſich keine Aufklärung über die— ſelben finden ließ und ſie wahrſcheinlich nur in Chile ſelbſt üblich ſind. Gumprecht. Ancud, den 10. Mai 1854. Herr Miniſter! Nach vollendeter Bereiſung dieſer Provinz ſtatte ich hiermit E. ꝛc. einen Bericht über deren gegenwärtige Zuſtände hinſichtlich aller Verwaltungszweige ab, den ich mit denjenigen Bemerkungen begleite, welche die Beachtung der hohen Regierung verdienen dürften. Mit obigem Datum iſt es ein volles Jahr, ſeit ich mich an der Spitze dieſer Provinz befinde, ſtets von dem lebhaften Wunſche beſeelt, etwas zu Frommen derſelben leiſten und dadurch dem Seitens Sr. Exe. des Herrn Präſidenten auf mich geſetzten Vertrauen entſprechen zu können. Gelingt mir dieſes, jo werde ich mich auf's reichlichſte entſchädigt halten für all den Ver— druß und das Uebelwollen, worunter ein Staatsmann zu leiden pflegt, der bei ſeiner Verwaltung nur das Geſetz zu handhaben und in Erfüllung ſeiner Pflichten jeder Nebenrückſicht fremd zu bleiben ſich vornimmt und das Ziel im Auge hat, Mißbräuche auszurotten und den eine geſunde Verwaltung läh— menden Uebelſtänden abzuhelfen. Schwerlich bietet ſich in irgend einem Theile der Republik der leitenden Behörde ein weiteres Feld, als in Chiloe, für den Weg des Fortſchrittes und zur Einführung von Verbeſſerungen dar; ſchwerlich aber giebt es auch eine Bevölkerung, der es, wie dieſer, an allen Mitteln gebricht, ſich zu regen, und bei der man ſo mit jeglicher Schwierigkeit zu kämpfen hätte, um irgend welche Maßregel des öffentlichen Intereſſes durchzuführen, ſo einfach und gewöhnlich fie auch ſei, indem man aus deren Mitte wenig oder gar keine Hülfe dazu zu gewinnen vermag. Dadurch kommt man in die Nothwendigkeit, für jedes Erforderniß ſich an die Quelle, an die Freigebigkeit der hohen Regierung zu wenden: und unterließe man ſolches, jo würden hier die Uebelſtände ſich ver— ewigen, und dort die Vermuthung gegen den Beamten entſtehen, als tappe er an denſelben herum, ohne ſich für die Mittel zu ihrer Beſeitigung zu ent— ſcheiden. 414 Miscellen: Die Zeit läßt zwar ſehr auf ſich warten, bis dieſe Provinz in eigener Kraft zum Fortſchreiten und Emporblühen gelangt, doch verwirkt ſie darum noch nicht ihren Anſpruch, daß die hohe Regierung fortfahre, ihr mit Theil— nahme und Nachdruck die Hülfe zu ſpenden, deren ſie bedarf, um ſich aus ihrer Niedrigkeit emporzuheben und den Platz einzunehmen, zu dem ſie beru— fen iſt durch ihr weites Gebiet, durch ihre reichen und unerſchöpflichen Berge, durch ihre ſchönen und ruhigen See-Kanäle, ſowie noch durch mancherlei Güter, mit denen die Natur ihren Boden beſchenkte, und die mit ſtummer Beredſamkeit auf eine Zeit hinweiſen, in welcher der Chiloe-Archipel ein völlig anderes Land ſein wird, als er jetzt iſt. Grenzen und politiſche Eintheilung; Zahl und Verbreitung der Einwohner. Die Provinz Chiloe bildet, von dem Magelhans-Lande ab, den ſüdlich— ſten Theil der Republik Chili und erſtreckt ſich, gemeiner Meinung nach, von der Mündung des Rio Bueno unter 40° 10“ ſüdl. Breite bis zur Halbinſel der drei Berge unter 46° 38“ ſüdl. Breite und vom Meer ab bis an die Anden-Cordilleren. Ihre Begränzungen find: im Norden die Provinz Val- divia und das Gebiet Llanquihue (Ljankihuh), im Süden die Magelhans— Niederlaſſung, im Oſten die Anden-Cordillere, im Weſten das ſtille Meer. Sie wird in folgende zehn Departements eingetheilt: Aneud, mit der gleichnamigen Hauptſtadt des Departements, wie der gan— zen Provinz, die gegen 7077 Einwohner zählt, in einer Ausdehnung von 9 bis 10 Leguas in die Länge und 3 bis 4 in die Breite. Sie grenzt gegen Norden an die Meerenge von Tſchacao, gegen Süden an das Departement Caſtro, gegen Oſten an das Depart. Tſchacao, gegen Weſten an das ſtille Meer. Die Hauptſiadt mit ihren Vorſtädten ent⸗ hält 4000 Seelen. Das Departement wird in 3 Kreiſe und 14 Be- zirke unterabgetheilt; je fünf der letzteren kommen auf den erſten, wie den zweiten der Kreiſe, der dritte hat vier Bezirke. Dieſe wie jene wer— den durch ihre Ordnungsziffer unterſchieden und wird der Ortsname hinzugefügt: ein Brauch, der bei allen folgenden Departements beibe— halten iſt. Chacao. Bevölkerung: 2994 Seelen. Ausdehnung: 8 Leguas in die Länge, 3 bis 4 in die Breite. Grenzen: gegen Norden die Meerenge gleichen Namens; gegen Oſten der Golf von Ancud; gegen Süden das Depart. Dalcahue, gegen Weſten das von Ancud. Der gleichnamige Hauptort dieſes Departements zählt 312 Seelen. Eintheilung in 2 Kreiſe und 9 Bezirke, und gehören dazu die Inſeln Caucagué und Lacao. Dalcahue. Einwohnerzahl: 5764. Ausdehnung: 8 Leguas in die Länge und etwa 2 in die Breite. Grenzen: gegen Norden das Departement n Die Provinz Chiloe in Chile. 415 Chacao, gegen Süden und Welten das Depart. Caſtro, gegen Oſten der Golf von Ancud und der Canal Quinchao (ſpr. Kintſchau). Bes völkerung der gleichnamigen Hauptſtadt: 1290 Seelen. Eintheilung des Departements: 3 Kreiſe und 11 Bezirke, einſchließlich 9 bewohnter In— ſeln, die Ehauques genannt. Caſtro. Einwohnerzahl: 10,562 Seelen. Ausdehnung: 4 bis 5 Leguas in die Länge, Breite ebenſo. Grenzen: gegen Norden die Departements Ancud und Dalcahue, gegen Süden das von Chonchi, gegen Oſten der Canal von Lemni, gegen Weſten der Ocean. Der Hauptort Caſtro zählt 1114 Einw. Eingetheilt in 3 Kreiſe und 10 Bezirke. Chonchi, das umfangreichſte Departement der Provinz, enthält eine Be— völkerung von 6236 Seelen und mißt wenigſtens 20 Leguas in die Länge und 8 oder 10 in die Breite. Seine Grenzen ſind gegen Nor— den das Departement Caſtro, gegen Süden der Golf von Guaitécas, gegen Oſten der Canal von Quinchao, und gegen Weſten der Ocean. Der Hauptort gleiches Namens zählt 700 Seelen. Es wird in 2 Kreiſe und 21 Bezirke eingetheilt, und an feinem ſüdlichſten Theile ge— hören einige kleine Inſeln dazu. Lemui. Dieſes Departement wurde aus der Inſel gleiches Namens und drei anderen Inſeln, Chelin, Quegui (ſpr. Keguhy) und Imeleb gebil— det, wovon die letztere ſehr klein und nur von 3 oder 4 Familien be— wohnt iſt. Zuſammen enthalten ſie über 6 Geviertleguas, und grenzen gegen Norden mit dem Canal gleiches Namens, im Süden an den Golf von Actué, im Oſten an den Canal von Quenac, im Weſten an den von Quinched. Die Geſammtbevölkerung beläuft ſich auf 6851 Per— ſonen, wovon auf die Hauptſtadt gleiches Namens 887 kommen; das Departement iſt in 2 Kreiſe und 9 Bezirke eingetheilt. Achas iſt gleichfalls aus drei Inſeln, Namens Quinchao, Linlin und Lji— nua, zuſammengeſetzt, welche im Ganzen eine Ausdehnung von 12 Le— guas haben. Sie grenzen gegen Norden an den Canal von Achao, gegen Süden und Oſten an den von Quenac, und gegen Weſten an die Durchfahrt von Dalcahue. Das Departement wird in 3 Kreiſe und 15 Bezirke getheilt, von deren Geſammtbevölkerung von 7027 Einwoh- nern dem Hauptort Achao 413 zukommen. Quenac. Beſteht aus den Inſeln Quenae, Menlin, Caguachi, Tac, Apiao, Alao, Chanlinee und noch einer ſehr kleinen, nur 2 oder 3 Häuſer ent— haltenden, Namens Teuquelin. Grenzen: gegen Norden der Canal glei— ches Namens, gegen Süden der Golf von Actué, gegen Oſten der von Ancud, und gegen Weiten der Canal von Quinchao. Das Departe— ment iſt in 2 Kreiſe und 8 Bezirke getheilt, die von 3509 Einwohnern bevölkert ſind, von denen 1225 auf den Hauptort oder vielmehr die ganze Inſel Duenac kommen. Flächeninhalt ſämmtlicher Inſeln zu— ſammen: 5 bis 6 Quadratleguas. 416 Miscellen: Calbuco. Man kann ſagen, daß dies Departement für ſich allein einen Archipelagus bildet durch die vielen Inſeln, aus denen es zuſammenge— ſetzt iſt. Nachdem aus einem Theile ſeines Gebietes die Colonie Llan— quihue gebildet worden, iſt es auf einen Theil des Feſtlandes nebſt fol— genden Inſeln reducirt worden: Anlao, Tabon, Chirhuapi, Poluque, Quenu, das Fort oder Calbuco, Guar, San Joſé, Jentil, Lagartija und Quenllin. Das Departenent grenzt gegen Norden mit dem Ge— biet von Llanquihue, gegen Süden mit dem Golf von Ancud, gegen Oſten mit dem von Reloncavi, und gegen Weſten mit dem Departement Carelmapu. Es theilt ſich in 4 Kreiſe und 20 Bezirke und zählt 8182 Bewohner, von denen auf den Hauptort, das Fort von Galbuco ge— nannt, 411 kommen. Carelmapu iſt das einzige Departement, das auf dem feſten Lande liegt. Seine Grenzen ſind: gegen Norden der Rio Bueno und der Maipus, der es von der Provinz Valdivia trennt, gegen Süden die Meerenge von Chacao, gegen Oſten das Gebiet von Llanquihue und gegen We— ſten der Ocean. Den Flächeninhalt rechnet man auf 200 Quadrat- leguas. Es zerfällt in 3 Kreiſe und 16 Bezirke, die eine Bevölkerung von 3023 Einwohnern enthalten, von denen 240 dem Hauptorte Ca- relmapu zufallen. Zu größerer Deutlichkeit bemerke ich, daß die Departements Ancud, Cha⸗ cao, Dalcahue, Caſtro und Chonchi auf dem großen Eilande liegen, das die Spanier Chiloé nannten, ferner daß ſämmtliche Einwohnerzahlen der im April dieſes Jahres veranſtalteten Zählung entnommen ſind, und daß die hier nicht mit Namen aufgeführten Inſeln, die zur Zahl von 84 fehlen, aus de— nen den Geographen nach der Archipelagus beſteht, ſämmtlich unbewohnt ſind. Ueberſicht der Kreiſe, Bezirke und Einwohnerzahlen jedes Departements. Departement: Kreiſe: Bezirke: Zahl der Bewohner: Ancud 3 14 7,077 Chacao 2 9 2,994 Dalcahue 3 11 5,764 Caſtro 3 10 10,562 Chonchi 2 21 6,236 Lemui 2 9 6,851 Achao 3 15 7,027 Duenac 2 8 3,509 Calbuco 4 20 8,182 Carelmapu 3 16 3,023 zuſammen 27 133 61,225. Die Provinz Chiloe in Chile. 417 Hinſichtlich der bezüglichen Flächeninhalte habe ich aus meinen Unterſu— chungen die Ueberzeugung gewonnen, daß eine größere Zahl von Kreiſen und Bezirken gebildet werden muſſen, namentlich in den Departements von Chonchi, Chacao, Lemui, Achao und Quenac, damit die öffentliche und vornehmlich die Gerichtsverwaltung einen raſcheren Gang gewinne, und behalte mir vor, Ew. ze. hierüber einen beſonderen Vorſchlag einzureichen. Klima. Obzwar das Klima ein ziemlich feuchtes iſt, fo iſt es doch ohne Wider- ſpruch geſund und von epidemiſchen Krankheiten frei; weder Froſt noch Hitze machen ſich mit Intenſität fühlbar, und die Jahreszeiten folgen auf einander ohne wahrnehmbaren Einfluß auf die Geſundheit, und obgleich die ausgeſpro— chenſten der Sommer und der Winter ſind, ſo gehen doch auch die anderen Jahreszeiten nicht unmerklich vorüber, wie Leute es gern glauben machen wollen, die entweder Chiloé abgeneigt find, oder es, ſei es mit Vorurtheil, ſei es unter dem trüben Eindrucke der Regenzeit oder ſtürmiſcher Tage beſucht haben, die allerdings auf Perſonen, die aus dem Norden der Republik, vollends auf ſehr kurze Zeit, kommen, einen imponirenden Eindruck machen können. Wenn nicht an den heiterſten Tagen und ſelbſt zur Sommerzeit, wo es keinen ſchöneren und bezaubernderen Himmelsſtrich geben kann, dennoch häufige Platz— regen und heftige Winde einträten, und man unter beiden nur zu einer be— ſtimmten Zeit zu leiden hätte, fo würden die Einwohner von Chiloé kein ana deres Klima zu beneiden haben. Schnee kommt fo ſelten und in fo geringer Menge vor, daß er im Au— genblick des Fallens ſchon verſchwindet, und nur im Juli und Auguſt erſcheint zuweilen bei Gewittern ein feiner Hagel. Ueber die Geſundheit dieſes Klima's macht einer der hieſigen Aerzte, der die ganze Provinz durchreiſet iſt, folgende Bemerkungen: „Im Allgemeinen läßt ſich ſagen, daß in Chiloé gar keine ſtationäre Epidemien, noch ſolche von einem eigenthümlichen Charakter exiſtiren: es giebt nur die, welche der Men— ſchennatur überhaupt eigen ſind, und wenn ſie jeweilig ein beunruhigendes Anſehen annehmen, ſo liegt das an dem Mangel an Mitteln, zu denen mei— ſtens die Leute ihre Zuflucht nehmen können, ſowie an den Vorurtheilen, durch die ſie ſich nicht ſelten bis zur Gefährdung ihres eigenen Lebens treiben laſſen; wenn ſie in den Tränken, die ihnen die Machis (Quackſalber) bereiten, eine ſichere Kur ihrer Krankheiten zu gewinnen glauben, ſo erhalten ſie vielmehr ein Gift, das, wenn es ſie nicht bisweilen gar zu Tode bringt, ihnen doch häufig Schmerzen und Leiden zuführt, die fie früher gar nicht hatten. Die zumeiſt vorkommenden Krankheiten ſind: Bruſtbeſchwerden, Rheumatismen, Aſthma, Skropheln und Lungenſucht, bei dem niedrigen Volke auch Syphilis. Schlechte Nahrungsmittel, übler Zuſtand der Wohnungen, beſchwerliches Ar- beiten, Näſſe, geringe Bedeckung mit Kleidern, Mangel an Arzneimitteln, und Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 1 * 418 Miscellen: mehr als alles der Mangel ordentlicher Geſundheitspflͤge in jeder Beziehung, ſind meiner Anſicht nach die Hauptanläſſe der Krankheiten in dieſer Provinz. Städte. Es giebt deren nur vier: Ancud, Calbuco, Caſtro und Maullin. Die erſte zählt ungefähr 1000 Häuſer, mit Geſchmack gebaut und ge— bührend gereihet, um ihren Straßen und Plätzen ſo weit als möglich An— ſehen und Geräumigkeit zu geben. Iſt auch dieſe Stadt nicht unter den erſten, ſo kann ſie doch eben ſo wenig zu den letzten gerechnet werden: ſie war in den Jahren 1844 und 1847 durch verheerende Feuersbrünſte, deren Nach- wehen ſie noch empfindet, heimgeſucht worden. Wenn aber auch ſo traurige Katastrophen natürlich einen Rückgang und Verfall der Geſchäfte nach ſich ziehen, fo ift doch der Eifer der Einwohner im Allgemeinen, ſowie die Unter— ſtützung der hohen Regierung der Mittelloſigkeit Einzelner zu Hülfe gekommen, und ob man gleich noch zur Zeit einzelne dachloſe Gebäude ſieht, die zu ab— gebrannten Gehöften gehören, ſo iſt doch nach allgemeiner Meinung die Stadt Ancud größer und namentlich ſchöner und geſchmackvoller, ſowie mit dauer⸗ hafter gebauten Häuſern daraus hervorgegangen. Die zweite Stadt, Calbuco, zum Departement gleiches Namens gehörig, hat vor 8 Monaten ebenfalls die Wirkung des ſchrecklichen Elementes zu er— fahren gehabt, doch find ſchon viele ihrer eingeäſcherten Käufer wieder auf- gebaut, und man hat die tröſtliche Hoffnung, daß nach 1 bis 2 Jahren ſich jede Spur des Unglücks verwiſcht haben wird. Im gegenwärtigen Augen— blick zählt dieſe Stadt 100 bis 150 Häuſer. Höchſt befremdlich iſt, daß die Erbauer dieſer Stadt nicht lieber den Ort, la Vega genannt, dazu auserſehen hatten, ein Platz, der weit geeigneter zur Herſtellung einer geregelten Stadt geweſen wäre und nicht eine ſchöne, 6 bis 8 Quadras von der Seeküſte ab ſich erſtreckende Ebene fern liegen gelaſſen hätte. Es giebt nichts an dieſem Orte, was dem genannten Zwecke ungünſtig erſcheinen könnte, und ſowohl deshalb, als wegen der geringen Entlegenheit der jetzigen Stadt ſteht es zu hoffen, daß in wenig Jahren dort ein Käufers verein entſtehen werde, der endlich zum Hauptort würde, Die dritte Stadt, Caſtro, würde die ſchönſte der Provinz ſowohl, als unter vielen andern des geſammten Staates ſein, wenn ihre Straßen ſich nicht faſt verödet zeigten. Nächſt den Gebäuden, die die vier Ecken des Marktplatzes von dem Flächeninhalt einer Quadrat-Quadra bilden — eines Platzes, der in Allem der ausgedehnten und maleriſchen Ebene entſpricht, in welcher die Stadt liegt, — ſind ihre ſo geraden, als geräumigen Straßen nur mit ſehr wenig Häuſern beſetzt, die, mit geringem Geſchmack gebaut, von einander durch wenig anſtändige Zäune getrennt werden, welche, bei Ermangelung der Haäu⸗ ſer, wenigſtens auf den erſten Anblick die genauen Fluchtrichtungen des Ortes Die Provinz Chiloe in Chile. 419 zeigen, in dem ſich alle Vorzüge vereinigen, die ſich zur Begründung einer geraden und volkreichen Stadt wünſchen laſſen. Ihre Bewohner, zum größten Theile dem Landbau ſich widmend, und daher ohne genügende Beweggründe, in der Stadt zu wohnen, halten ſich eher auf ihren Landbeſitzungen auf, wo ſie, in unmittelbarer Nähe ihrer Fel- der, deren Bebauung als ihrer Unterhaltsquelle obliegen, und deshalb geht es mit der Stadtbevölkerung rückwärts, ſtatt vorwärts, wie ich denn aus meinen Ermittelungen ſehe, daß Caſtro in früheren Jahren eine größere Ein— wohnerzahl beſaß, als heut zu Tage. Die vierte Stadt iſt Maullin (ſpr. Ma⸗uljin). Sie liegt am Ufer des gleichnamigen Fluſſes und gehört zum Departement Carelmapu, von welchem Flecken — wenn man ſelbſt ſo eine Anzahl von 15 oder 20 ſtrohgedeckter Hütten nennen kann — ſie durch eine Ebene von 5 oder 6 Leguas getrennt iſt, die zum größeren Theile mit Sand bedeckt wird, welcher in ziemlich läſti— ger Weiſe auch die anſtoßenden Aecker ergreift. Dennoch iſt Maullin im Zu— nehmen, und hat ſeinen Beruf dazu durch den ſich erweiternden Handel mit Holz, das aus den in unmittelbarer Nähe ſtreichenden Cordilleren geholt wird. Verglichen mit Carelmapu, welches, wie geſagt, der Hauptort des Departe— ments iſt, zeigt ſich eine Verſchiedenheit, wie ſchwarz und weiß, denn in die— ſem Orte befindet ſich blos die Pfarrkirche mit der oben bemerkten Häuſer— zahl, in Maullin dagegen ſind mehr als 60 Häuſer, wohl gebaut und mit beſter und geräumigſter Lokalität. Rechnet man zu dieſen Vortheilen den Umſtand, daß Maullin ziemlich den Mittelpunkt des Departements bildet, ſo wird man begreifen, daß hier die Hauptſtadt des Departements ſein muß. Wenn ich dieſe Aenderung der hohen Regierung in einer beſonderen Note vorzuſchlagen mir vornehme, ſo wüßte ich keinen Umſtand, welcher derſelben entgegenſtehen dürfte, als etwa der Mangel eines Gebäudes zur Pfarrkirche; da nun aber das Kirchengebäude, das ſich bereits in Maullin befindet, ſelbſt größer iſt, als die Pfarrkirche zu Carelmapu, ſo dürfte nur das Pfarramt dorthin verpflanzt werden, und es ſtünde nicht zu beſorgen, daß der Ausfüh- rung meines Vorſchlages ein ſonſtiges Hinderniß entgegenträte. Außer den genannten Orten giebt es keine von Bedeutung, indem die Bewohner von Chiloé im Allgemeinen über das ganze Gebiet zerſtreut leben, vorzugsweiſe aber ſich an den Seeküſten anſiedeln, wegen der Vortheile und Bequemlichkeiten, die ihnen dieſe zum Transport ihrer Früchte und Hölzer darbieten. Induſtrie. Ackerbau, Holzarbeit und Schiffbau bilden bis jetzt die vornehmſten In duſtriezweige dieſes Theils von Chile. Mit erſterem mache ich den Anfang. Man kann, ohne es zu arg zu machen, immer ſagen, daß der Ackerbau in Chiloe ſich noch im Zuſtande der Kindheit befindet, und indem er keinen 2 420 Miscellen: Schritt vorwärts gekommen iſt, fo eriftiren freilich noch die nämlichen Ge— bräuche, daſſelbe herkömmliche Verfahren, ſowie dieſelben unvollkommenen Ge— räthſchaften, wie in den entfernteſten Zeiten. Wie unverkennbar auch der künftige Wohlſtand und Reichthum dieſer Ortſchaften nur aus dem Landbau erwachſen kann, ſo ſind doch die dazu er⸗ forderlichen Kenntniſſe ihren armen Bewohnern höchſt fremd geblieben, fo daß, wie geſagt, nach alter Weiſe immer noch ſtatt des Pfluges der Gualato und die Lumas dienen müffen: denn von den Vortheilen und der leichten Hand— habung des Pfluges dürften äußerſt Wenige eine deutliche und richtige Vor— ſtellung haben. Man kann nicht ohne Verwundern, ja nicht ohne wirkliches Mitleid ſehen, wie ein Sohn Chiloe's mit eigenen Kräften die Erde aufbricht und Schollen von 3 bis 4 Quarta's Breite und einer Tereia Dicke umlegt. Es iſt dies eine der zu ihrer Feldbeſtellung gehörigen Arbeiten, die nament— lich beim Legen der Papas 1) vorkommt, und jo hart, als gefährlich iſt. Denn nachdem das ganze Feld für die Papas mittelſt des Gualato durch— löchert worden, nehmen die Leute die ſogenannten Lumas zur Hand, die 24 Varas lang und 6 bis 8 Zoll dick find, fegen ſolche an die Bruſt und geben ihnen mit derſelben einen heftigen Stoß, ſo daß ſie tief genug in den Boden eindringen, um Raſenſtücke von dem genannten Umfang abzureißen. Dieſe Geräthe führen die bemerkten Namen, weil eben ſo die Holzarten heißen, aus denen ſie gefertigt werden. Auch wenn ſich mit mehr als vollkommener Zuverläfftgkeit annehmen läßt, daß der Boden zum Anbau von Hanf, Lein, Hafer und allen Sorten von Gemüſen ſich eigne, fo beſchränkt ſich doch der Ackerbau von Chiloe bis jetzt noch auf Weizen, Gerſte und Papas, und wird auch von erſtgenannten Getreidearten eben nur ſo viel producirt, als höchſtens zum eigenen Verbrauch der Bewohner ausreicht. Sechs bis acht Korn, und auch das nicht in jedem Boden, iſt das höchſte, was erzielt wird, wenn das Jahr gut iſt; aber was die Papas betrifft, ſo wird doch zuweilen bis das Doppelte gewonnen, je nachdem der Boden iſt; denn da zumal eine anſehnliche Ausfuhr nicht ſtatt— findet, ſo reichen die Vorräthe immer zur Verſorgung der einheimiſchen, wie fremden Fahrzeuge hin, die dieſen Hafen beſuchen. Die folgende Zuſammenſtellung weiſet den Ertrag der vorjährigen Ern— ten nach, welche nach allgemeiner Anſicht beſſer, als ſeit vielen früheren Jah— ren, ausgefallen ſind. Departements. Weizen. Gerſte. Lein. Hafer. Papas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. Aneud 2,564 40 — 25 18,250 Chacao 2,288 17 6 16 13,269 Carelmapu 3,471 — = — 23,811 Latus 8,323 57 6 41 55,330 ) Eine Art Wurzelknollen. Die Provinz Chiloe in Chile. 421 Departements. Weizen. Gerſte. Lein. Hafer. Papas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. Fanegas. Transport 8,323 57 6 41 55,330 Calbuco 6,186 1,356 114 — 43,464 Dalcahue 6,200 220 25 30 25,000 Caſtro 18,150 470 18 80 51,800 Chonchi 8,500 615 72 126 34,550 Lemui 16,248 5,050 46 — 43,252 Achao 9,646 522 19 227 57,080 Quenac 2,174 872 22 — 12,250 Insgeſammt 75,427 9,162 322 504 322,726 Vergleicht man vorſtehende Geſammterträge mit denen der 1850r Ernte, deren Angaben die Regiſtratur dieſer Intendantur nachweiſt, ſo ergiebt ſich eine Zunahme von 14,974 Fanegas Weizen, 3363 Fan. Gerſte, 416 Fan. Hafer; dagegen eine Verminderung an Lein um 264 Fanegas und an Pa⸗ pas um 25,527 Fanegas. Hinſichtlich der Zubereitung des Bodens iſt noch zu bemerken, daß der- ſelbe für die Papas friſch mit Dung hergerichtet werden muß, daß aber dann der Weizen blos auf das Land geworfen wird, auf welchem die letzte Ernte von jenen ſtattgefunden. Die Einſaat für den erſten Jahreseinſchnitt geſchieht im Allgemeinen vom Auguſt bis Ende des Septembers, und die Ernte dann im Mai; die Einſaat für den zweiten Jahreseinſchnitt aber beginnt am Ende des nämlichen Mo⸗ nats und endet im Laufe des Juni, worauf die Ernte in den folgenden März trifft. Die Kräftigung, die man dem Boden zu geben pflegt, beſteht in Vieh⸗ dünger, wobei man dem Wollenvieh den Vorzug giebt; man ſagt deshalb, es habe einer eine gute oder ſchlechte Feldbeſtellung, je nach der Zahl von Schafen, die er beſitzt. — In der ganzen Provinz eriſtiren folgende Thiere: Departements. Rindvieh. Schafe. Ziegen. Schweine. Reit- und Laſtthiere. Ancud 875 2,654 267 390 415 Chacao 542 4,377 1,471 524 406 Carelmapu 9,287 9,237 943 2,976 1,802 Calbuco 1,339 10,081 1,043 2,293 466 | Dalcahue 960 8,000 500 1,600 400 CElaaſtro 755 11,328 1,033 2,185 967 Chonchi 2,394 16,680 948 1,229 622 Lemui 323 13,033 604 2,156 540 Achao 334 19,679 1,335 2,102 893 Duenac 92 2,540 556 562 262 Insgeſammt 16,901 97,609 8,700 16,017 6,773. 422 Miscellen: In die Richtigkeit dieſer Angaben ſetze ich jedoch ein ſtarkes Mißtrauen, das mir durch die eingewurzelte Gewohnheit der Landleute eingeflößt wird, ihre Beſitzthümer zu verleugnen, ohne ſelbſt ihre Söhne auszunehmen, indem ſie glauben, daß, wenn ſie die Wahrheit ſagen und daraus viele Beſitzthümer oder Familienglieder hervorgingen, man ihnen Steuern auflegen oder einen Sohn zum Dienſt der Armee einziehen werde, gegen welchen Beruf ſie in Schrecken gerathen. An ſolcher Verheimlichung nun nicht zweifelnd, trage ich kein Bedenken, jeder Gattung des Viehes noch ein Drittheil hinzuzufügen, und dieſer Anſicht ſind auch die Provinzialbehörden und ſonſtige Perſonen, durch deren Leitung ich in Beſitz dieſer Angaben gekommen bin. Deſſen un⸗ geachtet muß man einräumen, daß das Rindvieh in Chiloe nicht zur Verſor— gung ſeiner Bevölkerung ausreicht und folglich die Nachbarprovinz Valdivia noch dazu beiträgt. Es iſt auffallend, daß die Lein ſaat nicht im Großen betrieben wird, und daß man nicht den bedeutenden Gewinn nach ſeinem wahren Werthe ſchätzt, den man aus deren hohem Wuchſe ziehen kann; denn da dieſes Gewächs we— gen ſeines leichten Anbaues und überaus reichen Ertrages — unſtreitig we— gen des feuchten Erdreichs — ganz vorzüglich für dieſes Clima paßt, ſo würde daraus ein ſehr einträglicher Induſtriezweig zu bilden ſein. Man baut den Lein dermalen blos deshalb an, um den Samen mit dem Weizen zu mengen und geröſtetes Mehl zu machen. Indeß wird denn doch im Departement Chonchi auf beſondere Beſtellung und nicht ohne viele Bitten und Verſpre— chungen daraus ein Gewebe bereitet, das, dem europäiſchen Damaſt ähnlich, zu Mänteln verarbeitet wird. Hafer wird in dieſer Provinz erſt ſeit wenig Jahren in ſehr geringer Menge und nur von einer kleinen Anzahl Landleuten geſäet. Hülſenfrüchte tragen alle ſehr gut, man ſäet deren aber gleichfalls in geringer Menge uud blos für den Verbrauch jeder Familie in grünem Zu— ſtande, oder höchſtens für den Vertrieb ſehr beſchränkter Quantitäten nach dem Hafen von Ancud. Mais iſt am wenigſtens bekannt. Der für die Bierbrauerei ſo wichtige Hopfen, ſowie andere krautartige Gewächſe, die mit außerordentlicher Fruchtbarkeit hier gedeihen würden, ſind bis jetzt unbekannt. Nur die Arbeit mit Holz iſt ein Gewerbszweig, der dem Handel von Chiloe ein gewiſſes Leben und ſelbſt die Hoffnung eines großen Aufſchwungs giebt; ohne dieſen würde der Handel ſchwach und bedeutungslos ſein. Täglich wächſt die Zahl der Arme, die ſich demſelben widmen, und es giebt Departements, Calbuco zum Beiſpiel, in denen der Zug nach den Cor— dilleren zwei, ja drei Mal des Jahres ein wahres Gebot für deren Einwohner iſt, die ihre Wohnungen verlaſſen, die wenigen Feldarbeiten weiblichen Händen übertragen, ihre kleinen Söhne aber mitnehmen, um aus ihren ſchwachen Kräften Gewinn zu ziehen, und damit ſie ſich gewöhnen, die Berge zu er— *r — Du Die Provinz Chilbe in Chile. 423 klettern, und ohne Staunen und Furcht den Gefahren und Schwierigkeiten in's Auge zu ſehen, die es koſtet, die Ceder und Cypreſſe zu fällen, zu be— hauen und an die Geſtade zu bringen. Ohne Zweifel iſt die Arbeit mit Holz in der Provinz die allgemeinſte; es giebt jedoch Departements, in denen ſie eine beſonders überwiegende iſt. In erſter Linie ſteht hier Calbuco, und es folgen Quenac, Carelmapu, Chonchi und Lemui; in dem Handel mit Cedernholz liefert das erſte vornehmlich ge— wöhnliche Bretter, das zweite dicke Bretter, das dritte kleine Bohlen, das vierte Kernholz von Cypreſſen und Bohlen von Ralral. Die Bewohner der übrigen Departements, nämlich Chacao, Dalcahue, Achao, Caſtro und Aneud, verbinden ſich nicht fo zu gemeinſchaftlichen Lei— ſtungen, wie die der andern vorerwähnten, noch machen ſie Züge nach den Cordilleren; innerhalb der Provinz aber bearbeiten ſie mit Fleiß und Gewinn Bohlen und Bretter von Lorbeer, Haſelnuß, Muermo u. a. und liefern Lu- mas von 4 bis 8 Varas, Schwellen von 6 und 8 Varas ꝛc. und brauchen für die letzten das Beil, für die andern die Säge. Der Gebrauch dieſer Ge— räthſchaften iſt ſo allgemein, daß ſie nicht leicht in einer Familie fehlen, die ſich mit Holzarbeit beſchäftigt, und noch ſeltener iſt es, daß ſie einer nicht mit Behendigkeit und Geſchicklichkeit zu handhaben verſtehe. Es giebt jetzt ſelbſt 15 bis 20 durch Waſſer getriebene Sägemühlen, die faſt alle in den letzten zwei Jahren dort gegründet worden ſind. Sie ſägen, wenn das Holz kein hartes iſt, bis 20 Bretter in der Stunde, und würden, wenn ſie das ganze Jahr im Gange ſein könnten, beträchtliche Quantitäten liefern; allein in der guten Jahreszeit iſt oft nicht Waſſer genug vorhanden, oder die Bohlen paſſen nicht für die Einrichtung der Maſchine. Das Departement Caſtro iſt dasjenige, welches ſich am wenigſten mit Holzfällen beſchäftigt; indeß iſt große Wahrſcheinlichkeit vorhanden, daß, wenn ſüdlich des Gambao-Fluſſes ein Weg über einen dichtbewaldeten Berg, der in weſtlicher Richtung ſich dem Auge zeigt, eröffnet würde, man dieſem Er- werbszweige ſein Intereſſe zuzuwenden anfangen und größeren Gewinn, als aus irgend einem anderen, erzielen werde, indem dieſer Berg einen Ueberfluß der edelſten Holzarten, als Cypreſſe, Alerce (ſoll eine Cederart fein), Ralral und Maniu, und zwar in größter Nähe, enthält. Bereits find eigens Unterſuchungen, ſowohl wegen des Vorhandenſeins jener Hölzer, als der Möglichkeit der Anlegung eines Weges gemacht worden, die ein höchſt zufriedenſtellendes Reſultat geliefert haben: ich gedenke mich daher bei dem Herannahen des Sommers ernſtlich mit dieſem Punkte des öffentlichen Intereſſes zu beſchäftigen. Die außerordentliche Nachfrage nach Hölzern in den letzten Jahren hat zur Folge gehabt, daß diejenigen, welche damit Handel trieben, auf richtige Dimenſionen jedes Stücks nicht ſonderlich hielten, und natürlich wurden dieſe auch von den Arbeitern verringert, ſobald ſie das merkten, namentlich an den 424 Miscellen: Cederbrettern, ſo daß manches derſelben zu aller Bearbeitung untauglich ward. Endlich iſt dieſer von den Handelsleuten ſelbſt geduldete Mißbrauch in ſeinem Beſtehen und ſeinen Folgen offenbar geworden, und es iſt, wenn demſelben nicht abgeholfen wird, zu beſorgen, daß der Holzhandel von Chiloe ſeinem Untergange entgegengehe oder wenigſtens ſtationär bleibe. Bereits haben ſich die Rügen und Reclamationen Seitens der Handelsleute anderer Plätze in ſehr ungünſtigen Ausdrücken, die ſchnell auf einander folgten, ausgeſprochen, und würden endlich früher oder ſpäter eine gänzliche Entwerthung der Chiloe— Hölzer herbeigeführt haben. Von dieſer ernſten Erwägung durchdrungen, und bekannt mit der einſtimmigen Geneigtheit der Theilnehmer dieſes Handels, habe ich ihnen meine Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben, zu einer entſprechen⸗ den Ausführung der Maßregeln, die fie beſchließen würden, um jenem Uebel⸗ ſtande ein Ziel zu ſetzen, ſo weit es meinerſeits thunlich ſei, mitzuwirken, und dies hat fie ſofort zu einer Zuſammenkunft veranlaßt, in welcher fie den Be- ſchluß faßten, keine Sorte Holz anzunehmen, welche nicht die vor dem Han— delsgericht feſtgeſetzten und in der Acte jener Uebereinkunft angegebenen Di- menſionen habe. Dieſes Document, durch die Intendantur an alle oberen und unteren Beamten in Circulation geſetzt, erreicht auch bereits den gewünſch— ten Zweck, und zwar ohne Benachtheiligung der Arbeiter, indem man dieſen zu erkennen gegeben hat, daß es ihnen freiſtehe, den Preis ihrer Hölzer zu erhöhen oder nicht. Die geforderten Dimenſionen find überdies ſelbſt geringer, als ſie vor 4 oder 6 Jahren üblich war. Der folgende Tarif giebt die gewöhnlichen Holzpreiſe in der Provinz an: das Hundert Peſos Reales Bretter von Alerce ee = 6 2 „ geſägte von Lorber = 14 — von Maniu. = = 18 — Madrinas (Kernholz) von So s = 25 — Bohlen von Cypreſſe 2 - 12 4 = Ssllepeeiiun mpg Sende - 12 4 - 2 orberr une AM = 12 4 - Mer HAT re = 12 4 kleine Balken von Aleree . .. das Stück 1 — = . 4 orbeer une - — 4 = = ECypreſſe 0 Ne = 1 — = = „ 11141123 114 e NEE = 4 Lumas, 8 Varas lang... „H das Hundert 50 — = halbe ee I > = 25 u: Guiones (Schwellen )) = 6 2 dicke Bretter von Alerce . - - 12 4 = s - Maniu, von 8 Varas, = = 75 — - . - Ralral, von 3 bis 4 V. - = 40 Der Guano und feine Hauptfundorte. 425 das Hundert Peſos Reales Balken von Muermo, 8 Varas lang, = - 100 = reits adikind != = 795 — Pfoſten von Alerce, von 8 Varas . das Stück 3 mm s ⸗Cypreſſe, von 4 Varas . = = 1 4 BR li, Nic au. made % das Hundert 4 < Rinde, die Fanega (eirca z Berliner Scheffel) . — 3 (Schluß folgt.) Der Guano und ſeine Hauptfundorte. (Schluß.) Der Guano ſelbſt zeigt ſich in mächtigen Lagern übereinander gehäuft, und zwar ſo, daß dort, wo er tiefer gebrochen wird, ſich ſeine verſchiedenen Schichten dem Auge deutlich bemerkbar machen, da ſie in der Färbung von einander etwas verſchieden find und in mannigfachen Tönen zwiſchen braun⸗ gelb und graugelb wechſeln. Die Maſſe deſſelben iſt ſehr trocken und läßt ſich leicht zerbröckeln und bei nur einigermaßen friſchem Winde wird ſie als wirbelnder Staub weit über die Inſeln hingetrieben, die ganze Atmoſphäre mit Qualm ſchwängernd und oft den Horizont völlig unſichtbar machend. Wenn auf dem Transporte durch irgend welche Umſtände die Ladung feucht wird, zeigt ſie ſich ſchmierig und klebrig und verbreitet einen dem Geruche eines unreinlichen Hühnerſtalles ähnlichen Geſtank, was man ſonſt eigentlich nicht vom Guano ſagen kann, — natürlich unbeſchadet Jedermanns Geſchmack, — obſchon er immer einen ſtarken, beizenden, urinöſen Geruch an ſich hat. Es finden ſich große Stücke Salmiak in demſelben, und zwar von völliger glasartig durchſichtiger Farbloſigkeit, oder von grauer, gelber, faſt ſchwarzer und oft glänzend weißer Farbe, in Kugel-, Ei- oder phantaſtiſcher Geſtalt, und am häufigſten in mehlartiger Beimiſchung in dem hellbraunen Stoff der unterſten Schichten, die am meiſten zerbröckelt find. Die Arbeiter ſuchen be— gierig nach dieſem werthvollen Salz und ſollen auf eigene Hand einen kleinen Schmuggelhandel mit demſelben zu betreiben wiſſen. Wir ſind bisher in dieſer Darſtellung unbedingt der Annahme gefolgt, daß der Guano aus Exerementen von Vögeln beſtehe und gebrauchten ſogar dafür den Ausdruck Vogeldung. Es war dies auch der bisher herrſchende Glaube, der jedoch hier und dort Widerſacher gefunden hat und jetzt bezwei⸗ felt und ſogar beſtritten wird. In Peru ſelbſt wird die Vogeldungtheorie gleichfalls von vielen Seiten verworfen und die Behauptung aufgeſtellt, daß der Angamos-Guano nie zu wahrem Guano werden könnte und den Namen daher eigentlich nicht verdiene, ſondern fälfchlich führe. Ein merkwürdiger 426 Miscellen: Umſtand iſt es allerdings, daß die vierte Inſel in der Chinchas-Gruppe, die jetzt der Hauptaufenthalt der Vögel iſt, welche den Guano erzeugen ſollen, keine Anſammlungen des Miſtes derſelben aufweiſt, obſchon ſie ſich viel über die von dem mächtigſten Wellenſchlage erreichbare Höhe erhebt. Die Mög— lichkeit, daß dieſe Vögel, gleich dem wilden Stamme der Llama, der Gua— nako's und Vieunna's beſtimmte Orte aufſuchten, um dort ihre Ausleerungen gemeinſchaftlich abzuſetzen n), iſt kaum anzunehmen, da der Aufmerkſamkeit, mit welcher dieſelben jetzt beobachtet werden, wohl kaum die Inſeln und Klippen entgangen ſein würden, welche den noch lebenden Geſchlechtern zu dieſem Zwecke dienten. Die Verſchiedenart der Vögelarten an der perua— niſchen und patagoniſchen Küſte möchte die Verſchiedenheit des Guano auch nicht völlig erklären, wie es von Anhängern der erſten Theorie geſchieht. Uebrigens gehören ſie alle der einen Ordnung der Schwimmvögel an; auf den peruaniſchen Inſeln herrſcht die Familie der Pelikane und in Patagonien die der Fettgänſe vor. Die Wahrheit mag wohl, wie es ſo häufig zwiſchen zwei Anſichten der Fall iſt, in der Mitte beider Theorien liegen, denn aufmerkſame und verſtän— dige Seeleute, welche den Guano in ſeinen Schichten an Ort und Stelle ſahen, verſichern, den Hauptbeſtandtheil als verweſte oceaniſche Subſtanzen erkannt zu haben, was leicht darin ſeine Erklärung finden möchte, daß die dortigen Vogelfamilien meiſt geſellſchaftlich und zwar in Schaaren, welche oft eine auch nur annähernde Abſchätzung verbieten, in einer Art von gemeinſa— men Neſte, das ſie durch gegenſeitig ſich unterſtützende Anſtrengung aus allerlei groben, vom Meere ausgeworfenen Pflanzenreſten erbauen, brüten und leben. Hierfür ſpräche ferner, daß man oft auch ganze Vögel mit Haut und ſelbſt Gefieder, ſowie einzelne Flügel, Beine und Gerippe derſelben im Guano fin— det. In den oberen Schichten ſieht man dieſe Theile oft noch ziemlich un— verſehrt, während ſie in den unteren dagegen ganz zerbröckelt ſind. Da ſie leider bei der leiſeſten Berührung auseinander fallen und zu Guano werden, erlaubt eine genaue Betrachtung der Skelette, auch durch die Vergleichung der Anatomie, nicht die Beſtimmung, welcher Vogelfamilie dieſe Neſter ange— hören. Auch viele Seelöwen, von denen ſowohl die Mützenrobbe, als auch die gemähnte Ohrenrobbe dieſe Gegenden beſuchen, finden ſich als Leichen und Gerippe in dem Guano. Auf der Inſel Chinchas ſelbſt iſt eine Grotte, in welcher ſie zu 40 und 50 auf einem Flecke dicht bei einander gefunden wur— den. Den Angaben zufolge ſollen ſich dieſe Thiere an beſtimmte Orte bege— ben, ſobald ſie ein Gefühl ihres herannahenden Todes haben. Dieſe gewiß höchſt merkwürdige Sitte fand Darvie gleichfalls bei den Guanako's in den hier nahe liegenden Andesketten, und vielfach ſind Sterbeplätze derſelben, ſtets ) Darvie fand dergleichen Düngerhaufen von 8 Fuß Durchmeſſer und mehr, die in den holzarmen Gegenden Patagoniens den Indianern ein koſtbares Brennma— terial abgeben. v. E. Der Guano und ſeine Hauptfundorte. 427 in der Nähe des Meeres oder an Flußufern, gefunden worden, die dicht mit Skeletten und Knochen bedeckt waren, deren gute Erhaltung und völlige Un— benagtheit die Vermuthung verbot, daß an ſolchen Stellen das Lager ihre Beute zuſammenſchleppender Raubthiere geweſen ſei. Der Vorrath an Guanomaſſe iſt allerdings ein ungeheurer, erreicht aber dennoch nicht die fabelhaft klingenden Angaben, wie ſie z. B. in Nopitzſch's „Kaufmänniſchen Berichten“ S. 274 oder in Andersſons „Weltumſegelung“ angegeben ſind. Derſelbe ſagt, man habe berechnet, daß die Inſel, die eine Oberfläche von 8 engl. Quadratmeilen hat, auf ihrer Felſenmaſſe 495,616,000 Kubik⸗Pard Guano zu liegen habe, was, da jede Kubik-Pard ihrem Gewichte nach auf 4 englifche Centner berechnet werden muß, 1,982, 464,010 Centner oder 99,123,300 Tonnen giebt, woraus folgt, daß die Inſel jährlich 50,000 Tonnen 2000 Jahre lang liefern könnte. Die höchſte anzunehmende Ausfuhr wären 500 Ladungen in einem Jahre; jede zu 200 Schiffs-Laſten (2 Laſt ſind gleich 5 Tonnen) berechnet, und ſo würde dieſer Vorrath der einzigen Inſel Chinchas erſt in 400 Jahren erſchöpft fein, doch dürfte ſich in dieſem Zeit— raume auch wohl eine nicht unbedeutende Maſſe wieder gebildet haben. Ganz ſo übermäßig hoch iſt jedoch in Wahrheit der Vorrath nicht, vielmehr ergab die von einer Deputation von Ingenieuren im Auftrage der Regierung unter— nommene Meſſung der Guanomaſſe für den Geſammtvorrath der drei Chin— chas⸗Inſeln nachſtehendes Reſultat, welches die peruaniſche Geſandtſchaft zu London am 7. Februar 1854 veröffentlichte. Die Lager haben durchſchnitt— lich ungefähr 60 Fuß Dicke und enthalten 12,376,100 Tonnen Guano; dieſe Schätzung zeigt aber Meſſungstonnen an, welche erfahrungsmäßig nach Ge— wichtstonnen des Marktes berechnet eine Mehrheit von etwa ein Drittel erge— ben, wonach 15,501,466 Tonnen Gewicht noch von dieſer Inſelgruppe zu verführen find; die anderen Lager ſollen erſt noch gemeſſen werden. Der un— ermeßliche Geldwerth, den dieſe Maſſe repräſentirt, iſt leicht zu berechnen, wenn man weiß, daß die Tonne Guano gegenwärtig 9 Pfund Sterling in England gilt, wovon die Hälfte auf die Fracht gerechnet wird. Die reichſte der Inſeln iſt Chinchas ſelbſt; an derſelben wird in dieſem Augenblicke an der Nord-, ſowie an der Südſeite gleichzeitig geladen. Die Stelle, wo das Brechen des Guano jetzt geſchieht, liegt nicht weit von dem bewohnten Theile der Inſel. Sie beſteht aus einem hohen und ſteilen Hügel, auf deſſen Seiten jedem Arbeiter ein länglicher Raum von etwa zwei Ellen — Breite angewieſen iſt, der von dem ſeines Nachbars durch aufrechtſtehende mauerähnliche Guanokämme getrennt iſt. In dieſem Raume ſteht der Arbei— ter und bricht oft unter großen Anſtrengungen, da der Guano in ſeinem Zu— ſammenhange fo hart iſt, als es nur Stein fein kann, mit Spitzhacke und Spaten große Stücke los, die ſodann zu dem Fuße des Hügels niederrollen, wo ſie gekleint und auf Schubkarren oder in Säcke gefüllt werden, um ſie zu den Ladungsplätzen zu führen. Dies geſchieht in ordentlichen feſten, mit 428 Miscellen: eiſernen Schienen verſehenen Wagen. An den Klippen, wo die Ladungsplätze befindlich ſind, hat man hohe Holzplanken in Form eines mit der Spitze nach außen gewendeten Dreiecks errichtet; aus der Spitze wird der Guano in die Schiffe hinausgewälzt, und dieſe Arbeit, das eigentliche Verladen, iſt der wider⸗ wärtigſte Theil aller Beſchäftigungen mit dieſem Handelsartikel. Man ver- fährt dabei folgendermaßen: Langt ein Schiff an, ſo legt es ſo nahe als möglich der Ladungsklippe an, wirft dort an einem beſtimmten Flecke ſeinen Ballaſt in den Ocean und nimmt gleichzeitig dieſelbe Schwere an Guano ein, um das richtige Gewicht zu behalten und ſich gegen das Umſchlagen zu ſichern. Dieſe Laſt wird ihm auf der Inſel gehörigen Prahmen zugeführt, ſodann geht es zurück und nimmt die Ankerſtelle auf der Rhede ein, welche ihm ordnungsmäßig nach der Zeit ſeiner Ankunft zukömmt, und erhält die Ladetage zugewieſen, welche oft bei großen Fahrzeugen eine dreimonatliche Liegezeit erfordern, während kleine Fahr⸗ zeuge nach einer Formel zwiſchendurch beladen werden. Die weitere Belaſtung geſchieht auf zweierlei Arten, durch Boote, welche 40 bis 50 Tonnen Ladung halten und ſie nach der Rhede hinausbringen, oder mittelſt einer näher zu beſchreibenden Vorrichtung, „der Schut (shoot)” unter der Klippe ſelbſt. Die erſtere Art ſoll den Vorzug vor der zweiten haben, geringere Abgaben zu zahlen, was nur durch den Umſtand zu erklären ſein würde, daß die Schiffe dadurch gezwungen ſind, einen längeren Aufenthalt an der Inſel zu nehmen. Die Schut iſt eine kegelförmig auslaufende Röhre vom ſtärkſten Segeltuche, welche oben auf der Klippe mit ſchweren eiſernen Ketten befeſtigt wird und bis hinab in den Schiffsraum führt. (Die jetzige Ladeklippe hat die Höhe, daß ſie ungefähr mit den Toppen der Bramſtengen in einer Horizontalebene liegt). Undurchdringlicher Staub wirbelt in die Luft, wenn der Guano durch die Schut rauſcht, und alle Vorſicht der Seeleute, welche ſich während des Ladens Mund, Ohren und Naſen mit Tüchern verbinden, und durch Aus— ſpannen von Segeln nach der Klippenſeite zu das Eindringen des ſchmutzigen Stoffes in die Kajüten zu verhindern ſuchen, iſt vergeblich, denn die Fahr— zeuge nehmen ſogleich ein ihre Fracht verrathendes graugelbes und höͤchſt un— ſauberes Anſehen an. Die Inſel beſitzt mehrere Schuts und kann mit jeder derſelben ein Fahrzeug von 400 Tonnen in weniger, als zweimal 24 Stun- den belaſten. Eine in England beſtellte und erwartete Maſchinerie ſoll dies ſelbe Laſt künftig in 14 Stunden in ein Fahrzeug ſchaffen können. Die Bemannungen der Schiffe dürfen die Inſeln nicht betreten, da es zu wiederholten Malen vorgekommen iſt, daß zwiſchen ihnen und den auf den⸗ ſelben ftationirten Arbeitern blutige Schlägereien ſtattfanden. Die Letzteren ſind theilweiſe Verbrecher, welchen eiſerne Fußſchellen und ſchwere Ketten das Leben und die ohnehin nicht leichte Arbeit noch ſaurer machen, theils politi- ſche Gefangene, die bei den ſo gut wie alttäglichen Aufſtänden Peru's gegen die herrſchende Partei und Regierung eine beſoldete oder unbeſoldete Oppo⸗ | 7 Der Guano und ſeine Hauptfundorte. 429 ſition bildeten und durch Zufall mit den dort an der Tagesordnung ſeienden Umſturzverſuchen ſcheiterten, und endlich einer Anzahl Chineſen, welche ihrer Behauptung zufolge zwar freiwillig hierher gekommen, — wie manche Stim- men angeben, durch falſche Vorſpiegelungen verlockt, — aber, wenigſtens aus dem Verluſte ihres volksthümlichen Haarzopfes zu ſchließen, wegen ihres Ver— haltens gegen das Geſetz und die Geſellſchaft unfreiwillig ihr Vaterland ver laſſen mußten. Sie führen ein qualvolles und entſetzliches Leben, ſchlimmer noch, als das der Gefangenen, deren Loos es in der Regel iſt, nur 4 bis 5 Jahre bei der Guanoarbeit zu bleiben, für die aber in jeder Hinſicht beſſer geſorgt iſt, als für die unglücklichen ausgeſtoßenen Söhne des himmliſchen Reiches, deren trübe Schwermuth auch der elendeſte der hieſigen Verbrecher mit dem höhnenden Zuruf: „Chin! Chin!“ noch necken zu dürfen ſich berech— tigt glaubt. Wie Sclaven behandelt und Nachts in Höhlen unter der Guano— oberfläche eingeſperrt, ſuchen ſie oft im Selbſtmord das Mittel zur Befreiung von ihrem Elende, und ſtürzen ſich von der Klippe hinab in's Meer, oder durch den Schut mit dem Guano auf das Schiff, wo dann ihre Leichen mit— unter erſt bei der Ausladung entdeckt werden. Nichts kann betrübender ſein, als der Anblick dieſer Menſchen. Im Geſicht und an den ſämmtlichen Glie— dern von dem beißenden bräunlichen Staube bedeckt und mit zerriſſenen Klei— dern gewinnen ihre abſchreckenden Geſichtszüge, die einem verbrecheriſchen Leben und einem ſchuldbedeckten Gewiſſen entſprechen, einen grauenhaften und Ban- gigkeit erweckenden Ausdruck. Die Arbeitszeit währt von 3 Uhr Morgens bis 10 Uhr Vormittags, und von 4 Uhr Nachmittags bis 7 Uhr Abends; in derſelben ift jeder Ar— beiter verpflichtet, täglich 90 Karren Guano zu brechen; was er über dieſes Maß liefert, wird ihm beſonders bezahlt, wodurch er ſich einen Sparpfennig erwerben könnte, wenn er es nicht in der Regel verſtünde, trotz des Verbots, Spirituoſa auf die Inſeln einzuführen, durch Schmuggelhandel ſich im „Pisko“ den Quell des Vergeſſens ſeines Elendes zu verſchaffen. Der monatliche Ar— beitslohn iſt außer der ſchlechten Koſt und dem Waſſer, welches die Handels- geſellſchaft, die den Guano in Pacht hat, beſchaffen muß, 4 Piaſter, oder, da der Piaſter Süd-Amerika's 1 Thlr. 13 Sgr. zu gelten pflegt, täglich 5 Sil— bergroſchen und 9 Pfennige. Da die Inſel ſelbſt kein friſches ſüßes Waſſer hat, iſt jedem ankernden Schiffe die ſehr verftändige Abgabe auferlegt, je nach ſeiner Größe einen Vorrath von Waſſer auf der Inſel abzuliefern, und zwar in dem Verhältniß, daß jede 100 bis 150 Tonnen Laſt eine Tonne Trinkwaſſer beſchaffen müſſen. Die Regierung von Peru hat ſelbſt mit der Ausbeute des Guano nichts zu Schaffen, ſondern geſtattet vielmehr dem Meiſtbietenden, gegen eine im Vor— aus zu entrichtende Summe, auf eine längere oder kürzere Zeit, gewöhnlich aber auf ein Jahr, die Verſchiffung. Es hat ſich zu dieſem Zwecke eine 5 ca gebildet, die aus verſchiedenen, meiſt engliſchen, großen 430 Miscellen: Handlungshäuſern in Lima und Callao beſteht. Die größte Verſendung geht nach England, und geſchieht immer auf Rechnung der erwähnten Geſellſchaft, ſo daß an Ort und Stelle kein Guano verkauft wird. Die Fahrzeuge, welche ihn holen, müſſen Lima oder Callao, und alle Pisko anlaufen, um dort zu klariren, woher in manchem Jahre nahezu ein halbes Tauſend Fahrzeuge dies fen kleinen Hafen beſuchen. Um die Souverainetätsrechte der Republik auf— recht zu erhalten und die Inſeln unzweideutig als peruaniſches Staatseigen— thum zu bezeichnen, ſowie um unter der Menge der anweſenden Handelsfahr— zeuge, die alle Farben der bunteſten Flaggenkarte aufweiſen, die Ordnung zu ſichern, iſt ein Orlogsſchooner hier ſtationirt und mit Vollmacht und Mitteln ausgeſtattet, den Willen der Regierung und das Geſetz zur Geltung zu bringen. Die Zahl der beſtändig auf der Inſel Verweilenden beträgt in der Regel 200 Köpfe. Ihre Anſiedlung, wenn man den Aufenthalt daſelbſt fo nennen darf, liegt an dem nördlichſten Punkte, bei einer ſteil, wie eine Mauer, ab» ſtürzenden Felſenwand, von welcher eine mit großer Mühe angelegte Treppe zum Strande hinabführt. Die Wohnungen der Buchhalter der Geſellſchaft und Aufſeher der Arbeiter find nothdürftig aus Brettern zuſammengenagelte Häuſer, und die Arbeiter ſelbſt wohnen in einer Art Hütten von Bambus— ſtöcken und Rohrmatten, im Viereck ausgeführt und etwa 4 Ellen hoch, aber bald von größerem, bald von kleinerem Umfange, und in verſchiedene innere Räume getheilt, die jedoch ſtets ſehr ſparſam bemeſſen ſind, nur den Platz für die allernothwendigſten Geräthſchaften geſtatten, des gedielten Fußbodens entbehren, und ſich im völligſten Naturzuſtande befinden. Die Chineſen ſind, wie ſchon bemerkt, von den Peruanern getrennt und friſten als Höhlenbewoh— ner ihr trauriges Daſein. Noch weiter nördlicher, als dieſe wüſte Aufent- haltsſtätte der Lebenden, befindet ſich der letzte Ruheplatz der hier von ihren Banden Befreiten. Wohl ſchwerlich giebt es irgendwo einen ſchauerlicheren und abſchreckenderen Kirchhof, als dieſen auf der Inſel Chinchas. Da keine Erde vorhanden iſt, ſo bettet man die Leichen im Müll des Guano, größere Stücken darauf zu formloſen Grabhügeln zuſammenwälzend, die den ſchmuck— loſen Grabmälern und Kreuzen kaum ſo lange eine erhaltende Stütze ſind, als der darunter liegende Leib gebraucht, die Luft mit entſetzlichem Verweſungs— geruch zu erfüllen und im Guano ſelbſt zu Guano zu werden. So wenig Erheiterung auch für die Befehlshaber und Offiziere der Fahr- zeuge auf der nackten Flur, oder, richtiger ausgedrückt, Fläche, wo kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm, nicht einmal ein wenig Moos aus dem roth— braunen Boden hervorſprießt, wo der Fuß nur jeden Augenblick in Vertie— fungen tritt, worin Tauſende von Vögeln hauſen, darbietet, ſo herrſcht doch viel Geſelligkeit unter der Menge der Capitaine, welche gezwungen ſind, hier eine längere Liegezeit im Müſſiggange zu verbringen. Man ſtattet ſich gegen— ſeitig Beſuche ab, umwandelt die Inſeln, an derem Rande ſich hier und dort die Bergwände in's Meer hinabſenken, das unabläſſig feine Brandung ſchäu⸗ Der Guano und feine Hauptfundorte. 431 mend daran bricht; beſucht die Klippen, die, freiſtehend außerhalb der Inſel oft in höchſt phantaſtiſchen Formen umherliegen und mitunter ſich nur als losgeriſſene große Stücke des den Guano tragenden Felſens ausweiſen, viel— leicht durch die verzehrende Gewalt der beizenden Maſſe abgelöſt. Die Klippen— wände ſind ſelten glatt; große geräumige Grotten mit Durchgängen von einer zur andern, dem Fußgänger und zuweilen auch Booten zugänglich, ungeheure Kluͤfte und hervorſpringende Blöcke geben ihnen ein gebrochenes, oft groß— artiges und majeſtätiſches Anſehen. In jedem Schlupfloch ſitzen Vögel zu Tauſenden; bald ſind es große, zur Familie der Pelikane gehörende räuberiſche Tölpel (Sula fusca), bald ift es der Verkünder eines herrlichen Klima's und eines Oceans, auf welchem das Schiff tagelang in gerader Linie und ohne erhebliche Veränderung der Segelſtellung ſeinem Ziele entgegeneilt, der ebenſo graziöſe und fchöne, als dichteriſch benannte Phaeton oder Tropikvogel; dann in ungeheuren Schaaren Mövenarten, wie vorzugsweiſe der Scheerenſchnabel, die Quebranta huessos oder der Beinbrecher, der von Patagonien aus auf ſeinen gierigen Jagdzügen den anderen Waſſervögeln bis hierher folgt; und kaum weniger zahlreich, als die Möven, die Schwalbenſturmvögel. Sie alle bemühen ſich in einem gemeinſchaftlichen Concerte, ſitzend oder über der Waſſer— fläche flatternd, ihre Stimmen, die meiſt rauh und heiſer tönen, erklingen zu laſſen. Seelöwen ſchwimmen oft in Schaaren umher und jagen nach den Pferdemakrelen, die hier die Größe von ſtarken Schellfiſchen erreichen, und werfen ſie, wenn ſie dieſelben erreicht, ſpielend, hoch aus dem Waſſer, in der Luft danach ſchnappend. In weiſer Vorſicht verbot die Regierung von Peru das Jagen und Erlegen der Vögel und Seelöwen, um die immerhin mögli— chen Guanoerzeuger vor Störung oder gar Verfolgung und Ausrottung zu ſchützen. Jeder im Bereich der Inſel abgefeuerte Schuß zieht eine Strafe von 5 Piaſtern nach ſich. Der Befehlshaber des Schooners hat aber das Recht, zur Bereicherung der naturhiſtoriſchen Sammlungen die Erlaubniß zur Er— legung einzelner Thiere mittelſt Steinwürfen und durch Knittel zu geben. Der Fiſchfang iſt hingegen erlaubt und völlig frei, und durch die ein— fache Manipulation der Herablaſſung großer Körbe in das Waſſer ziehen die Matroſen Tauſende von kleineren und größeren Fiſchen aus den Wellen auf ihren Tiſch. Auch Haye umſchwärmen häufig die Fahrzeuge und bei Wind— ſtille ſetzen die Walen, welche dieſe Gegenden beſuchen, um ihre Jungen zu Ben. das Meer in heftige Bewegung, ihre dampfende Waſſerſäule oft bis zu 15 Fuß Höhe ausſpritzend. Zahlloſe Weichthiere und Kruſtenthiere leben in den Tangarten, von denen die Klippen umgeben ſind, und wenn der Tod 3 die Reſte des Todes in finſterer Einſamkeit auf der Höhe der Inſeln thronen, bewegt ſich um und unter denſelben das mannigfaltigſte Leben. Dees herrlichen Klima's iſt ſchon gedacht worden; nie fällt Regen in die— ſen Gegenden, ſchwerer Thau erſetzt auf den nahen Küſten Peru's nothdürf— tig den befruchtenden Niederſchlag. Stürme und Orkane find eben fo unbe— 432 Miscellen: Der Guano und feine Hauptfundorte. kannt und immer ſchönes Wetter macht den Namen „ſtilles Meer“ zur voll kommenſten Wahrheit für den hier ſanftwogenden Ocean, den die peruaniſchen Küſtenfahrer mit Fahrzeugen durchfurchen, deren Segel keine Reffbändſel haben. Die Rhede zwiſchen den Inſeln hat zwar eine etwas offene Lage, da aber die harten Winde hier nie vorkommen, liegt man in der größeſten Sicherheit. Der Ankerplatz für die großen Fahrzeuge iſt an der Nordſeite der Inſel Chin— chas, hat guten Grund und 15 bis 24 Faden Tiefe, die ſich auf die Entfer⸗ nung von 1 bis. 12 engl. Meilen von der Küſte bis auf 30 Faden ſteigert. Die Fahrzeuge, welche an der Klippe an der Schut liegen, pflegen des Nachts wegen einer ſtarken Wogenſchwellung (Deining) zur größeren Sicherheit einige Faden weiter heraus zu legen. In den Monaten April und Mai iſt dieſe Deining am ſchwerſten, weshalb in dieſer Zeit wenig Fahrzeuge hier zu ſein pflegen, da die Landſee dann ſo ſtark geht, daß ſie zu heftig ſchlingern (ſchau⸗ keln), um unter der Schut laden zu können. In den übrigen Monaten er- reicht oft die Zahl der verſammelten Schiffe die Höhe von 90 und 100, was dann den unzuverläſſigen Matroſen leichte Gelegenheit zur Deſertion giebt, indem ſie ſich an Bord eines ſegelfertigen Fahrzeuges verbergen, bis daſſelbe bei ſeiner Rückfahrt wieder auf hoher See angelangt iſt. Ein Paar Untiefen in der Nähe der Inſeln ſind durch Bojen kenntlich gemacht. Fitz-Roy ließ von feinen Offizieren eine Spezialkarte des Fahr⸗ waſſers aufnehmen, die ſehr gut fein fol; es fehlte aber auf derſelben die Angabe einer kleinen felſigen Untiefe, die nur durch wenige Fuß Waſſer be- deckt iſt. Sie liegt im Weſt-Süd-Weſten von Isla Blanca, in gerader Linie zwiſchen Balleſta's und San Gallan's öſtlichſten Vorgebirgen, ungefähr auf dem Drittel dieſer Linie, von der erſteren Inſel entfernt. Drei Fahrzeuge wurden das Opfer des Ueberſehens derſelben; das letzte, im Jahre 1851, war ein peruaniſches Barkſchiff von 400 Laſten, es lief auf und ging völlig ver— loren. Dieſer Unfall bewirkte die Anmeldung der Klippe bei der Regierung, welche nun auch dieſe Untiefe mit einer Boje bezeichnen ließ, um ſo die Fahrt zu erleichtern und ſicherer zu machen. A. v. Etzel. Verzeichniſs der Erd- und Himmelsgloben C. Adami. Verlag von Dietrich Reimer in Berlin. Ir. en ER immer vortheilhaft bekannten Adam s ,n Globen sind ie nachstehend unter II, III und IV verzeichneten jetzt in vollständig neuer Be- beitung und in weit schönerer Ausstattung als früher erschienen, und durch Iinzufügung einiger Sorten mit Halbmeridian, Litt. D. Hi und K1 vermehrt vorden. Der grofse Himmelsglobus von 30 Zoll Durchmesser (Litt. S.) ist vor * Fertig geworden; die Vollendung des entsprechenden Erdglobus ¶ Litt. R). dem seit längerer Zeit gearbeitet und auf dessen schöne und zweckmäfsige usstattung besondere Sorgfalt verwendet wird, wird noch längere Zeit in An- ruch nehmen. Br I. Relief-Erdgloben von 12 Zoll Rheinl. Durchmesser. A 5 Thlr. — Litt. B 15 Thlr. — Litt. B 1 10 Thlr. Emballage à I Thlr. a e drei Sorten unterscheiden sich nur durch mehr oder weniger ausgeführte Malerei und elegantere Gestelle, Zu diesen wie zu den folgenden Erdgloben gehört eine Beschreibung, unter dem Titel: 5 Commentar zu den Relief- und Kartengloben von C. Adami. * Preis 10 Sgr. II. Erd- und Himmelsgloben von 127 Zoll Durchmesser. Erdgloben: Litt. C 5 Thlr. 20 Sgr. — Litt. D (mit Halb-Meridian) 9 Thlr. Emballage 2 1 Thlr. E mit Horizont, messingenem Meridian und Stundenring etc. 15 Thlr. itt. F (ebenso auf elegantem Gestell) 22 Thlr. 20 Sgr. Emballage à 2 Thlr. ; ee. Litt. F 1 15 Thlr. — Litt. F 2 (auf eleg. Gestell) 22 Thlr. 20 Sgr. III. Erdgloben von 4 20¹ eee N e Litt. G (in einem Kästchen) 2 Thlr. 5 Sgr. incl. Emballage. J Litt. H 1 Thlr. 20 Sgr. — Litt. Hi (mit Halbmeridian) 2 Thlr. 20 Ser. Emball. & 74 8 Litt. I (mit Horizont, iersingenem Meridian etc. ete.) 4 Thlr. 20 Sgr. Emballage 15 8 * IV. Erd- und Himmelsgloben von 8 Zoll Durchmesser. * a. Erdgloben: Litt. K 4 Thlr. — Litt. K 1 (mit Halbmeridian) 6 Thlr. Litt L, mit Horizont, messingenem Meridian etc.: 8 Thlr. 15 Sgr. Emballage à 1 Thlr. b. bn Litt. M., mit Horizont ete.:- 8 Thlr., 15 Sgr. Emballage à 1 Thü. V. Erd-, Relief - und Himmelsgloben von 30 Zell Durchmens Litt. S (Himmelsglobus) 65 Thlr. Emballage 7 Thlr. 15 Litt. R (Erdglobus) a 80 Thlr, 3 und Litt. T (Reliefglobus) à 100 Thlr., 8 3901 in Bearbeitung. Kr 1 VI. Der nördlich e Himmel, Litt. N. Eine hohle Halbkugel vo) 18 Zoll Durchmesser, mit Horizont, Fa e Meridian etc. 28 Thlr. 10 Sgr. E ballage 2 Thlr. 10 Sgr. . Litt. O. Derselbe von 48 Zoll Durchmenser, 500 DER: (Wird nur auf besondere Bestellung angefertigt.) j G Litt. P. Das Observatorium, der einfachste A durch. Welchen Jeder. 0] Vorkenntnisse, die Gestirne schnell und zuverlässig, am ‚Himmel selbst finden kennen lernen kann. Gewöhnliche Sorte 12 Thlr. Bessere Sorte 15 Thlr. 1 & 1 Thlr. 1 Litt. Das Astrognostieon, ebenfalls ein einfaches CF½ůn ,n a Himmel selbst aufzufinden und kennen zu lernen. 2 Thlr. Emballage 10 Sgr. Bemerkung. Auswärtige Besteller, mögen sie die Globen direkt oder dur andere Buchhandlung beziehen, haben stets die Emballage mit zu bezahlen. 80 oben angeführte Commentar (Preis 10 Sgr.) mit gewünscht werden, so bittet m der Bestellung ausdrücklich zu bemerken. ö 5 Ein aus führlicherer Prospect über die Adami’schen Globen ist alle Buchhandlungen gratis zu erhalten. ———ͤ— Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünstr. 18. December 1855. 0 Seuſorin Allgemeine Erdkunde. it ER uterftägung der EGeſelfſchaft für Ski zu Dertin und unter ee ln von 5 w. Don, C. G. Ehrenberg, 9. aiepert und €. Ritter E N in Berlin, i 4 Andree in dae und J. E. Wappäus in Göttingen, I EM . > = von N Dr. T. E. Gumprecht. Fünfter Band. Sechstes Heft. Inhalt. Seite K. v. Klöden: Die Welfer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela und die von ihnen veranlaßten Expeditionen der Deutſchen dahin. 433 Miscellen. R. Boeckh: Allgemeine Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der admini⸗ ſtrativen Statiſtik der verſchiedenen Staaten. ie NE EEE Die Provinz Chiloe in Chile. (Schluß). . Gumprecht: Eine neue Expedition nach Paraguay, 8 488 C. Brandes: Der neue Ganges⸗Canal in ſeinem Bau und in feinen Er⸗ gebniſſen. . ⁊ðͤ Bowring: Menſchen und Sitten in China. En a 505 Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 8. September 1855. — 511 Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 13. October 1855. . . 512 W. Koner: Ueberſicht der vom Juli bis zum November 1855 auf — Gebiete der Geographie erſchienenen Werke, Aufſätze, Karten und Pläne. 515 Von dieſer Zeitſchrift erſcheint jeden Monat ein Heft von 4 bis 5 Bogen mit Karten und Abbildungen. Der Preis eines Bandes von 6 Heften, welche nicht getrennt abgegeben werden, iſt 2 Thlr. 20 Sgr. 2 XII. Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Vene— zuela und die von ihnen veranlaßten Expeditionen der Deutſchen dahin. Der Gegenſtand, der in dem Folgenden abgehandelt wird, iſt kein ganz unbekannter, aber er hat das ſeltſame Schickſal gehabt, theils mangelhaft und unvollſtändig mitgetheilt zu ſein, theils ſind die Namen ſo entſtellt worden, daß man über ſie völlig zweifelhaft blieb, und erſt dem verdienten Meuſel verdanken wir ihre genaue und ſichere Beſtim— mung. Leider aber iſt der kurze Aufſatz, den er darüber mittheilte, fo wenig beachtet worden, daß man ihn faſt vergeſſen nennen kann. Eine berichtigte und vervollſtändigte Erzählung fehlt noch, und dennoch iſt die Begebenheit wichtig genug, um einer ſolchen werth zu ſein. Als der große Entdecker der neuen Welt, Chriſtoph Columbus, im Jahre 1498 feine dritte Reife angetreten hatte, waren Neider und Mißgünſtige nur zu eifrig bemüht, ihn um alle Früchte ſeiner erfolg— reichen Beſtrebungen zu bringen. Einer der eifrigſten war der Biſchof von Badajoz, ein für ſeine Zeit ſehr mächtiger Mann, denn er be— ſorgte die Geſchäfte des Staatsraths von Indien, und hatte vielfache Gelegenheit, ihm zu ſchaden. Ein wagehalfiger Abenteurer, deſſen Unter— nehmungsgeiſt durch die neuen Entdeckungen gereizt wurde, und der den Haß des Biſchofs gegen Columbus kannte, wandte ſich an den Biſchof mit der Bitte, ihm zu erlauben, Schiffe auszurüſten, um eine Ent— deckung fortzuſetzen, welche nichts weiter als Muth und Ausdauer ver— langte. Dem Biſchof war dieſer Vorſchlag ſehr willkommen; er nahm unſeren Abenteurer, der ſich Alfonſo von Ojeda nannte, mit offenen Zeitſchr f. allg. Erdkunde. Bd. V. 28 - 4 g * 1.7 . 434 K. v. Klöden: Armen auf, denn er erkannte in ihm einen Mann, der vielleicht den Ruhm des Columbus verdunkeln, jedenfalls aber theilen würde. Er ertheilte die erbetene Erlaubniß und lieferte dem Ojeda die Karten und Schriften des Columbus aus, allein von den katholiſchen Königen unter— ſchrieb keiner die Erlaubniß, denn ihr Inhalt verletzte den Vertrag, den ſie mit dem Admiral Columbus abgeſchloſſen hatten. Eine große Zahl von Spaniern und Ausländern fand ſich zu— ſammen, um durch neue Abenteuer ihr Glück zu machen. Ojeda trieb in Sevilla ſo viel Geld auf, daß er vier Schiffe ausrüſten konnte. Zu ſeinem Ober-Steuermanne erwählte er den Biscayer Johann de la Coſa, einen erfahrenen muthigen Mann. Ein in der Schifffahrt und Geographie wohl geübter reicher Kaufmann aus Florenz, Amerigo Veſpucci ſchoß Geld zur Ausrüſtung her, und entſchloß ſich, die Reiſe mitzumachen. Am 20. Mai 1499 ging die Flotte unter Segel. Schon am 27ſten Tage erreichte man Land und überzeugte ſich bald, daß man feſtes Land gefunden hatte. Ojeda beſchloß, der Küſte zu folgen, um einen bequemen Hafen aufzuſuchen, den er auch bald fand. Es fehlte nicht an Einwohnern, die ſich friedlich zeigten, aber von Gold, nach dem man ſo begierig ſuchte, fand ſich keine Spur. Ojeda verweilte hier 27 Tage, verſorgte ſich mit Lebensmitteln und ſegelte an der Küſte entlang weiter, bis er abermals auf einen Hafen traf, wo er zu ſeiner Verwunderung ein Dorf entdeckte, welches wie Venedig gebaut war. Es ſtand nämlich im Waſſer auf Pfählen, die Häuſer hingen mittelft Zugbrücken zuſammen, und es waren ihrer 26. Ojeda nannte das Dorf Venezuela, das heißt Klein-Venedig, und noch jetzt führt der Ort den Namen. Damit war die Küſte dieſes Landes entdeckt, deſſen Ent— deckungsgeſchichte wir nicht weiter verfolgen, da eine andere Unterneh— mung unſere Blicke auf ſich zieht. Seit der Entdeckung von Venezuela waren 27 Jahre vergangen, Chriſtoph Columbus war geſtorben und Amerigo Veſpucci ohne ſein Zuthun die Ehre zu Theil geworden, daß der ganze Welttheil nach ihm den Namen empfing. Die Zahl der Entdeckungen hatte ſich ungemein ver— mehrt, als die Küſte Venezuela's von Neuem die Blicke auf ſich zog. Der ungeregelte Zuſtand der neu entdeckten Länder, der große Ruf von den unermeßlichen Reichthümern derſelben und die geringe Wehrkraft ihrer Einwohner waren Lockmittel genug für ein ganzes Heer Die Welfer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ıc. 435 von Abenteurern aller Nationen, welche auf Seeraub ausliefen und ſich zunächſt in den weſtindiſchen Inſeln ſtationirten. Bald erſchallten Klagen über Klagen wegen der entſetzlichen Gewaltthaten dieſer gott— vergeſſenen Menſchen. Sie fingen die Einwohner des Feſtlandes von Amerika, ſchleppten fie als Sclaven fort, entvölkerten alle Küſten, und begingen die abſcheulichſten Räubereien. Man glaubte dem entgegen zu arbeiten, wenn man die Niederlaſſungen vermehrte, weil man hoffte, die Befehlshaber würden dann im Stande ſein, den frechen Raubzügen Einhalt zu thun. Am meiſten war die ganze Küſte von Venezuela die— ſen Räubereien ausgeſetzt. Deshalb bekam der königliche Factor Jo— hann von Ampuez Befehl, dort den Grund zu einer Stadt zu legen. Es war eine ſchwierige Aufgabe, denn er erhielt dazu nur 60 Mann, allein die Leute hatten Muth und guten Willen. Sie landeten zu Venezuela und fanden den Ort noch, wie ihn Alfons von Ojeda ver— laſſen hatte. Das Land umher wurde von den Einwohnern Koriana genannt. Ein mächtiger Kazike, Manaure, herrſchte daſelbſt über ſehr tapfere Indianer. Johann von Ampuez trug ihm ein Bündniß an, und fand ihn dazu geneigt. Jetzt wurde nun die neue Stadt ange— legt und erbaut. Man gab ihr den Namen Coro, und war genöthigt, Brunnen anzulegen. Die Stadt hatte zwei Häfen. Das ſehr ausge— dehnte Land war höchſt angenehm und bildete eine vortreffliche Pro— vinz, in deren Mitte der große See Maracaibo einen der größten und prächtigſten Meerbuſen darſtellte. Es machte den Spaniern wenig Mühe, ſich in den Beſitz des ſchönen Landes zu ſetzen, aber mitten in ſeinen Anſtrengungen wurde Johann von Ampuez genöthigt, den Platz Ausländern zu überlaſſen. Kaiſer Karl V. vermählte ſich nämlich im Jahre 1526 mit der portu— gieſiſchen Prinzeſſin Iſabella, König Emanuel's Tochter. Um dieſe und andere große Ausgaben zu beſtreiten, war er genöthigt, bei den über— reichen augsburgiſchen Kaufleuten, den Welſern, ein Anlehen zu machen. Auf ihren Vorſchlag verglich er ſich mit ihnen dahin, daß er ihnen für eine beſtimmte Summe Geldes die ganze Landſchaft Venezuela im Jahre 1528 als ein Erblehen überließ, denn das Land war ihnen als ein gönnen. überaus goldreiches gerühmt worden. Die Bedingungen, unter welchen ſie es erhielten, ſind merkwürdig genug, um ihnen hier eine Stelle zu 2 . > | 436 K. v. Klöden: Die Welſer ſollten das Land im Namen der Krone Caſtiliens vollends erobern und Alles einnehmen, was zwiſchen dem Cap La Vela, wo ſich die Statthalterſchaft St. Martha endigt, und dem Cap Maraca- pana liegt. Sie ſollten ſich auch aller Inſeln bemächtigen, die in dieſem Raume find, ausgenommen die Inſeln Curacao, Oruba (jetzt Aruba) und Bonayre, die Ampuez zu behalten hatte, und in der ganzen Strecke dieſes Landes zwei neue Wohnplätze und drei Schanzen erbauen, endlich zu dieſem Unternehmen wenigſtens 300 Mann anwerben. Sie ſollten 50 deutſche Bergleute ſchaffen und dieſelben in alle Provinzen verthei— len, in denen ſich Spanier in Indien niedergelaſſen hatten; alle dieſe Bedingungen waren innerhalb eines Jahres zu erfüllen. Der Kai— ſer verband ſich ſeinerſeits, das Amt eines Alguazil-Majors und Ade— lantaden unter den Welſern bei der Perſon und den Nachkommen des— jenigen erblich zu machen, den fie aus ihrer Familie dazu erwählen würden. Sie ſollten ferner 4 Prozent Gewinn von Allem haben, was man aus dem Lande ziehen würde, das fie eroberten; 400,000 Mara⸗ vedi's hatte der General und 200,000 Maravedi's der Lieutenant an Gehalt zu beziehen, dem ſie das Unternehmen auftrugen. Sie ſollten befreit fein von dem Zolle für die Einfuhr aller Lebensmittel, die fie aus Spanien kommen laſſen würden. Sie erhielten 12 Quadratmeilen Land, das ſie in ihrem Namen anbauen laſſen konnten. Pferde, Stu— ten und allerlei Vieh konnten ſie aus den Inſeln des Windes nehmen, nämlich aus den großen Antillen. Die Indianer durften ſie zu Scla— ven machen, wenn ſie ſich nicht gutwillig unterwürfen, und die ſchon Gefangene waren, konnten ſie taufen, dies jedoch nicht ohne Theilnahme der Miſſionarien und königlichen Beamten. Den Vierten von ihren Sclaven ſollten fie an die königlichen Gefälle bezahlen. Sechs Jahre lang ſollten fie eben das Recht haben, wie die Unterthanen der Krone Caſtilien, aus den Arſenälen von Sevilla alles das zu nehmen, was ihnen nöthig ſein würde, ſich auszurüſten. Endlich mußten ſie ſich allen Verordnungen unterwerfen, welche die neu eroberten Länder be— träfen. Weil ſich aber auf allen Seiten große Unordnung eingeſchlichen hatte, indem man Alles verhehlte, was man insgeheim an Gold oder foftbaren Waaren erhandelte, wodurch das Fünftel des Königs ſehr vermindert wurde, ſo hatten die königlichen Beamten die Macht, genaue Unterſuchungen anzuſtellen, und der Auditor zu St. Domingo erhielt Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ıc. 437 Befehl, zu verhindern, daß die Fahrzeuge der Inſeln und anderen Län- der ſeiner Gerichtsbarkeit Handel auf der Küſte von Venezuela trieben. Dieſer merkwürdige Contract giebt zu vielen Bemerkungen Ver— anlaſſung; namentlich erſcheinen die vom Gewinne der Unternehmung verheißenen 4 Procent bei einem Wagniß, das ſtete Lebensgefahr, un— ermeßliche Mühen und eine Menge von Menſchen erforderte, fo außer allem Verhältniß, und ſelbſt die Sclaven, die man erſt einfangen, dann ernähren und bewachen mußte, boten in einem unciviliſirten Lande ſo wenig Vortheile, daß dieſe beinahe illuſoriſch erſcheinen. Indeſſen war in jenen Zeiten das Papier noch geduldiger, als jetzt, die Controlle im fernen Lande über alle Maßen kläglich, und ein bewaffneter Haufe von mehr als 400 Europäern in Südamerika allmächtig; ängſtliche Ge— wiſſenhaftigkeit incommodirte Niemanden, am wenigſten die Conquiſta— doren, und vor den Augen des Kaiſers, in deſſen Reichen die Sonne nicht unterging, war es, wenn er nach Amerika ſah, nur zu oft Nacht. Die Welſer griffen nun ihre Unternehmung kräftig an. Ihnen galt es natürlich vor Allem, ein gutes Geſchäft zu machen, und dem— gemäß wählten ſie ihre Leute, lauter Deutſche, und rüſteten ſie beſtens aus. 400 Fußknechte und 80 Reiter wurden angeworben, zum Haupt— mann der ganzen Schaar wurde Ambroſius Alfinger ernannt, zu ſei— nem Lieutenant Bartholomäus Sailer n), und zu Anfang des Jahres 1529 langten unſere Deutſchen wohlbehalten zu Coro oder Venezuela an. Johann von Ampuez ſah ſich ſeiner Statthalterſchaft nicht ohne Verdruß beraubt und wurde auf die vorgedachten Inſeln Curagao, Oruba und Bonayre beſchränkt. Leider nahm er alle Wohlfahrt und alles Glück mit, welche die Provinz bis dahin genoſſen hatte, denn es begann nun eine traurige Zeit, in welcher ſich die Brutalität in ihrer abſcheulichſten Geſtalt offenbarte. Vor Allem ging man darauf aus, Gold zu bekommen, und durch die verhaßteſten Mittel, durch Peini— gungen aller Art wurden die unglücklichen Indianer gezwungen, es yerbeizufchaffen Der Kazike Manaure wurde nicht beſſer geachtet, als e er andere Indianer. Man legte ihn auf die Folter, und er ſollte ) Wahrſcheinlich ein Verwandter des Johann Seiler aus Bamberg, für welchen Johann Schöner aus Nürnberg 1520 eine Erdkugel von 3 Fuß Durchmeſſer anferti— en mußte (Irving, Columbus X — XII, 400), die noch jetzt in Nürnberg aufbe— rt wird. 438 K. v. Klöden: bekennen, wo er ſein Gold habe. Wahrſcheinlich wäre er ein Opfer der ſchrecklichen Marter geworden, wenn es ihm nicht gelungen wäre, zu entſpringen und in die Gebirge zu flüchten. Nun rückte Alfinger nach dem See Maracaibo in das Land der Axaguer, plünderte und mordete blutvürftig Alle, die ſich ihm widerſetzten, und verkaufte Tau— ſende in die Sclaverei, um Gold zu erhalten. Zur Entſchuldigung dieſer Greuel wurde angeführt, die Araguer ſeien Menſchenfreſſer, eine Beſchuldigung, deren Richtigkeit wir dahin geſtellt fein laſſen müſſen. Die Araguer waren Alfinger mit vielen Freudenbezeugungen, tanzend und mit reichen Geſchenken an Gold entgegen gegangen, er aber ver— ſchonte Niemanden. Einen großen Haufen derſelben jagte er in ein Haus, wo er die Unglücklichen in Stücke hauen ließ; eine Anzahl hatte ſich auf das Dach des Hauſes geflüchtet, er ließ das Haus anzünden und ſie ſämmtlich verbrennen. Nunmehr zog Alfinger mit ſeinem ſchon ziemlich geſchmolzenen Trupp, der durch ſtete Nachſendungen aus Europa kaum in der er— forderlichen Stärke zu erhalten war, zu den Pokabujern, weſtlich vom Maracaibo. Das Volk war friedlich, beſaß aber zu ſeinem Unglücke viel Gold. Da Alfinger's Truppe durch die härteften Strapazen und tau⸗ ſenderlei Mühſeligkeiten, ſowie durch den verzweiflungsvollen Widerſtand der Indianer gar ſehr abgenommen hatte, auch an Krankheiten litt, ſo blieb er hier eine Zeit lang ſtehen. Obſchon die Eingeborenen ihn ſehr freund— lich bewirthet und reichlich beſchenkt hatten, ließ er doch bei ſeinem Abzuge alle Männer, Frauen und Kinder, die er bekommen konnte, ergreifen, und in eine große mit einem hohen Staketenwerke umgebene Bucht ein— ſperren. Hier mußten ſie ſo lange Hunger und Durſt erleiden, bis ein Jeder ein großes Stück Gold aufgebracht hatte. Wer es nicht konnte, mußte vor Hunger und Durſt verſchmachten. Die Deutſchen zogen nun in das benachbarte Land der Alkohola— der, denen ſie viel Gold mit der erſinnlichſten Grauſamkeit abzwangen, und alle ihre Wohnungen verbrannten, ja fie verwüſteten das ganze blu gedüngte Land von Tamalameke bis an den Fluß Lebrixia und ſelbſt bis in die Statthalterſchaft St. Martha hinein mit Feuer und Schwert, überall blutige Fußtapfen zurücklaſſend. Unglücklicher Weiſe hatte ſich ein Gerücht verbreitet, dem Alfinger und ſeine Truppen nur zu gern N Glauben ſchenkten. Im Innern von Südamerika, hieß es, weit von L | | Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ꝛc. 439 dem Meere entfernt, liege an einem See ein ſo goldreiches Land, daß die Einwohner, die auch ſehr civiliſirt und kriegeriſch ſeien, nicht nur das Gold und das Silber ſtatt aller anderen Metalle gebrauchten, ſondern auch ihre Häuſer damit deckten und ſich vollſtändige Waffen— rüſtungen davon machten. Der Name dieſes Volkes ſei Omegas, und ſeine ſehr große, ſchön gebaute und reiche Hauptſtadt liege an dem vorgedachten See und umfaſſe den größten Theil der Einwohner des Landes. Der Urſprung dieſer weit verbreiteten Sage von dem Goldlande, von den Spaniern El Dorado genannt, iſt unbekannt. Sie ſoll ſüd— amerikaniſchen Urſprungs ſein, und es iſt wohl möglich, daß die In— dianer, welche die große Goldgier der Europäer mit Erſtaunen kennen lernten, dieſen das Mährchen aufbanden, um ſie nach dem Innern des Landes in unwirthbare, von den Küſten weit entfernte Gegenden zu locken, wo ſie von ihren Schiffen abgeſchnitten waren und leichter den Untergang finden mußten. Wie dem aber auch ſei, Alfingers Begierde war rege geworden, er wollte nach dem Goldlande hin und ſich des goldenen Hauſes, das daſelbſt vorhanden ſein ſollte, bemächtigen. Er machte ſich auf einen weiten Zug gefaßt und fing damit an, einen großen Vorrath von Lebensmitteln zu ſammeln. Der Transport der— ſelben machte ihm keine Schwierigkeit. Er ließ eine große Menge In— dianer zuſammentreiben und ſie in derſelben Weiſe feſſeln, wie man die Galeerenſclaven feſſelt. Ein Jeder hatte außer ſeiner Kette am Halſe noch eine Laſt zu tragen, welche einem Mauleſel zu ſchwer ge— weſen ſein würde. Der größte Theil dieſer Unglücklichen kam vor Kummer und Entkräftung um. Sank einer von ihnen unter ſeiner Laſt nieder, ſo hielt man ſich nicht damit auf, ihm die Kette vom Halſe zu nehmen. Man half ſich auf ſchnellere Weiſe und ſchlug ihm den Kopf ab. Es iſt entſetzlich, wenn das Thier im Menſchen entfeſſelt wird, und die Habſucht mit grimmigen Krallen ſeine Begierden ſtachelt. Veergebens aber waren alle Anſtrengungen Alfingers, das goldene Haus ließ ſich nicht erblicken. Er erkannte, daß er einem Schattenbilde nach— jage. Alfinger wurde bei vielen Gelegenheiten geſchlagen, und die Hälfte von den Deutſchen, welche den vergifteten Pfeilen entgingen, ſtarb ſchon nach wenigen Monaten an den übermäßigen Mühen und Beſchwerden, ſo daß, wenn die Welſer nicht fortwährend neue Rekruten 440 K. v. Klöden: nachgeſchickt hätten, der ganze Haufen ſchon längſt vernichtet worden wäre. Drei Jahre hatte dieſe ſchändliche Wirthſchaft bereits gedauert, und noch war nicht daran gedacht worden, einen von den beiden Plätzen zu erbauen, wozu man ſich doch anheiſchig gemacht hatte. Auch für die Bekehrung der Indianer ſollte geſorgt werden, und zu dem Ende war dem Zuge eine Anzahl Dominikaner zugeſellt worden. Weil aber die Deutſchen ſich ſämmtlich der neuen lutheriſchen Lehre zugewendet hatten, ſo kümmerten ſie ſich wenig um die Dominikaner, und dieſe vermochten ohne ihre Unterſtützung nichts. Ein neuer Zug, den Alfinger anführte, ging ſüdwärts ein hohes Gebirge hinauf, das die Europäer noch nicht betreten hatten. Sie fanden die Luft hier ſehr kalt und ſtießen zugleich auf eine Völker— ſchaft, welche ſich ſehr tapfer wehrte. Alfinger ſelber wurde gefährlich verwundet. Man brachte ihn zwar nach Coro, allein er ſtarb an die— ſer Verwundung im Jahre 1532. Nach ſeinem Tode fiel das Com— mando an ſeinen Lieutenant Bartholomäus Sailer, doch konnte dieſer ſich deſſelben nicht lange erfreuen, denn er folgte nach kurzer Zeit ſei— nem Vorgänger im Tode nach. Die Welſer ſcheinen bei der Unternehmung nicht die goldenen Früchte gefunden zu haben, welche ſie ſich verſprachen, denn ſie ließen die Stellen der Befehlshaber mehrere Jahre unbeſetzt, und ſchickten auch keine neuen Truppenſendungen. Da die Provinz Venezuela faſt ganz vom Volke entblößt war, glaubte die königliche Audiencia, ſie müßte wenigſtens unterdeſſen einen Befehlshaber ſo lange dazu ernen— nen, bis der Kaiſer anderen Befehl überſenden würde. Ihre Wahl traf den Johann von Carvajal. Derſelbe erhielt den Befehl, nach Coro zu gehen und ſich die Wiederherſtellung der dortigen Zuſtände angelegen ſein zu laſſen. Niemand war dazu weniger geeignet als er, dagegen kaum einer fähiger, das Gegentheil zu bewirken. Vielleicht hat es nie einen böſeren Menſchen gegeben. Seine Ausſchweifungen machten ſo— gar, daß man die der Deutſchen vergaß, und von allen Seiten erhoben ſich laute Klagen über ſein empörendes Verfahren. Carvajal's Grau— ſamkeit entvölkerte die ganze Küſte von Venezuela, eine der frucht— barſten und volkreichſten der Erde. Endlich ſandten die Welſer im Jahre 1534 wieder einen Statt— Die Welfer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ıc. 441 halter nach Venezuela, den Johann Alemann, deſſen Stellung gegen den Johann von Carvajal, wie es ſcheint, ganz unentſchieden blieb. Ehe ſich dies Verhältniß regelte, ſtarb Alemann nach kurzer Zeit, und abermals mußten die Welſer an eine Beſetzung des Poſtens denken. Sie wählten diesmal einen verſuchten deutſchen Kriegsmann, den Jorg oder Georg von Speier, und gaben ihm den Nicolaus Federmann zur Hülfe und Begleitung mit. Georg von Speier wurde als Gou— verneur nach Venezuela geſchickt, während Johann von Carvajal noch im alten Verhältniß geblieben zu ſein ſcheint, und in ſeinen Gewalt— thätigkeiten fortfuhr. Es geſchah dies im Jahre 1535. Nicolaus Fe— dermann ging ſogleich an das Werk, bei dem Vorgebirge Vela eine Stadt zu erbauen, gab aber den Plan mannigfacher Hinderniſſe wegen wieder auf. Unterdeſſen hatte die Nachricht von dem berühmten Goldlande im Innern von Südamerika auch unſere Deutſchen erreicht, und ihre Be— gierde lebhaft rege gemacht. Noch verwegener als die Spanier, tra— fen ſie alle Anſtalten, ſich dahin zu begeben und daſſelbe auszuplündern. Mit 400 Mann trat Jörg von Speier einen Raubzug in das Innere des Landes an, von dem uns nur wenige Nachrichten erhalten ſind, obgleich er 5 Jahre lang dauerte, ſich weit erſtreckte und an Abenteuern aller Art reich war; nur ein trauriger Reſt von 80 Mann kehrte aus demſelben zurück. Nicolaus Federmann hatte ſich von Georg von Speier getrennt und beſtand ſeine Abenteuer auf eigene Hand, denn keiner von ihnen wollte ſich dem Andern unterordnen, und ſo war des Haders zwiſchen ihnen kein Ende. Wir bedauern, darüber ohne Nach— richten zu ſein. Zwar hat Federmann die Geſchichte ſeiner Reiſe drucken laſſen, dies Buch iſt aber eine außerordentliche Seltenheit und, wie es ſcheint, nur noch in einem einzigen Exemplare vorhanden, welches ſich früher in der Kloſterbibliothek zu den Mengen in Ulm befand und jetzt wahrſcheinlich der königlichen Centralbibliothek in München angehört. Der Titel des Buches iſt: Indianiſche Hiſtoria; eine ſchöne kurzwei— lige Hiſtoria Nicolaus Federmanns des Jüngern von Ulm erſter raiſe, jo er von Hiſpania und Andaloſia aus in Indias des Oceaniſchen oͤrs gethan hat, und was ihm allda begegnet bis auf fein Wieder— kunft in Hiſpanien, aufs kurzeſt beſchrieben, ganz luſtig zu leſen. 1557. 4. Am Ende fteht: Getruckt zu Hagenaw bey Siegmund Bund. Die 442 K. v. Klöden: Beſchreibung wurde nach Federmann's Tode von Hans Kifhaber her— ausgegeben. Sie iſt 63 Blätter ſtark. Da es mir nicht möglich ge— weſen iſt, das Buch zu benutzen, ſo kann ich von dem Inhalte nichts mittheilen. Da Georg von Speier den Welſern vielleicht nicht tüchtig genug erſchien, ſo entſchloſſen ſie ſich, die Sache dadurch zu fördern und das berühmte Goldland El Dorado endlich entdecken zu laſſen, daß fie eine neue Expedition ausrüſteten und der noch abweſenden zu Hülfe ſchick— ten. Wie wichtig es ſei, einen tüchtigen Befehlshaber an die Spitze zu ſtellen, war ihnen deutlich geworden, und ſorgfältiger als früher verfuhren ſie diesmal in ihrer Wahl. Es gelang ihnen, den gewünſch— ten Mann für ihre Pläne zu gewinnen und mit ihm einig zu werden. Dies war der kaiſerliche Kriegsobriſte Ritter Philipp von Hutten, Bruder des Biſchofs Moritz von Hutten zu Eichſtedt. Er gehörte mit dem berühmten Ulrich von Hutten demſelben Geſchlechte an, aber waͤh— rend dieſer der Steckelberg'ſchen Linie ſich zuzählte, gehörte jener der Frankenberg'ſchen an. Er wurde als Gouverneur-Lieutenant und Mi- litair-Commandant von Venezuela nach Amerika geſandt, war alſo dem Georg von Speier untergeordnet. Biederherzig, ritterlich, kühn und unerſchrocken, ſcheint Ruhmbegierde und Luft an gefährlichen Aben— teuern ihn allein vermocht zu haben, den gefährlichen Poſten zu über- nehmen. Wenngleich ein Sohn ſeiner harten Zeit, war er doch weni⸗ ger goldgierig, grauſam und hartherzig, als ſeine Vorgänger, und die Abenteuer dieſes edlen deutſchen Rittersmannes gewinnen für uns da— durch ein doppeltes Intereſſe. Iſt es doch, als ob das deutſche Herz dem deutſchen leichter nachempfinden könnte, was es in Sorge, Noth, Angſt, Furcht, Hoffnung und Glück bewegte, als irgend einem fremden. Im Jahre 1535 ging Philipp von Hutten mit 130 Mann nach Amerika, und begab ſich nach Coro, dem damaligen Hauptorte in der Provinz Venezuela, — oder, wie fie Hutten nennt, Veneſela, auch Ver nezola, am Meere Oceano gelegen, — wo er mit Jörg von Speier ſich vereinigte, der gleich nachher ſeinen großen Zug antrat. Den Fe— dermann ſuchte er auf und wünſchte, ihn kennen zu lernen; er nennt ihn einen ſehr geſchickten Geſellen, konnte aber nicht mit ihm zuſammen⸗ treffen. Unterdeſſen ſpielte Carvajal feine angemaßte Rolle fort und ließ ſich in ſeinem Gebahren nicht irre machen. Er hatte die Herr— Die Welfer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ıc. 443 ſchaft zwar rechtmaͤßig erhalten, ſetzte ſie aber als Uſurpator fort, und trieb es ärger denn je. Schon im Jahre 1532 war ein Biſchof für Coro ernannt, und 1536 ſchlug derſelbe wirklich feinen Sitz daſelbſt auf. Er Hätte vor Allem die Pflicht gehabt, ſich der unglücklichen Unterdrückten anzunehmen, ſich der brutalen Gewalt entgegen zu ſtellen, es nicht zu dulden, daß alle Pflichten der Menſchlichkeit mit Füßen getreten würden und der ſchänd— lichſte Golddurſt aus dem Plündern und dem Menſchenverkauf eine Erwerbsquelle machte. Leider aber fand er, wie Andere, dies ganz in der Ordnung, ja er betheiligte ſich ſogar bei dem Gewinn. Unſer Ritter Philipp von Hutten machte den ganzen gefahrvollen und überaus mühſeligen Zug des Georg von Speier mit, der nach Sü— den gerichtet war und den Zweck hatte, das Goldland, den großen See und das Volk der Omegas aufzufinden. Er war hierbei dem Georg von Speyer untergeordnet. Der Zug ging weit in das Land hinein und verbreitete viel Jammer und Elend. Man ſchlug ſich unabläſſig mit den Indianern, war in dem wilden unwirthbaren Lande auf ſteten Märchen, nährte ſich nur von wilden Früchten und dem ſpärlichen Ertrage der Jagd, hatte mit Krankheiten und dem Ungemach der Wit— terung zu kämpfen, beſonders während der langen Regenzeit, verlor viele Menſchen und gewann wenig Gold, denn das geprieſene Eldo— rado, von dem alle Indianer Amerika's zu erzählen wußten, glich der Sage von der goldenen Zeit; alle Völker ſprachen davon, aber Nie— mand wußte, wann ſie vorhanden geweſen ſei. Mit dem unerſchrockenſten Muthe, großer Tapferkeit und einer Beharrlichkeit, die eines beſſeren Zweckes und Erfolges werth geweſen wäre, hatten Georg von Speier, Ritter Philipp von Hutten und deren Leute die ungeheuerſten Mühſeligkeiten, Beſchwerlichkeiten und Gefahren vier Jahre lang ertragen, die 400 mitgenommenen Deutſchen waren bis auf 80 geſchmolzen; da war man genöthigt, das Suchen nach dem Goldlande aufzugeben und nach Coro zurückzukehren. Im Jahre 1539 kamen ſie mit ihrem kleinen Häuflein dort an; Jörg von Speier hatte keine Luſt, dies Leben fortzuſetzen, er reiſete im nächſten Jahre 1540 nach St. Domingo, wo er bald nachher ſtarb. Nunmehr war unſer Ritter der natürliche Nachfolger ſeines Vor— gängers im Ober-Commando, ja er hätte nach den ſtipulirten Bedin— 444 K. v. Klöden: gungen den Titel und die Würde des Adelantado oder Statthalters erhalten müſſen. Statt deſſen aber ernannte zu aller Erſtaunen die Audienzia von St. Domingo den Biſchof von Coro, Namens Baſtidas, zum Civil-Gouverneur von Venezuela und ließ dem Philipp von Hut— ten nur die Würde eines Militair-Gouverneurs. Dies geſchah 1540. Unſer Biſchof glaubte den Antritt ſeiner Regierung durch eine mög— lichſt ſchaͤndliche und empörende Unternehmung bezeichnen zu müffen, welche gegen die unglücklichen Indianer am Maracaibo-See veranſtaltet wurde. Ein gewiſſer Pedro Limpias, von dem noch weiter die Rede ſein wird, war der Befehlshaber derſelben, und die Beute, die man dadurch ge— wann, beſtand in einer unbeträchtlichen Summe Goldes und in 500 Indianern, die auf der Stelle als Sclaven verkauft wurden. Sclaven— händler hatten ſich längs der ganzen Küſte etablirt. Ritter Philipp von Hutten ſcheint mit dem Gange der öffentlichen Angelegenheiten, ſeiner Lage und ſeinem Gewinne wenig zufrieden ge— weſen zu ſein. Im Jahre 1538 war er einmal nach Coro zurückge— kehrt, aber alsdann mit Georg wieder weiter gezogen. Auf dieſem Zuge führte er ein Tagebuch, das von 1538 bis 1541 reicht, und uns er— halten iſt. Meuſel, der es von dem Ritterhauptmann Karl Friedrich Reinhard von Gemmingen erhalten, hat daſſelbe in ſeinem hiſtoriſch— literariſchen Magazin Thl. I, S. 51 bis 117 abdrucken laſſen, unter dem Titel: Zeitung aus Indien. Es iſt freilich nur kurz und dürftig, denn es ſind Aufzeichnungen auf der Reiſe unter Gefahren und Mühen aller Art niedergeſchrieben und wenig mehr enthaltend, als die ſehr vielſilbigen Namen der indiſchen Berge, Flüſſe und Ortſchaften, auf welche er mit ſeinem Heerhaufen ſtieß, wahrſcheinlich wie er ſie aus— ſprechen hörte. In Form eines Briefes ſchickte er dieſes Tagebuch am 20. October nach Deutſchland. Unter dem 16. Januar 1540 ſchreibt er: „Ich habe jetzt länger denn fünff Jahr im Land unnutzlich verzehrt.“ Dieſe Aeußerung zeigt, daß er mit den Erfolgen ſeines Thuns unzufrieden war. Wahrſcheinlich waren ſeine Dienſte ihrem Werthe nach weder genügend anerkannt, noch belohnt. Letzteres dürfte indeſſen nicht vom Geldgewinn zu verſtehen ſein, denn er ſagt an einer ande— ren Stelle: „Weiß Gott, kein Geiz Gelds hat mich bewegt, dieſe Reiſe zu thun!“ Schwerlich konnte er übrigens mit der ihm angewieſenen Stellung zufrieden ſein, denn der Biſchof Baſtidas, wie der Uſurpa— ; Die Welfer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela dc. 445 tor Carvajal, wenigſtens eben ſo mächtig als er, arbeiteten ihm ent— gegen. Indeſſen glaubte Philipp von Hutten ſeiner Pflicht als Capitano generale gegen die Welſer Genüge leiſten zu müſſen, und trat 1541 an die Spitze eines neuen Zuges. Er hatte erfahren, daß Queſada von Santa Fé aus mit 250 Mann und einer Anzahl Reiter auf die Entdeckung und Eroberung von El Dorado ausgegangen ſei. Dieſe Nachricht entflammte von Neuem ſeinen Unternehmungsgeiſt. Eine ſolche Expedition — ſchloß er ganz vernünftig — würde man nicht ausgeſandt und gewiſſermaßen preisgegeben haben, wenn man nicht ganz zuverläſſige Nachrichten von der Exiſtenz des geprieſenen Gold— landes eingezogen und erhalten hätte. Er hielt es daher für rathſam, dem Queſada entgegen zu ziehen und ſich mit ihm zu vereinigen. Zwar war es möglich, daß er zur Entdeckung zu ſpät kam, aber bei der Er— oberung konnte feine Hülfe von Nutzen fein, und er dadurch wenigſtens Theil an den Reichthümern dieſes Landes nehmen. Hätte er freilich gewußt, daß Queſada, von den großen Beſchwerlichkeiten des Marſches entkräftet, genöthigt geweſen war, mit großem Verluſte ſich nach Po— payan zurückzuziehen, ſo würde er wohl den Gedanken aufgegeben haben, ſeinem Wege zu folgen. Nach vielen ausgeftandenen Muͤhſeligkeiten und Beſchwerden kam man nach etwa 8 Monaten zu einem indianiſchen Völkerſtamm, wo Ritter Philipp auf eingezogene Erkundigungen von einem der Vornehm— ſten des Volks erfuhr, daß er ſich in der Landſchaft Papamene beſinde, und daß der von ihm eingeſchlagene Weg nur durch wüfte und unbe— wohnte Gegenden führe, in denen er mit den Seinigen nothwendig vor Hunger umkommen müßte. Dagegen verſicherte der Indianer, er wolle ihn, wenn er es wünſche, in ein Land führen, in welchem Gold und Silber im größten Ueberfluß vorhanden wären. Zugleich zeigte er einige goldene Aepfel und andere Kleinigkeiten vor, welche angeblich ſein Bruder erſt kürzlich aus dieſem Lande mitgebracht hatte. Man brauche nur immer öſtlich bis zum Fluſſe Guaguave (jetzt Quaviari) zu gehen, ſo erreiche man das Land. Ritter Philipp von Hutten mißtrauete dem Indianer, wie ſeinem Berichte, und allerdings konnte ein unbedingtes Vertrauen ſehr ſchlecht angebracht ſein. Ihm ſchien es rathſamer zu ſein, auf dem bisher be— 446 K. v. Klöden: tretenen Wege den Spuren des Queſada zu folgen, und er nahm den Indianer nur als Führer auf dieſem Wege mit. Nachdem man auf demſelben wieder acht Tagereiſen unter großen Entbehrungen und Mühen zurückgelegt hatte, und der Führer gewahr wurde, daß keine Beſchwerlichkeiten und keine Noth den Hutten von dem einmal gefaßten Vorſatz abbringen konnten, entwich er in der dunklen Nacht und kehrte zu den Seinen zurück. Die Entweichung des Wegweiſers, die immer beſchwerlicher wer— denden Wege und der ſteigende Mangel ſchlugen den Muth der Truppe völlig nieder. Alle Soldaten bedauerten, dem Rathe des Führers nicht gefolgt zu ſein, ſie murreten laut, beſtanden auf die Umkehr, und es drohte eine Meuterei auszubrechen. Allein Ritter Philipp verlor, ob— gleich im wilden fremden Lande auf ſich ſelbſt beſchränkt, weder den Muth, noch ſeine Entſchloſſenheit. Mit eiſernem Sinn und großer Feſtigkeit beharrete er bei ſeinem Beſchluß, und ſeine Soldaten fügten ſich ſeinen Anordnungen. Mehrere Tage nachher erblickten ſie in der Ferne einen Berg, welcher ganz dem ähnlich zu ſein ſchien, an deſſen Fuße der Beſchrei— bung nach die Stadt El Dorado liegen ſollte. Eine große Freude be— mächtigte ſich der Deutſchen, und wie einſt die Kreuzfahrer ſehnſuchts— voll und hocherfreut die Zinnen der heiligen Stadt erblickten, ſo malte ſich Freude und Vergnügen in den Geſichtern unſerer Krieger, die man wohl auch Kreuzfahrer nennen konnte, denn Kreuz und Elend wartete ihrer genug. Man eilte, den Berg zu erreichen, man mühete ſich, ihn zu erſteigen, aber als man oben war, fand man ſich in ſeinen Hoff— nungen betrogen. Es war die Spitze, welche ſpäter Los Pardaos ge— nannt wurde. Unglücklicher Weiſe begann mit der Erſteigung des Berges die Regenzeit, welche in dieſen Gegenden mit geringer Unter— brechung ſechs Monate lang, vom Juni bis November, dauert, und bekanntlich ſchütten die tropiſchen Regen eine unermeßliche Menge Waſſer herab. Während dieſer Zeit war an eine Fortſetzung der Reiſe nicht zu denken, unſer Ritter mußte mit ſeinen Leuten die Regenzeit dort abwarten, wo er ſich befand, und alle Qualen des ſchrecklichſten Hungers erdulden. Ameiſen und Schlangen waren dieſe Zeit hindurch ihre vorzüglichſten Nahrungsmittel. Sehr viele von den Leuten ſtarben Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ꝛc. 447 eines elenden Todes, die ubrigen verloren alle Haare, die Nägel und die Augenbraunen. Als die Regenzeit ihrem Ende nahete und die Leute ſich einiger— maßen wieder erholt hatten, wozu keine kleine Zeit gehörte, machte ſich Ritter Philipp auf den Rückweg nach Coro, denn der Reſt ſeiner Leute bedurfte einer gründlichen Erholung. Er kam aber nicht dahin, ſon— dern verweilte in dem Dorfe Nueſtra Señora de la Fagoa, bis die Regenzeit vollends vorüber war. Während nun ſeine Leute von den überſtandenen Muͤhſeligkeiten Hund Leiden ausruhten und ſich dem Gedanken überließen, bald in Coro dafür entſchädigt zu werden, dachte Ritter Philipp, den alle dieſe Schwie— rigkeiten nur noch mehr aufgereizt hatten, auf neue Verſuche, ſein Ziel zu erreichen und das geſuchte Glück endlich zu erjagen. Durch unab— läſſiges Nachforſchen bei den Indianern brachte er endlich fo viel her— aus, daß der indianifche Häuptling ihm die Wahrheit geſagt habe, und alle Nachrichten ſtimmten darin überein, daß im Innern von Süd— Amerika ein Land von den Omegarro bewohnt werde, welches das reichſte von allen Ländern wäre. Die Einwohner aber ſeien ungemein zahlreich, grimmig und kriegeriſch, weit mehr als alle andern. Einige Indianer nannten dieſes Volk Icaguer, in der Angabe der Lage ſtimm— ten ſie mit einander überein. Dies genügte, um den Muth unſeres Abenteurers aufs Höchſte zu entflammen, und ſeine Begierde, dies Land zu erreichen, aufzuſtacheln. Die Gefahren, die Mühen und Entbehrungen kamen gar nicht in An— ſchlag; war doch Ausſicht vorhanden, das Alles reichlich zu vergüten. Sobald es thunlich war, nahm er ſeine Leute zuſammen und brach mit ihnen nach der Gegend auf, welche der einzige Gegenſtand aller ſeiner Wuͤnſche und Hoffnungen geworden war. Die Zahl ſeiner Leute war bis auf 40 Mann geſchmolzen, und gewiß gehörte ein tollkühner Muth dazu, um mit einer ſolchen Hand voll Menſchen Gegenden und Länder zu bekriegen, die ſehr bevölkert und, wie die Sage wenigſtens berichtete, von kriegeriſchen und grimmigen Stämmen bewohnt waren. Philipp von Hutten trat feinen Zug an; Indianer boten ſich ihm u Wegweiſern an und hielten ehrlich Wort, denn fie führten ihn an n Fluß Guaguave. Ueberhaupt zeigt ſich, daß er ihre Freundſchaft 448 K. v. Klöden: zu erwerben wußte, ein Beweis, daß er ſie menſchlich behandelte, was ihm zu großer Ehre gereicht. Auf ziemlich bequemen Wegen kam er bei dem Fluſſe an und zog dann ſeine Erkundigungen ein. Die Ein— geborenen berichteten ihm, daß er durch den auf der anderen Seite des Fluſſes gelegenen Ort Makatoa hindurch müſſe, aber ohne Kahn nicht hinüberkommen könne. Er gab daher einem von den Indianern den Auftrag, über den Fluß zu ſetzen und den Einwohnern des Orts anzuzeigen: er ſei hier mit 40 Mann in der Abſicht, in entfernte Län— der zu ziehen; er bäte um freien Durchzug und um ihre Freundſchaft, wogegen er ihnen die ſeinige anbieten laſſe. Der Indianer entſprach dem in ihn geſetzten Vertrauen vollkom— men, und ſchon am andern Morgen kam der Sohn des dortigen Ka— ziken mit der erforderlichen Anzahl von Kähnen, um Philipp mit ſeinen Leuten über den Fluß zu holen. Ihnen wurde ebenfalls Freundſchaft, Gaſtfreiheit und Unterſtützung angeboten und von ihnen dankbar an— genommen. Philipp begab ſich mit den Seinigen zu dem Kaziken von Makatoa. Sie wurden von dieſem Volke auf das freundſchaftlichſte und wohlwollendſte aufgenommen und behandelt und es kam zwiſchen ihnen zu einer innigen Verbindung. Als der ſehr gutmüthige Kazike von dem Zwecke der Reiſe ſeiner europäiſchen Gäſte Kenntniß erhielt, ver— ſicherte er ihnen, daß das Land der Omegaer wirklich ſehr reich an Gold und Silber ſei, daß es aber auch ſehr ſtark, und zwar von einem ſo kriegeriſchen Volke bewohnt wäre, daß es ein unkluges, tolles, ganz unausführbares Unternehmen ſei, mit ſo wenigen Leuten einen Verſuch gegen daſſelbe zu wagen. Unſer Hutten ließ ſich durch dieſe Vor- ſtellungen nicht ſchrecken. Eine Schwierigkeit war ihm nichts, als eine“ Aufforderung, ſie zu beſiegen. Er war von ſeinem Vorſatze nicht ab— zubringen und beftand auf die Ausführung deſſelben. Als der Kazife ihn unbeweglich fand und ſeine Vorſtellungen als vergebens erkannte, gab er ihm Wegweiſer mit, um ihn zu dem nächſten, von Makatoa neun Tagereiſen entfernten Dorfe zu geleiten, und Empfehlungen an den Kaziken deſſelben, der ſein Freund war. Man legte den Marſch ohne viele Beſchwerlichkeiten zurück, da die Wege gebahnt und ziemlich gut waren. Der Kazike, zu welchem unſere Abenteurer jetzt gelangten, empfing E fie mit allen Beweiſen von Leutfeligfeit und Vergnügen und bezeugte Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ꝛc. 449 ihnen das größte Wohlwollen. Aber auch er ſuchte dem Philipp die Tollkühnheit ſeines Unternehmens begreiflich zu machen. Auch er be— ſtätigte, daß Alles wahr ſei, was man ihm von den Omegas, ihrem Reichthum und ihrer Macht erzählt habe. Aber er meinte, man habe ihm wahrſcheinlich die Stärke, die höhere Geiſtesbildung und die großen Einſichten dieſes Volkes verſchwiegen, welches noch nie von einem an— deren Volke mit irgend einem Erfolge angegriffen worden ſei; folglich ſei es lächerlich und gegen den gefunden Menſchenverſtand, es nur für möglich zu halten, daß man mit 40 Mann, und wenn ſie auch wahre Löwen wären, ein Land erobern könne, das von Leuten vertheidigt werde, welche ſich ſowohl durch ihre große Zahl, als auch durch ihre Kriegskunſt furchtbar gemacht hätten. Gewiß waren dieſe Vorſtellungen ſehr vernünftig, allein ſie machten auf Ritter Philipp keinen Eindruck. Zu feſt ſtand in ihm der Entſchluß, es koſte was es wolle, dem Ziele — . dee en ei Fee nachzuſtreben. Da der Kazike feine unbeugſame Halsſtarrigkeit ſah, fo berichtete er ihm weiter, daß das Land, welches aufzuſuchen ſein Un— ſtern ihn verleite, fünf Tagereiſen von dem Dorfe entfernt ſei, und daß er verſpreche, ihn ſelbſt dahin zu führen und ihn nicht eher zu ver— laſſen, als bis er ihm das Land gezeigt hätte. Er verſicherte ſogar, er würde ſelbſt jede Gefahr mit ihm theilen, wenn er nicht wüßte, daß er dadurch die Sicherheit und die Exiſtenz ſeines eigenen Volkes auf das Spiel ſetzte. Aber er bat zugleich den Anführer und ſeine Gefährten inſtändig, im Falle eines unglücklichen Ausganges, und wenn Einer oder der Andere von ihnen der unvermeidlichen Todesgefahr entrönne, ſich wohl zu erinnern, wie dringend er ſie vor einer Unternehmung gewarnt habe, bei welcher fie, wie er feſt überzeugt ſei, dem gewiſſen Untergange entgegen gingen. Man hörte ſeine Vorſtellungen kalt und gleichgültig an und ſprach nur von der Abreiſe; der wohlmeinende Kazike wurde als Wegweiſer mitgenommen. Nachdem man fünf Tagemärſche gemacht hatte, kam man an den Abhang eines Berges, von welchem man 4 bis 5 einzelne Hütten er— blickte, die mit großen Strecken gut angebauter Felder umgeben waren. Weiterhin in einem reizenden Thale lag eine ſo unermeßlich große Stadt, daß man ſie nicht ganz überſehen konnte. Die Straßen ſchienen voll— kommen gerade zu ſein, die Häuſer dicht neben einander zu ſtehen und gut gebaut zu fein. Jetzt, ſagte der Kazike, habe ich mein Verſprechen Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 29 450 K. v. Klöden: erfüllt, euch die Hauptſtadt der Omegaer zu zeigen. Du ſiehſt hier das berühmte Land vor dir, nach deſſen Reichthümern die Deutſchen ſo lüſtern ſind. Das große Gebäude, welches in der Mitte der Stadt hervorragt, iſt die Wohnung des Oberhauptes und der Tempel vieler Götter. Die Volksmenge dieſer Stadt iſt unermeßlich groß und die darin herrſchende Ordnung bewundernswürdig. Die einzelnen rings um die Stadt zerſtreueten Häuſer, ſind die Wohnungen derjenigen Ome— gaer, welche auf Befehl des Oberhauptes Lebensmittel für die Stadt bauen müſſen, während die übrigen ſich ganz allein mit dem Kriegs— weſen beſchäftigen und ſich beſtändig in den Waffen üben. Du ſiehſt mit eigenen Augen, wie mächtig das Land iſt, deſſen Eroberung du dir vorgenommen haft, und du kannſt dich ſelbſt von der Verwegenheit eures Vorhabens überzeugen. Beſtehſt du aber dennoch darauf, den Verſuch zu wagen, ſo bleibt mir nichts anderes übrig, als nach Hauſe zurückzukehren und die Götter anzuflehen, euch in Schutz zu nehmen, ſo vergeblich dies auch ſein wird. — Auch dieſe Rede des Kaziken machte keinen Eindruck; fie nahmen von ihm Abſchied und marfchirten auf die Stadt los. b Als unſere Deutſchen ſich den Landhäuſern näherten, welche ſie vom Berge aus geſehen hatten, begegneten fie einigen von den India- nern, welche ſich mit dem Ackerbau beſchäftigten, und die bei dem An— blick der weißen, bärtigen und fremdartig bekleideten Europäer heftig erſchracken und davon liefen. Man ſetzte ihnen vergebens nach; nur Ritter Philipp erhaſchte einen von ihnen zu feinem Unglück, denn als ſich der Indianer überzeugte, daß er nicht mehr entrinnen könne, ſuchte er ſich durch einen Lanzenwurf von ſeinem Gegner zu befreien, der dieſen ſehr ſchwer zwiſchen den Rippen verwundete. Ehe noch eine Stunde verfloß, hörte man ſchon in der Stadt von allen Seiten einen gewaltigen Lärm von Trommeln und ein heftiges Getöſe von anderen Kriegswerkzeugen, zugleich aber ein fürchterliches Geſchrei. Zum Glück für die Deutſchen brach die Nacht raſch ein, die dort nur durch eine kurze Dämmerung vermittelt wird, und begünſtigte den Rückzug. Sie brachten die Nacht auf dem Gipfel des Berges zu, wohin Philipp von Hutten in einer Hängematte getragen wurde. Bei dem Anbruch des folgenden Tages erſchien eine Armee von 15,000 Omegaern, welche aus der Stadt zog, um die Deutſchen an— Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ꝛc. 451 zugreifen. Dieſe, obgleich ihrer nur noch 39 waren, welche die Waffen führen konnten, weil Philipp von Hutten verwundet dalag, ruͤſteten ſich unter dem Befehl des Oberſten Limpias zum Gefechte. Vielleicht war nie ein Kampf in Bezug auf die Stärke der beiden Parteien un— gleicher, als dieſer, und nie war einer ſo wenig nachtheilig fuͤr die ge— ringere Zahl. Die Deutſchen entwickelten eine Tapferkeit, die über alle Vorſtellung ging. Keiner von ihnen wurde getödtet, ſie ſchlugen die Omegaer ſiegreich zurück, und das Schlachtfeld war mit den Leichen derſelben ganz bedeckt. Es muß nothwendig fabelhaft erſcheinen, daß 39 Europäer 15,000 Indianer geſchlagen haben ſollen, und man könnte wohl glauben, durch dieſe alten Nachrichten würden manche neueren Siegesberichte noch weit übertroffen. Dennoch aber iſt es gewiß, daß eine Handvoll Eu— ropäer die mächtigſten amerikaniſchen Reiche erobert hat. Eine Anzahl von 120 Mann, die auf drei unbedeutenden Fahrzeugen aus Europa nach dem noch gänzlich unbekannten Amerika abſegelte und auf der von 1,500,000 Karaiben bewohnten Inſel St. Domingo landete, nahm dieſelbe im Namen des Königs von Spanien in Beſitz, legte Feſtungs— werke darauf an und unterwarf nicht nur die ganze Inſel, ſondern rottete auch die Ureinwohner derſelben ganz aus. Cortez wagte mit 508 Soldaten und 109 Matroſen und Handwerksleuten, wovon in Allem nur 45 Mann mit Schießgewehren bewaffnet waren, ein Land anzugreifen, das von 6 Millionen cultivirter und kriegeriſcher Einwoh— ner vertheidigt ward, und es gelang ihm, daſſelbe unter ſeine Bot— mäßigkeit zu bringen. Pizarro eroberte das ganze unermeßliche Reich Peru mit 180 Spaniern. Dies ſind hiſtoriſch vollkommen beglaubigte Thatſachen und laſſen den Bericht von dem Treffen mit den Omega's weniger unglaubwürdig erſcheinen. Begreiflicher wird die Sache, wenn man bedenkt, daß die Amerikaner ſich ohne alle Schutzwaffen nackt und bloß ihren ſchwer bewaffneten Feinden gegenüberſtellen mußten, daß ſie weder Eiſen noch Stahl kannten, kein Feuergewehr beſaßen und mit allen taktiſchen Vortheilen unbekannt waren. Lanzen, Bogen und Pfeil waren ihre einzigen Waffen, mit denen fie europäiſcher Kriegskunſt nur im allergeringſten Maße widerſtehen konnten. Ungeachtet unſere Deutſchen einen glänzenden Sieg erfochten hat— ten, ſahen ſie doch ein, daß die Eroberung dieſes Landes nur durch 23? 452 K. v. Klöden: eine weit ſtärkere Anzahl von Truppen möglich ſein würde. Sie ga— ben daher für jetzt weitere Verſuche auf und kehrten zu dem Kaziken zurück, der ihnen zum Wegweiſer gedient hatte, und der ſeinen Augen kaum traute, als er ſie wieder ſah. Hier hielten ſie ſich ſo lange auf, bis Philipp von Hutten von ſeiner Wunde ganz geneſen war. Dieſer zog inzwiſchen von dem Kaziken die genaueſte Erkundigung ein, wie eine zweite Unternehmung der Art ſchneller und glücklicher ausgeführt werden könnte. Hierauf trat er mit den Seinen den Rückweg nach Coro an, denn dort wollte er Anſtalten zu einem neuen nachdrückliche— ren Kriegszuge gegen die Omegas treffen. Aber ein Unglück war es, daß der Oberſt Limpias ſich bei dem Zuge befand. Dieſer, ein treuer Anhaͤnger des Juan de Carvajal, welcher letzte ſich noch immer im widerrechtlich angemaßten Beſitz der Gouverneursſtelle von Venezuela befand, und in deſſen Solde Limpias ſtand, betrachtete die Unternehmungen Ritter Philipps nicht ohne Un— ruhe. Kam Philipp von Hutten nach Coro, ſo war zu fürchten, daß er ſeine rechtmäßigen Anſprüche auf die Gouverneursſtelle mit aller Kraft geltend machen würde. Um über Philipps Vorhaben ſtets unter— richtet zu ſein, hatte Carvajal veranlaßt, daß Limpias dem Zuge bei— gegeben wurde, und dieſer diente ihm als Spion. Da Philipp von Hutten jetzt nach Coro ziehen wollte, ſtiegen die Beſorgniſſe Carvajals. Schon früher ſcheint zwiſchen ihm und Limpias für dieſen Fall eine Verabredung und ein Verſprechen ſtattgefunden zu haben, dem man nun nachkommen wollte. Es war in der Charwoche 1546, als man ſich noch 100 Meilen diesſeits Coro befand. Da brach eine Meuterei unter den Truppen aus; Limpias ſtand mit einem Theile der Leute unſerem Ritter und den ihm treu Gebliebenen gegenüber. Das Signal gab Limpias durch die Ermordung Philipps von Hutten. Mit ihm fiel ein junger Welſer, der den Zug mitgemacht hatte, ſowie der größte Theil derer, die auf Huttens Seite ſtanden. Damit endete dieſe tra— giſche Geſchichte. Limpias ging nach Coro und blieb dort unangefoch— ten. Carvajal aber wurde ſpäter wegen ſeiner angemaßten Gewalt nach Urtheil und Recht geſchleift und gehenkt. Den Tod Philipps von Hutten erfuhr man aus den Briefen ſei— ner Verwandten. Die beiden letzten ſchrieb der Bruder des Ermorde- ten, der Biſchof Moritz von Eichſtädt, an den römiſchen König Ferdi— F ee N 4 en ln 6 u Ze u en Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ꝛc. 453 nand, und da vermuthlich dieſer nicht helfen konnte, an deſſen Bruder, Kaiſer Karl V., König von Spanien, um volle Genugthuung und Aus— lieferung des von Philipp hinterlaſſenen Vermögens zu bewirken, wie auch „der brieflichen Urkunden, auch Verzeichniſſen der neu entdeckten Land, die mein Bruder ſonder Zweifel ſeinem vorigen Gebrauch nach mit Fleiß wird beſchrieben haben“. — Aber der wackere Biſchof erreichte ſelnen Zweck nicht; vermuthlich weil gerade damals (1545) der Kaiſer mit ganz anderen, ihm weit mehr am Herzen liegenden Dingen, mit Ausführung ſeiner deſpotiſchen Abſichten auf das deutſche Reich be— ſchaͤftigt war, und weil feine indiſchen Räthe in Spanien, — wenn er ihnen ja Notiz davon gab, — ſich um die gerechte Sache eines Aus— laͤnders gegen einen ihrer Landsleute wohl wenig bekümmerten. Nunmehr erſchien auch die Zeit, wo der Kaiſer die verderblichen Folgen einſah, die feine den Welſern ertheilte Begünſtigung nothwen⸗ dig mit ſich führen mußte. Er überzeugte ſich, daß bei einer ſolchen Verwaltung die Provinz Venezuela immer ein verheertes, ſchändlich ausgeſogenes Land bleiben würde, und nahm die Souverainetätsrechte über dieſelbe zurück, deren er ſich eigentlich niemals hätte entäußern ſollen. Der Traktat mit den Welſern wurde aufgehoben, und der Kai— ſer ernannte den Licentiaten Johann Perés von Toloſa zum Statt— halter der Provinz. Sechs mühevolle Jahre hatte Philipp von Hutten auf ſeinen bei— den letzten Reiſen nach dem Lande der Omegas zugebracht, und war um alle Früchte derſelben betrogen worden. Durch keine der welſeri— ſchen Expeditionen iſt die Wiſſenſchaft bereichert worden, durch keine derſelben das Goldland aufgefunden. Dies Geſchick theilten ſie freilich mit anderen Expeditionen zu demſelben Zwecke. Queſada zog, wie oben bemerkt, von Santa Fé mit 250 Mann und vieler Reiterei auf die Entdeckung des Goldlandes aus, und kam zurück, nachdem er den größten Theil ſeiner Mannſchaft verloren hatte. Pedro de Ordaz ſtellte von Quito aus einen ſolchen Zug an, der nicht minder unglücklich ablief. Antonio Berrio kehrte von einer gleichen Unternehmung mit einem Verluſte von neun Zehnteln feiner Mannſchaft zurück. Fran— cisco Orellana zog mit 500 Mann auf die Entdeckung des Goldlandes aus und wurde von ſeinen eigenen Leuten, die ſich nachher zerſtreuten, ermordet. Alle dieſe Züge haben nichts genützt, aber dem Lande ent— 454 K. v. Klöden: ſetzlich viel Unglück und Schaden gebracht. Sie lieferten nur den Be— weis, wie unendlich viel der Menſch leiſten kann, wenn irgend eine Idee ſein ganzes Weſen beherrſcht und ſein ganzes Thun und Treiben ſich auf einen Punkt richtet. Großes haben dieſe Männer allerdings in der Beſiegung von Widerwärtigkeiten, Schwierigkeiten und Hinder— niſſen geleiſtet, aber auch in der Verübung von Grauſamkeiten und Schändlichkeiten aller Art. Während man ſie bewundert, muß man ſie verabſcheuen. Leuchtend ſteht in dieſer Hinſicht unſer Philipp v. Hutten da, denn von ihm ſind ſolche Abſcheulichkeiten nicht bekannt, und von allen Genannten dürfte ihm das vorzüglichſte Lob gebühren. Schade, daß die Papiere verloren gegangen ſind, von denen ſein Bruder ſpricht. Sie ſind es wohl für immer. Obgleich die hier mitgetheilte Erzählung vollſtändiger iſt, als eine der bisher bekannten, ſo iſt doch nicht in Abrede zu ſtellen, daß ſie durch einen ſorgfältigen Gebrauch der vorhandenen Quellen noch ver— vollſtändigt werden könnte, wären dieſe nicht zum Theil große Selten— heiten. Für denjenigen, der ſich an die Arbeit machen will, ſtelle ich im Folgenden den literariſchen Apparat zuſammen. La historia general y natural de las Indias, islas y terra ferma del mar Oceano. Por el Capitan Goncalo Hernandez de Oviedo. Parte I. Sevilla 1535. Fol. — Hauptquelle; der Verfaſſer entſtellt aber die Namen ganz gewaltig. Georg von Speier heißt bei ihm Georg Spirra, Philipp von Hutten nennt er Philipp de Urre. Darin ſind ihm alle ſpäteren Beſchreiber, ſelbſt bis in neue Zeiten gefolgt, woher es gekommen, daß man von der Mitwirkung der Deutſchen bei dieſen Unternehmungen nichts wußte. O. Dapper, Die unbekannte neue Welt, oder Beſchreibung des Welt— theils America und des Südlandes. Amſterdam 1673. Fol. S. 620 — 623. Allgemeine Hiſtorie der Reiſen zu Waſſer und zu Lande, oder Samm— lung aller Reiſebeſchreibungen. Leipzig 1757. 4. Bd. XV. S. 49—51. Marci Welseri Opera. Norimbergae 1628. Fol. Paul v. Stetten des Jüngern Lebensbeſchreibungen zur Erweckung und Unterhaltung bürgerlicher Tugend. Augsburg 1782. 8. S. 209 — 248. Die Welſer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela ꝛc. 455 Indianiſche Hiſtoria; eine ſchöne kurzweilige Hiftoria Nicolaus Fe— dermanns des Jüngern von Ulm erſter raiſe; ſo er von Hiſpa— nia und Andoloſia aus in Indias des Oceaniſchen Mörs gethan hat, und was ihm allda begegnet bis auf ſein Wiederkunft in Hiſpanien, aufs kurzeſt beſchrieben, ganz luſtig zu leſen. 1557. 4. Getruckt zu Hagenaw bei Sigmund Bund. — Sehr ſelten. Iſelin, Hiſtoriſches Lexikon. Artikel Hutten. Junckher Philipps von Hutten Zeitung aus India; aus ſeiner zum Theil unleſerlich gewordenen Handſchrift. Abgedruckt in Meuſels hiſtoriſch-⸗literariſchen Magazin. Baireuth und Leipzig 1785. 8 maj. Thl. I. S. 51 — 117. Meusel, Bibliotheca historica. Vol. III. P. I. Lips. 1787. p. 281. Reiſe in den öſtlichen Theil von Terrafirma in Südamerika von Depons. Aus dem Franzöf. überſetzt von Chr. Mayland. Berlin 1808. S. 32 — 42. 384 — 394. El Dorado. Ein Beitrag zur kritiſchen Unterſuchung der geographi— ſchen Fabeln verfloſſener Zeiten von T. F. Ehrmann. Abgedruckt in Bertuch's allgemeinen geographiſchen Ephemeriden. Bd. XXV. Weimar 1808. S. 136 — 165. Nachtrag zur vorſtehenden Abhandlung. Aus einem Schreiben des Herrn Hofraths J. G. Meuſel an den Verfaſſer der Abhandlung, Herrn Prof. Ehrmann. Abgedruckt in demſelben Bande der all— gemeinen geographiſchen Ephemeriden, S. 483 — 490. K. v. Klöden. Miscellen. Allgemeine Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der admi— niſtrativen Statiſtik der verſchiedenen Staaten. (Fortſetzung.) V. Die Niederlande. Im Jahre 1826 wurde im Königreich der Niederlande ein Bureau der allgemeinen Statiſtik errichtet; es war einer ſtatiſtiſchen Commiſſion unter- geordnet, welche aus hohen Staatsbeamten beſtand, und beſchäftigte ſich haupt⸗ ſächlich mit Sammlung der Documente über die Bewegung des Civilſtandes und mit der Ausführung der Zählung von 1829, an welche ſich die Einfüh— rung der Bevölkerungsregiſter anſchloß. Zugleich war 1826 die Errichtung ſtatiſtiſcher Provinzial-Commiſſionen angeordnet worden. Schon vorher hatte in Gent (1818) eine ſtatiſtiſche Geſellſchaft für Oſtflandern beſtanden. Das ſtati— ſtiſche Bureau ging 1830 ein, die Provinzial-Commiſſtonen hörten theilweiſe ſchon früher auf. Das erſte Recueil des Tableaux publiés par le Bureau de Statistique erſchien 1827, das zweite 1829; ſie betrafen die Bewegung der Bevölkerung ſeit 1815, den auswärtigen Handel, Klima, Agricultur, Stein— kohlenproduction, Fiſcherei und Medieinalweſen; nachträglich wurde 1836 noch ein dritter Band herausgegeben. Das auf die belgiſchen Provinzen bezügliche Material, betreffend die Zählungsreſultate, die Bewegung des Civilſtandes, Criminaljuſtiz, Schulen, Arbeitshäuſer, iſt in den belgiſchen ſtatiſtiſchen Do— cumenten, welche 1832, 1833 und 1836 erſchienen find, veröffentlicht worden. Die Arbeiten des ſtatiſtiſchen Bureau's erſchienen ohne Text; die Tabellen der erſten Sammlung ſind von dem Director des Bureau's E. Smits in einem beſonderen Werke beleuchtet worden. Seit 1826 fanden auch Mittheilungen aus der offiziellen Statiſtik, z. B. Bevölkerung, Gefängniſſe ꝛc. betreffend, in Lobatto's Jahrbuch ihre Stelle. Die Reſultate der zweiten niederländiſchen Volkszählung gab das Mini- ſterium des Innern im Jahre 1840 heraus. In dieſem Miniſterium wurde 1848 ein ſtatiſtiſches Bureau errichtet, welches unter v. Baumhauers Direc- tion ſteht. Das Bureau hat die Zählung vom November 1849 in größerem Maßſtabe, als die bisherigen, ausführen laſſen. Die Zählung umfaßt Wohn- plätze, Gebäude, den Civilſtand, Geburtsort, die Confeſſion, das Alter und den Beruf (Stand und Gewerbe) der Einwohner; die Tabellen ſind 1852 unter dem Titel: Uitkomsten der derde tienjaarige Volkstelling, heraus- gegeben worden. Im Jahre 1851 erſchien der erſte Jahrgang des von dem— ſelben Bureau herausgegebenen Statistisch Jaarboekje, in welchem ſich na— Ueberſicht der Veroͤffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 457 mentlich tabellariſche Darſtellungen des Standes und der Bewegung der Be— völkerung, der Krankenhäuſer, des Unterrichts, des Armenweſens (1841 bis 1850), der Rechtspflege, der Gefängniſſe, der Agriculturproduction und des Viehſtandes, der Fabriken, des inneren und äußeren Handels, der Schiffahrt, der Staats- und Provinzial-Finanzen befinden. Die agricultur-ſtatiſtiſchen Aufnahmen finden ſeit 1851 ſtatt; ältere Zuſammenſtellungen finden ſich für einzelne Provinzen und aus halbofftziellen Quellen. Von den Jahresberichten ſtatiſtiſchen Inhalts, welche im Reſſort des Miniſteriums des Innern heraus— kommen, ſind einige ſchon vor der Trennung Belgiens von den Niederlanden erſchienen, ſo die Berichte über den Zuſtand der Wohlthätigkeitsanſtalten (ſchon 1827) und über den Zuſtand einzelner Zweige des Unterrichtsweſens; ſeit 1847 wurden dieſelben in ſtatiſtiſcher Beziehung noch erweitert (Verslag no- pens den Staat der hooge, middelbare en lagere Schoolen und Verslag nopens den Staat van het Armwezen). Das Miniſterium des Innern hat im vorigen Jahre eine ſtatiſtiſche Darſtellung der öffentlichen Arbeiten in den Jahren 1850 bis 53 (Verslag over de openbare Werken) und entſprechend der Arbeiten in dem Jahre 1854 herausgegeben. Außerdem erſcheinen jähr— lich die Gefängnißtabellen (Statistische Tabellen van de Bevolking der Gefangnissen) und die Berichte der Inſpectoren der Irrenhäuſer (Verslag over den Staat der Gestichten voor Kranksinnigen). Zwei weitere fta- tiſtiſche Spezialbureau's beſtehen im Finanzminiſterium und im Juſtizminiſte⸗ rium; das erſtere giebt jährlich die Statistiek van den Handel en de Scheep- vaart heraus, wovon der erſte Band, auf 1846 bezüglich, 1848 veröffentlicht wurde; ſie erſcheinen jetzt ſchon im nächſtfolgenden Jahre. (Niederländiſche Handelstabellen aus früheren Jahren ſind z. B. in Buddinghs Statistiek voor Handel en Nijverheid abgedruckt). Das ſtatiſtiſche Bureau im Juſtizmini— ſterium hat zuerſt 1850 die Geregtilijke Statistiek, und zwar ſowohl die Tabellen der Civil⸗, als der Criminal- Rechtspflege, in den Jahren 1847 bis 1849 herausgegeben; ſeitdem erſcheinen dieſelben je im folgenden Jahre. Von anderen amtlichen Werken ſtatiſtiſchen Inhalts ſind die Rechenſchaftsberichte des Finanzminiſters und das vom topographiſchen Bureau im Kriegsminifte- rium veröffentlichte Ortſchaftsverzeichniß zu erwähnen. Die Hauptquellen der Provinzialſtatiſtik ſind die Jahresberichte der permanenten Deputationen an die Provinzialräthe, von denen die erſten ſchon im Jahre 1823 erſchienen ſind. Seit 1851 iſt für dieſelben die gleiche Form durch das Miniſterium des Innern vorgeſchrieben worden. Auch von den Jahresberichten der Ge— meindebehörden (Verslag van den Toestand der Gemeente etc.) erſcheinen einige im Drucke. Das Herzogthum Limburg ſteht in ſtatiſtiſcher Beziehung wie jede nie— derländiſche Provinz. Die Statiſtik deſſelben für die Periode von 1830 bis 1839 findet ſich in den belgiſchen ftatiftifchen Doeumenten; der erſte Provin— zial⸗Verwaltungsbericht erſchien 1833. Das von der Geſellſchaft der Freunde 458 Miscellen: der Wiſſenſchaften und Künſte herausgegebene Jaarboekje voor het Hertog- dom Limborg iſt in ſtatiſtiſcher Beziehung mit Lobatto's Jahrbuch verglichen worden. Die Statiſtik der niederländiſchen Colonien beſchränkt ſich auf die Ver— waltungsberichte des Colonien-Miniſteriums; ſie kommen nicht in den Buch— handel. Ausführliche Auszüge daraus werden in dem Staatskundig en staats- huishoudkundig Jaarboekje veröffentlicht, welches ſeit 1849 erſcheint. Die Behandlung der Statiſtik iſt nach den einzelnen Colonien verſchieden; bei den oſtindiſchen Beſitzungen genügen die Nachrichten, beſonders ſoweit fie die im— materiellen Intereſſen betreffen, nicht den Anſprüchen an eine eigentliche Sta— tiſtik; beſprochen werden Bevölkerung, Militair, Rechtspflege, Cultus, Wohl- thätigkeitsanſtalten, Sanitätsweſen, Unterricht, cultivietes Land, Production, Viehſtand, innerer und äußerer Verkehr, Finanzen (hier insbeſondere die Mo- nopole). Die Angaben für Java mit Madura ſind genauer, von den übrigen Inſeln finden ſich nur einzelne Notizen; Handels- und Schiffahrtstabellen von Java mit Madura werden regelmäßig aufgeſtellt, ſie werden im ſtatiſtiſchen Jahrbuch des Miniſteriums des Innern abgedruckt, für frühere Jahre finden ſie ſich in den Tabellen des ſtatiſtiſchen Bureau's des engliſchen Handelsamts. 1829 erſchien in Batavia ſelbſt der Verslag van den Handel, Scheepvaart en inkomende en uitgaaende Rechten op Java en Madura in het jaar 1828, im vorigen Jahre iſt eine Overzigt van de Scheepvaart onder Ne- derlandsche Vlag op de Oost-Indien ged. 1853 erſchienen. Vollſtändiger ſind die Verwaltungsberichte hinſichtlich der weſtindiſchen Beſitzungen (der Inſeln und Suriname), doch find auch dieſe nicht gleichförmig; die Einwoh- nerzahlen werden hier ſpeziell mitgetheilt, ebenſo die Bewegung des Civilſtan— des; außerdem werden ſtatiſtiſche Nachrichten über Militair, Cultus, Unter⸗ richt, Wohlthätigkeitsanſtalten, Sanitätsanſtalten, Finanzen, cultivirtes Land, Production und Viehſtand gegeben. Die Handelstabellen von Suriname wer- den in dem ſtatiſtiſchen Jahrbuche mitgetheilt; für frühere Jahre finden ſie ſich in dem Moniteur des Indes orientales et oceidentales abgedruckt, wel⸗ cher überhaupt ſtatiſtiſche Artikel über die niederländiſchen Beſitzungen in bei⸗ den Indien enthält. Auch über die Guineaküſte finden ſich in dem Verwal- tungsberichte einzelne ſtatiſtiſche Angaben. VI. Belgien. Im Jahre 1831 wurde im belgiſchen Miniſterium des Innern das Bu— reau der allgemeinen Statiſtik errichtet. Der Director deſſelben, E. Smits, gab zunächſt, vereint mit dem Director des Obſervatoriums A. Quetelet, die erſten beiden Bände der Documents statistiques (betreffend Bevölkerung und Criminaljuſtiz) heraus; dann erſchienen in den Jahren 1836 bis 1841 vier weitere Bände dieſer Documente, welche beſtimmt waren, die geſammte Ver— waltungsftatiftif zu umfaſſen. In dieſen wurden die von den einzelnen Mi— Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 459 niſterien herausgegebenen ſtatiſtiſchen Tabellen im Auszuge abgedruckt, nament— lich aus den von den entſprechenden Abtheilungen des Miniſteriums des In— nern herausgegebenen Tabellen des Communaloctrois (Statistique des Octrois communaux 1836, erſchienen 1839), des auswärtigen Handels (Tableaux du Commerce extérieur, zuerſt für 1831 bis 1834, dann für die einzelnen . Jahre bis 1840) und den Berichten über die Staatsſtraßen und Eiſenbahnen; ferner aus den vom Juſtizminiſterium herausgegebenen Comptes de PAdmi- nistration de la Justice criminelle für die Jahre 1831 bis 34 (erfchienen 1835) und 1835 (erſchienen 1839), und de la Justice eivile in den Jahren 1832 bis 36 (erfchienen 1837), 1836 bis 39 lerſchienen 1840), und aus den vom Finanzminiſterium herausgegebenen Reſultaten der Kataſtrirung (Statistique territoriale von 1834, erſchienen 1839) und den Staatsrech— nungen (den Comptes rendus de I' Administration des Finances und sur la Comptabilité de Etat). Außerdem enthalten die ſtatiſtiſchen Documente die Tabellen der Bewegung der Bevölkerung (1834 bis 39), der Wahlen, Aushebungen, des höheren und Primair-Unterrichts (bis 1838), der Findel— häuſer, der Gefängniſſe und Arbeitshäuſer, der Wohlthätigkeitsbureau's, der Provinzial- und Communalfinanzen, der Impfungen, der Agrieulturſchäden, des Viehſtandes, der Getreidepreiſe, der Berg- und Hüttenwerke und Dampf— maſchinen (1831 bis 36), und der Meteorologie; dieſe letzten ſind dem ſeit 1834 von Quetelet herausgegebenen Jahrbuche des Obſervatoriums entlehnt, welches zugleich Tabellen aus der Bevölkerungsſtatiſtik mittheilte. Im Jahre 1841 wurde neben dem fortbeſtehenden Bureau der allgemei— nen Statiſtik die ſtatiſtiſche Central-Commiſſion organiſirt; fie wurde aus Staatsbeamten zuſammengeſetzt, und Quetelet, welcher als Verfaſſer der ſo— cialen Phyſik als Begründer der belgiſchen Statiſtik betrachtet wird, wurde Director derſelben. Sie erhielt die Beſtimmung der Reviſton, Verbeſſerung und Erweiterung aller ſtatiſtiſchen Tabellen und ſpäter die Berechtigung, daß ſtatiſtiſche Aufnahmen nur mit ihrer Genehmigung ſtattfinden dürften. Ihr Organ ift das Bulletin de la Commission centrale de Statistique, deſſen erſter Band 1843, der fünfte 1853 erſchien. Das Bülletin enthält die Ver— handlungen und Arbeiten der Central-Commiſſion, unter den letzten z. B. die Berichte über die Getreide- und Kartoffelernte, über den Viehſtand, die Lebens— mittelfrage, die Aſſekuranzfrage und die ſeit 1846 eingerichteten Bevölkerungs- regiſter; es enthält weiter mehrere Auszüge aus amtlichen ſtatiſtiſchen Werken und bibliographiſche Arbeiten von Heuſchling, zehn Abhandlungen von Que— telet, betreffend Zählungen, Trauungen, Sterblichkeit, fünf Abhandlungen von Ducpetiaur, welcher auch außerdem in halboffiziellen und Privatwerken ver— ſchiedene Zweige der Verwaltungsſtatiſtik behandelt hat, drei von Visſchers, betreffend Wahlen, Bergwerke, Verſorgungskaſſen, ferner Aufſätze von Sau— veur (Taubſtummen), Steven (Communaloctrois), Perrot (Journale), Ma— lou (Eiſenbahnen). Von dem ſechſten Theile des Bülletins ſind bis jetzt die 460 Miscellen: Verhandlungen des ſtatiſtiſchen Congreſſes zu Brüſſel (Congres général de Statistique en 1853) und Ducpetiaux's Bearbeitung der Aufnahmen über die Bedürfniſſe der arbeitenden Klaſſen (Budgets economiques des Classes ouvrieres, Subsistances, Salaires, Population) erſchienen. Im Jahre 1843 wurden unter dem Vorſitze der Gouverneurs Provinzial-Commiſſionen ein— gerichtet; ihre Arbeiten haben ſich auf die Volkszählungen, die localen Urſa— chen der Verbrechen, den Pauperismus und die Ortsnamen bezogen. Unter Mitwirkung der ſtatiſtiſchen CentralF-Commiſſion hat das ſtatiſtiſche Bureau im Miniſterium des Innern herausgegeben: Die Tabellen der Bewegung des Civilſtandes mit vorausgehender Ueberſicht des Bevölkerungsſtandes ſeit 1834 (Population relevé décennal 1831 bis 1840, Mouvement de l’Etat civil 1841 bis 50, erſchienen 1842 bis 51) und die Reſultate der Volkszählung von 1846 (nach Civilſtand, Wohnſitz, Geburtsort, Sprache, Confeſſion, Alter, Gewerbe und Beruf, auch Häuſer, Haushaltungen, Schüler, Arme) mit den gleichzeitigen Aufnahmen über die landwirthſchaftliche Cultur und Production nebſt dem Viehſtand und über die Gewerbthätigkeit (Arbeiter, Maſchinen ꝛc.); die drei Bände dieſes Recensement general, Population, Agriculture, In- dustrie, und außerdem eine vollſtändigere Ausgabe der Agriculturaufnahmen ſind 1849 bis 51 erſchienen. Außerhalb der ſtatiſtiſchen Abtheilung ſind vom Miniſterium des Innern an ſtatiſtiſchen Arbeiten herausgegeben worden: von der Induſtrie-Direction die Reſultate der Enquètes sur IIndustrie linière (erſchienen 1841 und 42) und sur la Condition des Classes ouvrières et sur le Travail des Enfants (erſchienen 1848); von der Unterrichts-Diree⸗ tion mit theilweiſe ſtatiſtiſchem Inhalt: Etat de IInstruction primaire 1831 bis 1840 (erfchienen 1842), Situation de IInstruction primaire 1842, Rap- port triennal sur IInstruction primaire 1843 bis 45 und entſprechend 1846 bis 1848 (erſchienen 1849), ferner Etat de Instruction moyenne bis 1842 (erſchienen 1843) und 1843 bis 48 (erfchienen 1849), Rapport sur Etat de l’Enseignement superieur für 1836 bis 40, dann jährlich und ſeit 1848 alle drei Jahr; von der Abtheilung für Provinzial- und Communal-Ver⸗ waltung: Rapport sur les Octrois communaux 1845, Documents relat. à la Tarification du Pain et de la Viande de Boucherie 1846 und Rapport de la Commission de Revision des Octrois communaux 1848. Statiſtiſche Jahresberichte der permanenten Deputationen an die Provinzial räthe (Rapports annuels sur la Situation des Provinces) ſind einzelne ſeit 1833, regelmäßig ſeit 1836 erftattet worden; ſeit 1844 iſt für dieſelben die übereinſtimmende Form von der Central-Commiſſion vorgeſchrieben worden. Jahresberichte über die ſtädtiſche Communalverwaltung kamen ſeit 1836 her— aus; ſie ſind von mehr, als 20 Städten gedruckt erſchienen; gleichförmige Cadres für dieſelben wurden ſeit 1846 vorgeſchrieben. Die Jahresberichte der Arrondiſſements-Commiſſaire (Rapports des Commissaires des Arron- dissements) und die der ländlichen Communalverwaltung ſind ſeit 1849 Ueberſicht der Veroͤffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 461 gleichmäßig eingerichtet; von den erſten erſcheinen einzelne gedruckt. Endlich müſſen hier die Rapports annuels des Chambres de Commerce und die des Commissions provineiales d' Agriculture erwähnt werden. Die Ergebniſſe der Jahresberichte der Provinzial- und Communal- Verwaltung im Jahrzehnt 1831 bis 1840 ſind in dem vom Miniſterium des Innern herausgegebenen Resume des Exposés de la Situation administrative des Provinces et Communes (erjchienen 1841) zuſammengeſtellt. Die Statiſtik der Civil- und Criminalrechtspflege wird im ſtatiſtiſchen Bureau des Juſtizminiſteriums (Di— rector Lentz) bearbeitet; der Bericht über die Civilrechtspflege in den Jahren 1839 bis 43 iſt 1847, die über die Criminalrechtspflege in den Jahren 1836 bis 39 und 1840 bis 43 ſind 1843 und 1846 erſchienen. Andere Arbeiten des Juſtizminiſteriums von ſtatiſtiſchem Werthe ſind die Jahresberichte über verſchiedene Zweige der Wohlthätigkeitsanſtalten, die Statistique des Libera- lités au profit des Etablissements religieuses et charitables 1831 bis 49 (erſchienen 1850), die Ergebniſſe der Enquöte sur Etat des Maisons d’Alienes (erſchienen 1842) und der Rapport sur le Travail dans les Prisons et les Depots de Mendieite (erſchienen 1848). Das Miniſterium der öffentlichen Arbeiten bearbeitet die Statiftif der Berg- und Hüttenwerke und der Dampfmaſchinen (Statistique des Mines, Usines et Machines à vapeur), ſie iſt für die Jahre 1836 bis 38, 1839 bis 44 und 1845 bis 49 in den Jahren 1842, 46 und 52 herausgegeben worden; an anderen Arbeis ten dieſes Miniſteriums ſind die ſeit 1841 erſchienenen Jahresberichte über die Eiſenbahnverwaltung und die ſeit 1843 erſcheinenden Annalen zu erwähnen, in denen einzelne ſtatiſtiſche Aufnahmen aus dem Reſſort deſſelben abgedruckt werden. Von den ſtatiſtiſchen Arbeiten des Finanzminiſteriums find die Han- dels⸗ und Schiffahrtstabellen hervorzuheben, welche zuerſt für 1841 von dieſem Miniſterium herausgegeben wurden und je im nächſtfolgenden Jahre erſcheinen, und die 1853 veröffentlichte vervollſtändigte Ausgabe der Territorialſtatiſtik (Bo⸗ N dentheilung nach Culturarten ꝛc.). Als vom Kriegsminiſterium publizirt wird die Statistique eriminelle, Conseils de Guerre etc. (1835) bezeichnet; als vom Miniſterium des Auswärtigen gelten die ſeit 1850 erſchienenen Jahresberichte des Service des Emigrants. Eine Zuſammenſtellung und Bearbeitung des in dem Jahrzehnt 1841 bis 50 aufgenommenen ſtatiſtiſchen Materials, ſowie theilweiſe des weiter zurückliegenden, hat die ſtatiſtiſche Central-Commiſſion mit Unterſtützung der Miniſterialbureau's in der 1852 erſchienenen Situation générale du Royaume geliefert; die einzelnen Kapitel enthalten die geogra— phiſche Ueberſicht, die Meteorologie, Territorialſtatiſtik, Geologie, Zoologie, Bevölkerung und Bewegung des Civilſtandes, Veränderungen des Wohnſitzes z., Verfaſſung und Wahlen, Provinzial- und Gemeindeverwaltung (Wahlen und Finanzen), Unterricht, Wiſſenſchaften und Künſte, Wohlthätigkeitsanſtal⸗ ten (einſchließlich der Krankenhäuſer, Arbeitshäuſer, Findelhäuſer, der Leih— häuſer und Verſorgungskaſſen), Gefängniſſe (für beide Jahrzehnte), Rechts- 462 Miscellen: pflege (und gerichtliche Polizei), Sicherheitspolizei, Cultus, Sanitätsverwaltung (auch Mineralwäſſer, Epidemien), Militair (Beſtand, Rekrutirung, Bedürfniſſe), Bürgermiliz, Finanzen (und Staatsſchuld), Agrikultur (hier u. a. die neuen Kulturen ſeit 1847), Induſtrie, Handel (z. B. Banken, Münze), Land- und Waſſerſtraßen und Poſt. Neue ſtatiſtiſche Documente werden vorzugsweiſe in Scheerer's ſeit 1854 erſcheinendem Annuaire statistique et historique Belge abgedruckt. VII. Dänemark und die Herzogthümer. Die ftatiftifche Commiſſion für das Königreich Dänemark wurde im Jahre 1833 errichtet; ſie beſtand aus hohen Staatsbeamten, hatte kein eigenes Bu— reau, ſondern überließ die Bearbeitung den verſchiedenen Miniſterialbureau's. Sie gab ſeit 1836 das statistisk Tabelvärk, 21 Bände, heraus; die Ta= bellen deſſelben enthalten die Bevölkerung nach den Zählungen von 1834, 40 und 45 (eine frühere Zählung hatte 1801 ſtattgefunden), die Bewegung der Bevölkerung ſeit dem Anfang dieſes Jahrhunderts, die Territorialſtatiſtik (Bodentheilung, Werth der Gebäude und Landgüter), Ackerbau (Ausſaat und Ernte) und Viehſtand, ſtädtiſchen Verbrauch, Handels- und Schiffahrts⸗ tabellen ſeit 1834 (auch Handelsmarine), Criminaltabellen für 1832 bis 40, Selbſtmorde, Irrenſtatiſtik; außerdem hat ſie die nye Matrikel for Jordeien- dom von 1844 veröffentlicht. Im Jahre 1848 wurde die ſtatiſtiſche Com— miſſion aufgehoben, doch ſind von ihren Arbeiten noch nachträglich die Handels— und Schiffahrtstabellen dieſes und des folgenden Jahres und die Wahlſtatiſtik von 1848 herausgegeben worden. In Stelle der Commiſſion wurde unter dem Geſammtminiſterium das Bureau der allgemeinen Statiſtik errichtet, deſſen Chef in ſtatiſtiſchen Angelegenheiten anſtatt der Reſſortminiſter zeichnet; es giebt eine neue Folge des ſtatiſtiſchen Tabellenwerks (statistisk Tabelvärk, ny Räkke) heraus, von welcher bis jetzt 10 Bände erſchienen find, enthal— tend die Zählungsreſultate von 1850 (nach Alter, Civilſtand, Stand und Gewerbe, Geburtsſtelle), die Bewegung des Civilſtandes in den fünf vorher— gehenden Jahren (die Todesurſachen nur in Kopenhagen), ferner die Wahl- ſtatiſtik von 1849 und 52, die Statiſtik des Bodens nach Culturarten, der Vertheilung des Grundeigenthums und die Tabellen der größeren Landgüter; der achte und zehnte Band enthalten Handel und Schiffahrt des jetzt ver— einigten Zollverbandes Dänemarks und der Herzogthümer in den Jahren 1852 und 53. Das ſtatiſtiſche Bureau hat außerdem Mittheilungen (Meddelelser fra det statistiske Bureau) veröffentlicht; der vormalige Director deſſelben, Bergſöe, vollendete feine Statiſtik des däniſchen Staats, deren erſter Theil 1844 erſchien, im Jahre 1853. Das ſtatiſtiſche Tabellenwerk theilte zugleich die Zählungsreſultate in den däniſchen Nebenländern (Faröer und Island), ſowie die Bewegung der Bevölkerung daſelbſt und die Wahlftatiftit der Fa— röer mit, die Volkszählungsreſultate von 1840 und 1845 für Grönland, von we * P u Zu A Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 463 1841 für die weſtindiſchen Inſeln, (auch von 1840 für die vormals däniſchen Beſitzungen in Oſtindien, wogegen die vormaligen Beſitzungen in Guinea nicht vorkommen). Andere ſtatiſtiſche Documente über Dänemark und die Neben— länder ſind die ſeit längerer Zeit zuſammengeſtellten Criminaltabellen, die ſeit 1835 erſtatteten Rechnungsüberſichten des Finanzminiſteriums und die Jahres— berichte der Nationalbank. Die medieiniſche Geſellſchaft in Kopenhagen hat einen Ausſchuß für medicinifche Statiſtik; in ihren Schriften finden ſich ſtatiſtiſche Abhandlungen, z. B. Schleißner's Statiſtik der Lebensdauer in Island. Aus— führliche Tabellen über die Sundſchiffahrt ſind in den Tabellen des engliſchen Handelsamts (und zwar unter dem dortigen Inlande) mitgetheilt; daſſelbe Werk enthält Ausfuhrtabellen der däniſchen Inſeln in Weſtindien. Die Reſultate der Volkszählung von 1803 in den Herzogthümern Schles— wig und Holſtein wurden von der Rentenkammer in Kopenhagen herausge— geben, ebenſo die Zählungsreſultate von 1835; im Herzogthum Lauenburg war 1831 gezählt worden; die Ausfuhrtabellen der Herzogthümer für die Jahre 1836 und 37 gab die Generalzollkammer zu Kopenhagen heraus. Im Jahre 1839 wurde die Wirkſamkeit der däniſchen ſtatiſtiſchen Commiſſion auch auf die Herzogthümer ausgedehnt; die Zählungen von 1840 und 1845 wur- den in denſelben in ähnlicher Weiſe, wie im Königreiche Dänemark, vorge— nommen. Die ſtatiſtiſche Commiſſion veranſtaltete eine deutſche Ausgabe des ſtatiſtiſchen Tabellenwerks, von welcher zwölf Theile herausgekommen ſind; fie enthalten die Zählungstabellen, die Geburten, Sterbefälle und Trauungen 1835 bis 44, und die Handels- und Schiffahrtstabellen des ſchleswig-hol— ſteiniſchen Zollverbandes (d. h. einſchließlich des Fürſtenthums Lübeck) für die Jahre 1838 bis 1846 und die Durchfuhr durch Lauenburg. Die Handels- tabellen für 1847 wurden nicht mehr von der Commiſſion veröffentlicht. Ebenſo wenig iſt das außerdem bei den Behörden der Herzogthümer zuſam— mengeſtellte Material, betreffend Criminal- und Civiljuſtiz und Induſtrie offi= ziell herausgegeben. Ein Centralblatt für Handel, Schiffahrt und Induſtrie der Herzogthümer erſchien zu Kopenhagen in den Jahren 1846 und 47. Das ſchleswig-holſteiniſche Finanzdepartement hat an ſtatiſtiſchen Arbeiten die Nach— richten über Handel und Schiffahrt im Jahre 1848 und die Finanzrechnungen für 1848 und 49 herausgegeben. Ein eigenes ſtatiſtiſches Bureau für die Herzogthümer beſtand zu Kiel vom Februar 1850 bis zum März 1852, von dieſem iſt nur im Jahre 1851 ein Heft Mittheilungen erſchienen. Diree— tor des Bureau's war Rawit, in deſſen ſeit 1846 erſchienenen Jahrbüchern für Geſetzgebung und Verwaltung auch ſtatiſtiſche Aufſätze veröffentlicht wurden, und der im Jahre 1849 das Staatshandbuch der Herzogthümer herausgab, welches zugleich eine topographiſch-ſtatiſtiſche Landesbeſchreibung enthielt. Das ſtatiſtiſche Bureau zu Kopenhagen hat die Statiſtik der Herzogthümer bis jetzt nur, ſoweit es die Zolleinheit mit Dänemark erforderte, mitbearbeitet, doch hat es den zehnten Band des Tabellenwerks (Handel und Schiffahrt Däne- 464 Miscellen: marks und der Herzogthümer 1853) auch in einer deutſchen Ausgabe ver- oͤffentlicht. Die Statiſtik einzelner Landestheile der Herzogthümer iſt in halb» offiziellen Schriften bearbeitet worden; unter dieſen iſt Hanſſens Statiſtik des Amtes Bordesholm hervorzuheben. VIII. Schweden und Norwegen. Die ſchwediſchen Bevölkerungstabellen find ſeit 1749 von der Tabellen- Commiſſton aufgeſtellt, ſeitdem aber zu verſchiedenen Zeiten erweitert und ver— beſſert worden; die Volkszählungen wurden anfangs alle drei, ſeit 1775 alle fünf Jahre ausgeführt. Die Tabellen-Commiſſion giebt alle fünf Jahre her⸗ aus: Tabell-Commissionens Femärs-Berättelse angàende Nativitetens och Mortalitetens Förhällande och S. Rikets Folkmängd, die Zählungs- reſultate und die Bewegung der Bevölkerung ſeit der letztvorhergegangenen Zählung enthaltend; bei der Zählung wird Alter, Civilſtand, Stand und Be— ſchäftigung ſehr ſpeziell unterſchieden (auch Gefangene, Arme ꝛc.), auch in Betreff der Bewegung des Civilſtandes find die Unterſcheidungen ſehr zahl— reich, bei den Geburten werden die Verhältniſſe der Gebärenden (Alter ꝛc.) unterſchieden, bei den Todesfällen gewiſſe Todesurſachen, bei den Ehen die aufgelöſten u. ſ. w. Die fünfjährigen Berichte ſind zuerſt für 1821 bis 25 erſchienen, ebenſo das zubehörige Tabellenwerk Tabeller höranda till Tabell- Commissionens afgifne Berättelse (doch find die Tabellen für die fünfjäh⸗ rige Periode 1826 bis 30 nicht veröffentlicht worden); ſie kommen in der Regel im dritten Jahre heraus, doch iſt der neueſte Bericht (von Fr. Th. Berg gearbeitet) erſt im vorigen Jahre erſchienen. Dazwiſchen ſind von der Ta— bellen-Commiſſion auch verſchiedene Berichte für einzelne oder mehrere Jahre erſtattet worden mit beigegebenem General- Sammandrag öfver Nativiteten och Mortaliteten (und mit beſonderen Tabellen über die Sterblichkeit an der Cholera); die erſte allgemeine Zuſammenſtellung geht bis 1749 zurück. Die Statiſtik des Handels und der Induſtrie wird im ſtatiſtiſchen Bureau des Commerz⸗-Collegs bearbeitet; die Berichte deſſelben über Handel und Schiffs verkehr mit dem Auslande und insbeſondere mit Finnland und Norwegen (ſowie die Handelsmarine ſeit 1795) ſind ſeit dem Anfange der dreißiger Jahre erſchienen. Bald darauf hat das Bureau auch die Herausgabe der Jahresberichte über die inländiſche Schiffahrt und der über die Handwerks- und Fabrik-Induſtrie begonnen (Commerce-Collegii Berättelse om Sv. Utrikes Handel och Sjöfart, om Sv. Inrikes Sjöfart, om Fabrikernes och Manufacturernes Ställning, die neueften für 1853; in den letztgenann⸗ ten wird u. A. auch der Werth der Fabrikate angegeben. Die Jahresberichte des Juſtizminiſters erſchienen zuerſt für das Jahr 1830; fie find ſeit 1841 in der jetzigen Form eingerichtet und zerfallen in den Bericht über die Civil— und Criminalrechtspflege (Justitie-Statsministerns Berättelse angäende ci- n N 4 . Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 465 vila Rättegängs Ärendena och Brottmälen) und den Bericht über Ver— käufe und Verpfändungen von Grundeigenthum (J. St. B. om Förhällan- det med den à Landet lagfarne Egendom samt meddelade och dödade Inteckningar); beiden find ftatiftifche Tabellen beigefügt. Die Statiſtik der Production der Berg- und Hüttenwerke iſt in den ſeit 1833 erſchienenen * Jahresberichten des Bergcollegiums niedergelegt (Bergscollegii Berättelse om PFiörhallandet med Bergshandteringen); die ſtatiſtiſchen Tabellen der Ge— flängniſſe und Arbeitshäuſer find in den betreffenden, zuerſt für 1835, in der lletzten Zeit aber alljährlich herausgekommenen Verwaltungsberichten enthalten (Styrelsens öfver Fängelser och Arbetsinrättningar Berättelse om Fängyär- 3 den); von ſtatiſtiſchem Werthe find die Berichte des Geſundheitscollegii über das Medicinalmefen (Tabellen der Krankenhäuſer, Impfungen ꝛc.), der erſte Jahrgang für 1851 erſchien 1853, der zweite im Jahre darauf (Sundhets- b collegii Berättelse om Medicinalverket i Riket), Außerdem werden als ſtatiſtiſche Documente bezeichnet die Vorlagen an die Reichsſtände ſeitens des Finanzminiſters und ein 1846 erſchienener Gen. Sammandrag af statistiske Tabeller upprättede efter Formulärer meddel. af Kommiten för Behand- ling af Frägan om Nationalrepresentationens Ombildning. Die Centrali— t fation der Statiſtik und Errichtung eines ſtatiſtiſchen Bureau's wird feit län— gerer Zeit beabſichtigt. — Die ſchwediſche Provinzialſtatiſtik iſt in den Quin— quennal-Berichten der Landeshauptleute und beziehungsweiſe des Statthalters von Stockholm über den ökonomiſchen und ſonſtigen Zuſtand des Landes nach den verſchiedenen Richtungen (betreffend Landes beſchaffenheit, Bevölkerung, die einzelnen Nahrungszweige und die politiſche Verwaltung) behandelt; tabella— riſch zuſammengeſtellt werden die Bodentheilung nach der Nutzungsart, Aus— ſaat und Ernte, Viehſtand, Grundwerth, Beſteuerung, Marktpreiſe. Dieſe Be— richte wurden zuerſt für die J. 1823 bis 27 aufgeſtellt, dann in jährigen Perioden weiter, diejenigen für 1843 bis 47 ſind in den Jahren 1850 und 51 erſchienen, die nächſten Berichte umfaſſen nur die dreijährige Periode 1848 bis 50 und erſchienen 1853. In Verbindung mit den Arbeiten des topographi— ſchen Bureau's werden von dem Landmeſſercorps ſtatiſtiſche Beſchreibungen der einzelnen Kirchſpiele geliefert, von denen jedoch angeblich erſt drei erſchienen ſind. * Die Herausgabe der norwegiſchen ſtatiſtiſchen Tabellen war im Jahre 1838 durch das Finanzdepartement begonnen worden (Statistiske Tabeller audgirne efter det Finants-, Handels- og Told- Departements Foranstal- ting); ſie wurden von dem feit Anfang 1846 im Miniſterium des Innern errichteten ſtatiſtiſchen Bureau fortgeſetzt (Contor for det almindelige sta- tistiske Tabelvärk i Departementet for det Indre). Die bisher erſchie— nen Bände enthalten die Volkszählungsreſultate (nach Civilſtand, Alter, Stand und Gewerbe), ſowie die gleichzeitigen Aufnahmen über Agricultur (Ausſaat und Ernte) und Viehſtand, ferner die Bewegung der Bevölkerung ſeit dem Anfange des Jahrhunderts, und die Handels- und Schiffahrtstabellen (auch den Verkehr Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 30 5 466 Miscellen: mit Schweden und die Handelsmarine) für 1835 und weiter für dreijährige Perioden (zuletzt bis 1853). Die Cenſus werden ſeit 1815 alle zehn Jahre aufge— nommen; die legten Cenſusaufnahmen find, ſoweit ſie Irre, Blinde, Taubſtumme, Ausſätzige betreffen, von Holſt beſonders bearbeitet worden. Das Finanzmini— ſterium hat außerdem territorial-ſtatiſtiſche Tabellen nach den Landesmatrikeln von 1819 und 1838 herausgegeben (Tabel der viser Antallet af Jorde- brugene og deres Störrelse efter Skylden ete.); ſie jind in den Jahren 1840 und 45 erſchienen. Das Kirchen- und Schuldepartement hat die Sta- tiſtik des Unterrichtsweſens, hauptſächlich der Muehe für die J. 1837 und weiter zurück und für das J. 1840 in den J. 1840 und 43 herausgegeben (Statistiske Tabeller ved Underviisningsväsenets Tilstand). Andere Do— cumente für die Landesſtatiſtik find die von dem Finanzminiſterium erſtatteten Staatsrechenſchaſtsberichte und die Berichte der Staatsbank, ferner die von Holſt herausgegebenen Berichte der Commiſſionen für die Irrenanſtalten und den Geſundheitszuſtand in den Gefängniſſen (Beretning fra en til at un- dersöge de Sindsvages Kaar nedsat Commission und om Sygepleien i Straffeanstalterne), ſowie der Bericht der Cholera-Commiſſion (Actstykken ang. Cholera, 1850); auch hat das Juſtiz- und Polizei-Departement ſta⸗ tiſtiſche Tabellen über die Strafanſtalten (eine Art Cximinalſtatiſtik) bekannt gemacht. Die periodiſchen Berichte der Amtleute über den ökonomiſchen Zu— ſtand des Landes begreifen die verſchiedenen Verwaltungszweige; ſie geben ſtatiſtiſche Nachrichten über Veräußerung und Verpfändung von Grundeigen— thum, Verſicherungen, Handwerker, Fabriken, Bergwerksproduction, Handel, Getreidepreiſe, Beſteuerung, Zölle, Amtsfinanzen, Straßenbau, Sparkaſſen u. ſ. w. Sie ſind zuerſt für Ende 1829, dann für die Jahre 1830 bis 35, und ſeitdem für jedes weitere Jahrfünft erſtattet worden; Ueberſichten der⸗ ſelben hat das Departement des Innern herausgegeben (unter verſchiedenen Bezeichnungen: Oversigt over de af Amtmändene afgivne Rapporter, Ov. over Rikets ökonomiske Tilstand i Forbindelse med Amtmändenes Femaarsberetninger, Beretninger om N. ök. Tilst. udgivne efter Foran- ' stalting af Dep. f. d. I.); die Berichte bezüglich der Jahre 1841 bis 45 hat Braun Toethe für feine norwegiſche Statiſtik benutzt. Seit 1850 iſt auch den Gemeinde- und Diſtrictsverwaltungen die Aufſtellung ſtatiſtiſcher Tabellen über ihre ökonomiſchen Angelegenheiten (3. B. über die Armenpflege) aufgegeben worden. IX. Das britiſche Reich einſchließlich Britiſch-Indien. Die britiſche Statiſtik iſt nicht centraliſirt; in London ſelbſt beſtehen drei bedeutende ſtatiſtiſche Inſtitute, das Statistical Department of the Board of Trade, 1832 errichtet, früher unter Porter's, feit 1848 unter Fonblanque's Direction, die londoner ſtatiſtiſche Geſellſchaft, 1834 errichtet, und das General Ueberſicht der Veroͤffentlichungen aus der adminiftrativen Statiftif. 467 Register-Office, 1836 errichtet. Das ſtatiſtiſche Departement des Handels— amts hat in den Tables of Revenue, Population, Commerce ete. nicht nur die ſtatiſtiſchen Erhebungen aus dieſem Reſſort, ſondern überhaupt die bei der Regierung und dem Parlament eingehenden ſtatiſtiſchen Tabellen kurz mitzutheilen ſich zur Aufgabe gemacht. Seit dem Juni 1833 iſt jährlich ein Band der Tables of Revenue ete., alſo im vorigen Jahre der 22ſte erſchie— nen; ſie beziehen ſich je auf das vorletzte Jahr, der letzte Band alſo auf 1852; die auf die Colonien bezüglichen Tabellen erſchienen anfangs vom drit— ten bis achten Bande in Supplementbänden, ſeitdem find fie mit in den Haupt bänden enthalten; die ſtatiſtiſchen Tabellen von auswärtigen Staaten waren anfangs vom dritten bis neunten Bande in den Hauptbänden mit enthalten, ſeitdem wurden fie in Supplementbänden zum 12., 14. und 18. Theile ver- öiffentlicht. Von Band 21 (Jahr 1851) an beſchränken ſich die Tables of Revenue auf die frühere erſte Abtheilung, nämlich auf die Finanz- und Handelstabellen. Die Nachrichten aus den hierher gehörigen Reſſorts find die viollſtändigſten; fie gehen in den Tables of Revenue im Ganzen bis 1821, in Porters Progress of the Nation theilweiſe ſogar bis 1801 (ſowie auch in Darton's ſtatiſtiſchen Tabellen eine Zuſammenſtellung der hauptſächlichſten ſtatiſtiſchen Verhältniſſe Großbritanniens auf den Umfang der erſten Hälfte dieſes Jahrhunderts unternommen worden ift); einzelne Zuſammenſtellungen in den Parlamentspapieren reichen bis in das vorige Jahrhundert zurück (R. of the s. Committee on public Income and Expenditure, Account of the Import and Export of the British and foreign Merchandise ete.). Das Material für dieſen Theil der Tables of Revenue gewähren theils die verſchiedenen jährlich vorgelegten Finance Accounts (ſie erſcheinen auch be— ſonders und zwar ſchon ſeit 1822), die von den einzelnen Finanzbehörden, wie dem Stempelamt (Stamp Office), wo die ſtatiſtiſchen Tabellen gleichfalls bis in das vorige Jahrhundert reichen, dem direkten Steueramt (Tax Office), dem Accountant general of Excise, deſſen Tabellen das Material für Zweige der Productions- und Verbrauchsſtatiſtik geben, der General-Inſpection der Einfuhr und Ausfuhr, dem Registrar general of Shipping, dem Postmaster general, dem Comptroller of Corn Returns (Korneinfuhr) und der Münz— verwaltung aufgeſtellten Tabellen, die Returns of the Office of the Com- missioners for the Reduction of the national Debt, die R. of the s. Com- 3 mittee on the Bank of England, und die Returns of the Bank of Eng- land, die von den Commiſſionen für den Kohlenhandel und für die Hering— fiſcherei aufgeſtellten Tabellen, die Reports of the Registrar of Joint-Stock- Companies und die weiter zurückliegenden Nachweiſungen über Actiengeſell— ſchaften, ſowie über die Banken und Sparkaſſen. Ihrem ſtatiſtiſchen Inhalte nach find neben den älteren Tabellen dieſer Art auch die neuerdings erſchie— nenen Reports of the s. Committee on the Income and Property Tax hierher zu zählen. Die Einfuhr» und Ausfuhr-Tabellen in den Tables of 30 * ö 0 468 Miscellen: Revenue wurden mit der Zeit abgekürzt, dagegen ſind die Nachweiſungen über die Schiffahrt und die Handelsmarine (deren Statiſtik ſeit 1815 auch beſonders erſchienen iſt) in den letzten Jahren erweitert, auch hat man Ta— bellen der Durchfuhr ſeit 1850 hinzugefügt. (Die nicht auf Finanzen und Han— del bezüglichen in den Tables of Rev. abgedruckten Tabellen werden unten bei der Statiſtik der betreffenden Reſſorts erwähnt.) Außerdem giebt das Handels— amt ſeit 1839 monatliche Accounts relating to Trade and Navigation heraus; dieſen gingen vorher Statements of Import and Export, Returns of the Number of Vessels. Im vorigen Jahre zuerſt iſt für die Periode 1840 bis 53 vom Handelsamt ein Statistical Abstract veröffentlicht wor den, deſſen Tabellen ſich auf Finanzen, Handel, Schiffahrt, Aceiſe, Kornpreiſe, Münze, Sparkaſſen, Banknoten, Bevölkerung, Armenpflege und Auswande— rung beziehen; in ähnlichem Umfange erſchien in dieſem Jahre der Statistical Abstract für 1840 bis 1854. Die Volkszählungen wurden in Großbritannien ſeit 1801 alle zehn Jahre ausgeführt, anfangs nur mit Ermittelung der Kopfzahl und der Häuſerzahl, allmählig mit Unterſcheidung der perſönlichen Verhältniſſe. Die Reſultate ſind veröffentlicht worden in dem Enumeration and Parish Re- gister Abstract von 1821, dem comparative Account of the Population of Gr. Br. 1801 bis 31, dem Enum. and Par. Reg. Abstract von 1831 (erſchienen 1833), dem Abstract of Answers and Returns, Enumeration, Age, Occupation, Par. R. Abstract von 1841 (in 6 Bänden), und dem Census of Great- Britain 1851, Population Tables in 5 Bänden, die erſte Abtheilung die Volkszahl nach den ſechs Zählungen für alle Landesabtheilun— gen (politifchen, adminiſtrativen, kirchlichen), ſowie Flächeninhalt und Häuſer— zahl, die zweite Abtheilung dann Alter, Civilſtand, Beſchäftigung und Ge— burtsſtelle der Einwohner, ſowie die Statiſtik der Blinden, Taubſtummen, und der in Kranken-, Irren-, Arbeitshäuſern und Gefängniſſen befindlichen Perſonen, auch Tabellen des Grundbeſitzes und der in Gewerben und Land— wirthſchaft beſchäftigten Arbeiter enthaltend; ſie erſchienen in den Jahren 1852 und 1854. Mit dieſem Cenſus wurden Aufnahmen über die Statiſtik der Schulen, wiſſenſchaftlichen Inſtitute und Kirchen (den Kirchenbeſuch) verbun— den (Census etc., Religious Worship and Education); fie find 1854 her- ausgegeben worden. Ausgeführt wurden die früheren Cenſus durch Rickmann (empl. in arranging Returns under the Population Acts), die beiden letz— ten durch das General-Regiſter-Amt (G. Graham, W. Farr, H. Mann). Die Statiſtik der Geburten, Sterbefälle und Trauungen in England bearbeitete früher ebenfalls Niemann (welcher danach Bills of Mortality aufſtellte); die unvollkommene Regiſtrirung veranlaßte die Errichtung der General Register Office (Report of a Committee appointed to inquire into the State of Registers), unter dieſem wurden nach einer Einthei— lung, welche ſich an die neugebildeten Armenpflegebezirke anſchloß, in Fr ˙² ¹ ²²ůU A re U ³ W Me A en r , n 5 ’ 4 Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 469 den einzelnen Diſtricten Superintendent-Regiſtrer, den Unterdiſtricten Regi— ſtrer (im Ganzen 2190) angeſtellt. Die Thätigkeit des G. R.-Amts wurde 1845 auf die Ermittelung der Todesurſachen ausgedehnt (Circular to me- dical Praetitioners ete.). Das G. R.-Amt hat ſeit 1839 Jahresberichte (Annual Report of the Registrar general of Births, Deaths and Mar- riages in England) herausgegeben; die Nachrichten beginnen mit dem Juni 1837. Die Jahresberichte find bis zum neunten Bande in einer Folio, dann und ſchon vom fünften Bande an in einer Octav-Ausgabe erſchienen. Um- faſſende Zuſammenſtellungen der Mortalitäts- und Bevölkerungsverhältniſſe enthalten der ſechſte und der zwölfte Jahresbericht, an welchen letzten ſich Farr's Abhandlung über die neue engliſche Lebenstafel und ihren Gebrauch für Lebensverſicherungsanſtalten anſchließt; ſchneller als die ausführlichen Jahresberichte erſcheinen die Ueberſichtstabellen (in Folio). Das G. R.-Amt giebt außerdem ſeit 1840 Wochenberichte über die Geburten und Sterbefälle in London und ſeit 1849 Vierteljahrsberichte über die Geburten ꝛc. in Eng— land mit meteorologiſchen Tabellen heraus. Als ein beſonderes Werk iſt 1854 der Bericht des G. R.-Amts über die Cholera (Report on the Mortality of the Cholera in England 1848, 49) erſchienen. — Von anderen Arbei— ten aus der adminiſtrativen Statiſtik, welche ſich auf die Geſundheits- und Sterblichkeitsverhältniſſe beziehen, ſind zunächſt die des Board of Health zu erwähnen (ſie beginnen mit den Reports of the sanitary Condition of the labouring People of Great-Britain 1842 und 43); und Chadwicks Sup- plementbericht, betreffend die Beerdigung in den Städten; dann folgen u. A. die Reports of the Metropolitan sanitary Commission, die Annual Re- ports of the Board of Health für 1851 und die ſpäteren Jahre; hierher gehören weiter die zuſammengeſtellten Reſultate der Erfahrungen der Lebens— verſicherungs-Geſellſchaften und Friendly Societies (Report from the s. Comm. on Assurance Associations 1853 2c., Report from the s. Comm. on Friendly Societies, die Returns des Regiſtrers der Fr. S. und Finlai— ſon's Report on Sickness and Mortality in Fr. S. in England). Eine Zuſammenſtellung der Armenpflege in England ſeit 1801 (Abstr. of Ret. made to Parl. of Expenditure for the Relief of the Poor) iſt in den T. of Rev. abgedruckt; ſtatiſtiſches Material enthalten ferner die Reports of the s. Comm. on Poor Laws, worunter die 14 bändigen Rep. of the s. Comm. for ing. into the Advancement and practical Operation of the Poor Laws; ſeit Einrichtung der Armenverbände ſind die Annual Reports of the Poor-Law-Commissioners erſchienen (zuerſt 1835); das neu er— richtete P. L. Board für England giebt ſeit 1849 (zuerſt für 1849) Jahres- berichte heraus. Als ähnliche Gegenſtände betreffend können hier die Berichte und namentlich die Analitical Digests aus den Berichten der Comm. app. to ing. into Charities in England erwähnt werden; ferner die verſchiedenen Tabellen der Local Taxation (namentlich aus dem Rep. of the s. Comm. 470 Miscellen: von 1838) und die über ſtädtiſche Verfaſſung und Verwaltung überhaupt in Verbindung mit dem Muniecipal-Corporation- Act aufgeſtellten Tabellen (Rep. of the s. Comm. app. to ing. into M. C. in England 1836 ꝛc.). Tabellen der Parlamentswähler in Großbritannien find zu verſchiedenen Pe— rioden zuſammengeſtellt und veröffentlicht worden. Statiſtiſches Material über den Volksunterricht befindet ſich in den Berichten der ſeit 1816 beſtandenen Comm. of ing. into the State of Education of the People (für England), der Education Inquiry von 1835 und in den zahlreichen Mittheilungen des 1838 errichteten Committee of Council on Education, deſſen neuere Ar— beiten auch Schottland mit begreifen. Die Statiſtik der Auswanderung be— trifft alle drei Königreiche; Nachweiſungen derſelben ſind ſeit 1820 aufgeſtellt worden (Report of the s. C. on Emigration), und es werden alljährlich Returns exh. the Emigration from the U. K. regelmäßig vorgelegt. In der Criminalſtatiſtik beginnen die Zuſammenſtellungen von 1805 und ſind bis dahin bei Porter benutzt. Die Tables showing the Number of criminal Offenders erſchienen zuerft für 1834 (vergleichsweiſe bis 1820 zurückgehend); ſie werden im Miniſterium des Innern von Redgrave be— arbeitet. Die Statiſtik der Gefängniſſe findet ſich ſehr ausführlich behandelt in den Reports of the Inspectors general of Prisons in Great Britain, welche zuerſt 1836 erſchienen ſind (in deren Beilage Digests of Returns rel, to Prisons in England); außerdem enthalten ſtatiſtiſches Material die Jahresberichte der Directoren der Staatsgefängniſſe und die verſchiedenen Gaol Returns (Number of Persons comm. to the diff. Gaols in Eng- land 1814 bis 34 ꝛc.). Aus der Civilrechtspflege find ſtatiſtiſche Nachwei— ſungen erſt neuerdings zuſammengeſtellt worden (ſo in den Parlamentspapie— ren die Returns of County Courts, of the Court of Chancery zc.); ſchon ſeit 1820 wurden die Tabellen der Banferutte und die Returns of the In- solvent Debtors Court mitgetheilt. In den Tables of Rev. ſind die ftati= ſtiſchen Tabellen abgedruckt, welche von den Polizeibehörden der größeren Städte aufgeſtellt werden (ſo von der Polizei der Hauptſtadt und der Lon— don⸗City, von Liverpool, Mancheſter, früher auch von Birmingham und Hull); ſie enthalten außer den Tabellen der Polizeigerichtsbarkeit vermiſchte Tabellen, welche ſich auf die Thätigkeit in Betreff der Diebſtähle, Bordelle, Trunken— heit, Brände, Unglücksfälle ꝛc. beziehen; verſchiedene derſelben erſchienen auch beſonders (Metropolitan Police criminal Returns). Material für die induſtrielle Statiſtik geben die ſeit 1834 halbjährlich erſchienenen Reports of the Inspectors of Factories (in Großbritannien); auch ſind mehrmals und namentlich 1850 Ueberſichten der Manufactur-In— duſtrie der geſammten britiſchen Inſeln zuſammengeſtellt worden (enthaltend Number of Factories, Power and Hands employed); außerdem find hin— ſichtlich der Manufactur- und Bergwerks-Induſtrie die Berichte der Childrens Employment Commission (von 1833 und ſpäteren Jahren) und die Com- e j Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 471 miſſionsberichte on the Act for Regulation of Mills and Factories zu er— wähnen. In der Statiſtik der Mineralproduction iſt das Material ſehr un— gleich vorhanden; die Eiſenproduction in Großbritannien iſt für verſchiedene Jahre in den Tables of Revenue mitgetheilt worden, die Kupferproduction in England geben die Parlamentspapiere ſeit 1820 an, die Zinnproduction ergiebt ſich aus den Returns des Duchy of Cornwall Office. Tabellen des auf den Märkten verkauften inländiſchen Korns werden von den Korn-In—- ſpeetoren in England alljährlich zuſammengeſtellt. Statiſtiſche Nachweiſungen der Lebensmittelpreiſe ſind zu verſchiedenen Zwecken durch verſchiedene Behör— den aufgeſtellt, z. B. in dem Report of the s. Comm. on the State of Agriculture von 1833 ꝛc. und ſpäter in den Jahresberichten der Tithe Com- mission. Die Agrieultur= Statiftif überhaupt wurde vor etwa 20 Jahren von der Regierung in Angriff genommen, das aufgenommene Material da— mals der londoner ſtatiſtiſchen Geſellſchaft überlaſſen und in deren Journal mitgetheilt. Seit 1848 ſind neue Aufnahmen durch die Regierung veranlaßt worden; in dem im vorigen Jahre erſchienenen Bericht der Commiſſion für die Landwirthſchaft findet ſich der Umfang der einzelnen Culturarten und der | Viehſtand angegeben. Als der erſte in England entſtandene ftatiftifche Verein kann die ſtatiſtiſche Section der British Association for the Advancement of Seience- (errich- tet 1833) bezeichnet werden; ſie hat ſowohl ſelbſt eine ſtatiſtiſche Unterſuchung angeſtellt (on the Collieries upon the Tyne and Wear, 1838), als andere Privatunterſuchungen unterſtützt. Im Jahre darauf wurde die Londoner ſta— tiſtiſche Geſellſchaft gegründet; fie gab zunächſt ein Heft Transactions her- aus, dann abgeſondert den erſten Commiſſionsbericht über den Stand des Unterrichts in Weſtminſter, und drei Serien von Fragen, betreffend Verhält— niſſe der ackerbauenden und induſtriellen Bevölkerung, hierauf ſeit dem Mai 1838 das Journal, welches anfangs in monatlichen Heften, ſeit Juli 1839 in Vierteljahrsheften erſchien. Das Journal enthält die Verhandlungen und die Commiſſionsberichte; dieſe find zwei weitere Berichte der Commiſſion on the State of Education in Westminster, der Rep. of the Education Comm. on the Borough of Finsbury und der fünfte Bericht des Education Com- mittee, ferner der Report of the medical Comm. on Suicides in West- minster und on the State of the working Classes in two Parishes in Westm., der Rep. of the C. on the State of the Inhabitants of Church Lane St. Giles, zwei Berichte des Comm. on Hospital Statisties, der Rep. on Sickness and Mortality among the Metropolitan Police, der Rep. of the C. on the State of the poorer Classes in St. George in the East, und der Rep. of the C. on Education in South Staffordshire; außerdem hat die Geſellſchaft ftatiftifche Unterſuchungen in den Städten Leeds und Sheffield veranlaßt. Das Journal enthält aus der engliſchen Statiſtik ver— ſchiedene Abhandlungen von Fletcher (deſſen Moral and educational Sta- 472 Miseellen: tisties u. ſ. w.), von Porter, von Chadwick (über Lebensdauer), von Farr, H. Mann, Felkin, Guy, Neiſon (deſſen Beiträge zur Lebensſtatiſtik aus den Erfahrungen der Friendly Societies, Eiſenbahnunfälle ꝛc.), Tidd Pratt, Raw— ſon u. A. Soweit die Thätigkeit der Geſellſchaft über England hinausreicht, wird ſie weiter unten erwähnt werden. i Die ſtatiſtiſche Geſellſchaft zu Mancheſter wurde ſchon im Jahre 1833 geſtiftet; fie hat herausgegeben Reports of the Committee of the M. stat- Soc. on the State of Education in Manchester, in Bury, in Salford, in York, in Pendleton, in Rutlandshire, in Hull (bis 1841), on the Con- dition of the working Classes in an extensive manufacturing Distriet (1838), on the Condition of the Population in 3 Parishes of Rutland- shire (1839), eine Collection of miscellaneous Reports and Papers, und einen Aufſatz on the Demoralization and Injuries oecasioned by the Want of proper Regulation of Labourers engaged in the Construction of Rail- ways (1846); fie beſteht noch fort und erftattet Jahresberichte. Die übri— gen in England errichteten ſtatiſtiſchen Geſellſchaften haben ſich bald wieder aufgelöſt; es waren dies die ſtatiſtiſche Geſellſchaft zu Briſtol, 1836 errichtet, von deren Arbeiten die Statisties of Education in Bristol und ein Report of an Inquiry into the Condition of the working Classes in Bristol an- zuführen ſind; zweitens die ſtatiſtiſche Geſellſchaft zu Leeds, geſtiftet 1838, drittens die zu Birmingham, in demſelben Jahre errichtet (Arbeiten derſelben ſind der Report on the State of Education in Birmingham und die Eco- nomical Statistics of Birmingham), viertens die zu Liverpool, in demſelben Jahre geſtiftet, ſie ſtellte Unterſuchungen über die Lage der arbeitenden Klaſſen an, ihre Veröffentlichungen ſind ſehr gering. Schließlich muß hier, wenn es auch nicht als ein ſtatiſtiſches Inſtitut bezeichnet werden kann, das Institute of Actuaries erwähnt werden, deſſen Mitglieder auf dem Felde der Verſiche— rungsſtatiſtik ſehr thätig find, und welches den erſten ſtatiſtiſchen Congreß (durch S. Brown) beſchickt hatte. Zu denjenigen Zweigen, in welchen die ſchottiſche Statiſtik ſich von der engliſchen unterſcheidet, gehört zunächſt die Bewegung des Civilſtandes. Die Controle derſelben, beſonders die Eintragung der Ehen und der Geburten in die Parochialregiſter, iſt ſehr mangelhaft; das 1847 vorgelegte Geſetz über Ausdehnung des Regiſterſyſtems auf Schottland fiel durch. Eine Zuſammen— ſtellung der Bewegung des Civilſtandes in den Jahren 1842 bis 50 (Return of the Number of Births, Deaths and Marriages) befindet ſich in den Parlamentspapieren. Die Statiſtik der Lebensdauer iſt durch Privatthätigkeit ſehr gefördert worden; Clelands Vital Statisties of Glasgow ſind in den Tables of Revenue abgedruckt, die British Association hat einen Report on the vital Statistics of five of the chief Towns of Scotland veröf- fentlicht, die Vital Statisties von Edinburgh werden monatlich, vierteljähr— lich und jährlich (durch J. Stark) zuſammengeſtellt und veröffentlicht. Die Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 473 londoner ſtatiſtiſche Geſellſchaft hatte eine Commiſſton für die Ausdehnung des Regiſterſyſtems auf Schottland niedergeſetzt und theilte in ihrem Jour— nal Aufſätze über ſchottiſche Vitalſtatiſtik mit. Von den ſchottiſchen ſtati— ſtiſchen Geſellſchaften hat die 1836 zu Glasgow geſtiftete eine Abhandlung über Populations- und Medieinalſtatiſtik herausgegeben, ſie beſchäftigte ſich vorzugsweiſe mit der Statiſtik der weſtlichen Grafſchaften; die 1841 geſtif— tete ſtatiſtiſche Geſellſchaft zu Aberdeen wollte die Statiſtik der nordöſtlichen Grafſchaften bearbeiten, hat ſich jedoch bald aufgelöſt. Aus der Statiſtik des ſchottiſchen Armenweſens find namhaft zu machen: der Bericht der Com— miſſton der Kirchenverſammlung vom Jahre 1839 (Report by a Committee of the General Assembly of the Management of the Poor), die ſeit 1840 zuſammengeſtellten Poor rate Returns, die Berichte des Board of Supervision for the Relief of the Poor und die in den letzten Jahren ſeit 1849 aufge— ſtellten Armentabellen (auch wird hierher der Bericht der Central-Commiſſion der Edinburgh Society for the Relief of the Destitute in the Highlands von 1851 zu zählen ſein). Die Statiſtik der Friendly Societies iſt in den Jahresberichten des Regiſtrers enthalten; die Statiſtik der Wahnſinnigen hat man in mehreren Jahren aufgenommen (die ſtatiſtiſchen Tabellen des Glasgower Itrrenhauſes wurden in den Tables of Revenue abgedruckt). Hinſichtlich des Unterrichtsweſens find hier noch die Berichte zweier Unterſuchungs-Commiſſio— nen (Answers on parochial Education von 1826 und Abstract of Ans- \ wers and Returns on Education von 1837) zu erwähnen, aus der Civil— Rechtspflege die Vorlagen des Court of Session an das Parlament, aus der * Criminalrechtspflege die Tables of eriminal Offenders, aufgeſtellt feit 1832, in der jetzigen Form aber, d. h. den engliſchen ähnlich, ſeit 1836 alljährlich vom Lordadvokat für Schottland dem Parlament vorgelegt, aus der Sicherheits— Polizei die Berichte über die Zahl der wegen Trunkenheit verhafteten Perſo— nen in Edinburgh und Glasgow, aus der Gefängnißverwaltung die ſeit 1840 erſtatteten Berichte des G. Board of Directors of Prisons. Die Aufſtellung einer ſchottiſchen Agriculturſtatiſtik (Tabellen des landwirthſchaftlich benutzten Bodens, des Viehſtandes, der Ernte) ift von der Highland and agrieultu- ral Society of Scotland zuerſt für das Jahr 1854 unternommen worden (Report on the agricultural Statisties in Scotland). Endlich iſt Sinclair's ftatiftifche Beſchreibung von Schottland zu erwähnen, deren Material von den einzelnen Pfarrern kirchſpielsweiſe geliefert worden war, und die ſpäter von dem Verein für die Hinterbliebenen von Geiſtlichen neu herausgegeben wor— den iſt. Selbſtändiger iſt die iriſche Statiſtik. Cenſusaufnahmen fanden in Ir— land in den Jahren 1813, 21, 31, 41 und 51 ſtatt (außerdem der Census of religious Denominations von 1834); von den früheren wur— den Abstracts veröffentlicht; die beiden neueſten führte das Cenſusamt in Dublin aus; die Reſultate des Cenſus von 1841 wurden in dem Report ATA Miscellen: of the Commissioners appointed to take the Census in Ireland veröffent— licht, ſie ſtehen an Specialität ungefähr denen des neueſten britiſchen Cenſus gleich; daneben wurde in demſelben Bericht die Bewegung des Civilſtandes des Jahrzehnts 1831 bis 40 zuſammengeſtellt (mit Eingehen auf die Todes— urſachen). Die Reſultate des letzten Cenſus find grafſchaftsweiſe dem Parla— ment vorgelegt, auch in allgemeineren Berichten dargeſtellt worden (Theil 3 enthält den Report on the State of Disease); die Statiſtik der Taub— ſtummen, nach dieſem Cenſus vom Commiſſar Wilde bearbeitet, iſt in dem Journal der londoner ſtatiſtiſchen Geſellſchaft abgedruckt. Außerdem wird die Agriculturſtatiſtik ſeit 1847 alljährlich aufgeſtellt (die Zählung des Vieh— ſtandes hatte ſchon 1841 ſtattgefunden); dieſe angeblich vom Registrar ge- neral erſtatteten Returns of agricultural Produce in Ireland enthalten die landwirthſchaftlich benutzte Bodenfläche, den Viehſtand und eine Schätzung der Production. Aus den Veröffentlichungen über die Armenpflege in Irland ſind hervorzuheben die Reports of the s. Comm. on the State of the Poor in Ireland 1830 ꝛc. und of the Comm. of Ing. into the Condition of the poorer Classes in Ireland 1835 zc., für die Jahre 1839 bis 47 ift die iriſche Armenpflege in den engliſchen Armencommiſſions-Berichten enthal- ten, ſeit 1847 in den Jahresberichten der Commiss. for administering the Laws for Relief of the Poor in Ireland. Das iriſche Unterrichtsweſen be— handeln die Jahresberichte der 1809 errichteten Comm. of Ing. into the State of Education in Ireland, der Rep. of the s. Comm. on Education — . ee u von 1825 ꝛc., und die Annual Reports of the Comm. on national Edu- cation, welche ſeit 1834 erſchienen find. Hinſichtlich der Civilrechtspflege find die von den hohen Gerichtshöfen in Irland aufgeſtellten Nachweiſungen (Grund— rentenrückſtände, Emiſſionen ꝛc. betreffend), in der Criminalrechtspflege die Tables of criminal Offenders zu erwähnen; dieſelben erſchienen zuerſt 1835 (für 1828 bis 34), doch iſt das Material ſchon ſeit 1805 vorhanden (bei Porter); ſie werden aus den Returns made to the Inspectors of the Gaols by the Clerks of the Crown and Peace zuſammengeſtellt; ftatiftifche Tabellen der Gefängnißverwaltung geben die Berichte der Insp. general on the State of Prisons in Ireland, welche ſeit 1823 jährlich erſchienen ſind; die Dublin Police Returns enthalten die Tabellen der Polizeigerichts barkeit, Beaufſichtigung der öffentlichen Häuſer ꝛc. Andere amtliche Zuſammenſtellun— gen aus der iriſchen Statiſtik betreffen die Parlamentsreform (Wählertabellen), die Irrenanſtalten in Irland, die Hoſpitäter in Dublin, den Grafſchaftshaus— halt, die Municipal Corporations, die Loan Funds, die Friendly Societies, den Verkehr auf dem Shannon und den Kanälen, die öffentlichen Bauten. Der Verkehr mit England wurde im erſten Viertel dieſes Jahrhunderts con— trolirt, ſeitdem beſchränken ſich die Nachrichten auf den Getreideerport. Ver— ſchiedenes ftatiftifches Material findet ſich in den Berichten der iriſchen Eiſen- bahn-Commiſſionen (3. B. von 1835), der Zehnt-Commiſſionen (ſeit 1831) Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 475 und der Handelskammern. Die Zuſammenſtellungen der iriſchen Manufactur— Induſtrie wurden oben erwähnt. — In Belfaſt iſt 1838 eine ſtatiſtiſche Ge— ſellſchaft für Ulſter errichtet worden; ſie war in verſchiedene Sectionen für Unterricht, Medieinalſtatiſtik, Wohlthätigkeit, Bergbau ꝛc. vertheilt. Die lon— doner ſtatiſtiſche Geſellſchaft hat in ihrem Journal zahlreiche Aufſätze über iriſche Statiſtik abgedruckt; fie beziehen ſich auf die verſchiedenſten Verhält— niſſe, u. A. auf die Sterblichkeit in Cork und Limerik, Pauperismus, Kran— kenpflege, Agricultur, Fiſcherei, Manufactur, Geldverkehr, Auswanderung. Die Herausgabe einer allgemeinen ſtatiſtiſchen Beſchreibung von Irland hat die iriſche Vermeſſungscommiſſion (Ordnance Survey) ſeit dem J. 1837 unter- nommen. Die Hauptquellen der Colonialſtatiſtik ſind die jährlich von den Gouver— neurs für das Colonienminiſterium aufgeſtellten Tabellen; ſie wurden im Jahre 1821 eingerichtet und erfordern in ihrem größten Umfange ſtatiſtiſche Nachrichten über Bevölkerung (nach Farbe und Beſchäftigung), Geburten, Sterbefälle, Trauungen, Miliz, Unterricht, Kirchen, Gefängniſſe, Flächeninhalt, cultivirtes Land, Agriculturproduction, Viehſtand, Manufacturen, Bergwerke, Fiſchereien, Handel und Schiffahrt, auch Schiffbau, Geldumlauf, Colonial— finanzen, Preiſe und Arbeitslohn. Obwohl die Tabellen gleichmäßig aufge— ſtellt werden ſollten, ſo iſt doch ihre Vollſtändigkeit nach den einzelnen Co— lonien verſchieden; ſie finden ſich größtentheils von 1831 und 32 an in den Tables of Rev. abgedruckt. Die Handels- und Schiffahrtstabellen erſcheinen : faft uniform; fie werden von den Zollbeamten aufgenommen und find (mit Aus— nahme von Jamaica) ſeit 1827 für die damaligen Colonien vorhanden; nach— her kamen auch die Tabellen für einzelne neuere Colonien hinzu; ſie werden auch jetzt noch in den Tables of Revenue abgedruckt, woſelbſt auch (bei der britiſchen Marine) die Handelsmarine aller britiſchen Beſitzungen angege— N ben iſt. Hinſichtlich der europäiſchen Beſitzungen iſt zu bemerken, daß Man und die normanniſchen Inſeln in vieler Beziehung (namentlich ang. Cenſus— aufnahmen und Handel) in der Statiſtik von Großbritannien mitbegriffen ſind, daß von Gibraltar, Malta und den joniſchen Inſeln Tabellen ungefähr in dem für die Colonien bezeichneten Umfange aufgeſtellt werden. — Der Eenfus von 1851 ſollte ſich auf alle Beſitzungen und Colonien erſtrecken; wirklich vorge— legt ſind bis jetzt die Reſultate des Cenſus in den nordamerikaniſchen Colonien. ate fanden in den nordamerikaniſchen Colonien die Zählungen zu verſchie— dener Zeit ſtatt (z. B. der letzte in Ober-Canada 1842, in Nieder-Canada 1844, in New-Brunswik 1840, in Nova Scotia 1838, in Prince Edward J. 1841, in Newfoundland 1845); ungefähr in jedem Decennium wurde in allen nordamerikaniſchen Colonien einmal gezählt. Die Cenſus in den nordamerikani— ſchen Colonien find beſonders vollſtändig und vielſeinig aufgenommen; fie find mit Statistical Returns d. h. Aufnahmen der Production, Induſtrie ꝛc. verbunden; dagegen fehlen theilweiſe die Angaben über die Bewegung des Civilſtandes. AT6 Miscellen: Statiſtiſches Material über die nordamerikaniſchen Colonien enthalten auch die Reports of the s. C. on the affairs of the Northamerican Colonies und insbeſondere der Commiſſion für Canada und das Journal der canadi- ſchen Legislative; beſonders ſind neuerdings die Statisties of Nova Scotia nach dem Cenſus von 1851 von Maceulloch (Seeretair des ſtatiſtiſchen Bu- reau's) herausgegeben worden. Die Länder der Hudſonsbay-Compagnie hat die Statiſtik bis jetzt kaum berührt; zu erwähnen ſind daſelbſt nur die Auf— nahmen über das Red-River-Settlement von 1843 und der Report on the Results of a Census of Indian Tribes in the Oregon Territory von 1845 (vor der Theilung deſſelben). — Die ſtatiſtiſchen Tabellen von den 17 weſtindiſchen Colonien ſind ziemlich vollſtändig; ſie begreifen auch die Bewe— gung des Civilſtandes. Die letzten Zählungen vor 1851 hatten auf Jamaica und den kleinen Antillen 1844, auf den Bahamas und in Guiana 1841, auf den Bermudes 1840, in Honduras 1826 ftattgefunden. Beiträge zur Statiſtik von Weſtindien enthalten die Berichte des s. Comm. on the commer- cial State of the West-Indies, ferner ſowohl für Weſtindien, als für das | Capland und Mauritius die Parlamentspapiere aus den dreißiger Jahren, welche ſich auf die Aufhebung der Sclaverei beziehen; ſie theilen die Selaven— regiſter (Bewegung der Sclavenbevölkerung) ſeit 1816 mit. — Die ftatifti- ſchen Zuſammenſtellungen von den afrikaniſchen Beſitzungen begreifen das Capland (die Tabellen ſind hier ſehr vollſtändig), die Sierra Leona und Gambia, und ſeit 1840 St. Helena, die Cenſus ſtammen aus verſchiedenen Jahren. Statiſtiſche Angaben über Cape-Coaſt enthalten die Parlaments- Papiere von 1847, über Fernando Po der Commiſſionsbericht von 1834; Britiſh-Kaffraria iſt in dem 1852 vorgelegten Return of the Population of the Colony of the Cape of Good Hope mitbegriffen. — Aus den Beſitzun— gen in den indiſchen Meeren werden vollſtändige ſtatiſtiſche Tabellen mitge— theilt; die Zählungen finden in Mauritius häufig ſtatt, in Ceylon ſoll die letzte Zählung (vor 1851) im Jahre 1843 ſtattgefunden haben; ſtatiſtiſche Nachrichten über Ceylon enthalten auch die Reports of the s. Comm. on Ceylon, wovon der dritte 1852 vorgelegt wurde. Statiſtiſche Nachrichten über Hongkong giebt M. Martins auf officielle Ermittelungen gegründeter Bericht in feinem Werke über China. — In den auſtraliſchen Colonien ha- ben die letzten Zählungen vor 1851 auf dem Feſtlande 1846, in Vandiemens⸗ land 1847, in Neu-Seeland 1844 ſtattgefunden. Die ſtatiſtiſchen Aufnah— men, welche in Neu-Süd-Wales (ſeit 1837 einſchließlich Port Philipp) und in Vandiemensland erfolgen, ſind die vielſeitigſten von allen Aufnahmen in britiſchen Colonien; ſie gehen bis 1829 bez. 1824 zurück und begreifen u. A. auch die Criminal- und Polizeiſtatiſtik, Prozeſſe, Poſt, Vieheonſumtion u. |. w. Statiftifche Mittheilungen über Weſtauſtralien find ſeit 1834, über Südauſtra— lien ſeit 1839 vorhanden. Tabellen der Sträflinge in Neuſüdwales und Van— diemensland werden dem Parlament vom Miniſterium des Innern vorge- | Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik. 477 | legt, fie gehen bis 1823 zurück. Statiſtiſches Material enthalten ferner die . Jahresberichte der Handelskammer von Melbourne. — Eine wichtige Quelle der Colonialſtatiſtik (namentlich für Nordamerika und Auſtralien) ſind die Annual Reports of the Land and Emigration Commissioners, wovon der erſte im Jahre 1841 (für 1839) erſchien; demſelben gingen vorher die Re- ports of the Comm. on the Disposal of Land in the Colonies. Eine Zuſammenſtellung der Handelsſtatiſtik aus den officiellen Quellen giebt Dan— ſon's Commercial Progress of the Colonies, herausgegeben von der lon— Doner ſtatiſtiſchen Geſellſchaft; außerdem finden ſich im Journal dieſer Ge— ſellſchaft Aufſätze aus der Statiſtik von Jamaica, Guiana, Ceylon, Neu-Süd— Wales, Suͤd⸗Auſtralien und Neu-Seeland großentheils aus officiellen Be— richten mitgetheilt; eine andere officiellen Quellen entnommene Zuſammen— ſtellung der Colonialſtatiſtik ift die von M. Martin von 1839. Beiträge zur Vitalſtatiſtik der Colonien giebt die Bearbeitung der Statiſtik der britiſchen | Armee, ſowohl in amtlichen Berichten (Statistical Reports of Sickness, M.ortality and Invaliding among the British Troops, in the Mediterra- nean, in British America, in the West Indies etc.), theils in Aufſätzen von Tulloch und Balfour im Journal der londoner ſtatiſtiſchen Geſellſchaft, und die der Statiſtik der britiſchen Marine (Statistical Report on the Health of the Navy), welche durch Burnett und Bryſon aufgeſtellt wird. Mittheilungen aus der Statiſtik von britiſch Indien finden ſich haupt— ſaͤchlich in den Reports from the s. Comm. on the Affairs of the East India Company; der erſte derſelben iſt aus den Jahren 1808 bis 13, der zweite von 1832, welcher in ſechs Theilen die Verwaltung, die Finanzen, den Handel, die Rechtspflege und die Militairverhältniſſe behandelt; der neueſte Commiſſtonsbericht (Report of the s. C. on the Indian Territories in den Parlamentspapieren von 1852) enthält eine Anzahl vom ſtatiſtiſchen Bureau im Eaſt⸗India-Houſe mitgetheilter Tabellen, betreffend die Erwerbungen ſeit dem Mai 1834, den Beſtand an Land und Bevölkerung im Jahre 1851 (ap— proximativ auch für die einheimiſchen Staaten), die Statiſtik der Unterrichts anſtalten und des Cultus, der Eiſenbahnanlagen ꝛc.; derſelbe enthält ferner an Tabellen aus anderen Regierungs-Departements den Beſtand der Armee in den Jahren 1834 bis 51 und den der Marine, und die Statiſtik der Ci— vil⸗ und Criminalrechtspflege aus den Jahren 1849 und 50. Die Tabellen der Rechtspflege umfaſſen den größten Theil des unmittelbaren Gebiets der Compagnie; ſie werden in den einzelnen Präſidentſchaften nach verſchiedenen Grundſätzen aufgeſtellt, beziehen ſich auf die Thätigkeit aller Inſtanzen, theil— weiſe auch auf die Gefängniſſe; am ausführlichſten ſind die Tabellen der Prä— ſidentſchaft Madras (ſie unterſcheiden z. B. die einzelnen Verbrechen, die Dauer der Haft ꝛc.). Eine ſpeeiellere Zuſammenſtellung des Flächeninhalts und der Bevölkerung geben der Bericht des ſtatiſtiſchen Bureau's vom Jahre 1851, und der Return of the trigonometrical Survey of India vom Jahre 1850; 478 Miscellen: der letzte enthält die Reſultate der in Verbindung mit der Steuerverfaſſung \ und in den Nordweſtprovinzen mit der Anlage von lokalſtatiſtiſchen Aufſtel— lungen ausgeführten Vermeſſung. Das ſtatiſtiſche Bureau der oſtindiſchen Me Regierung ift im Jahre 1846 bei dem Miniſterium des Innern errichtet wor— den und ſteht unter der Direction von E. Thornton (zugleich Herausgeber des Gazetteer of the Territories under the Government of the E. I. C.). Das ſtatiſtiſche Bureau hatte ſchon 1846 einen Cenſus ausgeſchrieben, wel- cher auch wenigſtens in dem größeren Theile der Präſidentſchaften Madras N und Bombay und in den Nordweſtprovinzen zur Ausführung gekommen iſt, während in anderen Theilen nur die früheren Cenſus revidirt worden ſind; in der Regel iſt nur nach Familien gezählt. Die Reſultate für die Nord— weſtprovinzen find in Shakespear's amtlich aufgeſtelltem Memoir on the State of the North West Provinces of the Bengal Presidency veröffentlicht; ältere lokale Cenſus, wie zu Allahabad und Bombay, ſind im Journal der londoner ſtatiſtiſchen Geſellſchaft beſprochen. Die Behandlung der Vitalſta— tiftif wird durch die in einzelnen Städten (Calcutta, Bombay, Chittagong) beſtehende Regiſtrirung der Sterbefälle erleichtert (Report on the Mortality of Calcutta 1847 c.), ferner durch die Aufnahmen über die Sterblichkeit in der Armee, deren Ergebniſſe ſowohl nach den Mittheilungen des betreffenden Medieinalbureau's die zu dieſem Zwecke eingeſetzte Commiſſion der londoner ſtatiſtiſchen Geſellſchaft veröffentlicht (Report of a Comm. of the L. stat. Soc. upon the Siekness and Mortality among the European and native Troops of the Madras Presidency, in 1840, 41), als namentlich Sykes für alle drei Präſidentſchaften und für ſpätere Jahre in Aufſätzen im Journal derſelben Geſellſchaft beſprochen hat. Von demſelben Verfaſſer rühren auch die gleichfalls unmittelbar amtlichen Quellen entnommenen Darſtellungen der Statiſtik der Civil- und Criminalrechtspflege in den verſchiedenen Präſident— ſchaften ſeit 1836 und die der Unterrichtsanſtalten, Irrenhäuſer, der Zucker- production, Getreidepreiſe und aus der Finanzverwaltung in derſelben Zeit— ſchrift her. Mittheilungen über die oſtindiſchen Finanzen gehen alljährlich an das Parlament und werden in den Tables of Rev. abgedruckt; ebendaſelbſt wurden früher die oſtindiſchen Handels- und Schiffahrtstabellen (ſeit 1811) und insbeſondere die, welche ſich auf den Verkehr der Compagnie mit China beziehen, mitgetheilt; beſonders erſchienen iſt 1841 das Statement of the Commerce of the Madras Territories. Die Verwaltungsberichte über die Punjab-Terri⸗ torien find für 1849 bis 53 veröffentlicht worden. Als halboffieielle in Oſtindien erſchienene Werke ſtatiſtiſchen Inhalts ſind Andrew de Cruz On the political Relations between the British Government and the native States von 1843 und Montgommery's Statistical Report on the District of Cawnpoor von 1849 zu bezeichnen; zahlreiche Mittheilungen aus officiellen ſtatiſtiſchen Documenten geben M. Martin in feiner oſtindiſchen Geſchichte und Statiſtik und Macgregor in feiner Handelsſtatiſtik. Vei der Asiatie Society of Ben- r ee RM Die Provinz Chiloe in Chile. 479 gal zu Calcutta iſt eine ſtatiſtiſche Commiſſion errichtet worden. In den ebendaſelbſt herausgegebenen Asiatic Researches finden ſich ſtatiſtiſche Artikel mitgetheilt (3. B. über den Cenſus von Benares). N. Boeckh. (Schluß folgt.) Die Provinz Chiloe in Chile. (Schluß.) Schiffsbau. Dieſer Gewerbszweig macht reißende Fortſchritte; 8 bis 10 Jahre früher kannte man noch keine anderen Fahrzeuge, als die ſogenannten Piroguen, welche mit einem der Binſe ähnlichen Gewächs, Quinileja genannt, genäht und hoͤchſtens mit Holzpflöcken genagelt waren. In der Form glichen fie den Schaluppen, nur waren ſie etwas größer. Das Segelwerk beſtand aus 4 oder 6 Lappen aller Farben, die, wenn man fahren wollte, mit den Nadeln der Quila zuſammengeheftet wurden; zu Tauen dienten aus der erwähnten Quinileja gedrehte Stricke, befeſtigt an einem zwiſchen zwei halbzirkelförmig ſich kreuzenden Hölzern liegenden Stein, was die Leute sacho nannten. N 9 Gegenwärtig ſind die Piroguen verſchwunden und an ihrer Stelle wer— den die Canäle der Provinz von zierlichen Lanchas, Balandras und Goeletten = ſicherer und guter Bauart durchfurcht. Das Tauwerk und die Geräth- ſchaften der Fahrzeuge unterſcheiden ſich in nichts von denen großer Schiffe, und wenn dennoch in den inneren Departements noch geringere Fahrzeuge, als die genannten, eriſtiren, ſo ſind ſie doch ohne Vergleich beſſer, als die ehe— maligen Piroguen. Gegenwärtig giebt es in der Provinz folgende Fahrzeuge: { Bark⸗Goeletten . 2 Goeletteennn 14 Balandrass .. . 61 Lanchas (Zillen) .. 756 Piroguen und Bote 0542 Schal uppen 8 Bongag e %ı=)s 366 zuſammen 1752. Im Bau begriffen ſind: 1 Fregatte (2), 1 Brigantine, 2 Goeletten, 10 nchas. Die Baumeiſter und Zimmerleute der Seefüfte ſind mit Ausnahme eines inzigen ſämmtlich Landeseingeborene und haben ihre Grundſtücke im Innern 480 Miscellen: der Provinz. Dieſe Leute haben eine angeborene Neigung für eine ſolche Be— ſchäftigung, und es genügt, daß ſie ein oder zwei Mal ein Schiff bauen geſehen haben, um das gleiche Unternehmen ſelber zu wagen. Man möchte überhaupt ohne ſonderlichen Irrthum die Bewohner von Chiloe alle Zimmerer nennen, ſo durchaus allgemein iſt die Beſchäftigung mit Axt und Beil. Der Hölzer zum Schiffsbau giebt es viele, ausgezeichnet darunter ſind der Roble (Steineiche), die Luma, das ſchwerſte und dauerhafteſte, für ſehr viele Dinge ſich eignende Holz, der Polü, der Tique, die Cypreſſe, beſonders zu Maſtbäumen geſchätzt, die Alerce (Ceder), der höchſte Baum von allen und von allerlängſter Dauer, der Muermo, der Maniu, der Haſelnußbaum und viele andere, die nicht von geringerem Werthe, als die genannten, ſind. Unter den verſchiedenen Induſtriezweigen, die in Chiloe mit anerkanntem Vortheil geſchaffen werden könnten, verdient der Walfiſchfang und der Fiſch— fang einen der vorzüglichſten Plätze. Die Walfiſche find, je nach der Jahres- zeit, ſehr zahlreich um den Archipelagus in der Nähe der Drei-Berge, und die Fiſche ſind von mannigfacher Art und in unerſchöpflicher Menge; weſt— lich der großen Inſel giebt es Plätze, wo man ſie in ſo beträchtlicher Zahl fangen könnte, daß ſie nicht blos für den Verbrauch des Innern ausreichen, ſondern auch einen Ausfuhrartikel gewähren dürften. Der Seehundsfang, ebenfalls von anerkanntem Nutzen, wurde ſonſt von Leuten in Chonchi und Carelmapu betrieben, ſie haben ihn aber — wohl ohne zu wiſſen warum — aufgegeben. Der Cyder, hier Chicha genannt, war vor 12 oder 15 Jahren in Menge vorhanden und galt die Arrobe nur 2 bis 3 Realen, während dieſe heut zu Tage da, wo man Cpder findet, 3 bis 4 Peſos gilt. Dieſer auffallende Wechſel rührt davon her, daß die Apfelbäume unfruchtbar geworden ſind, ohne daß N man die wahre Urſache anzugeben vermag. Im Allgemeinen glaubt man, daß das große Erdbeben von 1837 den Verluſt dieſer Frucht verurſacht habe, die für die Einwohner nicht blos des vielen daraus gezogenen Saftes wegen von Wichtigkeit war, ſondern auch weil jede Bauernfamilie vermittelſt derſel— ben eine anſehnliche Zahl von Schweinen halten konnte, deren Schinken einen bemerklichen Ausfuhrartikel bildeten. In der Provinz exiſtiren zwei Brennereien; eine Bierbrauerei iſt man im Begriff hier in Ancud anzulegen. Ueber das Mineralreich und ob das Innere der Erde Metalle enthält, oder nicht, iſt man ohne Kenntniß in Chiloe. Der einzige foſſile Schatz, den man kennt, der aber auch in allen Landestheilen reich verbreitet iſt, iſt die Steinkohle. Verſuche, die man zur Gewinnung dieſes Brennſtoffs an ver- ſchiedenen Orten angeſtellt hat, ſind überall von gutem Erfolge geweſen, wenn auch die oberſte Kohlenſchicht immer von geringerer Qualität war. Ich denke, daß die Zeit nicht fern iſt, in welcher die Chiloten Hand an die Aus— beutung dieſer Minen legen und ſie zu verdienter Bedeutſamkeit erheben werden. S Die Provinz Chiloe in Chile. 481 Von Geweben kennt man keine anderen, als den Carro, ähnlich einem fein gearbeiteten Berkan (Camlot), und die Sabanilla, identiſch mit dem Fla— nell. Der Poncho wird, was Farbe und Arbeit betrifft, in verſchiedener Be— ſchaffenheit angefertigt; außerdem giebt es Bettdecken, die man kaum für 10 bis 12 Peſos erhält, aber auch geringe zum Gebrauch der ärmeren Volks— klaſſe, endlich Kirchen- und Zimmer-Fußteppiche. Meiſtens werden alle dieſe Gewebe von den Landleuten für ihren eigenen Gebrauch angefertigt, weshalb ſie auch geringer ausfallen, als wenn ſie auf Beſtellung gearbeitet würden. 9 9 n IE a Wohlthätigkeit. Es giebt in der ganzen Provinz nur eine Wohlthätigkeits-Anſtalt, näm⸗ lich das im December 1850 eröffnete Hoſpital zu Ancud, über welches ich folgende Angaben machen kann. Das Grundſtück hat einen Umfang von 8 Quadras; in dieſem Raume befindet ſich ein Viereck von 64 Varas, welches die Wohnung des Hausmei— ſters, des unmittelbaren Vorgeſetzten aller Theile der Anſtalt, enthält. Die für Männer beſtimmte Abtheilung iſt ein Gang von 26 Varas Länge und 8 Varas Breite; darin befinden ſich 2 Säle von je 11 Varas Länge und 3 V. Breite, und zwiſchen den beiden Abtheilungen iſt ein bedeckter Eingang von 3 Varas Länge und 14 V. Breite. Jeder Saal faßt 12 Zellen mit den entſprechenden Betten, wovon jedes aus 2 Bettlaken, 2 Decken, 1 Matratze und 1 Kopfkiſſen beſteht. Die Abtheilung für Frauen bildet die Nordſeite des Vierecks und iſt 14 Varas lang, 8 Varas breit. Ihr Saal enthält 8 Zellen für eine gleiche Zahl von Betten. Derſelbe ward am 8. Januar dieſes Jahres eröffnet, hat aber für jetzt gar keine Einkünfte, und nur mit- telſt Erſparniſſen und Regelmäßigkeit bei dem Männerhoſpital konnte man es dahin bringen, dieſen Zufluchtsort für arme kranke Frauensperſonen der Pro— vinz zu gründen. Getrennt von dieſem Saale durch einen bedeckten Ueber⸗ gang befinden ſich 2 kleine Zimmer, wovon das eine zur Apotheke, das an— dere zur Aufbewahrung der Bekleidungsgegenſtände beider Hoſpitäler dient. Gegenüber dem Gebäude des Männerſaals iſt ein anderer Corridor von 17 V. Länge und 7 V. Breite, der 4 Piecen enthält, die eine für Kinder, die andere zur Vorrathskammer, die dritte zur Küche, die vierte zur Hoſpital⸗ wache. Das bei beiden Anſtalten verwendete Perſonal iſt folgendes: Ein Adminiſtrator, der ſein Amt unentgeltlich verwaltet, ein Hausmeiſter mit monatlich 25 Peſos — Centeſimos, ein Krankenwärter = 8 „ — = ein Wächter = = 8 - — = Latus 41 Peſos — Centeſimos, Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 31 482 Miscellen: Transport 41 Peſos — Centeſimos, eine Wächterin mit monatlich 4 - 50 = eine Wäſcherin = = 3 „ — - eine Köchin = 5 2 50 = eine Frauenkrankenwärterin mit 4 55 Peſos — Centeſimos ). Eine Perſon von anerkanntem Eifer und Theilnahme für die leidende Menſchheit an die Spitze der Anſtalt zu ſtellen, war eine der erſten Maß— regeln, die ich, ſobald ich daran denken konnte, getroffen habe. Denn ohne einen anderen Oberen oder Dirigenten, als einen bloßen Hausmeiſter, traten verſchiedene merkliche Uebelſtände ein, die gegenwärtig durch den Ernſt und Eifer des Directors beſeitigt ſind. Das Männerhoſpital allein bezieht jährlich 1200 Peſos, die ihm durch die Regierung ausgeſetzt ſind, nebſt den Stellen für Kranke der Garniſon, die ſich nicht ſicher berechnen laſſen, da man einmal 4 oder 5 Kranke, ein ande— res Mal keinen hat, doch kann man durchſchnittlich 2 kranke Soldaten auf den Tag annehmen; dazu kommt noch der Grundzins des auf Grundſtücken ?) des Hoſpitals belegenen Pulverhauſes, der monatlich 10 Peſos einträgt. Das Frauenhoſpital hat, wie geſagt, gar keine Einkünfte und ſelbſt nicht das kleinſte Almoſen, folglich muß jeder Bedarf für daſſelbe aus den Fonds des Männerhoſpitals genommen werden. Seit dem Datum der Eröffnung des Männerhoſpitals, alſo vom Januar 1851 bis Ende April 1854, hat folgender Wechſel ſtattgefunden: Eingebracht: im Jahre: Männer: Frauen: Zuſammen: 1851 219 — 219 1852 261 — 261 1853 226 — 226 1854 1. Jahresdrittel 71 10 81 Zufammen 777 10 787 Entlaſſen: im Jahre: Männer: Frauen: Zuſammen: 1851 207 — 207 1852 250 9 250 1853 221 — 221 e 1854 1. Jahresdrittel 64 8 72 Zuſammen 742 8 750 1) Hochſt billig! 2) Indem der Text ausdrücklich ſagt: en terrenos, nehme ich an, daß 125 ein entfernt liegendes Grundſtück fei, denn es iſt wohl nicht denkbar, daß auf dem a des Hoſpitals ſelbſt ein Pulvermagazin befindlich ſei. n P ²˙öÄrP gn ee 1 Die Provinz Chiloe in Chile. 483 Geſtorben. im Jahre: Männer: Frauen: Zuſammen: 1851 12 — 12 1852 11 — 11 1853 5 — 5 1854 1. Jahresdrittel 3 1 4 Zuſammen 31 1 32 (d. h. 4,5; pCt.) Bedeutende Verbeſſerungen ſind ſowohl in der Verwaltung der Anſtalt, als in der Krankenpflege ſelbſt gemacht worden, ferner bei dem Ankauf der Geräthſchaften und ſonſt erforderlichen Artikel, alles mit dem Zwecke, durch Erſparniſſe immer den Bedürftigen Hülfe leiſten zu können. Wenn Ew. ꝛc. die Summe der feſten Gehälter, die 55 Peſos monatlich betragen, im Auge behalten, und ebenſo monatlich 40 Peſos, die für die ge— wöhnliche Krankenpflege, einen Durchſchnittsſatz für die Zahl der Kranken an— genommen, aufgehen, ſo werden Sie erkennen, daß Einkommen und Ausgabe ſich die Wage halten, und man daher mit möglichſter Oekonomie verfahren muß, um die außergewöhnlichen Ausgaben für Geräthſchaften, Wäfche und dergl. zu beſtreiten. N Seit dem erſten Male, als ich das Hoſpital perſönlich beſuchte und deſſen Entlegenheit von der Stadt wahrnahm, überzeugte ich mich, daß es bei der ſchlechten Jahreszeit nicht gehörig werde verſorgt werden können. Faſt täglich ergeben ſich Uebelſtände, um derenwillen deſſen Verſetzung in ein näher gelegenes Local rathſam erſcheint; auch habe ich mehr als einmal die Mittel dazu, ohne dem Fiscus eine ſtärkere Belaſtung zuzuſchreiben, zu erlangen ver ſucht. Leider entſprach das Ergebniß meinem Wunſche nicht. Magiſtrate (Municipalidades). Es giebt deren 10 in der Provinz, d. h. eine für jedes Departement; nimmt man übrigens die Stadt Ancud aus, ſo ſind alle anderen nur nomi— nell, indem weit gefehlt iſt, daß ſie die heilſame Pflicht, die das Geſetz in ihre Hände legt, vollführen ſollten, da fie keine anderen Einkünfte beziehen, als die kleinen und zufälligen Polizeiſtrafen, die Seitens der öffentlichen Beamten ein— gezogen werden ). g Unſtreitig iſt dieſem Umſtande die Nachläſſigkeit zuzuſchreiben, die ich bei dem größten Theile derſelben in Haltung ihrer Sitzungen wahrgenommen habe, eine Nachläffigkeit, die bei manchen jo weit ging, daß fie nicht einmal ihre Verhandlungen niederſchrieben, irgend ein Papier aufbewahrten, noch ſelbſt über ihre Einnahmen und Ausgaben Buch und Rechnung führten. Indem ein großer Theil der Mitglieder offenbar wenig für ſein Amt ſich ) In Braſilien iſt es leider bis heute auch noch fo. B. ar» 484 Miscellen: eignete, und daraus dieſe auffälligen Zuſtände hervorgingen, fing ich damit an, jeden Magiſtrat ſeinen Secretair und Rendanten ernennen zu laſſen, da— mit durch dieſelben die entſprechenden Bücher ſowohl über die gefaßten Be— ſchlüſſe, als auch über Einnahmen und Ausgaben, beſtänden ſolche auch nur aus einem Real, geführt würden, ertheilte ihnen feſte und deutliche Inſtrue— tionen über die Verfahrungsweiſe, ſowie einige allgemeine Regeln über ihre wichtigen Obliegenheiten, und veranlaßte die zeitweiligen Gouverneure zum Erlaß einer Ordre, nach welcher die Rendanten von 3 zu 3 Monaten eine Ueberſicht der Einnahmen und Ausgaben einzureichen hätten, damit ſie Uebung in einer ſo ſerupulöſen Arbeit gewännen und fähig würden, am Schluſſe des Jahres den durch die höchſten Beſtimmungen angeordneten Haupt-Rechnungs⸗ ſchluß zu legen. Ich bin ſehr befriedigt über den Erfolg dieſer Ordre, denn bereits iſt faſt aus allen Departements der Rechnungsſchluß über das erſte Vierteljahr des laufenden Jahres eingegangen. Die disponiblen Fonds jeder Magiſtratur des Innern ſind gegenwärtig folgende: Caſtro 51 Peſos 25 Centeſimos, Chonchi 30 - — - Dalcahue 36 = 75 = Achao nichts, Chacao 450 n Calbueo 232 = 372 =, Diefe Summen nun ſchreiben ſich, wie gefagt, nur aus Polizeiſtrafen her, die in früheren Jahren eingezogen, aber nicht weiter zur Verausgabung gebracht worden waren, da die Körperſchaften ſich nie um etwas gekümmert haben, obwohl deſſen, was ihren Bevölkerungen noth thut, ſo Vieles und Handgreifliches war. Auch ſehe ich wirklich, daß der Intendant ihrer keinen Augenblick uneingedenk fein darf und in die kleinſten und einfachſien Details ihrer ſpeciellen Obliegenheiten herunterſteigen muß, da ſonſt die Apathie und Vernachläſſigung ſteigend zunehmen würden. In Calbuco exiſtirt ſeit einigen Jahren die Steuer für die Nachtwächter (Serenos), ohne daß ſolche Seitens höchſter Regierung genehmigt, oder irgend einem Reglement unterworfen wäre; ſie bringt monatlich 12 bis 15 Peſos ein, und indem davon der Nachtwächter mit 3 bis 4 Peſos bezahlt wird, fließt der Ueberſchuß den öffentlichen Fonds zu. Es kann aber dieſe Beſteue— rung nicht fortdauern; ich habe daher bereits an den betreffenden Gouverneur klare und ſchließliche Weiſungen erlaſſen, daß der Magiſtrat in möglichſter Kürze ein den Ortsverhältniſſen angemeſſenes Reglement feſtſtelle und ſolches der Intendantur einreiche, um es an das hohe Miniſterium zu ſenden und deſſen Genehmigung einzuholen. *) Faſt kaum glaublich wenig! B. n Die Provinz Chiloe in Chile. 485 Dermalen ſtehen mir keine willkürlichen Schritte zu, um jenen Koͤrper⸗ ſchaften ſichere Einnahmen zuzuweiſen; daß mich aber dieſe Idee fortwährend bejchäftigt, mögen Ew. ꝛc. vorausſetzen. Uebrigens kann ich nicht umhin, von dem, was ich in Betreff der Ma⸗ gifträte geſagt habe, den von Ancud auszunehmen, indem derſelbe vielmehr ſein Amt nach Gebühr und nach Maßgabe ſeiner disponiblen Fonds ver- waltet. Die Einnahmen und Ausgaben deſſelben im letztverfloſſenen Jahre 1853 legt folgende Ueberſicht dar: Ueberſicht der Einnahme und Ausgabe der Municipalität von Ancud im ganzen Jahre 1853. Einnahmen: Ob jecte: Ausgaben: 1637 Peſos 684 Cent. Nachtwächter (Serenos) . . . 1332 Peſos 50 Cent. 633 => — Abgabe der Lanchas . eee eee 67 = 12 - = = Chinganas (?) — 0— > 355 814 Schlachtſteuer (Carnes muertas) — - — 216 = 6 Päolizeiſtrafen hs Fat ne 65 = — Pacht von Kämmereigrundſtücken — = — - — „ — = ®Bolizei-Befoldungen. .... FE Tg a Sn Deffentliches Gefangniß „ „ 144. — — Beſoldungen für den Rendanten, Secretair und Regiſtrator .. 391 = 92 Bureaukoſten der Juſtizbehörde = Pacht für das Schlachthaus . 8 - — - Leuchtfeuer der Küften und ſon⸗ ſtige Geräthſchaften der Stra⸗ 7 — 1 | un * * * u * * ßen beleuchtung 312. =. ..68.,.= — — ⸗Faiuür die Jahresfeier des Septem⸗ e e Bir — — Elementar⸗ Unterricht 11 = — = — 2. — = Snflegelfür verſchiedene Bureau's 28 — - — — = Regiftraturfchränfe für die In⸗ dener „ eee nn nat 80 ʒ⸗ — = — — Kaoſten des Frohnleichnams⸗Feſtes 20% — > m — Nivellirung und Pflaſterung der . „ 1: RER: :° a — — =. Beuerlöfh-Geräthfchaften ... 17 = 2% = — — Brureau⸗Unkoſten der Rendan⸗ tur und Kanzlei 12 — > 2945 Peſos 684 Cent. 3533 Peſos 114 Ct. 941 472 Saldo aus dem vorigen Jahre * Saldo aus dem laufenden Jahre 354 ͤ- 42 3887 Peſos 16 Cent. Balancirt 23887 Peſos 16 Cent, 486 Miscellen: Schmal, ſehr ſchmal find die Einkünfte dieſer Stadtbehörde und darin liegt der Grund, daß es noch viele Erforderniſſe giebt, die ihrer Dringlichkeit ungeachtet bei Seite geſtellt werden müſſen. Dennoch hege ich die Zuverſicht, daß mit der entſchiedenen Unterſtützung der hohen Regierung es meinen Be— ſtrebungen gelingen werde, dieſelben auf beſſeren Fuß und in den Stand zu ſetzen, Verbeſſerungen von Wichtigkeit und von anerkanntem öffentlichen Nutzen zu unternehmen. Bereits liegen dem Cabinette zwei Projeete für eine ganz mäßige Be— ſteuerung vor; das eine auf die Lanchas, welche aus dem Innern der Pro— vinz, mit Früchten, Holz ze. beladen, herabkommen, das andere auf die Ver— ſorgung der in dieſem Hafen anlegenden Fahrzeuge mit Waſſer. Hinſichtlich des erſten habe ich Ew. ꝛc. zu bemerken, daß darauf bereits in einem Regle— ment wegen Haltung einer Matrikel und wegen ſonſtiger Vorſchriften, denen die dem inneren Handel ſich widmenden Fahrzeuge unterworfen ſein ſollen, und das dem Finanzminiſterium unter dem 16. Juli 1853 vorgelegt worden, Bedacht genommen iſt. An der Endbeſcheidung über beide habe ich ein wah— res Intereſſe und wünſche daher, daß die hohe Regierung denſelben die ent— ſprechende Aufmerkſamkeit zu Theil werden laſſen möge. Sobald die Anlage eines Lebensmittel-Marktes im Gange ſein wird, was nahe bevorſteht, wird derſelbe eine neue ſtädtiſche Einnahmequelle bilden, und man kann mit gutem Grunde annehmen, daß dieſe die vorzüglichſte ſein wird. Wenn alſo nur erſt das zu dieſem Behufe angekaufte Gebäude abgezahlt iſt, ſo wird dieſelbe die ſtädtiſchen Fonds weſentlich vermehren und der genannten Körperſchaft als ein Hebel dienen, um ſich in dem Bereiche ihrer Thätigkeit zu bewegen und auszudehnen, wenn es auch noch lange in einem weit unter dem Bedarf des Volks bleibenden Grade geſchehen wird. Es bietet ſich endlich noch eine Maßregel dar, die zu Gunſten jener Fonds mitwirken wird, nämlich die Verifizirung und Abgrenzung der innerhalb des Stadtbezirks belegenen Grundſtücke, um ſolche vorbehaltlich der zuſtändigen Genehmhaltung zu veräußern, nebſt anderen, die man zwar kennt, aber die Niemand gegen einen Pachtſchilling nehmen will, es ſei denn eins oder das andere, das einen unbedeutenden Canon abwirft. Die nämliche Maßregel ge— denke ich auch bei den anderen Magiſträten einzuführen, ſobald ſich Jemand finden läßt, der die nöthigen Kenntniſſe beſitzt, um die Verhältniſſe ſolcher Beſitzungen klar herauszuſtellen und Streitigkeiten mit Privatperſonen zu be— gegnen. Der Seitens der hohen Regierung bereits genehmigte Voranſchlag iſt folgender: u Die Provinz Chiloe in Chile. 487 Anſchlag der Einnahmen und Ausgaben der Municipalität von Ancud für das Jahr 1854. Einnahmen: Berechneter Saldo aus dem Conto des vorigen Jahres 300 Peſos, Einnahme von den Lanchas. een Schlachtſteuer : 40 = Beiträge für die Nachtwache . 2000 = Polizeiſtrafen < 150 = Bon öffentlichen Vetgnügungen 100 = Pachtzins von Grundſtücken 90 3586 Peſos. Laufende Ausgaben: Gehalt des Rendanten mit monatlich 163 Peſos 200 Peſos, = des Seecretairs mit monatlich 10 Peſos. 120 = des Polizeirichters mit monatlich 20 Peſos 240 = des Beamten des Gefängniſſes monatl. 8 Peſos 96 „ Licht und Feuer für das Gefängniß, monatl. mit 2 Peſos 24 Sold des Aufſehers (Sobrestante) des Präſidii monat⸗ lich 9 Peſos r 108 = Sold des Magiſtratsdieners, molitlich 6 Peſos 14 77 Bureaukoſten des Alcalden des Gefängniſſes, 2 P. mon. 24 Miethe für den Schlächterhof, monatlich 4 Peſos 48 Bureaukoſten des Juſtizamts, 2 Peſos monatlich 24 Außerordentliche Ausgaben: Zur Errichtung eines Polizei-Corps, ſobald die hohe Genehmigung des eingereichten Projects eingegangen fein wird, während deſſen die Beſoldung der gegen- wärtig beſtehenden Vigilanten und Nachtwächter, ein⸗ ſchließlich des Befehlshabers dieſer letzten und deſſen Stellvertreters, fortzudauern hat 5 gg Dem Erheber der Steuer für die mactwage, 2 50 von 2000 Peſos a 40 Zur Unterhaltung der Shafenbelauhtung 200 Für das Jahresfeſt im September . 34 50 Cent. Für den Elementar-Unterricht . Ann Für die Frohnleichnams- und San Carlos. eſte jedes mit 1 Unze. Kane e rn AO Für Straßenpflafterung una 3 8 100 = Für unvorhergeſehene Ausgaben 211 3586 Er Fu ad * * . 488 Miscellen: Eine neue Expedition uach Paraguay. Es hat in den letzten 10 Jahren faſt ein wahrer Wetteifer zwiſchen den drei größten handeltreibenden Nationen der Erde, den Engländern, Franzo— ſen und Nordamerikanern, ſtattgefunden, die hydrographiſchen Verhältniſſe des ſüdlichen Amerika zu erforſchen und mit Hülfe derſelben ſich bequeme Handelswege von den Küſten nach dem Inneren zu eröffnen. Ueber einige der neueſten Verſuche der Art hat dieſe Zeitſchrift bereits berichtet. So gab Herr C. Ritter nach dem Werke des Lieut. L. Herndon ausführliche Nachricht über die in den Jahren 1852 und 1853 von Herndon ſelbſt und feinen Ge— fährten Lardner und Gibbon ausgeführten Verſuche, den Amazonenſtrom mit- telſt Dampfern zu befahren und eine genauere wiſſenſchaftliche Kenntniß des— ſelben zu erlangen (Bd. IV, 273 — 282), nachdem ich ſelbſt bereits vorher dieſe Expedition erwähnt hatte (ebend. II, 41). Außer dem Amazonenſtrom zog beſonders noch der La Plata die Aufmerkſamkeit der wiſſenſchaftlichen und Handelswelt auf ſich; indeſſen war es bis zu der totalen Umänderung der politiſchen Verhältniſſe in den ungeheuren, an dieſem Strome und ſeinen gro— ßen Zuflüffen gelegenen Landſtrichen eine völlige Unmöglichkeit, ohne Anwen— dung von Gewalt reelle Zwecke zu erreichen, weil, wie früher der Dictator Francia Paraguay und den oberen Lauf des La Plataſtroms gegen den Zus tritt aller Fremden abſperrte und Francia's Nachfolger, Lopez, bis in die neuere Zeit ziemlich dieſelbe Politik verfolgte, ſpäter auch der Dictator Roſas die Befahrung des unteren Laufes des Stromes bekanntlich allen Fremden verwehrt hatte. Erſt mit Roſas Fall wurde die Freiheit der Schifffahrt auf dem La Plata und ſeinen Zuſtrömen von allen betheiligten Uferſtaaten feſtge— ſtellt, und ſeit der Zeit konnten auch erſt die großen handeltreibenden Natio— nen der Erde daran denken, mit Dampfern in die Binnenländer einzudringen und diplomatiſche Verbindungen mit deren Regierungen anzuknüpfen. In der Hinſicht wurde bereits früher hier mitgetheilt (Zeitſchrift I, 39), daß eine Geſellſchaft diplomatiſcher europäiſcher Agenten im Beginn des J. 1852 den Rio de la Plata und Paraguay aufwärts gegangen ſei und mit dem Prä- ſidenten von Paraguay zu Aſſuncion einen Vertrag abgeſchloſſen habe, wo— nach den Angehörigen der drei miteontrahirenden Mächte, England, Frankreich und Sardinien, die freie Fahrt auf den beiden genannten Strömen nebſt dem Handel ins Innere des Landes geftattet wurde, und jetzt erhalten wir einen Bericht über eine im vorigen Jahre ausgeführte zweite Fahrt auf dem La Plata nach Paraguay, welche der Nordamerikaner Edward A. Hopkins, der- ſelbe, der ſchon vor einigen Jahren Paraguay beſuchte und einen feinem haupt ſächlichſten Inhalte nach in den in dieſer Zeitſchrift II. 1 — 38 mitgetheilten Aufſatz über das genannte Land übergegangenen Bericht erſtattete, unternom⸗ men hat. Der Bericht über die neue Expedition findet ſich in der öfters hier Eine neue Expedition nach Paraguay. 489 ſchon benutzten nordamerikaniſchen Geographical and Commercial Gazette 1855 Nr. 1 in folgender Weiſe: „Vor einiger Zeit ward Mr. Edward Hopkins, Sohn des Biſchofs Hop— find, ein junger in Buenos Ayres ſtationirter Seeoffizier, durch die Groß— artigkeit des La Plataſtromes und den Reichthum und die Ausdehnung der an den Ufern deſſelben und an deſſen Zuſtrömen gelegenen Landſtriche ſo an— gezogen, daß er den Entſchluß faßte, dieſelben aufs Neue zu durchforſchen. Bald darauf erhielt derſelbe unter der Adminiſtration des Präſidenten Polk die Ernennung zu einer Agentur, welche ihm erlaubte, eine perſönliche Unter— ſuchung der Verhältniſſe der argentiniſchen Republik, der Banda Oriental und beſonders Paraguay's vorzunehmen. Da er damals noch ſehr jung war, ſo handelte er wahrſcheinlich mehr nach Eingebung ſeines Herzens, als ſeines Verſtandes; doch bleibt es unzweifelhaft, daß Muth, unerſchrockenes Benehmen, die von ihm an Roſas gerichteten Vorſtellungen, Kenntniß der ſpaniſchen Sprache und Geſchicklichkeit in allen Dingen, welche eine beſondere Anziehungskraft für die Spanier haben, im Verein mit eigenen Geiſtesgaben, welche weder durch Hinderniſſe noch Widerſprüche ſich ſchrecken ließen, ſeiner Stellung Einfluß gaben. Mr. Hopkins Beſtrebungen gingen beſonders dahin, die Schifffahrt auf dem La Plata dem amerikaniſchen Handel zu eröffnen und die Zwiſtigkeiten zu beſeitigen, welche die verſchiedenen Provinzen verfeindeten. Ein ziemlich langer Aufenthalt in Aſſuncion, mehrere Reiſen zu Pferde durch Paraguay und das freundliche Benehmen des Präſidenten Lopez vereinigten ſich, ihm manchen Vortheil zu gewähren. Vor etwas länger, als zwei Jahren, ging Mr. Hopkins mit einem be— ſonderen, eins der wichtigſten in den Handel kommenden Producte Paraguay's betreffenden Zwecke nach Frankreich und kehrte von dort mit einem Empfeh— lungsbriefe an den Verfaſſer dieſes Aufſatzes zurück und ſetzte demſelben feine Anſichten auseinander. Hierdurch kamen dieſelben nach und nach zur Reife und gelangten endlich auch zur Kenntniß der amerikaniſchen geographiſchen Geſellſchaft. Hopkins las dieſer einen von einer Karte begleiteten Aufſatz vor, welcher zu den erſten in ihren Schriften veröffentlichten Artikeln gehörte. Ein Verſuch, feine Anſichten durch Bildung einer Dampfſchiff- und Handels⸗Compagnie zur Ausführung zu bringen, ward nun durch Hopkins und mehrere feiner Freunde projectirt. Mehrmals ſchien die Ausführung in der That ganz nahe. Die Einwendungen, die man machte, waren beſonders nur gegen Mr. Hopkins Perſönlichkeit gerichtet, indem man meinte, derſelbe habe keine kaufmänniſche Erziehung erhalten, auch ſei ſein Temperament zu > feurig, um ein fo umfaſſendes Project zu leiten (ein Einwand, dem man dadurch zu begegnen ſuchte, daß man denjenigen, von denen er ausging, vorſchlug, ihre eigenen kaufmänniſchen Agenten mitzugeben), ſo daß man nie von ihm eine Beſeitigung der ſchwierigen Verhältniſſe in den Plataſtaaten erwarten dürfe, 490 Miscellen: endlich daß das Volk noch nicht zur Freiheit reif ſei, und daß überhaupt nichts geſchehen könne, bis nicht ein zweiter Roſas erſchiene. Weder die mit Intereſſe und Geſchick abgefaßten Ausführungen einiger der fähigſten ſüdamerikaniſchen Autoren, welche die Politik, die Freundſchaft und den Schutz der Vereinigten Staaten in Anſpruch nahmen, noch die wohlüber— legten Berichte ſo bedeutender Reiſenden, wie Sir Woodbine Pariſh, oder die ſchätzbaren Mittheilungen von Mr. Brent, ſcheinen beſonderen Eindruck auf das kaufmänniſche Publikum gemacht zu haben. Hopkins ganzes Unterneh— men wäre geſcheitert, hätte nicht deſſen Plan in dem kleinen Staate Rhode— Island diejenige Unterſtützung gefunden, welche ihm der große von New-Pork verſagte. Eine Anzahl ehrenwerther Perſonen von dort vereinigte ſich mit vier Männern der Stadt New-Pork (keiner von ihnen war Kaufmann) und bildete vereint eine Geſellſchaft zur Beſchiffung des La Plata mit einem für einen erſten Verſuch hinlänglichen Capital. Zwei Dinge wurden dabei feſt in das Auge gefaßt. Zuerſt bezweckte man, ein Dampfſchiff zu finden, welches die Reiſe zur See ſicher zurücklegen könne, doch auch leicht genug wäre, den oberen La Plata hinaufzuſteuern und darin zu ſegeln, dann aber mittelſt eines Segelſchiffes eine Waarenladung vorauszuſchicken, welche für den Handel werthvoll wäre und in Paraguay von Nutzen ſein könnte. Das für die Geſellſchaft erkaufte Dampfſchiff, der Paraguay, war von un— gefähr 500 Tonnen Gewicht, hatte eine Dampfmaſchine von großer Kraft, ging wenig tief und fuhr mit großer Schnelligkeit. Die nöthigen Reparaturen wurden unter Aufſicht eines erfahrenen Capitains und unter der Leitung eines aus- gezeichneten Ingenieurs vorgenommen, ſowie man auch alle Vorſicht anwandte, das Fahrzeug ſicher und ſtark zu machen. Neue Keſſel, doppelte Bollwerke, innere Verſchälungen durch die ſchwerſten Planken, Hinzufügung von Pum— pen, Maſten, Takelwerk und Segel wurden mit großen Koſten angeſchafft, und das Schiff ſchien dadurch gegen alle Stürme gerüſtet zu ſein. Als es in See ging, ſtand es unter dem Befehl des Lieut. Baldwin von der Marine der Vereinigten Staaten und hatte noch einen Capitain der Handelsmarine an Bord, welcher den Befehl im Fluß übernehmen ſollte. Es war zugleich mit Ingenieuren, Mannſchaften, Vorräthen und den beſten Navigationsinſtrumen— ten wohl verſehen. Nie verließ überhaupt ein Dampfſchiff den Hafen mit einem größeren Anſchein von Sicherheit, als gerade der Paraguay. Die Unfälle begannen jedoch ſchon, als man ſich Charleston gegenüber befand, in dem Golfſtrom, und nur ein praktiſcher Seefahrer, der die Ver— hältniſſe genau kennt, vermag ſie verſtändlich zu erklären. Von Charleston ging es dann ſüdwärts nach Maranhäo, aber nachdem man dieſen Hafen ver— laſſen hatte, um den weiteren Weg in ſüdlicher Richtung zu verfolgen, mußte man ſchon nach wenigen Stunden umkehren, indem das Schiff an ſeinem PVordertheil einen Leck erhalten hatte, welcher feine Sicherheit gefährdete. — u F ae tn D ee ie Eine neue Expedition nach Paraguay. 491 Es ward hierauf genau unterſucht und endlich der Aſſecuranz-Geſellſchaft überlaſſen, wobei es nicht wenig auffallen mußte, daß das Schiff, obgleich aufgegeben und verkauft, doch faſt ganz ohne Reparatur ſicher nach New— Orleans zurückkehrte. Die Löſung dieſes Räthſels iſt noch nicht erfolgt, doch beweiſt eben die Thatſache ſelbſt, daß das Dampfſchiff feſt gebaut und gut zu dieſem Dienſt geeignet war. Die Veranlaſſung des Lecks kann deshalb nur unbedeutend geweſen ſein. Die von der Geſellſchaft gefundenen Hinderniſſe hatten die meiſten ande— ren Unternehmer entmuthigt. Dem Agenten Mr. Hopkins gelang es jedoch, die Paſſagiere, Beamten und Vorräthe nach Montevideo zu ſchaffen, wo er die vorausgeſandten Waaren vorfand. Er beſaß aber keine Mittel, den Fluß hinaufzugelangen, indem ſein eigenes Dampfſchiff verloren gegangen war, und wenn auch inzwiſchen ein amerikaniſches Schiff, der Waterwitch, angelangt 1 war, ſo konnte daſſelbe doch ſelbſt bei dem beſten Willen des Capitains ihm nicht von Nutzen ſein. Unter dieſen Umſtänden wäre die ganze Expedition beinahe fehlgeſchlagen. Mr. Hopkins ging jedoch nach Buenos Ayres und fand hier einen ame— rikaniſchen Dampfer von der Art der ſogenannten Propeller, der einſt unter dem Namen Utah bekannt geweſen war und einem der Herren Aspinwall ge— hört hatte. Er war kürzlich den Argentinern verkauft worden und bildete unter dem Namen Conſtitution einen Theil der Flotte des Commodore Coe. Dieſes Schiff ward gemiethet; man ſchaffte ſämmtliche Waaren, Vorräthe und Beamte an Bord und hißte die amerikaniſche Flagge auf, als ein eigenthümlicher Umſtand, der die nautiſche Etiquette betraf, zum Vorwand dienen mußte, die Erlaubniß zurückzunehmen. Allen Einwendungen zu begegnen, begab ſich der Agent ſelbſt den Fluß hinauf nach Corrientes, wo er vom General Urquiza die Erlaubniß erhielt, in vollkommener Sicherheit mit ſeiner Flagge den Fluß hinauf und hinab zu fahren. Darauf machten ſich jedoch noch andere Ein— flüſſe geltend, die aus der Geſchichte des Schiffes ſelbſt entſprangen. Endlich iſt noch bemerkenswerth, daß höchſt achtbare, in Buenos Ayres anſäßige und mit Roſas befreundet geweſene Amerikaner im Allgemeinen äußerſt wenig Vertrauen zu der Eröffnung des Stromes hatten. In einem ſo kritiſchen Augenblick erſchien endlich ein in Amerika gebau— tes Dampfſchiff, das in Rio verlaſſen, ſpäter aber wieder in den Stand ge— ſetzt worden war, das fünlıche atlantiſche Meer zu befahren, in dem Hafen. Es ward für tauglich befunden, in Stelle des Utah gemiethet, und trat am 30. September 1853 unter der Flagge von Montevideo ſeinen Weg an. Nun begannen auch Diejenigen, die in Montevideo und Buenos Ayres von Anfang an Mißtrauen gegen das Unternehmen gehabt hatten, die Möglichkeit des Erfolges mit etwas günſtigerem Auge zu betrachten, während alle wohl— geſinnten und unterrichteten Perſonen in dem Unternehmen den Beginn eines großartigen und ehrenvollen Werkes ſahen. 492 Miscellen: Man kann nun fragen, welches iſt der wirkliche Zweck dieſer Expedition, und was wird ihre Folge ſein? Der leitende Gedanke war der, dem Handel und den Fabriken Nord— Amerika's einen neuen wichtigen Ausweg zu verſchaffen, womit man die Hoff— nung verband, als Rückfracht Gegenſtände zu erhalten, welche höchſt werth— voll ſind und in der Heimath beſtändig begehrt werden. Es war alſo Zweck, einen neuen und unfehlbaren Markt für amerikaniſche Producte zu ſchaffen und ſo ein Aequivalent, ja ſelbſt mehr, als ein Aequivalent, für die Ein— bußen zu erhalten, die wir in jenen verbrauchten Häfen Europa's erleiden könnten, wo Krieg, Zölle und Beſchränkungen ſelbſt dem vorſichtigſten Kauf— mann nur Verluſte bereiten; zugleich ſollte damit der politiſche Zweck ver— bunden werden, jene friſchen und kräftigen Anſichten, die unſere eigene Re— gierungsform entwickelt, dort einzuführen, ſowie auch durch die Fortſchritte in Kunſt und Wiſſenſchaft, welche faſt überall zur Verbeſſerung menſchlicher Verhältniſſe dienen, endlich den unglücklichen und vernachläſſigten Republiken Südamerika's das glänzende Beiſpiel einer vernünftigen Regierung zu zeigen. Dies waren die leitenden Anſichten, worauf der natürliche Wunſch derjenigen, welche dem Riſico ſich unterzogen, folgte, nämlich der, wieder zu ihren Aus— lagen zu gelangen. Man wird genug Gelegenheit finden, dieſelben zu benei— den, ſollten ſie auch nur dieſen Zweck erreichen, und ebenſo wird man ferne— ren Verſuchen keinenfalls die beſten Wünſche verſagen. Die Geſellſchaft beabſichtigt, das Monopol zum Handel auf dem oberen Fluſſe zu erlangen und erwartet mit vollem Recht von Seiten Paraguay's ihrem Riſico und ihren Auslagen entſprechende Vortheile. Die Ladung der vorausgeſandten Barke Kate und Alice beſtand in mehr als 800 Colli's (packs). Die Gegenſtände waren mit Rückſicht auf die Be- dürfniſſe und den Geſchmack in Paraguay ausgewählt, und man berechnete den Werth der Ladung nach den in Aſſuncion geltenden Preiſen zu 300 bis 400 pCt. über dem Koſtenpreiſe; die Ladung konnte ſelbſt in New-Mork für eine werthvolle gelten. Es ſoll hier keine Waarenrechnung gegeben werden, doch möchte es einiges Intereſſe gewähren, den Charakter der aus Paraguay als Rückfracht zu erhaltenden Waaren anzuführen 1). Außer einer großen Zahl der verſchiedenſten Medicinalkräuter und Gummiarten, Vanille, Para— guay-Thee (Mate), Baumwolle, Hanf, Reis, Manioe, indiſchem Weizen, Cautchoue, natürlichem Leim, Horn, Fellen, Cochenille gehören Hölzer und Tabak zu den werthvollſten Producten Paraguay's. So enthalten die Wäl- der dieſes Landes nicht nur das beſte Schiffsbauholz, ſondern auch höchſt feine feſte Hölzer von der ſchönſten Farbe, welche die feinſte Politur anneh— 1) Das Folgende beſtätigt das, was ausführlicher ſchon in dem Artikel über Pa- raguay bezüglich der werthvollen Producte dieſes Landes (II, 24—28) geſagt war. G. Wee 4 mme en * Eine neue Expedition nach Paraguay. 493 men. Fourniere davon ſind eben ſo werthvoll, als Mahagony. Um ſolche Hölzer in der nothwendigen Form zu erhalten, wurden mit den verſchiedenſten nöthigen Werkzeugen verſehene Holzſäger ausgeſandt, die nicht allein das nöthige Holz für den Bedarf der Expedition, ſondern auch noch zum Verkauf erlangen ſollten. Da ferner der feinſte Tabak als Landesproduct bekannt iſt, ſo wurden alle zu ſeiner Bearbeitung in den Vereinigten Staaten ge— bräuchlichen Werkzeuge mitgeſandt, und nicht nur dieſe, ſondern ſogar noch das nöthige Papier zum Ueberziehen und zu den Verzierungen der Cigarren— kiſten, ſowie auch das nöthige Blei zum Einſchlagen des Kautabaks. Es ſchloſſen ſich außerdem der Expedition eine Anzahl der geſchickteſten Arbeiter der Stadt an, wovon einige die Tabaksfabrikation in Cuba erlernt hatten; ein durchaus mit der Bereitungsweiſe des Tabaks vertrauter Mann führte ſie an. Es wurden ferner Maſchinen zum Enthülſen und Reinigen des Reis ge— ſandt, da dies in Paraguay in Menge vorkommende Product von dem Volke bis jetzt noch mit einem Theile ſeiner Hülſe gegeſſen wird. Brent ſagt in ſeinem handſchriftlichen Journal, daß allein die Aufſtellung einer Reisenthül— ſungsmaſchine einen Menſchen hier reich machen könnte. Endlich wurden auch Pflüge, Eggen, Drillbohrer, Schaufeln und Spaten mit eingeſchifft, nicht min= der wählte man Maſchinen zur Reinigung der Baumwolle, welche ebenfalls dort ſehr häufig wächſt, und kleine Dampfmaſchinen, um größere Maſchine⸗ rien in Bewegung zu ſetzen, große Vorräthe von Schreibpapier, Druckerpreſſen, ſpaniſche Schulbücher, amerikaniſche Feuerwaffen, trockene Waaren, amerika— niſche Baumwolle, einfache den Krankheiten des Landes angemeſſene Medica— mente, Schmuckſachen, Sättel, Pferdeanſchirrungen und manches andere mit großer Vorſicht aus; alles kam glücklich in Aſſuncion an. Faſt jeder Zweig amerikaniſcher Induſtrie war in der Ladung der beiden Expeditionsſchiffe ver— treten. Die Expedition begleiteten verſchiedene talentvolle Männer, zwei oder drei erfahrungsreiche Kaufleute, ein Mineraloge, ein praktiſcher Chemiker, Maſchi— niſten, Ingenieure, mit einem Worte lauter ſolche Männer, welche zur Aus— führung des urſprünglichen Planes nothwendig waren. Da man von Seiten des Präſidenten einen freundlichen Empfang erwar— tete, ſo mußte die Geſellſchaft darauf vorbereitet ſein, die Freundlichkeit auf eine anſtändige Weiſe zu erwiedern. Da ſie erfahren hatte, daß der Präſident ſich noch immer eines alten engliſchen Wagens bediente, der einſt Francia gehört hatte, ſo verehrte ſie ihm einen wunderſchönen Wagen und Geſchirre, das Werk des Herrn Ham, ſeiner Frau eine mit Juwelen und Berloques verzierte koſtbare Uhr, feinen Töchtern eine Garnitur mit Silber verzierter Gartengeräthſchaften. Die Regierung fügte hierzu ein Paar ſehr ſchön ge— arbeitete Kanonen mit Zubehör. Kann man ſich nur einigermaßen auf die Ausſprüche von Reiſenden, 494 Miscellen: Büchern und Erfahrungen verlaſſen, ſo bietet in der That kein anderer Theil Sudamerika's mehr Reiz für amerikaniſche Unternehmungen dar, als Para— guay, das mit fo großen Hülfsmitteln ausgerüftet iſt und eine Bevölkerung von einer halben Million zählt, welche im Vergleich mit den anderen zwei Mil— lionen die Ufer des La Plataſtroms bevölkernden Menſchen weit vorgeſchritten iſt. Das Land ſucht Freundſchaft und Handelsverbindungen mit den Ver— einigten Staaten. Die Schifffahrt dahin iſt bereits eröffnet, Verträge wur— den ausgewechſelt und keine Gewaltthätigkeit oder Streitſucht von Seiten der Bewohner von Buenos Ayres und Montevideo kann länger den amerikani— ſchen Handel mit Paraguay verhindern. Uns darin zu ſchützen, iſt Pflicht unſerer Regierung. Die Ankunft der Fanny zu Aſſuncion erregte großes Aufſehen, da ſie das größte Schiff war, welches man je in dieſem Hafen geſehen hatte, und auch dem Präſidenten gewährte dieſelbe große Freude, weil er nach dreijähriger Verzögerung feinen Lieblingsplan endlich in's Leben treten ſah. Der Conſul Mr. Hopkins ſelbſt wurde wie ein Miniſter empfangen. Der Präſident trug bei der Audienz ſeine Staatsuniform und war von einem glänzenden Gefolge umgeben; an ſeiner Aufrichtigkeit ließ ſich nicht zweifeln. Der beſte Theil Süd-Amerika's iſt nun unſerem Handel eröffnet. Im Jahre 1845 wurde der Königin von England durch eine große Anzahl engli- ſcher Kaufleute eine Petition überreicht, worin man ſie bat, den Handel dahin mit Gewalt zu erzwingen, „indem derſelbe in wenigen Jahren nur durch den in den britiſch-oſtindiſchen Beſitzungen übertroffen werden dürfte“. Wir has ben dies auf eine andere Weiſe durchgeſetzt und die Frucht davon iſt zur Ernte reif. In ganz kurzer Zeit werden Dampfſchiffe den La Plata und klei— nere Schiffe den Pileomayo, Vermejo und Tebiquari befahren. Wir können nicht daran zweifeln, daß unſere Fabrikwaaren in Baum— wolle, Leder, Metallen und Federharz, unſere Möbel, Papiere, Agrieultur= Werkzeuge, Kleidungsſtücke, Stiefeln und Schuhe, Schirme, Hüte, Bücher in Kurzem den Vorzug vor den Erzeugniſſen anderer Länder erhalten werden. Eben ſo leicht dürfte es uns ſein, Ladungen mit den beliebteſten franzöſiſchen Waaren und leichten Weinen dahin zu ſenden. Auch die Gelehrten möchten hierbei nicht leer ausgehen, indem man z. B. weiß, daß die Bibliothek der Jeſuiten von der alten Paraguaymiſſion ſich noch in Aſſuncion befindet; ge— wiß würde man jetzt den Zutritt zu derſelben erlangen. Diejenigen endlich, welche reine Handelsintereſſen nicht zu würdigen ver- ſtehen und nur Gegenden, wo Gold gefunden wird, ihr Intereſſe zuwenden, verweiſen wir auf das Werk von Herndon, welches berichtet, daß an der Stelle, wo die Quellen des Amazonenſtromes faſt mit denen des Paraguay zuſammentreffen, Gold und Diamanten in ungeheurer Menge gefunden wer— den. Dieſe Region iſt nun leicht erreichbar, wenn man den Fluß Guyaba, der ſich oberhalb Aſſuncion in den Paraguay ergießt, hinauffährt, und es Eine neue Expedition nach Paraguay. 495 findet der in dieſem goldſuchenden Zeitalter paſſenden Localitäten nachſpürende Abenteurer hier eine vielleicht Californien nicht viel nachſtehende Gegend ). Wir erfahren ferner, daß bereits einige Maſchinen der Geſellſchaft in der letzten Zeit nicht weit von Aſſuncion aufgerichtet worden ſind, und daß die Cigarren-Manufactur im Stande war, 150,000 Stück Cigarren monat— lich zu fabriziren; der Preis für 1000 Stück Cigarren in jener Stadt betrug 25 Sh. Dagegen iſt noch kein anderer der von der Geſellſchaft beabſichtig— ten Induſtriezweige bis jetzt ins Leben getreten. Von Providence wurde endlich im vorigen Frühjahr (1854) ein Schnell— ſegler, der zwei kleine Dampfſchiffe an Bord hatte, mit einer nach dem Er— gebniß der neueſten Erfahrungen ausgewählten Ladung für den dortigen Markt abgeſandt. Dieſes Schiff erreichte im Auguſt Montevideo, gerieth aber, indem es den Fluß hinauffahren wollte, auf ein Felsſtück, und wurde ſo bedeutend beſchädigt, daß es ausgeladen werden mußte. Dieſer abermalige Unfall iſt ein ernſtes Hinderniß für das Gelingen des allgemeinen Planes; doch ein noch viel bedeutenderes beſteht in der augenſcheinlichen Abſicht des Präſidenten Lopez, durchaus nichts in der inneren Politik zu ändern. In vielen Stücken ähnelt derſelbe Francia, als deſſen wärmſter Lobredner er auch auftritt. Ueberdies ift der amerikaniſche Conſul bei dem Präſidenten in Un- gnade gefallen, und wahrſcheinlich wird ihm das Exequatur entzogen werden. Man giebt hierbei vor, der Conſul ſei dem Präſidenten durch oftmaliges Ueber— ſchreiten der Landespolizeigeſetze unangenehm geworden; unzweifelhaft iſt dies alles unſerer Regierung wohlbekannt. Doch abgeſehen davon, ob unſere Be— amten an dem La Plata-Fluß ſich gut oder ſchlecht benehmen, fo muß man doch den Verſuchen der Geſellſchaft, auf demſelben vorzudringen, die höchſte Aufmerkſamkeit widmen. 2. Es iſt noch zu bemerken, daß die von dem Waterwitch auf Koſten der Regierung auszuführenden Aufnahmen durch ein Mitglied der amerikaniſchen geographiſchen Geſellſchaft veranlaßt worden find, die ihren ſchriftſtelleriſchen Beiſtand dieſer Zeitſchrift zugeſichert hat. ö Es ſcheint alſo, daß die Expedition bis zu einem gewiſſen Grade geglückt iſt, und die Geſellſchaft hofft auf reichliche Erfolge. Die Zurückberufung des jetzigen Conſuls, unzweifelhaft die Folge ſeines raſchen und ſchlecht überlegten Benehmens, wird reichlich durch die Anweſenheit des Herrn Wm. H. Hud— ſon, Esg., amerikaniſchen Conſul zu Buenos Ayres erſetzt, um fo mehr, als derſelbe an der urſprünglichen Geſellſchaft betheiligt iſt. Im Augenblick fah— ren noch keine Dampfſchiffe zwiſchen Aſſuncion und den weiter abwärts am 9 Auch durch einen in dem londoner Mining Journal 1853, S 670 enthalte nen und aus dem Panama Star entlehnten Briefe, der am 17. Auguſt 1853 zu Cha⸗ capogas geſchrieben wurde, erfahren wir, daß der Amazonenſtrom und der Fluß San Jago de Borja goldführend ſind; endlich daß in der Nähe des Ucayale, der bekannt— lich einer der maͤchtigſten Zuftröme des Amazonas iſt, gleichfalls Goldſandablagerungen auftreten. G. 496 Miscellen: Strom gelegenen Häfen. Ohne ſolche kann aber der Handel auf dem Strome nicht zunehmen. Gumprecht. Der neue Ganges-Canal in ſeinem Bau und in ſeinen Ergebniſſen. Wie manche Schattenſeiten an dem Walten der oſtindiſchen Compagnie in ihren ausgedehnten Gebieten auch entdeckt ſein mögen und wie herbem Tadel jenes Regierungs- und Verwaltungsſyſtem in ſeinen eigenthümlichen Verwicklungen und ſelbſt in ſeinen Tendenzen fortwährend anheimfallen mag: angeſichts der von Jahr zu Jahr ſtärker an das Licht tretenden Zeugniſſe des Aufſchwungs und Gedeihens wird heute kein Unbefangener mehr zweifeln können, daß in dem britiſchen Oſtindien die Segnungen der fortſchreitenden Civiliſation in der erfreulichſten Entwickelung begriffen ſind ). — Aus der neueſten Zeit verdient der nunmehr im Weſentlichen vollendete Bau des Ganges— Canals, deſſen Entwurf recht eigentlich aus der fürſorgenden Theilnahme an dem Wohle der Landes bewohner hervorging, als eine der herrlichſten Thaten der engliſchen Herrſchaft in Oſtindien anerkannt zu werden. Abgeſehen von dem anderweiten ſehr vielſeitigen Intereſſe, welches das großartige Werk dar— bietet, liegt es ganz beſonders nahe, die Aufmerkſamkeit der Leſer unſerer Zeit- ſchrift auf daſſelbe zu lenken, da es ſich in ſeinen Entwürfen, in ſeiner Aus— führung und in ſeinen unabſehbaren Erfolgen als ein geographiſches Er— eigniß im eigentlichen und bedeutungsvollen Sinne des Wortes darſtellt. Jenen berühmten Strom Indiens, der in den religiöſen Anſchauungen der heidniſchen Eingeborenen als Gegenſtand der höchſten Verehrung lebt und von Dichtern faſt aller civiliſirten Nationen mit Vorliebe beſungen wird, ſehen wir in dem Stadium ſeines Hervortretens aus den Vorhöhen des geheimniß— reichen Himalaya-Gebirges durch das in ſeiner Art nirgends übertroffene Unternehmen des neuen Canalbaues bis auf einen geringen Reſt feiner Flu⸗ then für eine Strecke von 348 engl. Meilen dem alten heilig geachteten Bette entzogen. Durch menſchliche Arbeit kommt es dahin, daß ausgedehnten Land— ſchaften, die bisher von den Schreckniſſen einer verödenden Dürre von Jahr ) Wir verweiſen gern auf die inhaltvollen Artikel von L. v. Orlich im Mai⸗ und Juni⸗Heft d. J. unſerer Zeitſchrift und beſonders auf die zuſammenfaſſenden Schlußbemerkungen S. 476 ff. — Eine andere Stimme der neueſten Zeit aus Nord⸗ Amerika Bayard Taylor A visit to India, China and Japan (London 1855. 8. pag. 268 — 70; die amerikaniſche Originalausgabe des Werks liegt uns nicht vor) kommt von einem ſehr verſchiedenen Standpunkte aus im Weſentlichen zu demſelben Ergebniß. nnn te De Der neue Ganges= Canal. 497 zu Jahr bedroht waren, mit dieſen Fluthen — als gefchähe es ihrerſeits zum Entgelt der ihnen ſeit undenklichen Zeiten geſpendeten Verehrung — Fruchtbar— keit und Ergiebigkeit geſichert wird, daß 6 bis 7 Millionen menſchliche Weſen fortan gegen die Wiederkehr der erlebten entſetzlichen Hungersnöthe geſichert, und mittelſt der neueröffneten Verkehrsader des friſchen Lebenshauches der Civili— ſation theilhaft werden. Im Allgemeinen gehört der Gedanke, einzelne Landflächen oder Diſtricte vorzüglich in den ſogenannten nordweſtlichen Provinzen Oſtindiens durch Be— wäſſerungsanlagen zu heben, keineswegs ausſchließlich den Zeiten der engliſchen Beſitznahme an. Schon die ſogenannten muhamedaniſchen Eroberer haben neben den Prachtbauten, die bis auf den heutigen Tag Gegenſtand der Bewunderung aller Reiſenden und des Studiums der Kunſtkenner ſind, mancherlei Verſuche gemacht, durch mehr oder minder bedeutende Waſſerleitungen gewiſſen Land ſtrichen, auf welche ihre Augen ſich mit Vorliebe richteten, höhere Fruchtbarkeit und Lieblichkeit zu verleihen. Allein dieſe und frühere Verſuche ſtehen ver— einzelt da. Sie ſind bald mißlungen, bald in der Ausführung unvollendet geblieben, indem theils der Plan nicht richtig entworfen war, theils die Mittel verſagten, oder auch weil es an Ausdauer fehlte. Unter anderen wurde in— deſſen das vom Schach Jehan (dem vierten Nachfolger Babers) im J. 1626 ins Werk geſetzte Unternehmen des Delhi-Canals nicht allein glücklich zu Ende geführt, ſondern auch über ein Jahrhundert lang in Beſtand erhalten. Aber auch dieſe und ähnliche zur Zeit ihrer Blüthe hochgeprieſene Anlagen kamen bereits vor der Mitte des 18. Jahrhunderts gänzlich in Verfall. Es blieb dem engliſchen Unternehmungsgeiſte vorbehalten, ſich durch Canal-An— lagen und Waſſerbauten einen unſterblichen Ruhm zu erwerben. Einer der erſten Entwürfe dieſer Art, die im Fortſchritte der Zeit nach und nach erwachten, ging auf die Wiederherſtellung des Delhi-Canals, jedoch zunächſt (in den Jahren 1817 — 21) nur in einem ſehr beſchränkten und unvollkommenen Maße. Erſt einige Jahre darauf gelang es dem Oberſt Col— vin nicht ohne große Anſtrengung, von den Directoren der oſtindiſchen Com- pagnie zu einer der Wichtigkeit des Werks angemeſſenen Vervollſtändigung der bisherigen Anlagen beträchtlichere Geldmittel zu erzielen. Der Erfolg ln he A rechtfertigte das Unternehmen glänzender, als man erwartet hatte. Im Jahre 1847 betrug die Geſammtausgabe einſchließlich der durch die Erhaltung und Ausbeſſerung bis dahin erforderten Ausgaben ein Geringes über 34 Million Rupien ), während die Summe des Gewinns (Waſſerrente, Mühlenpacht, Zolleinnahmen für das aus den herrlichen Wäldern von Dehra Dhoon her— abgeflößte Nutzholz u. ſ. w.) 4 Mill. Rupien überſtieg. Der reine Ueber— ſchuß ſtellte ſich auf 670,000 Rupien, und die von Jahr zu Jahr ſteigende Einnahme aus dem Betrieb des Werkes wurde 1847 auf 302,885 Rupien ) Der Geldwerth einer Rupie beträgt etwa 3 Thlr. (bis 20 Sgr.). Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 32 498 Miscellen: berechnet. Bald lockte die erhöhte Ergiebigkeit des Bodens zahlreiche Anſied— ler herbei, ſo daß die Vortheile, welche unmittelbar oder mittelbar dieſem Unter— nehmen entſprießen, ſich jeder menſchlichen Berechnung entziehen. Nichts war natürlicher, als daß nach und nach eine Anzahl ähnlicher Anlagen theils pro— jectirt, theils auch in Angriff genommen wurde. Dennoch bedurfte es noch eines nachhaltigen Anſtoßes, um den Unter— nehmungsgeiſt auf die reichbevölkerten, aber für die Anlage eines wirkſamen Bewäſſerungsſyſtems äußerſt ſchwierigen Landſchaften zwiſchen dem Ganges und Jumna zu lenken. Die beiden Ströme vereinigen ſich bekanntlich bei der berühmten ſaraceniſch-indiſchen Stadt Allahabad *). Dieſe Stadt bildet den Endpunkt der zwiſchen beiden Strömen ſich ausbreitenden Landfläche, welche von ihrer Lage, als ein indiſches Meſopotamien, nach einem der perſi— ſchen Sprache entnommenen Ausdruck den Namen Dhodab (Düab oder Douab geſchrieben) erhalten hat. In verhältnißmäßig naſſen Jahren iſt die— ſes in ſeiner Mitte von keinem perennirenden Strome bewäſſerte Zwiſchenge— biet fruchtbar und liefert ſeinen 6 bis 7 Millionen Einwohnern, die bei dem Mangel der Transportmittel und in Folge des Culturſtandes faſt lediglich auf Ackerbau und Viehzucht angewieſen ſind, genügenden Unterhalt. Allein dieſe armen Landbauer werden, da ſie niemals Vorräthe erübrigen, unvermeidlich von der äußerſten Bedrängniß ergriffen, ſobald anhaltende Dürre entweder in den Monaten Juni, Juli und Auguſt oder im September und Januar ihre Hoffnungen auf Ernte vernichtet. Die Dürre der Jahre 1837 und 1838 wurde ihnen im höchſten Grade verhängnißvoll und verderblich. Berichter- ſtatter wiſſen das damalige Elend nicht ſchrecklich genug auszumalen. Die Aecker und Weiden, welche man bei günſtiger Witterung in ergiebiger Fülle prangen ſah, wurden zur Staubwüſte. Die Saat war in dem Erdboden er— ſtorben; das Gras welkte und vertrocknete. Die Bewohner geriethen in die größte Noth; ein furchtbarer Mangel an allen Lebensmitteln brach aus. Hun⸗ derttauſende kamen auf die ſchrecklichſte Weiſe um's Leben. Ganze Dörfer wurden entvölkert. Die Bande des Familien- und des Staatslebens, ja die Bande der Sitte, des Aberglaubens, der Religion löſ'ten ſich unter dem all— gemeinen Jammer. Es kam dahin, daß Eltern ihre Kinder um einige Biſſen Brot verkauften; daß Braminen Speiſen genoſſen, durch deren Berührung ſie ſich ſonſt entweiht hielten. Das Vieh fiel auf den öden Feldern, fein Aas wurde mit Begierde verſchlungen, um den nagenden Hunger zu ſtillen. Alle An— ſtrengungen der Obrigkeiten, der mildthätigen Anſtalten und Privatperſonen erwieſen ſich unzulänglich. Die Regierung erlitt einen beträchtlichen Ausfall 2) Der Name „Allahabad“ (d. h. Stadt Gottes) kam von den eindringenden Muhamedanern; er wurde unter dem freundlichen Eindrucke der ſchönen Landſchaft und der duldſamen Eingeborenen ertheilt, die ihnen die Stadt ohne Widerſtand über— gaben. Der frühere einheimiſche Name Priäg (d. h. Vereinigung) deutet auf den Zuſammenfluß des Jumna mit dem Ganges. 0 Der neue Ganges - Ganal. 499 ihrer Einkünfte. Die Verluſte aus den rückſtändig gebliebenen und nie ge- zahlten Abgaben oder Pachtbeträgen wurden in den beiden Jahren auf 1 Mill. Pfund Sterl. berechnet. An manchen Orten konnten erſt nach einer Reihe von Jahren wieder Einkünfte erhoben werden. Es iſt eine ungemein erhebende Betrachtung, daß dieſe traurigen Erleb— niſſe nicht ohne anhaltende heilſame Wirkungen geblieben ſind. Man hat es als einen der nächſten glücklichen Erfolge geprieſen, daß die Miſſionsanſtalten in der Nähe ſich unter dem allgemeinen Elende eines reichen Zuwachſes zu erfreuen gehabt haben. Unter dem Jammer der Verwüſtung ſuchten und fanden Tau- ſende eine Zuflucht in den Pflegeſchulen der Boten des Chriſtenthums, wäh— rend der indiſche Aberglauben und Götzendienſt in feinen Schwächen und ſei— ner Sinnloſigkeit enthüllt erſchien. Bis auf die letzten Jahre ſind Reiſenden, welche die Miſſionsthätigkeit keineswegs mit günſtigem Auge anſahen, dieſe Nachwirkungen bemerklich geblieben. Dennoch wurde durch den Unternehmungsgeiſt * engliſchen Staatsbe⸗ hörde eine noch ungleich tiefer eingreifende und für die Zukunft bei weitem folgenreichere Entwickelung angebahnt. Denn in den Zeiten dieſer unausſprech— lichen Noth erwachte zuerſt der ſeitdem mit Macht um ſich greifende Gedanke, die Gewäſſer des heiligen Stromes aus dem alten Bette mitten durch die ſchwer betroffenen Gegenden hinzuleiten. Den nächſten Impuls gab die Aus— ſicht auf Erhöhung und Sicherung des Gedeihens der Fruchtfelder, auf He— bung des äußeren Wohlſtandes. Allein daneben war den Verfechtern der gehegten Entwürfe nicht minder gewiß, daß dieſe Waſſerleitungen durch ihre Schiff barkeit ſich zugleich zu einer Lebensader der Civiliſation und geiſtigen Cultur entwickeln würden. An ſich lag dies Alles nahe genug: aber die rieſen— haften Dimenſionen und der ungeheure Aufwand von Mitteln, welche die Aus— führung bedingte, ließen die in Umlauf geſetzten Entwürfe faſt chimäriſch er- ſcheinen. Der Oberſt Colvin, bekannt durch fein Verdienſt um die Wiederher— ſtellung des Delhi-Canals, wird als derjenige genannt, der dieſe Idee zuerſt auffaßte. Wie dem auch ſei, gewiß iſt, daß die Ausarbeitung der eigentlichen Entwürfe, die Führung der Angelegenheit, bis ſie zum Beſchluſſe reifte, und die Leitung der Arbeiten bis zum Anfange des vorigen Jahres dem unermüd— lichen Oberſt Cautley angehört. Abgeſehen von den Hemmungen des äuße— ren Geſchäftsganges mit dem Directorium der oſtindiſchen Compagnie erfor— derten die tauſendfachen Verſuche, bei den Behörden Anklang zu finden, der Betrieb der Vermeſſungen, die Motivirungen des Planes der Anlagen in allen ihren Einzelheiten große Verzögerungen. Eine Zeit lang, während Lord Ellen— borough die Würde des General-Gouverneurs bekleidete, wurde das ganze Unternehmen ſogar als beſeitigt angeſehen. Faſt 10 Jahre find darüber hin⸗ gegangen, bis der umfaſſende Plan des rieſenhaften Unternehmens im Jahre 1847 ſo weit feſtgeſtellt und angenommen war, daß man mit dem J. 1848 92” 500 Miscellen: zum Anfange der Erdarbeiten ſchreiten konnte. Aber ſeitdem iſt das Werk mehr als ſechs volle Jahre hindurch mit außerordentlicher Energie fortgeführt und ſo weit vorgeſchritten, daß es zur Zeit ſo gut als vollendet angeſehen werden muß. Um uns nun zunächſt die Aufgabe und den Umfang des neuen Ganges— Canals anſchaulich zu machen, werden wir einen Blick auf die Oberflächenbil— dung und den Charakter der Gegend werfen müſſen. Die Landſchaften Ober- und Nieder-Douab, welche bereits zu der gro— ßen Hindoſtan-Ebene gerechnet werden, erſtrecken ſich in ſüdöſtlicher Ausdeh⸗ nung längs dem rechten Ufer des Ganges ungefähr vom 30. bis zum 26. Grade nördl. Br. Die weſtliche Grenze bildet der Jumna-Fluß, welcher auf der erſten Hälfte der Strecke zwiſchen Delhi und Allahabad (im Ganzen 619 engl. Meilen) dem Ganges ziemlich parallel läuft, dann aber in einer mehr öftlichen Richtung demſelben allmählig näher tritt. Im Norden von Ober— Douab erheben ſich die Siwalik-Berge als Vorhöhen des Himalaya, dem ſie im Ganzen gleichlaufend ſind, obgleich die höchſten Gipfel nicht über 3500 bis 4000 Fuß emporſteigen. Demnach ſind die Douab-Landſchaften zwar in ihrem nördlichen Theile von einzelnen kleinen Hügelketten durchzogen, tragen jedoch, ihrer Oberflächenbildung nach, den Charakter einer von Nordoſten nach Südweſten allmählig ziemlich gleichmäßig ſich herabſenkenden Ebene. Die nähere Unterſuchung der Bodenverhältniſſe ergab zuvörderſt zwei Erforderniſſe, welche den Umfang und Aufwand der Operationen außerordent⸗ lich vergrößerten. — Zuerſt zeigte ſich, daß eine einfache Canallinie nicht hin- reichend war, um den Zweck der Bewäſſerung des Douab mit angemeſſenem Erfolge zu erreichen. Man mußte darauf denken, durch Zweigcanäle die Wir- kungen des Unternehmens nach verſchiedenen Seiten hin auszudehnen und durch ein planmäßig gegliedertes Canal-Syſtem möglichft vielen Ackerflächen den Segen der Bewäſſerung mitzutheilen. Dazu war aber eine ſehr beträchtliche Maſſe des zuſtrömenden Waſſers erforderlich, welche nur die Fluthen des Ganges und auch dieſe nur in dem Stadium gewähren konnten, wo er als ein klarer und voller Strom *) mit der ganzen Fülle der aus dem nördli— chen Gebirgslande Hindoſtans ihm zufließenden Gewäſſer aus den Siwalik— Höhen hervorbricht. Man hatte längſt ermittelt, daß der Strom weiter ab⸗ wärts in Folge der poröſen Beſchaffenheit des Bodens durch Einſickern an feinem Waſſergehalt bedeutend verliert. Außerdem würde auch das zur Waſſer⸗ leitung erforderliche Gefälle nicht gewonnen worden ſein, wenn man etwa erſt am Solanifluſſe die Anlage begonnen hätte. ) Ganz anders erſcheint der Ganges z. B. bei der Einmündung des Jumna bei Allahabad, wo der Gegenſatz der hellen Jumna-Fluthen mit dem trüben Gan⸗ ges dem Reiſenden ſtark auffällt. Bay. Taylor a. a O. S. 236 erwähnt, daß ihm hierbei der Anblick der Vereinigung des weißen mit dem blauen Nil und die des Miſſouri mit dem Miſſiſſippi lebhaft in Erinnerung trat. Der neue Ganges-Canal. 501 Demnach wurde als Anfangspunkt des Canals eine Stelle etwa 14 engl. Meilen unterhalb Hurdwar erſehen, wo der Ganges bei ſeinem Eintreten in die hindoſtaniſche Ebene einen Waſſergehalt von 8000 Cubikfuß in einer Se— cunde darbietet. Aller Einwendungen ungeachtet gewann der Plan, dem Bette des Stromes von dieſem Gehalt nicht weniger als 6750 Cubikfuß zu ent— ziehen, die Oberhand. Man fand unbedenklich, es darauf ankommen zu laſſen, ob das alte Bette, welches ohnehin für die Schifffahrt blos in geringem Maße geeignet war, bei dem verhältnißmäßig ſpärlichen Ueberreſt von 1250 Gubif- Fuß vor der Hand ſo gut wie trocken gelegt werden würde. Zugleich war eine erſprießliche Regulirung des bisherigen wegen der Untiefen und Strom— ſchnellen nur ſchwer benutzbaren Laufes, welcher ohnedies unterwegs durch Grundquellen vielfach verſtärkt wurde, für die Zukunft in Ausſicht geſtellt. Aus dieſen Betrachtungen und Ermittelungen ergaben ſich die Entwürfe, welche bei der Ausführung des neuen Ganges-Canals maßgebend geworden ſind. Die Hauptlinie des Canals iſt 310 Meilen lang, zieht in den Douab— Landſchaften zwiſchen Ganges und Jumna über Allyghur und ergießt ſich bei der Stadt Cawnpore (etwa 140 Meilen des Stromlaufs oberhalb Allahabad), mit einem freilich bedeutend verminderten Waſſergehalt wieder in den Ganges. Die Strecke von Hurdwar bis Allyghur beträgt 180, von da bis Cawn— pore 170 engl. Meilen, während der Lauf des Ganges von Hurdwar bis Cawnpore auf 348 Meilen berechnet wird. Von Allyghur aus gehen Zweig— Canäle nach Humeerpoor (180 Meilen), Futtehghur (170 Meilen), Bolhud— ſhuhur (60 Meilen) und Coel (50 Meilen) »). — Auf der erſten Strecke, wo das Bette des Canals die ganze Fülle des abgeleiteten Waſſers enthält, iſt derſelbe 140 Fuß breit und 10 Fuß tief; weiter unten vermindert ſich die Breite bis auf 80, in den Zweiglinien bis auf 20 und die Tiefe bis auf 5 Fuß. — Der Flächenraum, welcher durch dieſe Waſſerleitungen der Be— wäſſerung theilhaft gemacht wird, iſt auf 1,500,000 Acres, oder — da die Landbauer immer nur ein Drittheil des von ihnen bebauten Bodens bewäſ— ſern — auf 4,500,000 Aeres berechnet 2). Der Bau dieſes Canals hatte beſonders auf der Strecke von Hurdwar ) Vergl. Thornton Gazetteer of East- India II, p. 292, wo als Summe der obigen Angaben 810 Meilen als Geſammtbetrag der Längenausdehnung des Ca— nals berechnet werden. Dieſer Plan iſt augenſcheinlich in der Ausführung noch er— weitert. Der von Charles Wood am 8. Auguſt 1854 dem britiſchen Parlamente vorgetragene Nechenfchaftsbericht (ſ. Hanſard's Parliam. Debates Vol. 135 p 1452) zählt 898 Meilen. Cbenſo die offizielle Gelegenheitsſchrift »A short account of the Ganges Canal.“ (Roorkhee April 1854. 4.). ) Dieſe Berechnung iſt vom Capt. R. Baird Smith angeſtellt (in ſ. Schrift Italian irrigation, a Report on the Agricultural Canals of Piedmont and Lom- bardy, addressed to the Hon. Court of he Directors of the East India Comp.« London & Edinb. 1852. 8. Vergl. North Amer. Rev. Oct. 1853 p. 459). Sie gründet ſich auf die Annahme, daß jeder der 6750 Cubikfuß Waſſer, welche von Se— cunde zu Serunde dem Canal zufließen, jährlich 218 Aeres bewäſſert. 502 Miscellen: bis Roorkhee wegen des gebirgigen Terrains große Schwierigkeiten; aber bei dem letzten Orte trat ein Hinderniß entgegen, deſſen Bewältigung den äußer— ſten Kraftaufwand erheiſchte. Hier traf der Zug auf das queer vorüberzie— hende, 24 engl. Meilen breite Thal des Solani-Fluſſes, der in öftlicher Rich- tung dem Ganges zuftrömt. Ueber dieſes Thal mußte der Canal mittelſt einer Ueberbrückung hinweggeleitet werden, um in die Douab-Ebenen gelan- gen zu können. Der Solani iſt ein großentheils von Jahreszeit und Wetter abhängiges, ſehr veränderliches Gebirgswaſſer, einen großen Theil des Jahres hindurch waſſerarm und langſam dahin ſchleichend, während er zur Regenzeit oder beim Aufgehen der Schneemaſſen des Gebirges in gewaltigen Fluthen daherbrauſt. Daher erforderte zunächſt die Grundlage der Thal-Ueberbrückung, welche den Aquäduct des Canals enthalten ſollte, die umfaſſendſten Vorkehrungen, um die nöthige Dauerhaftigkeit und Feſtigkeit zu erreichen. Die Arbeiten be— gannen damit, daß Steinblöcke von zwanzig Cubikfuß je 20 Fuß tief in den Boden des Solani-Bettes gelegt wurden. Jeder dieſer Blöcke war (wie es ſcheint, um den Grund gegen das zerſtörende Unterwühlen des Quellwaſſers unterhalb zu ſchützen) mit 4 Brunnenöffnungen durchbohrt. Auf dieſen Blöcken find in abgemeſſenen Entfernungen ſteinerne Pfeiler, jeder 124 Fuß hoch und oben 10 Fuß dick, errichtet, welche die 15 Bogen unter der Ueber brückung zu tragen hatten. Man kann ſich denken, wie dieſe Bogen, von oben angeſehen, keineswegs einen imponirenden Anblick gewähren, in deſto größerem Maße aber den Eindruck einer cyelopifchen Maſſivität und der äußerſten So- lidität machen; denn ſie ſind nicht weniger als 192 Fuß breit, dabei 5 Fuß dick und erheben ſich mit einer Spannweite von 50 Fuß nicht mehr als 8 Fuß über das Niveau der Pfeilerfläche, auf welcher ſie ruhen. Ueber die— ſen Bogen iſt der eigentliche Aquäduct angelegt, der mit einer ebenfalls aus Backſteinen ausgeführten Einfaſſung von 8 Fuß Dicke und 12 Fuß Tiefe die mächtige Strömung in zwei durch eine Zwiſchenmauer von einander abgeſon— derten Canälen von je 85 Fuß Breite 920 Fuß weit fortführt !). Man nehme hinzu, daß oberhalb des Aquäducts auf einer Strecke von 27 engl. Meilen ein durchſchnittlich 164 Fuß hoher Erdwall, an der Baſis 350 und auf der oberen Plattform 290 Fuß breit, errichtet werden mußte, daß auch hier eine Mauereinfaſſung ſowohl des Canalbettes, als auch des äußeren Erdwalls nöthig befunden, und die letztere in Form von Treppenſtufen ausgeführt worden iſt, — um zu ermeſſen, welche Kräfte in Bewegung geſetzt werden mußten, um ein ſolches Werk zu vollenden. Der Solani-Aquäduct iſt in der That die Krone der ganzen Unternehmung des Ganges-Canals und un— zweifelhaft eines der großartigſten Waſſerbauwerke unſerer Zeit; der Berech—⸗ 1) Die Breite des Solanibettes beträgt, wie aus den vorhergehenden Angaben erhellt, 750 Fnß; es kommen mithin 170 Fuß auf die Verlängerung, welche für den Aquäduct am Anfange und Ende erfordert würde. Der neue Ganges = Canal. 503 nung des Major Baker zufolge erforderte er die ungeheure Zahl von 84 Mil- lionen Backſteinen und ungefahr 1 Million Cubikfuß Kalk. Ein Augenzeuge berichtet, daß täglich, während die Arbeiten in vollem Gange waren, 100,000 Backſteine verbraucht worden ſind. Zum Centralpunkt der Arbeiten wurde ein unweit der Stelle des Waſſer— baues auf dem Plateau am Solani belegener Ort, Namens Roorkhee, aus— erſehen, der ſeitdem aus einem kleinen Hindu-Dörflein zu einer anſehnlichen Stadt und engliſchen Hauptſtation angewachſen iſt. Hier ſchlug die Direction des Canalbaues ihren Sitz auf, um mittelſt eines unermeßlichen Aufwandes von Arbeitskräften, Geldmitteln und Materialien, — mit dem Aufgebot aller durch Erfahrung, Erfindung und Wiſſenſchaft errungenen und erprobten Mittel den kühnen Entwurf zur Ausführung zu bringen. Den Eingeborenen der Umgegend, ſo lange einem rohen und trägen, faſt träumeriſchen Naturzuſtande hingegeben, muß ſeltſam zu Muthe geworden ſein, indem ſie ihre Hütten in reiſſender Schnelligkeit von den Schöpfungen der höchſten europäiſchen Indu— ſtrie und Cultur, von Obſervatorien, Factoreien und Werkſtätten mit wunder— bar wirkenden Apparaten, Dampfmaſchinen mit machtvoll treibenden Kräften umgeben erblickten. Selbſt eine drei engliſche Meilen lange Eiſenbahn — die erſte in dem größten der alten Welttheile — wurde zur Erleichterung des Materialien-Transports angelegt und — als geſchähe es, um den höchſten Gipfel europäiſcher Erfindungskraft zu erreichen — wurde eine Locomotive aus England herbeigeſchafft, die jedoch den indolenten Hindus Urſache vieler Unglücksfälle wurde und unter ihren ungeſchickten Händen gar bald dergeſtalt Schaden nahm, daß ſie außer Gebrauch geſetzt werden mußte. Uebrigens ha— ben ſich dieſe Eingeborenen bei den Canalbau-Arbeiten, die unter der Leitung engliſcher Beamten und Werkführer faſt ausſchließlich von ihnen verrichtet wurden, den Schilderungen der Berichterſtatter zufolge nicht nur äußerſt ge— ſchickt benommen, ſondern auch eine über alle Erwartung hinausgehende Tüch— tigkeit und Fähigkeit im Nachbilden bewährt, wenn gleich ihnen alles Erfin— dungstalent abgeht. Trotz des vorherrſchenden Mangels an Beobachtung und Abſtraction kann es nicht fehlen, daß die Anſchauung deſſen, was durch menſch— lichen Verſtand und durch ein wohlgeordnetes Zuſammenwirken menſchlicher Kräfte hier erreicht iſt, ihren Blick über die engen Kreiſe des bisherigen Ge— wohnheitslebens erhebt, fo daß der Bau des Ganges-Canals auch durch feine Wirkung auf die geiſtige Entwickelung der Hindus ein Ereigniß von bleiben— der Bedeutung wird. Die Einweihung des Aquäducts wurde am 8. April 1854 zu Roorkhee mit einer religiöſen Feier und mit mannigfaltigen Feſtlichkeiten begangen. Die— fer Tag verdient als einer der denkwürdigſten in der Geſchichte der nordweſt— lichen Provinzen Oſtindiens ausgezeichnet zu werden. Durch die zahlreichen Wallfahrer, welche aus allen Theilen des Landes nach Hurdwar kommen, um das Waſſer des heiligen Stromes mit ſich zu nehmen, war die Kunde der bevor— 504 Miscellen: ſtehenden Eröffnung des feinen Hauptheilen nach vollendeten Canals weithin von Mund zu Mund gegangen. Nicht weniger als 500,000 Menſchen aus den verſchiedenſten Völkerſchaften und Stämmen — Sikhs, Bengaleſen, Ro— hillas, Afghanen, Mahrattas und ſo viele andere, die wir ſelbſt dem Namen nach nicht kennen, aus Perſien, der Tartarei und den Ländern jenſeit des Himalaya hatten ſich mit ihren eigenthümlichen Reiſeapparaten und in ihren prunkenden Coſtümen zuſammengefunden, um Augenzeugen des Ereigniſſes zu fein. Hindus und Buddhiſten, Parſen und Muhamedaner, Juden und Chri— ſten erſchienen im bunten Gedränge neben einander. Die Engländer ſollen nicht ohne Sorge vor einer fanatiſchen Erhebung geweſen ſein und für den Falls eines ſolchen Ausbruchs militairiſche Vertheidigungsanſtalten in Bereit— ſchaft gehalten haben. Sie wußten, daß Prieſter und frömmelnde Bettler in Hurdwar die Ableitung des Ganges als den äußerſten Frevel dargeſtellt und Alles verſucht hatten, um die Maſſen gegen ein ſolches Unternehmen in Be— wegung zu bringen. Allein dies war ſo wenig gelungen, daß ſogar 10 Fa— kire ſich freiwillig dazu verſtanden, unter den Führern der Prozeſſion zu er— ſcheinen. Die Freigebigkeit der engliſchen Behörde that ein Uebriges, um nach allen Seiten hin eine freundliche und glückliche Stimmung zu erwecken und der Feierlichkeit den Charakter eines allgemeinen Freudenfeſtes zu verleihen. Die Koſten des Canalbaues waren auf 14 Million Pfund Sterling ver- anfchlagt, und dieſer Anſchlag ſcheint ſich im Großen und Ganzen als ſtich— haltig bewährt zu haben. Nur durch Wohlfeilheit der verwendeten Arbeits— kräfte iſt es erklärlich, daß für eine ſolche Summe das großartige Unterneh- men hergeſtellt werden konnte. Die Erfolge deſſelben für die Zukunft ſind unabſehbar. Zunächſt ſind ſie an keinem Orte anſchaulicher concentrirt, als in der Stadt Roorkhee, welche jetzt als ein gewerbthätiger und verkehrsvoller Mittelpunkt, mit europäiſchen Gebäuden, mit einer Ingenieurſchule und einer Druckerei !) u. ſ. w. im raſcheſten Aufblühen begriffen iſt. Die Canallinie, mit ihren planmäßig angelegten und durch Anpflanzungen gezierten Seiten— wällen im äußeren Anblick gehoben, wird unfehlbar ein neues Leben und friſche Bewegung in ihre Umgebungen ergießen. Man hat berechnet, daß die aufgewendete Summe durch die Einkünfte an Waſſerrente, an Mühlenpacht und an Einnahme für Holzflößungen u. ſ. w. mit mehr als 10 Proeent ſich verzinſen muß. Das iſt ein ſehr günſtiges Reſultat, aber viel höher ſteigt das Werk in unſerer Anerkennung vom Standpunkte der Betrachtung aus, welche Kräfte des Nationalreichthums es geweckt, und welche Hebung für das phyſiſche und geiſtige Glück von Millionen Menſchen aus ihr den gehegten Hoffnungen zufolge entſprießen muß. Dr. C. Brandes. ) Ein kurzer Bericht über den Canalbau, in vielen tauſend Exemplaren für den 8. April 1854 zur Vertheilung an die Eingeborenen und Fremden in Hindu, Urdu⸗ und engliſcher Sprache gedruckt, iſt aus den dortigen Preſſen hervorgegangen. Menſchen und Sitten in China. Der britiſche General-Conſul in China, Sir John Bowring, von dem unſere Zeitſchrift (IV, 345 — 348; V, 297 — 301) bereits mehrere intereſ— ſante briefliche Mittheilungen hatte liefern können, ſandte an einen höheren Beamten zu London, den dortigen Registrar General, ein auch in dem chine— ſiſchen Zweige der Königlichen aſiatiſchen Geſellſchaft verleſenes Schreiben, welches ſich in einer ſehr lehrreichen Weiſe über die weſentlichſten Punkte des chineſiſchen ſocialen Lebens, die Bevölkerung des großen Reiches, deren Polygamie und Nahrung, ſowie über die Naturproducte des Landes verbreitet. Da das londoner Athenaeum eine Abſchrift dieſes Briefes von Sir John Bowring erhielt, wodurch daſſelbe ihn in einer ſeiner neueſten Nummern (Nr. 1464 vom 17. Nov. 1855) mittheilen konnte, und der Inhalt das Ergeb— niß der Beobachtungen eines geiſtvollen, ſcharfblickenden und durch mehrjäh— rigen Aufenthalt in China mit den neueſten Zuſtänden daſelbſt wohlvertrauten Mannes iſt, ſo theilen wir das Schreiben nach den verſchiedenen Abſchnitten, in welche es zerfällt, nachſtehend mit. Gumprecht. Bevölkerung. Seit der Zeit Kia King's, d. h. ſeit 43 Jahren, iſt keine officielle Zählung vorgenommen worden. Zwar hat man die Richtig— keit dieſer Zahlungen, welche die Geſammtzahl der Einwohner China's auf 362,447,183 angeben, vielfach bezweifelt, aber ich glaube, daß, je mehr wir das Land kennen lernen werden, ſich auch die Richtigkeit der officiellen An— gaben herausſtellen wird, und daß wir mit ziemlicher Sicherheit die gegen— wärtige Bevölkerung des chineſiſchen Reichs auf 350 — 400 Mill. veranjchla= gen dürfen. Die Strafgeſetze ſchreiben ein allgemeines Syſtem, nach dem die Eintragung in die Regiſter geſchieht, vor, und körperliche Züchtigung, gewöhn— lich hundert Schläge mit dem Bambus, trifft alle die, welche gehörig Bericht zu erſtatten verfäumen. Die Sorge dafür liegt den Aelteſten des Bezirks ob, und es ſoll die Zählung eigentlich jährlich ſtattfinden, doch habe ich keinen Grund, zu glauben, daß das Geſetz befolgt oder deſſen Uebertretung geahnt wird. Eintheilung der Bevölkerung. Altem Gebrauche nach zerfällt die Bevölkerung in vier Gruppen: Gelehrte, Ackerbauer, Gewerbtreibende und Kaufleute. Außerdem giebt es eine ſehr zahlreiche Klaſſe, die als faſt ganz ausgeſtoßen aus der Geſellſchaft betrachtet wird; dazu gehören Schauſpieler, Spieler von Profeſſion, Bettler, Sträflinge, Geächtete und Andere, und dieſe finden wahrſcheinlich in den Cenſusliſten keine Beachtung. Dagegen begnügt ſich in entlegeneren Landgemeinden der mit Anfertigung der Liſten beauftragte Beamte wahrſcheinlich damit, daß er nur die Durchſchnittszahl der näher ge= legenen und beſſer bevölkerten Gegenden angiebt. 506 Miscellen: Ich war nicht im Stande, einen genügenden Ausweis über das Verhält— niß der verſchiedenen Altersklaſſen zu einander oder die durchſchnittliche Sterb— lichkeit in den verſchiedenen Lebensaltern zu erhalten. Jede Decade des menſch— lichen Lebens hat bei den Chineſen ihre eigenthümliche Benennung. So heißt ein 10 jähriges Alter Oeffnungsſtufe (the opening degree), ein 20jäh⸗ riges Verfloſſenſein der Jugend (Youth expired), das 30 jährige Stärke und Ehe, das 40 jährige Amtsfähigkeit (Officially apt), das 50 jährige Erkennung des Irrthums (Error knowing), ein 60 jähriges Kreis geſchloſſen (Cycle closing), das 70 jährige ſeltener Vogel ſeines Alters (Rare bird of age), ein 80 jähriges runzliges Geſicht (Rusty visaged), das 90 jährige Verzögert (Delayed), endlich ein 100 jähriges des Alters Aeußerſtes (Ages extremity). Bei den Chineſen ſteigt aber die dem Einzelnen bewieſene Ehrerbietung mit der Zahl ſeiner Jahre. So machte ich vor einigen Jahren die Bekanntſchaft eines buddhiſtiſchen Prieſters, der im Kloſter Tieng Tung in der Nähe von Ningpo lebte und mehr als hundert Jahre alt war, weshalb Leute von Stand ihn beſtändig be— ſuchten, um ihm ihre Aufwartung zu machen und ein Autograph von ihm zu erhalten, was auch mir gelang. Es giebt nicht nur viele Stiftungen für alte Leute, ſondern das Strafgeſetzbuch beſtimmt auch ſchwere Strafen für ſolche, die Arme in ihren alten Tagen zu unterſtützen ſich weigern. Alter darf ſo— gar als Milderungsgrund für ein Verbrechen angeführt werden und erwirkt Ermäßigung der Strafe. Bisweilen verordnen kaiſerliche Dekrete die Austhei= lung von Geſchenken an alle arme alte Leute im Reiche. Auswanderung aus China. Der beſtändige Strom der Auswan— derung aus China, wohin andererſeits gar keine Einwanderung ſtatthat, iſt ein ſchlagender Beweis für die Dichtigkeit der Bevölkerung; denn obſchon dieſe Auswanderung ſich faſt ausſchließlich auf die beiden Provinzen Kwangtung und Fookien beſchränkt, die zuſammen eine Bevölkerung von etwa 34 oder 35 Mill. haben mögen, ſo bin ich doch geneigt, zu glauben, daß mehr als 2 Mill. allein aus dieſen Provinzen ſich in fremden Ländern aufhalten. Im Königreich Siam veranſchlagt man die Zahl der darin ſich aufhaltenden Chi— neſen auf wenigſtens 14 Mill., wovon 200,000 in der Hauptſtadt Bangkok leben. Es wimmelt von ihnen auf allen Inſeln des indiſchen Archipels. In Java leben, wie wir nach einer genauen Zählung wiſſen, allein 136,000. Cochin China iſt voll von Chineſen. Hier (d. h. in Hongkong) liegen faſt ſtets ein oder mehrere Schiffe, die chineſiſche Auswanderer nach Californien und anderen Plätzen befördern; Maſſen gehen nach Auſtralien, den Philippinen, Sandwichinſeln, der Weſtküſte von Central- und Südamerika, Einzelne auch nach Indien. Die Auswanderung nach dem britiſchen Weſtindien iſt ſehr be— trächtlich geweſen, die nach der Havanna betrug noch mehr. In Singapore mögen jährlich etwa 10,000 neue Ankömmlinge eintreffen, während nur 2000 in die Heimath zurückkehren (Journ. of the Indian Archipelago II, 286). * Menſchen und Sitten in China. 507 Außer dieſer enormen Auswanderung über's Meer geht ein anderer be— deutender Strom nach der Mandſchurei und Tibet, ſowie auch die reichen und fruchtbaren Inſeln Hainan und Formoſa durch die fortwährend einſtrömen— den chineſiſchen Anſiedler zum großen Theile ihren früheren Beſitzern abge— wonnen ſind. Alle ſind aber Männer, auf 10,000 kommt nicht eine Frau; daher vielleicht der geringe Werth, der auf ein neugeborenes Mädchen gelegt wird. Und doch ſcheint dieſes beſtändige Ausſtrömen die Zahl derer, die da- heim bleiben, durchaus nicht zu vermindern. Zwar verlaſſen nur wenige Chi— neſen ihr Vaterland ohne den feſten Entſchluß, wieder heimzukehren, um in der Halle ihrer Vorfahren zu beten, an den Gräbern ihrer Väter zu opfern, doch iſt wohl zweifelhaft, ob mehr, als einer von zehn, feine Heimath wieder— ſieht, denn die Zahl derer, welche durch Krankheit, ſchlechte Verpflegung, Schiffbruch und ſonſtige Zufälligkeiten ihr Leben verlieren, erreicht eine wahr— haft furchtbare Höhe. Bodencultur und Nahrung. Die Kunſt, das Land zu ent- und bewäſſern, Dünger in aller möglichen Weiſe zu gewinnen und anzuwenden, Samen zu befruchten — kurz alle Einzelheiten des chineſiſchen Ackerbaues ver- dienen volle Beachtung, wie dieſelben aber auch wiederum Zeugniß dafür ab— legen, in welchem ungenügenden Verhältniſſe der Ertrag des Bodens zu dem wirklichen Bedarfe des Volkes ſteht. Die Chineſen haben durchaus keine Vorurtheile in Bezug auf Nahrungs⸗ mittel: fie eſſen Alles und Jedes, was ihnen nahrhaft ſcheint. Hunde, beſon— ders junge, werden ganz gewöhnlich zum Verzehren verkauft, und man ſieht dieſelben abgehäutet und mit den Eingeweiden in den Fleiſcherläden friedlich neben Schweinen und Hammeln hängen. Selbſt gegen Ratten und Mäufe haben die Chineſen Nichts einzuwenden, eben ſo wenig gegen Affen und Schlangen; die großen Seeſchnecken find für fie ein ariſtokratiſcher und köſt⸗ licher Leckerbiſſen, der jo wenig wie die eßbaren Vogelneſter bei einem Feſt⸗ eſſen fehlen darf. Noch nicht ausgebrütete Enten und Hühner ſind ein Lieb— lingsgericht; beginnende Fäulniß erregt nicht den geringſten Ekel; faule Eier läßt man keineswegs umkommen und Fiſche findet man nur um ſo beſſer, wenn ſie recht riechen und dem Reis einen kräftigen Geſchmack mittheilen. Wie die von den Chineſen gegeſſenen Speiſen meiſt grob, derb und billig ſind, ſo ſind auch ihre Getränke merkwürdig ökonomiſch. Trunkenheit iſt ein ſeltenes Laſter, wie denn hitzige Getränke und Spirituoſen nur ſelten genoſſen werden. Thee iſt das nationale und allgemeine Getränk, und obwohl der ge— wöhnliche nicht mehr als 3—6 d. (22 — 5 Sgr.) das Pfund koſtet, fo be— dient man ſich doch beſonders in den von den Theediſtricten mehr entfernten Gegenden meiſt einer Beimiſchung von billigeren Blättern. Im Eſſen, wie im Trinken, find die Chineſen mäßig und begnügen ſich mit zwei Mahlzeiten täg- lich — dem „Morgenreis“ ungefähr um 10 Uhr und dem „Abendreis“ um 5 Uhr Nachmittags. Der einzige Widerwille, den ich in China bemerkt habe, 508 Miscellen: iſt gegen Milch — um ſo auffallender, wenn man bedenkt, wie mächtig tata= riſcher Einfluß in jenem Lande geweſen iſt, aber nie habe ich geſehen oder gehört, daß Butter, Rahm, Milch oder Molken in einer eingeborenen Familie auf den Tiſch gekommen wären. Verwüſtungen durch Noth und Krankheiten. Aller Wahrſchein— lichkeit nach giebt es kein Land der Erde, wo die Sterblichkeit größer und furchtbarer als in China iſt und Lücken reißt, die nur durch ungewöhnliche Mittel auszufüllen wären. Ganze Maſſen von Menſchen ſterben geradezu, weil es ihnen an allem Unterhalt fehlt; Ueberſchwemmungen zerftören Städte und Dörfer mit allen ihren Bewohnern; es würde keine leichte Aufgabe ſein, den Verluſt an Menſchenleben durch den Typhus und Orkane zu berechnen, welche letzte die Küſten China's heimſuchen und Böte und Junken bisweilen zu Hunderten und Tauſenden zerſchellen. Die letzten Bürgerkriege müſſen den Verluſt von Millionen von Menſchenleben zur Folge gehabt haben; die Zahl der Hingerichteten allein iſt furchtbar. Im Augenblick, wo ich ſchreibe, be— rechnet man, daß einzig und allein in der Provinz Kwantung täglich 400 — 500 Opfer durch die Hand des Henkers fallen. Schonung kennt man nicht, da es der Menſchen im Ueberfluſſe giebt. So wenig bekümmert man ſich um einen Leichnam, daß man es bisweilen nicht der Mühe werth hält, ihn von dem Platze zu entfernen, wo er an der Oberfläche der Erde verweſt. Oft habe ich einen Leichnam unter dem Tiſche von Spielern erblickt, oft trat ich an der Schwelle einer Thür auf einen verweſenden Leichnam. In manchen Theilen China's giebt es gemauerte Thürme, in welche ganz junge Kinder, beſonders Mädchen, von ihren Eltern durch ein in der Mauer befindliches Loch geworfen werden. Kindermord. Ueber die Ausdehnung der Sitte des Kindermordes ſind die Meinungen getheilt. Daß er in manchen Provinzen ganz gewöhnlich iſt, unterliegt keinem Zweifel. Einer der beredteſten chineſiſchen Schriftſteller ge— gen den Kindermord, Kwei Chung Fu, giebt vor, von dem „Gott der Lite— ratur“ beſonders inſpirirt zu ſein, um dem chineſiſchen Volke Vorſtellungen zu machen, daß es ſich dieſes unmenſchlichen Brauches enthalte, und erklärt, daß als Belohnung für ſeine Bemühungen der Gott ſein Haus mit Ehren überhäuft und ihm literariſche Nachkommen gegeben habe. Und doch geht auch er nicht weiter, als zu erklären, daß es ſchlecht ſei, die Kinder umzu— bringen, wenn man die Mittel habe, ſie zu ernähren, und einige ſeiner Gründe lauten ſeltſam genug: „Töchter umbringen, ſagt er, heißt die Harmonie des Himmels zerſtören (in der gleichen Zahl der Geſchlechter nämlich); je mehr Töchter ihr ertränkt, deſto mehr Töchter werdet ihr bekommen, und noch nie hat man gehört, daß das Ertränken derſelben die Geburt von Söhnen nach ſich gezogen habe.“ Er empfiehlt, die Kinder eher auszuſetzen und ihrem Schick— ſale zu überlaſſen, als fie zu ertränken, und führt dann alſo fort: „es giebt Beiſpiele, wo die fo ausgeſetzten Kinder von Tigern genährt und groß gezogen r * Menſchen und Sitten in China. 509 worden ſind. Wo ſollten wir denn ſein, wenn unſere Großmütter und Mütter in ihrer Kindheit ertränkt wären.“ Und dann führt er zwei Fälle an, wo Mütter, die ihre Kinder ertränkt hatten, beſtraft wurden, die eine, in— dem ſich eine blutrothe Schlange an ihrem Beine feſtbiß, während Hände und Fuße der andern in Kuhfüße verwandelt wurden. Pater Ripa erzählt, daß die Jeſuiten in Peking allein jährlich 3000 ausgeſetzte Kinder tauften. Ich habe Teiche geſehen, wo Kinder weiblichen Geſchlechts ertränkt zu werden pflegen, deren Leichname dann auf der Oberfläche des Waſſers umhertreiben. Wunſch nach Nachkommen. Gewohnheit und Sitte, Ueberlieferung, die Lehren ihrer weiſen Männer — Alles übt bei dieſem Volke einen mächti— gen Einfluß auf den Fortpflanzungstrieb aus. Kinderlos zu ſein gilt für ein Unglück, wenn nicht gar für eine Schande. Die chineſiſchen Moraliſten ſetzen als Geſetz feſt, daß ſobald eine Frau ihrem Manne keine Kinder gebärt, fie auf alle Weiſe verpflichtet iſt, ein außereheliches Verhältniß zu begünſtigen, damit ſein Name ſich fortpflanze und im Falle des Todes ſeinem abgeſchiedenen Geiſte die gebührenden Ehren erwieſen werden können. Einer der populärſten chineſiſchen Schriftſteller ſagt deshalb: „Es giebt auf Erden Frauen, die nie Knaben geboren, oder Mädchen aufgebracht haben, und doch wenn ihr Gatte bereits das Alter von 40 Jahren erreicht hat, demſelben nicht erlauben, eine Concubine in fein Haus zu bringen oder eine Nebenfrau (handmaid) zu unterhalten und auf andere Weiſe für Nachkommen zu ſorgen — ſie betrach— ten ſolch eine Perſon mit eiferſüchtigem Haſſe und böswilligem Neide. Ach! ſie wiſſen nicht, wie raſch die Zeit dahin eilt! Dehne deine Monate und Jahre aus, wie du willſt, ſie fliegen dahin wie Pfeile, und wenn deines Gatten Lebenskraft erſchöpft iſt, dann fürwahr kann er keine Kinder zeugen, und du, ſein Weib, wirſt die althergebrachten Opfer zum Stillſtand gebracht, wirft ihn feiner Nachkommenſchaft beraubt haben — dann wird die Reue, ob- ſchon in hundertfach verſchiedener Weiſe an den Tag gelegt, wirklich zu ſpät kommen — fein ſterblicher Leib wird ſterben — fein Vermögen, welches ihr, Mann und Weib, zuſammen zu halten geſucht habt, wird nicht an ſeine Kin— der kommen, ſondern Vettern und Verwandte werden ſich darum ſtreiten; und du wirſt nicht deinem Gatten allein, ſondern dir ſelbſt Leid bereitet ha— ben, denn wer ſoll für deinen Sarg, wer für dein Grab ſorgen? wer ſoll dich begraben oder dir Opfer bringen? Ach! dein verwaiſeter Geiſt wird Nächte in Thränen zubringen. Es iſt traurig, daran zu denken.“ „Freilich,“ fährt der chineſiſche Autor fort, „giebt es einige Weiber, die ihre Eiferſucht beherrſchen und ihren Männern erlauben, Nebenfrauen zu nehmen, aber ſie thun dies ſo verdroſſen, als tränken ſie Eſſig oder nähmen Säuren zu ſich — ſie ſchlagen die Betty, indem ſie auch beiläufig mit der Belinda zanken; da iſt N kein Friede im Innern des Hauſes. Aber ich bitte euch, als kluge und tugend— hafte Weiber zu handeln. Habt ihr keine Kinder, ſo ſuchet mit Offenheit und Ehrlichkeit eine Nebenfrau für euren Mann. Bringt fie ihm Kinder, fo wer— 4 1 510 Miscellen: den die Arterien und Adern ſeiner alten Linie ſich fortpflanzen, ſeine Kinder werden euch als Mutter ehren, und tröftet euch nicht das? Gebt nicht Raum der böswilligen Eiferfucht eines ſchändlichen Weibes. Veranlaßt nicht eine Bitterkeit, die ihr ſelbſt zu verſchlucken habt.“ Vielweiberei. Gewöhnlich läßt ſich aber die Frau willig gefallen, daß ihr Mann eine beliebige Anzahl von Nebenfrauen, die er ernähren kann, ins Haus nimmt, da dieſe völlig unter ihrer Autorität ſtehen, und ſelbſt die Kinder derſelben der erſten Frau mehr Achtung zollen, als der eigenen Mutter. Die Chineſen erläutern alle häuslichen Beziehungen durch Bilder, und ſo pflegen ſie zu ſagen, daß, wie der Mann die Sonne und die Frau der Mond ſei, ſo die übrigen Frauen die Planeten und Sterne des häuslichen Firmaments vorſtellten. Man hat übrigens mit Recht die Bemerkung gemacht, daß, ob— ſchon die Chineſen in der That ſinnlich genannt werden müſſen, ſich bei ihnen keine Vergöttlichung der gröberen Sinnenlüſte, wie in der Mythologie des Alterthums oder in vielen Glaubenslehren des Orients findet. Erzählungen von den Liebſchaften ihrer Götter und Helden finden ſich nur ſelten in ihren hiſtoriſchen Büchern und überlieferten Legenden. Die Kleidung, ſowie das Benehmen der Frauen in China iſt durchgehends einfach und anſtändig, und man muß ſagen, daß ihre ſocialen Einrichtungen im Ganzen der Vermehrung des menſchlichen Geſchlechts günſtig ſind. Die Eltern ſind gewöhnlich zärtlich beſorgt um ihre Kinder und ſtolz auf ſie; ebenſo ſind die Kinder ihren El— tern gehorſam. Ordnung iſt das erſte Geſetz des Confucius — Autorität und Unterwerfung die Spitze und Baſis der ſocialen Pyramide. Das Gefühl, daß Schande mit dem Erlöſchen des Geſchlechts verbunden ſei, beſchränkt ſich keineswegs allein auf die bevorrechteten Klaſſen in China. Eine unſerer Dienſtboten, dem Namen nach Chriſtin, drückte den dringenden Wunſch aus, ihr Mann möge in ihrer Abweſenheit eine andere Frau nehmen, und ſchien ganz erſtaunt, daß Jemand gegen ein ſolches Verhaͤltniß nur Eins ſprache erheben ſollte. Ehe. Die Verheirathung der Kinder iſt eine der großen Familienange— legenheiten. Kaum iſt in den höheren Klaſſen ein Kind geboren, ſo wird ſchon die Frage feiner künftigen Vermählung häufiger Gegenſtand der Unter- haltung. Es giebt eine zahlreiche Klaſſe von Eheſtiftern von Profeſſion, deren Geſchäft es iſt, die vorläufigen Einleitungen zu treffen, die Frage über die Mitgift abzumachen, Differenzen auszugleichen und die Für und Gegen in Bezug auf etwaige Verbindungen vorzubringen. Da es in China keine erblichen Ehren giebt — ausgenommen die, welche von dem berühmten Sohne rückwärts auf den Vater, Großvater und die ganze Reihe der Ahnen, welche durch den lite— rariſchen oder kriegeriſchen Ruhm eines Nachkommen geadelt werden, über— gehen, — ſo ſind Kaſtenunterſchiede etwas Unbekanntes, und ein berühmter Gelehrter ſelbſt von der niedrigſten Herkunft gilt als eine gute Partie für das reichſte und vornehmſte Mädchen. Die ſtrengen Geſetze, welche Heirathen in⸗ . N 1 | Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 511 nerhalb beſtimmter Verwandtſchaftsgrade verbieten, bewirken, daß die Kinder zahlreich und geſund ſind; man geht in dieſer Beziehung ſogar ſo weit, daß ein Mann und eine Frau, die beide den Familiennamen Sing führen, ſich ge— ſetzlich nicht heirathen dürfen, doch beſtehen keine Verbote in Bezug auf eine Heirath mit der Schweſter eines verſtorbenen Weibes. Soldaten und Matroſen wird kein Hinderniß in den Weg gelegt, ſich zu verheirathen. Ich vermuthe, daß in Folge der zahlreichen Auswanderung und der größeren Zahl von Männern, die durch verſchiedene Zufälle ihr Leben verlieren, ein großes Mißverhältniß zwiſchen den beiden Geſchlechtern beſteht, welches natürlich genug die Mißachtung des weiblichen Geſchlechts zur Folge haben würde, aber genaue ſtatiſtiſche Angaben fehlen hierfür, wie faſt für alles andere. Der Zahlenunterſchied zwiſchen Verheiratheten und Unverheiratheten iſt außerordentlich gering. Heirathen zu befördern, ſcheint Jedermanns Sache zu ſein. Verſprechen und Verlöbniſſe nehmen natürlich genug die Aufmerkſam— keit der jungen Leute in Anſpruch, aber nicht weniger auch die der Bejahr— teren und Alten. Eine Heirath iſt das größte Ereigniß im Leben des Man— nes, wie der Frau, und erfolgt in China mit mehr vorgängigen Unterhand— lungen, Förmlichkeiten im allmähligen Fortgange derſelben, Briefſchreiben, Beſuchen, Protokollen und Contracten, als in irgend einem anderen Theile der Welt.“ Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde. (Die Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde im Monat Auguſt iſt aus⸗ gefallen.) Sitzung am 8. September 1855. Herr Walter legte zuvörderſt eine Karte der Telegraphen-Linien Eng» lands vor, worauf Herr v. Olfers vier Farbenſkizzen des bekannten und gegenwärtig in Berlin anweſenden amerikaniſchen Reiſenden Herrn Catlin, welche gottesdienſtliche Scenen des Indianerſtammes der Mandans (Faſanen— Indianer) darſtellten, zur Anſicht übergab und dieſelben mit erklärenden Be— merkungen begleitete. Herr Schultz legte den von ihm herausgegebenen me— dieiniſch⸗klimatologiſchen Monatsbericht für Berlin, December 1846 — Juni 1847 (7 Hefte), desgleichen ſeine Tabellen über den täglichen Gang der meteorologiſchen Inſtrumente in Rom vor und hielt, auf dieſe Schriften ſich beziehend, einen Vortrag über meteorologiſche und klimatiſche Verhältniſſe, ſowie über die Methode, welche in Anwendung kommen müſſe, um dieſe Ver— 512 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. hältniſſe für die Mediein brauchbar zu machen. Eine vorgelegte graphiſche Darſtellung diente zur Erläuterung des Vortrages. Herr Polsberw hielt dann einen Vortrag über die Statiſtik der Völker des Alterthums, mit beſonderer Rückſicht auf das Werk von Moreau de Jonnés „Statistique des peuples de I'Antiquité“. Ein Vortrag des Herrn Wolfers über Ebbe und Fluth, mit Rückſicht auf einige uns nahe liegende Orte, beſchloß die Sitzung. Für die Bibliothek der Geſellſchaft waren folgende Geſchenke eingegangen: 1) Zeit— ſchrift für allgemeine Erdkunde, herausgegeben von Dr. T. E. Gumprecht. Bd. V,. Heft 2. Berlin 1855. Geſchenk des Verlegers Herrn D. Reimer. 2) Alfabet Fonetique Européen par Potonie. Paris 1855. Zugeſandt von dem Verfaſſer. 3) Karte von Nordamerika von Mitchell. Amſterdam. 6 Bl. Geſchenk des Dr. Karl Maßmann in Oſterburg. Sitzung der Berliner Geſellſchaft für Erdkunde am 13. October 1855. Nachdem der Vorſitzende, Herr Ritter, der Geſellſchaft mit einigen ein— leitenden Worten die erfreuliche Mittheilung gemacht hatte, daß der berühmte afrikaniſche Reiſende Herr Barth unvermuthet in Berlin angekommen ſei und an der Sitzung der Geſellſchaft Theil nehmen werde, erſchien dieſer ſelbſt, wobei er von der Verſammlung durch einmüthige Erhebung begrüßt wurde. Der Vorſitzende geleitete ihn auf ſeinen Ehrenplatz, und als er ihn, der von der Vorſehung ſo wunderbar erhalten war, noch einmal im Namen der Ge— ſellſchaft bewillkommt und daran die ſchon früher in dieſer Zeitſchrift (Bd. III, S. 50) mitgetheilte Bemerkung geknüpft hatte, daß der Graf v. Schlieffen zu El Obeyd in Kordofan einen braunen Wanderer geſprochen habe, welcher dem Reiſenden in Baghermi begegnet war, hielt Herr Barth eine Anfprache an die Geſellſchaft, worin er mit einem Blick auf die materiellen Verhältniſſe der Expedition ſeine Verpflichtungen gegen die Geſellſchaft hervorhob und die Expedition gegen unbegründete Vorwürfe vertheidigte. Als geographiſche Hauptergebniſſe ſeiner Reiſe bezeichnete er: 1) die Aufklärung des wahren Charakters der Wüſte Sahara; 2) die Feſtſtellung der Lage und Ausdehnung der Mendifgruppe; 3) den Nachweis, daß der öſtliche Quellfluß des Kowara vom Tſadſee unabhängig ſei und den natürlichen Handelsweg in das Innere Afrika's bilde; 4) die Erforſchung des Flußſyſtems von Baghermi und Ada— maua und 5) die Feſtſtellung des Nigerlaufes zwiſchen Sokoto und Tim— buktu. Außerdem deutete der Vortragende auf die ethnographiſchen Reſultate der Reiſe hin, welche den geographiſchen zum Wenigſten nicht nachſtänden. Als Erläuterung zu dem ſo eben Mitgetheilten legte Herr Ritter die Auf— . A - \ Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. 513 nahme des Benus (bisher Tſad) vor, welche vom Juli bis November 1854 durch Dr. Baikie, Befehlshaber des engliſchen Dampfſchiffes Plejade, bewirkt und kürzlich nach dem engliſchen Original in einem großen Carton von Dr. A. Petermann zuſammengeſtellt worden war. Herr Heiſing hielt hierauf einen Vortrag, worin er vornehmlich Leichardt's merkwürdige Reiſe nach Port Eſſington ſchilderte. Herr Dove legte dann eine photographiſche Anſicht einer Reliefkarte von Frankreich von Sanis und außerdem mehrere von Babinet (Paris 1855) herausgegebene Karten vor, welche des letztgenannten Ver— faſſers neue Projectionsmethode, die er die homolographiſche nennt, und welche die Fehler der bisher üblichen Projectionsarten verkleinern ſoll, darſtellen. Weiter beſprach derſelbe den zweiten Theil von E. Hallmann's Werk über die Temperaturverhältniſſe der Quellen, und indem er darauf hinwies, daß die Pflanzen nicht allein von der Temperatur der Luft, ſondern weſentlich auch vom Boden und von der Bodentemperatur abhängig wären, gab er noch eine gedrängte Ueberſicht von neu erſchienenen Schriften, die zur Aufklärung der meteorologiſchen Verhältniſſe einiger Länder beitragen. Das Annuaire der meteorologiſchen Geſellſchaft von Paris, das nicht allein die Temperatur⸗ verhältniſſe Frankreichs, ſondern auch die der Colonien, insbeſondere Alge— riens und Guiana's mittheilt, wurde hierbei vorzüglich hervorgehoben. End— lich beſchrieb der Vortragende einige auf der gegenwärtigen Pariſer Ausſtellung beobachtete und für die geographiſche Wiſſenſchaft bedeutungsvolle Merkwür⸗ digkeiten und verweilte beſonders bei einer ſinnreichen Vorrichtung, wodurch die fortdauernde Beobachtung der Drehung der Erde aus den Schwingun— gen des Pendels möglich wird. Am Schluſſe der Sitzung richtete Herr Die— terici der Aeltere im Auftrage des Vorſitzenden noch einmal das Wort an Herrn Barth und, indem er den Wunſch ausſprach, daß derſelbe recht bald wieder Berlin zu ſeinem Wohnſitz erwählen und ſich in demſelben heimiſch fühlen möge, gab er der Stimmung aller Anweſenden durch ein dreimaliges Hoch auf den Gefeierten einen entſprechenden Ausdruck, wobei er von der ganzen Verſammlung kräftig unterſtützt wurde. — Eingegangen waren für die Geſellſchaft: 1) Die Büſte Leichardts. Geſchenk des Herrn Jules Ver— reaur, Chefs der zoologiſchen Anſtalt in Paris, an die Königliche Regierung und durch des Herrn Miniſters v. Raumer Excellenz der geographiſchen Ge— ſellſchaft überwieſen. 2) Die Hellenen im Skythenlande. Ein Beitrag zur alten Geographie, Ethnographie und Handelsgeſchichte. Von Dr. Karl Neu— mann. Bd. I. Mit 2 Karten. Berlin 1855. 3) Educacion comun en el estado de Buenos-Aires por D. F. Sarmiento. Santiago de Chile 1855. 4) Catecismo geogräfieo-politico e historico de la Repüblica Oriental del Uruguay por D. Juan Manoel de la Sota. Montevideo 1855. (Bei⸗ des Geſchenke des General-Conſuls Herrn v. Gülich). 5) Mittheilungen über wichtige neue Erforſchungen auf dem Geſammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann. Gotha 1855. Heft V u. VI. (Geſchenk des Ver⸗ Zeitſchr. f. allg. Erdkunde. Bd. V. 33 514 Sitzungsbericht der Berliner geographiſchen Geſellſchaft. legers Hrn. J. Perthes in Gotha). 6) Jahrbuch des naturhiſtoriſchen Landes- muſeums in Kärnten. Herausgegeben von J. N. Canaval. Mit 2 lith. Taf. 3. Jahrgang. Klagenfurt 1854. 7) Memoria historica sobre los Dere- chos de Soberania y Dominio de la Confederaeion Argentina por D. Pedro de Angelis. Buenos-Aires 1852. 8) Noticia biogräfica de Mr. Bonpland por Mr. de Angelis. Buenos-Aires 1855. 9) De la Navi- gation de Amazone par Mr. de Angelis. Montevideo 1854. 10) Pro- yecto de Constitution para la Repüblica Argentina. Por Pedro de An- gelis. Buenos-Aires 1852. 11) De la Conducta de los Agentes de la Francia durante el bloqueo del Rio de la Plata, por el Observador impareial. Buenos-Aires 1839. 12) Ein lithographirtes Portrait des Reiſenden Bonpland. (Nr. 7— 12 find Geſchenke des Herrn de Angelis in Montevideo.) 13) Carta geogräfica del Estado Oriental del Uruguay y Posesiones adyacentes. Paris 1841. (Geſchenk des Herrn Bonpland.) 14) The Journal of the Royal Geographical Society of London. Vol. X. P. I, II, III. London 1840. 15) Bulletin de la Société de Geographie. IVme Serie. T. IX. Paris 1855. ie = 8 f Vim u ne C P .- . ,] - 2 * — Ueberſicht der vom Juli bis zum November 1855 auf dem Gebiete der Geographie erſchienenen Werke, Aufſätze, Karten und Pläne. Geographiſche und ſtatiſtiſche Zeitſchriften. e für allgemeine Erdkunde ꝛc., herausgegeben von Dr. T. E. Gumprecht. d. V. Heft 1— 6. Berlin (D. Reimer) 1855. gr. 8. (2 Thlr.) Mitteilungen aus J. Perthes' geographiſcher Anftalt über wichtige neue Erforſchun— gen auf dem Geſammtgebiete der Geographie, von Dr. A. Petermann. Gotha (Perthes) 1855. Heft IV X. 4. (a 3 Thlr.) Notizblatt des Vereins für Erdkunde und verwandte Wiſſenſchaften zu Darmſtadt. Nr. 1 — 20. October 1854 — Juli 1855. Mit 6 lithogr. Tafeln. Darmſtadt (Jonghaus) 1855. 8. Bulletin de la Société de Géographie etc. IV” Ser. T. IX. Juin. T. X. Juillet. Aoüt. Paris 1855. 8. Nouvelles Annales des Voyages. VI”° Ser. 1855. III. Juillet — Octobre. Paris. 8. Das Ausland. Eine Wochenſchrift ꝛc. 28. Jahrg. 1855. Stuttgart (Cotta). 4. Archiv für wiſſenſchaftliche Kunde von Rußland. Herausgegeben von A. Erman. Bd. XIV. Heft 3. 4. Berlin (G. Reimer) 1855. 8. Revue de l'Orient, de PAlgérie et des Colonies. XIII ne Année. III e Ser, 1855. Juin — Septembre. Paris. gr. 8. Atlantiſche Studien: Bd. VI Heft 3. Bd. VI Heft 1. 2. 1855. Tijdschriſt voor Nederlandsch Indie. Uitgeg. door W. R. van Hoévell. 1855. Junij — October. Zalt-Bommel. gr. 8. The Journal of the Indian Archipelago and Eastern Asia. March — June 1854. Singapore. 8. Jahrbuch für Volkswirthſchaft und un Herausgegeben von O. Hübner. 4. Jahrg. Leipzig 1856. gr. 8. (2 Thlr. Mittheilungen des ſtatiſtiſchen Bureau's in Berlin, Herausgegeben von Dieterici. 8. Jahrg. Nr. 1 — 19. Berlin (Mittler) 1855. 8. Zeitſchrift des ſtatiſtiſchen Bureau's des Königl. ſächſiſchen Miniſteriums des Innern. Nedig. von Ernſt Engel. 1. Jahrg. 1. Quartal. Leipzig 1855. 48 S. 4. Statiſtiſche Mittheilungen aus dem Königreich Sachſen, herausgegeben vom ſtatiſtiſchen Bureau des Miniſteriums des Innern. Lief. 4: Die Sparkaſſen in der Zeit von 1845 — 53. (Dresden) Leipzig (Hübner) 1855. Imp. 4. (2 Thlr.) Mittheilungen aus dem Gebiete der Statiſtik. 4. Jahrg. 1. u. 2 Heft. Wien 1855. gr. 8. Boeckh (R.), Allgemeine Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtrativen Statiſtik der verſchiedenen Staaten. — Zeitſchr. f. allgem. Erdkunde. V. 1855. S. 366. 456. Taſchenbuch für Handel und Schiffahrt für das Jahr 1855. Hamburg (Gaßmann) 1855. 12. (4 Thlr.) Swart (J.), Verhandelingen en Berigten betrekkelijk het Zeewezen en de Zee- vartkunde. Nieuwe volgorde. 1855. N.1. 2. Geographiſche Literatur und Wörterbücher. Schmidt (G.), Bibliotheca historico-geographica. 3. Jahrg. 1855. 1. Hälfte. Göt⸗ tingen (Vandenhoeck u. Ruprecht) 1855. 8. (6 Sgr.) Hoffmann (W.), Encyelopädie der Erd-, Völker- und Staatenkunde. Lief. 6 — 11. Leipzig (Arnold) 1855. 4. (à 4 Sgr.) 33 * 516 W. Koner: Johnston (A.K.), Dictionary of Geography, descriptive, physical, statistical and historical. 2d edit. London (Longman) 1855. 1360 S. 8. (36 Sh.) Carta (G. B.), Dizionario geografico universale tratto dalle opere più acereditate e recenti di geografia insigni. Dispensa 1 — 4. Mantova 1855. 8 Castro (Vine, de), Gran dizionario geografico, politico, statistico, storico, militare e commerciale dell’ Europa ete. Dispensa 1—19. Milano (Centenari) 1855. Holland (G. A), Eiſenbahn-Lexikon für Mittel- Europa. Friedrichshafen (Höchel) 1855. 12. (21 Sgr.) Geographiſche Lehr⸗ und Handbücher. Biernatzki (K.), Die Länder und Völker der Erde. Stuttgart (Schmidt u. Spring) 1856. gr. 8. (3 Thlr.) Brachelli (U. F.), Gli stati d' Europa brevimente deserittii in via statistica. Ver- sione dal tedesco da C. Tacchetti. Nuova ediz. Brünn (Buſchak u. Irrgang) 1855. 8. (3 Thlr. 24 Sgr.) Erich (J. C.), Leitfaden für den geographiſchen Unterricht. 2. Aufl. Halle (Hendel) 1855. 8. (3 Sgr.) Grube (A. W.), Geographiſche Charakterbilder in abgerundeten Gemälden aus der Länder- und Völkerkunde. 1. u. 2. Theil. 6. Aufl. Leipzig (Brandſtetter) 1855. 8. (24 Thlr.) 3. Theil: Charakterbilder deutſchen Landes und Lebens. 2. Abdr. Ebend. 8. (14 Thlr.) Kleinſtäuber (Ch.), Leitfaden zu dem Unterrichte in der Geographie, für lateiniſche Schulen bearb. 5. Aufl. Wien (Manz) 1855. 8. (192 Sgr.) Nievergelt (R.), Leitfaden der Geographie für Sekundarſchulen. Frauenfeld (Ver⸗ lags⸗Compt.) 1855. gr. 8. (3 Thlr.) Pütz (W.), Leitfaden bei dem Unterrichte in der vergleichenden Erdbeſchreibung für die unteren und mittleren Klaſſen höherer Lehranſtalten. Freiburg im Br. (Her⸗ der) 1855. 8. (9 Sgr.) v. Roon (A.), Grundzüge der Erd-, Völker- und Staatenkunde. 3. Abtheil: Poli⸗ tiſche Geographie. I. 3. Aufl. Auch u. d. Tit.: Darſtellung der allgemeinen Ver⸗ hältniſſe und Erſcheinungen der Völkerkunde. 3. Aufl. Berlin (Duncker u. Hum⸗ blot) 1855. gr. 8 (2 Thlr.) Schacht (Th.), Lehrbuch der Geographie alter und neuer Zeit. 6. Auflage. Mainz (Kunze) 1855. 8. (23 Thlr.) Schneider (K. F. R.), Handbuch der Erdbeſchreibung und Staatenkunde. 39. — 42. Lief. Glogau (Flemming) 1855. 1. Bd. gr. 8. (à 5 Sgr.) Steinhaus (A.), Lehrbuch der Geographie für Handels- und Realſchulen. 1. Thl.: Mathematiſche, phyſiſche und topiſche Geographie. Leipzig (Hinrichs) 1855. 8. > Thl 3 r. Völter (Dan.), Lehrbuch der Geographie. II. beſonderer Theil. 2. verm. u. verb. Aufl. 4. u. 5. Lief. Eßlingen (Weychardt) 1855. gr. 8. (à 3 Thlr.) Zimmermann (W. F. A.), Der Erdball und ſeine Naturwunder. 29. — 32. Lief. Berlin (Hempel) 1855. gr. 8. (à 4 Thlr.) — — 3. Aufl. 13. — 16. Lief. Ebend. — 4. Aufl. 1. — 13. Lief. Ebend. Bigland (J.), System of Geography, for the use of schools and private students. 44th edit. by Will. Birkin. London (Mozley) 1855. 144 S. 12. (2 S. 6 d.) Cassel's Home and School Geography and Atlas; comprising 30 engravings and 15 maps. New edition. London (Kent) 1855. 88 S. 8. (2 S. 6 d.) Pillans (J.), First steps in physical and classical geography of the ancient world. Edinburgh (Longman) 1855. 12. (1 S. 6 d.) Stewart (A.), A compendium of modern geography etc. with the geography of Palestine, and outlines of mathematical geography etc. 13th edit. Edinburgh (Simpkin) 1855. 444 S. 18. (3 S. 6 d.) Malte-Brun, G£ographie universelle, entièrement reſondue et mise au courant de la science; par M. Th. Lavallée. T. I. Paris (Furne) 1855. gr. 8. (5 Fr.) Neu erſchienene geographiſche Werke, Aufſätze, Karten und Pläne. 517 Balbi (E.), Gea ossia la terra descritta seconda le norme di A. Balbi e le mi- gliori notizie. Dispensa seconda. Trieste (Lloyd austr.) 1855. p. 289 — 480. Lex. 8. (20 Sgr.) Plenge (J. C. L.), Kleines Lehrbuch der Geographie. Für Bürger- und Landſchulen. Aus dem Daͤniſchen überſ. von C. Johanſen. (Flensburg) Altona (Lehmkuhl u. Co.) 1854. 16. (6 Sgr.) Militair-Geographie. Killmeyer (5. O.), Militair-Geographie von Europa. 1. u. 2. Lief. Stuttgart (Metzler) 1856. gr. 8. (à 7 Sgr.) v. Plehwe (b.), Leitfaden für den Unterricht im militairiſchen Aufnehmen. 3. Aufl. Berlin (Jonas) 1855. gr. 8. (1 Thlr. 2 Sgr.) Smith (R. S.), A manual of topographical drawing. New York 1855. 8. (7 S. 0 d. Handels- Geographie. Nautik. Kuttner (A.), Kleine Handelsgeographie, nebſt einem kurzen Abriſſe der Pflanzen⸗ Zonen. Peſth (Emich) 1855. 8. (6 Sgr.) Flint (J.), Geography of productions and manufactures, with appendices. Lon- don (Hope) 1855. 58 S. 18. (4 d.) Löher, Handelsvölker der Gegenwart. — Ausland. 1855. Nr. 26 f. Ueber die Handelswege des Alterthums nach dem europäiſchen Norden. — Ausland. 1855. Nr. 31. Description générale des phares et fanaux, et des principales remarques existant sur le littoral maritime du globe, à l’usage des navigateurs. 12e edition. Paris 1855. 12. Le Gras (A.), Manuel de la navigation dans la mer Adriatique, d'après Marieni, Beautemps-Beaupré etc. Paris (Ledoyen) 1855. 8. (12 Fr.) Phyſikaliſche Geographie. Hummel (K.), Phyſiſche Geographie. Graz. 8. (1 Thlr. 22 Sgr.) Maury (II. J.), The physical geography of the Sea. New edit., with additional charts. London (Low) 1855. 8. (8 S. 6 d.) White (J.), Outlines of physical geography Extracted from the Authors system ol modern geography. Edinburgh (Simpkin) 1855. 12. (6 d.) Coloration de la mer. — Nouv. Annal. d. Voy. 1855. III. p. 108. Buiſt, Die hauptſächlichſten Vertiefungen an der Oberfläche des Erdballs. — Aus- land. 1855. Nr. 23. Pick (A. J.), Ueber die Sicherheit barometriſcher Höhenmeſſungen. Wien (Brau⸗ müller) 1855. gr. 8. (4 Thlr.) Reiſen durch mehrere Welttheile und Länder. Bosworth (J.), King Alfred’s description of Europe and voyages of Ohthere and Wulfstan, written in Anglo Saxon; with his account of the Mediterranean Islands, Africa etc. London (Longman). 74 S. 4. With maps. (63 Sh.) Kletke (H.), Alexander v. Humboldt's Neifen in Amerika und Aſien. 17.— 21. Lief. ec Chafielderg) 1855. gr. 8. (a4 Thlr.) — 2. Aufl. 1. u. 2. Lief. Ebend. (& Thlr.) Maleriſches Univerſum, oder Reiſen um die Welt. Bd. I. Lief. 1 — 12. Bd. II. Lief. 1. Berlin (Abelsdorff). qu. 4. (a + Thlr.) Löher (F.), Land und Leute in der alten und neuen Welt. 2. Bd. Göttingen (Wi: gand) 1855. 8. (13 Thlr.) k Die Weltkunde in einer planmäßig geordneten Rundſchau der wichtigften neueren Land⸗ 518 W. Koner: und Seereifen. Herausgegeben von F. Heinzelmann. 15. Bd. Reiſebilder und Skizzen aus dem europäiſchen Rußland und Polen. Leipzig (Fleiſcher) 1855. 8. (14 Thlr.) — — — 16. Bd. Reiſe in den mittleren und nördlichen Feftländern Aſiens, in Ja⸗ pan und in den Sandwichs-Inſeln. Ebend. 1855. 8. (1 Thlr.) Laͤnder- und Völkerkunde. Eine Sammlung von Reiſebeſchreibungen aus der neueſten Zeit. 1. — 4. Bd. A. u. d. T.: Die weſtliche Welt. Reiſen in den Vereinigten Staaten. Nach A. Mackey. Deutſch bearbeitet von O. L. H. 4 Bde. Leipzig (G. Wigand) 1855. 16. (2 Thlr.) Chamier, My Travels; or an unsentimental journey through France, Switzerland, and Italy. London (Hurst & B.) 1855. 980 S. 8. (31 S. 6 d.) Vollſtändiges Reiſebuch über Cöln durch ganz Belgien nach Paris. 2 Bde. Cöln (Tonger) 1855. Cart. in Futteral. 8. (5 Thlr.) Blanchard h.), Itineraire historique et deseriptif de Paris à Constantinople, con- tenant les environs de cette dernière ville. Paris (Hachette) 1855. 12. (74 Fr.) de Bois-Robert (J. D.), Nil et Danube, Souvenirs d'un touriste. Egypte, Tur- quie, Crimée, Provinces danubiennes. Paris (Courcier) 1855. 8. (7 Fr.) Trogher (A.), Briefe während einer Reiſe durch Iſtrien, Dalmatien, Albanien, Süd -⸗Italien ꝛc. Trieſt (Schimpff) 1855. 8. (1 Thlr.) Sägelfen (D.), Land- und Seebilder aus der Gegenwart. 2 Theile. Oldenburg (Stalling) 1856. 12. (3 Thlr.) v. Callot (E.), Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reiſebilder von Land und Meer. 7. Thl. Leipzig (Kollmann) 1855. gr. 8. (1 Thlr.) Mann (M.), Podröz na Wschöd. T. III. (Reife nach dem Orient.) Kraköw 1855. 366 S. 8. Kennard (A. S.), Eastern experiences collected during a winter’s tour in Egypt and the Holy Land. London (Longman) 1856. 434 S. 8. (103 S.) Yvan, De France en Chine. Paris 1855. 16. (2 Fr.) Abott (J.), Narrative of a journey from Herat to Khiva, Moscow and St. Pe- tersburg, during the late Russian invasion of Khiva; with some account of the court of Khiva and the kingdom of Khaurism. 2d edit. 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Murray’s Handbook for travellers in Northern Germany; being a guide to Wür- temberg, hr Austria, Tyrol etc. 7th edit. London (Murray) 1855. 579 8. 12. (9 8. nn ee ĩVw»wWô . * Neu erſchienene geographiſche Werke, Auffäge, Karten und Plane. 519 Murray’s Handbook for travellers on the Continent. Holland, Belgium, Prussia, Northern Germany etc. London (Murray) 1855. 572 S. 12. (9 S.) Original- Anſichten der hiſtoriſch merkwürdigſten Städte in Deutſchland. Darmſtadt (Lange). Nr. 232 — 239. gr. 4. (à 3 Thlr.) Müller (W), Das Rheinbuch. Landſchaftliche Geſchichte, Sage, Volksleben. 1. — 16. Lief. Leipzig (Muquardt's Verlagserped.) 1854. 55. gr. 8. (A 6 Sgr.) Der Rhein und die Rheinlande, dargeſtellt in maleriſchen Original-Anſichten. 3. Ab- theil. Nr. 14— 19. Darmſtadt (Lange). Lex. 8. (à 4 Thlr.) Sl, (B.), Maleriſches Rhein- Album. 2. Lief. Bonn (Matz). Imp. Fol. (14 lr.) Le Rhin et ses bords depuis les Alpes jusqu'à Mayence etc., accompagndes d'un texte par J. W. Appell. 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Vergl. L’Athenaeum Frangais. 1855. No. 36 f. 34 * 532 W. Koner: Fraissinet (Ed.), Surinam ou la Guyane nderlandaise. — Nouy. Annal. des Voyag. VI e Sér. 1855. IV. p. 17. Auſtralien. Brahe, Skizzen aus der Südſee. — Bremer Sonntagsblatt. 1855. Nr. 37. Entwickelung des Verkehrs auf dem ſtillen Ocean. — Ausland. 1855. Nr. 38. 39. Büchele (C.), Auſtralien in der Gegenwart. Stuttgart (Hallberger) 1856. gr. 8. (1 Thlr. 12 Sgr.) Waugh and Cox, Australian Almanack for the year 1855. Sydney (Simpkin) 1855 224 S. 8. (4 S.) Australian Almanack, commercial and nautical, for 1855. London (Longman) 1855. 8. (6 S.) Bruhn (G. H.), Mittheilungen über die auſtraliſchen Colonien, nach eigenen Er- f 5 50 und Betrachtungen. Hamburg (Perthes, Beſſer u. Mauke) 1855. 8. 6 Ngr. Ewan (J.), Geography of the Australian colonies; with a brief sketeh of the is- lands of Australasia. Sydney (Simpkin) 1855. 102 S. 12. (3 S.) 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Atlanten, Karten und Pläne, Carte murale pour Penseignement de la cosmographie, oü sont représentés les rapports de la grandeur des planètes et du soleil. 2 feuilles. Jomard, Monuments de la géographie. No. 60 à 63 provisoires. Carte du globe, par Mohammed -ebn - Aly- ebn- Ahmed - al- Charfy de Slax, an 1009 de P'hé- gire. 17e et 2° partie. Paris (Impr. lith. de Kaeppelin). Evans (H. S.), A map and a guide to all the emigration colonies of Great Bri- tain and America. London (Letts) 1855. 12. (1 S. 6 d.) Adami (C.), Schul-Atlas. Berlin (D. Reimer) 1855. qu. Fol. (14 Thlr.) Engel (K. G. J.), Elementar-Atlas der Anſchauung beim Unterrichte in der Geo⸗ graphie. 4. u. 5. Lief. Leipzig (Hentze). qu. Fol. (à 6 Sgr.) Ewald (L.), Hand-Atlas der allgemeinen Erdkunde, der Völker- und Staatenkunde. Neu erfchienene geographiſche Werke, Aufſätze, Karten und Pläne. 533 60 re 1. Hälfte. Darmſtadt (Bauerkeller's Prägeanftalt). Fol. Cart. 85 Thlr. Glaſer (C.), Topiſch-phyſikaliſcher Atlas in 18 Blättern mit erläuterndem Texte. 2. Aufl. Herausgegeben von T. Bromme. Stuttgart (Krais u. Hoffmann) 1855. Fol. Cart. (24 Thlr.) Graßmann (R.), Schul⸗Atlas für den erſten Unterricht in der Geographie. Stettin (Graßmann) 1855. Fol. (6 Sgr.) Groß (R.), Neuer geographiſcher Schul-Atlas in 28 Karten. 2. Aufl. 2. Abdruck. Stuttgart (Schweizerbart) 1855. Fol. (2 Thlr. 12 Sgr.) Holle (L.), Vollſtändiger Schul-Atlas der neueſten Erdkunde in 29 Karten. 11. Aufl. Wolfenbüttel (Holle) 1855. qu. Fol. (2 Thlr.) Schulwandatlas der neueſten Erdkunde. Nr. 31. Herzogthum Braunſchweig. 4 Blätt. Wolfenbüttel (Holle). Imp. Fol. (1 Thlr.) Kiepert (H.), Neuer Handatlas über alle Theile der Erde. 2. Lief. 4 Karten. Berlin (D. Reimer). (1 Thlr. 18 Sgr.) König (Th.), Hiſtoriſch-geographiſcher Hand-Atlas zur alten, mittleren und neuen Geſchichte. 4. Aufl. Wolfenbüttel (Holle) 1855. qu. Fol. (14 Thlr.) Ohmann (C. L.), Schul-Wand-Karte von Europa in 16 Blattern. Berlin (Rein— ſche Buchhandl.). gr. Fol. (2 Thlr) v. Spruner (K.), Hiſtoriſch-geographiſcher Schul-Atlas. Gotha (Perthes) 1855. qu. Fol. (24 Thlr.) —, Hiſtoriſch-geographiſcher Hand-Atlas. 13. Lief. Atlas antiquus. 2. Aufl. Gotha (Perthes) gr. Fol. (63 Thlr.) —, Siſtoriſch⸗geographiſcher Hand-Atlas zur Geſchichte Aſiens, Afrika's, Amerika's und Auſtraliens. 2. Aufl. Gotha (Perthes) 1855. gr. Fol. (6 Thlr.) Stieler's Hand-Atlas über alle Theile der Erde. Bearbeitet von Stülpnagel, H. Berghaus und A. Petermann. Neue Bearbeitungen aus dem J. 1855. Gotha (Perthes) 1855. gr. Fol. (12 Thlr.) v. Sydow (E.), Hydrotopiſcher Atlas. Gotha (Perthes) 1855. qu. Fol. (24 Sgr.) —, Wand⸗Atlas (mit ruſſiſchem Tert). Nr. 1. Europa. 9 Bl. in gr. Fol. Gotha (Perthes) 1855. (23 Thlr., auf Leinw. u. in Mappe 33 Thlr.) —, Wand- Atlas. Nr. IV. Afrika. 4. Aufl. 6 Bl. Gotha (Berthes). gr. Fol. (1 Thlr., auf Leinw. u. in Mappe 2 Thlr.) Winckelmann (E.), Elementar-Atlas für den geographiſchen Unterricht in 20 Kar— ten. 4. Aufl. Eßlingen (Weychardt) 1855. qu. Fol. (26 Sgr.) Bean (C.), Comprehensive School Atlas of ancient and modern geography. With a consulting dictionary of 22,000 names of places, by J. H. Johnson. Lon- don (Bean) 1855. 8. (11 S. 6 d.) Brewer CJ. S.), An elementary Atlas of history and geography, from the com- mencement of the Christian Era to the present time. London (Longman). 96 S. 8. (123 S.) Collin’s Shilling Atlas of the world; containing 12 beautifully engraved quarto maps. London (Collins) 1855. 4. (1 S.) Ettling’s Drawing- room Atlas of Europe. 16 maps. London (Longman) 1855. 4. (64 S.) Johnston (A. K.), National atlas of historical, commercial, and political geo- graphy, with a complete index. New issue. Edinburgh (Stanford) 1855. Fol. (L. 8, 8 S.). Lithographed edition, without plates and notes. (L. 4, 14 S. 6 d.) Menke (Th.), Orbis antiqui descriptio for the use of schools. 2d edit. Gotha (Perthes) 1855. gr. 4. (13 Thlr.) Murphy (W.), Historical and statistical School Atlas; consisting of ten maps from the latest and best authorities. Edinburgh (Simpkin) 1855. 8. (12 S.) Philip's Popular Atlas of the World, constructed from the most recent and best authorities, by J. II. Jonson. Liverpool 1855. Fol. (12 S. 6 d.) 534 W. Koner: Primary Atlas of ancient and modern Geography, for the use of schools and pri- vate students; embracing the latest discoveries. Collected from the best au- thorities, as a companion to Orr’s »Cirele of the Sciences“. London (Houl- ston) 1825. 8. (2 S. 6 d.) General Atlas of the World. 52 maps, coloured in outline. London (Routledge) 1855. Fol. (10 S. 6 d.) Repertoire de cartes publié par PInstitut royal des Ingenieurs néerlandais. Livr. 1 — 3. Autriche. La Haye (van Langenhuysen freres) 1855. Europa. Gius. Pezze scrisse ed incire aqua. In 16 Bl. (Es fehlen noch Bl. 1. 3. 5. 9.— 11. 13.) Cartes générales du bassin de la mer Noire et de la mer Baltique. 2 feuilles. Reymann (G. D.) und v. Oesfeld (C. W), Topographiſche Spezial-Karte von Deutſchland und den angrenzenden Staaten. Neue Ausgabe. 117. — 132. Lief. Glogau (Flemming) 1855. Fol. (A 2 Thlr.) Lauffer (F.), Neueſte Eiſenbahn- und Dampfſchiffahrts-Karte Central-Europa's. Caſſel (Luckhardt) 1855. gr. Fol. (6 Sgr.) 9 15 Deutſchland für das Jahr 1856. Leipzig (Lit. Bureau) 1855. ol. (4 Sgr. Ueberſichts-Karte der Eiſenbahnen und der bedeutenderen Poſt- und Dampfſchiff— Verbindungen in Deutſchland und den angrenzenden Ländern. Berlin (Decker) 1855. gr. Fol. (12 Sgr.) Balneologiſche Karte von Deutſchland und den angrenzenden Landestheilen. Berlin (Scherk) 1855. (4 Thlr.) Böhm (F.), Plan von Berlin mit dem Weichbilde und der Umgegend bis Char⸗ lottenburg. Neue Aufl. Berlin (D. Reimer) 1855. In 4. Carton. (2 Thlr.) ee Erna an der Warthe. Landsberg (Schäffer u. Co.) 1855. qu. ol. (2 Thlr. Wachler (L.), Statiſtiſch-techniſche Karte von Oberſchleſien zum hüttenmänniſchen Führer durch Oberſchleſien. Glogau (Flemming) 1855. Imp. Fol. (1 Thlr.) Bonsdorff (Th.), Special-Karte des Regierungsbezirks Magdeburg, der Anhalt’- ſchen Herzogthümer und der angrenzenden Landestheile. 2. Blatt. Magdeburg (Kägelmann). Imp. Fol. (13 Thlr.) 8 Büchel (J.), Karte des Kreiſes Berncaſtel. Trier (Gall) 1855. gr. Fol. (3 Thlr.) e, Karte des Kreiſes Ottweiler. Trier (Gall) 1855. gr. Fol. (4 Thlr.) —, Karte des Kreiſes St. Wendel. Trier (Gall) 1855. gr. Fol. (4 Thlr.) —, Karte des Kreiſes Saarlouis. Trier (Gall) 1855. gr. Fol. (4 Thlr.) Röwer (C.), Poſt-Karte der Großherzogthümer Mecklenburg. Neuſtrelitz (Barne⸗ witz) 1855. Fol. (4 Thlr.) Plan von Dresden. Berlin (Grieben). Fol. (2 Sgr.) Ueberſichtsplan vom Inundationsgebiete der Gewäſſer bei und in der Umgegend von Leipzig. Leipzig (Hinrichs) 1855. Imp. Fol. (12 Thlr.) v. Süßmilch-Hoͤrnich (M.), Karte der Umgebung von Bad Elſter. Dresden (Adler u. Dietze) 1855. Fol. In 16. Carton. (6 Sgr.) Roſenthal (M. C.), Königreich Bayern. Neue Ausgabe. Würzburg (Beyerlein) 1855. gr. Fol. (12 Sgr.) Berghaus (jun.), Schul-Atlas der öͤſterreichiſchen Monarchie. 2. Auflage. Gotha (Perthes) 1855. qu. Fol. (12 Sgr.) Pluth (Fr.), Karte des Chrudimer Kreiſes im Königreich Böhmen nach den neue— En 22 beften vorhandenen Hilfsmitteln. Prag (Chriſtoph u. Kuhe) 1855. 1 Blatt. Bermann, Die Markgrafſchaft Mähren und das Herzogthum Ober- und Nieder— ſchleſien nach ihrer neueſten gerichtlichen und politiſchen Eintheilung. Wien 1855. Wagner (A.), Karte des Inn- und Hausruckkreiſes in Oberöſterreich mit den Gru— Neu erſchienene geographiſche Werke, Aufſätze, Karten und Pläne. 535 ben⸗Maſſen der Wolfsegg-Traunthaler Kohlenbergbau- und Eiſenbahngeſellſchaft. Wien (Lith. Anſtalt von Sieger). Plan von Gmunden und deſſen Umgebung. Wien (Artaria) 1855. 1 Bl. M. „5 c Schmitt (G.), Neueſte Original-Karte der Umgebungen Wiens. Wien (Wenedikt) 1855. Fol. in 16. Carton. (4 Thlr.) Neueſter zuverläſſigſter Plan von Wien mit feinen Vorſtädten. Wien (Wenedikt) 1855. Fol. in gr. 16. Carton. (3 Thlr.) Pfeiffer (J. B.), Karte zur Reiſe durch Salzburg, das Salzkammergut und Berch— tesgaden nebſt einem Theile von Tyrol bis Brixen und des baieriſchen Hochge— birges bis München. Salzburg (Baldi) 1855. Gebirgs-, Poſt- und Reiſe-Karte von Deutſch-Tyrol und Suͤdbayern. München (Franz). Fol. Auf Leinw. (24 Sgr.) Karte von Ungarn und Siebenbürgen. Prag (Berra) 1855. 1 Bl. Großfürſtenthum Siebenbürgen. Prag (Berra) 1855. 1 Bl. Carta topografıca del Territorio Distrettuale di Castiglione di Stiviere. Mantova 1855. 1 Bl. Neueſte Eiſenbahn- und Poſt⸗Karte der Schweiz. Winterthur (Steiner) 1855. Imp. Fol. (8 Sgr.) Stryienski (A.), Carte topographique du canton de Fribourg, levée de 1843 à 1851, gravée par Th. Delsol. Paris (Impr. lithogr. de Chardin aine), La France et ses colonies, atlas illustré. 100 cartes dressées d’apres les cartes de Cassini, du depöt de la guerre, des ponts et chaussées et de la marine, par M. Vuillemain. Texte rédigé d’apres les documents officiels et sur un plan entierement nouveau, reunissant en ſorme de tableaux: 1) la division admi- nistrative, politique, judiciaire ete.; 2) les vicissitudes historiques; 3) la bio- graphie; 4) la statistique; 5) les ressources agricoles, industrielles ete. etc. par Ernest Poirée. Paris (Migeon) 1855. 4. (35 Fr.) Atlas special de la France par Bazin et Cadet. Pl. 21. France militaire. 27. France commerciale et maritime. 28. Algerie physique, politique, administra- tive et militaire. Paris (Impr. lith. de Bineteau). Villevert (E.), Carte statistique de la France, apres les documents officiels les plus récents, faisant connaitre, par départements, tous les éléments de ri- chesse, de prospérité et de grandeur de la France. Paris (Impr. lithogr. de Lemercier). Atlas communal du département de la Seine, arrondissement de Sceaux, canton de Villejuif, commune de Fresne. Paris (Impr. lithogr. de Lemercier). de Billy (E.), Carte geologique des Vosges. Paris (Imprimerie roy.) Atlas souterrain de la ville de Paris. Région N. E. Feuilles 1 et 2. Paris (Impr. lithogr. de Chardon ainé). u von Paris. Leipzig (Expedition der illuſtrirten Zeitung). gr. Fol. + Thlr). Neuer und vollſtändiger Plan von Paris. Leipzig (Weber) 1855. In engl. gr. 8. Carton. (4 Thlr.) Bradshaw’s New map of Paris, including a map of the environs and a com- prehensive Street Index. London (Adams) 1855. 12. (1 S.) Tourrier (J), New map of Paris; with a guide to the Great Exhibition and principal buildings in the Capital. London (Whicbread) 1855. In case. (6 d. 5 Plan du 879 bois de Boulogne, dressé d’apres les documents ofhciels, gravé et publié par Th. Dels ol. Paris (Andriveau- Goujon) 1855. 536 W. Koner: Hafen und Einfahrten von Sweaborg und Helſingfors. Berlin (Schropp u. Co.). gr. Fol. (4 Thlr.) Handtke (F.), Special-Karte des Kriegsſchauplatzes in Süd-Rußland. Glogau (Flemming). Imp. Fol. (12 Sgr.) Karte der ruſſiſchen Häfen am ſchwarzen und aſoff'ſchen Meere. Glogau (Flemming) 1855. gr. Fol. (3 Thlr.) Flender (R.), Special-Karte der Krim. Nach J. J. N. Huot. 2. Aufl. Breslau (Kern). gr. Fol. (4 Thlr.) Clerot, Plan du siege de Sébastopol et ses environs. Paris (Impr. lithogr. de Kaeppelin). Biddulph (M. A. S.), A series of topographical sketches of the ground before . Sebastopol. Accompanied by explanatory descriptions. London (Chapman & H.) 1855. Fol. (10 S. 6 d) — — — Part 3, showing the Mamelon. Ibid. cod. Fol. (2 S. 6 d.) —, Topographical sketches of the ground before Sebastopol, accompanied by an explanatory description. Part 2. London (Stanford) 1855. Fol. (4 S.) Panorama d'Italia. Milano (Gnocchi) 1855. 1 Bl. Regno Lombardo- Veneto. M. 7474500: Milano (Gnocchi) 1855. 1 Bl. Carta topografica del Territorio Distrettuale di Mantova a norma del nuovo Com- partimento. Mantova (Beretta) 1855. 1 Bl. Carta topograſica del Territorio di Viadana. Mantova (Beretta) 1855. 1 Bl. Huber (J.), Die ſardiniſche Monarchie. Nürnberg (Beyerlein). gr. Fol. (9 Sgr.) Vuillemin (A.), Mapa de los caminos reales y transversales de Espaſia y de Portugal, con las nuevas divisiones de provincias Paris (Impr. lithogr. de Lamoureux). Karte vom ruſſiſch- türkiſchen Kriegsſchauplatz in Aſien. Glogau (Flemming) 1855. Imp. Fol. (3 Thlr.) Kiepert (H.), Generalkarte des türkiſchen Reiches in Europa und Aſien, nebſt Un⸗ garn, e und den Kaukaſus-Ländern. 4 Bl. Berlin (D. Reimer). 2 Thlr. Aa van de Nederlandsche Bezittungen in Oost-Indié, geteckend onder toezigt van J. Pijnappel. Inhoud: I. Overzigtskaart. II. Java. III. Sumatra. IV. Gouvernement Sumatra’s Westkust. V. Residentie Riouw en Bangka. VI. Borneo. VII. Celebes. VIII. Molukken. IX. Eilanden beoosten Java tot Ti- mor. s' Hage 1855. Prospectus van eene algemeenen atlas van Nederlandsch Indie. Uit officiéle bron- nen en met goedkeuring van het Gouvernement te zamengesteld door P. ba- ron Melvill van Garnbee. Linant de Bellefonds, Carte de PEtbaye, ou pays habité par les Arabes Bi- charis, comprenant les contrées des mines d’or connues des anciens sous le nom d’Olakı, faite dans les années 1831 et 1832. Paris (Impr. lithogr. de Kaeppelin). 5 Carte hydrographique de la partie septentrionale de la haute Egypte, ou sont in- diqués les travaux d’ouyrages exécutés et à exdcuter d’apres les ordres de S. A. Mehemet-Ali, Vice-Roi d’Egypte, par M. Linant de Bellefonds. Paris (Impr. lithogr. de Kaeppelin) 1855. Kiepert (H.), Entdeckungen im arktiſchen Polarmeere in Folge der Aufſuchung der Franklin'ſchen Expedition bis 1854. Berlin (D. Reimer) 1855. qu. Fol. (4 Thlr.) Neu erſchienene geographiſche Werke, Aufſätze, Karten und Pläne. 537 Carte des regions arctiques et du passage nord- ouest, d’apr&s la dernitre carte de Pamiraute britannique. Paris. 1 feuille, Carte geologique du Canada, par W. E. Logan. Paris. Smith (C.), Special-Karte der Vereinigten Staaten von Nordamerika. 2. Aufl. 5. Lief. Caſſel (Fifcher). gr. Fol. (18 Sgr.) Phyſik der Erde. Arago (F.), Meteorological essays. With an introduction by Alex. v. Humboldt. Translat. under the superintendence of Colonel Sabine. London (Longman) 1855. 520 S. 8. (18 S.) Jahrbücher der K. K. Central Anftalt für Meteorologie und Erdmagnetismus von Karl Kreil. III. Bd. Jahrg. 1851. Wien 1855. 4. Friedmann, Meteorologiſche Briefe. — Ausland. 1855. Nr. 29. 30. 32. 36. 38. 42. Müller (J.), Grundriß der Phyſik und Meteorologie. 5. Aufl. 1. Hälfte. Braun⸗ ſchweig (Vieweg u. Sohn) 1855. gr. 8. (compl. 12 Thlr.) Nowak, Witterung und Klima in ihrer Abhängigkeit von den Vorgängen der Unter welt (des Erd⸗Innern). — Jahrb. f. Wiſſenſch. u. Kunſt. IV. Heft 1. 1855 Hallmann (E.), Die Temperaturverhältniſſe der Quellen. 2. Bd. Berlin (G. Rei⸗ mer) 1855. 8. (23 Thlr.) v. ale * Ueber Orkane. Für Seeleute. Hamburg (Meißner) 1856. gr. 8. 12 Sgr. Fritſch (C.), Beobachtungen über periodiſche Erſcheinungen im Pflanzen⸗ und Thier⸗ reiche. — Jahrb. d. K. K. Gentral-Anftalt f. Meteorologie. III. 1855. Kreil (K.), Beobachtungen des Jahres 1851. — Cbend. III. 1855. S. 3 — 130. v. Möllendorff, Die Regenverhäͤltniſſe Deutſchlands. — Abhandl. d. naturforſch. Geſellſchaft zu Görlitz. Bd. VII, Heft 1. 1855. Plieninger, Die Witterung im Jahre 1854. — Württemberg. Jahrb. 1855. 1. Heft. Dove (b.), Ueberſicht der bei dem meteorologiſchen Inſtitute zu Berlin geſammelten Ergebniſſe der Wetterbeobachtungen auf den Stationen des preußiſchen Staats und benachbarter für den Zweck verbundener Staaten für die einzelnen Monate des Jahres 1855. Berlin 1855. qu. Fol. Galle (J. G.), Ueber die meteorologiſchen und magnetiſchen Conſtanten von Breslau. — 22. Jahresber. d. ſchleſ. Geſellſch. f. vaterl. Kultur im J. 1854. Mandel (G.), Eine Waſſerhoſen⸗Erſcheinung am 4. Auguſt 1854 bei Frankfurt a. M. — Die Natur. 1855. Nr. 36. Hügel, Reſultate der meteorologiſchen Beobachtungen des Großherzogl. Katafter- Bureau's zu Darmſtadt in den Jahren 1850 — 53. — Notizbl. des Vereins für Erdkunde zu Darmſtadt. 1855. S. 11. 32. 56. 73. Kreil (K.), Stündliche Beobachtungen des Luftdruckes von Wien. — Jahrb. d. K. K. Central⸗Anſtalt f. Meteorologie. III. 1855. S. 213. —, Störungen des Luftdruckes in Mailand, Salzburg, Kremsmünſter, Wien, Prag, Senftenberg und Krakau. In den Jahren 1848 — 51. — Ebend. III. 1855. S. 131 — 212. Observations met£orologiques faites à V’observatoire de Gendve sous la direction de M. le Prof. E. Plantamour. — Bibliothèque univ. de Gentve. 1855. XXX. d'Ombres-Firmas (L. A)), Met£orologie. Rapport fait à Académie impériale de Nimes, dans sa première séance de janvier 1855. Alais 1855. 8. Ballot (B.), Jets over het Konigkl. Nederlandsch Meteorologisch Instituut. — Allgemeene Konst- en Letterbode. 1855. No. 39. Weerkundige waarneminge op den huize Zwaneburg. — ibid. 1855. Zu Ende jeder Nummer. 538 W. Koner: Neu erſchienene geographiſche Werke, Aufſätze ıc. Mallet (B.), Notice of the British Earthquake of November 9th, 1852. — Trans. of the Roy. Irish Acad. XXII. 1855. p. 397. Lloyd (H.), Notes on the meteorology of Ireland, deduced from the observations made in the year 1851. — ibid. XXII. 1855. p. 411. Lee (E.), Nice and its climate; with notices of the coast from Hitres to Genoa etc. London (Adams) 1855. 178 S. 12. (43 S.) —, Spain and its climate; with a special account of Malaga. London (Adams) 1855. 190 S. 12. (42 S.) Vessélowsky, Du Climat de la Russie. La grele. — Bullet. de l’Acad. de St. Petersbourg. Cl. d. sciences hist. 1855. XIII. No. 1. 2. Spass ky, Observations météorologiques faites à Moscou, pendant les mois Jan- vier — Aoüt. — Bulletin de la Société Imper. des Naturalistes de Moscou. 1854. Helfft, Das Klima und die Bodenbeſchaffenheit Algeriens. — Zeitſchr. f. allgem. Erdkunde. V. 1855. S. 383. Lartigue, Carte générale des vents dominants à la surface des mers, pendant les mois de janvier, fevrier et mars, et pendant les mois de juillet, aoüt et sep- tembre. 2 feuilles. W. Koner. Inhalt. I. C. Brandes: Die letzte Kunde über Sir John Franklin und feine Gefaͤhrten. (Hierzu eine Karte) . .. II. Gumprecht: Barth's 8 0 und Unterſuchungen im enen Nord- Afrika. (Schluß) e z III. C. Pieſchel: Die Vulkane von Merico. (Fortſetzung) 0 IV. C. Ritter: Ueber die wiſſenſchaftliche Reiſe der drei Gebrüder Schlag⸗ intweit in Indien. 0 V. C. Ritter: Ueberſicht der Thätigkeit * Berliner dengennhifchen Geſell ſchaft in dem verfloſſenen Jahre vom 6. Mai 1854 bis 5. Mai 1855 VI. C. Pieſchel: Die Vulkane von Mexico. (Fortſetzung) VII. Gumprecht: Zur Kunde von Süd- Afrika 5 VIII. Fortſetzung der Nachrichten über die wiſſenſchaftliche Reife or Gebrüder Schlagintweit in Indien IX. E. L. Schubarth: Vergleichende ueberſicht ber Ergebriſſe des Berg⸗ baues, Hütten⸗ und Salinenbetriebes im preußiſchen Staate in den Jah⸗ | ren 1823, 33, 43, 53 8 R X. K. L. Biernatzki: Der Pangtſz Klang 5 XI. Gumprecht: Die neueſten ruſſiſchen Grmntbungen f im Sraiezlanbe . XII. K. v. Klöden: Die Welfer in Augsburg als Beſitzer von Venezuela und die von ihnen veranlaßten Expeditionen der Deutſchen dahin Neuere Literatur. A. Rutenberg und Gumprecht: The Mediterranean. A memoir physi- cal, historical and nautical by Rear-Admiral Will. Henry Smyth etc. London, J. 50 Parker & Son. 1854. 500 S. 8. Ras M. Willkomm: D. Manuel Recacho, Memoria sobre las BLUE: ba- rometricas etc. Madrid 1853. ee er A. Rutenberg und Gumprecht: The W Cr memoir physi- cal, historical and nautical by Rear-Admiral Will. Henry Smyth etc. London, J. W. Parker & Son. 1854. 500 S. 8. (Schluß) Baeyer: Die Terrainaufnahme rationell aus der Lehmann'ſchen Theorie der Terraindarſtellung entwickelt von H. v. Schintling sc. München 1855 . Briefliche Mittheilungen. C. Ritter: Aus einigen Schreiben von J. H. Petermann über die Oaſe Jezd und die neueſten Zuſtände der in ihr lebenden Parfi . . Schreiben des Königl. Großbritanniſchen General: RN Sir er Bow⸗ ring an Herrn J. Klentz . * 8 Miseellen. C. Ritter: Die 3 9 der Erde in der Mitte des alten Conti— * nents 2 r SEN 2 a u. 2 2 ur we — r a “ m 8 297 88 Gumprecht: Hoͤhenbeſtimmungen in Sibirien .. 93 Gumprecht: Die bedeutendſten Wafjerfälle und Sinnen in 1 2 Ver⸗ einigten Staaten und in Canada .. u 249 Gumprecht: Topographiſche Karte von New⸗ Jerſey AA J. Altmann: Die Bolgaren-Colonien in Beſſarabien . . 301 Gumprecht: Anthracitfohle in China . . » „ „ ee a Pe Gumprecht: Das letzte große Erdbeben in Hyan Er 311 Gumprecht: Barth's Rückkehr nach Europa und Kg Arbeiten im andre lichen Gentral-Afreifa . . . . e Gumprecht: Das Bergſyſtem des Staates New⸗ „Pork . . ee Gumprecht: Der Eishandel in Nordamerika.. % e Gumprecht: Der Verkehr auf dem Iſthmus von Praun „ A A. v. Etzel: Der Guano und feine Hauptfundorte .. ann Gumprecht: Die neueſten Erſteigungen der höchſten Alpengipfel Aa 8. R. Boeckh: Allgemeine Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der „ tiven Statiſtik der verſchiedenen Staaten. N UT Helfft: Das Klima und die u... Algeriens ot es K. L. Biernatzki: Triſtan d'Acunhaa . 392 Walter: Ueber einige Baſtardverhältniſſe der in 1 Amerlin lebenden Menſchen⸗ raſſen 393 C. Brandes: Die Erpedition des Dr. Kin jenſett des Sine 1853 1885 4 4 hart Tran a tllle Ahrens York WAR 396 Die Provinz Chiloe in Chile SR e A. v. Etzel: Der Guano und ſeine Gere (Schluß) U TRUE e R. Boeckh: Allgemeine Ueberſicht der Veröffentlichungen aus der adminiſtra⸗ tiven Statiſtik der verſchiedenen Staaten n „ e eee Die Provinz Chiloe in Chile (Schluß) . . Gumprecht: Eine neue Expedition nach Paraguay . . . 488 C. Brandes: Der neue Ganges-Canal in Mate Bau und i in feinen &- germitien ale „„ Le 3 Sir J. Bowring: Menſchen 110 Sitten i in China . 505 Bericht über die Sitzung der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin am 14. April i 1855 94 DS e e 94 e tee a Da EEE e a ee ar Se AU) ene eee drs ddt under Desgl. n . Biklingraphir. W. Koner: Neu erſchienene geographiſche Werke, Aufſätze, Karten und Pläne 252 W. Koner: Ueberſicht der vom Juli bis November 1855 auf dem Gebiete der Geographie erſchienenen Werke, Aufſätze, Karten und Pläne. . . 515 Anhang. H. Kiepert: Erläuterungen zu der Karte der Entdeckungen im Nordpolarmeere bis 1854. Druckfehler und Verbeſſerungen. Im dritten Bande: Seite 68 Zeile 6 v. u. Hinter d' Anville iſt nicht einzuſchieben. Im vierten Bande: Seite 254 Zeile 8 v. u. lies Adansonia digitata ſtatt Adansonia digitati. = 389 - 8 v. u. lies Noch ſtatt Nach. = 396 = 16 und 17 v. o. lies Dolerit ſtatt Dolorit. 445 4 v. o. lies Buvry ſtatt Burry. „ 445 = 18 v. o. lies Fomento ſtatt Tomento. = 446 = 25 v. o. lies feito ſtatt fetio. Im fünften Bande: Seite 53 Zeile 9 v. o. iſt nach dem Worte Venetianer der Name dieſes Mannes Marino Sanuto ausgelaſſen. 124 letzte Zeile v. u. lies I, 266 ſtatt II, 226. 125 in der Ueberſchrift lies III. ſtatt II. 331 Zeile 11 v. u. lies Eaton ſtatt Eton. 527 Zeile 11 v. o. lies d' Escayraec de Lauture ſtatt Lautour. wu VEN W 4 RR, 5 a PR 77 75 wi MER 3 1 Ir 12 IN ER .-.. * — 3 ar 3 4 * 1 l * wir 1 * A Kr Fa - > 7 > * in N 3 Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünſtraße 18. ; aa 0 * 8 a 4 1 * 8 * I * 57 aus. 8 * 1 4 i de * f RAR NT 19 N * - | ! „ Sc ae N ver Han n N rn ene i 9 j 5 uin t een maten 3 1 a E A 89 5 N as 115 N 2 01 NW 56 12 N . 1 2 700 * begriffene Algier gänzlich schwieg. Verlag von J. B. Wallishauſſer in Wien, zu beziehen durch jede Buchhandlung. Phyſiſche Geographie. Von Dr. Karl Hummel, Profeſſor der Phyſik an der k. k. Univerſität zu Gratz. gr. 8. eleg. geh. Preis 2 fl. 36 fr. EM. oder 1 Thlr. 22 Sgr. „Vollſtändigkeit, Gründlichkeit, Klarheit, Eleganz des Styles“ — das ſind die Vorzüge, wegen deren ſämmtliche vorliegende Kritiken dem obigen Werke vor allen ähnlichen Erſcheinungen den Preis zuerkennen. Die „Oeſterreichi⸗ ſchen Blätter für Literatur und Kunſt“ rühmen in einer genaner eingehenden Be— ſprechung, daß Hummels Geographie, durch die einzig wahrhaft wiſſenſchaftliche Me⸗ thode eine Vollſtändigkeit erreicht, die gegenüber der Lückenhaftigkeit ſo vieler Werke von drei⸗ und mehrfachem Umfange (3. B. Zimmermanns Erdball) fo glänzend her⸗ vorſticht, daß dieſes Werk Allen empfohlen werden müffe, die ſich für die Natur und deren Erſcheinungen intereſſiren, und nicht abgeſchmackte Hypotheſen mit in Kauf nehmen wollen. In meinem Verlage erschien soeben: Algerien und seine Zukunft unter französischer Herrschaft nach eigener Anschauung und authentischen Quellen, namentlich auch in Rücksicht auf deutsche Auswanderung bearbeitet von Dr. L. Buvry. Mit einem Vorwort von Dr. T. E. Gumprecht. 8. geh. Preis 14 Thlr. Die Gründlichkeit und Umsicht, mit welcher der Verfasser der brennen- den Frage unserer Zeit, der deutschen Colonisation, in dieser Schrift eine neue Lösung in Aussicht stellt, darf die höchste Beachtung in den maassgebenden Kreisen beanspruchen; gleichzeitig empfängt die Länder- und Völkerkunde in vorliegendem Buche einen neuen werthvollen Beitrag, der um so schätzenswer- ther ist, als seit geraumer Zeit die Literatur über das in rapider Entwickelung Heinrich Schindler in Berlin. Die Zeitſchrift für Allgemeine Erdkunde wird auch im nächſten Jahre, wie bisher, in Monatsheften von 4 bis 5 Bogen mit Karten und Abbildungen erſcheinen. Es wird das Be⸗ ſtreben der Redaction wie des Verlegers ſein, dieſe mit Unterſtützung und als Organ der geographiſchen Geſellſchaft zu Berlin heraus⸗ { gegebene Zeitſchrift in Zukunft durch eine mehr geregelte Benutzung der zahlreichen an die Geſellſchaft gelangenden Original⸗Mittheilungen und Geſchenke an wichtigen geographiſchen Werken und Karten zu einern werthvollen Quelle für die Bekanntwerdung der neueſten Forſchungen 1 im Gebiete der Erdkunde zu machen. Indem wir uns bei unſem Unternehmen der Gunſt und Unterſtützung des Herrn Alexander von Humboldt und der thätigen Mitwirkung des Herrn Profeffor Carl Ritter, ſo wie anderer bedeutender Männer der geographiſchen Wiſſenſchaft erfreuen, glauben wir andrerſeits, daß die durch den Verlagsort Berlin gebotenen Vortheile und Hülfsquellen das G⸗ lingen der uns geſtellten Aufgabe weſentlich erleichtern werden. — 4 Schließlich erwähnen wir noch, daß der Zeitſchrift in Zukunft öfter, | als es in letzter Zeit geſchehen iſt, werthvolle Karten beigegeben werden ſollen. — | | Be 51 1 9 115 N