ad tz u ehe r A, - win . ur ef: » Re v " Kr je r ParIEaNE. > “ BE % e Bar # 6,7, 2 N Eu # BET LE ei rn ra AN: 1% ar Mi SRH a) ' Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE herausgegeben » Carl Theodor v. Siebold, Professor an der Universität zu München, und Albert Kolliker, ät zu Würzburg ERW f X . nid D an Achtzehnter Band. Mit 42 Kupfertafeln. S— ie — LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1868. er Inhalt des achtzehnten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben den 27. December 1867. Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Von Dr. Lud- wig Stieda in Dorpat. (Taf. I. u. II.) "Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche. Von Dr. €. Hasse in Würzburg. (Taf. Il. u. IV.) . Beiträge zur Kenntniss des Eies der Ephemeriden. Von Dr. H. Grenacher in Würzburg. (Taf. V.). Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis Henle. Von Fritz Ratzel, Stud. aus Carlsruhe. (VI. u. VII.) Nachtrag zu den Beiträgen zur Anatomie und Systematik der Holothurien. _ — WonDr. EmilSelenka. (Taf. VII.) . Beitrag zur Lehre von der geschlechtlichen Fortpflanzung der Infusorien. Von Dr. Ernst Eberhard, Schulrath in Coburg . Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment. Von Emil Bessels. Ueber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Froseches. Von Th. Wilh. Engelmann in Utrecht. (Taf. IX.) Zweites Heft. Ausgegeben den 25. Juni 1868. Beitrag zur Kenntniss der Taenien. Von Johannes Feuereisen in Dorpat. (Taf. X.) .. = Anatomie der Bettwanze (Cimex lectularius L.) mit Berücksichtigung ver- ae wandter Hemipterengeschlechter. I. Von Dr. Leonard Landois in # Greifswald. (Taf. XI. XI.) 2 Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. Von W. v. Ei Nathusius (Königsborn). (Taf. XIII—XVI.) | - Ueber die Gattung Cynthia als Geschlechtsform der eating: Siriella. ® Von Prof. Dr. C. Claus. (Taf. XVII.) E ? ie Ueber die Schleichenlurche (Coeciliae). Ein Beitrag zur stomischen Kenn niss der Amphibien. Von Prof. Leydig in Tübingen. (Taf. XIX. Ber)... 0.::.. \ Notiz über Ablagerungen von Tyrosin auf thierischen Organen. Von Carl -voit Seite 120 124 142 IV Drittes Heft. Ausgegeben den 1. September 1868. Seite Beiträge zur Bildungsgeschichte der Stacheln etc. im Mantelrande der Chi- tonen. Von Dr. med. J. Reincke aus Altona. (Mit Taf. XXI. u. XXIL) 305 Zur Anatomie der Gattung Gordius L. Von Dr. H. Grenacher in Würz- burg. (Mit Taf. XXIII. XXIV.) : 5 DR Ueber schalenlose Radiolarien des süssen Wassers. Von Dr. Gustav Wol- Bemrar Focke ın Bremen. (Mi Tal RAW.) ea .. 345 Das Gehörorgan der Frösche. Von Dr. GC. Hasse in Würzburg. (Mit Taf. XXVI—XXVII.) ED 359 Ueber eine fossile Eunicee aus Solenhofen (Eunicites avitus), nebst Be- merkungen über fossile Würmer überhaupt. VonE. Ehlers, M.D.in Göbtingen.: (Mit Tal XXX.) ». ur a0 m re ee Viertes Heft. Ausgegeben den 1. Februar 1869. Studien an Acariden. Von EdouardClaparede, Prof. der vergleichenden Anatomie:zu Genf. (MitTat. XXX.) Da nn 5 Rage Zur Entwickelungsgeschichte des Regenwurms (Lumbricus agricola Hoffm.). Von Fritz Ratzelund Dr. M. Warschawsky. (Mit Taf. XLL) . . 547 Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. Von Dr. Fritz Ratzel in Garlsruhe.:: (Mit Taf XLH.) . . » „2 2 zb Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Von Dr. Ludwig Stieda, Prosector und ausserordentlichem Professor in Dorpat. Mit Tafel I., I. Bereits 1861 veröffentlichte ich unter dem Titel: »Ueber das Rückenmark und einzelne Theile des Gehirns von Esox Lucius« einige Beobachtungen über das centrale Nervensystem des Hechtes. Seit jener Zeit habe ich das centrale Nervensystem der verschiedenen Wirbel- thierclassen vielfach untersucht und übergebe hier einen Theil der Re- sultate meiner Untersuchungen, so weit dieselbe die Knochenfische betreffen, der Oeffentlichkeit. Wenn mir Zeit und Gelegenheit günstig ist, hoffe ich in ähnlicher Weise bald die übrigen Wirbelthierclassen nachfolgen zu lassen. i Ueber die Methode der Darstellung der hierzu erforderlichen Prä- parate brauche ich hier nicht zu schreiben, da ich dieselbe schon an anderen Orten ausführlich erörtert habe. | | Dorpat im Juni 1867. 1, Bei den noch heute vielfach bestehenden Unterschieden in den Ansichten über die Beschaffenheit der verschiedenen Gewebe und deren Elemente halte ich es nicht für überflüssig, sondern für noth- wendig, meine eigenen Ansichten über die in Frage stehenden Theile vorauszuschicken. Ich bringe dadurch gewissermaassen einige der Resultate, velche als solche an das Ende zu stellen wären, schon am Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII, Bd. 4 I Dr. Ludwig Stieda, Anfange, aber ich vermeide dadurch Wiederholungen , indem ich jetzt schon einige Fragen beantworte, welche sich sonst im Verlauf der Dar- stellung mehrfach entgegengestellt hätten. Dass ich bei diesen ein- leitenden Bemerkungen das peripherische Nervensystem nicht ganz bei Seite lassen kann, ist selbstverständlich. Beim Aufbau des centralen und zum Theil auch des periphe- rischen Nervensystems der Knochenfische betheiligen sich: 1. Nervenzellen. 2. Nervenfasern. 3. Bindegewebe und Blutgefässe. 4. Epithelien. 1. Die Nervenzellen (Taf. 1. Fig. 1 u. 2a., Taf. II. Fig. 31.), peripherische wie centrale, sind Zellen, welche einen bläschenförmigen, rundlichen Kern, meist auch ein Kernkörperchen besitzen, an welchen aber keine Zellmembran nachgewiesen werden kann; es sind also membranlose Protoplasmaklümpchen. Das Protoplasma, die Zellsubstanz oder der Zellenkörper erscheint sowohl an frischen Zellen, als auch in Chromsäurelösung erhärteten feinkörnig, granulirt. Die Nervenzellen sind ausgezeichnet durch den Besitz von Fortsätzen. Die Fortsätze sind Theile der Zellsubstanz, welche gleichsam nach aussen vorgeschoben sind; sie sind in ihrem Durchmesser sehr verschieden, sehen granulirt oder homogen aus. Derartige Unterschiede zwischen den verschiedenen Fortsätzen einer und derselben Zelle, wie sie Deiters und andere Au- toren an den Nervenzellen des Rückenmarks der Säuger beschrieben haben, habe ich bei Fischen nicht angetroffen. Einen Zusammenhang der Fortsätze mit dem Zellenkerne, ein »Ausgehen der Fortsätze vom Kern« habe ich auch nicht beobachtet. Die Zahl der an einer Zelle anzutreffenden Fortsätze ist verschieden , wobei jedoch hervorzuheben ist, dass durch die Zahl der Fortsätze eine Formverschiedenheit der Zellen bedingt wird. Bei den ausserhalb der Gentralorgane gelegenen Zellen waltet die rundliche Form vor, die Zellen haben einen Fortsatz und erscheinen birnförmig oder haben zwei nach entgegengesetzter Richtung abgehende Fortsätze und sind spindelförmig (Taf. I. Fig. 1, 2, 3). Unter den Zellen des centralen Nervensystems finden sich ausser den genannten Formen dreieckige Zellen mit drei, vieleckige stern- föormige Zellen mit vier oder fünf Fortsätzen. Rundliche Zellen ohne Fortsätze, apolare Zellen einiger Autoren sind Kunstproducte. Eine Theilung der Zellenforisätze, eine Verästelung habe ich nicht zu be- obachten Gelegenheit gehabt, ebenso wenig eine Verbindung zweier Zellen untereinander vermittelst ihrer Fortsätze. — Die Zellen unter- scheiden sich von einander nicht allein durch ihre Form, sondern auch Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 3 durch ihre Grösse, welche jedoch sehr bedeutenden Schwankungen unterliegt. Wenn ich im spätern Verlauf meiner Darstellung grössere und kleinere Nervenzellen unterscheiden werde, so geschieht es nur im Anschluss an die übliche Beziehungsweise; ich bin entfernt davon, zu meinen, dass mit dieser Bezeichnung zugleich irgend ein anderer _ Unterschied , etwa in functioneller Beziehung, gekennzeichnet sei. Ich halte alle bisher gemachten Eintheilungen der Nervenzellen nach functionellen Beziehungen für Willkür und Hypothese. Auch der Ver- such, die Zellen nach ihrem Verhalten. gegen Carmin einzutheilen (MauTaner), ist als unzulänglich zu bezeichnen. — Die Zellen des Cen- tralnervensystems sind eingebettet in die später näher zu erörternde Grundsubstanz. Bei Untersuchung frischer Hirnsubstanz haftet dieselbe den Zellen fest an. An den in Chromsäurelösung erhärteten Präparaten zeigt sich meist, dass die Grundsubstanz und die Zelle von einander getrennt sind durch einen freien Raum, welchen ich den »Hof« der Zelle nenne (Taf. I. Fig. 31.). Ich deute die Entstehung dieses Hofes durch die schrumpfende Wirkung, welche die Chromsäure auf die Grund- substanz einerseits und die Zelle andererseits ausübte und so beide von einander trennte. Ich hebe diesen Umstand besonders hervor, weil dieser Hof zu Missverständnissen und Irrthümern Anlass gegeben hat. Die peripherischen Nervenzellen haben eine deutliche Hülle (Taf. I. Fig. 3 d.), welche bald mehr homogen, bald mehr fibrillär erscheint, bald reichlich, bald sparsam mit Kernen versehen ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Hülle rein bindegewebiger Natur ist; ich ‘muss bemerken, dass auch diese Hülle sich mitunter durch Einwirkung der Chromsäure vom Zellenkörper abhebt; es bleibt dann auch hier ein Hof um die Zelle frei. Von einem Epithelium, welches die Nerven- zellen umgeben soll (Fraextzer, Beitrag zur Kenntniss von der Structur der spinalen und sympathischen Ganglienzellen, Vircnow’s Archiv, Band XXXVIN. p. 549), habe ich nichts gesehen. Es giebt eine Anzahl zelliger Elemente im CGentralnervensystem, welche meist rundlich erscheinen, wenig Protoplasma und einen grossen Kern besitzen, nur selten und dann äusserst zarte Fortsätze erkennen lassen. Sie sind dadurch ausgezeichnet, dass sie meist in sehr grosser Anzahl oft dicht neben einander gelagert vorkommen. Man hat sie im Anschluss an die ähnlich aussehenden Elemente der Retina als »Körner« bezeichnet. Ueber die Hingehörigkeit derselben zu einem bestimmten Gewebe gehen die Angaben der Auteren sehr auseinander. Gegenüber den Autoren, welche diese Körner für kleine Nervenzellen hielten, habe ich unlängst dieselben als die zelligen Bestandtheile der Grundsubstanz gedeutet. Nach vorläufigem Abschluss meiner Untersuchungen über | > 4 Se Dr. Ludwig Stieda, das Gehirn der Knochenfische kann ich heute bei dieser letzten, da- mals so sicher ausgesprochenen Ansicht nicht stehen bleiben. Wollte ich dabei beharren, so müsste ich zugeben, dass einzelne Theile des Hirns nur ausBindesubstanz beständen, was mir unzulässig erscheint. Ich schliesse mich daher jetzt in der Deutung der »Körner« als kleine Nervenzellen zum Theil an Grrracn und andere Autoren. Es scheint mir jedoch die von F. E. ScuuLze (Ueber den feinern Bau der Rinde des kleinen Gehirnes. Rostock 1863) vorgetragene Meinung, dass die Körner nicht alle gleichen Werth haben, alle Anerkennung zu verdienen, so dass ich die allerkleinsten Elemente, wie dieselben durch die ganze Bindesubstanz zerstreut vorkommen, auch immer als die zelligen Be- standtheile der letztern festhalten muss. 2. Mit dem Ausdruck »Nervenfaser« pflegt‘ man sehr ver- schieden aussehende Elemente zu bezeichnen, trotzdem hat man ein Recht, an dieser Bezeichnung festzuhalten, wenn damit besonders die innigen Beziehungen zu den genannten ‘Nervenzellen gekennzeichnet sein sollen. An der peripherischen Nervenfaser unterscheide ich (Taf. I. Fig. 3.) erstens einen central verlaufenden homogenen Strang oder Faden, welche durch Anwendung verschiedener Reagentien (CrO,, Car- min u. s. w.) deutlich sichtbar wird, in frischen Nervenfasern sich aber dem Anblick entzieht. Ich sehe diesen sogenannten Axencylinder stets structurlos oder homogen, sehe keine Streifung, keine Aeste, keine Kerne in ihm. | Zweitens besitzen die Nervenfasern (doch nicht alle) die den Axen- . eylinder umgebende, genug bekannte Markscheide (Taf. I. Fig. 3 c.). Drittens sehe ich eine structurlose, meist homogen, selten fibrillär erscheinende Hülle, welcher bald mehr, bald weniger Kerne eingelagert sind. Diese Hülle ist entschieden bindegewebig, das Neurilem (Taf. 1. ie.e.). Einzelnen Nervenfasern fehlt eine Markscheide, sie bestehen nur aus dem Axencylinder und der bindegewebigen Hülle, so namentlich an den Endverästelungen der Nerven. Ich finde keine Nöthigung, hierin eine Eintheilung der Nervenfasern in markhaltige und marklose zu machen. Die Nervenfasern, speciell der Axencylinder derselben, varliren sehr im Dickendurchmesser. Die Nervenfasern der Gentralorgane lassen nur Axencylinder und Markscheide wahrnehmen, eine eigentliche, dem Neurilemm entspre- chende Hülle vermisse ich stets. Die einzelnen Nervenfasern sind von einander geschieden durch die Bindesubstanz , deren anastomosirende Zellen gleichsam Scheidewände zwischen den Nervenfasern bilden Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 5 (sogenannte weisse Substanz), oder die Nervenfasern sind getrennt durch die granulirte Grundsubstanz (graue Substanz der Gentralorgane). Ich finde ferner in den Centralorganen, speciell in der grauen Substanz ganz homogene Fasern von sehr verschiedenem Durchmesser, welche in ihrem Aussehen, ihrem Verhalten gegen Chromsäure und Carmin genau den Axencylindern gleichen. Da ich dieselben für Axen- eylinder halte, so werde ich sie demgemäss auch bezeichnen. Ueber den Zusammenhang zwischen Nervenfaser und Nervenzelle habe ich folgendes zu berichten: An den peripherischen Ganglien der Hirn- und Rückenmarksnerven sehe ich den Uebergang der Nerven- faser in die Nervenzelle der Art stattfinden, dass sich der Ausläufer der Zelle unmittelbar fortsetzt in den Axencylinder der Nervenfaser (Taf. I. Fig. 3.), sodass also die Zellsubstanz und der Axeneylinder ein continuirliches Ganze sind; ferner sehe ich, dass die bindegewebige Hülle der Nervenzelle sich unmittelbar fort- setzt in die bindegewebige Hülle, welche die Faser besitzt. — Zwischen der Hülle der Faser und dem Axencylinder ist die Markscheide ein- gelagert, welche dicht an der Abgangsstelle des Fortsatzes von der Zelle beginnt, so dass streng genommen, eigentlich gar kein Zellfortsatz existirt, indem der Axencylinder und die Zellsubstanz continuirlich zusammenhängen. Bisweilen findet sich an der Stelle des Zusammen- hanges in der bindegewebigen Hülle eine kleine Einschnürung. — Zwischen der Nervenzelle und ihrer Hülle habe ich keine Markscheide gefunden, an frischen Zellen liegt die Hülle dem Zellkörper noch an, an erhärteten sieht man den Hof. Mitunter habe ich auch zwei Fasern nach entgegengesetzten Richtungen an einer Zelle abtreten gesehen (Taf. 1. Fig.1:). Was den Zusammenhang der Nervenfasern mit Nervenzellen im Centralorgan betrifft, so betone ich, dass es, trotz der grossen Anzahl von Präparaten, welche ich durchmustert habe, mir nicht gelungen ist, einen Zusammenhang einer Zelle mit einer markhaltigen Faser zu sehen. Ich hebe dieses ausdrücklich hervor gegenüber den Autoren, welche einen derartigen Zusammenhang nicht allein oft sahen, son- dern auch abbildeten. Ich halte mich aber dennoch für berechtigt, mit Rücksicht darauf, dass die langen Fortsätze der Zellen ganz das- selbe Aussehen haben wie die Axencylinder, und im Hinblick auf den thatsächlichen Befund des Zusammenhanges der peripherischen Nerven- _ fasern und Zellen, auch für das Gentralorgan einen Zusammenhang zwischen Axencylinder und Nervenzelle anzunehmen. Ich meine, dass die bisherigen Untersuchungsmethoden nicht geeignet sind, diesen Zu- sammenhang leicht auffinden zu lassen. Der Unterschied in der Art 6 Dr. Ludwig Stieda, und Weise des Zusammenhanges oder wie man auch sagt des Ur- sprunges einer Nervenfaser von einer Zelle im Gentralorgane und in der Peripherie liegt jedenfalls darin, dass im peripherischen Nerven- system der Axencylinder sich dicht an der Zelle durch Hinzukommen einer Markscheide in eine !ervenfaser umwandelt, wogegen im Central- organe der von einer Zelle abgehende Axencylinder eine längere Strecke ohne Markscheide »nackt« verläuft und sich — wahrscheinlich ganz ‚allmählich mit einer Markscheide umgiebt. — Man spricht gewöhnlich von langen Zellfortsätzen, man kann auch mit demselben Rechte von Axencylindern sprechen. Ich mache hier beiläufig auf einen Punct aufmerksam, der mir einer näheren Berücksichtigung werth zu sein scheint. Die oben be- schriebene Art und Weise des Zusammenhangs der Nervenzelle und des Axencylinders, wonach beide ein continuirliches Ganze bil- den, spricht meiner Ansicht nach direct gegen die gewöhnliche An- schauung von der Entwicklung der Nervenfasern aus Zellen, welche letztere der Art mit einander verschmolzen, dass die Zellmembran zur _ Scheide oder Hülle der Nervenfaser, der Zellinhalt zum Axencylinder nebst Mark geworden sei. Ich meine die Entwicklungsgeschichte müsse bald einen sicheren Beweis für die Zusammensetzung der Nervenfasern aus Zellen von verschiedenem Werthe bringen; es muss sich beweisen lassen, dass, gleichwie Nervenzelle und Axencylinder zusammenge- hören, so auch die Hülle der Nervenfaser nur ein secundäres Gebilde sei, welches sich um die primäre, eigentlich »nervöse Faser« herumbilde. — 3. Der gewöhnlichen Anschauung zufolge rechnet man denjenigen Bestandtheil des Gentralnervensystems, welcher die beschriebenen Nervenzellen und Nervenfasern einschliesst, zur Gruppe der Gewebe der Stützsubstanz, speciell zum Bindegewebe. — Die Stützsubstanz der weissen Substanz des Rückenmarks hat, so weit dieselbe in Form von Lamelle, Streifen, Fasern und Zügen erscheint, ihre Anerkennung und richtige Deutung gefunden, auch bei den von mir untersuchten Knochenfischen ist das Bindegewebe der weissen Substanz, die das- selbe bildenden anastomosirenden Zellennetze leicht aufzufinden, wobei sehr kleine 0,0049 Mm. im Durchmesser haltende Körperchen , welche entweder den Fäserchen anliegen oder in den Knotenpuncten des Netzes befindlich sind, die Kerne der Bindesubstanz darstellen. Ueber die Stützsubstanz der grauen Masse sowohl des Hirns als auch des Rücken- marks, hat man sich bis jetzt noch nicht zu einer Ansicht vereinigt. Abgesehen von der immer mehr verdrängten Auffassung dieser Masse als einer »nervösen«, streitet man heute darüber, ob die Stützsubstanz oder Grundsubstanz hier die Form eines äusserst zarten Netzwerkes Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 7 »Reticulum« hätte oder fein granulirt, amorph sei. — Das, was im Nervensystem der Knochenfische graue Substanz genannt wird, ist nicht an allen Gegenden von gleicher Beschaffenheit. Derjenige Ab- schnitt der grauen Substanz des Rückenmarkes, welchen ich als Ober- hörner (auf einem Querschnitt) bezeichne, erscheint stets fein granulirt, ich habe auch bei stärkeren Vergrösserungen nichts von einem Netz- werk wahrnehmen können. Ebenso an gewissen Theilen des Gehirns. Die hier wie dort zerstreut vorkommenden kleinen rundlichen Körper- chen betrachte ich als die Kerne der »granulirten Grund- substanz«. Andere Abschnitte der grauen Substanz, so z. B. die nächste Umgebung der CGentralhöhle des Rückenmarks ol des Hirns, haben ein ganz entschieden netzförmiges Aussehen, und reclien mit den eingelagerten kleinen Körperchen einem anastomosirenden Zellennetze. Ich werde diese Modification der Stützsubstanz als netz- förmige Grundsubstanz, Substantia reticularis, bezeichnen. Dass zwischen letzterer und der die weisse Substanz unterstützenden kein anderer, als ein gradueller Unterschied in der Grösse der Maschen statt hat, “ist klar. Es finden sich aber auch Uebergänge zwischen der netz- förmigen und der granulirten Grundsubstanz, so namentlich in den Unterhörnern und gewissen Hirntheilen; hier muss es oft unentschie- den bleiben, ob die Grundsubstanz netzförmig öder granulirt zu nennen sei. — Meiner Ansicht nach existirt gar keine scharfe Trennung zwischen der netzförmigen und der granulirten Grundsubstanz,, viel- mehr bilden sie ein zusammenhängendes Ganze — die Stützsubstanz des Gentralnervensystems. Ist einmal die wichtige Thatsaehe als richtig anerkannt, dass die Grundsubstanz der Gentralorgane binde- gewebig ist, so finde ich nichts Widersinniges darin, anzunehmen, dass diese Grundsubstanz nicht an allen Abschnitten gleich beschaffen ist, — der Unterschied zwischen grauer und weisser Masse der Central- organe beruht aber keineswegs auf der Beschaffenheit der Stützsubstanz allein, sondern wesentlich auf dem Verhältnisse, in welchem die ner- vösen Elemente, speciell die markhaltigen Nervenfasern zur Grund- substanz stehen. In denjenigen Abschnitten, in welchen die Grund- ‚substanz die markhaltigen Nervenfasern überwiegt, erscheint das Gentralorgan grau, an anderen Orten, wo die markhaltigen Nerven- fasern über die Grundsubstanz das Uebergewicht behaupten, erscheint ‚das Gentralorgan weiss. — Ueber die Blutgefässe weiss ich nichts Besonderes zu berichten, es sei denn, dass ich hervorhebe, wie mit dem eben Gesagten in Ueber- einstimmung der Umstand zu een sei, dass die graue Subsjanz durchgängig reicher an Blutgefässen ist, als die weisse. — 8 Dr. Ludwig Stieda, t. Ueber das die Gentralhöhlen des Nervensystems auskleidende Epithel werde ich erst bei Beschreibung der Höhlen selbst reden. — M. Das Rückenmark. Das Rückenmark der Knochenfische ist ein cylindrischer Strang, welcher sich nach hinten zu ein wenig verschmälert, um zugespitzt zu enden. Nach Entfernung der das Rückenmark einhüllenden Pia mater erscheint an der unteren Fläche eine sehr unbedeutende Furche, der Sulcus longitudinalis inferior, an der oberen Fläche ein etwas deut- licher Sulc. longit. superior. Die unteren Wurzeln der Spinalnerven treten in ziemlicher Entfernung von der unteren Längsfurche an der unteren Fläche des Rückenmarkes hervor, die oberen schwächeren Wurzeln an der oberen Fläche dicht neben der oberen Längsfurche PRaf. II. Big. 16, 17, N8g.ch.). Da ich, um Präparate zur mikroskopischen Untersuchung zu er- halten, das Rückenmark in verschiedener Richtung in Schnitte’zer- legte, so bemerke ich über die von mir gebrauchten Ausdrücke zur Orientirung Folgendes: | Ich betrachte das Rückenmark der Fische, wie es der Gestalt der Thiere entsprechend horizontal einer beliebigen Grundlage aufliegt, und nenne den zum Kopf gerichteten Theil den vorderen, den zum Schwanz gerichteten den hinteren, dem entsprechend bezeichne ich die Richtung zum Kopf als die Richtung nach vorn, und die ent- gegengesetzte Richtung als die Riehtung nach hinten. Beide fallen in die horizontal liegende Längenaxe des Organs. Die Bedeutung der Bezeichnungen oben und unten und seitlich ergiebt sich dabei von selbst. Einen Schnitt nun, welcher senkrecht zur Längenaxe das Rückenmark durchschneidet, nenne ich einen Querschnitt. Die Schnitte, welche das Rückenmark der Länge zerlegen, wurden in ver- schiedener Richtung angefertigt, vor Allem in horizontaler Richtung, solche Schnitte nenne ich horizontale Längsschnitte. Schnitte, welche dem Längendurchmesser entsprechend senkrecht auf die hori- zontale Ebene fielen, nenne ich senkrechte Längsschnitte. Schnitte, welche zwischen die beiden letztgenannten Richtungen ge- macht wurden, werde ich als schiefe Längsschnitte bezeichnen. Es würde zu weitschweifig werden, wollte ich nur, dem lang- samen Gange meiner eigeren Untersuchungen folgend , zuerst den Be- fund an Querschnitten, dann den an Längsschnitten und so fort nach einander beschreiben. Um kurz zu sein, so gehe ich von der Beschrei- Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 9 bung des Querschnittes, als des allergeläufigsten Objectes, welches mit wenig Ausnahmen alle verschiedenen Bestandtheile des Rückenmarks zeigt, aus und knüpfe an die Erörterung desselben zugleich die Ergeb- nisse der verschiedenen Längsschnitte. Ein Querschnitt des Rückenmarks ist rund oder im vorderen Ab- schnitt elliptisch, so dass der längste Durchmesser der Ellipse der Breite des Rückenmarks entsprechend in der horizontalen Ebene liegt. Sehr deutlich unterscheidet man auch schon am Querschnitt des frischen Rückenmarkes, besser am erhärteten und gefärbten graue und weisse Substanz (Taf. I. Fig. 4—7.). Die Formen, unter welchen die graue, central gelegene Masse des Rückenmarkes erscheint, sind nicht bei allen Fischen, auch nicht in allen Gegenden des Rückenmarkes ganz gleich. — Doch in gleicher Weise wie für das Rückenmark der Säugethiere ein H als Grundform allgemein angenommen ist, möchte ich für die graue Substanz der Knochenfische ein aufrecht stehendes Kreuz mit ungleich breiten Schenkeln als typisch bezeichnen (Taf. I. Fig. # und 5.). Genau lässt sich die Ferm der grauen Substanz etwa folgendermaassen beschreiben : die queren oder horizontalen Schenkel (die Arme des Kreuzes), sind von ziemlich beträchtlicher Breite und mit ihrem äusseren, hie und da etwas verbreiterten Ende nach abwärts gekrümmt. Diese zur seitlichen und unteren Peripherie des Schnittes gerichteten Theile der queren Schenkel entsprechen den unteren Hörnern der grauen Substanz im Rückenmark der Säugethiere. Der untere Theil des senkrechten Ab- schnitts (Stamm des Kreuzes) ist sehr schmal, spitzt sich bald zu und reicht auf diese Weise bis an die Pia mater im Sule. long. infer., wel- cher sich auf Querschnitten als eine unbedeutende Einsenkung zu er- kennen giebt. Der obere Theil des senkrechten Abschnittes ist in seiner Ausdehnung wechselnd, durchschnittlich so breit wie der Durchmesser der queren Schenkel, spitzt sich ebenfalls zu und endet wie der untere Theil in der oberen Längsfurche. Die Seitentheile dieses oberen Schenkels entwickeln sich jederseits zu einem schlanken, lanzettförmigen 'Anhange (Taf. I. Fig. 6 u. 7 b.), welcher mit seinem Längsdurchmesser dem zugespitzten Ende des oberen Schenkels parallel laufend, bis nahe an den oberen Umfang des Rückenmarkes hinaufreicht. Da an dem oberen Ende dieses Anhanges die obern Wurzeln in einem oder mehreren Bündeln quer nach aussen und oben ziehen, so kann man die Anhänge gewiss als Oberhörner bezeichnen. Vom ganzen Umfang der grauen Substanz gehen nach allen Richtungen Fortsätze oder Stränge radiär zur Peripherie des Schnittes, selten ungetheilt, oft mehrfach in Aeste gespalten, um an der Pia mater mit einer leichten Verbreiterung zu 10 Dr. Ludwig Stieda, enden. So bilden die Fortsätze durch Anastomosen unter einander ein grossmaschiges Netzwerk, in welches die weisse Substanz inselartig eingebettet ist. — Die gelieferte Beschreibung erleidet nun, wie bereits gesagt, durch den Befund im Rückenmarke einzelner Knochenfische, unbedeutende, ich möchte sagen, individuelle Abweichungen. Ich kann dieselbe ohne Schaden übergehen und will nur hervorheben, dass im hinteren Theile des Rückenmarkes die Begrenzung der grauen und weissen Substanz schärfer als im vorderen Abschnitt ist. — In der Mitte des Schnittes, ungefähr im Kreuzungspuncte der sich schneidenden Theile des Kreuzes liegt das Lumen des durchschnittenen Gentralcanals (Taf. I. Fig. 6., 7 a.), bald näher, bald weiter entfernt von der unteren Grenze der grauen Substanz, mitunter sogar bis an die Abgangsstelle des unteren senkrechten Schenkels hinabrückend. Ich bezeichne die graue Substanz oberhalb des Gentralcanals als Com- missura superior; eine Commissura inferior ist durch Hinabrücken des Centralcanals nicht immer nachzuweisen. Auf Längsschnitten er- scheint die graue Substanz sehr mannigfach; ich hebe nur hervor, dass eine geradlinige Begrenzung der grauen Substanz nur an senk- rechten Schnitten hervortritt, welche seitlich in nächster Nähe des senkrechten Schenkels gefallen sind, wogegen auf Schnitten in schräger Richtung keine scharfe, sondern eine verwischte Begrenzung erscheint, namentlich wenn, wie an horizontalen Längsschnitten, die Unterhörner getroffen worden sind. Die die graue Substanz umgebende weisse besteht hauptsächlich aus markhaltigen Nervenfasern , welche sich auf Querschnitten quer durchschnitten, auf Längsschnitten meist der Länge nach verlaufend, zeigen. Abgesehen von den später zu erwähnenden Wurzeln der Spinalnerven muss ich hier auf ein Bündel querverlaufender Nerven- fasern aufmerksam machen, welches mit geringen Unterbrechungen fast an jedem Querschnitt zu sehen ist. Es befindet sich gewöhnlich in der Mitte zwischen dem Centralcanal und der unteren Peripherie des Rückenmarkes, kreuzt sich mit dem unteren Schenkel der grauen Sub- stanz und lässt sich seitlich meist in die Unterhörner hinein verfolgen (Taf. 1. Fig. 6 u. 7 c.). Das Bündel wurde zuerst erwähnt unter dem Namen der Commissura accessoria von Mauraner; ich werde dasselbe der Faserrichtung wegen als Quercommissur, Gommissuratrans- versa, anführen. Gewöhnlich ist der Verlauf gerade, nur im Rücken- mark der Quappe (Gadus Lota) beschreibt die Quercommissur einen mit der Convexität nach unten gerichteten Bogen. , Der Durchschnitt des Gentralcanals (Taf. I. Fig. 6, 7, 9a.) ist gewöhnlich kreisrund, bisweilen auch elliptisch , indem die grosse Axe Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 11 der Ellipse senkrecht gestellt ist. Das Lumen wird begrenzt von einem scharfen, durch Garmin roth tingirten Contour, welcher dicht um- lagert wird von einer Anzahl kleiner rundlicher 0,0076 Mm. im Durchmesser haltender Körperchen,, welche Zellenkernen gleichen; an einzelnen erkenne ich noch das den Kern umhüllende Protoplasma. Von anderen gehen, namentlich an Längsschnitten sichtbar, sehr zarte und feine, bisweilen ziemlich lange Fortsätze ab, welche sich an andere Fasern anschliessend, der grauen Substanz um den Centralcanal ein gestreiftes Aussehen geben (Taf. I. Fig. 10-- 14.). An einzelnen Stellen, gewöhnlich nach oben zu erscheint diese den -Gentralcanal umgebende Zellenlage unterbrochen , indem glänzende, scharf contourirte Fasern, die später näher zu erörternden Radiärfasern, in den Ausläufern der grauen Substanz bis in den Gentralcanal ziehen. Ich halte die den Centralcanal umgebenden zelligen Gebilde für das Epithel des Central-. canals, welches durch die dem Rückenmark zu Theil gewordene Be- handlung mit Reagentien seine ursprüngliche Form verändert hat. Neuerdings hat Scnönn (Ueber das angebliche Epithel des Rückenmark- Centralcanals. Stettin, 1865) das Vorhandensein eines Epithels nicht allein bei Fischen, sondern auch bei anderen Wirbelthieren im Gentral- canal des Rückenmarks geleugnet, gewiss mit Unrecht. Ich komme später nochmals auf diese Idee Scnönn’s zurück. Auf Längsschnitten, welche den Centralcanal trafen, erscheint derselbe meist in Form einer jederseits geradlinig begrenzten Lücke. Auf senkrechten Längsschnitten aber, welche gerade durch den obern Schenkel gemacht worden waren und somit das Rückenmark in zwei symmetrische Hälften theilten, er- scheint der nach oben gerichtete Gontour bogig und wellerförmig, ent- sprechend den hierhergezogenen Radiärfasern, hier fehlte das Epithel. Bei allen untersuchten Knochenfischen fand ich im Lumen des Canals, sowohl auf Querschnitten, als auf Längsschnitten einen 0,0038 Mm. breiten, völlig homogenen Strang, der, wie aus der Gombination der Längs- und Querschnitte hervorging, eylindrisch geformt war (Taf. I. Fig. 9a., Fig. 120b.). Ersah auf den ersten Anblick einem Axencylinder sehrähnlich. Dieses Gebilde wurde von Reıssner im Gentralcanal des Bückenmarks des Neunaugen zuerst aufgefunden; später wurde durch Kurscam und Owssannıkow die Existenz dieses Fadens, welchen Kutsckin den Reıssner’schen nannte, bestätigt. Eine Deutung vermochte keiner der genannten Autoren in sicherer Weise zu geben. Ich vermag ebenso wenig mit Sicherheit zu entscheiden, ob der Strang ein präformirtes Gebilde (Axencylinder?) sei oder nur das Product der durch Einwirkung der Chromsäure zum Gerinnen gebrachten Flüssigkeit des Centralcanals. Ich neige am ehesten zu dieser letzteren Auffassung. 12 Dr. Ludwig Stieda, Die graue Substanz bietet nicht an allen Stellen des Quer- schnittes ein gleiches Ansehen dar. Die Ursache davon ist theils eine nicht überall gleichartige Beschaffenheit der Grundsubstanz, theils die ungleichmässige Vertheilung der eingelagerten nervösen Elemente der Nervenzellen und der Nervenfasern. In den Oberhörnern erscheint die » Grundsubstanz fein granulirt, hie und da leicht gestreift, lässt Nerven- zellen und Fasern mit Sicherheit nur spärlich erkennen. In der den Gentralcanal zunächst umgebenden Abtheilung der grauen Substanz, in der Commissura superior und inferior ist die Grundsubstanz ent- schieden reticulär; bei einigen Fischen, z. B. bei Gadus Lota, tritt diese netzförmige Beschaffenheit deutlicher hervor als beim Hecht und Barsch. Der obere und untere Schenkel der grauen Substanz ist stark streifig und besteht aus Fasern. — In den seitlichen und queren Ab- schnitten, den sogenannten Unterhörnern, tritt die in der Einleitung von mir schon angedeutete Vermischung der reticulären Grundsubstanz mit der granulirten ein. Ausser den Blutgefässen verdienen aber noch Erwähnung die schon einmal genannten Radiärfasern (Taf. I. Fig. A0u.11b., 12c. f., 13b.). Auf Querschnitten ziehen glänzende, starre oder ganz leicht geschlängelte Fasern oder Fäden vom Centralcanal durch ‘den oberen Schenkel der grauen Substanz zur Pia mater, um hier zu enden. An einzelnen Stellen, wenn auch sehr spärlich, sind kleine Kerne in die Fäden eingelagert, so dass die letztern dadurch leicht geschwollen erscheinen. Die Fasern enden am Centralcanal zwischen den das Lumen umgebenden Zellen, an der Pia heftet sich jede Faser mit einem stark verbreiterten Fusse (Taf. 1. Fig. 13 A. c.) an. — Mitunter sah ich auch durch den unteren Schenkel gleiche Fasern zur Pia ziehen. Ferner sah ich auch hie und da, vor Allem dicht über dem Centralcanal Fasern von gleicher Beschaffenheit, welche sich stark kreuzten und sich zur Peripherie hin in die peripherisch gerichteten Fortsätze der grauen Substanz hinein verloren. Nähere Auskunft über diese Radiärfasern geben Längsschnitte. Schräge und senkrechte Längsschnitte zeigen beim Barsch (Taf. I. Fig. 10 u. 11.), z. B., wenn gerade der obere Schenkel der grauen Substanz getroffen ist, eine ganze Reihe solcher Fasern, welche in Bündel zusammengedrängt, am Centralcanal und zur Pia hin sich ausbreiten. In den Partien unterhalb und seitlich vom Centralcanal treten die Fasern nicht zu Bündeln zusammen, sondern ziehen gleichmässig gerade nach aussen; an solchen Schnitten ver- mochte ich mich auch davon zu überzeugen, dass einzelne dieser Fasern sich in ziemlicher Nähe des Gentralcanals an die oben genannten Fort- sätze der Epithelialzellen anschliessen und auf diese Weise eine auf Längschnitten sehr deutliche Streifung dieses Theils der grauen Substanz Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 15 bedingen. — Im Rückenmark der Quappe sind diese Fasern von bedeutender Entwicklung, ziehen aber nicht gerade, sondern nament- lich im unteren Schenkel der grauen Substanz in starken Bogen durch die Längsfasern zur Pia, mitunter sich auch kreuzend;; im oberen Theil haben die Fasern auch durchweg eine schräge Richtung. Ihr Anschluss an die Pia mater hat auch auf Längsschnitten das Ansehen einer ziem- lichen Verbreiterung (Taf. I. Fig. 13 A. c.), wie sich dieselbe auch schon an Querschnitten zeigte. — Der nicht stets gerade, sondern oft bogen- föormige Verlauf dieser Fasern erklärt es, warum ich sie auf Querschnitten nur in gewissen Theilen der grauen Substanz angetroffen habe. — Dass die Fasern nur bindegewebig sind, möchte kaum zu bezweifeln sein, ich vergleiche sie den Stützfasern der Retina und den neuerdings von Scauzze im Cerebellum beschriebenen Randfasern, mit welchen ihnen offenbar gleiche Function zukommt. Ich kann mich nicht des Verdachtes enthalten, dass Scnönn durch diese Faserzüge, namentlich durch die Verbindung derselben mit den zelligen Gebilden in der Umgebung des Centralcanals, getäuscht worden ist und sie für den Centralcanal um- gebende und von ihm ausgehende Nervenfasern gehalten hat. Es befinden sich ferner in der grauen Substanz Nervenzellen. Die Nervenzellen sind meist mit Fortsätzen versehen, haben einen deut- lichen Kern und Kernkörperchen, sind von sehr verschiedener Grösse, in sehr wechselnder Zahl vorhanden und auf Querschnitten ungleichmässig vertheilt in der grauen Substanz (Taf. I. Fig. 6 u. 7.). Was zuerst die Lage der Zellen betrifft, so liegen sie auf Quer- schnitten vorherrschend in den queren Schenkeln, zumal in den als Unterhörner bezeichneten Abschnitten, reichen nicht allein bis an den Centralcanal, sondern auch über diesen hinaus in die Comniissura superior und in die Oberhörner. Es reichen aber die Zellen auch von den Unterhörnern aus ziemlich weit in die weisse Substanz hinein, namentlich an Schnitten, welche die Wurzeln der Spinalnerven ge- troffen haben. — Während so vorherrschend die Gegend der Unterhörner und die Umgebung des Centralcanals der Sitz der Zellen ist, so gilt für die Oberhörner, dass sich hier nur sehr wenig und nur die aller- kleinsten Zellen zeigen. — Es lassen sich nun in der Weise wie REISSNER und nach ihm Kurscain im Rückenmark des Neunaugen es gethan, auch, hier bei den Knochenfischen die Zellen jederseits in zwei Gruppen bringen. Die dem Centralcanal jederseits zunächst gelegenen Zellen fasse ich zusammen zu einer centralen Gruppe (innere Nervenzellen Reıssxer), die in den Unterhörnern und darunter gelegenen Zellen nenne ich die laterale oder peripherische Gruppe oder die Zellen- gruppe der ‚Unterhörner (äussere Zellen Reıssner). Ich bemerke, 14 Dr. Ludwig Stieda, dass der Ausdruck »Gruppe« nur Bezug hat auf der einem Querschnitt entnommenen Ansicht, dass Längsschnitte dagegen, wie voraussichtlich, eine Anordnung der Zellen in der Längsrichiung zeigen, so dass die Zeilen also»Längsreihen« oder »Säulen« formen (Taf. 1. Fig. 8.). Die Trennung der Nervenzellen der grauen Substanz in centrale und peripherische erscheint nicht immer scharf ausgeprägt, daher dieser Umstand mir früher entgangen war und ich erst durch die genannten Autoren und ihre Arbeiten über das Neunauge auf die gezeigte Anord- nung aufmerksam wurde. Will man aus den spärlichen Nervenzellen der Oberhörner eine neue Gruppe bilden, so mag es geschehen. — Die Zahl der Nervenzellen ist auf Querschnitten sehr wechselnd. Beim Hecht, beim Barsch, Wels und verschiedenen Gyprinen-Arten finde ich durchschnittlich 8—10 auf jeder Seite, bedeutend vermehrt ist jederseits die Zahl, sobald die Wurzeln getroffen sind; doch betrifft die Vermehrung dann nur die Gruppe der Unterhörner, während die centrale ganz unverändert'bleibt. — Anders beim Aal und bei der Quappe. Hier konnte ich eine grosse Anzahl hinter einander folgender Querschnitte durchmustern, ohne auf eine Zelle zu stossen, dann fand ich vielleicht zwei oder höchstens drei, mitunter 6—10 jederseits, wenn zugleich untere Wurzeln sichtbar waren. Diese Zellenarmuth zeigten auch Längsschnitte, indem ich auf horizontalen jederseits vom Centralcanal in ziemlichen Abständen hinter einander hie und da eine Zelle antraf. — Vermehrt sind die Zellen im Vergleich mit den hin- teren Abschnitten des Rückenmarks in dem vorderen Theile bei allen Knochenfischen. Die Nervenzellen zeigen in ihrer Grösse und Form, sowie der An- zahl der von ihnen ausgehenden Fortsätze grosse Mannigfaltigkeit. Da die Form der Zellen und die Anzahl der Fortsätze einander derart beeinflusst, dass die Anzahl der abgehenden Fortsätze, welche die Zellen auf einem Schnitt darbieten,, gleichsam die Form der Zellen be- dingen, so muss ich beides zusammen erörtern. Sowohl auf Quer- schnitten als auf Längsschnitten, einerlei in welcher Richtung, sind die meisten Zellen spindelförmig und zeigen dem entsprechend zwei Fort- sätze; nur selten drei, indem von dem einen Ende der Spindel gabel- förmig zwei Fortsätze abgehen. Mitunter finde ich auch dreieckige Zellen mit drei nach verschiedenen Richtungen abgehenden Fortsätzen, nur selten finde ich Zellen mit vier oder fünf Ausläufern. Ich bemerke dies ausdrücklich gegenüber der Behauptung Mautaner’s, welcher auch sieben Ausläufer gesehen haben will. Owsınnıkow hält auch neuer- dings an seiner frühern Angabe fest, dass die Form jeder Zelle dreieckig sei und jede Zelle nur drei Fortsätze besitze, wovon ich mich nicht Studien über das centrale Nervensystem der Kuochenfische, 15 überzeugen konnte. — Natürlich finden sich auch viele rundliche oder eckige Zellen ohne Fortsätze zwischen den andern, ihnen sind durch den Schnitt die Ausläufer abgeschnitten. — Die Zellen sind, wie bereits gesagt, an Grösse einander nicht gleich, es finden ziemlich grosse Schwankungen statt, so dass Zahlen- angaben oder Maasse eigentlich keinen Werth haben. Wenn ich daher, wie sonst von grösseren und kleineren Nervenzellen rede, so verzichte ich darauf, jedesmal die Grösse der Zellen in Zahlen ausgedrückt an- zuführen. — Ich bemerke, dass die grössten Nervenzellen die Zellen der centralen Gruppe sind, dass kleine Zellen hier seltener vor- kommen, dass die peripherische Gruppe Zellen in allen Grössen durch- einander gemischt enthalten, und dass in den Oberhörnern die aller- kleinsten Zellen sich finden. Eine Verbindung zweier Zellen auf einer Seite oder gar zweier auf verschiedenen Seiten gelegenen Zellen durch ihre Ausläufer habe ich nie beobachtet, womit Owstannikow neuerdings auch übereinstimmt. — Von Maurnner wird eine dichotomische und trichotomische Verzweigung der Zellenfortsätze beschrieben, davon habe ich Nichts gesehen. Die Richtung der Zellenfortsätze ist sehr mannigfach; doch ist jedenfalls die Richtung für die Anordnung der Elemente im Rücken- mark, insofern ja die Nervenfasern mit den Nervenzellen zusammen- hängen, sehr wichtig. Ich liess es mir daher angelegen sein, ihre Rich- tung zu ermitteln, wobei ich mich aber nicht allein auf Querschnitte beschränken durfte, sondern auch verschiedene Längsschnitte prüfen musste. Die Ergebnisse der querdurchschnittenen oder der Länge nach getroffenen Zellen mussten mir die Vorstellung einer Zelle mit allen ihren Fortsätzen verschaffen. — Was zuerst die Zellen der centralen “Gruppe betrifft, so kann als Ausgangspunct für die Betrachtung der- selben ein horizontaler Längsschnitt dienen. Die Zellen liegen zu bei- den Seiten des Gentralcanals in einer Reihe, sind spindelförmig und meist derart gelagert, dass die Längenaxe der Spindel mit dem Längs- durchmesser des Rückenmarks zusammenfällt; biernach schliessen sich die beiden Fortsätze der Zellen in dieser Richtung an die Längsfasern. Mitunter fand ich auch spindelförmige oder birnförmige Zellen, deren Fortsätze schräg zur Peripherie gerichtet waren, sehr selten dagegen spindelförmige Zellen, deren Längsdurchmesser quer lag, so dass ein Fortsatz zur Peripherie, der andere zum Centrum gerichtet war. — Es konnten jedoch auch Zellen getroffen werden, welche dreieckig waren, und deren Fortsätze derart geordnet waren, dass zwei derselben in entgegengesetzter Richtung sich an die Längsfasern anreihten, während der dritte zur Peripherie gerichtet erschien. Derart beschaffen waren 16 Dr. Ludwig Stieda, die meisten Zellen der centralen Gruppe auf senkrechten Längsschnitten, welche durch diese Zellensäule hindurchgegangen waren. Auf Quer- schnitten erschienen die Zellen der genannten Gruppe birnförmig oder spindelförmig mit zwei Fortsätzen, welche beide zur Peripherie gerichtet waren, einen gewöhnlich mach oben, den andern nach unten. Mitunter fanden sich auch dreieckige Zellen mit drei Fortsätzen, deren zwei sich so verhielten, wie die Fortsätze der spindelförmigen Zellen, während der dritte quer nach aussen zur Peripherie zog. — Halte ich diese Er- gebnisse der Längs- und Querschnitte zusammen, so glaube ich daraus schliessen zu können, dass jede Zelle der centralen Gruppe mindestens drei, höchst wahrscheinlich vier oder fünf Fortsätze habe. Das Schicksal dieser Fortsätze anlangend, so vermuthe ich, dass die zwei longitudi- nalen Fortsätze zu Längsfasern werden, dass ein Fortsatz, seiner Rich- tung nach unten wegen, in die untere Wurzel, ein anderer, seiner Richtung nach oben wegen, in die obere Wurzel hineinziehe. Ueber den bisweilen fünften Fortsatz kann ich Nichts aussagen. Ich muss noch hinzufügen, dass der nach oben gerichtete Fortsatz bisweilen schräg in die Commissura superior hineinragt, also vielleicht bestimmt ist, nicht in die obere Wurzel derselben, sondern der entgegengesetzten Seite einzutreten. — Die Zellen der lateralen Gruppe der Unier- hörner erscheinen meist birnförmig mit einem die Richtung zur untern Wurzel, einschlagenden Ausläufer: selten haben die Zellen zwei in gleicher Richtung neben einander laufende Fortsätze. An den spindel- förmigen Zellen ging ein Fortsaiz nach unten und aussen zur unteren Wurzel, ein anderer nach oben central in die graue Substanz hinein, oder auch in die Commissura transversa, oder auch damit nach oben und aussen. Auch dreieckige Zellen mit drei nach verschiedenen Rich- tungen auseinander fahrenden Ausläufern habe ich getroffen. — Auf Längsschnitten zeigten die spindelförmigen und birnförmigen Zellen vorherrschend peripherisch gerichtete Fortsätze, welche sich mitunter deutlich an querverlaufende markhaltige Fasern anschlossen, so nament- lich auf senkrechten oder schrägen Längsschnitten. Zellen, deren Aus- läufer entschieden longitudinal gerichtet waren, traf ich verhältniss- mässig wenig, die Ausläufer vieler Zellen gingen schräge zur Peripherie. Auch diesen Zellen möchte ich wenigstens vier Fortsätze zuschreiben und das Schicksal derselben derart bestimmen, dass ein Fortsatz direct zur unteren Wurzel derselben Seite hinziehe, dass ein zweiter in die Commissura transversa oder in die graue Substanz unter dem Central- canal hinein sich erstrecke und der dritte und vierte in schräger Rich- tung nach vorn und nach hinten, zum Theil an die Längsfasern sich anschliessend, ihren Verlauf nehmen. Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 17 Dieses gilt von den grossen Zellen der grauen Substanz; die Kleinen Nervenzellen, spindelförmig, dreieckig oder rundlich von Gestalt haben sehr feine kurze Fortsätze, über deren Richtung und Verlauf ich nichts Sicheres anzugeben vermag. Vielleicht, dass dieselben, wie Owsiannikow vermuthet, in die obere Wurzel der Spinalnerven eintreten. Ausser den Nervenzellen finden sich in der grauen Substanz ver- einzelt oder in sehr geringer Zahl markhaltige Nervenfasern; deutlich sind sie erkennbar auf Querschnitten an der unteren Grenze der Commissura inferior, bisweilen lassen sich einzelne Fäsern oder Züge derselben, welche aaıs den Unterhörnern kommen, auf die andere Seite hinüber oder in den unteren Schenkel der grauen Substanz hinein verfolgen. Es kann auf diese Weise dicht unter dem Gentralcanal zu einer wirklichen Kreuzung von markhaltigen Nervenfasern kommen. Ich vermuthe, dass diese Fasern den central gerichteten Zellenfortsätzen der Unterhörner einer Seite entstammen und auf die andere Seite hinüberziehen, um früher oder später hier mit den Fasern der unteren Wurzel auszutreten. Querdurchschnittene markhaltige Nervenfasern finde ich auf Querschnitten besonders in der grauen Substanz der Unter- hörner, wo sie zahlreicher als an anderen Stellen auftreten und so dazu beitragen, die Grenze zwischen grauer und weisser Substanz zu ver- wischen. Die Commissura transversa (Taf. I. Fig. 6 u. 7 c.), die Quer- commissur der weissen Substanz, welche, wie oben bereits bemerkt, die beiden Unterhörner mit einander verbindet, besteht aus mark- haltigen Nervenfasern. Die Commissur ist nicht stets von gleichen Di- mensionen, ist auch nicht an jedem Querschnitt sichtbar, sondern ge- wöhnlich dann, sobald auch die unteren Wurzeln der Spinalnerven getroffen sind. Dieser Wechsel der Gommissur wird besonders auf- fallend an senkrechten Längsschnitten, welche das Bündel quer durch- schneiden; man sieht dann zwischen den übrigen längsverlaufenden Fasern in bestimmten Absätzen von einander Bündel quer durch- schnittener Nervenfasern (Taf. I. Fig. 41 d.). Die Nervenfasern der “Commissur lassen sich seitlich in die Unterhörner hinein verfolgen, um ‚sich dann den Blicken zu entziehen, ein Theil tritt aber in die untere Wurzel hinein. An horizontalen Längsschnitten, welche gerade durch die Commissur gemacht wurden, erkennt man deutlicher als an Quer- schnitten, dass hier eine vollständige Kreuzung von Nervenfasern statt- findet. — Owssnnıkow hatte sich früher dahin ausgesprochen, dass die Commissur aus nackten Axencylindern bestände, doch erklärten sich schon Srıuring, Mauraner und KörLıker gegen diese Anschauung. In der letzten Mittheilung, das Rückenmark betreffend, giebt OwsIannıkowW Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 2 18 Dr. Ludwig Stieda, zu, sich von der Gegenwart markhaltiger Fäsern in’dieser Commissur überzeugt zu haben. Owstannıkow ist aber der Ansicht, dass die Com- missur die Verbindung zwischen den Zellen des Unterhornes der einen Seite mit denen der andern Seite vermittele, davon habe ich mich nicht überzeugen können. Ich habe bisweilen wohl einen Axencylinder, wel- cher von einer Zelle des Unterhornes einer Seite ausging, in die Com- missur hinein treten sehen, aber niemals bis zur Verbindung mit einer Zelle der andern Seite. Ich meine auch nicht, dass die Zellenfortsätze sowie die Nervenfasern dieser Commissur wiederum in andere Zellen übergehen, dass sie also Zellen mit Zellen verbinden, sondern meine, dass sie von einer Seite auf die andere hinüberziehen, um hier als Wurzelfasern der unteren Wurzel auszutreten. Da von beiden Seiten zugleich die Fasern einander begegnen, so findet hier eine Kreuzung statt. — Die untere Wurzel der Spinalnerven (Taf. I. Fig. 6d.) zeigt kein so einfaches Verhalten, wie Owsımnnıkow’s Mittheilungen vermuthen lassen, dass nämlich einfach ein oder zwei Zellenfortsätze der Zellen zu Fasern der unteren Wurzel werden sollen. Den Angaben MAuTHner’s kann ich jetzt ebenso wenig wie früher beistimmen. MaAuTHNER sagt nämlich: »Auf einem in die Bahn der vorderen Wurzel gelegten Quer- schnitte sieht man, dass sie unmittelbar vor der vor dem Centralcanal gelegenen Gommissur als gesammelter Nervenstrang auftritt. Sie be- steht gleich bei ihrem Auftauchen vor jener Commissur aus markhaltigen Nervenfasern und nicht aus nackten Axencylindern.« Das Verhalten der unteren Wurzeln bot sich auf Querschnitten folgendermaassen dar: Die in das Rückenmark hineinzuverfolgende Wurzel theilt sich in drei oder vier Bündel. Das eine Bündel, welches ich das Commissurenbündel nenne, geht direct zur Mitte in die Commissura transversa hinein; ein anderes grösseres oder mehre kleine Bündel treten in die Zellengruppe der Unter- hörner, ich bezeichne diese als die lateralen Bündel. Ein anderes Bündel, das centrale Bündel dagegen, steigt schräg zwischen den beiden genannten aufwärts, verläuft bis an die untere Grenze der grauen Substanz, um hier seitlich am unteren Schenkel abgeschnitten zu enden. — Die in die Unterhörner eintretenden Fasern der Wurzel verschwinden zwischen den hier befindlichen Zellen. Einen Zusammen- hang von Nervenfasern und Zellenausläufern habe ich nicht beobachtet, bin jedoch der Ansicht, dass hier bestimmt einer existirt. — Durch Untersuchung von Längsschnitten, deren sich die anderen Forscher nicht bedient zu haben scheinen, weil sie nirgends derselben Erwäh- nung thun, liess sich ferner über die untere Wurzel folgendes ermitteln: Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 19 Senkrechte Längsschnitte ergaben über das laterale Bündel, dass die von dem Puncte des Eintritts quer, nach vorn und nach hinten ge- richteten Nervenfasern der Wurzeln sich zwischen die in entsprechen- der Weise gleichsam auf einen Punct gerichteten Fortsätze der Zellen verloren. Es scheint mir hiernach, dass von einem gewissen Abschnitte der lateralen Zellensäule (Gruppe des Querschnittes) die Zellenfortsätze zur unteren Wurzel zusammenziehen. — Machte ich Längsschnitte (Taf. 1. Fig. 15 d. c.), welche schräg durch das Rückenmark gingen, etwa die Richtung der eingetretenen unteren Wurzeln hatten, so konnte ich wahrnehmen, dass von den Wurzelfasern nur wenige quer in die weisse Substanz eintreten, andere sofort schräg nach vorn und auch nach hinten laufen, um theils sich den Längsfasern anzuschliessen, theils zwischen den Längsfasern zu verschwinden. — An Längsschnitten (Taf. 1. Fig. 1% b. c.), welche, wenig von der senkrechten Richtung ab- weichend, den Centralcanal trafen, sah ich Bündel von Längsfasern, welche von der Gegend des Centralcanals fast unter rechtem Winkel nach aussen umbogen, um hier zwischen den anderen querdurch- schnittenen Fasern zu verschwinden. — Ueber das in die Commissura transversa eintretende Bündel konnte ich durch Längsschnitte keine weitere Auskunft erlangen, auf senkrechten Längsschnitten traf ich, wie ich vorausgesetzt hatte, nur die querdurchschnittenen Fasern in dieser Gegend. Hiernach stelle ich mir den Ursprung der unteren Wurzel der Spinalnerven in folgender Weise vor: Ein Theil der Zellenfortsätze der lateralen Zellensäule (Gruppe des Querschnittes), zu welchen sich auch Fortsätze der Zellen der centralen Gruppe hinzugesellen, sammelt sich von vorn und hinten auf einen Punct zusammenziehend zu einem Bün- del. Diesem schliessen sich Längsfasern an, welche aus der Gegend der unteren Grenze zwischen grauer und weisser Substanz herziehen, wahrscheinlich longitudinalen Fortsätzen der centralen Zellen ent- sprechen. Aber auch aus der Commissura transversa kommt ein Bündel hinzu, Nervenfasern von der andern Seite hinüberführend. Die Oberhörner erscheinen fein granulirt, hie und da leicht gestreift; es finden sich bald sparsam, bald reichlich, sehr kleine, spindelförmige oder dreieckige Nervenzellen mit zarten Fortsätzen. Inder Commissura superior ist meist eine starke Kreuzung von Fasern erkennbar, welche von den erwähnten Radiärfasern herrührt. — Von einzelnen Autoren, neuerdings auch von OwstannIkoW ist auch die Gegenwart von markhaltigen Nervenfasern in dieser Gegend der grauen Substanz behauptet worden. Ich habe in meiner früheren Mit- theilung die Existenz der markhaltigen Nervenfasern in der Gommissura 9% 20 Dr. Ludwig Stieda, superior in F rage gestellt, mich aber später mit Sicherheit davon über- zeugt, dass nicht allein beim Hecht, sondern auch bei anderen Knochen- fischen markhaltige Nervenfasern quer über den Centralcanal hinweg- ziehen, mitunter einander kreuzend. Ich habe sie nicht allein auf Querschnitten, sondern auch an horizontalen Längsschnitten gesehen, welche letztere die Kreuzung zeigen. Ich bin der Meinung, dass diese Fasern mit den über den Centralcanal fortziehenden Zellfortsätzen der centralen Zellen in Verbindung stehen. Dieobere Wurzel der Spinalnerven (Taf. I. Fig. 7e.) sieht man auf Querschnitten aus Gegenden des Rückenmarks, an denen die Wur- zeln noch erhalten, in einem einzigen starken oder mehren schwächeren Bündeln fast quer, nur wenig nach unten abweichend, gegen das obere Ende der Oberhörner verlaufen und an diesen angelangt in einzelne Bündelchen auseinanderweichen, von denen die meisten wie abge- schnitten sich ausnehmen. Die Fasern der oberen Wurzel sind viel feiner als diejenigen der unteren Wurzel und verschwinden in der grauen Substanz der Oberhörner. Durch die Oberhörner hindurch habe ich keine Fasern verfolgen können, weiss daher auch nichts Sicheres von einer etwaigen Beziehung zu den centralen Zellen der grauen Substanz. Am ehesten wäre noch an einen Ursprung der Fasern von den hier befindlichen kleinen Zellen zu denken, doch scheint mir die Zahl der Nervenzellen hier zu gering, um allein jene Fasern ent- springen zu lassen, es muss noch eine andere Quelle da sein. Es treten überhaupt nicht viel Fasern der oberen Wurzel in querer Richtung in die graue Substanz, denn fertigt man Längsschnitte horizontal von der oberen Fläche des Rückenmarks, so sieht man, dass jederseits von den beiden fast dicht an einander liegenden Wurzelbündeln nach einander entgegengesetzter Richtung ein Theil der Fasern an die Längsfasern sich anschliesst. Hieraus schliesse ich, dass ein Theil der Fasern der oberen Wurzel direct von den Längsfasern der weissen Substanz her- stammen. — Mauruner’s Mittheilungen über die obere Wurzel sind sehr gering. Er sagt kurz: »Die hintere Wurzel stellt auf einem Rückenmark- querschnitte ein Netz von Fasern dar, die erst bei ihrem Austritt sich sammeln.« Von einer Umbiegung der Längsfasern in die obere Wurzel scheint er nichts beobachtet zu haben. Die weisse Substanz enthält in ihrem schon mehrfach er- wähnten bindegewebigen Gerüste markhaltige Nervenfasern von sehr verschiedenem Durchmesser, wie Querschnitte am übersichtlichsten er— kennen lassen. Die unterhalb des Centralcanals zwischen den Unter- hörnern gelegenen Fasern sind durchschnittlich die stärksten und haben einen Durchmesser von 0,021 —0,026 Mm., die feinsten Fasern sind in Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 21 der Umgebung der Oberhörner anzutreffen. Besonderer Erwähnung verdienen zwei sehr starke Fäsern von 0,05—0,06 Mm. (beim Hecht) Durchmesser (Taf. I. Fig. 6 u. 7.), welche ursprünglich von MAUTHNER entdeckt sind;; jederseits liegt eine an der Abgangsstelle des Unterhornes von der mittleren grauen Substanz. Ich habe diese Mautnner’schen Fasern bei allen bisher untersuchten Knochenfischen gefunden und werde bei Beschreibung der Medulla oblongata auf sie zurückkommen. Da auf Querschnitten stets der überwiegende Theil der Nervenfasern quer durchschnitten ist und nur in der Commissura transversa und der Gegend der eintretenden Wurzeln querverlaufende Fasern sichtbar sind, so kann hieraus gefolgert werden, dass die weisse Substanz des Rückenmarks zum grössten Theil aus der Länge nach verlaufenden Nervenfasern gebildet wird, welche nur an einzelnen Orten durch querziehende unterbrochen werden. — Ich fasse einige Hauptmomente der Darstellung übersichtlich zu- sammen, wobei ich von dem Zusammenhang der nervösen Elemente hier abstrahire, weil ich darauf in einer anderen Abhandlung zurück- kommen werde. — Das Rückenmark der Knochenfische ist ein langgestreckter Gylin- der, dessen centraler Theil, einen der Axe des Cylinders entsprechen- den Canal umgebend,, grau erscheint, während der übrige Theil des Cylinders weiss ist. In dem Axentheil des Gylinders liegen Nerven- zellen, zum Theil zu beiden Seiten des Canals die centralen Nerven- säulen bildend, zum Theil mehr zur Peripherie die lateralen Nervensäulen darstellend. Der weisse Theil des Gylinders enthält markhaltige Nervenfasern. — Die Grundlage, welche die genannten nervösen Elemente in sich aufnimmt, ist eine Stützsubstanz, welche bald in Form von Lamellen, bald in Form von Fasern, hald in anasto- mosirenden Zellennetzen, bald fein granulirt auftritt. Im Axentheil des Cylinders prävalirt die Grundsubstanz, hier fast nur Nervenzellen und marklose Nervenfasern beherbergend, — dieser Abschnitt erscheint dem blossen Auge grau; im umgebenden Theil, dem CGylindermantel überwiegen die markhaltigen Nervenfasern. Nicht ohne Interesse ist ein Vergleich des hier am Rückenmark der Knochenfische Betrachteten mit den Resultaten der Untersuchungen, welche Rrısswer und später Kurscuın am Rückenmark des Neunaugen angestellt haben. (Vergl. Reıssner, Beiträge zur Kenntniss vom Bau des Rückenmarkes von Petromyzon fluviatilis L. in REıcHerr's und Dusoıs-Reymonp’s Archiv 1860 und Kurscam: Ueber den Bau des Rückenmarkes des Neunaugen. Kasan 1863 russ. und das Referat darüber in M. Scaurze’s Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. II. 1866.) 22 Dr. Ludwig Stieda, Abgesehen von der bei Knochenfischen und bei Petromyzon von einan- der abweichenden äussern Form des Rückenmarks und des verschie- denen Verhaltens der weissen und grauen Substanz zu einander, mache ich auf folgende übereinstimmende Puncte aufmerksam. Sowohl Reıss- ner als Kurschim beschreiben auch grosse und kleine Nervenzellen, und sondern die grossen in zwei Gruppen, von denen Reissner’s »grosse innere Zellen« oder die grossen Nervenzellen der Gentralgruppe (Kurschin) unbedingt der von mir gleichfalls als centrale Gruppe bezeichneten ent- sprechen, während die »grossen äussern Zellen« Reıssner’s und Kurscaiw’s meiner »lateralen Gruppe« (der Unterhörner) bei den Knochenfischen zu vergleichen sind. Die kleinen Zellen finden die Autoren sowohl zer- streut zwischen den grösseren, als auch oberhalb des Centralcanals in der Gegend der Oberhörner. — Die Fortsätze der Zellen anlangend, so geben beide Autoren übereinstimmend an, dass von den centralen Zellen Fortsätze longitudinal nach vorn und hinten abgingen, ganz wie ich es bei den Knochenfischen gefunden. Reısswer erwähnt überdies noch eines dritten gerade nach aussen laufenden Fortsatzes, und KurscHin spricht von einem Fortsatz, welcher die-Richtung zu den oberen Wurzeln hat. Auch die Angaben über das Schicksal der Aus- läufer der lateralen Zellen sind ziemlich gleichlautend. Beide Autoren melden, dass die Fortsätze nach sehr verschiedenen Richtungen hin- ziehen, dass ein Theil der Fortsätze die Richtung zu den unteren Wur- zeln besitzt, Kurscain hat einige Fortsätze in die untere Wurzel hinein, andere Fortsätze durch die Commissura inferior auf die andere Seite hinüber verfolgen können. — Reıssner giebt die Gegenwart von Nerven- fasern in der Commissura inferior zu und ist auch geneigt, Nerven- fasern in der Commissura superior anzunehmen, Kurscuin geht einen Schritt weiter und spricht davon, dass er Fortsätze der Zellen der einen Seite nicht allein auf die andere Seite hinüberziehen, sondern auch in die Richtung der Wurzel der anderen Seite hinein verfolgen konnte. Die von Kurtscain gelieferten Mittheilungen über den Ursprung sowohl eines Theils der oberen, als eines Theils der unteren Wurzeln aus Longitudinalfasern, wie er dasselbe an Längsschnitten betrachtete und abbildete, sind ebenfalls von mir bei Knochenfischen als wahr befun- den. Ueber eine etwaige Beziehung der grossen Nervenzellen, sowohl der centralen als der lateralen Gruppe zu den oberen Wurzeln ist auch Kurschin ebenso wenig als ich zu einem sicheren Resultat gekommen. Kurscaın vermuthet, dass Fortsätze in die obere Wurzel eintreten. Einen Uebergang de Ausläufer kleiner Nervenzellen in die obere Wurzel hat sowohl Rerıssner als auch Kurschin gesehen. — Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 23 m. Das Gehirn der Quappe (Gadus Lota L.). Das Gehirn der Quappe erscheint bei Betrachtung von oben her (Taf. II. Fig. 16.) lang und verhältnissmässig schmal, insofern als der Breitendurchmesser, welcher nahezu überall derselbe ist, nur ungefähr ein Drittel des Längendurchmessers ausmacht, welchen letzteren ich vom hintersten Ende des Cerebellum bis zur Spitze der Lobi cerebrales rechne. — Das Gehirn gliedert sich in drei Abtheilungen. Von hinten her sind es: Ein unpaarer, glatter, langgestreckter, hinten schmäler, vorn breiter werdender Körper, das Gerebellum (Taf. II. Fig. 16 b.), welches der Medulla oblongata aufliegt; dann der mittlere Abschnitt, Lobus opticus (Taf. II. Fig. 16 c.), welcher etwas breiter als der hin- terste Abschnitt ist und eine in der Mittellinie verlaufende obere Längs- furche besitzt. Hierdurch wird der Lobus opticus scheinbar in zwei Theile getheilt, welche von einigen Autoren als die Lobi optici benannt worden sind. — Vor dem Lobus opticus liegt der vorderste Abschnitt, welcher an Grösse dem mittleren kaum nachsteht, durch einen tiefen, bis auf die Basis des Hirnes reichenden Spalt in zwei symmetrische Hälften getheilt wird, die Lobi cerebrales oder anteriores oder hemisphaerici (Taf. II. Fig. 16 d.). An der unteren Fläche des Gehirns (Taf. II. Fig. 18 e.), der Basis finden sich unter dem Lobus opticus jederseits ein stark vorspringendes Körperchen , die Lobi inferiores ; hat man die auf ihnen liegende Hypophysis cerebri entfernt, so findet man die beiden Lobi inferiores vorn mit einander verschmolzen zu einer kleinen unpaaren Erhebung, welche mit dem Hirnanhang eng verbunden ist, das Trigonum fissum. — Bei einer eingehenderen Untersuchung zeigt sich ferner: die Me- dulla oblongata, als deren hintere Grenze ich den Ursprung des ersten Spinalnerven ansehe, ist vom Rückenmark nicht scharf geschieden, sondern geht ganz allmählich durch Volumzunahme aus dem Rücken- mark hervor. Diese Massenzunahme ist verbunden mit einer Formver-— änderung, indem die cylindrische Form des Rückenmarks allmählich in eine vierseitig prismatische übergeht. In der Gegend des Gerebellum wird die Form noch etwas unregelmässiger, als die Breite der oberen Fläche über die Breite der unteren Fläche überwiegt. Der Sulcus longitudinalis superior vertieft sich anfangs ein wenig durch die seit- liche Massenzunahme, verschwindet aber dann in der Gegend des hin- tern Endes des Gerebellum, weil sich hier eine mittlere Erhebung an 34 Dr. Ludwig Stieda, der oberen Fläche der Medulla zeigt, das Tuberculum medium oder impar (Taf. II. Fig. 19a.). Vor dieser mittleren Erhebung befindet sich unterhalb des Gerebellum ein seichter Spalt, der hinterste Abschnitt des hier eigentlich offenen Ventriculus quartus, der unmittelbaren Fort- setzung des CGentralcanals des Rückenmarks. Etwas weiter nach vorn, kurz vor der Verschmelzung des Gerebellum mit der Medulla 'oblongata ist der vierte Ventrikel jedoch abermals durch eine weisse Masse be- deckt und also geschlossen. — Medulla oblongata und Gerebellum ver- wachsen seitlich vollständig miteinander, nur in der Mitte bleibt ein tiefer Raum zwischen ihnen frei, der vordere Abschnitt des vierten Ventrikels. Diesen Hirntheil, welcher gewöhnlich noch zur Medulla oblongata gerechnet wird, bezeichne ich als Pars commissuralis cerebri und verstehe demnach darunter denjenigen Theil, welcher mit dem CGerebellum in engster Verbindung den Boden des vierten Ventrikels darstellt. Lobus opticus. Hat man von der Hirnbasis die Hypophysis und auch die Lobi inferiores abgebrochen, so erkennt man, dass der untere oder der Basaltheil des Lobus opticus gebildet wird durch eine sich unmittelbar an die Pars commissuralis anschliessende Masse, welche ich Pars peduncularis benenne. Bedeckt wird die Pars peduncularis durch eine dünne, mit einer mittleren Längsfurche versehene ge- wölbte Decke, dem Tectum lobi optici, welches an beiden Seiten voll- ständig, vorn bis auf eine in der Mittellinie gelegene Oeffnung mit der P. peduncularis verwachsen ist. Zwischen der P. peduncularis und dem Tectum bleibt in der Mitte ein Raum übrig, der Ventriculus lobi optici oder die Höhle des Sehlappens (Taf. I. Fig. 19.). Hebt man das Tectum nach vorsichtigem Ablösen der seitlichen und ‚vorderen Ver- wachsungsstellen ab und schlägt es zurück, so sieht man an der dem Ventrikel zugewandten Innenfläche der Decke einen deutlichen Längs- wulst, Torus longitudinalis lobi optici, welcher der äusseren mittleren Längsfurche entspricht. Diesen Theil belegten GottschE und nach ihm andere Autoren, durch eine falsche Deutung verleitet, mit dem Namen Fornix. Durch Entfernung des Tectum ist die Ventrikelfläche der Pars peduncularis frei geworden, es sind hier drei Erhebungen wahrnehmbar (Taf. II. Fig. 19.). Eine mittlere, nach vorn ein wenig zugespitzt, deckt den hinteren Abschnitt der Pars peduneularis und hängt dem Cerebellum fest an. Unter diesem mit einer mittleren Längsfurche versehenen Körperchen wird die Verbindung des vierten Ventrikels mit der Höhle des Sehlappens vermittelt. Ich nenne diesen unpaaren Körper Valvula cerebelli. Die Autoren stellen den Lobus opticus gewöhnlich so dar, als ob die Valvula cerebelli, welche sie fälschlich Corpora quadrigemina Studien über das eentrale Nervensystem der Knochenfische. 25 nennen, im Ventrikel eingeschlossen wäre. Diese Anschauung ist falsch. Die Valvula cerebelli ist eine nach vorn sich erstreckende und dann nach hinten umbiegende Fortsetzung des Gerebellum (Taf. II. Fig. 32 m.), welche mit dem hinteren Rand des Tectum verwächst, indem sich der Torus longitudinalis in der Längsfurche der Valvula hineinlegt. Hier- nach bildet die Valvula cerebelli die hintere Wand der Höhle des Lobus opticys. Ich komme auf dieses Verhalten bei den mikroskopischen Untersuchungen dieses Theils noch einmal zurück. — Die Pars pedun- eularis besitzt an ihrer Ventrikelfläche eine Längsfurche, welche nach hinten unter der Valvula cerebelli sich verliert. Seitlich von dieser Längsfurche erhebt sich jederseits der Boden der Höhle — also die Ventrikelfläche der Pars peduncularis zu einem mit der Goncavität nach innen gekrümmten Wulst, Torus semicircularis Halleri (Taf. I. Fig. 19.). Beide Wülste umfassen so gleichsam die dazwischen hineingeschobene Valvula cerebelli. — An die Pars peduncularis schliesst sich unmittelbar die Gegend des dritten Ventrikels, über welche ich erst bei Gelegenheit der mikro-— skopischen Untersuchung ausführlicher berichten werde. Hier nur so viel, dass dieser Abschnitt des Hirns, die graue Substanz des . dritten Ventrikels (Taf. II. Fig. 19 r.), nach vorn die Verbindung zwischen dem Lobus opticus und den Lobi anteriores vermittelt, seitlich und unten ohne besondere Abgrenzung in die Lobi inferiores und das Trigonum fissum übergeht. Die Längsfurche, welche die Pars pedun- cularis an ihrer Ventrikelfläche besitzt, setzt sich an «er Oberfläche des genannten Hirntheils nach vorn fort bis zum Spalte, welcher die bei- den Lobi anteriores von einander trennt. Gerade dicht unter der Ver- einigungsstelle des Tectum mit der Pars peduncularis vertieft sich diese - Furche zu einem fast bis auf die Hirnbasis reichenden Spalt. Der Spalt ist der dritte Ventrikel, welcher demnach zwischen Lobus opticus und Lobi cerebrales nach oben offen ist, dessen Seitenwände durch die Masse der Lobi inferiores, dessen vordere untere Begrenzung das soge- nannte Trigonum fissum und das Ghiasma nervorum opticorum bildet. Der dritte Ventrikel wird von unten und zum Theil von hinten her ge- schlossen durch den Hirnanhang. Die Lobi cerebrales oder anteriores (Taf. I. Fig. 16, 18, 19 d.) sind zu beiden Seiten der Längsfurche der grauen Substanz angeheftet, der Art, dass sie mit ihrem hintern Abschnitt letztere zum Theil ver- decken. ‚Die Oberfläche eines jeden Lobus wird durch zwei von hinten ausgehende und nach vorn zu divergirende seichte Furchen in drei kleinere Abtheilungen gebracht. Beide Lobi sind durch eine nur unbe- deutende Commissur an ihrer Basalfläche mit einander verbunden. 26 - Dr. Ludwig Stieda, Von der Basis der beiden Lobi anteriores ziehen jederseits zwei zarte und dünne Stränge des Tractus olfactorius (Taf. I. Fig. 16 g.) nach vorn, um nach längerem Verlaufe zu einem rundlichen Knoten, Tubereulum olfactorium anzuschwellen , von welchem die eigentlichen Nervi olfactorii abgehen. Die Nervi optiei entspringen von dem Lobus opticus, derart, dass jederseits ein Nerv sich seitlich vom Tectum lobi optici zur Basis herab- begieht, an der Basis geht der von links kommende Nerv nach rechts und der von rechts kommende nach links, und zwar läuft gewöhnlich der rechte unter dem linken fort. Die übrigen Hirnnerven ordnen sich in sehr regelmässiger Weise in zwei Gruppen, von denen die eine die Richtung nach hinten, die andere die Richtung nach vorn hat. Nach hinten ziehende Nerven sind: Der Nervus vagus (Taf. IH. Fig. 16, 17, 18 k.) mit zwei Wurzeln, welche beide in nur kurzer Entfernung hinter einander seitlich von der Medulla oblongata abgehen. Die hintere stärkere Wurzel besteht aus mehreren kleinen dicht an einander ge- fügten Bündelchen und befindet sich dicht an dem Tuberculum medium. Die vordere Wurzel ist ein sehr dünner Strang, der etwas weiter nach vorn in gleicher Höhe mit der hinteren Wurzel die Medulla oblongata verlässt, um sich der hintern Wurzel anzuschliessen. -— Eine Strecke weiter nach vorn ebenfalls in gleicher Höhe mit den abgehenden Wur- zeln des Vagus treten an der Pars commissuralis cerebri die eng mit einander vereinigten Wurzelbündel des Trigeminus und Acusticus her- vor (Taf. I. Fig. 16 u. 17 m. n.). Etwa in der Mitte zwischen den letzteren und der vorderen Wurzel des Vagus, jedoch höher, also der obern Fläche der Medulla oblongata näher, dicht vor dem Uebergang der Pars commissuralis in die Medulla oblongata tritt ein ansehnlicher Strang hervor, welcher sich sofort nach hinten den genannten Wurzeln des Vagus anschliesst. Das ist der Nervus glossopharyngeus der Au- toren (Taf. II. Fig. 16u. 171.), welchen man meiner Meinung nach sehr gut als eine dritte Wurzel des hinteren Gerebralnerven ansehen kann. Der hintere Cerebralnerv umfasst demnach den Vagus und Glossopharyngeus. Die vereinigten Bündel der hinteren Trigeminus- wurzel und des Acusticus lassen sich in der Weise von einander schei- den, dass ein Theil der Bündel, nämlich ein dünnes und zwei starke Bündel als hintere Trigeminuswurzel nach vorn gerichtet sind, während zwei starke Bündel, dem Acusticus zugehörig, sich sofort an das Gehör- organ anlegen. — Ziemlich nahe an der hinteren Wurzel des N. trige- minus tritt in gleicher Höhe mit letzterer aus der Uebergangsstelle der Pars commissuralis in die P. peduncularis die vordere einfache Wurzel des Trigeminus hervor, sich den anderen nach vorn gerichteten Wurzel- Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 27 bündeln eng anschliessend. — Der Nervus abducens (Taf. Il. Fig. 17.) entspringt jederseits mit zwei feinen Würzelchen, welche dicht hinter einander liegen, von der Basalfläche der P. commissuralis etwa in gleicher Querebene mit der hinteren Trigeminuswurzel. Der Nervus trochlearis ist ein feines Fädchen, welches aus der Furche zwischen dem Lobus opticus und dem Cerebellum seitlich auftaucht, sich dicht an den Lobus opticus anschmiegt und dabei von den nach vorn ziehen- den Trigeminuswuzeln bedeckt wird. Der N. oculomotorius (Taf. I. Fig. 16, 17 u. 18 o.), der stärkste der drei Augenmuskelnerven ist ein platter Strang, welcher seitlich zwischen dem Lobus inferior und der Pars peduncularis zum Vorschein kommt, um sich in gleicher Weise, wie der N. trochlearis und abducens dem Trigeminus anzuschliessen. — Der Trigeminus nebst den isolirt entspringenden kleinen Nerven der Augenmuskeln entspricht dem Gebiet des vorderen Gerebralnerven. Ich knüpfe hieran die Bemerkung, dass, während die Spinalnerven sich bei Gadus Lota im Allgemeinen ganz regelmässig verhalten, der erste Spinalnerv von der Regel abweicht, indem er jederseits nicht zwei, sondern vier Wurzeln, zwei obere und zwei untere besitzt (Taf. II. Fig. 16, 17u.18:i.). Diese vier Wurzeln gehen in der Art vom Rückenmark ab, dass die beiden oberen einander sehr nahe gelegen sind, während von den beiden unteren Wurzeln die eine vor den oberen, die andere hinter den oberen Wurzeln ihren Platz hat. Ich wende mich nun zur eingehenderen Betrachtung der einzelnen Hirntheile insbesondere. — 1. Die Medulla oblongata und die Pars commissuralis. Gleichwie sich mit unbewaffnetem Auge keine scharfe Grenze zwischen Medulla oblongata und spinalis nachweisen lässt, so lässt sich auch mit Hülfe des Mikroskops keine bestimmte Scheidung zwischen beiden genannten Theilen vornehmen. Die Betrachtung einer Anzahl auf einander folgender Querschnitte der betreffenden Gegend ergiebt, dass die für das Rückenmark charakteristische Anordnung der histiologischen Elemente sich nur ganz allmählich verändert. Diese Veränderung besteht hauptsächlich in einer Vermehrung der grauen _ Substanz, welche aber anfänglich nicht überall in gleicher Weise statt- findet, sondern vorzüglich die Oberhörner betrifft. Dabei erscheinen die Nervenzellen durchweg vermehrt, sowohl die Zellengruppe der Unterhörner, als auch die zerstreuten kleinen Zellen, nur die Gruppe der centralen Zellen tritt ganz in den Hintergrund, indem sich ihre Zahl verringert und sie schliesslich ganz verschwindet. 28 Dr. Ludwig Stieda, In der Gegend der Medulla oblongata, wo die Wurzeln des ersten Spinalnerven abgehen, hat der Centralcanal bereits an Ausdehnung zugenommen; die Commissura transversa ist bedeutend vermehrt, in- dem statt des früheren einzigen, jetzt zwei, drei oder noch mehr Bündel von einer Seite zur anderen ziehen, ja einzelne Bündel bis dicht unter den Gentralcanal hinaufrücken. Die graue Substanz ist vermehrt. Durch Vermehrung der grauen Substanz unterhalb des CGentralcanals ist die Form der Unterhörner verwischt, und die bisher zum Theil wenigstens stattgehabte Abgrenzung derselben von der sie umgeben- den weissen Substanz sehr undeutlich geworden. — Ganz besonders nehmen die Oberhörner an Ausdehnung zu; sie vergrössern sich nach oben zu, wodurch der Sulcus longitudinalis superior tiefer wird; sie rücken dabei auch in der Mittellinie einander näher, so dass sie nur durch die vom CGentralcanal zur Pia mater hinziehenden Radiärfasern getrennt werden. Hierdurch hat die graue Substanz eine wesentlich andere Form gewonnen. Von Oberhörnern kann eigentlich gar nicht mehr die Rede sein. Die graue Substanz über dem Centralcanal stellt vielmehr eine auf dem Querschnitt rundlich erscheinende Masse dar, welche den Raum zwischen Centralcanal und der oberen Peripherie ‘ einnimmt, seitlich von der weissen Substanz begrenzt wird und nur noch an den von der Pia mater zum Centralcanal laufenden Fäden ihre Verschmelzung aus zwei Theilen erkennen lässt. Noch weiter nach vorn zu, woselbst an der obern Fläche der Medulla oblongata sich das Tuberculum medium erhebt, schwindet auch die letzte mittlere Scheide- wand zwischen den beiden Hälften der grauen Substanz: es fliessen beide Hälften vollständig in eins zusammen. Der Sulcus longitudinalis superior ist geschwunden, dagegen die graue Substanz in der Mittel- linie gewölbt als Ausdruck für das hier durchschnittene Tuberculum medium (Taf. II. Fig. 20.). Zwischen dem Tuberculum medium und dem Centralcanal ziehen Nervenfasern quer, ebenso finden sich auch hie und da an der oberen Fläche querziehende Nervenfasern. — Das Aussehen der Grundsubstanz des Tuberculum medium ist dem der Oberhörner gleich, fein granulirt. — Während nach allmählichem Schwinden der den Gentralcanal umgebenden reticulirten Substanz von unten her markhaltige Nervenfasern (Längsbündel) bis dicht unter den Centralcanal gerückt sind, breitet sich über den übrigen Abschnitt die graue Substanz aus, die weisse auf die äusserste Peripherie ver- drängend. Eine scharfe Abgrenzung zwischen weisser und grauer Substanz wird immer schwieriger. Die Zellen der centralen Gruppe sind verschwunden. Die grossen und kleinen Nervenzellen im Ver- gleich zum Rückenmark vermehrt. Ausserdem ist eine neue Gruppe Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 29 von Zellen aufgetreten, welche sich durch Form und Lagerung als eigenthümliche charakterisiren. Da ich Grund habe, diese Zellen mit dem aus dieser Gegend abgehenden N. vagus in Verbindung zu setzen, so bezeichne ich die Gruppe als Vaguskern (Taf. II. Fig. 20.). Die betreffenden Zellen erscheinen meist dreieckig, selten rundlich, erstere messen 0,066 Mm. in der Länge, 0,033 — 0,041 Mm. in der Breite; sie sind meist so gelagert, dass die Basis des Dreiecks zum Centralcanal, die Spitze zur Peripherie und zwar nach unten gerichtet ist. Der Kern der Zellen ist verhältnissmässig gross, 0,016 Mm., bläschenförmig. — Die Zellen haben ihren Platz dicht zur Seite des Centralcanals, gleich unter dem Epithel und sind in der Anzahl auf 10— 20 jederseits auf einem Querschnitt zu finden. Sie treten zuerst auf in der Gegend, in welcher die graue Substanz über dem Gentral- canal in der Mittellinie zu verschmelzen beginnt, und reichen noch ein klein wenig über das Tuberculum medium nach vorne hinaus, ent- sprechen also ziemlich dem Tuberceulum. — Es ist dies offenbar auch die Zellengruppe, welche MAutuxer und OWSsIAnNIKoWw als eine besondere im Rückenmark der Fische erwähnen; es gehört aber, wie aus dem Bisherigen hervorgeht, diese Zellengruppe nicht mehr dem Rückenmark, sondern dem verlängerten Mark an.— Die weisse Substanz, welche mit Ausnahme der dicht unter dem Gentralcanal befindlichen Längs- bündel und Querbündel, nur die äusserste Peripherie eines Quer- schnittes einnimmt, besteht fast grösstentheils aus querdurchschnittenen Nervenfasern von sehr verschiedenem Durchmesser, doch überwiegen die feinen Fasern; nur dicht unter dem Centralcanal erhalten sich gröbere und stärkere Fasern, unter welchen die beiden Maurnxer’schen Fasern deutlich erkennbar, einander aber näher gerückt sind. Die Bündel der Commissura transversa sind sehr stark, vielfach in Abthei- lungen getrennt, breiten sich seitlich aus, einzelne Bündel bilden einen ‚nach oben eoncaven Bogen und somit eine Grenze der grauen Substanz gegen die weisse. Andere Faserbündel ziehen aus der grauen Substanz über dem Centralcanal schräg nach unten und aussen, lassen sich deutlich bis über die Peripherie des Rückenmarks hinaus verfolgen. Es sind die Wurzelbündel des Nervus vagus. In der Gegend der Medulla oblongata vor dem Tuberculum medium erweitert sich der Gentralcanal sehr schnell und bedeutend auf Kosten der verschwindenden grauen Substanz des Tuberculum medium zum vierten Ventrikel, welcher hier nur von der Pia überspannt und vom Cerebellum überdeckt wird (Taf. II. Fig. 21.). Der Querschnitt des hier — abgesehen vom Cerebellum — offenen Ventrikel erscheint unter der Form eines gleichschenkligen Dreiecks, dessen Basis dem Cerebellum 30 Dr, Ludwig Stieda, zugekehrt ist und dessen Spitze bis in das Centrum des Querschnittes reicht, woselbst früher der Centralcanal sich befand. Schon hier tritt am Boden des vierten Ventrikels eine Furche auf, welche von nun bleibt und über die ganze Ausdehnung des Gehirns bis zur äussersten vor- dersten Spitze auch die anderen Hirnabtheilungen durchläuft. Ich be- zeichne sie als die centrale Längsfurche, Sulcus centralis longitu- dinalis. Von der grauen Substanz des Tuberculum medium ist nur noch in den seitlichen Wandungen des vıerten Ventrikels etwas vorhanden. Noch weiter nach vorn schwindet auch durch schnelles Abnehmen dieser Rest, so dass dicht hinter der Pars commissuralis, also an der Stelle, wo das Gerebellum sich der Medulla oblongata anschliesst, alle graue Substanz vom Aussehen der Oberhörner fort ist; dagegen dehnt sich seitlich und unterhalb vom Ventrikel die graue Substanz vom Aus- sehen der früheren Unterhörner aus. Man könnte diesen Abschnitt am ehesten charakterisiren durch den Mangel einer scharfen Abgrenzung der grauen von der weissen Substanz. Es ziehen in dieser Gegend sehr starke Bündel quer unter den Längsbündeln am Boden des Ven- trikels von einer Seite zur andern, einige davon reichen bis zur Pe- ripherie. Kurz vor der Verschmelzung der Medulla oblongata mit den seitlichen Theilen des CGerebellum wird der Ventriculus quarius noch einmal zu einem geschlossenen Canal, indem sehr bedeutende Nerven- faserbündel an der oberen Peripherie quer von einer Seite zur andern über den Ventrikel fortziehen. Die Zellen des Vaguskernes sind mit der grauen Substanz verschwunden; in der unteren Hälfte der Medulla oblongata sind die zelligen Elemente, grosse und kleine, noch immer zahlreich, liegen vorherrschend in der Gegend der früheren Unter- hörner, doch finden sich auch hie und da an anderen Stellen kleinere Gruppen oder zerstreute Zellen. Seitlich von den beiden am Suleus centralis gelegenen Längsbündel, durch deren starke Entwickelung der Boden des Ventrikels abgeflacht wird, befindet sich je eine Gruppe von Nervenzellen, welche sich durch ihre äusserst gestreckte Form, ihre langen, schräg nach unten und aussen gerichteten Ausläufer nicht allein vor den Zellen des WVaguskernes, sondern auch vor den andern Zellen auszeichnen. Sie sind auf Querschnitten meist in be- trächtlicher Anzahl, ungefähr 20 jederseits zu sehen. Ich bezeichne diese Gruppe ihrer Beziehung zur hinteren Trigeminuswurzel wegen als hinterer Trigeminuskern. Der sich anschliessende Abschnitt der Hirnbasis (Taf. II. Fig. 22.), welcher mit dem Gerebellum unmittelbar zusammenhängt und von mir als Pars commissuralis aufgeführt wurde, ist —- abgesehen von der schon Eingangs erwähnten Volumzunahme dieses Theiles — gekenn- Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 31 zeichnet durch die nach allen Richtungen sich hier durchkreuzenden Faserbündel, weil hier die starken Wurzeln des Trigeminus und Acusticus das Hirn verlassen. Ferner ist für diesen Hirntheil charakte- ristisch abermals eine neue Gruppe von Nervenzellen, welche zu bei- den Seiten in den Wandungen des hier etwas verengten Ventriceulus quartus liest. Es sind rundliche, birnförmige Zellen, die grössten der bisher im Gentralnervensystem der Quappe beobachteten, denn sie haben einen Durchmesser bis zu 0,082 Mm. Sie sind mit grossen, bläschenförmigen Kernen versehen und besitzen nach aussen und nach unten gerichtete Fortsätze. Wie horizontale Längsschnitte durch diese ‚Stelle lehren, bildet die Zellengruppe jederseits einen länglichen Körper, dessen Längsaxe mit der Längsaxe des Gehirns zusammenfällt. Ich nenne diesen den vorderen Trigeminuskern. — Die seitlichen Theile der Pars commissuralis fliessen nach oben zu ohne scharfe Ab- grenzung mit der Substanz des Gerebellum zusammen (Taf. II. Fig. 22.), eine Verbindung durch Nervenfaserbündel, so sehr ich auch auf Längs- schnitten darnach suchte, finde ich nicht. — In der Pars commissuralis zeigt sich ferner eine Eigenthümlichkeit, welche nach dem Verschwin- den der grauen Substanz des Tuberculum medium schon allmählich vorbereitet wurde, aber nicht scharf genug hervortritt, um erwähnt werden zu können, sondern erst hier in dem an die Pars peduncularis angrenzenden Theile der Pars commissuralis deutlich zu übersehen ist. Während im letzten Abschnitte mit Ausnahme der entschieden weissen Substanz am Boden des Gentralcanals sich im übrigen Theil keine scharfe Abgrenzung zwischen grauer und weisser Substanz zeigte, so tritt jetzt abermals eine strengere Scheidung hervor. Während aber im Rückenmark die graue Substanz central, die weisse Substanz peri- pherisch gelagert erschien, so tritt hier das Entgegengesetzte ein, die weisse Substanz ist central, die graue peripherisch. Die graue Substanz nimmt nämlich allmählich wieder an Ausdehnung zu, und die weisse Substanz in Folge der durch die abgehenden Wurzeln der Hirnnerven bereiteten Verluste immer ab. Es bleibt nur der Theil der weissen Substanz übrig, welcher unter dem Ventrikel liegt, die graue Substanz nimmt die Peripherie ein. Der Querschnitt zeigt daher in der grauen Substanz nur einzelne inselförmige weisse Flecke (Taf. I. Fig. 22.). Ein durch die Pars commissuralis dicht nach Abgang der vorderen Trigeminuswurzel gemachter Querschnitt bietet folgendes Ansehen: der Ventriculus quartus ist zu einem kleinen engen Canal geworden, unter welchem ein Paar starke Längsbündel und darunter, durch einige schräge und sich kreuzende Fasern getrennt, ein Paar andere kleinere Bündel sich scharf von der grauen Umgebung abheben. Ich nenne diese 32. Dr, Ludwig Stieda, Bündel die centralen Längsbündel, und unierscheide sie als obere und untere. Ausserdem treten seitlich auch jederseits starke Längs- bündel hervor, die lateralen Längsbündel. Der ganze übrige Theil des Querschnittes hat das Aussehen der grauen Substanz der Unterhörner; bei stärkerer Vergrösserung erkennt man in der faserig granulirten Grundsubstanz zahlreiche querdurchschnittene meist feine Nervenfasern. — Nervenzellen sind nur spärlich , hie und da eine ver- einzelte zu sehen. Was den Ursprung der Wurzeln der Hirnnerven anlangt, welche von dem besprochenen Hirnabschnitt herstammen, kann ich darüber Folgendes berichten : Die hintere stärkere Wurzel des Nervus vagus enistammt zu einem Theil den Längsbündeln, welche sich von der Uebergangs- stelle der Medulla spinalis in die Medulla oblongata seitlich, jedoch nahe der oberen Fläche erstrecken. Die Fasern ziehen allmählich nach vorn, um, in der Gegend des Ti:berculum impar leicht nach aussen um- biegend, von der Medulla oblongata abzutreten. Ein anderer Theil der Wurzel wird durch mehrere, drei, vier auch fünf kleinere Bündel ge- bildet, welche aus der grauen Substanz des Tuberculum medium und der Wandung des vierten Ventrikels — dem Vaguskerne — leicht nach vorn gekrümmt, nach aussen und hinten zur Peripherie hinziehen. Horizontale Längsschnitte geben über diese Bündel sehr genaue Aus- kunft, zeigen, wie die wenigsten Bündel direct gerade nach aussen ziehen, sondern dieselben erst einen schwachen Bogen bilden. Ein anderer Theil der hinteren Wurzelbündel entstammt den Querbündeln am Boden des Ventrikels (der Commissura transversa). Das vordere Wurzelbündel des Nervus vagus verhält sich genau wie die über der grauen Substanz entspringenden Bündel, indem es von der grauen Substanz der Seitenwand des schon offenen vierten Ventrikels direct nach aussen zieht. Sämmtliche Fasern der Wurzeln des Vagus sind fein, nur bis auf die den Längsfasern entspringenden, welche letztere stärker sind. Der Nervus glossopharyngeus der Autoren ist in Folge seines stark nach hinten gerichteten Verlaufes an dem dicht neben der Medulla belegenen Querschnitt bald zu erkennen, er ist aus gröberen Fasern zusammengesetzt. Die Fasern desselben, sobald sie in die weisse Sub- stanz eingetreten, breiten sich nach aller Richtung, vorherrschend aber nach vorn und hinten aus, so dass ich von diesem Nerven sagen möchte, es liesse sich sein Ursprung aus Längsfasern herleiten. ihn mit irgend weichen Nervenzellen in Beziehung zu setzen, ist mir nicht gelungen. — Studien über das centrale Nervensystem der Rnochenfische. 33 Der Nervusacusticus besteht aus Nervenfasern von sehr breitem Durchmesser; seine dicht neben einander liegenden kleinen Bündel fahren sofort nach dem Eintritt in die Substanz des Pars commissuralis nach allen Richtungen auseinander. Zwischen die sich ausbreitenden Wurzelfasern sind dicht an der Peripherie reichlich Nervenzellen ein- gelagert. Die Zellen sind klein und haben kein besonders charakte- ristisches Aussehen. — Die hintere Wurzel des Nervus trigeminus bezieht zum grössten Theil ihre Fasern von Längsbündeln der weissen Substanz, indem ein Theil der Längsbündel von hinten nach vorn allmählich sich ablösend als Wurzel hervortritt. In diese drängt sich ein starkes Bündel hinein, welches durch seinen Verlauf besonders gekennzeichnet ist. Es tritt zuerst als Längsbündel zu beiden Seiten des geschlossenen Gentraleanals, später in der Seitenwand des offenen vierten Ventrikels auf, nimmt allmählich bis in die Pars commissuralis hinein an Volumen zu, und biegt hier plötzlich unter rechtem Winkel um, um horizontal nach aussen zur Peripherie sich zu begeben. Hier schliesst das Bündel sich dem oben genannten an. Ueber dieses Verhalten giebt nicht allein die Betrachtung einer Reihe aufeinander folgender Querschnitte, son- dern auch die Untersuchung glücklich geführter, horizontaler Längs- schnitte genaue Auskunft. — Es sind die genannten Bündel durch starke Fasern gebildet; — hierzu kommt noch ein aus feinen Fasern zusammengesetztes Bündel, welches von der Gegend des hinteren Trigeminuskernes nach vorn zieht, um dann ebenfalls nach aussen umbiegend, sich mit den übrigen Wurzeln zu vereinigen. Die vordere Wurzel des Nervus trigeminus bildet sich durch Zusammentritt von verhältnissmässig breiten Fasern, welche sowohl von hinten, als von vorn herziehen, zum Theil auch den Quer- commissuren am Boden des vierten Ventrikels und dem vorderen Trigeminuskern entspringen. An diese Bündel schliesst sich ein aus ‚feinen Fasern bestehendes, welches in schräger Richtung aus dem Tbeil des Gerebellum herabkommt, welcher mit der Pars commissuralis in engster Verbindung steht. Der Nervusabducens. Die beiden kleinen, dicht hintereinan- der gelegenen Wurzelbündel dieses Nerven befinden sich nahe zu bei- den Seiten des schwachen Sulcus longitudinalis inferior, und lassen leicht ihren Zusammenhang mit kleinen Zellengruppen, welche hier nahe der Peripherie gelegen sind, nachweisen. Man könnte diese aus kleinen Zellen bestehende Gruppen als Abducenskerne bezeichnen. Am Schlusse dieses Abschnittes muss ich noch der eigenthüm- lichen Nervenfasern gedenken, deren ich unter dem Namen der Zeitschr. f, wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 3 34 | Dr. Ludwig Stieda, Maurtaner’schen bereits beim Rückenmark erwähnt habe und die ich durch die Medulla oblongata und die Pars commissuralis verfolgt habe. | Sie erreichen hier gewissermaassen ihr Ende. Ich hebe zuerst hervor, dass ich über den Ursprung dieser Fasern, oder eigentlich richtiger über das Verhalten der Maurnner’schen Fasern im Schwanztheil des Rückenmarks nichts ermittelt habe und zwar deshalb, weil die Fasern allmählich nach hinten zu an Volum abnehmen und schliesslich von den sie umgebenden anderen Nervenfasern nicht mehr zu unterscheiden, also auch nicht weiter zu verfolgen sind. — Ueber das Verhalten der Fasern in der Medulla oblongata und der Pars commissuralis habe ich aber durch Untersuchung einer Anzahl auf einander folgender Quer- schnitte, sowie auch durch Berücksichtigung zahlreicher, horizontaler Längsschnitte, Folgendes gefunden: die beiden Maurnner’schen Fasern, welche ursprünglich in den unterhalb des Centralcanals befindlichen Längsfaserbündeln eingeschlossen sind, und sowohl von einander, als von dem senkrechten unteren Schenkel der grauen Substanz in ziemlich weiten Abständen entfernt sind, rücken einerseits einander näher, andererseits aber auch höher hinauf, d. h. dem Centralcanal und später dem Boden des vierten Ventrikels näher, so dass sie schliesslich dicht neben einander am Boden des vierten Ventrikels sich befinden. Nun, kreuzen sich die Fasern (Taf. Ii. Fig. 27.), indem die eine Faser über die andere sich hinüberlegt und biegen fast unter rechtem Winkel nach aussen um, um sich an das ebenfalls nach aussen abgehende Bündel der Trigeminuswurzel anzuschliessen, welches, wie oben be- schrieben, den centralen Längsfaserbündeln entstammte. — Ich schalte hier gleich die Bemerkung ein, dass ich dieses Verhalten der MAUTHNER'- schen Fasern nicht allein bei der Quappe, sondern auch bei allen an- dern von mir darauf hin untersuchten Knochenfischen angetroffen habe. — OWSIAnNIKOW und KurscHiv war es nicht gelungen, die Fasern soweit zu verfolgen, daher sie nur die Vermuthung aussprachen, dass die Fasern in der Medulla oblongata oder im Gehirn in Nervenzellen endigten, also gleichsam eine Verbindung zwischen den Zellen des Rückenmarks und des Gehirns vermittelten. Durch den von mir oben gelieferten Nachweis wird diese Hypothese widerlegt. — 2. Das Cerebellum und die Valvula cerebelli. Schon mit unbewaffnetem Auge lässt sich sowohl an der Durch- schnittsfläche eines frischen Kleinhirns, als auch und zwar deutlich an gehärteten und gefärbten Schnitten ein Unterschied in der Färbung einzelner Abschnitte wahrnehmen, welcher histiologische Verschieden- heiten zu Grunde liegen (Taf. II. Fig. 21. und 32.). Der äussere Rand Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 35 des Schnittes, die Rindenschicht, ist durch etwas hellere Färbung ausgezeichnet von der die Mitte einnehmenden etwas dunkelen Masse, welche ich ihrer histiologischen Beschaffenheit wegen Körnerschicht nenne. Körnerschicht und Rindenschicht sind von einander getrennt durch einen hellen, schmalen Streifen, die Grenzschicht. m Centrum der Körnerschieht findet sich gewöhnlich ein weisser Fleck die Marksubstanz. Die genannten Schichten verhalten sich nun, wie aus der Gombination einer Reihe in verschiedenen Richtungen ange- fertigter Schnitte sich ergiebt, in der Weise, dass die in ihrer Axe weisse Substanz enthaltende Körnerschicht den Kern oder Grundstock des Cerebellum bildete, während die Rindenschicht als dünne Masse die freie Fläche des Cerebellum überzieht (Taf. II. Fig. 32.). An der Stelle, wo die Pars commissurälis mit dem Cerebellum verschmilzt, fehlt die Rindensubstanz (Taf. II. Fig. 22.); sowohl seitlich, als auch an der unteren Fläche, so dass der vierte Ventrikel von oben her direct durch die Körnerschicht begrenzt wird. Die Rindenschicht ist nicht überall von gleicher Mächtigkeit, weil die Körnerschicht, wie Quer- schnitte zeigen, nach oben in eine Spitze ausläuft. Nach vorn zu, wo das Cerebellum durch seine Verschmelzung mit der Pars commissuralis ‚seine scharfe Abgrenzung verliert, bildet eine dünne Lage Körnerschicht und Rindenschicht nebst zwischenliegender Grenzschicht die unmittel- bare Decke des vierten Ventrikels. Jene dünne Lage setzt sich unmittel- bar fort in die Valvula cerebelli (Taf. I. Fig. 32.). In die Körnerschicht treten von verschiedenen Seiten Nervenfaserbündel hinein, oder besser aus ihr heraus. Einige der Bündel lassen sich vorn in die Valvula cere- belli, andere unter derselben seitlich in die Pars peduncularis hinein verfolgen, um hier unterhalb der Tori semieirculares sich zu verlieren. Ein anderer Theil der Bündel tritt schräg nach unten und aussen, um an der Stelle, wo die Rindensubstanz fehlt, sich an die Trigeminus- wurzel anzuschliessen. —Die Grenze zwischen Gerebellum und Valvula cerebelli wird durch ein kräftiges Bündel querlaufender Nervenfasern gebildet, welche die beiden Nervi trochleares von sich abgehen lassen. Der feinere Bau des Cerebellum der Fische ist in neuester Zeit häufig Gegenstand von Untersuchungen gewesen. Ausser meinen eige- nen hierher gehörigen Publicationen muss ich hier erwähnen Owsran- NIKOW: Ueber die feine Structur des Kleinhirns der Fische in den Melanges biologiques tires du Bulletin de l’Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg, Tome IV., und O erpoenim nepndepmuezaro c1oA Mmomeuka pu6p, Ancceprayia, Aeouuaa Bapreuera. G. Ne- Tepöypr» 1867, (Ueber die Rindenschicht des Kleinhirns der Fische, 3,* 36 Dr. Ludwig Stieda, von BARTENEFF. Diss. inaug. St. Petersburg.). Eine. völlige, Ueberein- stimmung der Angaben über den Bau existirt nicht. — Das hier Gesagte hat nicht allein Gültigkeit für das Kleinhirn der in Rede stehenden Quappe, sondern auch der anderen Knochenfisehe. Die Körnerschicht besteht, wie übereinstimmend angegeben wird, aus kleinen zelligen Gebilden, den sogenaanten »Körnern« welche 0,0038—0,0057 Mm. gross in eine feingranulirte, hie und da faserig erscheinende Grundsubstanz eingebettet sind. Zwischen den Körnern finden sich markhaltige Nervenfasern. In der weissen Substanz im Centrum finden sich überwiegend Nervenfasern und nur spärliche Körner. OwSIanNIKOW, welcher die Körner als kleine Nervenzellen auf- fasst, behauptet, wie andere Forscher im Gerebellum höherer Wirbel- thiere einen Zusammenhang der Körner vermittelst kleiner von ihnen ausgehender Fortsätze mit den markhaltigen Nervenfasern. BARTENEFF, welcher beiläufig gesagt weder Owsıannıkow's, noch meine früheren Arbeiten über das Cerebellum der Fische zu kennen scheint, hält die Körner für die Kerne der Bindesubstanz. Dieser Ansicht, welche ich früher auch vertrat, kann ich heute nicht beipflichten, wie bereits oben erwähnt; obgleich ich einen Zusammenhang der Körner mit Nerven- fasern und einer Theilung der letzteren auch bisher noch nicht be- obachtet habe. — An der Grenze zwischen der Körnerschicht und der Rindenschicht (Taf. II. Fig. 28 e.), liegen die wesentlichsten Elemente, die Grenzschicht bildend, Nervenzellen von meist spindelförmiger, bisweilen rundlicher oder birnförmiger Gestalt mit deutlichem Kern und Kernkörperchen, und einem oder zwei Ausläufern, von denen ein Theil in die Körnerschicht hineinzieht und hier verschwindet, ein an- derer Theil sich in die Rindenschicht hineinbegiebt. Ich finde die Fort- sätze stets ungetheilt. Zwischen den Zellen liegen in der Grenzschicht markhaltige Nervenfasern und spärliche Körner. — Die Rinden- substanz besteht aus molecularer Grundsubstanz mit spärlichen Kernen und erscheint hie und da radiär gestreift. Die Ursache dieser Streifung sind Fasern, welche 0,002 Mm. breit in jeder Hinsicht Zellen- fortsätzen oder Axencylindern gleichen, so dass ich keinen Anstand nehme, sie auch so zu bezeichnen. Derselben Ansicht sind auch OWSIANNIKOW und BARTENEFF. MAUTHNEr will hier einen Uebergang der Zellenfortsätze in markhaltige Nervenfasern gesehen haben, BARTENEFF zeichnet und beschreibt hier eine schlingenförmige Umbiegung der Fortsätze. Ich habe niemals etwas derartiges hier beobachtet. — Mit- unter erscheint ausser der radiären Streifung auf Querschnitten eine Streifung, welche dem Umfang des Schnittes parallel geht und meist nur am äussersten Rande sichtbar ist. An der unteren Fläche des Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 31 CGerebellum ist diese ebenfalls durch blasse Axencylindern ähnliche Fasern bedingte Streifung ziemlich stark. Ueber den Zusammenhang der einzelnen Elemente des Kleinhirns bin ich keinen Schritt weiter gelangt, als bisher. Die Hypothese, dass sowohl die peripherischen in die Rindensubstanz eintretenden, als auch die centralen, in die Körner- schicht hineintretenden Zellenfortsätze, in markhaltige Nervenfasern übergehen, scheint wahrscheinlich ; doch däs Wie des Ueberganges unbekannt. Ueber die Beziehung der »Körner« zu den Nervenfasern weiss ich keine Vermuthung auszusprechen. — Ich habe bereits früher bei Beschreibung einzelner Theile des Ge- hirps vom Hecht darauf hingewiesen, dass die sogenannten Gorpora quadrigemina der Autoren im Fischgehirn einen dem CGerebellum gleichen Bau besässen, und kann jetzt eine gleiche Ansicht auch für - die betreffenden Theile im Gehirn der Quappe aufstellen. Um die Hin- gehörigkeit der Körperchen zum Cerebellum anzudeuten, habe ich be- reits im Eingang von einer Valvula cerebelli gesprochen. — Um nun eine richtige Anschauung vom Bau der Valvula cerebelli zu erhalten, und die Beziehung der letzteren zu den angrenzenden Hirntheilen aufzu- fassen, kann man sich den Sachverhalt so vorstellen. Man denke sich (Taf. II. Fig. 28. u. 32.), dass von dem vordersten Abschnitt des Gere- bellum, welcher eben nur aus einer den vierten Ventrikel deckenden Lage Körnerschicht und darüber der Rindenschicht besteht, ein aus denselben Theilen zusammengesetzter Streifen sich eine Strecke weit nach vorn auf die Pars peduncularis auflagere, dann nach hinten zurück- geschlagen sei, so dass also die Rindenschicht des nach vorn und des nach hinten gerichteten Abschnittes einander fast berühren , aber nicht mit einander verwachsen. An den Seitentheilen des nach vorn wachsen- den Streifens dagegen dient die Körnerschicht dazu, einestheils um die beiden Blätter der Valvula mit einander, anderntheils um sie mit der Pars peduncularis zu vereinigen. Der äusserste freie Rand des oberen Blattes der Valvula cerebelli ist verwachsen mit dem hinteren Rande des Tectum lobi optici, wie die Ansicht eines senkrechten Längs- schnittes übersichtlich ergiebt. Zwischen die beiden Blätter der Valvula dringt von hinten her ein Fortsatz der Pia mater. Hierdurch erklärt sich der mikroskopische Befund auf Querschnitten sehr leicht, die nähere Be- schaffenheit der Körnerschicht, der Rindenschicht und der dazwischen liegenden Grenzschicht ist dieselbe wie beim Cerebellum. — Ich finde nämlich aufQuerschnitten durch die Valvula cerebelli im Gentrum einen kleinen, unbedeutenden Hohlraum, in welchem Pia steckt (Taf. II. Fig. 23.), die sogenannte Höhle der Corpora quadrigemina der Au- toren, im Umkreis dieses Raumes die Rindenschicht, dann auf diese 38 EL. "Dr. Ludwig Stieda, nach aussen folgend die schmale Grenzschicht mit den Nervenzellen und schliesslich an der äussersten Peripherie die Körnerschicht, welche somit in der Mittellinie des Sulcus centralis der Pars peduncularis über- wölbt, seitlich dagegen mit der Oberfläche der Pars peduncularis ver- schmilzt. Durch die Körierschicht ziehen markhaltige Nervenfasern, welche sich nach vorn zu in die Pars peduncularis hinein zwischen die hier schon befindlichen Längsfaserbündel begeben. 3. Die Pars peduncularis cerebri und das Tectum lobi optici. Die Pars peduncularis zeigt in dem mit der Pars commissuralis zusammenhängenden Abschnitte ein dem letzteren ganz gleiches Aus- sehen, welches sich aber bald ändert, bedingt durch die sich anlagern- den Theile, der Valvula cerebelli und des Tectum lobi optici. Der beim Ventriculus quartus schon erwähnte Sulcus centralis, welcher auch in dem durch das Gerebellum abgeschlossenen Theile des Ventrikels vorhanden ist, setzt sich auch auf die Pars peduncularis, also am Boden des Lobus opticus fort. Die Valvula cerebelli, welche in der bereits beschriebenen Weise die hintere Wand des Ventrikels des Lobus opticus bildet, bedeckt den Sulcus centralis und schliesst ihn so zu einem Canale ab, welcher nach hinten zum vierten Ventrikel, nach vorn zum Ventriculus lobi optici sich erweitert. Dicht unter dem Sulcus centralis befinden sich die erwähnten centralen Längsbündel, ein Paar obere und ein Paar untere durch querverlaufende und sich kreuzende Fasern von einander getrennt; daneben mehr in den seitlichen Ab- schnitten der Pars peduncularis die seitlichen Längsbündel. Die eben- falls bereits erwähnten Bündel, welche aus der Körnerschicht der Val- vula cerebelli und auch aus dem Cerebellum herabziehen, liegen zuerst in der Gegend, wo die Valvula cerebelli seitlich der Pars peduncularis verbunden ist, allmählich rücken diese Bündel weiter nach vorn zwischen die centralen und die seitlichen Längsbündel, so dass nach Aufnahme dieser Fasermassen die Pars peduncularis in ihrem Breitendurchmesser offenbar vergrössert ist. — Als Grenze zwischen dem Gerebellum und der Valvula cerebelli gab ich oben ein Bündel querverlaufender Nerwenfasern an, welches die Wurzel des Nervus trochlearis darstellt. Es besteht das Querbündel aus breiteren Fasern, als die Nervenfasern des Gerebellum und der Valvula cerebelli. Es stammt dieses Bündel offenbar jederseits aus der unterhalb des Sulcus centralis gelegenen Seite der Pars peduncularis, zieht nach oben, kreuzt sich an der Grenze zwischen Cerebellum und Valvula cerebelli, und lässt die Wurzeln der N. trochleares hervorgehen. Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 39 Ferner ziehen unterhalb der Valvula cerebelli bedeutende Massen markhaltiger Nervenfasern an die Basalfläche der Pars pedun- eularis zum Theil in einem nach oben concaven Bogen in die Seiten- theile hinein, zum Theil an der Basalfläche einander kreuzend. Es sind die Fasern der sogenannten Commissura ansulata der Autoren (Taf. II. Fig. 23.). — Die seitlichen Abschnitte der Pars peduncularis, an welche sich die verticalen Theile des Tectum dicht anlehnen und mit ihnen _ verwachsen, erheben sich auf einem Querschnitt zu einer halbkreis- förmigen Wölbung, dem Durchschnitte des Torus semieircularis Halleri. Es besteht der Torus Halleri nur aus feingranulirter Grundsubstanz, in welcher Körner und spindelförmige Zellen spärlich zerstreut sich finden. Durch diese zu den Tori semieirculares (Taf. Il. Fig. 23 e.) sich erhebenden Seitentheile der Pars peduncularis ziehen bogenförmig Bündel von Nervenfasern hinein in das Tectum. Durch die ganze Masse der Pars peduncularis zerstreut sind spindelförmige oder rundliche kleine Nervenzellen, dagegen in der nächsten Umgebung des Sulcus centralis liegen grosse Nervenzellen. Gerade unterhalb der Valvula cerebelli vertieft sich der Suleus centralis spaltförmig, um sich dann wieder zu erheben und zu einer einfachen Furche zu werden. Am Boden des Canals und zu beiden Seiten des Spaltes unterhalb der Valvula cerebelli befindet sich nämlich, eine Gruppe grosser Nervenzellen von dreieckiger, birnförmiger oder rundlicher Form mit nach unten und aussen gerichteten Fortsätzen. Von den Zellen dieser Gruppe, welche ich den Oculomotoriuskern nenne, nimmt der N. oculomotorius jederseits seinen Ursprung. Die Wurzel sammelt ihre Fasern jederseits an der Wand des Spaltes, zieht schräg vom Sulcus centralis nach unten und aussen. Wahrscheinlich geht auch jederseits ein Theil der centralen Längsfasern, so wie der sich hier oberhalb der Längsbündel kreuzenden Fasern in die Bahn des N. oceulomotorius hinein, denn nach Abgang des Nervus oculomotorius sind die centralen Längsbündel auffallend in ihrer Masse verringert. Der N. oculomotorius besteht aus breiten Nervenfasern. Im vorderen Abschnitt der Pars peduncularis, welchen die Valvula ‚cerebelli nicht mehr bedeckt, sondern in welchem der Suleus centralis in der Höhe des Lobus opticus frei zu Tage tritt, sind nach Abgang des Nervus oculomotorius die seitlichen Längsbündel, welche aus Ver- schmelzung der ursprünglichen Seitenbündel und der von der Valvula ‚cerebelli herziehenden entstanden sind, noch weit nach vorn hin zu verfolgen. Am Sulcus centralis ist nur noch ein Rest der centralen Längsbündel übrig, zwischen welchen jederseits ein Bündel feinere Fasern vom Aussehen der Axencylinder erscheint. Letzteres Bündel 40 Dr. Ludwig Stieda, hat die Richtung von unten nach oben. — Die untere Hälfte dieser Ab- schnitte ist durch die hier statthabende Verschmelzung der Lobi infe- riores und der Pars peduncularis, indem die Grundsubstanz beider ohne besonders scharfe Grenze in einander übergeht, schon sehr verändert, se dass hierdurch schon der Uebergang der- von mir als Substantia cinerea aufgefassten Masse, welche die Verbindung zwischen Pars peduncularis und der Lobi cerebrales bildet, angedeutet ist. Das Tectum lobi optiei (Taf. U. Fig. 23. u. 24 b.) ist, wie bereits erwähnt, eine dünne Schale, deren seitliche, vertical gestellte Ab- schnitte der Pars peduncularis verwachsen sind, während der horizon- tale Abschnitt hinten der Valvula cerebelli, vorn dem vorderen Abschnitte der Pars peduncularis verschmolzen ist. An der Oberfläche des Gehirns besitzt das Tectum eine mittlere Längsfurche, welcher an der Ventrikel- fläche ein Längswulst (der Torus longitudinalis) entspricht. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergiebt sich durch die Combination von Schnitten in verschiedener Richtung folgende Zu- sammensetzung des Tectum (Taf. II. Fig. 29.). Das Tectum besteht vorwiegend aus Grundsubstanz, welche zum grössten Theil fein granulirt ist, dagegen in dem zum Ventriculus lobi optici gekehrten Abschnitt ein lockeres netzförmiges Aussehen darbietet, ähnlich wie in der den Centralcanal des Rückenmarkes umgebenden Substanz. — An diesen Theil lehnt sich ein ganz gewöhnliches Cylinderepithel. In die Grund- substanz sind nun Nervenzellen und markhaltige Nervenfasern derart eingebettet, dass sich auf Quer- und Längsschnitten eine regel- mässige Schichtung erkennen lässt. Ich unterscheide von aussen nach innen gerechnet (Taf. I. Fig. 29 A.): I. einen schmalen Saum der Grundsubstanz mit spärlichen zelligen Bestandtheilen ; | 2. eine Schicht der Länge nach verlaufender Nervenfasern — die äussere Längsfaserschicht; 3. Eine breite Schicht der granulirten Grundsubstanz, in welcher sich spindelförmige Zellen mit langen Fortsätzen finden; die Fort- sätze dieser von mir zur Grundsubstanz gerechneten Zellen reichen weit durch die Dicke des Tectum und verleihen dadurch dem Querschnitt ein streifiges Aussehen. . Eine Schicht der Länge nach verlaufender Längsfasern, die innere Längsfaserschicht. . Eine Schicht querverlaufender Nervenfasern, die Querfaser- schicht. 7 6. Eine Lage kleiner, spindelförmiger oder rundlicher Zellen, ähnlich den Körnern des Gerebellum. am ST Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 41 7. Eine Schicht netzförmiger Grundsubstanz mit zelligen Elementen. 8. Das Cylinderepithelium. Das Tectum zeigt aber nicht durchweg die genannten »Schichten« in gleicher Anordnung und Ausdehnung, sondern bietet gewisse Ver- schiedenheiten dar. Das Tectum hat nicht überall die gleiche Dicke, sondern ist am hinteren, dem Cerebellum zugekehrten Rande zuge- schärft und steht hier derart mit der Valvula cerebelli in Ver- bindung, dass nur die äussersten Ränder beider Hirntheile in ihrer Grundsubstanz einander berühren (Taf. Il. Fig. 28.), während die Pia mater über beide äusserlich hinwegzieht, inwendig das Gylinderepithel die Verbindung darstellt. Am anschaulichsten stellt sich dieses auf einem senkrechten Längsschnitte dar (Taf. I. Fig. 28.). Die Bündel der beiden Längsfaserschichten ziehen seitlich und von hinten aus der Pars peduncularis durch die Zellenschicht des Tectum hindurch, um als Längsfaserschichte nach vorn zu laufen, und hier in Verbindung mit einer Anzahl aus der Pars peduncularis selbst herstammenden Nerven- fasern jederseits zum Nervus opticus zusammenzutreten, so dass die älteren Autoren nicht Unrecht hatten, wenn sie die Wurzeln des Nervus opticus in den Lobus opticus verlegten und sagten: der Lobus opticus sei der hohlgewordene Nervus opticus. Welchen Zellen diese Fasern entstammen, vermag ich nicht anzugeben, ich vermuthe, dass es zum Theil die in der Pars peduncularis zerstreut liegenden sind, in wieweit sich aber die Schicht der Nervenzellen des Tectum selbst dabei bethei- ligen, muss unentschieden bleiben. Die mittlere Längsfurche des Tectum trenntalle genannten Schichten bis auf die Querfaserschicht und die darunter befindlichen. Dabei zeigt sich, dass der innere Längswulst des Tectum (Taf. II. Fig. 29 A. f”.) nur aus kleinen Nervenzellen besteht, also nur eine besonders hervor- ragende Ansammlung der Zellen der erstgenannten Zellenschicht ist. Zwischen den Zellen finden sich namentlich mehr nach vorn zu ver- einzelt markhaltige Nervenfasern. Die Querfaserschicht ist im hinteren Abschnitte des Tectum nur unbedeutend, nimmt nach vorn zu und erreicht im vordersten Abschnitt eine sehr bedeutende Ausdehnung, und wird hier vielfach von Zellen durchsetzt, so dass hier eine innige Verflechtung der Querfaserschicht und der Zellenschicht eintritt. Dabei breitet sich die Masse der Querfaserschicht zuletzt nicht mehr in den seitlichen Partien des Tectum aus, sondern überwölbt im vordersten Theile der Pars peduneularis den mitilern Sulceus centralis (Taf. II. Fig. 24 c.). Dieser Abschnitt der Querfaserschicht wurde von den Au- toren als Commissura anterior beschrieben. Nach aussen der Ober- fläche des Gehirns zu sind seitlich auch die Zellen der Zellenschicht 42 ” Dr, Ludwig Stieda, noch besonders stark vermehrt, während an der Innenfläche des Ven- triculus lobi optici die Zellenschicht des Tectum und der Pars pedun- cularis in einander fliessen. 4. Thalami optici, lobi inferiores. Trigonum fissum. Hypophysis cerebri. Ueber das kurze Verbindungsstück zwischen Lobus opticus und den Lobi anteriores, welches bei Ansicht des Gehirns von oben frei da- liegt, sobald man die bedeckende Pia mater entfernt hat (Taf. II. Fig. 16 u. 19 r.), setzt sich der Sulcus centralis von der Ventrikelfläche der Pars peduncularis her fort bis zwischen die beiden Lobi anteriores hinein. Wie bereits erwähnt, vertieft sich der Sulcus centralis hier, d. h. zwischen Lobus opticus und den Lobi anteriores, zu einem fast bis auf die Hirnbasis reichenden Spalt, welcher unten durch die Hypo- phvsis verschlossen wird und daher nicht sichtbar ist; erst nach Ent- fernung der Hypophysis tritt die untere Oeffnung des Spaltes als Mün- dung des Trigonum fissum zum Vorschein. Durch eine Reihe diese Gegend betreffende Querschnitte, sowie auch senkrechte Längsschnitte, finde ich die gelieferte Beschreibung bestätigt, und ersehe ferner, dass das kurze Verbindungsstück zwischen dem Lobus opticus und den Lobi anteriores, welches durch den Sulcus centralis getheilt und von mir als Thalami optici bezeichnet wird (Peduneulus cerebri einiger Autoren) von den darunter liegenden Lobi inferiores und dem Trigonum - fissum keineswegs scharf abgegrenzt ist, dass man sich vielmehr die Beziehungen der genannten Theile zu einander in folgender Weise vor- zustellen hat. Thalami optiei, Trigonum fissum und Lobi inferiores sind Abschnitte einer zusammengehörigen Masse, welche an der äusseren Fläche mehr oder weniger Abtheilungen sehen lässt, die mit einem besonderen Namen belegt worden sind. Diese Masse »die graue Sub- stanz des dritten Ventrikels« umschliesst einen Spalt, den Ven- triculus tertius, derart, dass die oberen Partien der grauen Substanz zwischen Lobus opticus und Lobi anteriores gelegen, vom Sulcus cen- tralis longitudinalis getheilt, die Thalami optici genannt, die obere Umwandung und Umgrenzung des dritten Ventrikels bilden, während die Lobi inferiores die seitlichen Wandungen, das Trigonum fissum die vordere Wandung darstelll. — Die Lobi inferiores, die _Seitentheile lagern noch ein wenig an die Basalfläche der Pars pedun- cularis sich an, indem sie zwischen sich einen Raum frei lassen, wel- cher von der oberen kleineren Abtheilung des Hirnanhanges einge- nommen wird. — Der dritte Ventrikel ist in seinem oberen zwischen den Thalami optici gelegenen Abschnitt ein einfacher Spalt, verändert sich in seinem mittleren und unteren Abschnitt zu einer seitlich etwas Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 43 ausgedehnten ‘Höhle, welche nach hinten sich abermals stark ver- engernd mit dem oberen Abschnitt des Hirnanhanges communicirt, während der im Trigonum fissum selbst befindliche Theil der Höhle durch einen zapfenartigen Fortsatz des unteren Abschnittes des Hirn- anhanges verstopft wird. — Von den Lobi inferiores ist noch zu mel- den, dass beide an ihrer einander zugekehrten, medialen Fläche einen ziemlich tief in die Substanz der Lobi eindringende Furche besitzen, in welche ein Fortsatz der Pia mater hineingeht (Taf. II. Fig. 24 h.). Die älteren Autoren bezeichnen diese Vertiefung als die Höhle der Lobi inferiores. Hat man sich über die Anordnung und die Beziehung der ein- zelnen Theile dieses Hirnabschnittes zu einander und zu den nächst- liegenden anderen Abschnitten gehörig orientirt, so ist über den feineren Bau — soweit derselbe nach meinen Untersuchungen sich erkennen liess — nicht sehr viel zu sagen. - Die Lobi inferiores bestehen — wie die ganze Masse dieses Hirn- abschnittes — aus feingranulirter Grundsubstanz,, in welcher zahl- reiche, rundliche oder spindelförmige Nervenzellen eingelagert sind. Die Zellen sind 0,0452 Mm. lang und 0,0076 Mm. breit, haben einen verhältnissmässig grossen Kern von 0,0076 Mm. Durchmesser, wenig Protoplasma , zeigen an erhärteten Präparaten einen auffallend grossen Hof (Taf. I. Fig. 31.). Von den centralen Längsbündeln,, welche ich bei Gelegenheit der Pars peduncularis erwähnte, zieht jederseits ein unbedeutendes Bündelchen ziemlich nahe der Hirnbasis anliegend, in _ die Lobi inferiores hinein. Auch die Thalami optici bestehen aus fein granulirter Grund- substanz ; in dem an die Pars peduneularis sich anschliessenden Theile ist von einer Abgrenzung der Thalami nichts zu erkennen, erst in dem vorderen mit den Lobi anteriores verbundenen Theile sind die Thalami optici durch ein starkes Querbündel von dem unteren Hirntheile ab- geschieden. An der Stelle, wo die Pars peduncularis mit-der grauen Substanz des dritten Ventrikels zusammenschmilzt, etwa in die Mitte der Höhe, woselbst auch die letzten Reste der centralen Längsbündel Ihr Ende erreichen, liegt jederseits eine auf dem Querschnitte kreisförmig erscheinende Gruppe von Nervenzellen, welche sich durch ihr blasses Aussehen charakterisiren. Sie sind 0,0076 Mm. im Durchmesser, rund- lieh und lassen meist keine Ausläufer wahrnehmen. Ueber die Bedeu- tung und Beziehung dieser Gruppe wage ich keine Vermuthungen. Dicht am Spalt des dritten Ventrikels von oben an. bis hinunter in das _ Trigonum fissum und nach vorn bis zwischen die Lobi inferiores hinein, liegen unter dem den Ventrikel auskleidenden Cylinderepithel 3 — 5 44 Dr. Ludwig Stieda, ; Lagen von Nervenzellen. Die Zellen sind unregelmässig geformt, unge- fähr 0,0076 Mm. im Durchmesser, haben sehr kurze Fortsätze. Markhaltige Nervenfasern finden sich nur spärlich: jederseits vom Sulcus centralis befinden sich in den Thalami optici zwei kleine Längs- bündel, welche von hinten her — ob aus der Pars peduncularis konnte ich nicht mit Sicherheit entscheiden — nach vorn ziehen und sich bis an die Basis der Lobi anteriores verfolgen lassen. Vielleicht kommt ein Theil dieser Bündel auch aus den Lobi inferiores. — Die von dem Lobus opticus jederseits herstammenden Nervi optici umfassen zum Theil seit- lich die Thalami optici, so dass auf Querschnitten dieselben an ihrer seitlichen Peripherie markhaltige Nervenfasern erkennen lassen. Kurz vor der Uebergangsstelle der Thalami in die Lobi anteriores erscheint auch unterhalb der Thalami optici ein Bündel querverlaufender Nerven- fasern, welches seitlich in die Masse der Sehnerven hineintritt. Es ist das die sogenannte Commissura transversa Halleri. Die Hypophysis cerebri, der Hirnanhang (Taf. Il. Fig. 17 und 18 f., 32 i. h.) besteht aus zwei deutlich von einander abgegrenzten, aber mit einander zusammenhängenden Abtheilungen, einer oberen kleineren, welche dicht hinter dem Trigonum fissum in dem Raum zwischen den beiden Lobi inferiores liegt, und in frischem Zustande ihres Blutreichthums wegen röthlich aussieht, und einer unteren grösseren Abtheilung. Die obere Abtheilung ist der Saccus vasculosus der Autoren, welche nach Gorrtsche ein gefässhaltiges Säckchen ist und mit dem Ventriculus communis Gottsche communieirt. Die untere Ab- theilung ist grösser, ein länglicher ovoider Körper, welcher unter dem Trigonum fissum und der oberen kleineren Abtheilung liegt. Die Untersuchung mittelst des Mikroskops lehrt ebenfalls die Zu- sammengehörigkeit beider Abtheilungen, wenngleich sich gewisse Unterschiede im Bau auch finden. Die obere Abtheilung, der Saccus vasculosus hat einen offenbar drüsigen Bau, erscheint auf Querschnitten wie eine zusammengesetzte tubulöse Drüse (Taf. II. Fig. 30 a.). Sie besteht aus einem System vielfach miteinander anastomosirender Röhren oder Schläuche, welche eirca 0,0747 Mm. im Durchmesser haben und von einem deutlichen Cylinderepithel ausgekleidet werden. Die Wände der Röhren, oder wenn man sich anders ausdrücken.will, die Zwischen- substanz, in welcher die mit Cylinderepithel ausgekleideten Gänge sich befinden, erscheint streifig, faserig, enthält spärliche zellige Elemente. Diese Zwischensubstanz ist mitunter von sehr geringer Ausdehnung, so dass zwei Röhren unmittelbar aneinander stossen. — Das System dieser Röhren steht vermittelst einer engen, nur 0,0166 Mm. im Durchmesser haltenden Mündung am Boden des dritten Ventrikels, derart mit dem Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 45 dritten Ventrikel in Zusammenhang, dass das Cylinderepithel der Röhren und das des dritten Ventrikels unmittelbar in einander über- gehen, während die granulirte Substanz der Umgebung des Ventrikels in die Zwischensubstanz des Hirnanhangs übergeht. Die untere grössere Abtheilung (Taf. II. Fig. 30 b.) des Hirnanhangs ist im Wesentlichen in gleicher Weise gebaut, nur ist das Verhältniss der genannten Bestandtheile, Röhren und Zwischensubstanz ein an- deres. Es überwiegt bei Weitem die Zwischensubstanz (Grundsubstanz), während die Röhren ganz in den Hintergrund treten, nur sehr vereinzelt als Querschnitte auftreten. Je mehr nach vorn, desto mehr schwinden die Röhren, bis endlich im vorderen mit dem Trigonum verschmolzenen Abschnitt nichts mehr von jenen Schläuchen oder Canälen sichtbar ist, sondern nur die feinstreifige und faserige, hie und da auch granulirt erscheinende Grundsubstanz. Ferner treten mit Zunahme der Grund- substanz kleine, rundliche, sehr blasse Zellen zwischen den einzelnen Faserzüge auf. Beide Abtheilungen der Hypophysis cerebri werden noch einge- schlossen von der Pia mater, von welcher aus reichlich Blutgefässe eindringen, namentlich zwischen die Röhren oder Schläuche sich ver- breitend. = 5. Lobi anteriores und Tubercula olfactoria. Die Lobi anteriores sind nur durch einen dünnen Stiel jederseits mit den Thalami optici verbunden, so dass die hinteren Abschnitte jedes Lobus über die Thalami optici hinüberragen, letztere zum Theil verdeckend. Dabei erreicht aber der hintere Rand der Lobi anteriores nicht den Lobus opticus, sondern es bleibt ein Zwischenraum frei, die Thalami optici, und zwischen diesen der Zugang zum dritten Ventrikel. Die Lobi anteriores haben an ihrer Oberfläche eine leichte Furchung und sind miteinander nur durch einen sehr zarten Faden — Commissura interlobularis — verbunden, ausserdem werden sie unterstützt durch die unter den Lobi sich kreuzenden Sehnerven und die Pia mater. Die Pia mater zeigt hier ein eigenthümliches Verhalten. Am Gerebellum, Lobus opticus und den Thalami optici liegt die Pia eng an, nur bei den Thalami optici sich zur Ueberwölbung des dritten Ventrikels etwas er- hebend; hier dagegen steht sie weit ab von der oberen und auch zum Theil der seitlichen Fläche der Lobi anteriores, und schliesst sich erst an der Basis und vorn ganz eng an die Lobi anteriores. Sie bildet so- mit einen blasigen, an frischem Gehirn mit durchsichtiger Flüssigkeit gefüllten Sack. Da hierdurch der zwischen beiden Lobi befindliche - Spalt von oben durch die Pia überdeckt nach hinten mit dem dritten 46 Dr. Ludwig Stieda, Ventrikel communieirt und sich überdies noch mit Cylinderepithelien ausgekleidet zeigt, so kann ich mit Recht von einer Hirnhöhle reden, welche ich mit dem Namen des Ventriculus communis loborum anteriorum belege. Die Lobi anteriores bestehen aus feingranulirter Grundsubstanz mit eingelagerten Nervenzellen, welche denen in den Lobi inferiores erwähnten völlig gleichen (Taf. I. Fig. 31.). Die Zellen sind nahe der oberen Fläche reichlicher vorhanden und hin und wieder regelmässig in Reihen angeordnet, nach unten und innen zu nehmen die Zellen an ‚Menge ab und zeigen nicht mehr eine derartige Anordnung. An der Verbindungsstelle der Lobi anteriores mit den Thalami optici finden sich viel kleinere Zellen, etwa von der Grösse der Körner des Cerebellum in reichlicher Menge. Ferner erkenne ich sehr feine Fasern, welche in Bündeln von oben und von der Seite nach unten convergiren. Es liegt nahe diese Fasern, welche ich für Axencylinder ansehe, in Beziehung zu den zahlreichen, mit Fortsätzen versehenen Zellen der Lobi anteriores zu bringen, um so mehr, als die Zellenfortsätze im Allgemeinen die- selbe Richtung annehmen als die Fasern. — An der Basalfläche der Lobi finde ich jederseits einige der Länge nach verlaufende Bündel mark- haltiger feiner Nervenfasern, welche, in der Gegend der Commissura interlobularis, in den Lobi sich verlieren. Die genannte Commissur be- steht ebenfalls aus feinen querverlaufenden markhaltigen Nervenfasern. Woher die letztgenannten Fasern ihren Ursprung nehmen, vermochte ich nicht zu ermitteln. Von der äussersten vordersten Spitze jedes Lobus anterior ziehen zwei Fäden, um sich bald zu vereinigen und den Tractus olfactorius zu bilden, in denselben treten sowohl ein Theil der Längsbündel der Lobi anteriores, als auch ein Theil der radıiär verlaufenden Fasern ein. Die Tubercula olfactoria sind von kugeliger Form und liegen ganz im vorderen Abschnitt der Schädelgrube, sie bestehen aus einem Gewirr sehr feiner Fasern, zwischen denen sehr kleine rundliche Körper, ähnlich Zellenkernen sich finden. Von den Tubercula olfactoria gehen direct die Bündelchen des Nervus olfactorius zur Schleimhaut. Bei der nun folgenden Beschreibung der Gehirne einiger anderer Fische werde ich kürzer sein können, weil ich, um Wiederholungen zu vermeiden, mich auf die ausführliche Mittheilung über das Quappen- gehirn beziehen kann. Ich werde deshalb einestheils dasjenige hervor- heben, wodurch die Gehirne der von mir untersuchten Knochenfische von einander abweichen , anderentheils das erwähnen, was dazu bei- | | | | Studien über das eentrale Nervensystem der Knochenfische. 47 tragen kann, Verallgemeinerungen über den Bau des Fischgehirns vor- zunehmen. — IV. Das Gehirn des Hechtes. Ueber einzelne Theile des Hechtgehirnes habe ich schon vor längerer Zeit Mittheilungen veröffentlicht; ich ziehe von jenen Mit- theilungen so viel hierher, als zur Vervollständigung des Ganzen gehört. Das Gehirn des Hechtes ist in seiner äusseren Form und Gestalt wesentlich unterschieden von dem Gehirn der Quappe. Beim Hecht tritt sofort eine bedeutende Ungleichheit in der Grösse der einzelnen Abschnitte des Hirns auf, insofern als der mittlere Lappen, der Lobus opticus sowohl das unpaare Cerebellum, als auch die paarigen Lobi anteriores an Ausdehnung übertrifit. Das Rückenmark geht, indem es im Höhen- und Breitendurchmesser zunimmt, ohne sichtbare Grenze in das verlängerte Mark über. Hier schwellen die oberen Abschnitte jederseits stärker an und bilden die Lobi posteriores, weichen allmählich auseinander und begrenzen so nach hinten und seitlich den Ventriculus quartus, welcher vorn vom Gerebellum bedeckt wird, hinten offen ist. An der unteren Fläche der Medulla oblongata fndet sich ein schwacher Sulcus longitudinalis, welcher auch weiter nach vorn zieht und erst zwischen den Lobi inferiores aufhört.. Die Vereinigung des Cerebellum mit der Medulla geschieht durch die Pars commissuralis, welche der breiteste Theil der Hirnbasis ist und sich dann nach vorn als Pars peduncularis in den Basaltheil des Lobus opticus fortsetzt. — Das Cerebellum, welches etwa halb so gross als der Lobus opticus ist, hat die Gestalt eines kurzen, dicken, fast rechtwinklig gebogenen Stabes, dessen unteres Ende mit der Pars commissuralis vollständig verschmilzt, während das hintere abgerundete Ende über dem vierten Ventrikel frei daliegt. An der vorderen Fläche des Gerebellum zeigt sich jederseits eine Vertiefung, in welche sich die abgerundeten hinteren Theile des - Teetum lobi optici hineinlegen. Aeusserlich ist das Cerebellum glatt, -Querfurchen sind nicht wahrzunehmen, wohl aber bemerkt man unter - der oberen Fläche in der Mitte eine schwache Längsfurche dahinziehen. ‚Das Cerebellum besitzt im Innern einen Canal, der hinten weit, nach vorn und unten enger ist und in den vierten Ventrikel einmündet. Dieses Verhalten lässt sich auf einem Schnitt, welcher das ganze Gehirn der Länge nach halbirte, am besten übersehen. — Der Lobus opticus wird durch eine mittlere an der Oberfläche hinziehende Furche getheilt und ist so scheinbar aus zwei symmetrischen Hälften zusammengesetzt, 48 Dr, Ludwig Stieda, Nach Entfernung dieser dünnen Decke, des Tectum lobi optici, welche an ihrer Ventrikelfläche ebenfalls wie bei Gadus Lota einen Längswulst besitzt, sieht man in den geräumigen Ventriculus lobi optici, dessen Boden durch die bereits erwähnte Pars peduncularis gebildet wird. Das Tectum ist nur seitlich und vorn mit der Pars peduncularis ver- wachsen, hinten ist zwischen beiden eine Lücke, welche durch die vom Cerebellum ausgehende Valvula cerebelli ausgefüllt wird. Am hinteren Umfang des Ventriculus liegt in der Mitte, etwa ein Drittel des- selben einnehmend, ein Körper, welcher durch zwei sich unter rechtem Winkel kreuzende Furchen in vier kleine Abtheilungen gebracht wird, von denen die oberen hinteren etwas grösser sind als die unteren vor- deren. Dieser Körper, die Valvula cerebelli, auf den ich später noch- mals zurückkomme, ist seitlich der Pars peduncularis eng verbunden. Der Ventriculus quartus, welcher vom Cerebellum verschlossen wurde, steht durch einen unter der Valvula cerebelli herziehenden Canal mit der Höhle des Lobus opticus in Verbindung. Von der Valvula cerebelli zieht als Fortsetzung des Sulcus centralis eine tiefere, mittlere Längs- furche über die Pars peduncularis, und wird vorn durch eine Anzahl querziehender Bündel (Commissura anterior) zu einem Canal abge- schlossen. Seitlich von dieser Längsfurche erhebt sich der Boden des Lobus opticus zu einem keulenförmigen Wulst, dem Torus semieir- cularis Halleri, dessen abgerundetes Ende nach vorn bis in die Gegend der Quercommissur reicht, dessen hinteres spitzes Ende die hintere Wandung des Ventrikels berührt. Vom Rande dieses Körpers’ ziehen feine weisse Streifen zur Decke des Lobus optieus hinauf. Vom vorderen Theile des Tectum entspringen die Sehnerven, verlaufen nach vorn und innen, verbinden sich durch die Gommissura transversa Halleri und kreuzen sich dann unterhalb der Lobi anteriores. — Das kurze Verbindungsstück zwischen Lobus opticus und der Lobi anteriores wird vollständig von oben her verdeckt, sowohl durch das sich hinüber- wölbende Tectum, als auch die hinübergelagerten Lobi anteriores. Hier— durch unterscheidet sich das Gehirn des Hechtes auffallend von dem Gehirn der Quappe — es rückt der Lobus opticus dicht an die Lobi anteriores heran. Zieht man diese Theile auseinander, dann sieht man erst den auch hier laufenden Suleus centralis, welcher sich nach hinten in die zwischen Tectum und Pars peduncularis frei bleibende Oeffnung, nach vorn in die Furche zwischen beiden Lobi anteriores fortsetzt. — Der Sulcus centralis wird hier zwischen Lobus opticus und Lobi anteriores zu einem tiefen Spalt, welcher nach unten an der Hirn- basis an einer kleinen, fast kegelförmigen Erhabenheit, dem Trigonum fissum, ausmündet. Dieser Spalt, der dritte Ventrikel, communicirt Studien über das centrale Nervensystem der Kuochenfische, 49 nach hinten unterhalb der Commissura anterior am Boden des Ven- irikels mit der genannten Höhle. An der Spitze des Trigonum fissum hängt die kegelförmige Hypophysis cerebri, mit ihrer Basis nach oben gekehrt. Die weiter nach hinten liegenden, ovalen Lobi inferiores sind dem vorderen Abschnitte der Pars peduncularis derart angefügt, dass sie sich mit ihren hinteren Enden berühren, nach vorn aber auseinander weichen, um das Trigonum gleichsam zu umfassen. Sie haben an ihrer Basalfläche leichte Querfurchen. — Die Lobi anteriores sind solid, halbkugelig, um ein Bedeutendes kleiner als die Lobi optici, an ihrer oberen convexen Fläche etwas höckerig. Durch eine von oben ein- dringende, tiefe Furche, welche nach unten breiter wird und nach hinten in den die Thalami optici trennenden Sulcus centralis übergeht, sind die Lobi anteriores zum grössten Theil von einander geschieden, hängen jedoch an der unteren, abgeplatteten Fläche in der ganzen Aus- dehnung ununterbrochen zusammen. Zieht man sie etwas auseinander, so sieht man in der Mitte der Verwachsung eine fadenförmige Com- missur, die Commissura interlobularis, zwischen ihnen. — Die dicht vor den Lobi anteriores liegenden Tubercula olfactoria sind von einan- der vollständig getrennt, aber dicht neben einander gelagert, sind von den hinter ihnen liegenden und mit ihnen zusammenhängenden Lobi ante- riores durch eine schwache von oben eindringende Querfurche geschieden und lassen von ihrem vorderen Ende den Nervus olfactorius abgehen. — Eine sogenannte Epiphysis cerebri, von der ich bei Gadus Lota nie etwas gesehen habe, erscheint an der Oberfläche des Gehirns zwischen den Lobi optici und den Lobi anteriores als ein röthliches Körperchen von meist sehr unbedeutender Grösse, so dass es den hier befindlichen Zugang zum Ventriculus tertius gerade bedeckt. — Ueber den Ursprung der bisher nicht erwähnten Hirnnerven habe ich Folgendes noch nachzutragen: der Nervus oculomotorius tritt mit einer Wurzel nach aussen von den Lobi inferiores aus der Pars pedun- ceularis, der N. trochlearis ebenfalls mit einer Wurzel zur Seite aus der Furche zwischen Lobus opticus und Gerebellum; der N. trigeminus hat zwei deutlich von einander getrennte Wurzeln, welche beide aus der Pars commissuralis entspringen, die vordere in der Gegend zwischen Cerebellum und Lobus opticus, die hintere stärkere aus 2—3 dicht neben einander liegenden Bündeln bestehend, aus der Vereinigungsstelle ‚des Cerebellum mit der Pars commissuralis. Der N. acusticus verlässt mit einer einfachen, starken Wurzel die Pars commissuralis unmittelbar hinter der hinteren Wurzel des Trigeminus. Der N. abducens entspringt mit einfacher Wurzel in gleichem Querschnitt mit dem N. acusticus, aber von der unteren Fläche der P. commissuralis, nahe dem Sulcus longi- Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII, Bd. 4 50 Dr. Ludwig Stieda, tudinalis inferior. Der N. glossopharyngeus verlässt mit blos einer Wurzel seitlich das Hirn dicht unterhalb der Lobi posteriores, in ge- ringer Entfernung nach hinten vom N. acusticus. Der N. vagus hat zwei Wurzeln: die vordere kommt hinter dem N. glossopharyngeus unterhalb der Lobi posteriores hervor, die hintere aus zwei Bündeln bestehend, weiter nach hinten, ungefähr am hinteren Ende des vierten Ventrikels. — In beträchtlicher Entfernung nach hinten von dem N. vagus entspringt an der unteren Fläche der Medulla ein Nervenstrang, fasst man ihn als ersten Spinalnerven, so würde dem letzteren eine obere Wurzel fehlen; einige Autoren bezeichnen ihn als N. hypoglossus, andere als N. accessorius. — 1. Medulla oblongata und Pars commissuralis. Die Form des Querschnittes, welche beim Rückenmark die eines Kreises ist, verändert sich sehr bald derart, dass mit Zunahme an Masse auch der Querschnitt, jedoch anfangs nur auf Rechnung des oberen Abschnittes, zunimmt. Aus der Kreisforın des Rückenmarksquerschnittes wird so allmählich ein Viereck mit abgerundeten Ecken. Durch Eröff- nung des Centralcanals zum Ventriculus quartus wird der obere Breitendurchmesser der Medulla oblongata bedeutend grösser als der untere, so dass man sich vorstellen kann, es seien gleichsam die seit- lichen Hälften des Rückenmarks zur Bildung des vierten Ventrikels auseinandergebogen. Der im Rückenmarksquerschnitte rundlich er- scheinende Centralcanal wird zu einer Ellipse, deren längste Axe senk- recht steht. Während einerseits sich dieser lange Durchmesser mehr verlängert, rückt andererseits der Sulcus longitudinalis superior tiefer in die Substanz der Medulla hinab, so dass schliesslich beide einander begegnen und sich dadurch der Gentralcanal nach oben öffnet zum Ventriculus quartus. Jetzt erscheint am Boden des Ventrikels als un- mittelbare Fortsetzung des Centralcanals der Sulcus centralis, während zugleich sich der Boden selbst hier etwas abflacht. Am auffallendsten ist beim Vergleich eines Querschnittes des Rückenmarks und des ver— längerten Markes das Verhalten der grauen und weissen Substanz zu einander. Es zeigt sich hier zunächst, dass der äusserlich statthabenden Vermehrung der Medulla hauptsächlich die Vermehrung der grauen | Substanz und zwar besonders die der Oberhörner, zum Theil auch der | anderen Abschnitte zum Grunde liegt. — Nur anfangs erscheint die graue | Substanz ziemlich gleichmässig in allen Gegenden eines Querschnittes | vermehrt, die Unterhörner sind grösser geworden , mit ihren seitlichen Enden stark nach unten und aussen gekrümmt, die Oberhörner erfüllen mit ihrer nach allen Richtungen sich ausbreitenden Masse fast gänzlich | Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, Sl die seitlichen Abschnitte oberhalb des Centralcanals. Die weisse Masse beschränkt sich auf einen dicht unterhalb des Centralcanals gelegenen mittleren Abschnitt und auf die peripherischen Theile. — Je weiter - nach vorn zu, um so mehr tritt die weisse Substanz gegen die graue an Ausdehnung zurück, so dass schliesslich in der Pars commissuralis das Verhältniss ein dem Rückenmark ganz entgegengesetztes ist, indem der ganze Querschnitt aus grauer Substanz besteht und nur der unter- halb am Boden des vierten Ventrikels gelegene Abschnitt weiss er- scheint. — Ferner hat die Commissura transversa sich sehr in ihrem Aussehen verändert; statt des einfachen, dünnen, querlaufenden Bündels, welches im Rückenmark die Unterhörner der beiden Seiten mit einander verband, finden sich sehr breite Bündel, welche aus einander kreuzenden Fasern bestehen, meist dicht unter dem Ventrikel. — Ferner finden sich, namentlich an der Peripherie, hie und da kleinere, querdurchschnittene Bündel, welche, wenn man sie an nacheinander folgenden Querschnitten ins Auge fasst, zum Theil von hinten nach vorn, zum Theil von vorn nach hinten an Volum zunehmen. Ausser- dem sieht man hie und da an der Peripherie des Querschnittes Bündel abtreten, welche zu einem Theil mit den Commissuren am Boden des Ventrikels in Zusammenhang stehen, zum andern Theil aus der grauen Substanz hervortreten. — Diese wie jene Bündel sind die Wurzeln der hier abgehenden Nerven. — Ein besonderes Interesse bieten auch hier die Nervenzellen. Während anfangs, so lange der Gentralcanal noch sein Lumen unver- ändert behält, die zwei erwähnten Gruppen, die centrale und die peripherische Gruppe der Nervenzellen jederseits‘sich erkennen lassen, so schwindet mit der Grössenzunahme des Centralcanals die centrale Gruppe, indem statt dessen dicht zu beiden Seiten des Canals erst spärlich, darauf reichlich Zellen auftreten, welche sich als be- sondere erkennen lassen. Diese Zellengruppe, welche ich, wie bei Gadus Lota als Vaguskern bezeichne, reicht vom Ursprung des ersten Spinalnerven bis nach vorn, wo sich der Centralcanal zum vierten Ventrikel öffnet. Die Zellen sind birnförmig oder dreieckig, sind etwa 0,030—0,040 Mm. lang und.0,022 Mm. breit, haben einen bläschen- förmigen Kern von 0,012 Mm. Durchmesser und ein deutliches Kern- körperchen. Zur Peripherie geht von jeder Zelle gewöhnlich nur ein, höchst selten ein Paar Fortsätze aus, welche nach kurzem Verlauf wie abgeschnitten enden. Auf Längsschnitten zeigen diese Zellen auch nur peripherische Fortsätze, der Länge nach verlaufende sind niemals sichtbar. — Die Zellen der :Unterhörner erhalten sich in gewisser Beziehung 4* 52 Dr. Ludwig Stieda, unverändert an ihrem Platze, nur dass ihre Zahl mit Zunahme der grauen Substanz auch sich vermehrt. Es finden sich Zellen von sehr ver- schiedenen Dimensionen, grosse und kleine, ohne dass irgend eine Regelmässigkeit in ihrer Grösse erkennbar ist. Von den Zellen ziehen Fortsätze nach allen Richtungen, vorherrschend jedoch nach aussen zur Peripherie. An der Stelle, wo die graue Masse die weisse umgiebt, also in der Pars commissuralis, sind sehr deutlich lange Zellenfortsätze zu sehen, welche von einer Seite auf die andere hinüberziehen. — Ich muss noch einiger besonderer Zellengruppen erwähnen. In der Gegend der Pars commissuralis, aus welcher der Nervus acustieus entspringt, finden sich zwischen den Wurzelfasern desselben, ziemlich nahe der Peripherie eine Anzahl Nervenzellen von rundlicher Form und 0,009 Mm. gross eingebettet. — Da die Zellen vermuthlich mit dem Acusticus in Beziehung stehen, so nenne ich diese Gruppe den Acusticuskern. Ferner findet sich unterhalb des Gerebellum in der Pars commissuralis eine Gruppe von Nervenzellen, welche durch ihre Grösse auffallen. Es sind die grössten Zellen, welche ich im Gentral- nervensystem des Hechtes bisher gefunden, sie messen etwa 0,05 Mm. Ihre Fortsätze sind sämmtlich zur Peripherie gerichtet. Die Gruppe bildet einen auf Längsschnitten ovalen Körper, welcher mit seinem Längsdurchmesser der Länge des Rückenmarkes entsprechend, jeder- seits vom Sulcus centralis am Boden des vierten Ventrikels liegt. Zwischen die Zellen hindurch treten die Wurzelfasern des Trigeminus. Ich nenne diese Gruppe den Trigeminuskern. — Eine Unterscheidung in zwei Abtheilungen, wie dieselbe in der Pars commissuralis der Quappe möglich gewesen, konnte ich hier nicht machen. Es entspringen von diesem Abschnitt des Hirns folgende Nerven: Die beiden Wurzeln des Trigeminus, der Abducens, der Glosso- phäryngeus und die beiden Wurzeln des Vagus. Der erste Spinalnerv (N. hypoglossus der Autoren) entspringt gerade so wie die untere Wurzel eines Spinalnerven im Rückenmark. Der N. vagus hat bekanntlich zwei Wurzeln. Die hintere ‘Wurzel besteht nur aus feinen Fasern. Sie wird aus mehreren, vier bis iünf kleinen Bündeln gebildet, welche sich erst nach dem Austritt aus der Medulla dicht aneinander schliessen. Auf Querschnitten sehe ich die Bündel meist kurz nach ihrem Eintritt in die graue Substanz der oberen seitlichen Abschnitte der Medulla oblongata abgeschnitten. Längsschnitte lehren, dass die Wurzeln wenig nach hinten umbiegend sich allmählich in der grauen Substanz ausbreiten. Ein Theil der Wurzelbündel lässt sich bis in die am Boden des Ventrikels be- findliche Commissur verfolgen. Alle Bündel nehmen, wie auf hori- Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 53 zontalen Längsschnitten ersichtlich, erst die Richtung quer nach aussen, dann die Richtung nach hinten, um hervorzutreten. — Die vordere Wurzel des N. vagus wird durch gröbere und feinere Fasern zusammen- gesetzt. Ein starkes, aus breiten Fasern bestehendes Bündel entstammt den Längsfasern,, welche seitlich in die Wandungen des vierten Ven- trikels eingebettet sind; es verlässt in der Richtung von vorn nach hinten die Medulla, nachdem sich ihm noch ein kleines Bündel feiner Fasern angeschlossen hat, welches der grauen Substanz des Ventrikels entspringt. ; Die Wurzelfasern des N. glossopharyngeus lassen sich zum Theil in die Längsfasern der seitlichen Partien der Medulla, zum Theil in die Querfasern am Boden des Ventrikels verfolgen. Der N. acusticus sammelt seine sehr breiten Fasern erst dicht unter der Aussenfläche der Medulla, so dass sowohl auf Querschnitten, wie auf Längsschnitten sein Ursprung derart erscheint, wie oben bereits erwähnt. Zwischen die nach allen Richtungen auseinander fahrenden Nervenfasern sind die Zellen des Acusticuskernes eingelagert. Ein Hinüberziehen der Wurzel- fasern von der einen Seite auf die andere, oder einen Zusammenhang mit den Commissuren habe ich nicht gesehen. Ich hebe dieses hervor, weil einige Autoren an einer Verbindung beider N. acustici durch eine Commissur reden. — Zur Bildung der hinteren Wurzel desN. trigeminus treten zusammen: ein starkes Bündel grober Fasern, welches von den Längs- fasern unterhalb und seitlich vom Ventrikel herzieht und leicht nach aussen umbiegend zur Peripherie tritt; ein Bündel feiner Fasern, welches zuerst als Längsfaserbündel dicht zu Seiten des Sulcus cen- tralis sich befindet, und darauf nach einem längeren Verlauf plötzlich fast unter rechtem Winkel umbiegend nach aussen zieht. Es lässt sich dieses Bündel nach hinten zu verfolgen bis in die graue Substanz, welche die Zellen des Vaguskernes umschliesst. Schliesslich tritt noch "aus dem Cerebellum ein Bündel mittlerer Fasern an die hintere Wurzel des Trigeminus heran. Die vordere Wurzel des Trigeminus erhält mehrere starke Bündel aus den Commissuren am Boden des Ventrikels, “welche zwischen den hier befindlichen Nervenzellen des Trigeminus- _ kernes hindurch zur Peripherie gerade nach aussen treten; ferner ziehen in die vordere Wurzel hinein ein Theil der uinaliaseı. des unteren Abschnittes der Medulla, sowie auch noch Fasern von vorn her sich diesen anschliessen. — i Der N. abducens bezieht seine spärlichen aber breiten Fasern, "welche zwei kleine, dicht hintereinander gelegene Bündel bilden, aus der unteren Gegend der Pars commissuralis; es sind hier jederseits “ 54 Dr. Ludwig Stieda, kleine Zellen in grösserer Menge angehäuft, so dass man wohl von einem Abducenskern sprechen darf. In Bezug auf die Mauruner’schen Fasern verweise un auf das be- reits bei Gadus Lota Mitgetheilte. — . %. Gerebellum und Valvula cerebelli. Abgesehen von dem Unterschied in der äusseren Gestalt, welcher zwischen dem CGerebellum der Quappe und des Hechtes besteht, ist die histiologische Zusammensetzung eine ganz gleiche, insofern als sich die genannten Schichten in gleicher Anordnung und gleicher Verthei- lung der Elemente vorfinden. Um unnütze Wiederholungen zu ver- meiden, verweise ich daher auf das beim Gehirn der Quappe bereits Mitgetheilte. Nur auf ein Verhalten muss ich hier als abweichend von Gadus Lota aufmerksam machen, nämlich darauf, dass die Rinden- substanz des Kleinhirns beim Hecht sich ziemlich weit nach hinten auf die Lobi posteriores erstreckt, so dass hiernach die letzteren nicht allein auf eine Vermehrung der eigentlichen Substanz der Medulla zurück- zuführen sind. — Die Valvula cerebelli hat ebenfalls dieselbe Zusammensetzung wie bei Gadus Lota und steht auch beim Hecht in gleicher Beziehung zum Cerebellum. Es finden sich auch hier dieselben Bestandtheile wieder, wie dieselben bei Beschreibung des Gerebellum näher charakte- risirt wurden, nur in scheinbar anderer Anordnung. Denkt man sich, dass die vordere Wandung des Cerebellum mit ihren drei Lagen (Rin- denschicht, Grenzschicht und Körnerschicht) zuerst gerade nach vorn laufe, dann zwei übereinander liegende Schlangenwindungen mache, welche durch eine mittlere Furche in zwei Seitenhälften getheilt wer- den, so hat man eine naturgemässe Anschauung von der Zusammen- setzung der Valvula cerebelli. Dieselben zeigen — wie ein verticaler Längsschnitt lehrt— bei der Untersuchung von hinten und aussen die- selbe Reihenfolge der Schichten wie des Gerebellum; von vorn und oben aber, also vom Ventriculus lobi optici aus betrachtet, ist die | Reihenfolge eine umgekehrte. Die Grenzschicht und die Rindenschicht haben beide ungefähr dieselbe Dicke wie im Gerebellum und bewahren sie überall unverändert, wogegen die Körnerschicht an Dicke sehr wechselt und dadurch hauptsächlich das kugelige Aussehen der Valvula cerebelli bedingt, welche die älteren Autoren dazu bewog, in diesen Theilen ein Analogon der Vierhügel des Säugethierhirns zu sehen. Die Körnerschicht ist demgemäss in der Längs- und Querfurche, welche die Hügelchen von einander trennen, sehr gering oder fehlt ganz, nimmt dagegen in den Hügeln selbst bedeutend an Masse zu. — Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 55 Die mikroskopische Beschaffenheit der Schichten ist hier genau dieselbe, wie beim Cerebellum. Aus der Körnerschicht ziehen jeder- | seits Nervenfasern in die Pars peduncularis hinein, um in dieser weiter nach vorn zu laufen. Der Ursprung des Nervus trochlearis verhält sich beim Hecht gerade so wie bei Gadus Lota. — 3. Die Pars peduncularis und das Tectum lobi optici. Ein Querschnitt durch den Lobus opticus bietet ein Bild, welches dem bei Gadus Lota beschriebenen ganz ähnlich ist. In der gleich- mässig granulirten Grundsubstanz befindet sich unterhalb des Sulcus centralis jederseits das Paar der centralen Längsbündel und nach aussen davon die seitlichen Längsbündel, welchen sich mehr nach vorn die aus der Valvula cerebelli herziehenden Bündel anschliessen. Der Sulcus centralis wird überwölbt von der Valvula cerebelli, wird hier tiefer, ohne jedoch die Basalfläche des Hirns zu erreichen, um sich abermals zu verflachen. — Um den Spalt herum befindet sich auch hier eine Gruppe grosser Nervenzellen, der Oculomotoriuskern, von welchem sich die Wurzelfasern des N. oculomotorius ablösen. Schräg von oben nach aussen und unten ziehend, verlässt die Wurzel die Pars pedun- cularis, um zwischen letzterer und den Lobi inferiores hervorzutreten. An der Basalfläche der Pars peduncularis liegen querverlaufende Bündel, zwischen welche die Wurzelfasern des N. oculomotorius hindurchtreten. Auch hier scheint ein Theil der centralen Längsfaserbündel in das Ge- biet des N. oculomotorius einzutreten. — Der Durchschnitt der Tori semicirculares Halleri erweist, dass sie auch hier hauptsächlich aus granulirter Grundsubstanz bestehen und dass in ihnen kleine Nervenzellen zerstreut liegen. In der nächsten Nähe der Ventrikelfläche sind die Zellen hier in sehr regelmässiger Reihe neben einander und über einander geordnet. — Weiter nach vorn nach Abgang des N. oculomotorius wird der Sulcus centralis tiefer, während die P. peduncularis nach Verschwinden der verschiedenen, centralen und lateralen Längsbündel oben mit den Thalami optici, unten mit dem Lobus inferior verschmilzt, d. h. ohne scharfe Grenze über- geht in die graue Substanz des dritten Ventrikels. Das Tectum lobi optici, welches ich bereits früher einmal ausführlich beim Hecht ge- schildert habe, unterscheidet sich von dem Tectum des Quappengehirns nur durch seine grösseren Dimensionen und die grössere Quantität von markhaltigen Nervenfasern, welche der stärkeren Entwickelung der Augen und der Augennerven des Hechtes entsprechen. 56 Dr. Ludwig Stieda, 4. Die Gegend des dritten Ventrikels und der Hirnanhang. Ueber das histiologische Verhalten dieses Hirntheils habe ich dem bei Gadus Lota Mitgetheilten kaum etwas hinzuzufügen, insofern als sich nach meinen Untersuchungen keine besonders erwähnenswerthen Verschiedenheiten entgegenstellen. Dagegen hebe ich hier nochmals hervor, dass die Thalami optici, welche die Verbindung zwischen der Pars peduncularis und den Lobi anieriores herstellen und den Eingang in den dritten Ventrikel bilden, hier vollständig, einerseits durch das Tecetum lobi optici, andererseits durch die Lobi anteriores verdeckt werden, während bei Gadus Lota dieser Theil doch mehr oder weniger frei daliegt. : Die kegelförmige Gestalt der Hypophysis des Hechtgehirns erwähnte ich schon: In Bezug auf die feinere Zusammensetzung gilt das von der vorderen Abtheilung des Hirnanhangs der Quappe Gesagte. Einen der hinteren Abtheilung entsprechenden Abschnitt (Saccus vasculosus) habe ich beim Hecht nicht gefunden. — 5. Die Lobi anteriores und die Tubercula olfactoria. Die einander zugekehrten, sowie die vorderen Flächen der Lobi anteriores und die hintere der Tubercula olfactoria sind mit einer aus Cylinderzellen gebildeten Epithelialschicht, welche dem im Central- canal des Rückenmarkes vorkommenden Epithel völlig gleicht, bedeckt. Da der Raum zwischen den Lobi anteriores nach hinten sich in den Spalt zwischen den Thalami optiei, den dritten Ventrikel fortsetzt, so kann ich ihn, wie bei Gadus Lota für nichts Anderes als einen bisher unbekannt gebliebenen Hirnventrikel halten, "welchen ich auch hier als Ventriculus communis loborum anteriorum benenne. —- Die Lobi anteriores bestehen aus feingranulirter Grundsubstanz, in welche Zellen eingelagert sind, wie bei Gadus Lota von ungefähr 0,0120 Mm. Durchmesser. An der Verbindungsstelle des Lobus anterior und des Tuberculum olfactorium finde ich in beiden Theilen nur kleinere Zellen von 0,006 Mm. — Der Verlauf der Fasern ist wie bei Gadus. Die Tubercula olfactoria stimmen im Allgemeinen mit den Lobi anteriores überein: Die Faserbündel, welche in den Lobi anteriores sich nach unten hin sammelten, dringen in die Tubercula olfactoria hinein, neue Fasern scheinen hier von den Zellen zu entspringen. Diese und jene bilden im vorderen Theile der Tuberecula eine vielfache Durchflechtung und Verknäuelung und ordnen sich erst an der Spitze derselben zu den parallelen Faserbündeln der Nervi olfactorii. — Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 57 Bei der Beschreibung des Hirns vom Hecht war ich ausführlicher, als es vielleicht nöthig gewesen wäre, indem noch häufiger, als es geschah, auf das Gehirn der Quappe verwiesen werden konnte. Es ist aber damit der Beweis geliefert, dass, die Verschieden- heiten der äusseren Gestaltung abgerechnet, der histiologische Bau der Gehirne wesentlich ein gleicher ist. Von den Gehirnen anderer Knochenfische, die ich ferner untersuchte, will ich hier nur des Ge- hirnes vom Barsch (Perca fluviatilis L.) und des Gehirnes einiger Karpfenartenr’ in aller Kürze Erwähnung thun, weil ich dieselben eben- falls genau durchforscht habe. Ueber einige andere (Silurus glanis, Muraena Anguilla, Corregonus Jas Asmuss, Salmo Salar u. s. w.) habe ich aus Mangel an Material meine Untersuchungen unterbrechen müssen. V. Das Gehirn des Barsches und der Gyprinoiden. Das Gehirn des Barsches schliesst sich in der äusseren Form ziemlich eng an das Gehirn des Hechtes. Es zeichnet sich auch dieses aus durch den verhältnissmässig grossen stark gewölbten Lobus opticus, besitzt dagegen nur ein sehr kleines, aufrecht stehendes, oben abge- rundetes Gerebellum. Die Medulla ohlongata ist nur unbedeutend dicker als das Rückenmark,, besitzt lange und schmale Lobi posteriores. Der Ventrieulus quartus ist erst kurz vor dem Cerebellum offen und unbe- deckt. — Ich vermag keine Besonderheiten in Bezug auf die Pars com- missuralis und peduncularis anzuführen, obgleich Unterschiede nicht zu verkennen sind. Das Cerebellum besitzt einen kleinen Canal; die Valvula cerebelli ist wie beim Hecht gebildet, ebenso das Tectum lobi optici. Ueber die graue Substanz des dritten Ventrikels habe ich Nichts zu bemerken. — | Besonderes Interessg gewähren dagegen die Lobi anteriores, in- dem sje derart mit einander verbunden sind, dass sie dadurch beson- ders charakterisirt sind. Es liegen nämlich die Lobi anteriores dicht neben einander und scheinen bei Betrachtung mit unbewaffneten Augen durch einen tiefen Spalt von einander getrennt, welcher bis auf die an - der Basis gelegene Gommissura interlobularis reicht. An Querschnitten von erhärteten Gehirnen, an welche die Lobi anteriores in ihrer natür- lichen Lage zu einander sich befanden, sah ich nun, dass die Lobi _ anteriores auch anihrer oberen Fläche durch eine schmale _ Brücke mit einander vereinigt waren. Diese Vereinigungs- ‚stelle liegt aber in derMitte der Längenausdehnung der Lobi. Während hinter und vor der Vereinigung die einander zugekehrten Flächen der Lobi einander berühren, so stehen die Flächen in dem unteren Abschnitt 58 Dr. Ludwig Stieda, weiter von einander ab. Dieser Raum zwischen den beiden Lobi anteriores; welcher nach oben durch die Vereinigung beider Lobi anteriores verdeckt wird, geht nach hinten in den Spalt des dritten Ventrikels über und ist hier ebenfalls mit einem Cylinderepithel aus- gekleidet. Ich sehe hierin also das auflallende Beispiel, dass der Ven- triculus communis loborum anteriorum durch Verschmelzung beider Lobi zu einer wirklichen, nach oben durch Hirnsubstanz begrenzten Hirnhöhle wird. — Die Lobi anteriores bestehen aus fein granulirter Grundsubstanz mit eingelagerten Nervenzellen, auch die obere Ver- bindungspartie ist so beschaffen. — Das Gehirn der Gyprinoiden (ich untersuchte C. Tinca, G. Brama und C. auratus) zeichnet sich aus durch die besonders starke Ent- wickelung zweier symmetrischer, rundlicher Anschwellungen, der Lobi posteriores, welche den vierten Ventrikel seitlich begrenzend, hinter dem Cerebellum von der Medulla oblongata gebildet werden. Die Lobi posteriores sind an Ausdehnung so bedeutend, dass sie fast wie eine vierte Abtheilung des Hirns sich ausnehmen. Beim Vergleich des Gehirns der drei genannten Fische ergiebt sich anfangs nur ein Grössen- unterschied. Das Gehirn von C. Brama ist durchschnittlich in allen Dimensionen grösser als das von C. Tinca, und letzteres grösser als C. auratus, bei Untersuchung mit dem Mikroskop finden sich noch einige Andone Unterschiede. ah Das Gehirn von C. Brama (und auch von C. Tinca) lässt ausser. der Medulla oblongata mit den bereits erwähnten Lobi posteriores das Cerebellum als kurzen plattgedrückten Körper erkennen, welcher mit der Pars commissuralis verschmolzen ist; davor liegt der nur wenig grössere mit einer oberen Längsfurche versehene Lobus opticus, wäh- rend der vorderste Abschnitt durch die um ein Bedeutendes kleineren Lobi anteriores gebildet wird. An der Hirnbasis wird die Pars pedun- cularis durch eine unpaarige Masse bedeckt, welche, durch eine mittlere Längsfurche getheilt, die miteinander verschmolzenen Lobi inferiores darstellt. — Nach vorn ist das Trigonum an die Oeffnung des dritten Ventrikels sichtbar. — Die Volumzunahme der Medulla ohlongata erweist sich auch hier durch Zunahme ‘der grauen Substanz der Oberhörner so lange der Centralcanal sich erweitert. Sobald letzterer sich zum vierten Ventrikel geöffnet hat, wird die Begrenzung desselben seitlich gebildet durch zwei ziemlich bedeutende Ansammlungen grauer Substanz, die Lobi posteriores. In dieser grauen Substanz liegt eine Zellengruppe, welche nach vorn fast bis zur Pars commissuralis reicht; die Zellen sind gross und in zahlreicher Menge vorhanden. Von den Zellen oder aus der + Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 59 grauen Substanz hervor treten nach aussen und unten Bündel mark- haltiger Nervenfasern, welche die Wurzeln des N. vagus zusammen- setzen, so dass der Ursprung des Nerven aus dieser Zellengruppe (Vaguskern) sehr wahrscheinlich gemacht wird. Auf die Oberfläche der Lobi posteriores erstreckt sich eine Fortsetzung der Rindenschicht des Cerebellum. — Zwischen den Lobi posteriores befindet sich ein grauer Knoten, Tuberculum medium oder impar, welcher den vierten Ventrikel zu einem Canal abschliesst, aber nicht über die Lobi sich erhebt. In dem Tuberculum impar finden sich sehr kleine Nerven- zellen und in dem zum Canal gekehrten Theile auch markhaltige Nervenfasern. — Während die Lobi posteriores seitlich ohne scharfe Grenze in das Cerebellum übergehen , schwindet in der Mittellinie der grauen Substanz das Tuberculum medium, und der Ventriculus quartus erhält somit auf eine kurze Strecke abermals eine obere Oeffnung, welche durch das CGerebellum verdeckt wird. Zwischen Pars commis- suralis und Gerebellum wird der vierte Ventrikel wiederum zu einem engen Canal. Vom Cerebellum ist zu erwähnen, dass dasselbe einen Canal hat, welcher der kurzen gedrungenen Form des Kleinhirns entsprechend, vom vierten Ventrikel fast senkrecht aufsteigt, die Axe des Kleinhirns einhaltend. — Das Gerebellum steht auch hier mit einem Gebilde in Verbindung, welches — obwohl von anderer Form als bei den bisher beschriebenen Fischen — doch wohl auch als Valvula cerebelli zu be- zeichnen ist. Oeffnet man den Lobus opticus durch Abnahme des Tectum , welches ebenfalls einen Längswulst in seiner Ventrikelfläche besitzt, so erscheint nicht die Pars peduncularis, sondern ein den Boden des Lobus opticus ausfüllender Körper, in Form eines Napfes oder einer Schale. Die erhabenen Ränder dieser Vertiefung sehen aus wie zwei bohnenförmige Körperchen, welche mit ihrer Goncavität ein- ander zugekehrt sind. Erst wenn dieser Napf aufgehoben wird, erblickt man die Pars peduncularis nebst Sulcus centralis und zu beiden Seiten des letzteren die unbedeutenden Tori Halleri. Es ergiebt sich auch hier aus der mikroskopischen Untersuchung, dass die Masse des Napfes aus denselben Schichten wie das Gerebellum besteht. Die Combination von Quer- und Längsschnitten lässt diesen Körper auch hier auffassen, als eine vom Gerebellum ausgehende und nach hinten zurückgeschlagene Klappe. Die Seitentheile des nach hinten zurückgeschlagenen Theils der Klappe sind bedeutend dicker als die Mitte, deshalb erscheint die ganze Masse von oben her gesehen unter der Form eines Napfes. Ueber die anderen Abschnitte des Hirns habe ich Nichts zu be- richten. — 60 Dr. Ludwig Stieda, Vom Gehirn des Goldfisches (Cyprinus auratus) erwähne ich nur ein abweichendes Verhalten des Tectum lobi optici (Taf. II. Fig. 29 B.), die mittlere obere Längsfurche des Lobus opticus ist verhältniss- mässig breit, so dass auf einem Querschnitt die beiden Hälften des Tectum ziemlich weit von einander abstehen.. Ferner ist der mittlere Längswulst an der Ventrikelfläche des Tectum sehr flach und durch eine mittlere Längsfurche getheilt. Besonders deutlich ist dieses Ver- halten an Querschnitten durch “die Mitte des Lobus opticus, nach vorn zu verlieren sich alle Unterschiede allmählich , indem Tectum und Pars peduncularis mit einander verschmelzen. Das Tectum enthält hier die- selben Schichten in derselben Reihenfolge wie bei Gadus Lota und bei Esox Lucius, doch zeigt sich hier. bei €. auratus sehr auffallend, dass der unter der mittleren Längsfurche gelegene Abschnitt des Tectum entsprechend dem mittleren Längswulste nur aus querverlaufenden Fasern und der hier stärker entwickelten Zellenschicht des Tectum besteht. — VI. Ueber die Deutung der Theile im Gehirn der Knochenfische. Wenn man von einer Deutung der einzelnen Theile des Gehirnes redet, so meint man damit eigentlich nur einen Vergleich mit dem Ge- hirn des Menschen. — Bei einem derartigen Vergleich des Gehirns des Menschen und der: Fische darf man nicht zu weit gehen, man darf nicht das Verlangen hegen, alle Einzelheiten des Menschenhirnes im Gehirn der Fische und umgekehrt wiederzufinden. Man soll den rich- tigen Standpunet nicht ausser Acht lassen. Das Gehirn des Menschen und das der Fische sind nach einem Typus, dem Typus der Wirbel- thiere gebaut, aber das Gehirn des Menschen hat gewisse Eigenthüm- lichkeiten, welche eben nur dem Hirntypus des Menschen entsprechen und das Gehirn der Fische besitzt gewisse Eigenthümlichkeiten, welche das Fischgehirn charakterisiren. Man darf daher nicht erwarten, alle Theile des Menschenhirns im Fischgehirn wiederzufinden,, sondern nur den Wirbelthiertypus modificirt durch gewisse den Fischen allein zu- kommende Merkmale. — Durch jenes falsche Bestreben sind eine Menge falscher Deutungen und Vergleiche herbeigeführt worden. Es ist aber die Frage einer Antwort werth, ob denn schon That- sachen genug vorliegen, mit deren Benutzung ein richtiger Vergleich und dem entsprechend eine passende Deutung ausgeführt werden kann. Es giebt uns Anlass über die Anforderungen, welche an das zur Be- nutzung nothwendige Material gestellt werden, zu reden, Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 61 Es ist meines Erachtens nothwendig, einmal eine Morphologie des Gehirns des Menschen und der Fische im weiteren Sinne des Wortes, nicht allein eine desceriptive oder vielleicht richtiger topographische Anatomie, sondern auch eine mikroskopische Anatomie, d.h. eine Kenntniss der Histiologie des Hirns. Ferner aber erscheint mir ebenso nothwendig eine Entwickelungsgeschichte der zu vergleichenden Gehirne. Ich habe nicht hier die Auf- . gabe zu erfüllen und zu zeigen, in wieweit allen diesen Ansprüchen bereits genügt oder nicht genügt worden ist von Seiten der Wissen- schaft, sondern will es versuchen, mit besonderer Berücksichtigung meiner eigenen hier niedergelegten Untersuchungen über das Fisch- gehirn eine Deutung der einzelnen Theile vorzunehmen. Die Auffassung, welche ich von den einzelnen Theilen des Fisch- gehirns hege, ist eigentlich schon in den vorliegenden Mittheilungen enthalten, indem ich bei der Beschreibung des Gehirns mich bemüht ‚habe, zur Bezeichnung der einzelnen Theile womöglich solche Ausdrücke zu gebrauchen, welche die analogen Theile des Menschengehirns kennzeichnen. Ich gebe hier nur eine Zusammenfassung des vielfach Zerstreuten und finde Gelegenheit, auf die Ansichten der anderen Au- toren über die Deutung des Fischgehirns zurückzukommen. Die Ansichten der älteren Autoren: ÜGoLLINS, CASSERIUS, CAMPER, Vıco D’Azyr, ALEXANDER MonRo, EBEL, HALLER, WEBER, Scarpa, welche alle mehr oder weniger das Gehirn der Fische in ihren Arbeiten be- rücksichtigt haben, kann ich hier übergehen, weil jene Autoren keinen Vergleich und keine sich daranschliessende Deutung beabsichtigten, sondern nur das Bestreben hatten, das Hirn zu beschreiben. Dabei gebrauchten sie nur Ausdrücke, welche dem Gehirn des Menschen ent- nommen, unzweideutig das Analoge einzelner Theile im Fischgehirn bezeichnen sollten, und ferner auch Bezeichnungen, welche durchaus keinen Einblick in den Vergleich gestatten. — Ich bringe die Ansichten derjenigen Autoren, welche hier Berück- sichtigung verdienen, der Uebersicht wegen in folgende Gruppen: 1. Der dritte unpaare Abschnitt des Fischgehirns ist das Kleinhirn, die Lobi optici der Autoren entsprechen dem Grosshirn nebst Hemi- 'sphären,, die Lobi anteriores den Bulbi olfactorii. (Ich bemerke dabei, - dass die meisten Autoren den Ausdruck Lobus opticus nicht in so be- - schränkter Weise gebrauchen, als ich es gethan, sondern damit zugleich Euch die Lobi inferiores und die anderen Abschnitte der Hirnbasis be- x greifen, so dass sie am Gehirn der Fische — ich rede hier nur von - Knochenfischen — drei Abtheilungen machen: CGerebellum, hinterster 62 Dr. Ludwig Stieda, unpaarer Abschnitt, Lobi optici, paarige Hälfte: des mittleren Ab- schnittes, Lobianteriores, vorderster Abschnitt). Hieran schliessen sich die Ansichten, wonach die Lobi anteriores ebenfalls einemTheil derGrosshirnhemisphären und zwar den vorderen Lappen gleichzusetzen seien, während die Lobi optici nur den hinteren und mittleren Lappen der Hemisphären nebst den übrigen Theilen des Grosshirns entsprechen sollten. Il. Als directer Gegensatz steht die Ansicht, nach welcher die Lobi optici der Autoren nur den Vierhügeln (Corpus bigeminum) zu vergleichen seien. — - Als vermittelnd zwischen beiden genannten Ansichten steht die II., nach welcher die Lobi optici der Autoren den Vierhügeln und der Gegend des dritten Ventrikels zusammen entsprächen, oder wie einige Autoren dieses ausdrücken : die Höhle der Lobi optici (Ventriculus lobi optici) entspreche der Vierhügelblase und der Blase des dritten Ventrikels des Embryonalgehirns. | Unter den Vertretern der unter I. verzeichneten Ansichten ver- dient zuerst Trevıranus Berücksichtigung (Trevıranus, vermischte Schriften. Bd. II., Bremen, 1820. Untersuchung über Bau und Funktionen des Gehirns und Trevıranus, Zeitschrift für Physiologie. Bd. IV., Leipzig, 1831, p. 39. Ueber die hinteren Hemisphären des Gehirns der Vögel, Amphibien und Fische). Ich bemerke, dass Trevı- ranus in Bezug auf die von ihm gemachte Deutung vielfach missver- standen worden ist, weil er solche Benennungen für einzelne Theile des Fischgehirns gebraucht, welche mit seiner Deutung in Widerspruch stehen. Von der Auffassung des hintersten unpaaren Abschnittes als Cerebellum ausgehend, benennt er den mittleren Abschnitt (Lobus opticus) die hintere, den vorderen Abschnitt (Lobi anteriores) die vordere Hemisphäre des Gehirns der Fische. Er bezeichnet aber ausdrücklich diese »vordere Hemisphäre der Fische als blosse Reste der Riechfortsätze« (bulbi olfactorii), als blosse Anhänge der Riechnerven. Ferner sagt er, es seien die vorderen Hemisphären der Säugethiere mit den hinteren grösstentheils verschmolzen, indem der hintere Theil der Sehhügel mit den Vierhügeln zu einer gemeinschaftlichen Masse sich vereinigt hätte, welche eben die »hinteren Hemisphären der Fische« darstelle. Die im Innern dieser Masse (Lobi optici) liegenden Tori semi- circulares Halleri bezeichnet Trevıranus als die Vereinigung der Corpora striata mit den Sehhügeln, die nach hinten gelegenen Theile als Corpora quadrigemina, die vor ihnen gelegenen als Gewölbe und Cornua Ammonis; die Lobi inferiores seien den CGorpora candicantia zu ver- gleichen. Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 63 Cuvier (CuviEr et VALENCIENNES, Histoire naturelle des poissons Tome I, Paris 1828), vertritt ebenfalls die Ansicht, nach welcher die Lobi optici der Autoren die Charaktere des gesammten Grosshirns der höheren Wirbelthiere in sich fassten, gebraucht jedoch einige andere Bezeichnungen; er nennt die Lobi optiei lobes creux oder auch lobes moyens, die Höhle derselben ventricule commune. In Einzelheiten - weicht Cuvirr von Trevıranus ab, so meint er, die Valvula cerebelli sei wohl den Vierhügeln ähnlich, aber nicht gleich, die Lobi inferiores nennt er Sehhügel, couches optiques. Die Cuvier-Treviranus’schen Ansichten wurden insbesondere weiter ausgeführt durch GorttscH£ (C. M. Gortschz, Vergleichende Anatomie des Gehirns der Grätenfische im Archiv für Anatomie von Jos. MüLLEr. Berlin, 1835. p. 244— 295 und p. 433 — 487, und über das Balken- system im Fischgehirn , Froriep’s Notizen. Bd. XXXVI. 1833. p. 36. GoTTscHE hält — von seinen Vorgängern abweichend — die Lobi an- teriores für die vorderen Lappen des Grosshirns,, die Lobi optici für die hinteren und mittleren Lappen, den Ventrieulus lobi optiei für eine Vereinigung des dritten Ventrikels mit den Seitenventrikeln. — Durch künstliche Präparation gelang es ihm, im Teetum lobi optici die quer- ziehenden Faserzüge isolirt darzustellen, deshalb bezeichnet er sie als Corpus callosum, den Längswulst der Ventrikelfläche des Tectum deutet er als Fornix. Ferner fasst er die Valvula cerebelli als CGorpora quadri- _gemina, die Tori semicirculares als Thalami optici auf, die zarte Streifung, welche bei einzelnen Fischen im Innern des Lobus opticus sichtbar ist, nennt er den Stabkranz Reır’s, die Commissura ansulata bezeichnet er als Pons Varolii. Die Bedeutung der Lobi inferiores weiss er nicht zu finden, ein Analogon der Corpora striata fehle im Gehirn der Fische. Bis in die allerneuste Zeit haben sich Anhänger dieser Ansichten erhalten; so namentlich Mayer, welcher sich seinen eigenen Worten nach an Gortsere anschliesst. (Mayer, Ueber den Bau des Gehirns der Fische in den Verhandlungen der Kaiserl. Leop. Carol. Akademie der Naturforscher. Bd. XXX. Dresden 1864). Die drei Abtheilungen im - Gehirn des Menschen: Grosshirn (Proencephalon) , Mittelhirn (Mesen- ‚cephalon) und Kleinhirn nebst Stammmark (Epiencephalon) entsprechen bei Fischen den Lobi anteriores (Lob. olfact. Mayer), dem Lobus opticus und dem Gerebellum (Lobus cerebelli nach Mayer). Es zeigen aber die genannten drei Abtheilungen des Gehirns der Fische einen ver- _ schiedenen Grad innerer und äussererEntwickelung. Bei den Knorpel- - fischen entwickelt sich der Lobus olfactorius zu einer Grosshirnhemi- sphäre, so dass aus dem Proencephalon somit ein Hemisphaerium olfactorium oder ein Gerebrum olfactorium geworden ist. Bei den 64 Dr. Ludwig Stieda, Knochenfischen verwandelt sich der Lobus opticus zu einer Grosshirn- hemisphäre und somit stellt ihr Mesencephalon ein Hemisphaerium opticum oder ein Gerebrum opticum dar. Ueber die Deutung des hin- tersten Theils als Gerebellum ist kein Zweifel, Mayer meint, die Knochenfische besitzen nur ein einfaches, ovales Wurmstück mit an- hängenden kurzen Seitenläppchen. In Bezug auf den Lobus optieus schliesst er sich ziemlich eng an GoTTscHE an, spricht von einem Corpus callosum, Fornix, Corpus geminum (Zwillingskörper), ferner von einem Thalamus opticus und Corpus striatum; die Lobi inferiores vergleicht er den Lobi mammillares im Menschenhirn. Wofür Mıvyer die Lobi anteriores der Knochenfische hält, welche er gar nicht weiter berück- sichtigt, sagt er nicht, wie es scheint, für die Analoga des Bulbus olfactorius. — Ferner muss ich zu dieser ersten Gruppe PnILıppzAux und VULPIAN rechnen, obwohl sie in Einzelheiten von den ersigenannten Autoren abweichen. (Determination des parties qui constituent l’enc&phale des Poissons par MM. PnıLippraux et Vurpıan in den Gomptes rendus hebdo- maires des seances de l’Academie des sciences. Tome XXXIV. 1852. p. 537—542). Die Angaben der Autoren beziehen sich offenbar nur auf das Gehirn des Karpfens. — Die Autoren nennen die Lobi anteriores lobes olfactifs und meinen es seien »les petits mammelons de substance grise, que l’on trouve chez l’'homme sur les origines des nerfs olfactifs«. Die Lobi optici mit dem Gerebellum, welches von ihnen lobe impair oder lobe median genannt wird, sind le cerveau proprement dit und zwar sei das Tectum gleich den Hemisphären, einem Corpus callosum und Fornix (vente a troix piliers) , die Höhle der Lobi optici Seiten- ventrikel. Im Innern der Lobi optici deuten sie die Valvula cerebelli als Sehhügel (couches optiques) und die darunter liegenden Theile als Corpora striata, zwischen ihnen befinde sich der dritte Ventrikel. Das Cerebellum (lobe impair oder lobe median) sei nicht Cerebellum, son- dern nur ein Theil, und zwar der hintere, der Sehhügel, die Uneben- heiten und Erhabenheit am Boden des vierten Ventrikels sollen die Vier- hügel darstellen, während die seitlichen deux lames epaisses de substance grise (die Lobi posteriores) die Hemisphären des Cerebellum repräsentiren. II. Suchten die bisher aufgeführten Autoren das ganze Gehirn des Menschen im Lobus opticus wiederzufinden mit kleinen Ab- weichungen im Einzelnen, so stehen dem gegenüber die Autoren der zweiten Gruppe, welche dem genannten Theile nur die Bedeutung der Vierhügel lassen wollen. — TETERTTERT TTS ss rn AR TEE ERTEILEN Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 65 Carr Gustav Carus (Darstellung des Nervensystems und Gehirns. Leipzig, 1814. Lehrbuch der Zootomie. 2. Aufl. Leipzig, 183%. p. 52 bis 56. Von den Ur-Theilen des Knochen- und Schalengerüstes. Leipzig 1828) erklärt die erste Abtheilung des Gehirns der Fische (erste Hirn- masse) für analog den grossen Hemisphären des Menschengehirns, und nennt sie die Ganglien des Geruchsnerven. Die zweite Abtheilung (zweite Hirnmasse) betrachtet er als die »wahrhaftigen Sehhügel«, sie entsprächen dem vorderen Paar der Vierhügel des Menschen und seien die Ganglien des Sehnerven. Dagegen bezeichnet Carus die Valvula cerebelli als innere, die Tori semieirculares als vordere innere Ganglien des Sehnerven, die Lobi inferiores und das Trigonum fissum entsprechen der grauen Masse des Trichters, er benannte sie Ganglien des Hirnanhangs. Die dritte Abtheilung (dritte Hirnmasse) ist das Kleinhirn. — Auch Arsıry wird als Anhänger dieser Ansicht bezeichnet, doch hat leider mir seine Abhandlung (De cerebro piscium et medulla spinali Halis 1813) nicht vorgelegen. Tıepemann’s Ansichten sind besonders wichtig und von hohem Interesse, weil er auf Grund von entwicklungsgeschichtlichen Unter- suchungen das Gehirn der Fische mit dem Gehirn der Vögel und Säuge- thiere verglich (TiEpemann, Anatomie und Bildungsgeschichte des Gehirns im Foetus des Menschen nebst vergleichender Darstellung des Hirnbaus in den Thieren. Nürnberg 1816). Der hinterste Abschnitt des Fisch- gehirns ist das Gerebellum ; der Lobus opticus ist Vierhügel der Säuge- thiere; Analoga der Sehhügel seien bei Fischen nicht zu finden. Die Lobi anteriores seien die miteinander vereinigten Corpora striata und Hemisphären, was TiEDEMAnN so darstellt, als hätten die Hemisphären sich noch nicht aus den Corpora striata heraus entwickelt. Durch das Fehlen der Hemisphären erkläre sich der Mangel eines Balkens, der Seitenventrikel u. s. w. im Fischgehirn. Ob die Lobi inferiores wirklich ‚als Corpora candicantia aufzufassen ER ist ihm fraglich "und wird unentschieden gelassen. SERRES (Anatomie comparee du cerveau dans les quatre classes des animaux vertebres. Tome I et II. Paris 1824—1826) bringt genau eine Wiederholung der Tıepemann’schen Ansichten und weicht nur darin ab, dass er meint, die Corpora striata fehlten den Fischen, weil er die Lobi anteriores als Hemisphären darstellt. Serres neigt dazu, die Lobi in- feriores für die Thalami optici zu halten. | Il. Die dritte Gruppe steht der zweiten sehr nahe, insofern als — beim Vergleich der Abtheilungen des Fischgehirns mit den Gehirn- blasen des Embryo’s — der Lobus opticus im weiteren Sinne mit Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 5 66 Dr. Ludwig Stieda, Hinzuziehung der Lobi inferiores und des Trigonum zum Lobus opticus, nicht allein der Vierhügelblase, sondern auch der Blase des dritten Ventrikels verglichen wird. 5 Hier muss ich zuerst K. E. v. Baer nennen (Bier, Ueber Ener wicklungsgeschichte der Thiere. Königsberg 1837. II. Theil. p. 305— 309). Barr vergleicht die Lobi anteriores dem Vorderhirn, den Lobus opticus (im weiteren Sinne) hält er nicht allein für das zur Entwicklung gekommene Zwischenhirn (Blase des dritten Ventrikels), sondern auch für das Mittelhirn (Vierhügelblase) ; die Anschwellungen in dem Lobus opticus seien die Sehhügel. Das, wäs man am Fischgehirn Fornix nenne, sei kein Fornix des Menschengehirn, sondern ein besonderes Gebilde des Fischgehirns. Ganz ähnlich drückt sich Jon. MüLter aus (Vergleichende Anatomie der Myxinoiden in den Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1838. Berlin 1839, Handbuch der Physiologie des Menschen. I. Bd. #. Aufl. Coblenz 1844. p. 704). Ferner schliessen sich an die Barr’sche Auffassung Kraatsch de cerebris piscium ostacanthorum aquas nostras colentium. Halis 1850, ebenso VALENTIN, WAGNER, STANNIUS U. S. W. GEGENBAUR, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1859) nennt die Lobi anteriores die Hemisphären, vergleicht den Lobus opticus dem Zwischenhirn und Mittelhirn des Embryo’s, es sei also derselbe entsprechend der Summe eines Lobus ventriculi tertii und eines Lobus eminentiae bigeminae und der Ventriculus lobi optici dem dritten Ventrikel und dem Aquaeductus Sylvii. — Zum Schluss dieser Uebersicht erwähne ich der Mittheilungen eines französischen Autors, welche sich allenfalls noch der ersten Gruppe anschliessen, aber durch ganz besondere Eigenthümlichkeiten eine isolirte Stellung verdienen. Horzırn (Recherches sur la structure de i’encephale des poissons et sur la signification homologique de ses differents parties im Journal de ’Anatomie per Robin 1866) deutet die Lobi posteriores als Lames de Tarin, hält die Valvula cerebelli für die Vierhügel, die Lobi optici für die Sehhügel, und schliesslich sogar die Lobi inferiores für die Corpora striata, dagegen meint er, dass die Lobi anteriores den eigentlichen Grosshirnhemisphären, vielleicht der Insel gleich zu setzen seien. Er stimmt den Bezeichnungen GoTTScHE’S nicht bei, sagt statt Fornix Languette fornicoide , statt Corpus callosum Co calloide. — — — Meiner eigenen Ansicht nach, welche ich auf Grund der eben mitgetheilten Untersuchungen gewonnen habe, muss ich einer Deutung des Fischgehirns beipflichten, welche die von TIEDEMANN ge- Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische, 67 gebene nur etwas genauer ausführt und somit den Ansichten der dritten Gruppe auch nahe steht. Ueber die Auffassung des hintersten Abschnittes als Gerebellum und des Raumes zwischen der Medulla obiongata und Gerebellum als Ventriculus quartus kann gar kein Zweifel sein. Der Ventriculus lobi optiei ist der stark erweiterte Aquaeductus Sylvii, der Boden des Ventrikels, die Pars peduncularis entspricht den Pe- duneuli cerebri, die Valvula cerebelli dem Velum medullare superiuss. anterius (Valvula cerebelli superior, s. anterior, s. Tarini) das Tectum lobi optici dem Corpus bigeminum. Der zwischen Pars peduneularis und Lobi anteriores liegende Theil ist zu vergleichen den Thalami optici, weshalb er auch so von mir benannt worden ist, die Lobi inferiores und das Trigonum sind dem Tuber cinereum gleichzustellen, eine Deutung der Lobi inferiores als Cor- pora candicantia finde ich nicht zulässig. Der zwischen den genannten Theilen bleibende Raum, welcher zwischen Lobus opticus und Lobi anteriores entweder frei und unbedeckt ist (Gadus Lota) oder von den Lobi anteriores und dem Lobus opticus zum Theil verdeckt, ist der eigentliche dritte Ventrikel, der nach hinten unter dem Tectum mit dem Ventriculus lobi optici (Aquaeduct. Sylvii) communicirt, nach unten im Trigonum ausmündend, durch die Hypophysis verschlossen wird. — Die Lobi anteriores mit dem zwischen ihnen befindlichen Raum — von mir als Ventriculus communis loborum ante- riorum bezeichnet — machen vielleicht am meisten Schwierigkeit; ich muss sie aber doch als Gorpora striata und Grosshirn- hemisphären zugleich (Tırpzmann völlig beistimmend) deuten, wo- bei ich den Ventriculus communis als Rest der Höhle der vorder- sten Hirnblase auffassen möchte. — Eine eingehende Kritik der älteren Ansichten und eine besondere Unterstützung meiner eigenen wird man — glaube ich — hier nicht ‚vermissen, weil dieselbe nur in Wiederholung vieles schon Gesagten bestehen müsste. 68 Fig. Fig. Fig. Io aM» 40. Ah: „ A2e . 43. Dr. Ludwig Stieda, Erklärung der Abbildungen. Tafel I. .. Aus dem Ganglion nervi trigemini von Silurus glanis. Vergr. 340. a Nervenzellen. b Nervenfasern. Aus dem Ganglion des N. trigeminus von Sil. gl. Vergr. 340. a Kleine Nervenzellen. b Nervenfasern. Ebenfalls aus einem Ganglion. Vergr. 700. a Nervenzelle mit Kern und Kernkörperchen. b Axencylinder. c Markscheide. d Bindegewebige Scheide der Nervenzelle, von der Zelle getrennt durch einen Hof. e Bindegewebige Scheide der Nervenfaser. Querschnitt aus dem Rückenmark des Wels. Querschnitt aus dem Rückenmark des Aales. Querschnitt durch das Rückenmark des Barsches. Vergr. 80. Querschnitt durch das Rückenmark von Cyprinus Dobula. Vergr. 80. a Centralcanal. b Oberhörner. c Commissura transversa. R d Untere Wurzel. e Obere Wurzel des Spinalnerven. Horizontaler Längsschnitt aus dem Rückenmark von Cyprinus Dobula. Vergr. 80. a Unterer Schenkel der grauen Substanz. b MautHaner'sche Fasern. c Zellensäulen der Unterhörner. d Weisse Substanz. Centralcanal des Rückenmarks vom Hecht aufeinem Querschnitt. Vgr. 340. a REıssser' scher Faden. b Nervenzelle. c Blutgefäss. Längsschnitt aus dem Rückenmark des Barsches. Vergr. 340. a Centralcanal. b Radiärfasern. Schräger Längsschnitt aus dem Rückenmark von Perca fluviatilis. Ver. 80. a Centralcanal. b Radiärfaser. c Epithel. d Querdurchschnittene Commissura transversa. Aus einem Längsschnitt durch das Rückenmark von GadusLota. Vgr. 340. a Centralcanal. b Reısssner'scher Faden. c, f Radiärfasern. d, e Epithel des Centralcanals. A u. B. Aus einem Längsschnitt durch das Rückenmark von Gadus Lota.# Vergr. 340. a Pia mater. b Radiärfasern. c Ende der Radiärfasern an der Pia mater. d Epithel des Centralcanals. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig, Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. 69 44. Aus einem Längsschnitt des Rückenmarks vom Barsch. Vergr. 80. a Centralcanal. b Längsfasern,, bei c umbiegend. d Querdurchschnittene Nervenfasern. e Weisse Substanz. 45. Schräger Längsschnitt durch das Rückenmark des Hechtes. Vergr. 80. a Längsfasern. b Längsfasern, welche bei cin die untere Wurzel eintreten. Tafel II. 46. Ansicht eines Gehirns von Gadus Lota von oben. 47. Ansicht eines Gehirns von Gadus Lota von unten. 48. Ansicht eines Gehirns von Gadus Lota von der Seite. 419. Ansicht eines Gehirns von Gadus Lota mit geöffnetem Lobus opticus und nach Entfernung des Cerebellum. a Rückenmark, a’ Tuberculum medium Ss. impar. b Cerebellum, s der Querschnitt des entfernten Cerebellum. ce Lobus opticus. d Lobi anteriores. r Thalami optici mit dem Eingang in den dritten Ventrikel. e Lobi inferiores. f Hypophysis. g Obere Wurzel. h Untere Wurzel der Spinalnerven. i Erster Spinalnerv mit vier Wurzeln. k Nervus vagus. IN. glossopharyngeus. m N. acusticus. n N. trigeminus. o N. oculomotorius. p N. opticus. q Tractus olfactorius. t Längsfurche des Gehirns, Sulcus centralis. 20. Querschnitt durch die Medulla oblongata von Gadus Lota, um den Vagus- kern und das Tuberculum impar zu zeigen. 24.—26. aus dem Gehirn von Gadus Lota nach der Lupe bei 5facher Veran 24. Querschnitt durch die Medulla oblongata a, das Cerebellum c, Ventriculus quartus db. 22. Querschnitt a Pars commissuralis, c Cerebellum, b Ventriculus quartus. 23. Querschnitt durch den Lobus opticus, a Pars peduncularis. b Tectum. c Sulcus longitudinalis superior. d Valvula cerebelli (l oberes Blatt, m unteres Blatt der Valvula). e Ventriculus lobi optici. f Lobi inferiores. g Hypophysis. k Torus.semicirc. Haleri. 24. Querschnitt durch die Stelle, in welcher der Lobus opticus mit der Gegend des dritten Ventrikels verschmilzt. 9, db, c, e, f wie Fig.23. 70 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. . 30. Senkrechter Querschnitt durch den Hirnanhang von Gadus Lota. . 31. Zellen aus dem Lobus anterior von Gadus Lota. Vergr. 340. g. 32. Längsschnitt senkrecht durch das Gehirn von Gadus Lota uemsch Dr. Ludwig Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. i Torus longitudinalis nebst Commissura anterior die Communica- tionsöffnung o mit dem dritten Ventrikel bedeekend. h Raum zwischen den Lobi inferiores, in welche Pia hineintritt. . 25. Querschnitt durch die Thalami optici a. b Ventriculus tertius. c Hypophysis. d Lobi anteriores, die Thaiami verdeckend. 26. Querschnitt durch die Lobi anteriores. a Lobi anteriores. __ b Ventriculus communis. c Chiasma des Sehnerven. 37. Horizontaler Längsschnitt aus der Medulla oblongata des Hechtes, die Kreuzung der MAuTaner'schen Fasern darstellend. Vergr. 80. 28. Längsschnitt senkrecht durch die Valvula cerebelli von Gadus Lota. a Unteres, b oberes Blatt. c Rindenschicht. d Körnerschicht. e Grenzschicht mit Nervenzellen. f Tectum- 29 A. Querschnitt durch das Tectum lobi optici von Perca fluviat. Vergr. 80. 29 B.*) Querschnitt durch das Tectum lobi optiei von Cyprin. auratus. a Grundsubstanz. b Längsfaserschicht. ce Grundsubstanz. d Längsfaserschicht. e Querfaserschicht. f Zellenschicht. f’ Torus longitudinalis. g Epithel. a Obere Abtheilung mit den Schläuchen. b Untere Abtheilung. c Communication mit dem dritten Ventrikel. a Medulla oblongata. ti Pars commissuralis. k Pars peduncularis. f Cerebellum. m Valvula cerebelli. e Tectum lobi optici. c Ventriculus lobi optici. d Ventriculus tertius. i Obere h untere Abtheilung des Hirnanbanes. 9 Lobus anterior. *) Fig. 29 B. ist durch Zufall auf die Taf. I. gekommen. — 008%, Zoologie: Ba NW. jenschaft wu). 2 lschriji el e S Io\ N RQ Zoologie. e7 echnyE I zinjjenschajll. Be 27 Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche. Von Dr. C. Hasse, Prosector und Docent an der Anatomie zu Würzburg. Mit Taf. III. und IV. In meiner Abhandlung: »Der Bogenapparat der Vögel«!) habe ich kurz des Baues der hier zu beschreibenden Theile von Rana temporaria erwähnt, und, wenn ich auch nicht zum Abschlusse gelangte, doch gezeigt, dass das Wesen in den correspondirenden Theilen dasselbe ist. Manche Anschauung war darin niedergelegt, die nicht ganz den wirk- lichen Verhältnissen entspricht, und die sich erst durch erneute ein- gehendere Untersuchungen als irrig darstellte, und es wird mein Be- streben sein, in den folgenden Zeilen diese zu corrigiren und zu zeigen, wie bis ins Einzelste hinein, die Theile denen der höheren Wirbelthiere entsprechen. Dies gilt nicht blos von dem Bogenapparate und dem Steinsacke, bis zu einem gewissen Grade findet es auch bei den übrigen Theilen des Gehörorgans statt, die ich demnächst zum Gegenstande einer ausführlichen Arbeit zu machen gedenke. Ich habe mich ver- gebens über das vorliegende Thema nach näheren Angaben in der Literatur umgesehen und selbst Dritzrs geht in seiner Abhandlung : »Ueber das innere Gehörorgan der Amphibien«?) nicht näher auf die histologischen Details ein. Meine Angaben werden daher im Wesent- lichen den Charakter des Neuen tragen und nur selten Gelegenheit fin- den, auf Ansichten anderer Forscher näher einzugehen. Bei dieser Untersuchung habe ich in ausgedehnterem Maasse wie bisher mich der Osmiumsäure bedient. Es ist dabei nöthig, vorher so weit wie möglich die häutigen Theile frei zu legen, und ein Eröffnen 4) Diese Zeitschr. Bd. XVII. Heft 4. 2) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1862. 72 Dr. 0. Hasse, des inneren Gehörorganes mittelst Abtragung der im Foramen ovale steckenden Columella genügt durchaus nicht. Schnelligkeit im Freilegen der häutigen Theile ist auch hier unbedingtes Erforderniss. Nachdem ich nach 24stündiger Einwirkung einer '/, °%/, starken Lösung die häu- tigen Theile vollends herauspräparirt und eine Zeitlang in destillirtem Wasser ausgewaschen hatte, bewahrte ich dieselben in Alkohol, da bei längerem Liegen in Wasser die Theile doch immer etwas quellen und sich für die Schnittführung etwas weich darstellen. Irgend ein er- heblicher Nachtheil ist mir aus dieser Art der Behandlung nicht er- wachsen. Die häutigen Bogengänge, die wie die übrigen Theile des Gehör- organs meistens mit dem ganzen Perioste herausgehoben werden , ver- binden sich mit diesem ebenso wie bei den Vögeln und Säugethieren durch ein mehr oder minder dichtes Bindegewebsnetz, welches sich nur darin von dem der übrigen Thiere unterscheidet, dass die Zell- gebilde hier ausserordentlich viel grösser (0,009 Mm.) wie bei jenen sind, und auch die von ihnen ausgehenden mit einander anastomo- sirenden Fortsätze sich als dickere Stränge darstellen. Das Periost zeigt denselben Bau wie bei jenen, nur kommen als neues Element vielgestaltige Pigmentzellen hinzu, die mehr oder minder sparsam, an alsbald zu erwähnenden Stellen eine besonders dichte Anhäufung zeigen. Wir haben es mit einer homogenen Membran zu thun, in der man ver- schieden grosse, unregelmässig gestaltete Kerngebilde von ungefähr 0,006 Mm. Durchmesser eingesprengt findet (Taf. IV. Fig. 32 a.), die nach allen Seiten hin anastomosirende Ausläufer aussenden (Taf. IV. Fig. 32 b.). Hie und da sieht man einzelne elastische Fasern verlaufen (Taf. IV. Fig. 32c.). Die Zellen zur Verbindung mit dem Periost (Taf. IV. Fig. 4 c.) bekleiden zuweilen in einfacher Lage die ganze äussere Pe- ripherie des häutigen Bogengangs, nur hie und daLücken zeigend, und so kommt bei den Fröschen, namentlich wenn die Fortsätze kurz ab- gerissen sind, häufig täuschend ein Bild zu Stande, als sei die äussere Fläche mit einem einfachen Stratum von grossen Pflasterzellen bekleidet, und ich will somit nicht die Möglichkeit leugnen, dass etwas Aehnliches bei dem Menschen stattfinden kann, wie Rünınger es behauptet. Allein ° sie werden hier wie dort dennoch immer nur die Bedeutung von Binde- gewebszellen haben und von einer Epithelbekleidung vollkommen ver- schieden sein. Somit wäre auch für die Frösche die Aufstellung eines Canalis semicircularis major von der Hand zu weisen. Die Wandung der häutigen Bogengänge besteht aus denselben Elementen wie bei den Vögeln und Wirbelthieren. Wir haben es mit einem homogenen, knorpelartigen Gewebe zu thun, in dem sich hie Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche. 73 und da, aber viel sparsamer wie dort, spindelförmige, zuweilen auch wohl rundliche Kerngebilde von 0,006—0,009 Mm. Durchmesser ein- gestreut finden (Taf. II. Fig. 1 a. u. b.). Dieselben senden meistens nach zwei entgegengesetzten Seiten kurze, allmählich sich zuspitzende Fortsätze aus, die wegen des Abstandes der einzelnen Zellgebilde selten mit einander anastomosiren,, dagegen zuweilen wohl eine Zweitheilung zeigen. Fasern habe ich nie in der Wandung entdecken können. Auf dem Querschnitt sehen wir die innere Höhlung des Bogengangs elliptisch. Gegen dieselbe setzt sich die Wandung auch hier mit einem hellen, durchsichtigen, stark glänzenden Basalsaum ab, dem in einfacher Lage ein schönes, grosses, längliches, unregelmässig polygonales Pflaster- epithel aufsitzt (Taf. II. Fig. 2.). Jede einzelne Zelle hat einen Durch- messer von 0,016—0,024 Mm., eine Höhe von 0,004 Mm. und kann zuweilen eine fast vollkommen rundliche Form annehmen. Eine Zell- membran ist vorhanden, das Protoplasma leicht körnig getrübt, der Kern sammt dem kleinen Kernkörperchen liegt im Grunde, zuweilen etwas excentrisch. Meistens ist er länglich rund, etwas unregelmässig, und besitzt eine Höhe von 0,0014 Mm. In der Nähe des Ueberganges der Bogengänge in die Ampullen finden wir ausser diesen niedrigen Pflasterzellen noch andere etwas höhere, auf die ich alsbald zu sprechen komme. Das Verhalten der Gefässe habe ich nicht näher studirt, doch schien es mir ganz dem entsprechend zu sein, wie ich es bei den Vögeln gefunden und ein weitmaschiges Netz ausserhalb der Knorpelwandung in dem bindegewebigen Maschennetz zu bilden. Die Gefässe sind jeden- falls sparsamer wie bei den Vögeln. Ich wende mich jetzt zu dem Bau der drei Ampullen, der sagit- talen, horizontalen und frontalen, von denen die beiden ersteren zu- sammen liegen, letztere dagegen getrennt an der entgegengesetzten Seite sich befindet. Schon ihr äusseres Aussehen ist charakteristisch, und bietet ebenso wie bei den Ampullen der höheren Wirbelthiere, besondere Verschiedenheiten dar. Der zu den ersteren beiden gehende | Nervenast theilt sich alsbald in zwei Zweige (Taf. II. Fig. 3 e. und c.), von denen der eine sich wiederum, wenn auch undeutlich, in zwei Unteräste spaltet und mit diesen zur Unterfläche der sagittalen Ampulle in einen dort befindlichen, sehr schwach ausgeprägten Sulcus trans- versus tritt und nur wenig an den Seitenflächen herumgreift, feine Bündelchen verlaufen noch zwischen diesen beiden Aesten gegen die Mitte der Unterseite. Der andere zur horizontalen Ampulle gehende Ast (Taf. II. Fig. 3 c.) verläuft dagegen ungetheilt an der der anderen zu- gewandten Seitenfläche empor, geht hoch an dieser hinauf und erstreckt sich nur bis an den Boden der Ampulle. Der zu der frontalen gehende 74 Dr. ©. Hasse, Zweig zeigt ziemlich dasselbe Verhalten, wie bei der sagittalen , theilt sich ebenfalls in zwei Aeste und tritt mit diesen schräge in den Suleus ein (Taf. IH. Fig. 7 a.). Auch die Ampullen isoliren sich meistens mit der Periosthülle (Taf. III. Fig. 3 d.) und zeigen dort, wo die Nerven an sie herantreten, eine starke Anhäufung von Pigmentzellen, sowohl im Periost, wie an der Knorpelwandung. Haben wir so wie bei den übrigen von mir untersuchten Wirbel- thieren schon äusserlich eine Differenz in dem Aussehen dieser Gehör- theile, so manifestirt sich diese noch mehr, wenn man nach Abtragung des Daches derselben die Innenfläche des Bodens und der Seitenwan- dungen betrachtet. In allen sehen wir eine Leiste, Crista acustica, sich erheben, die jedoch ein gänzlich verschiedenes Aussehen besitzt, so- wohl wenn man sie aus den verschiedenen Ampullen, wie mit den entsprechenden Gebilden bei den Vögeln vergleicht. In der sagittalen und frontalen Ampulle vollkommen gleich, an den Boden derselben sich haltend und mit dem Nervenepithel nur wenig an den Seitenwan- dungen emporragend (Taf. II. Fig. 7 e und d.), nimmt sie in der hori- zontalen die eine Seitenwand, die, wie erwähnt, der sagittalen zuge- kehrt ist, vollkommen ein und zeigt auch hier in ihrer Form ein abweichendes Verhältniss. Während sie dort eine zu beiden Seiten der Mittellinie der Ampullen vollkommen symmetrische Gestalt besitzt, in der Mitte zuerst etwas breiter, dann sich verschmälert, um sich darauf gegen die Seitenwandung hin wieder zu verbreitern, und in leicht gebogener Linie abgestutzt zu werden, ist sie hier vollkommen unsymmetrisch und besitzt eine mehr zungenförmige Gestalt. Schmal in der Nähe des Bodens (Taf. II. Fig. 9 d.) beginnend, verbreitert sie sich dann, um mit dieser einseitigen Verbreiterung ebenso wie in den übrigen Ampullen zu enden. Schön tritt auch auf dem Längsschnitt die Differenz in dem Aussehen der Crista sammt dem darauf sitzenden Nervenepithel zu Tage. In der sagittalen und frontalen Ampulle eine höchste Erhebung in der Mitte zeigend und sich dann nach den Seiten- wandungen hin abflachend (Taf. IH. Fig. 12 ce u. b.), hat sie hier (Taf. I. Fig. 13c.) in der Nähe des Bodens die höchste Höhe und flacht sich dann jedoch einseitig gegen das Dach hin ab. Es ist das eine Differenz, die hier viel schärfer wie bei den Vögeln zum Vorschein kommt, ab- gesehen von dem sogenannten Septum cruciatum, das wir ja in seinen Ausläufern streng genommen nicht zur Crista acustica rechnen konnten, da diesen das wesentliche Charakteristikon, das Nervenepithel, fehlte. Ein Septum cruciatum besitzen die Frösche ebenso wenig wie die Säugethiere und andere Wirbelthiere, die Stzırzxsann!) in den Bereich 4) MÜLLERS Archiv. 4835. 7 | | Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche, 75 seiner Betrachtung gezogen hat. Die Form der Crista erinnert vielmehr an die von ihm gegebene Abbildung. vom Hechte und theilweise vom ' Menschen. Gehen wir nun näher auf das histologische Detail im Bau der Ampullen ein, so finden wir auf der äusseren Fläche, wie an den Bogengängen die dem maschigen Bindegewebe angehörenden Zellen (Taf. II. Fig. 6 e.), die wohl eine einfache Epithellage vortäuschen können. Hie und da sieht man dann nach der Wandung verschieden gestaltete Pigmentzellen anliegen (Taf. III. Fig. 6/.), die in der Gegend ' der Nervenausbreitung bedeutend an Zahl zunehmen (Taf. II. Fig. 12 f. 13 f.). Es sind Zellen, an denen mir nie gelungen ist, eine Membran nachzuweisen. Sie sind dicht erfüllt mit äusserst feinen, scheinbar amorphen Pigmentmolecülen, während die Protoplasmagrundmasse voll- kommen homogen und schön durchsichtig ist. Die äusserst mannig- faltige und jeder Beschreibung sich entziehende Form dieser Pigment- zellen legt mir die Vermuthung nahe, dass dieselben auch an dieser Stelle im Leben Bewegungserscheinungen zeigen. Freilich habe ich dieselben nicht direct beobachtet, aber der eben erwähnte Wechsel in der Form an derselben Stelle lässt kaum eine andere Deutung zu. Die Wandung der Ampullen besteht aus denselben Elementen von dem- selben Aussehen, wie in den Bogengängen. Homogene Grundmasse, in der Zellgebilde mit zuweilen sich theilenden Ausläufern eingesprengt sind. Doch liegen die letzteren hier etwas dichter wie in den Bogen- gängen. Fasern habe ich auch hier nicht entdecken können, doch muss ich eines Umstandes Erwähnung thun, der vielleicht dazu dienen könnte, Aufklärung darüber zu geben, wie verschiedene Forscher dazu gekommen sind, eine Faserung der Wandung anzunehmen. An Präpa- raten, auf die die Osmiumsäurelösung nur schwach eingewirkt hatte, so dass sich das Epithel nicht vollkommen gut erhalten hatte und sich leicht abstreifen liess, sah ich, wenn ich gegen meine Gewohnheit ohne Unterlegen eines Glasplättchens das Deckgläschen einfach darauf legte, ' und so eine leichte Quetschung der Theile hervorbrachte, zum über- wiegenden Theile in der Längsaxe der Ampulle verlaufende, faser- ähnliche Züge auftreten, die ich aber nicht anders zu deuten vermochte, als Risse und Sprünge in der sonst homogenen Grundsubstanz, deren Entstehen vielleicht durch die mangelhafte Einwirkung des Reagens befördert-wurde (Taf. II. Fig. 10. d.). Ich wäre geneigt anzunehmen, dass etwas Aehnliches an den Präparaten stattgefunden habe, von _ denen die anderen Forscher Beschreibungen geliefert, und dass durch die Einwirkung des Reagens, z. B. einer diluirten Salzsäure, verbun- den mit einem, wenn auch noch so unbedeutenden Drucke mittelst des 76 Dr. C. Hasse, Deckgläschens, dann entstehende Risse und Sprünge eine Faserung des Gewebes vorgetäuscht hätte. Auf andere Weise vermag ich mir den Umstand nicht zu erklären, da ich niemals etwas derartiges bei der nöthigen Vorsicht beobachtet. Wie bei den Bogengängen setzt sich auch hier die Wandung gegen das freie Lumen hin mit einem Basal- saume von derselben Dicke und von demselben Aussehen ab (Taf. II. Fig. 6 e.). Betrachten wir zuerst das Dach, um dann zur Beschreibung des Bodens und der Seitenwände der Ampullen überzugehen, so sehen wir ebenso wie bei den Vögeln und den Säugethieren längs der Mittellinie desselben die Knorpelwandung ein wenig an Dicke zunehmen und einen dunkleren Zellstreifen verlaufen (Taf. II. Fig. 5 c.), der über die Einschnürung gegen den Bogengang hin hinüber verläuft (Taf. Il. Fig. 5e.), um in letzterem weiter zu verlaufen und nach einer längeren Strecke dort zu enden. Dieser Streifen enthält die von mir sogenannten Dachzellen (Taf. II. Fig. 4 b.), welche in ihrem Durchmesser . keine Differenzen von den übrigen Zellen der Wandung besitzen, dagegen in ihrer Höhe von ihnen abweichen. Während jene niedrige Pflasterzellen von demselben Aussehen und von derselben Grösse (Taf. III. Fig. 4 a. Fig. 5b.) wie in den Bogengängen sind, mit grossem, unregelmässigem Kern und Kernkörperchen, nehmen diese allmählich an Höhe zu, um in der Mitte eine solche von 0,009 Mm. zu erhalten. Dabei verlieren sie nicht das Aussehen von Pflasterzellen (Taf. III. Fig. 6 c.). Ihr Kern liegt ebenfalls im Grunde und sie besitzen eine deutliche Zellmembran. Abgesehen von ihrer Höhe, unterscheiden sie sich hauptsächlich, ebenso wie bei den höheren Wirbelthieren, dadurch von den übrigen Zellen der Wandung, dass sie, während jene (Taf. II. Fig. 3 a.) nur sehr schwach granulirt sind, dagegen stärkere feine Granulationen besitzen (Taf. II. Fig. 4 b.). Die Höhe des Zellstreifens in dem a ist ganz dieselbe wie in der Ampulle. Während jenseits dieses Streifens der Dachzellen die and der Ampullen, wie erwähnt, mit denselben Pflasterzellen wie die Bogengänge, bekleidet sind, ändert sich der Charakter des Epithels erst am Boden derselben. Doch auch dort nicht überall, sondern nur an zwei bestimmten Stellen, zwischen den Cristae acusticae und den Ein- mündungsstellen der Bogengänge einerseits, und zwischen den Leisten und den Theilen in die die Ampullen übergehen, andererseits. Wir sehen dort zwei vollkommen runde, gelbliche Flecke auftreten (Taf. II. Fig. 7 bu. c. und Fig. 9 bu.c.). Ich habe derselben in meiner Arbeit: »Der Bogenapparat der Vögel«!) schon Erwähnung gethan und brachte u ee} Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche. 717 die Elemente derselben in Analogie mit den flaschenförmigen Pigment- zellen. In der That entsprechen sie diesen, nur dass ihre Form eine andere ist. Sahen wir sie bei den Vögeln zu wenigen vereinigt, in dis- creten Gruppen bis an das Nervenepithel heran zusammenstehen, dies- seits und jenseits der Gehörleisten, und waren sie bei den Säugethieren von den Bodenzellen nicht zu unterscheiden, sondern hatten diese die bei den Vögeln jenen anhaftende gelbliche Pigmentirung, so sind eben die pigmentirten Zellen beim Frosche zu zwei gesonderten, rundlichen Haufen vereinigt, die nicht bis an die Gehörleisten heranreichen. Sind sie in den beiden verticalen Ampullen gerade der Mitte der Leisten auf dem Boden gegenüber gestellt, so nehmen sie in der horizontalen ihren Platz mehr an der einen Seitenwand, an der sich die Crista acustica befindet. Sie bestehen aus pflasterförmigen Zellen, die vom Rande gegen die Mitte des Flecks hin allmählich an Höhe zunehmend hier eine Höhe von 0,045 Mm. erreichen (Taf. II. Fig. 11 c.). Von der Fläche gesehen, hat jede Zelle eine unregelmässig polygonale, oder rundliche Form (Taf. III. Fig. 8.), ähnlich wie die übrigen Zellen der Wandung. Der Durchmesser beträgt 0,021 Mm. Jede einzelne Zelle ist stark gra- nulirt, gelblich pigmentirt und die Zellgrenzen sind in Folge dessen mehr oder minder verwaschen. Im Grunde der Pigmentzellen findet sich ein runder, dunkler, stark granulirter Kern von 0,006 Mm. Durch- messer mit kleinem, hellem Kernkörperchen. Hatten wir bei den Vögeln ausser den flaschenförmigen Pigmentzellen noch cylindrische Boden- zellen, während die übrigen Theile der Wandungen mit Pflasterzellen bekleidet waren, und waren solche mit gelblicher Pigmentirung bei den Säugethieren allein vorhanden, so sind bei den Fröschen die Zellen zwischen den Pigmentflecken und dem Abhange der Gehörleiste nicht von denen, die vorhin von den Seitenwänden und aus den Bogen- gängen beschrieben worden, verschieden (Taf. II. Fig. 11 d.), und somit kann man hier, streng genommen, nicht von gesonderten Boden- zellen sprechen. Erst ganz in der Nähe des Nervenepithels ändern sie _ ihren Charakter, wie wir alsbald sehen werden, und so möchte ich aus diesem Grunde den Namen beibehalten. Wir kommen nun zu einem der wichtigsten Theile in den Ampullen, zu der Gehörleiste, deren gröbere anatomische Verhältnisse ich schon vorhin besprochen, und dann zu den sie bekleidenden Elementen. Ich beginne mit den Cristae der verticalen, deren genauere Form, ausser auf Querschnitten, namentlich schön zu Tage kommt, wenn die darauf ruhenden Theile abgehoben sind. Nur in der Mitte sieht man sie sich deutlich als eine Firste erheben, die in der Mitte breiter, dann sich verschmälert (Taf. II. Fig. 10 c.), um allmählich gegen*die Seitenwan- 73 Dr. 0, Hasse, dung hin in das Niveau derselben zurückzusinken (Taf. IH. Fig. 10 e.). In der Mitte sieht man die Ränder von einem starken, doppelten Contour gebildet (Taf. II. Fig. 10 d.), der Ausdruck einer muldenartigen Ver- tiefung, die namentlich schön auf dem Querschnitte zu Tage tritt (Taf. II. Fig. 15h.). Während die anfängliche Höhe derCrista 0,16Mm. beträgt, steigt sie in der Mitte auf 0,22 Mm. Ein anderes Bild gewährt die Leiste der horizontalen Ampulle. In der Nähe des Bodens am höchsten 28,17 Mm. (Taf. II. Fig. 16.), steigt sie dann allmählich vorn in den verticalen zur Seitenwand herunter, und der Knorpel hat dann eine Dicke von 0,16 Mm. Somit sehen wir, dass die Höhe dieser Crista nicht unbedeutend hinter der jener zurücksteht, aber der Unterschied wird auch noch dadurch grösser, dass wir die Vertiefung auf der Höhe der Gehörleiste hier fehlen sehen, es ist einfach überall eine flachere oder stärker ausgeprägte Kuppe. Die Masse besteht aus derselben knorpel- ähnlichen Substanz wie die übrigen Theile der Ampullen, nur sind hier die eingestreuten Zellgebilde mit den Fortsätzen zuweilen dichter ge- lagert und zeigen oft die allermannigfaltigsten Formen (Taf. IV. Fig. 19 c. 21 a.). Bald sind sie rundlich, bald spindelförmig, bald halbmondförmig. Gegen die bekleidenden Theile setzt sich die Substanz auch hier mit einem feinen Basalsaume ab (Taf. III. Fig. 14 db. 17 d.). Häufig sieht man die eingestreuten Kerngebilde längs den in der Masse verlaufenden Nervenfasern liegen. Während die Gefässe anderer Orten die Ampullen zu umspinnen scheinen, so treten sie hier oft in der Leiste einge- schlossen auf. Der Abhang der Gehörleisten bis zur oberen Fläche ist mit Boden- zellen bekleidet, die anfangs pflasterförmig ganz dasselbe Aussehen wie die am Fusse der Crista besitzen (Taf. II. Fig. 14 e. 15. d. 16 e.). In der Nähe der sie ablösenden Zellformen sehen wir sie jedoch plötzlich an Höhe zunehmen (Taf. II. Fig. 15e.) und als helle, leicht granulirte, cylindrische Zellen auftreten und somit in der Form sich den Boden- zellen der Vögel und Säugethiere nähern. Von einem Planum semi- lunatum in dem Sinne, wie es STEIFEnsann!) beschrieben, und wie es. bei den Vögeln an den Enden der Leisten von diesen Zellen so aus- geprägt gebildet wird, ist bei den Fröschen keine Rede. Das alsbald zu beschreibende Nervenepithel setzt sich in ziemlich scharfer Linie gegen die Zellen der Wandung ab, und es mag das wohl zum Theil daher rühren, dass die Cristae wenigstens der verticalen Ampullen an beiden Seiten, der horizontalen an einer Seite sich viel allmählicher abdachen, dass das Nervenepithel anfangs beinahe einfach der Wandung u de Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche. 79 ohne Leiste aufsitzt, und dass die ceylindrischen Bodenzellen ziemlich plötzlich in niedere Pflasterzellen übergehen. Der gröberen anatomischen Verhältnisse des Nerven habe ich schon Erwähnung gethan und ich hätte nur noch von einem höchst unbe- deutenden Unterschied zwischen dem Verlaufe des Astes, der aus dem Nervus cochlearis kommend zur frontalen Ampulle geht, und dann denjenigen, der aus dem Nervus vestibularis entspringend, sich in die sagittale hineinsenkt, zu reden. Während dieser, wie wir gesehen haben, gerade mitten unter dem Boden der Ampulle weg verlaufend in zwei mehr oder minder geschiedene Aeste getheilt in die Crista acustica tritt (Taf. IN. Fig. 10 a.), läuft jener (Taf. II. Fig. 7 a.) schräger und der einen Seitenwand sich nähernd zur Leiste, um freilich in deren Nähe sich ebenfalls in zwei Aeste zu spalten. Man kann alle drei Ampullaräste bei Flächenansichten eine ziemliche Strecke weit unter dem Boden der Theile verfolgen. Der Stamm jedes einzelnen Nerven- zweiges ist, abgesehen von den immer mit herausgehobenen Perioste, von einer Umhüllungsmembran umgeben, die sich in ihrem Aussehen und in ihrer Textur wenig von der Knorpelsubstanz unterscheidet. Es ist eine gleichmässige, ziemlich dicke Membran mit eingestreuten, spindelförmigen Zellgebilden, die nach zwei Richtungen Ausläufer aus- senden. Nach dem Zerfall in einzelne Aeste und Bündel bildet bis zum Eintritt in den Knorpel wesentlich nur das Periost die Umhüllung. Die Fortsätze der Umhüllungsmembran in den Nervenstamm und zwischen die einzelnen Fasern habe ich nicht verfolgt, obgleich ich nicht zweifle, dass sie vorhanden. Jeder einzelne Ampullarast besteht aus schönen, bipolaren Ganglienzellen (Taf. III. Fig. 17 a.) und doppelt contourirten, starken Nervenfasern (Taf. III. Fig. 17 d.), welche durch einander ge- lagert, eben so wenig wie bei den Vögeln eine Trennung in ein Ganglion und in Nervenfasermasse zulassen. Die Dicke der einzelnen doppelt- contourirten Fasern ist nicht unbeträchtlichen Schwankungen unter- worfen, von 0,007—0,012 Mm., und nicht blos diesseits, sondern namentlich auch jenseits der Ganglienzellen gegen die Gehörleisten hin und innerhalb derselben. Die doppelten CGontouren der einzelnen Fasern erhalten sich besonders schön in Osmiumsäure, werden dagegen in Alkohol mehr oder minder undeutlich und gewinnen hier häufig das Aussehen, als beständen sie aus einem Geflechte blasser Fäserchen. An Zerzupfungspräparaten bemerkt man häufiger, wie aus der dunklen Faser in grösserer oder geringerer Länge (Taf. IV. Fig. 18e.) ein Axen- eylinder hervorragt, welcher nicht an der Färbung durch Osmium Theil genommen hat. Es ist also, da Osmiumsäurelösung entschieden keine . im Leben nicht vorhandene Gebilde hervorruft, ein präexistirendes Ge- s0 Dr, C, Hasse, bilde. Die Ganglienzellen sind verschieden grosse und unregelmässig geformte Gebilde, die mir niemals mehr wie zwei Fortsätze, einen cen- tralen und einen peripherischen zeigten. Bald mehr rundlich, bald länglicher, sieht man (Taf. IV. Fig. 185.) wie die Scheide der doppeiä contourirten Fasern auch sie umhülit. Diese bot mir zuweilen über den Zellen einen eigenthümlichen Anblick dar. Es kam mirvor, als bestände sie entweder selbst aus Zellen, oder als seien auf ihrer Innenfläche solche gelagert, wie es in der neuesten Zeit von Ganglienzellen des Rückenmarkes behauptet worden ist. Ich vermochte nicht zur defini- tiven Entscheidung darüber zu gelangen. Das Protoplasma der Ganglien- zellen, welches keine selbständige Membran besitzt, zeigte sich fein granulirt und hatte einen meist excentrisch gelegenen, länglich runden, dunklen Kern (Taf. IV. Fig. 18 d.), nebst kleinem, bläschenförmigen Kernkörperchen. Trotz sorgfältiger darauf gerichteter Untersuchungen fand ich in diesen Zellen nirgends eine Spur irgend welcher Structur, weder innerhalb des Protoplasma, noch innerhalb des Kerns, als von diesem ausgehend, überall zeigte sich die Masse gleichmässig. In den Cristae acusticae in Bündeln und zuweilen mit einzelnen Fasern hinein- getreten, bilden die Nerven in den verticalen Ampullen mit ihren Haupt- zweigen gegen die beiden Seitenwände hin ausstrahlend (Taf. IM. Fig. 12 a.), während sie in der horizontalen mehr gleichmässig die Substanz der Leiste durchsetzen (Taf. I. Fig. 13 a.), einen Plexus, der sich allmählich, je näher der freien Oberfläche der Leiste, in ein- zelne Fasern auflöst. Die Fasern verlaufen leicht geschlängelt, zuweilen auch ziemlich stark gebogen, so dass man auf dem Querschnitte, nament- lich in der Mitte der Leiste (Taf. IN. Fig. 15 Ah.) zuweilen reine Quer- schnitte derselben bekommt, als dunkelrandige, doppelt contourirte Gebilde, sowie sie sich im Stamme zeigten und von derselben ver- schiedenen Dicke (Taf. IV. Fig. 19 a. 21.). Es sind nicht so wie bei den Vögeln schmale, blassere Fasern. Man sieht sie dann in grösserer oder geringerer Tiefe, meistens aber dicht unterhalb des Basalsaumes allmählich sich zuspitzen und als blasse Fasern (Taf. IV. Fig. 49 b., Fig. 22 c.) denselben senkrecht durchbohren und dann als solche im Epithel weiter verlaufen, wo wir sie alsbald verfolgen werden. Stimmen meine Angaben in Betreff der doppelt contourirten Fasern für den Frosch soweit mit denen überein, die M. Scuurtze: »Ueber die Endigungsweise des Hörnerven im Labyrinth«') , F. E. Scaurze: »Zur Kenntiniss der Endigungsweise des Hörnerven«?), ©. Deırters: ’ 4) MüLLer’s Archiv 4858. 2) REıcHerr's Archiv 4862. Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche, 81 »Ueber das innere Gehörorgan bei den Amphibien«!) und Opentus: »Ueber das Epithel der Maculae acusticae beim Menschen«?) gemacht haben, so kann ich mich den weiteren Angaben von M. SchuLTzE und Openıus nicht anschliessen. Beide, der eine für die Haie und Rochen, der andere für den Menschen, behaupten die dunkelrandigen Nerven- fasern spitzen sich dadurch zu, dass sie ihre Markscheide verlieren und dann in eine blasse Faser übergehen, die einem nackten Axencylinder gleichwerthig anzusehen ist. Als solcher durchbohrt sie den Basalsaum. Aus der Angabe von F. E. Scuvıze, der Gobius und Triton untersucht, und der eine Theilung der markhaltigen Fasern in marklose annimmt, geht nicht-deutlich hervor, ob auch er die blassen Fasern als nackte Axencylinder angesehen wissen will, ebenso wenig aus denen Deirters', der nur von dem Uebergang in blasse Fasern spricht. Ich habe bei den Fröschen nie eine Theilung noch eine Verbindung der einzelnen Fasern gesehen, ebenso wenig wie bei den Vögeln; jede einzelne Faser verläuft von den anderen isolirt weiter. Es fragt sich, geht die mit einer Scheide versehene, doppelt contourirte Nervenfaser in einen nackten Axencylinder über oder nicht, also verliert die Faser ausser ihrer Markscheide auch noch die zarte Umhüllungsmembran? In Betreff des Ersteren stimme ich vollkommen mit den oben genannten Forschern überein, in Betreff des Letzteren kann ich mich nicht unbedingt M. Scaurtze und Opexıus anschliessen. Ich bin vielmehr geneigt anzu- nehmen, dass die ins Epithel hineingetretene blasse Faser, der ich gleichfalls die Bedeutung eines Axencylinders zuschreiben möchte, eine äusserst zarte Hülle besitzt. Unumstössliche Beweise kann ich freilich noch nicht dafür beibringen, da es mir nicht gelungen, die zarte Hülle für sich darzustellen, allein ich möchte als Stütze für meine Ansicht einige Befunde anführen, die ich einestheils bei den Vögeln, andern- theils an dem Uebergange der dunklen in die blassen Fasern bei den Fröschen gemacht. Es ist mir einmal bei Zerzupfungspräparaten aus ‚, dem Nervendurchtritt der Schnecke jener Thiere gelungen, die Scheide ‚ der zarten Fasern, die den dünnen dicht unter dem Basalsaume des Frosches befindlichen entspricht, zu isoliren, und dann habe ich beim Uebergange der dunklen Faser in die blasse nie gesehen, dass der dunkle Contour plötzlich aufhörte, sondern es fand ein ganz allmählicher Uebergang statt, das Mark wurde immer spärlicher (Taf. IV. Fig. 19b.), . die äussere Linie liess sich dabei ohne Unterbrechung längs der blassen Faser verfolgen. Es fand niemals ein so schroffer Uebergang, wie das in Fig. 48 e. künstlich dargestellt ist, statt. Die Breite des Axen- 1) REıcHErT's Archiv 4862. 2) M. SchuLtze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. III. 4867. Zeitschr, f. wissensch. Zoologie. XVIIE. Bd. 6 82 i Dr. €. Hasse, cylinders entsprach den bei den Vögeln angestellten Messungen 0,0023 Mm. | Die Ausbreitung des Epithels, welches die Crista acustica der Ampullen bekleidet, bietet einen Unterschied sowohl von der dar, wie sie sich bei den Vögeln, als von der, wie sie sich bei den Säugethieren findet. Während dasselbe in diesen beiden Thierclassen in der Mitte der Leisten die grösste Ausdehnung gewann, und dann gegen die Plana semilunata an den Seitenwänden abnahm, sahen wir bei den Fröschen fast das umgekehrte Verhalten. An den verticalen Ampullen sehen wir das Nervenepithel die grösste Ausdehnung an den Seitenwänden er- reichen (Taf. II. Fig. 7 d.), während es auf der höchsten Höhe der Crista eine geringere Breite besitzt, und das gleiche findet in der hori- zontalen Ampulle statt, in welcher die Ausbreitung von der Nähe des Bodens bis hoch an die Seitenwand hinauf stetig zunimmt, um dann, wie vorhin erwähnt, ohne eigentliches Planum semilunatum zu enden. Was die Elemente betrifft, aus denen das Nervenepithel besteht, so sehen wir hier wiederum zwei Zellformen auftreten, für die ich auch hier den Namen der Stäbchen- und Zahnzellen in Anwendung bringen möchte. Von derFläche gesehen, treten diese beiden Elemente einiger- maassen zu Tage, namentlich wenn man die Behandlung mit Osmium- säure angewandt hat. Man sieht dann dunkle, schwarze Kreise auf- treten (Taf. IV. Fig. 20 a.), mehr oder minder regelmässig umgeben von helleren, unregelmässig rundlichen Kreisen in verschiedener Zahl 5—7 (Taf. IV. Fig. 20 b.). Letztere treten aus alsbald zu erwähnenden Gründen nicht gerade übermässig deutlich hervor, wenigstens nicht so: klar wie bei den Vögeln, allein es gelingt doch immer bei genauerem Studium das Verhältniss zu eruiren, und namentlich dadurch, dass man bei hoher Einstellung Haargebilde das Epithel überragen sieht (Taf. IV. Fig. 20 c.), von denen man jedes einzelne zu den dunkleren Zellen verfolgen kann. Recht schwierig ist es, das wahre Verhältniss auf Quer- oder Längsschnitten zu ergründen und lange Zeit bin ich in Betreff des Wechselverhältnisses der beiden Zellformen getäuscht wor— den. Ich wurde zu der ‘Annahme eines geschichteten Pflasterepithels geführt, von dem allerdings die eine Zellform mir die wesentlichen Theile der Stäbchenzelle zu zeigen schien. Fig. 14 und 19 zeigt ein solches Bild.* Es gehören immer sehr feine und sorgfältig conservirte Schnitte dazu, um sich vor Täuschungen zu bewahren. Am besten gelingt es noch an Osmiumsäurepräparaten. Die aus Mürrer’scher Flüssigkeit bieten mir die geringsten Vortheile. Durch das allmähliche und gleichmässige Ansteigen der Gehörleisten kommt es, dass man bei ein wenig dickeren oder etwas schrägen Schnitten Kerne hintereinander, EEE Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche. 83 höher oder tiefer gelegener Zellgebilde zu Gesicht bekommt, und wenn man die ausserordentlich leichte Vergänglichkeit, den schnellen Zerfall oder die Zartheit der Zellen, die sich namentlich an mit Liquor Mülleri behandelten Gebilden manifestirt, in Betracht zieht, und namentlich an den Zahnzellen sichtbar wird, so ist es begreiflich, dass man wegen der runden Kerne, die die am meisten resistenten Theile sind, das Aussehen eines geschichteten Pflasterepithels bekommt. Es ist dem aber nicht so, wir haben es mit einem einfachen Cylinderepithel zu thun, dessen beide Elemente wie bei den höheren Wirbelthieren freilich nicht in einer Ebene liegen. Die Kerne der Stäbchenzellen (Taf. IV. Fig. 22 f.) liegen höher, während die der Zahnzellen in continuirlicher, ziemlich gleichmässiger Reihe unmittelbar am Basalsaum sich finden (Taf. IV. Fig. 22c. 24 b.). Auf dem Querschnitt wechselt eine Stäbchen- zelle mit einer Zahnzelle ab, zuweilen kann man allerdings zwei Zahn- zellen neben einander liegend finden (Taf. IV. Fig. 23h.), ein Umstand, der leicht aus der Flächenansicht, Fig. 20, erhellt, wenn wir etwa einen Schnitt durch die beiden Haarzellen der Mitte gelegt haben. Die Zahnzellen sind äusserst zarte, vergängliche Gebilde, die wir namentlich in Mürrer’scher Flüssigkeit die mannigfaltigsten Formen an- nehmen sehen, besitzen aber in gut erhaltenem Zustande eine der der Vögel und Säugethiere entsprechende Form. Es sind schöne, grosse, durchsichtige Cylinderzellen von 0,036 Mm. Höhe, welche noch etwas in der Tiefe der muldenförmigen Aushöhlung der Gehörleisten der verticalen Ampullen zunimmt. Sie zeigen einen meistens im Grunde, doch oft auch etwas höher liegenden Kern (Taf. IV. Fig. 22 e.). Im letzteren Falle findet sich noch bis an den Basalsaum ein kurzer Zell- fortsatz (Taf. IV. Fig. 23 b.). Der dunkel granulirte Kern mit kleinem, hellen Kernkörperchen (Taf. IV. Fig. 23 h.), besitzt einen Durchmesser von 0,006 Mm. Er füllt den untern Theil der Zelle fast ganz aus (Taf. IV. Fig. 23 h.). Oberhalb desselben verschmälert sich die Zelle, um dann gegen das freie Lumen der Ampullen wieder etwas an Durch- messer zuzunehmen. Das Protoplasma derselben ist, wie gesagt, ziem- lich klar, durchsichtig, nur leicht körnig getrübt. Eine Zellmembran ist, wenn überhaupt vorhanden, nur äusserst zart. Ich glaube ein Fehlen derselben annehmen zu müssen und dafür spricht die ausser- ordentlich grosse Veränderlichkeit der Gebilde. Schon® auf sorgfältig behandelten Flächenansichten ist es oft schwierig, die einzelnen Zell- srenzen zu beobachten, sie fliessen oftmals in einander, lassen sich jedenfalls nicht so bestimmt wie bei den höheren Wirbelthieren ab- grenzen, bekommen sonderbare Ausläufer, Einbuchtungenete. (Taf. IV. Fig. 23 i.), ja der obere Theil des Zellprotoplasma fehlt leicht, und der 34 Dr. Ü. Hasse, Kern sieht dann wie aus einem Kelchglase aus dem übrigen Protoplasma heraus, oder man bekommt Kerne, denen nur eine unbedeutende Menge desselben anhaftet, oder es fehlt wohl ganz und der Kern ist aus- schliesslich sichtbar. Nicht völlig so ausgeprägt ist dieses Verhalten an den Stäbchen- zellen, obgleich auch diese Gebilde immerhin auch ausserordentlich vergänglich sind, vergänglicher jedenfalls, wie mir scheint, wie bei Vögeln und Säugethieren. Ich glaube an ihnen ist eine zarte Membran vorhanden. Die Form derselben ist wie bei den höheren Thieren. Sie haben die Gestalt einer langhalsigen, nach unten bauchigen Flasche. Der runde oder länglich runde Kern (Taf. IV. Fig. 23 e.) liegt mit seinem Kernkörperchen im Grunde der Zelle, die dort den grössten Durch- messer 0,008 Mm. besitzt und dadurch die Einschnürung der Zahn- zellen hervorruft. Oberhalb desselben zieht sich die Zelle allmählich in einen langen, dünnen Fortsatz aus, der mit einem Verdickungssaume abschliesst und unterhalb desselben einen Durchmesser von 0,006 Mm. besitzt (Taf. IV. Fig. 235.). Gegen den Basalsaum der Gehörleiste zeigt sich die Zelle unterhalb des Kerns oftmals abgerundet, zuweilen aber bemerkt man an demselben einen kurzen Fortsatz von 0,0023 Mm. Dicke, der ganz das Aussehen einer blassen Nervenfaser besitzt (Taf. IV. Fig. 23 f.). Der 0,0014 Mm. starke Verdickungssaum (Taf. IV. Fig. 23 d.u. e.) zeigt sich zuweilen leicht streifig und aus ihm ragt ein an der Basis 0,004 Mm. im Durchmesser haltendes, langes, wellig gebogenes und unendlich spitz auslaufendes Haar empor (Taf. IV. Fig. 22 g.), welches häufig kurz abgebrochen erscheint (Taf. IV. Fig. 23 g. u. p.) und zuweilen auch eine zarte Längsstrichelung darbietet. Das Proto- plasma der Zelle ist hell, körnig getrübt und färbt sich in Osmiumsäure stärker wie die Zahnzellen. Auch hier wie bei den Vögeln ist es mir vorgekommen, als hätten wir es mit einem noch complicirteren Gebilde zu thun, als verliefe vom Kern ausgehend bis unter den Verdickungs- saum eine feine Faser, jedoch bin ich auch hier nicht zur Gewissheit darüber gekommen, obgleich mir ein dunkler Contour (Taf. IV. Fig. 23e.) dafür zu sprechen schien. Auch habe ich bei veränderten Stäbchen- zellen Kerne gesehen, die feine haarförmige Fortsätze trugen, ohne darüber zur Entscheidung kommen zu können, ob wir es hier mit dem fraglichen Faden oder mit zurückgebliebenem Zellinhalt zu thun hätten. Ich möchte auch hier die Aufmerksamkeit kommender Forscher auf diesen interessanten Punkt lenken. Die den Stäbchenzellen angehören- den Haare, die sich aus dem Verdickungssaume derselben erheben, ragen wie bei den höheren Wirbelthieren frei in die Endolymphe der Ampullen hinein, wenigstens habe ich nie an meinen besten namentlich De u eh ne un 5 y | Mi hf “ \ t u N j ” Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche, 85 mit Osmiumsäure behandelten Präparaten ein anderes Verhältniss ent- decken können, dagegen sind mir namentlich an mit Alkohol und Liquor Mülleri behandelten Präparaten Bilder aufgestossen, die mich lebhaft an das erinnerten, was Lang: »das Gehörorgan der Cyprinoiden«!) als cupula terminalis beschrieben und so manchen Widerspruch erfahren hat. Es ruhte auf den Haaren, mehr oder minder tief gegen das Nerven- epithel hinunterragend eine helle, durchsichtige, häufig körnige Masse (Taf. IT. Fig. 12. u. 13c.), die meine Aufmerksamkeit im höchsten Grade erregte. KÖöLLıker sprach in seiner Gewebelehre 4. Auflage die Vermuthung aus, dass es die verklebten Haare seien, die Lang als ‚selbständiges Gebilde gesehen. Ich bin geneigt mich dieser KöLLıkEr’- schen Auffassung anzuschliessen und glaube, dass die Masse, welche ich den Härchen aufruhend gefunden, wenigstens zum grössten Theil, aus den verklebten feinen Spitzen der Haare besteht, zum Theil auch wohl aus von dem Steinsack hineingeschwemmten Theilen der dort befindlichen die Otolithen zusammenhaltenden Gallertmasse. Normal ist dieses Verhalten keineswegs. Kehren wir nun wieder zu den Nerven zurück, um den weiteren Verlauf derselben zu sehen, nachdem sie als blasse Fasern den Basal- saum durchbohrt haben. Sie steigen zuweilen senkrecht zwischen den Zahnzellen empor (Taf. IV. Fig. 22. u. Fig. 19.), zuweilen jedoch lassen sie sich als Fasern von demselben Aussehen, wie dicht unterhalb des Basalsaumes und innerhalb desselben, auf weite Strecken verfolgen (Taf. IV. Fig. 21 d.), immer mit demselben Durchmesser ohne sich zu theilen oder Verbindungen mit anderen Fasern einzugehen. Anfangs steigen sie zwischen zwei Zahnzellen empor, biegen dann aber um und laufen gegen eine weit entfernt liegende Stäbchenzelle, kreuzen sich mit den übrigen eintretenden Nervenfasern und bilden so gleichsam einen sub- oder eigentlich intraepithelialen Plexus (Taf. IV. Fig. 21 e.), ähnlich wie es in der Neuzeit namentlich auch von EnGELManN: »Ueber die Hornhaut des Auges«. 1867. beschrieben worden ist. Die Verbin- dung mit den Stäbchenzellen habe ich an diesem Orte nicht unzweifel- haft constatiren können. Ich glaube aber, dass sie ebenfalls wie bei den Vögeln vorhanden und Beweis dafür ist mir der Nervenfaser ähn- liche untere Fortsatz der Stäbchenzellen und die vollkommene Ueber- einstimmung im Wesen des Baues mit den betreffenden Organen der anderen Thiere. Erneute Untersuchungen namentlich an Isolations- präparaten müssen es jedoch unzweifelhafter constatiren. Aus diesem so eben beschriebenen Verhalten im Bau des Bogen- apparates der Frösche ist die grosse nn ersichtlich, 4) Diese Zeitschr. Bd. XIII. 1863. 36 z Dr. C. Hasse, welche zwischen den wesentlichsten Theilen desselben, namentlich so weit es die Endigung der Nerven in Stäbchenzellen und der isolirte Verlauf der nervösen Fasern und der Isolirung dieser Endigungen be- trifft, mit dem bei den Vögeln und den Säugethieren von mir gefun- denen leicht ersichtlich. Wenden wir uns nun zur Beschreibung des anderen wichtigen Theiles des Gehörapparates des Frosches, so ist DEITERS in seiner aus- gezeichneten Untersuchung : »Ueber das innere Gehörorgan der Am- phibien«!) der Einzige, der den Bau dieses Theiles näher in den Bereich seiner Betrachtung gezogen hat, ohne doch in Betreff desselben zu einem Abschlusse zu gelangen, da sein Interesse wesentlich durch die Schneckenrudimente der Batrachier in Anspruch genommen wurde. Seine Angaben werde ich an den geeigneten Siellen überall in Betracht ziehen und die Richtigkeit seiner Beobachtungen wird klar in die Augen springen, wenn auch die Deutung mit der meinigen nicht überall in Einklang steht. Der Steinsack ist, wie schon sein Name sagt, ein mit einer starken Otolithenmasse erfüllter Behälter, an den an einer Stelle ein Zweig des Gehörnerven herantritt, der ziemlich scharf umschrieben als rund- licher, etwas gelblich gefärbter Fleck sich präsentirt (Taf. IV. Fig. 25b.), ganz wie es auch Deiters abbildet. An dessen Stelle und in dessen nächster Umgebung erscheint die Wandung des Sackes etwas verdickt, ganz nach Analogie der Maculae acusticae der höheren Wirbelthiere und deren nächster Umgebung. Jenseits dieser verdickten Stelle zeigt sich die Wandung als eine äusserst zarte Membran, desto zarter, je weiter wir zu der der Macula acustica gegenüberliegenden Parthie des Sackes kommen, und die uns wiederum einen Beweis liefert, dass die knorpelartige Substanz der Wandungen der Classe der Bindegewebs- substanzen zuzuzählen ist. Die Gegend des Gehörfleckes zeichnet sich übereinstimmend mit Deıters’ Angaben noch ganz besonders dadurch aus, dass wir hier ähnlich wie an der Unterfläche der Gehörleisten starke Anhäufungen von vielgestaltigen Pigmentzellen sehen (Taf. IV. Fig. 25e.), die sich auch auf dem eng mit dem Sacke verbundenen Perioste finden. Der ganze Sack ist, wie gesagt, erfüllt mit kleinen Kalkconcrementen, die man oftmals als zusammenhängende Masse her- ausheben kann. i Die der Macula acustica gegenüberliegende Wand besteht wie bei dem Etriculus der Vögel und Säugethiere aus einer äusserst zarten Bindegewebsmembran, die homogen, mit eingestreuten und Ausläufer aussendenden Kerngebilden ein ähnliches Ansehen wie das Periost be- 4) Archiv für Anatomie und Physiologie. 4862. Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche. 37 sitzt, nur dass sie entschieden feiner ist und auch der elastischen Ele- mente ermangelt. Die Zellgebilde liegen freilich äusserst sparsam. Ein schmaler Basalsaum ist vorhanden. Bekleidet wird diese Membran von einem sehr schönen, grossen, länglichen, unregelmässig polygona- len Pflasterepithel, deren grösster Durchmesser 0,045 Mm. beträgt, während der kleinste 0,008 Mm. zeigt (Taf. IV. Fig. 24.). Die ein- zelnen Zellen sind hell, durchsichtig, mit schwachen Granulationen, der Kern ist rund von 0,004 Mm. Durchmesser mit kleinem hellem Kernkörperchen. Je näher wir nun der Macula acustica und deren dunkler Wandung kommen, desto mehr wird die Textur derselben der der Wandungen des Bogenapparates gleich. Die in der homogenen Masse eingesprengten Zellgebilde werden reichlicher, ihre nach entgegengesetzten Seiten ver- laufenden Ausläufer anastomosiren mit einander, theilen sich auch wohl. Die homogene Intercellularmasse nimmt an Dicke zu, um in der Mitte der Macula acustica die grösste Dicke zu erreichen. In diese Knorpel- wandung eingeschlossen verlaufen die Gefässe (Taf. IV. Fig. 27e.). ‚ Auch in ihr habe ich wie bei den Ampullen bei geeigneter Behandlung die dort beschriebenen Sprünge und Risse auftreten sehen. Mit der Dickenzunahme der Wandung ändert sich auch der Cha- rakter des Epithels. Der Durchmesser desselben nimmt ab 0,03 Mm., die Form ändert sich, sie werden rundlich polygonal (Taf. IV. Fig. 25 e.), schliesslich rundlich. Zu gleicher Zeit werden die Pflasterzellen höher und gehen schliesslich in die Form der Cylinderzellen, der wahren Bodenzellen, über (Taf. IV. Fig. 27d.). Diese erreichen schliesslich an der äussersten Grenze der Nervenausbhreitung der Macula ihre grösste Höhe 0,04 Mm., indem sie dazu allmählich ansteigen. Zu gleicher Zeit tritt auch eine Aenderung in der Lage des Kernes zu Tage. Lag er in den Pflasterzellen im Grunde derselben, so erhebt er sich jetzt mehr und mehr mit der Zunahme der Bodenzellen an Höhe und befindet sich schliesslich in der Mitte derselben. Jede einzelne Zelle ist ziemlich hell, ‚ durchsichtig, schwach granulirt. Diese Bodenzellen hat Deirers!) sehr getreu auf Tab. Vlle. abgebildet. Was nun die Ausbreitung des Nerven anbetrifft, so strahlt dieser schräge in die Knorpelwandung hineintretend (Taf. IV. Fig. 26a.) als- bald in eine Menge grösserer oder kleinerer Bündel aus (Taf. IV. Fig.25a. u. 265.), die eine verschiedene Zahl stärkerer oder schwäche- rer, doppelt contourirter Nervenfasern enthält (Taf. IV. Fig. 26d. u. Fig. 30.), der Durchmesser derselben schwankt in den bei den Gehör- leisten der Ampullen angegebenen Grössen. Schon innerhalb der Bün- Abe; 33 Dr. C, Hasse, del sich unter einander verflechtend, strahlen dieselben dann in die einzelnen Fasern aus, die schräge gegen den auch hier von der Knorpel- substanz abgesetzten Basalsaum aufsteigend mannichfach gebogen oder wellenförmig verlaufen (Taf. IV. Fig. 26d. u. Fig. 275.), sich kreuzen und so einen reichen Plexus zu Stande bringen, wie ich ihn auch im Utriculus der Vögel und Säugethiere gefunden. Es findet keine Theilung der Nervenfasern, noch eine Verbindung derselben statt. Jede einzelne läuft gesondert in ihrem Knorpelcanälchen. In grösserer oder gerin- gerer Tiefe, doch meistens ziemlich dicht unterhalb des Basalsaumes biegen die Fasern meistens schlingenförmig um (Taf. IV. Fig. 26e. u. Fig. 27.), so dass man wohl auch hier versucht sein könnte HArr- Mann’ sche Schlingenendigung anzunehmen, allein die Faser verläuft weiter, sie verliert aber auch hier ihr doppelt contourirtes Aussehen und geht ebenso, wie ich es ausführlicher bei den Ampullen beschrie- ben, in eine blasse Nervenfaser über. Diese läuft oftmals auf längere Strecken dicht unterhalb des Basalsaumes hin, steigt aber dann wieder empor und durchbohrt ihn, um mit demselben Aussehen ins Epithel zu treten. Es ist ein ziemlicher Wechsel in diesem Verlaufe, da die blassen Nervenfasern auch häufig ziemlich senkrecht gegen den Basalsaum auf-— steigen und diesen so durchbohren (Taf. IV. Fig. 30 b.). Dieses schlin- genförmige Umbiegen unterhalb des Basalsaumes hat zur Folge, dass man bei Flächenansichten häufig Bilder bekommt, als erstrecke sich die Nervenausbreitung über den Bereich des gleich zu beschreibenden Ner- venepithels. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Das Nervenepithel sitzt, wie erwähnt, als rundlicher Fleck der Nervenausbreitung auf (Taf. IV. Fig. 255.), und man bemerkt von der Fläche gesehen schon bei kleiner Vergrösserung in demselben rund- liche, discret stehende, dunkle Zellen mit dunklem körnigen Inhalt, ein Bild ziemlich dem entsprechend, wie es Deiters giebt. Auf der Höhe der Zellen sieht man häufig, wie er es an einigen Stellen, wenn auch undeutlich, jedoch ganz richtig abbildet, einen hellglänzenden, lichten Punct (Taf. IV. Fig. 305.). Beim näheren Betrachten bemerkt man jedoch, wie jede einzelne dieser discret stehenden Zellen (Taf. IV. Fig. 28a.), ebenso wie auf den Gehörleisten der Ampullen von einem Kreise mehr oder minder deutlicher kleinerer, rundlicher, hellerer Zellen umgeben ist (Taf. IV. Fig. 28e.). Es sind die beiden Zellformen, denen wir schon so häufig bei den verschiedensten Thieren begegnet sind, die Zahn- und die Stäbchenzellen. Auf dem Querschnitte wech- selt eine Zahn- mit einer Stäbchenzelle ab. Der Kern der Ersteren liegt auch hier im Grunde der Zelle nahe am Basalsaume oder etwas ober— halb desselben. Der Kern der Letzteren ein wenig höher, die Zahn- Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche, 89 zellen besitzen eine Höhe von 0,045 Mm., der Durchmesser des rund- lichen Kerns, der ein kleines Kernkörperchen besitzt, beträgt 0,006 Mm. Jede Zahnzelle ist hell, licht, leicht granulirt und ich glaube auch hier dem Protoplasma eine äussere Verdichtungsschicht in Gestalt einer Membran absprechen zu müssen. In der Gegend des Kernes bauchig, verschmälert sie sich oberhalb desselben, bekommt gleichsam einen Einkniff. Es ist mir vorgekommen, als seien die Zahnzellen im Stein- sacke schlanker als in den Ampullen, wenigstens nach Isolationspräpa- raten zu rechnen, die ich dort aus Mürrer’scher Flüssigkeit bekommen habe; allein es ist möglich, dass diese Veränderungen auf Rechnung des Reagens zu setzen sind, ebenso wie die grössere Breite der Stäbchen- zelle unterhalb des Verdickungssaumes 0,009 Mm. Die Stäbchenzellen haben im Uebrigen vollkommen dieselben Theile aufzuweisen, wie in den Ampullen, den unteren Nervenfaserfortsatz, den runden Kern, die bauchige Auftreibung in der Gegend desselben, den oberen längeren, schmäleren Fortsatz und schliesslich den Verdiekungssaum, der sich in ein starkes, aber kürzeres Haar wie in den Ampullen auszieht. Dieses ist meistens leicht hakenförmig gekrümmt (Taf. IV. Fig. 31 d.), der helle leuchtende Punct auf der Flächenansicht der Stäbchenzellen ist der Ausdruck desselben (Taf. IV. Fig. 28 b.). Nachdem die blassen Nervenfasern ins Epithel durch den Basal- saum getreten sind, verlaufen dieselben ohne Theilung und ohne Ver- bindung in derselben Dicke und wahrscheinlich mit einer ausserordent- lich zarten Scheide versehen weiter, steigen theils senkrecht zwischen den Zahnzellen empor, theils verlaufen sie auf längere Strecken quer zwischen denselben (Taf. IV. Fig. 30 5b.) und bilden auch hier mit den übrigen Fasern sich kreuzend hie und da einen weitmaschigen Plexus. Ich glaube einmal eine Verbindung einer Stäbchenzelle mit einer solchen Nervenfaser gesehen zu haben, lege aber keinen besonderen Werth darauf, da mein Zeichner mir dieselbe nicht zu bestätigen vermochte. Dass sie vorhanden, daran zweifle ich ebenso wenig, wie bei den Am- "pullen. Es wäre hier der Ort, noch einmal gegen die Theilung des Axeneylinders mich auszusprechen, die M. Scautze!) bei den Haien und Rochen, und Opextus?) bei dem Menschen statuirt, obgleich letz- terer wieder eine Dichotomie annimmt. Ich muss mich auch für die Frösche gegen jede Theilung aussprechen, um so mehr, weil mir in der jüngsten Zeit Bilder zu Gesicht kamen, welche es mir erklärlich zu machen schienen, wie man zur Annahme einer Theilung kommen konnte. Ich habe zuweilen gesehen, wie an den isolirten blassen Ner- venfäserchen Fortsätze auftraten, die man möglicherweise als Theiläste B.”C. 2Y Tre: 90 Dr, D. Hasse, deuten konnte. (Taf. IV. Fig. 33 d.), allein immer liess sich der einfache Contour der blassen Faser an denselben vorüber verfolgen. Dann kamen mir auch Bilder vor, wie ich nach dem Auflegen des Deckglases ohne Glassplitterchen,, vermittelst der dadurch stattfindenden leichten Quetschung eine scheinbare Theilung des Axencylinders ganz so, wie es SchuLrtze in seiner Fig. 9. abbildet, auftreten sah. Die Quetschung manifestirt sich aber darin, dass die blasse Nervenfaser nach dem Her- austritt aus dem Basalsaum beträchtlich breiter erschien, als innerhalb desselben. Die etwa vorhandene feine Umhüllungsmembran musste demnach zerrissen und die Masse des Axencylinders in strahlenförmige Fortsätze herausgetrieben sein. Solche Bilder finden sich überein- stimmend auch bei jungen Katzen, die ich der Untersuchung unterwarf. : Eine Dichotomie ist mir auch zuweilen vorgekommen (Taf. IV. Fig 33. links), doch sie war nur scheinbar; die eine Faser liess sich immer hin- ter der anderen gegen den Basalsaum hin verfolgen. Es fand nur ein Aneinanderlegen der isolirten feinen Fäserchen statt. Ein fernerer Be- weis dafür ist der, dass der eine Zweig gerade eben dieselbe Stärke hat wie der Stamm, und dieser müsste doch stärker sein, wenn eine wirkliche Theilung stattfände. : Die das Nervenepithel überragenden Haare erstrecken sich nicht frei in die Endolymphe hinein, sondern ragen in eine Masse, die wie Deiters glaubt, als eine Membrana tectoria anzusehen ist, und der die Otolithen aufliegen. Er glaubt dann noch eine Masse beobachtet zu haben, die die Otolithen zusammenhält. Meine Uniersuchungen haben zu ganz verschiedenen Resultaten geführt, je nach der Art des Reagens, welches ich anwandte, und sie stimmen selbst nicht immer bei der Anwendung des gleichen. Oeffnet man die zarte Membran des Stein- sackes, so fliesst ein grosser Theil der Otolithenmasse, bei welcher Behandlung.es auch immer sei, davon, zuweilen lassen sich auch ‚wohl namentlich in Mürter'scher Flüssigkeit alle Otolithen wegschwemmen. Sie scheinen entweder theilweise kein Bindemittel zu besitzen, oder dasselbe ist nur in einem verschwindend geringen Maasse vorhanden, und wird durch die Mürrer’sche Flüssigkeit dazu gebracht die Kalk- körperchen fahren zu lassen. Gelingt es jedoch, wie es häufig an Alko- holpräparaten geschieht, eine zusammenhängende Otolithenmasse her- auszuheben, so kann man daraus zuweilen Reste einer klaren, structur- losen, gallertigen Bindemasse isoliren, ähnlich wie aus der Lagena der Vögel. Immer aber bleibt oberhalb des Nervenepithels sich an deren Bereich haltend eine glashelle Membran zurück, die ein verschiedenes Aussehen darbieten kann, über die schwer eine Entscheidung zu treffen ist, ob man sie als eine Membrana tectoria anzusehen hat, oder als eine Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche, 91 Membran, die in Beziehung zu den Otolithen zu bringen ist, ähnlich wie die Masse in der Lagena und dem Utriculus der Vögel. Ich glaube Letzteres. Sie ist wechselnd in ihrem Verhalten, zeigt zuweilen eine deutliche Strtietur und gar keine Otolithen, zuweilen solche in ihre Substanz eingeschlossen und nur undeutliche Structurverhältnisse. Ersteres zeigt sich namentlich bei starker Einwirkung der Osmium- säure und des Alkohols. Das Aussehen ist dann ganz wie das der Membrana tectoria bei Vögeln, nur dass die transversalen Streifen feh- len. Es finden sich starke und tiefe Eindrücke für die einzelnen Haare der Stäbehenzellen (Taf. IV. Fig. 30f.), während ich solche für die Zahnzellen nicht wahrgenommen. Die Otolithen sind ihr dann einfach aufgelagert und stehen scheinbar nicht zu ihr in Beziehung. Bei schwächerer und namentlich weniger härtender Einwirkung der Rea- gentien sieht man dagegen häufig die Otolithenmasse derselben fest an- haften, auch wohl solche, wie erwähnt, in ihrer Substanz eingeschlossen, und diese ohne eine so deutliche Structur, wie vorher beschrieben. Es ist dann mehr eine homogene Membran, in der man allerdings hie und da mehr oder minder deutlich Eindrücke der Haare sieht, so wie ich es aus dem Utrieulus der Vögel abgebildet. Ich halte es demnach nicht für unmöglich, dass durch Reagentien eine Schrumpfung der gallertigen Membran zu Stande kommt, die dann entsprechend den Theilen, auf denen sie liegt und die in sie hineinragen, eine bestimmte ' Textur annimmt. Ich glaube, dass wir es im natürlichen Zustande, wie ‚ in der Lagena der Vögel und im Utriculus, mit einer reicheren Gallert- _ masse zu thun haben, in die die Härchen hineinragen, die die Otolithen _ aus ssich herauskrystallisiren lässt, jedoch in einem solchen übermässigen ' Grade, dass nicht alle in ihrer Masse eingeschlossen sein können, son- ' dern hinausgeschoben werden und so vielfach lose derselben auf- liegen. R ‘Dies die Verhältnisse des Steinsackes, von denen wir I dass ' sie denen des Utriculus der Säugethiere im wesentlichen Fotspreehon. Ob dieser Theil des Gehörorganes der Frösche wirklich dem eben . erwähnten bei den Säugethieren und dem gleichen bei den Vögeln ent- ' spricht, das ist eine Frage, die ich unter Anderem in meiner nächsten Abhandlung beantworten werde. Göttingen im Juli 1867. 92 Fig, 4 Fix. „2 Pie Fig. 4 Fig. 5 Fig. 6 KEiesi37 Kiss. 8 Emm Fig. 40. Fig. AM. Dr, C. Hasse, Erklärung der Abbildungen. . Tafel III. ‚ Vergr. '?%,. Querschnitt durch einen häutigen Bogengang. a Knorpel- masse. b Kerngebilde derselben. c Zellen, durch deren Ausläufer die Ver- bindung mit dem Periost vermittelt wird. d Basalsaum des Bogengangs. e Pflasterepithelien der inneren Wandung. Alkoholpräparat. . Vergr. 3°%,. Das die Bogengänge bekleidende Pflasterepithel von der Fläche gesehen. Alkoholpräparat. . Vergr. '®/,. Die Ampullen des horizontal und sagittal gestellten Bogengangs mit dem Steinsack von der der inneren Schädelwand zugekehrten Fläche gesehen. a Die Ampulle des horizontalen Bogengangs. b Das dieselbe um- hüllende, bei der Herausnahme losgelöste Periost. ce Der zu der Ampulle tretende Kern. d Die Ampulle des sagittalen Bogengangs. e Der zu der- selben tretende Nerv. f Der Steinsack. g Der zu demselben tretende Nervengang. Osmiumsäurepräparat. . Vergr. 3°%,. Flächenansicht der Umgebung der Dachzellen der Ampullen. a Pflasterepithelzellen. 5 Streifen der Dachzellen. . Vergr. °%Y,. Das Dach einer der häutigen Ampullen von der Innenfläche gesehen. a Die Knorpelwandung. b Die Pflasterepithelzellen der Ampulle. c Der Streifen der Dachzellen. d Die Zellen des Bogengangs. e Der in den Bogengang sich hinein erstreckende Streifen der Dachzellen. Präparat aus Alkohol. . Vergr. '?%,. Querschnitt durch das Dach einer häutigen Ampulle. a Die Knorpelwandung. 5 Die Pflasterzellen der Ampulle. c Die Dachzellen. d Der Basalsaum. e Die Zellen zur Verbindung mit dem Perioste. f Pig- mentzellen. Alkoholpräparat. . Vergr. ?%,. Der Boden der geöffneten frontalen Ampulle von der Innen- fläche gesehen. a Der zur Crista acustica iretende Nerv. b Der gegen den Utriculus gewendete Fleck von Pigmentzellen. c Der in der Nähe der Ein- mündung des Bogenganges befindliche Fleck von Pigmentzellen. d Die Abflachung der Crista acustica an der Seitenwand der Ampulle. e Mitte der Crista acustica. fDie die Ampulle auskleidenden Pflasterzellen im Profil gesehen. Osmiumsäurepräparat. . Vergr. ?°%,. Zellengruppe aus dem Pigmentflecke einer häutigen Ampulle. Osmiumsäurepräparat. . Vergr. °%,. Der Boden und die eine Seitenwand der horizontalen Ampulle von der Innenwand aus gesehen. a Der zur Crista acustica tretende Nerv. b Der in der Nähe des Utriculus befindliche Fleck von Pigmentzellen. c Der in der Nähe der Einmündungsstelle des Bogengangs befindliche Fleck von Pigmentzellen. d Die Gehörleiste. e Abflachung der Crista acustica. f Die an der Seitenwand befindlichen im Profil gesehenen Pflasterzellen. Osmiumsäurepräparäat. Die Umgebung der sagittalen Ampulle von der Innenfläche gesehen nach Ablösung des Epithels. a Der zur Gehötleiste tretende Nervenast. db Die mittlere höchste Erhebung der Crista acustica. c Die Einsenkung auf der Höhe der Leiste. d Scheinbare Fasern in der Knorpelwandung der Ampulle. e Die sich allmählich abflachende Crista acustica. Präparat nach sehr schwacher Einwirkung der Osmiumsäurelösung, Vergr. *?%,. Querschnitt durch einen Theil des Bodens einer häutigen Ampulle jenseits-der Crista acustica. a Die Knorpelwandung der Ampulle. b Basalsaum derselben. c Zellen aus dem Pigmentzellenfleck. d Boden- zellen. Alkoholpräparat. | Fig. 12 Fig. 43. i Fig. Ab. | Eig. 45. ' Eig. 16. Fig. 47. | Fig. 48. | Big. 49. | Fig. 20. ı Fig. 4. Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche, 93 Vergr. °°/,. Querschnitt durch die Ampulle des sagittal gestellten Bogen- gangs, wodurch die Crista acustica freigelegt worden ist. a Der zur Gehör- ‚leiste tretende Nerv. 5 Die an der Seitenwand abgeflachte Crista mit dem darauf sitzenden Nervenepithel. ce Die mittlere Erhebung der Crista mit Nervenepithel. d Die Haare des Nervenepithels. e Lang’sche Cupula termi- nalis. f Pigmentzellen. Alkoholpräparat. Vergr. °%,. Querschnitt durch Boden und Seitenwandung der Ampulle des horizontalen Bogengangs, um die Form der Crista zu zeigen. a Der zur Gehörleiste tretende Nerv. 5 Die Abflachung der Crista an der einen Seitenwand mit Nervenepithel bekleidet. c Die Höhe der Leiste. d Haare des Nervenepithels. e Lane’sche Cupula terminalis. f Pigmentzellen. Alkoholpräparat. Vergr. ??°%,. Querschnitt durch die Crista acustica nebst Umgebung der sagittalen Ampulle im Beginne der Erhebung. a Knorpelwandung. b Basal- saum. c Bodenzellen. d Nervenepithel der Gehörleiste. e Dasselbe über- ragende Haare. f Die hinzutretenden dunklen Nervenfasern. Osmium- säurepräparat. Vergr. *”%,. Querschnitt durch die Crista acustica derselben Ampulle in ihrer höchsten Höhe. a Bündel hinzutretender Nervenfasern. b Pigment- zellen. c Pigmentzellen aus dem Flecke in der Nähe des Bogenganges. c' Pigmentzellen aus dem Flecke in der Nähe des Utriculus. d Boden- zellen am Abhange der Leiste. e Dieselben neben dem Nervenepithel. f Nervenepithel. g Haar einer Stäbchenzelle. h Blasse Nervenfaser. i Dunkelrandige Faser. k Querschnitt der doppeltcontourirten Fasern. Osmiumsäurepräparat. Vergr. ??%,. Querschnitt durch die höchste Erhebung der Crista acustica der horizontalen Ampulle. a Bündel der hinzutretenden Nervenfasern. b Zellen des Pigmentflecks aus der Nähe des Utriculus. b’ Zellen desselben in der Nähe der Einmündung des Bogenganges. c Bodenzellen am Ab- hange. d Nervenepithel, e Dunkelrandige Nervenfasern. Osmiumsäure- präparat. Vergr. '*%,. Querschnitt durch den Stamm des Nervus vestibularis nach Abheben der Umhüllungsmembran. a Ganglienzellen. 5 Dunkelrandige Nervenfasern. Osmiumsäurepräparat. Tafel IV. Vergr. ?°%/,. Nervenfasern und Ganglienzellen aus dem zur sagittalen Ampulle gehenden Nervenaste. a Dunkelrandige Nervenfaser. b Hülle einer bipolaren Ganglienzelle. c Protoplasma der Ganglienzelle.. d Kern mit Kernkörperchen derselben. Aus der dunkelrandigen Faser ragender blasser Axencylinder. Osmiumsäurepräparat. Vergr. *#°%/,. Querschnitt durch den Beginn der Gehörleiste einer häutigen Ampulle. a Dunkelrandige Nervenfaser. 5b Uebergang der dunkelrandigen in eine blasse Faser. c Kerngebilde der Knorpelwandung. d Basalsaum. e Scheinbar geschichtetes Nervenepithel. f Haare desselben. Osmium- säurepräparat. Vergr. ?°%,. Nervenepithel einer Crista acustica von der Fläche gesehen. a Stäbchenzelle. db Zahnzelle. c Haare der Stäbchenzellen. Osmiumsäure- präparat. Vergr. ?°%,. Stück eines Längsschnittes der Crista acustica einer verticalen - Ampulle. a Zeilgebilde der Knorpelwandung. 5b Kern der Zahnzelle. c Ver- änderte dunkelrandige Nervenfaser. dBlasse Nervenfaser. e Subepithelialer Plexus blasser Nervenfasern. f Basalsaum. Alkoholpräparat. . Vergr. 7°%,. Stück eines Längsschnittes einer Gehörleiste. a Kerngebilde des Knorpels. b Dunkelrandige Nervenfaser. c Uebergang der dunkelran- digen in eine blasse Faser. d Basalsaum. e Zahnzelle. f Stäbchenzelle. g Haar einer Stäbchenzelle. Osmiumsäurepräparat. 94 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31, 32. 33. Dr. C. Hasse, Die Histologie des Bogenapparates ete, Vergr, ’°%,. Mehr oder minder veränderte isolirte Zahn- und Stäbchen- zellen. a Bauchiges Ende einer Stäbchenzelle mit Kern. b Hals einer Stäbchenzelle. c Der im Inneren sichtbare vom Kern ausgehende dunkle: Contour. d Verdickungssaum. e Kern einer Stäbchenzelle. f Unterer Nervenfaserfortsatz. g Haar der Stäbchenzelle. Ah Kern einer Zahnzelle. i Oberer veränderter Theil von Zahnzellen. k Aus der Protoplasmamasse, I herausragender Nerv einer Zahnzelle. m Einem Nerv einer Zahnzelle anhaftende Protoplasmamasse. n Oberer Theil einer Stäbchenzelle. o Ver- dickungssaum. p Haar desselben. Präparate aus MüLrzr’scher ‚Flüssigkeit. Vergr. °°%,. Zellgruppe von der der Nervenausbreitung des Steinsackes gegenüberstehenden Wandung. Osmiumsäurepräparat. Vergr. ??%),. Die Nervenausbreitung (Macula acustica) des Steinsacks und dessen Umgebung von der Innenfläche gesehen. a Nervenast des Stein- sacks. 5 Macula acustica desselben. c Bodenzellen der Macula. ad Kern- gebilde der Knorpelwandung. e Pigmentzellen. Alkoholpräparat. Vergr. “%),. Die Macula acustica des Steinsacks und deren nächste Um- gebung nach Entfernung des Epithels von der Innenfläche gesehen. a Knorpelgebilde.e 5 Bündel dunkelrandiger Nervenfasern. c Gefäss. d Dunkelrandige Nervenfaser. e Schlingenförmiges Umlegen derselben und Uebergang in blasse Fasern. Osmiumsäurepräparat. Vergr. **%,. Querschnitt durch die Macula acustica und deren Umgebung. a Bündel dunkelrandiger Nervenfasern. b Schlingenförmiges Umbiegen dunkelrandiger Fasern. c Gefäss. d Bodenzellen der Macula. e Nerven- epithel. f Aufliegende Gallertmasse. g Die in derselben befindlichen Löcher zur Aufnahme der Härchen. Osmiumsäurepräparat. Vergr. ?°%/,. Nervenepithel der Macula acustica des Steinsackes von der Fläche. a Stäbchenzelle. 5 Haar von oben gesehen. c Zahnzelle. Osmium- säurepräparat. Vergr. ?°%,. Gruppe von Bodenzellen aus der Umgebung der Macula acustica. a Bodenzelle. b Kern derselben. Osmiumsäurepräparat. Vergr. ?°%,. Theil eines Querschnitts durch die Macula acustica. a Nerven- faserbündel. db Blasse Nervenfaser. c Kern der Zahnzellen. d Stäbchen- zelle. e Aufliegende Gallertmasse. f Canäle zur Aufnahme der Härchen. Vergr. ”°/,. Theilweise verändert. Gruppe von Stäbchenzellen nebst zwischenliegendem oberen Theil einer Zahnzelle. a Unterer bauchiger Theil einer Stäbchenzelle mit Kern. b Oberer Theil der Stächenzelle. c Verdickungssaum. d Haar. Präparat aus MüLLer’scher Flüssigkeit. Vergr. *°Y/,. Periost. a Zellen des Periosts. 5 Fortsätze derselben. ce Elastische Faser. Alkoholpräparat. Vergr. ?°%/,. Aus der Macula acustica des Utriculus einer A4tägigen Katzeil 4 a Kerngebilde der Knorpelwandung. b Basalsaum. c Blasse Nervenfaser. d Der Faser anhaftende Masse (scheinbare Verzweigungen der Faser). \ Zoologie. BaNM. e . ne j Taf HI > Kuutschrift j£ wijjenschafll 2 Zeitsehrijt j. mijjenschaftt. Zoologie. BAU. Beiträge zur Kenntniss des Eies der Ephemeriden. Von Dr. H. Grenacher in Würzbure. Mit Tafel V. Im Laufe dieses Sommers fand ich im Maine bei Würzburg fast unter jedem Steine, an der schlammbedeckten Unterseite derselben anhaftend, Ephemeridenlarven, die nach den von Picrer!) verzeich- neten Larvencharakteren jedenfalls zur Gattung Ephemera s. str. ge- hören. Bei der anatomischen Zergliederung fielen mir die Eier derselben auf, die ich in den verschiedensten Stadien der Ausbildung untersuchen konnte. | Die völlig ausgebildeten Eier, die ich in einer unmittelbar vor dem Ausschlüpfen stehenden Larve fand, haben eine Länge von 0,27 Mm., und eine Breite von 0,12 Mm. Sie bestehen aus dem ellipsoidischen eigentlichen Eikörper, und zwei halbkugeligen polaren Aufsätzen (Fig 4.). Eine Dotterhaut konnte ich nicht erkennen; das Chorion ist eine dünne, feste, das Licht stark brechende, mit sehr kleinen, ziemlich von einander entfernt stehenden Wärzchen bedeckte Membran. Bei weniger reifen Eiern ist das Chorion noch glatt, viel dicker (Fig. 2.), aber von geringerer Brechkraft. Besonders aber fallen die polaren Aufsätze in das Auge, die dem Ei ein sehr zierliches Aussehen geben. Dieselben sind beiderseits ‚vollkommen gleich gestaltet, von röthlichbrauner Farbe, etwas mehr als die Hälfte einer Kugel bildend, und lassen zwei Theile an sich unterscheiden: einen äussern senkrecht zur Oberfläche gestreiften Ueberzug, und einen soliden Basaltheil, der dem Eipole aufsitzt. Der A) Pıctet, Monographie des Insectes Neuropteres. II. Monogr. Ephemerides. Geneve. 1845, av. pl. 80, 96 ; Dr. H, Grenacher, Letztere lässt sich etwa mit einem Hutpilze mit sehr verkürztem und verdicktem Strunke vergleichen, wie ein Blick auf Fig. 1, die den optischen Querschnitt zeigt, wohl am besten klar machen wird. Der gestreifte Ueberzug besteht aus sehr regelmässig und dicht neben einander liegenden, anscheinend etwas mit einander verkitteten Stäbchen. Bei jüngeren Eiern kann man sie sehr leicht als solche zur Anschauung bringen, wenn man dieselben eine Zeit lang in Wasser liegen lässt, oder auch mit KaO,HO behandelt, wodurch sie aufquellen und von einander abstehen (Fig. 3.). In seiner bekannten grossen Abhandlung: »Ueber die Mikropyle und den feinern Bau der Schalenhaut bei den Insecten«') beschreibt nun Leuckarrt ähnliche Aufsätze von den Eiern dreier Insecten aus der Familie der Ephemeriden, nämlich von Palingenia horaria, Oxycypha luctuosa, und von einer dritten Art, die er für Oxycypha lactea zu nehmen geneigt ist. Die Abbildung, die er von dem Ei der letzt- genannten Art giebt (l. c. Taf. X, Fig. 7.), stimmt am meisten mit unserer Fig. 4. überein, nur sind die Grössenverhältnisse des streifigen Aufsatzes zum eigentlichen Eikörper etwas verschieden. Leuckart will diese Aufsätze nun durchaus nicht zu den Mikropyl- apparaten gerechnet wissen, sondern er kömmt zu dem Schlusse, dass sie nichts Anderes sein können, als Bündelvon regelmässig an- einander gelagerten Spermatozoen, die in einer homogenen Masse eingelagert den Mikropylöffnungen aufgeklebt sind, und er will sich durch directen Vergleich mit den Spermatozoen von der Richtigkeit - dieser Deutung überzeugt haben. Ich habe zwar von den von L£uckArT untersuchten Species keine zu untersuchen Gelegenheit gehabt, glaube aber doch kaum, einen Irrthum zu begehen, wenn ich annehme, dass die von uns beobachteten Gebilde analogen Ursprungs sind. Für die von mir untersuchte Art muss ich aber die Richtigkeit der LevekArr'schen Deutung in Abrede stellen. Lruckarr stützt sich hauptsächlich auf das Fehlen dieser Ge- bilde während des Aufenthalts im Eierstock, wofür er SWAMMERDAM citirt; doch führt er nicht an, ob eigene darüber angestellte Unter- suchungen diese Angabe bestätigten. Bei der von mir untersuchten Larve hatte ich aber Gelegenheit, mich von dem Vorkommen dieser Gebilde im Eierstock, und zwar in jedem Stadium der Entwickelung zu überzeugen. In Fig. 4. habe ich ein Stück einer Eiröhre abgebildet, wo bei a das untere Ende eines jüngeren Eies, bei b ein etwas reiferes sichtbar ist. Die Eiröhre ist mit einem etwas grosszelligen Epithel mit kugligen Kernen ausgekleidet, welches das Chorion auf den Dotter ab- 4} MÜLLERS Archiv 4855. pag. 200. Beiträge zur Keuntniss des Eies der Ephemeriden. 97 scheidet. An der Mantelfläche des noch etwas cylindrischen Eies liegen die Zellen dem Ei dicht auf, an den beiden Endflächen dagegen sind sie zurückgetreten, und der dadurch entstandene Raum ist mit einer weichen, röthlichbraunen, .streifigen Masse, die sich später zu den besprochenen Aufsätzen formt, ausgefüllt. Bei a hat diese Bildung erst begonnen, und die Masse ragt erst in Form einzelner Spitzchen zwischen die Epithelzellen herein. Bemerken will ich übrigens noch, dass das stark ausgezackte Aussehen in Fig. 4 nicht ganz natürlich ist, indem die Zellen sich mit Wasser imbibirten und aufquellend die noch weiche Masse in diese Form pressten. Diese Nachgiebigkeit gegen äussern Druck bleibt diesen Gebilden übrigens lange, wie sie sich auch äusserst leicht und intensiv mit Carmin imbibiren lassen. Ich denke das von mir Angeführte beweist hinlänglich, dass von Spermatozoen bei meiner Ephemeride nicht die Rede sein kann, und ich halte es für wahrscheinlich, dass auch im Falle LeuckArr's eine wiederholte Beobachtung ähnliche Resultate zu Tage fördern dürfte. Leuckart beschreibt und bildet bei seinen drei Arten die Mikro- pylen ab als eine Anzahl siebförmig bei einander stehender Poren. In meinem Falle konnte ich dies nicht sehen, sondern die Mikropyle schien blos einfach zu sein (Fig. 4. ob. Ende) und nach aussen mit einer flachen Höhlung zusammenzuhängen. Diese Höhle war an jedem Ei auf dem optischen Querschnitt mit Leichtigkeit zu erkennen; seltener konnte man denCanal, den ich als Mikropyle aufzufassen geneigt wäre, erkennen, und ein Durchbohren des Chorions von Seiten desselben habe ich mit Sicherheit nie gesehen. Schliesslich will ich noch ein anderes Gebilde erwähnen, das ein gewisses Interesse zu verdienen scheint, obschon ich für dessen physiologische Bedeutung blos eine Vermuthung habe. Bei unreifen Eiern nämlich sieht man in zwei kreisförmigen Zonen, die ca. /„—!/; der Länge eines Meridians des Eies, von den Eipolen aus gerechnet, um dasselbe herumlaufen (Fig. 1. 2.), eigenthümliche kugelige Gebilde, ‚8—12 an der Zahl, die auf kleinen Spitzchen aufzusitzen scheinen, an deren Basis ein gelblich gefärbter wulstiger Ring herumläuft. Bei jüngern Eiern liegt dieser Ring, der auf dem optischen Querschnitt punctirt ist, und von oben gesehen concentrische Streifung zeigt, in das Chorion eingesenkt, bei ausgebildeteren dagegen liegt er mehr auf der Oberfläche. Die Kugel hat eine von der des Wassers wenig ver- schiedene Brechkraft; an der dem Ei zugewandten Seite ist sie etwas abgeflacht, und die sie bildende Membran stülpt sich trichterförmig gegen den Mittelpunct der Kugel ein, woselbst sie einige sternförmig angeordnete verdickte Leistehen hat; an die sich jenes anscheinende - Zeitschr, [, wissensch. Zoologie. XVII. Bd. l 98 Dr. H. Grenacher, Beiträge zur Kenntniss des Eies der Ephemeriden. Spitzchen ansetzt. Bei mehr entwickelten Eiern bemerkt man, dass die Kugel sehr leicht sich von dem Ei entfernt, und eine Schnur hinter sich herzieht, die aus einer Anzahl (ca. 8—10) unmessbar feiner Fäden besteht, die sich in den Ring fortsetzen. Schliesslich wickelt sich der ganze Rine ab, und so erhalten wir eine Schnur, die die 4—6fache Länge des Eies erreichen kann, und die nach aussen mit einer Kugel E endigt. Ueber den Zweck dieser Gebilde habe ich, wie gesagt, blos Verd muthungen. Das Wahrscheinlichste schien mir zu sein, dass diese, Fäden dazu bestimmt sein möchten, die Eier, die Kekännikehen ins Wasser gelegt werden, dem Einfluss der Strömung zu entziehen, inde a sie sich mit benachbarten Gegenständen verwickeln und so gewisser- maassen als Anker dienen. en, 3 Die Entwicklung dieser ankerartigen Gebilde gelang mir nicht festzustellen, da die Beobachtung zu viele Schwierigkeiten darbot. Erklärung der Abbildungen. Tafel V. Fig. 1. Ein der Reife nahe stehendes Ei, mit den polaren Aufsätzen a und b. An | Ersterem der muthmaassliche Mikropylcanal angedeutet. c »Ankerschnüre«, | Vergr. 320/.. 3 Fig. 2. Ein weniger reifes Ei im Umriss. Bei a diese »Ankerschnüre« zen auf 4 gerollt, bei b ist eine derselben etwas von dem Ei abgewickelt. Vergr. 3%. Fig. 3. Pol-Aufsatz eines noch unreifen Eies, mit KaO,HO behandelt, wodurch die Stäbchen deutlich werden. Vergr. 200/,. a Fig. 4. Ein Stück einer Eiröhre, mit noch nicht ausgebildeten Polaufsätzen. Be i | a Beginn der Abscheidung, bei db Abscheidung schon weiter fortgeschritten bei (*) eine der Kugeln sichtbar, wie die »Ankerschnüre« sie am Ende tragen. Vergr. 300), j eitschrifi I. wijienschafil. woologe, Ba NUM. . Zaf- V. & » 2, u Sn F Me ACH D L S, ar y — \ . ) } > Ä | Ill) N N 1.4 > ) RS ZZ Uremnacher del. Wagenschieher si = ER = Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis Henle '). Von Fritz Ratzel, Stud. aus Carlsruhe. Mit Tafel VI., VI. 4. Eigenthümliches Schlundnervensystem. Taf. VI. Auf der Rückenseite des Darmes liegt im #., 6. und 7. Körper- segment je ein Paar Körper von elliptischem bis stumpfviereckigem Umriss (Taf. VI. Fig. 1 aa, bb, cc.). Sämmtliche drei Paare hängen zu- sammen durch einen jederseits des Darms verlaufenden Längsstrang, zu welchem sie sich wie Ausstülpungen nach der dorsalen Mittellinie hin verhalten, in der sie von beiden Seiten her zusammentreten und sich vereinigen. Jener Längsstrang entspringt aus dem Hinterende des dem siebenten Körpersegment entsprechenden dritten Knotenpaares, "und verbindet seitlich vorbeilaufend sich mit dem zweiten und ersten (dem sechsten und vierten Körpersegment entsprechenden) , indem seine Hülle continuirlich in die dieser Körper übergeht. Da die Seiten des Darmes im fünften Segment von den Samentaschen eingenommen werden, legt der das zweite Knotenpaar mit dem ersten verbindende ‚ Theil des Längsstranges sich über die ventrale Seite jener Organe hin- ‚ weg. An der Stelle, wo der Strang das vordere Knotenpaar verlässt, um weiter nach vorn sich zu erstrecken, bildet er eine scharf abgesetzte nach aussen und ventral gelegene Ausstülpung (Taf. VI. Fig. 1 dd.), 4) Indem ich diese meine Erstlingsarbeit veröffentliche, bietet sich mir eine erwünschte Gelegenheit, meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor PAGENSTECHER in Heidelberg, Dank zu sagen für die Unterstützung, die er mir in meiner Arbeit gewährte; ohne seinen Beistand mit Rath und That wäre dieselbe nie zu Stande gekommen. 7* i00 Fritz Ratzel, welche mit der der andern Seite durch eine ventrale Quercommissur verbunden ist; diese letztere bildet ihrerseits zu jeder Seite der Mittel- linie eine kleinere, nach hinten: gerichtete, knotenförmige Ausstülpung (Taf. VI. Fig. 1 ee.). Von da läuft der Strang mit gleichmässiger, ge- ringerer Dicke nach vorn, wo er im zweiten Segment sich wieder ver- dickt und eine Quercommissur abgiebt, welche in Grösse und in Bil- dung zweier Knoten (Taf. VI. Fig. 4 /f.) ganz der oben erwähnten, im vierten Segment gelegenen, entspricht. Eine kleine Strecke von der Bildung dieser Commissur nach vorne theilt der Strang sich in drei Aeste von ungleicher Dicke; der äusserste, dickste dieser Aeste theilt sich bald noch in vier, die zwei andern in zwei bis drei weitere Aeste, die sich alle in dem Theil der Darmwand, welche von dem musculösen Schlund bis zur Mundöffnung die Wandung einer Art von Mundhöhle bildet, verbreiten. Sie vereinigen sich jedoch bald wieder unter Bil- dung von Knoten (Taf. VI. Fig. I gg.) beim Zusammentreten, zu dickeren Aesten, welche erst zu einem Bündel und dann vollständig verschmolzen an die Innenseite der Commissur des Schlundrings, kurz nach deren Abgang vom Gehirn treten und mit ihr sich verbinden. Die wesentlichsten Grössenverhältnisse sind folgende: Die Länge des ganzen Abschnities von dem dritten dorsalen Knotenpaar bis zum Vorderrand des Gehirns ist 2 Mm., die Breite des dritten dorsalen ‚Knoienpaares ist 0,3, die Länge desselben 0,15—0,18; ihm entspricht die Grösse des zweiten Paares, wogegen das erste bei ähnlicher Breite 0,2 —0,25 Länge aufweist. Die Breite des Längsstranges, der die Knotenpaare verbindet, ist sehr veränderlich, doch nie unter 0,07, dagegen behält er auf der Strecke vom ersten Knotenpaar bis zu der seiner Verästelung vorangehenden Anschwellung, welche 0,08 breit ® ist, eine constante Dicke von 0,02—0,025. Die Ausstülpungen der zwei ventralen Quercommissuren haben bei 0,05—0,06 Länge, 0,0% bis 0,05 Breite, die Commissur selbst hat 0,035 Breite; die Breite des dünnsten Zweiges in der Verästelung ergab sich als 0,008, die eines Knotens bei der Wiedervereinigung als 0,06. Die Structur der Stränge und ihrer Verzweigungen gleicht der der Bauchganglienkette, sie er- scheint dichtfaserig mit eingestreuten länglichen Kernen. Im Inneren der Stränge, ausserhalb oft durch Anschwellungen bezeichnet, finden sich dicht zusammengeballte Zellen von einem Durchmesser von 0,01, die einen blassen Kern von 0,004 enthalten; meist mit diesen Zell- haufen verbunden, aber auch zerstreut für sich kommen Anhäufungen feinkörniger, gelber Masse vor. Als ständige Vorkommen von Zellen der beschriebenen Art erscheinen die Knoten dd, ee, ff, 99 (Taf. VI. Fig. 1.) und die kleineren Anschwellungen, die stets einer Zertheilung Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis Henle. 101 in Aeste vorausgehen , so besonders die bei hh, (Taf. VI. Fig. 1.). Die drei dorsalen Knotenpaare aa, bb, cc enthalten dagegen sehr grosse, blasse Zellen, die einen oder mehrere blasse Kerne mit Kernkörperchen enthalten und durch einen dünnen Ausläufer birnförmig und gestielt erscheinen; man trifft sie bis zu einem Durchmesser von 0,05, neben ihnen spärlich kleinere bis zu 0,005 Durchmesser herab. Auch die Stränge, welche diese Knotenpaare verbinden, enthalten gegen die Innenseite zu derartige Zellen, wodurch sie oft bedeutend angeschwollen erscheinen. — Es ist besonders über diese Zellen, wie überhaupt über die feinere Structur des ganzen Systems, dass ich meine Beobachtungen, vorzüglich durch vergleichende Untersuchung anderer Lumbrieinen zu vervollständigen wünschte, ehe ich dieselben als wissenschaftliche Thatsache hinstelle. Da mir die Gelegenheit dazu bis jetzt fehlt, be- snüge ich mich mit den Schlüssen, welche der gröbere Bau und die Verbindung mit unzweifelhaften Theilen des Nervensystems auf eine Zugehörigkeit der uns beschäftigenden Organgruppe zu jenem thun lassen und welche dieselbe als erwiesen erscheinen lassen. Unter den bis jetzt noch so sehr spärlichen Beobachtungen über das Nervensystem der Lumbricinen, fand ich nur in einer Arbeit von Franz Leypie!) Angaben über das Vorhandensein einer dem oben be- schriebenen Schlundnervensystem ähnlichen Bildung in Chaetogaster und Lumbrieus und führe ich die eigenen Worte des erfahrenen Zootomen über diesen Gegenstand hier an: »Schon am lebenden Thiere (Chaeto- gaster diaphanus) erkennt man hinter dem Gehirn auf der Rückenwand des Schlundkopfes einen knotigen oder gangliösen Bogen, dessen Schenkel in den Seitencommissuren des Gehirns wurzeln und bei der Bauchlage des Wurms zeigt sich weiter, dass die Anschwellungen eine symmetrische Vertheilung haben, man also eine mittlere, glatte Brücke und seitliche Anschwellungen unterscheiden könne. Unter günstigen ' Verhältnissen bemerkt man auch, dass zahlreiche Nerven, es mögen ' jederseits gegen sechs sein, von den knotigen Bogentheilen weg sich in ' der Wand des Schlundkopfes vertheilen.«2) »Oefters wiederholte Unter- ' ‚suchungen des Lumbricus agricola haben mir die Ueberzeugung ge- geben, dass hier das Gentrum des Visceralnervensystems ein längliches ' "Ganglion bildet, welches auf beiden Seiten vorkommt und hinsichtlich ‚ seiner Lage näher bezeichnet, nach innen und vorne, längs den Hirn- || 'eommissuren herabzieht. Die Wurzeln dieser beiden Seitenganglien 1 & A) Franz Leynie: Ueber das Nervensystem der Anneliden. REICHERT und DU Boıs-Reymoxp, Archiv für Anatomie und Physiologie. Jahrgang 1862. Seite 90—124. 2) A. a, 0. Seite 407. 102 Fritz Ratzel, entspringen nur aus der vordern und innern Fläche der Hirncommis- suren; sie sind kurz und ihre Zahl beträgt 9 bis 10. Aus den Ganglien geht ein dichtes Nervengeflecht hervor, das seine Ausbreitung im Rüsseltheil des Pharynx hat. Da sowohl bei Sanguisuga und Haemopis, als auch bei Chaetogaster durch Zusammenstossen der seitlichen Ele- mente ein Bogen entsteht, so habe ich bei Lumbricus agricola speeciell Acht gegeben, ob nicht auch hier das Gleiche geschehe, aber mit Sicherheit erkannt, dass die Seitenganglien mit ihren oberen Enden sich nicht vereinigen, sondern für sich bleiben.«!) — Ich möchie ver- muthen, dass die hier von Chaetogaster und Lumbricus beschriebene Nervenportion dem vorderen Abschnitt unseres Schlundnervensystems entspricht, um so mehr, als von Lumbricus das Vorhandensein von drei taschenförmigen Organen am vorderen Theil des Darmes angegeben wird ?), welche wohl unsern drei dorsalen Knotenpaaren des vierten, sechsten und siebenten Segmentes entsprechen möchten. In Enchy- traeus sind von unserm Schlundnervensystem blos die, drei dorsalen Knotenpaare von BuennoLz gesehen worden, welcher dieselben als un- paarige, unzusammenhängende Zellhaufen beschreibt und abbildet?), welche durch Abgabe einzelner Zellen vermittelst einfacher Loslösung das Material zur Entwickelung der Geschlechtsproducte liefern würden. Ich fand jedoch bei sorgfältiger Präparation diese Organe stets von einer Hülle ganz umschlossen und von stets gleicher Form, und konnte daher nirgends einen Grund finden, welcher die Bucunorz’sche Annahme ge- stützt hätte. Ich schliesse mich im Gegentheil für den von mir gefun- denen Anhang des Gentralnervensystems dem negativen Resultat an, das Leypis aus den oben angeführten und zahlreichen andern Unter- suchungen über das Nervensystem der Anneliden gewonnen hat, dass nämlich die von der Schlundringeommissur abgehenden Nervenzweige nicht als Sympathicus zu betrachten seien, so lange sie wie in jenen Fällen, sich uuf den vordern Darmabschnitt, ja fast ganz auf den Schlund beschränken. Indessen hoffe ich, dass vergleichende Unter- | suchungen uns bald zu einer positiven Deutung dieses Organs ver- | helfen werden und habe es einstweilen einfach nach seiner Lage | »Schlundnervensystem« genannt. 2 A) A. a. O. Seite 108. & 2) Ray LAnkAster, Anatomie von Lumbricus. Quarterly Journal of microsco- | pical science 1864. 3) H. BuchnoLz: Zur Anatomie von Enchytraeus. Schriften der physikalisch- ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg. 4864. Seite A ff. | Beiträge zur Anatomie von Euchytraeus vermicularis Henle. 103 %. Bau und Entwickelung der Samentaschen. Tafel VII. Fig. 1—9. Die Samentaschen von Enchytraeus wurden zuerst beschrieben und abgebildet von p’ÜDekem in seiner »Entwickelung des Regen- wurms«!), nachdem schon früher dieser Forscher das Vorkommen der- selben Organe bei Tubifex ?) nachgewiesen hatte; doch hatte er sie in beiden Fällen als Schalendrüsen (Glandes capsulogenes) angesprochen. Nachdem indessen mehrere Zoologen, besonders Rup. Lruckarr sich dieser Deutung aus Gründen der Analogie widersetzten und die be- treffenden Organe eher als Behälter des bei der Begattung empfangenen Samens zu deuten geneigt waren, trat auch D’ÜpekeMm durch neuere Untersuchungen an Aeolosoma und Chaetogaster®?) von der Richtigkeit jener theoretisch aufgestellten Ansicht überzeugt, dieser Deutung bei. Endlich bestätigte sie auch CLAPAREDE, erst in seinen Untersuchungen über Pachydrilus, später in seinen »Recherches anatomiques sur les Oligochetes«*) in umfassendster Weise, indem er für alle die von ihm unter dem Namen Oligochetes limicoles vereinigten Lumbricinen das Vorhandensein von Samentaschen als eines wesentlichen Theiles der weiblichen Geschlechtstheile nachwies. Da jedoch die Gattung Enchy- traeus dabei keine so tiefgehende Beachtung fand wie die übrigen Gattungen der Familie und da auch die gleichzeitig erschienene Arbeit von Bucanorz über die Anatomie von Enchytraeus°), die uns beschäf- tigenden Organe nur flüchtig berührt, so erscheint die genauere Fest- stellung dieser Verhältnisse für diese Gattung immer noch von Werth. Die Samentaschen sind bei Enchytraeus in einem Paar vorhanden; sie nehmen das fünfte Körpersegment ein, wo ihre Lage beiderseits am Darm mehr dorsal als ventral ist. Ihr Ausführungsgang mündet seitlich auf der Grenze zwischen dem vierten und fünften Segment. Als Grundform des ganzen Organs betrachten wir einen Schlauch von den- selben Verhältnissen der Grösse und des Baues, wie sie der Aus- führungsgang desselben bleibend aufweist. Der Ausführungsgang ist nämlich in folgender Weise zusammengesetzt: Eine Membran, welche als feine Röhre isolirt werden konnte, bildet die innere Auskleidung, ihre Structur war nicht zu ermitteln, doch bot sie isolirt ein punctirtes 4) JULES V'ÜDEREN, Deveioppement du Lombric terrestre. M&moires couronnes de l’Academie de Beigique. T. XI. 2) JuLEs D’ÜDEREN, Bulletin del’Academie royale de Belgique. T. XXI. 2de partie. 3) JULEs D’ÜDEREM, Bulletin de l’Academie royale de Belgique. Seconde serie. PER. 4) CLAPAREDE, Recherches anatomiques sur les Oligochetes. Geneve 4862. 5) Schriften der physicalisch-öconomischen Gesellschaft zu Königsberg 1864. - 104 Fritz Ratzel, Ansehen, wurde von den gewöhnlichen Reagentien nicht verändert, aber in kalter Aetzkaliflüssigkeit schnell aufgelöst; ihr Lumen 0,004 Mm. Querdurchmesser. Umgeben wird sie von einer einfachen Schicht blasser Zellen von 0,005—0,006 Durchmesser , mit Kernen von einem mittleren Durchmesser von 0,002, letztere haben einen körnigen Inhalt und stark lichtbrechendes Kernkörperchen, und zerfallen nach Wasser- zusatz meistens bald in einige sich heftig bewegende, stark licht- brechende Körperchen. Die einzelnen Zellen der umlagernden Schicht sind durch eine intercellulare Masse von einander getrennt, welche nach Essigsäurezusatz scharf hervortritt. Als dritter Bestandtheil des Ausführungsganges erscheint eine bindegewebige Scheide, welche sehr scharf umschriebene lang elliptische Kerne von 0,044 Mm. Länge bei 0,007 Breite besitzt. _ | An einem solchen Schlauch nun denken wir uns die Sonderung in Samentasche und Ausführungsgang in der Weise vor sich gehend, dass an dem blinden Ende, mit dem er dem Darme anliegt, eine sehr reichliche Zellenvermehrung in der umlagernden Zellschicht statt- finde, wodurch eine flaschenförmige Anlage der Tasche entsteht, wie wir sie Taf. VII. Fig. 1—3. abgebildet, aus der sich die folgenden Formen leicht ergeben. Ob dabei die innerste auskleidende Membran des Ausführungsganges der Ausdehnung ihrer Umhüllung folgend auch in der Tasche die innere Auskleidung bilde, oder ob zur Zeit der An- fänge der Taschenbildung sie, wie allerdings unsere früheste Form (Taf. VII. Fig. 4.) wahrscheinlich macht, überhaupt noch nicht scharf gesondert sei, oder ob endlich dieselbe in der Axe des schon erweiterten Theils des Ausführungsganges auf einer gewissen Stufe sich noch be-. finde und dann verkümmere wie unsere zweite Form (Taf. VII. Fig. 2.) wahrscheinlich macht, konnte ich nicht entscheiden. In dem Entwickelungsgang auf der angegebenen Grundlage unter- scheiden wir nun drei Stufen, welche wir in Folgendem nach ihren hervortretenden Formen charakterisiren. Die erste Stufe steht am nächsten der ursprünglichen Schlauchform, besonders in der einfachsten Form, die wir beobachteten (Taf. VI. Fig.1.); der Ausführungsgang erscheint hier blos als dunkle Linie, wie zusammengefaltet; in der Anschwellung, welche die künftige Tasche andeutet, bemerken- wir nur wenige neu eingeschaltete Zellen. In den zwei ferneren Formen, die wir Taf. VII. Fig. 2 und 3. dargestellt, erreicht die Anschwellung die Gestalt einer Flasche, die mit ihrem schmäleren Ende dem Darm anliegt und aus deren Grunde der Ausführungsgang hervortritt, welcher hier schon ganz fertig gebildet erscheint. Die letzte Form dieser Stufe (Taf. VII. Fig. 4.) zeigt eine Quereinschnürung an dem der Einmündung u | | ; Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis Henle. 105 des Ausführungscanals zunächst gelegenen Theil der Tasche, damit die folgende Stufe vorbereitend. Den Charakter der zweiten Stufe finden wir ausgesprochen in der Hervortreibung einer Anzahl von blinden taschenförmigen Anhängen im Umkreis der Einmündung des Aus- führungscanals, an denen zwar schon die Zahl und Form der späteren reiferen Ausbildung solcher Nebentaschen zu erkennen ist, die aber jeweils noch secundäre Einschnitte aufweisen; sie liegen abgeplattet, rosettenförmig auf dem breiteren Ende der jetzt kegelförmigen Tasche auf, deren schmäleres Ende, wie immer, dem Darme anliegt. Auf dieser Stufe treffen wir zum ersten Male lockere Büschel von Samen- fäden im Grund der Tasche ruhend an, und wahrscheinlich ist es ihre Einbringung, welche die Entwickelung der folgenden, dritten Stufe herbeiführt. Auf dieser (Taf. VII. Fig. 6.) finden wir die Tasche walzen- förmig bis eiförmig, in einem Kreise die Einmündung des Ausführungs- ganges umstehend trägt sie vier bis fünf Ausstülpungen, welche meist durch grössere Auftreibung ihres blinden Endes als einem Stiele auf- sitzende Köpfchen erscheinen. Diese Ausstülpungen sind mit einem Flimmerepithel ausgekleidet, durch dessen Bewegung die in dem blinden Ende befindlichen Samenfädenbündel in beständiger , rotiren- der Bewegung erhalten und so zu verfilzten Ballen von elliptischer Form geballt werden, welche durch weitere Flimmerbewegung im Halse der Ausstülpung in den Grund der Tasche zurückgebracht und wohl in dieser Form zur Befruchtung verwandt werden. Das Vorhandensein eines zweiten kleineren Köpfchens neben einem grösseren (Taf. VI. Fig. 7.), wie es nicht selten vorkommt, scheint den Uebergang von der zweiten Stufe mit ihrer Zertheilung der Blindsäckchen in mehrere Lappen zu der eben besprochenen darzustellen. In dem Auftreten der verschiedenen hier beschriebenen Formen scheint eine bestimmte Beziehung zur Entwickelung der Eier, der die ‚der Samenelemente vorausgeht, stattzuhaben. Wir fanden nämlich die erste Stufe niemals, die zweite selten mit dotterbesitzenden Eiern ver- gesellschaftet, wogegen die dritte fast stets mit vollkommen aus- gebildeten, das heisst eine starke Dotterschicht besitzenden Eiern zu- gleich vorkam. Auch kam die erste Stufe im Ganzen Thieren zu, welche unter der mittleren Grösse waren; zwischen den Thieren, die Samentaschen von der zweiten und der dritten Stufe besassen, war | dagegen kein bestimmter Grössenunterschied zu bemerken. — Anhangs- weise möge hier bemerkt werden, dass einige Mal an dem Ausführungs- © gang unmittelbar vor seiner Ausmündung Blindsäckchen gefunden ) wurden, wie sie in Taf. VL. Fig. 8 und 9. abgebildet sind; die sie zu- ) sammensetzenden Zellen sind auch hier dieselben, welche den Zell- 106 Fritz Ratzel, beleg des Ausführungsganges bilden. Fig. 8 gehört einer Samentasche der zweiten, Fig. 9 einer der dritten Stufe an. Diese Säcke werden bei der Einbringung des Samens von Nutzen sein, doch bleibt ihre eigentliche Natur noch festzustellen und konnte ich nach der Spärlich- keit des Vorkommens für die Art, die, und die Zeit, in der ich unter- suchte (Juli) diese Bildungen nicht als wesentlichen Theil des Ge- schlechtsapparates betrachten. Es bleibt noch Einiges zu sagen über den morphologischen Werth der Samentaschen, in Bezug auf welchen ich mich ganz der geist- reichen Deutung Crararipe’s!) anschliesse, indem ich mich zugleich freue, durch vorliegende Untersuchung dieselbe fast über allen Zweifel erheben zu können. Bekanntlich hat zuerst WırLLıams jene secerniren- den Organe, die mit einem Ende in die Leibeshöhle und mit dem entgegengesetzten nach aussen mündend in zahlreichen Segmenten vorkommen, unter dem Namen Segmentalorgane als Grundform für die ausführenden Ganäle des Geschlechtsapparates aufgestellt. Gra- PAREDE übertrug diese Deutung auch auf die Samentaschen, da mit diesen nie ein Segmentalorgan zugleich vorkommt, und ihre Ausmün- dung genau in derselben Linie liegt mit denen der Segmentalorgane ; aber er verglich sie nicht einem ganzen Segmentalorgan, sondern blos der hinteren Hälfte eines solchen, d. h. der dem Ausführungs- porus am nächsten gelegenen, da sie ganz einem Segmente angehören, während die vordere Hälfte eines Segmentalorgans stets im nächst- vorderen Segment liegt. Indem es uns möglich wurde, die Samen- taschen bis auf die einfache Schlauchform (Taf. VII. Fig. 1.) herab zu verfolgen, glauben wir die obige Deutung CrarAripe’s thatsächlich er- wiesen zu haben; die Flimmerbewegung in den Blindsäckchen der Tasche gibt ein weiteres Moment der Vergleichung mit den Segmental- organen. 3. Speicheldrüsen. Taf. VI. Fig. 40 und #1. Die Speicheldrüsen münden auf der Bauchseite des Darmes im dritten Segment in diesen ein, wo er auf der dorsalen Seite stark musculös erscheint und den zahlreichen von dem Muskelschlauch ab- gehenden Retractoren Insertionsstellen bietet, unmittelbar hinter dem ' im zweiten Körpersegment gelegenen durchaus musculösen Theil des ' Darmes, den wir als Schlund bezeichneten. Diese Organe sind in } einem Paare vorhanden, sie stellen verästelte Schläuche dar, die sich | nach hinten erstrecken und zwischen einer Länge von 0,5—1 Mm. 4) Recherches anatomiques sur les Qligochetes. pag. 63. 64. Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis Heule. 107 schwanken. Jede Speicheldrüse ist ein Schlauch, der von der Ein- mündung gegen die Spitze hin sich verjüngt und zugleich sich verästelt und abplattet. In dem feineren Bau wird die Entstehung dieser Drüsen durch Ausstülpung der Darmwand klar, denn die Zellen, welche diese zusammensetzen, sind auch deutlich in der unteren, d.h. der Ein- mündung näher gelegenen Hälfte der Speicheldrüse zu erkennen. Mit Beginn der Verästelung wird die Zellstructur undeutlich und die ovalen Kerne mit den stark lichtbrechenden Kernkörperchen erscheinen ein- fach in eine körnige Grundmasse eingebettet. Der mittlere Querdurch- messer-ist an der Einmündung 0,06 — 0,07 Mm., an der Spitze nur noch 0,015—0,02. Gegen die Spitze zu wird auch das Lumen deutlich, das unregelmässig begrenzt und stellenweise mit wasserhellen Gytoden erfüllt erscheint. — In den jüngsten Individuen, die ich untersuchte, war die Länge dieser Organe im Verhältniss zur Breite geringer und dieselben waren mehr büschelförmig gestaltet, in den älteren begegnete ich stets der einfacheren Form, die ich auf Taf. VII. Fig. 40 dargestellt. — Die Abbildung, welche in seiner mehrfach citirten Abhandlung BucHHoLz von diesen Organen giebt, scheint blos das täuschende Bild zu reproduciren, das dieselben geben, wenn das ganze Thier — unge- öffnet — unter das Mikroskop gebracht wird, wobei aber immerhin von einer Knäuelung des Canals, wie sie dort dargestellt ist, nichts zu ‚sehen ist. 4. Verschiedene Bemerkungen. Alle von dem Muskelschlauch abgelösten Muskelportionen, beson- ders die der Dissepimente und die Retractoren des Schlundes sind “deutlich quergestreift. — Die Eier sind — wie schon BucunoLz a. a. O. berichtet — in allen beobachteten Stadien mit einer Membran ‚umgeben, die, soweit zu bestimmen möglich war, als struciurlos er- scheint. !) — Die deutliche bindegewebige Hülle der Samentaschen und ihres - Ausführungsganges, wie auch der Segmentalorgane widerspricht der ‚von vornherein unwahrscheinlichen Annahme QuArr£raAgzs’ in der Ein- leitung zu seinem grossen Annelidenwerk, dass Bindegewebe in den Anneliden nicht vertreten sei. — Die Zahl und Stellung der Segmentalorgane fand ich ganz so, wie sie CLAPAREDE?) angiebt, nämlich im siebenten Segment beginnend und 4) EHLERS nimmt in seinem Werk über die »Borstenwürmer« an, dass die Eier ' derselben ohne membranöse Hülle seien; es wird also wohl Enchytraeus als Aus- ‘ nahme von dieser Regel betrachtet werden müssen. 2) Recherches anatomiques sur les Oligochötes. Gen®ve 1862. pag. 62. 108 Fritz Ratzel, Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis Henle. mit Ausnahme des zwölften Segments von da -in allen folgenden vor- handen. -BuckHorz hatte angenommen, dass sie zugleich mit den Re- ceptacula seminis auch im zwölften Segment vorkämen. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen. Tafel VI. 4a und Ab. Das Schlundnervensystem. Aaist von der Bauch-, Ab von der Rückenseite gesehen. Man erhält das vollständige Bild, wenn Ab an 4 a unten hingeschoben gedacht wird. 450f. Vergr. 9%, Zweites bis siebentes Segment von der Rückenseite gesehen, um die gegen- seitige Lage des Schlundnervensystems, der Samentaschen und der Speicheldrüsen zu versinnlichen. 80f. Vergr. Tafel VII. 4 bis 6. Die Entwickelungsformen der Samentaschen. 200f. Vergr. 7. Ein Blindsäckchen von Fig. 6, 400f. Vergr. a ein Ballen Samenfäden. 8 und 9. Blindsackbildungen an der Ausmündung des Ausführungsganges der Samentaschen. 200f. Vergr. 40. Speicheldrüse. 400f. Vergr. 44. -Aeusserster Zweig einer Speicheldrüse. 250f. Vergr. Keitsehzijl 7. wif. 2000. BANN. 7) RER en, = DOG, RE SS Unsenschieber sc, Nachtrag zu den Beiträgen zur Anatomie und Systematik der Holothurien. Von _Dr. Emil Selenka in Göttingen. Mit Tafel VI. In einem früheren Aufsatze!) habe ich den Versuch gemacht, bei Beschreibung von neuen Holothurien gelegentlich auch alle bisher be- schriebenen Species dieser Thierclasse zusammenzustellen. Ich habe seither Gelegenheit gehabt, einen grossen Theil der Holothurien in der "Berliner Sammlung und das ganze Material des Pariser zoologischen ‚Museums an Ort und Stelle durchzusehen. Wie wohl zu erwarten war, ‚stellten sich bei dieser Revision eine gute Zahl älterer und neuerer "Arten als unhaltbar heraus; und die Aufführung dieser zu tilgenden ‚Namen muss ich mir hier um so eher zur Pflicht machen, als manche | der von mir a. a. O. als neu beschriebene Arten dariinter sind. Die Nüchtige Beschreibung vieler älteren Arten, die sich meist gar nicht ‚auf den anatomischen Bau erstreckt, möge die Belästigung der Literatur mit manchem überflüssigen Namen entschuldigen. Vielleicht sollte ich diese Gelegenheit benutzen, um einige grobe Irrthümer in meiner früheren Arbeit, welche sich durch eine unglück- liche Verwechselung in die Citate mehrerer norwegischer Arten ein- ‚geschlichen haben, zu redressiren; durch die im Druck begriffene ‚Monographie ai 2) glaube ich Fe jedoch dieser Pflicht über- hoben. | Ehe ich zur Beschreibung einiger neuen Gattungen und Arten 'äbergehe, spreche ich den Herren Prrers und LacAzE-DUTHIErs meinen A) Beiträge zur ra nde und Systematik der Holothurien. Diese Zeitschr. ‚nd. XVII. — Auch als Dissertatio philos. Gotting. 1866. 2) Reisen im Archipel der Philippinen. II. Theil. Bd. 1. | 110 Dr. Emil Seleuka, innigen Dank aus für die Liberalität, mit welcher beide Herren meinen Wünschen entgegenkamen. Beschreibung neuer Arten. Fam. Dendrochirotae. Stolinus!) gen. nov. 15 Tentakeln von gleicher Länge. Das scharf abgesetzte Bauchfeld allein trägt Füsschen. After mit fünf Kalkzähnen besetzt. Stolinus cataphractus?) sp. nov. Fig. 12. Das Thier besitzt ganz den Habitus von Psolus. Der äusserlich glatte, steinharte Rücken setzt sich in einer scharfen vorspringenden Kante, aus welcher ringsum eine Reihe kleiner Füsschen ohne Saug- scheibe hervortreten, von der weichen Sohle ab (Fig. 1.). Die in drei Längszügen stehenden Bauchfüsschen tragen platte 0,5 Mm. grosse Saugscheibchen. DieKalkgebilde der Haut bestehen in durchbrochenen napfförmigen Körpern (Fig. 2.) wie sie ähnlich von Psolus phantapus bekannt sind, die der Rückenseite bis 0,1 Mm. hoch, die der Bauch- . seite 0,06 Mm. In unregelmässigen Verwachsungen und Verkrüppelun- 3 gen erfüllen diese Gebilde auch die Bindegewebsschichte der Rücken- haut und machen dieselbe zu einem harten Panzer. Die Mundöffnung ist von fünf Vorsprüngen umstellt, die wenn sie sich gegen einander schliessen, eine fünfstrahlige Oeffnung bilden (Fig. 10.). — Die zwei mir vorliegenden Spiritusexemplare besassen noch die hell graubraune 7 Oberhaut. S 4 Der Schlundkopf ist ziemlich gross; seine Retractoren entspringen im oberen Drittel der Longitudinalmuskeln. Zwischen jedem Längs-" muskel und dem sich von ihm abzweigenden Retractormuskel ist eine’ | Lamelle ausgespannt, die aber nicht wie bei Urodemas perspicillum” SELENKA®) als dünnes Mesenterialhäutchen, sondern als stark musculöse” Platte sich darstellt. Das Gefässsystem beschränkt sich auf die Darm gefässe, welche in bekannter Weise durch ein Herz verbunden sind, das von der ersten auf die zweite Darmstrecke überspringt. Der Kalk- ring gleicht ganz dem von Psolus phantapus. Der Steincanal ist klein, einfach ; die Art seiner Befestigung konnte nicht mehr erkannt werden. F 4 R % j I 1) Diminutiv von orokos Stummel. 2) zaragoextos mit einem Panzer umgeben. 3) a.a. 0. p. 352. Taf. XX. Fig. 440, m. Nachtrag zu den Beiträgen zur Anatomie und Systematik der Holothurien. 111 Rund am Ringcanale hängen eine grosse Zahl Porı’scher Blasen. Ge- schlechtsorgane bilateral entwickelt. Australia. (PEron et Lesueur. 1803). 2 Exemplare im Pariser zoo- logischen Museum. Die vollständige, bisher noch nie beobachtete Verschmelzung der Retractormuskeln mit den Längsmuskeln, von denen sie entspringen, lässt sich morphologisch weiter ausbeuten. Bei allen Holothurien, mit Ausnahme der Aspidochiroten, fehlen die Rückziehmuskeln des Kalk- ringes; es inseriren sich hier die Längsmuskeln der Körperwand an die vorderen Spitzen der Radialia. Verlängern wir diese Insertionslinie bis zur Basis des Radialstückes, so erhalten wir die Form, wie sie Sto- linus cataphractus zeigt; denken wir uns diese zwischen Retractor- muskel und Longitudinalmuskel ausgespannte Muskelplatte in mehrere Muskeln zerfallend, so resultirt die Form wie sie Pattalus mollis (Fig 4.) aufweist; viele Aspidochiroten in denen die Insertionslinie des Re- tractors und Longitudinalmuskels an den Schlundkopf mit einander ‘verschmelzen, in denen ein Retractor aber die Leibeshöhle durchsetzt wie z. B. in Cucumaria frondosa!), würden wir den organischen Zu- sammenhang der beiden Muskeln nur noch vermuthen können; in an- dern Aspidochiroten endlich, wo die Insertionspuncte des Retractors und Longitudinalmuskels an den Schlundkopf von einander getrennt sind, ist ihr Zusammenhang nicht mehr zu erkennen. Die Unterschei- dung der Aspidochiroten von allen andern Holothurien nach dem Vor- handensein eines Retractors des Schlundkopfs scheint mir durch die | angeführten Uebergänge morphologisch an Werth verloren zu haben. — \ ‚ Contraction des Muskelblattes die fünf hohlen Vorsprünge, welche den Mund umstellen, zum Verschluss bringen, wie vielleicht auch bei Uro- demas perspicillum?) ; wir kennen aber andere Holothurien wie z. B. | Colochirus quadrangularis, in denen bei sonst übereinstimmendem Bau, ‚ das Zusammenklappen solcher 5 papillösen Vorsprünge allein durch die ‚kleinen Retraetoren besorgt wird. Ich sehe in der besprochenen Bildung ‚von Stolinus vielmehr eine Mittelform, aus der sich sozusagen zwei ‚Extreme gebildet haben, und zwar wäre die vollkommenere Form den Aspidochiroten zu vindicıren. Die Bedeutung von Retractormuskeln des Schlundkopfes wurde in meinem früheren Aufsatze p. 304. unten her- vorgehoben. | 4) in meiner früheren Arbeit. Taf. XIX. Fig, 102, 2) ebenda. Taf. XX. Fig. 110; pag. 352. 112 Dr. Emil Selenka, Colochirus quadrangularis Lessox (Trosca.). Fig. 3. ; Holothuria quadrangularıs Lesson. Cent. Zool. 1830—32. p. 90—91 ; pls, dl. Holothuria tuberculosa Quov & GAmmarn. Voyage de l’Astrolabe. Zool. Tome IV. 1833. p. 131. Holothuria pentagonus Quov & Gammarn; ebenda. p. 4135. Colochirus quadrangularıs TroscH£r. Archiv für Naturgeschichte 1846. p. 64—65. Gercodemas anceps SELENKA. Zeitschr. wiss. Zool. XV. P: 33 —34hh, . Taf. XDX., Fig.,98--99. “ Nach einer genauen Vergleichung der Originalexemplare von Quov & GaımarD in der Pariser, und der von TroscaeL in der Berliner z0o0- logischen Sammlung repräsentiren die vier letzieren Namen ein und dieselbe Art, und es steht wohl nichts mehr im Wege, auch den Lesson’- schen Namen (wie TroscHEL schon früher annahm) mit in ihren Kreis hineinzuziehen. Dass auch ich für die Species noch einen neuen Gat- "tungs- und Artnamen schuf hat seinen Grund darin, dass die früheren Forscher und auch Troscuzı die schuppenartige Bekleidung des hintern h Körperendes und die Bezahnung des Afters ganz übersehen hatten. ° Ausserdem wurde eine Reihenstellung der Rückenfüsschen oder Am- bulacralpapillen angegeben, welche immer nur bei einzelnen Exem- 3 plaren zu sehen ist. : Der Umstand, dass die Beschuppung der Aftergegend und die Reihenstellung der Rückenfüsschen nicht in allen Thieren gleich gut ausgebildet ist, wird aus der Bildungsgeschichte des Kalkpanzers, der # in der Haut eingelagert ist, erklärlich. Bei einem jungen Individuum, a das ich in der Berliner Sammlung vorfand; waren der noch ganz weichen Haut viele kleine linsenförmige Kalkplättchen aufgelagert, von denen die kleineren nur durch einen Faden mit der Körperhaut zusammen- | hingen, während die grösseren mit der ganzen unteren Seite auf = der Haut festsassen (Fig. 3. natürliche Grösse). Diese Kalklinsen bestehen aus einem mikroskopischen Balkengerüste von Kalkfasern. Viele derselben sind in der Mitte durchbohrt, um die Saugfüsschen | durchtreten zu lassen. Bei fortschreitendem Wachsthum breiten sie diese Kalkplättchen aus und verwachsen mit der Körperhaut und unte einander auf das Innigste, wie ein jugendliches Exemplar des hiesige van Museums beweist; nur in der Nähe des Afters erhalten sich die hinteren Kanten der immer sich vergrössernden Plättchen und erscheinen dann | Nachtrag zu den Beiträgen zur Anatomie und Systematik der Holothurien. 113 als vorspringende Schuppen. Die meisten der Saugfüsschen erhalten sich noch beim ausgewachsenen Thiere, viele aber werden von dem Kalkgerüste das sie umgiebt überwachsen, wie die Zählung der aus- tretenden Füsschen bei jüngeren und älteren Individuen ergiebt. Kein Wunder, dass bei den Fährlichkeiten der Aussenwelt hier allerlei kleine Abweichungen während des Wachsthumsprocesses auftreten. Offack (Lesson), Tonga, Sydney (Quov et Gammarn), Malakka (Tro- scHeL), Hong Kong, Neu Süd-Wales (Güntner, Mus. Berolin.) Pattalus!) gen. nov. F 20 gleich lange Tentakeln. Füsschen über den ganzen Körper gleichmässig zerstreut. Pattalus mollis sp. nov. Fig. 4—5. Die sehr weiche Körperhaut enthält ausser den Endscheibchen der " Füsse nur noch spärliche, kleine gedornte Stäbchen von etwas varliren— ‚ der Form (Fig. 5.). — Braun. Von einer grossen Zahl 14 Gm. langer Exemplare des Berliner Mu- ‚seums wurden mehrere der Untersuchung unterzogen. Die Tentakeln ‚sind sehr gross, ebenso ihr Behälter, der Schlundkopf (Fig. 4.). Ein ‚jeder der kräftigen Retractormuskeln ist in mehrere, bis fünf Portionen ‚ gespalten, wie es bisher von keiner zweiten Art bekannt ist. Der Lun- genbaum ist fein verzweigt, aber nicht von Gefässen umsponnen. An ' dem weiten Ringcanale hangen zahlreiche Poır'sche Blasen, und von ‚ihm entspringt der einfache, im Mesenterium festgelegte grosse Stein- ‚ canal. | Die Exemplare des Berliner Museums stammen aus Chili (PaıLıppi) ‚und Peru (WINTERFELD). | Durch Zahl und Gleichartigkeit der Tentakeln ist die Gattung Pat- ‚talus genau definirt; wenigstens unterscheidet sie sich deutlich von den ‚nächsten verwandten Gattungen Thyonidium und Urodemas, mit denen ‚sie zwar die Zahl der Tentakeln, nicht aber das relative Grössenverhält- ‚aiss gemein hat. Verschiedenheiten in der relativen Länge der einzel- ıen Tentakeln sind aber in der Familie der Dendrochiroten Regel, sodass lie Gattung Pattalus gleichsam eine Ausnahme bildet. 1 4) aartehos Stummel, Pfropfen. z es, iv en % Zeilschr. f. wissenseh. Zoologie. XVIII. Bd. 8 7 114 Dr, Emil Selenka, Urodemas!) Ehrenbergii sp. nov. Fig. 6—8. Die biegsame Körperhaut ist fein sandig anzufühlen, in Folge der Ablagerung von zahlreichen stachligen Kalkkörpern. Diese 0,08 Mm. hohen Gebilde bestehen aus drei normal zu einander gestellten Stäb- chen, von denen das eine jederseits einspitzig, das zweite jederseits zweispitzig und das dritte dickere und längere jederseits vierspitzig ist (Fig. 8.). — Dunkelbraun, die Endscheiben der Füsschen schwarz (Fig. 6.). Schlundkopf und Tentakeln sind sehr klein. Fünfzehn der Ten- takeln stehen in einem äusseren Kreise, innerhalb dessen in gleichen Abständen fünf sehr viel kleinere. Steincanal sehr klein. Die Re- tractormuskeln des Schlundkopfes sind kurz und dünn. | Eine Anzahl Exemplare von 5—6 Cm. Länge im Berliner Museum, alle vom rothen Meere (EHRENBERG). | Die mir vorliegenden Exemplare zeigen, dass der Anordnung der Füsschen nicht immer ein systematischer Werth beizulegen sei. Bei der Mehrzahl der Individuen ist die Vertheilung der Füsschen eine ganz gleichmässige, bei andern z. B. dem hier abgebildeten, zeigt sich die” a] deutliche Tendenz der Reihenstellung. Sollte es sich herausstellen, dass auch die Arten des Genus Thyonidium diesen Veränderungen 7 unterworfen sind, so wäre die Section mit 10 Tentakeln dem Genus Stolus einzureihen. Dieser Grund bestimmte mich früher schon, die” _ beiden Sectionen der Gattung Thyonidium mit 10 und 20 Tentakeln ” vorläufig zusammenzufassen, wie es bisher geschehen, obgleich sonst die Zahl der Tentakeln, gerade wegen ihrer Constanz bei den einzelnen j Arten, für die Systematik ein wohl verwerthbares Moment abgiebt. Urodemas gracile sp. nov. Fig. 9—10. Die Kalkablagerungen in der weichen Körperhaut beschränken sich auf die 0,4 Mm. breiten Scheiben der Füsschen und vereinzelte, bis” 0,04 Mm. lange durchbrochene, warzige Plättchen (Fig. 40.). — Die” 1 4) Soeben geht mir das zweite Heft von Semper’s Werk über die Holothurien | zu. Zu einer Verschmelzung der Gattungen Orcula und Urodemas, wie sie SEMPER | vornimmt, kann ich mich nicht entschliessen. In der absoluten Zahl der Tentakeln |’ und ihren relativen Längenverhältnissen sehe ich vielmehr Merkmale, wie sie wohl } generische Unterschiede bedingen können; die anwachsende Artzahl in den Gat- ' tungen der Dendrochiroten scheinen dieser .Ansicht wohl’ das Wort zu reden. Nachtrag zu den Beiträgen zur Anatomie und Systematik der Holothurien, 115 Oberhaut des einzigen Exemplars war grossentheils abgerieben; wo sie vorhanden, hellbraun. Das 7 Gm. lange Thierchen zeigt den Habitus von Thyone venusta. Die Tentakeln sowie der Schlundkopf sind nicht gross. Die Interradialia des Kalkrings sind von auffallender Kleinheit; die Radialia zerfallen in drei Stücke (Fig. 9.), von denen die paarigen den Tentakelcanal in seiner ganzen Länge umfassen. Die nicht eben langen Retractormus- keln (MR) entspringen im oberen Drittel der breiten Longitudinalmus- keln (ML) mit zwei Zacken. Porsche Blase einfach, Steincanal klem, im Mesenterium festgehalten. 15 grössere Tentakeln bilden einen äusse- ren Ring um die 5 kleineren. After unbezahnt. . Ein Exemplar im Berliner Museum, aus dem rothen Meere (EnrEn- BERG). Thyone venusta sp. nov. Fig. 11—12. Die Kalkgebilde des schlanken, weichen Thieres (Fig. 11.) be- stehen allein aus sehr regelmässig gestalteten, nur 0,14 Mm. grossen Endscheibehen der Füsse (Fig. 12.). — Thier farblos. Der Schlundkopf des einzigen Exemplars ist sehr gross und lang- gestreckt (Fig. 11, A). Die nach hinten zweispaltig verlängerten Ra- dialia des Kalkringes fassen den Tentakelcanal £ zwischen sich. Die Retractormuskeln (MR) sind von auffallender Kürze. Die übrigen ana- tomischen Verhältnisse ergiebt die Zeichnung. Die Bezahnung des Afters und die 10 Tentakeln, von denen 2 viel kleiner, ordnen die Art mit Bestimmtheit der Gattung Thyone unter. Ein Exemplar im Berliner Museum, vom rothen Meere (EnrENBERG). Fam. Molpadidae. Haplodactyla holothurioides Cuvy.!) ; Fig. 13—14. Molpadia holothurioides Euvier. Le regne animal. Paris 1817. Tom. IV; ip. 24. | Fig. 13. zeigt das a Thier in natürlicher Grösse. ' Fünfzehn kleine stummel,, oder papillenförmige Tentakeln (T) um- Se A) Da sich in der Pariser Sammlung nur ein Exemplar unter dem Namen Mol- padia holothurioides vorfand, so stehe ich nicht an dieses auf den Cuvier’'schen Na- men zu beziehen, obwohl dieser Forscher die Art aus dem Atlantischen Ocean anführt. g* 116 Dr. Emil Selenka, stellen den Mund. Der Kalkring, ähnlich dem von Molpadia oolitica Pourr. ist aus 40 Stücken zusammengesetzt, die fast unbeweglich mit einander verwachsen sind. Der Darm ‘ist in seinem Verlaufe durch ein zartes, zum Theil löcheriges Mesenterium festgehalten, in welchem auch der Ausführungsgang 9 der Geschlechtsorgane G und der Stein- canal & festgelegt ist. Die Darmgefässe correspondiren durch ein die Leibeshöhle durchsetzendes Gefäss c, treten aber nicht an die Lunge heran. Die kleinen Fädchen, welche hie und da vom Darme an den getheilten Lungenast Z übergehen, konnte ich Vorkommen, Lage und histologischer Zusammensetzung nach nur für Muskelfädchen an- sprechen. Der zweite Lungenast liegt frei und ist nur mit seinem Ende an das Mesenterium geheftet (n). Die Porr'sche Blase (auf der Zeich- nung nicht angegeben) ist einfach, der Steincanal klein. Die Ge- schlechtsschläuche sind bilateral entwickelt; ihr Ausführungsgang mün- det ausserhalb des Tentakelkranzes. Die Cloake wird durch zahlreiche kleine Muskelfäden in Lage erhalten. — Die Haut des Thieres ist kaffee- braun, mit vielen Sandkörnchen besäet, die durch den erhärteten Schleim anhaften. Die Kalkkörper der Haut sind abgeplattet, biscuit- ' förmig, 0,024 Mm. lang (Fig. 14.). Guvier’sche Organe fehlen voll- ständig. Das einzige Exemplar im Pariser Museum ist bezeichnet als Mol- padia holothurioides, Waigiou; Lesson et Gannor. Exp". Duperrey. Ich benutze diese Gelegenheit, um einen Irrthum zurückzunehmen, auf welchen Herr Dr. Semrer die Freundlichkeit hatte mich aufmerksam zu machen. In meiner früheren Arbeit beschrieb ich bei Stichopus chloronotus Branpr und Stichopus badionotus SELENKA ausser einem kleinen geknöpften Steincanale noch einen zweiten vielfach verästelten. Dieser »verästelte Steincanal« ist nichts anderes als die Geschlechts- organe, die allerdings hier in einer ganz neuen Form auftreten. Verzeichniss der einzuziehenden Arten!). Von den nachfolgenden erwähnten Arten Quoy et Gamarp’s habe ich die Originalexemplare im Pariser zoologischen Museum untersucht und hieraus die aufgeführten Resultate gewonnen. Mülleria varians Srrenka (a. a. 0.p. 310.) ist = Mülleria mauri- | tiana Quoy & GaImarD (a. a. O. p. 138.). Eine genauere Beschreibungen dieser und der folgenden Arten, wie sie sich die französischen Forscher 4) Alle mit gesperrter Schrift gedruckten Namen sind zu tilgen. u‘ W Nachtrag zu den Beiträgen zur Anatomie und Systematik der Holothurien. 117 vorbehalten hatten, ist leider nie erschienen. Nach den kurzen latei- nischen Diagnosen die Arten wiederzuerkennen, war aber zum Theil unmöglich. Mülleria lineolata Quoy & GamarD (a. a. O. p. 136.), sowie Mülleriaplebeja Serenka sind —= Mülleria miliaris Quoy & Gar- marD (a. a. O. p. 137.). Hol.flammea, fuscopunctata, fasciola Qvoy & Guam. (a. a. O.) p. 117 u. f.), sowie Stichopus gyrifer SrrenkA sind Exemplare von Stichopus monacaria Lesson in verschiedenen Erhaltungs- und Con- tractionszuständen. Die im Pariser Museum als Hol. fuscopunctata und fasciola bezeichneten zahlreichen Individuen vertheilten sich eigentlich in eine Anzahl ganz verschiedener Species, deren weitläufige Auffüh- rung man mir gern erlassen wird. Es genügt zu wissen, dass die be- schriebenen Exemplare ein und derselben Art angehören. Stichopusunituberculatus Quoy & GammARD (a. a. = p. 131.) ist —= Stichopus luteus Quoy & GammarD (p. 130.). Hol. botellus Serrenka (a. a. O. p. 335.) ist = Hol. fulva Quoy & Gam. (a. a.©.p.135.). »Hol. fulva« ist ein total verblichenes Exemplar! Holl. tuberculosa, pentagonus Qvoy & Gamarn (a. a. 0. p. 131. u. 135.), sowie Gercodemas anceps SELENKA ist —= Colochi- rus quadrangularis Lesson (Gent. Zool. p. 90.). Das einzige Exemplar von Stichopus (Hol.) lucifugus Quoy & GAI- MARD (a. a. O. p. 134.) war so stark beschädigt, dass sich die näheren anatomischen Details nicht mehr gewinnen liessen. Die Kalkkörper be- stehen in granulirten, gedornten Stäbchen genau von der Form, wie sie von Hol. pulchella SerenkaA (a. a. O. p. 148.; Taf. XVII. Fig. 62.) be- ‚ schrieben worden sind. Die Exemplare von Hol. spinosa Quoy & GammarD sind von jenen | Forschern (a. a. O. p. 118.; Pl. 7. Fig. 1—10.) genauer beschrieben. Durch die 40 Tentakeln, von denen 2 kleiner, durch die Bezahnung des \Afters, die Be ln des hinteren Körperendes und die fünf grossen ‚| Vorsprünge, welche den Mund umstellen, ordnet sich die Art dem Ge- -‚nus Golochirus Troscn. unter. Der Charakter der »Reihenstellung der ‚Bauchfüsschen« ist somit aus der Diagnose der Gattung Colochirus ‚ |Troson. = CGercodemas SELENKA) zu streichen, da Coloch. spinosus Qu. & Gam. zerstreute Füsschen besitzt. — Nach genauer anatomischer ! . |Untersuchung ist Stolus firmus Serenxka (a. a. O. p. 356.; Taf. XX. „ig. 148—119) = Colochirus spinosus Qu. & Gam. Das einzige mir „ rorliegende Exemplar war zweifellos stark beschädigt, denn von einer 3ezahnung des Afters und einer Beschuppung des hinteren Körperendes var durchaus nichts zu sehen. 118 | Dr. Emil Selenka, Mehrere der von Quov & GaımarD (a.a. ©.) nur mangelhaft beschrie- benen Arten waren in der Pariser Sammlung nicht mehr aufzufinden und es scheint mir gerathen, diese Arten vor der Hand ganz zu ver- nachlässigen. Sollte im Laufe der Zeit das eine oder andere Original- exemplar wieder aufgefunden werden, so bleibt es noch immer Zeit, die alten Namen wieder zu Ehren zu bringen. Es gehören hierher: Müll. guamensis, Holl. albifasciata, fasciata, ophidiana und subrubra. Nach genauester Vergleichung ilgaudn Originalexemplare Tro- scHEL’s (in der Berliner Sammlung) ist ferner Thyone carolina Troscazı und Thyone tenella SELEnkA (a. a. O0. p. 354.) — Thyone peruana TroscHeL (vergl. Archiv f. Nat. 1846; p. 62—63.). Das von TroscueL (ebenda, p. 63.) als Thyone cigaro beschriebene Thier ist dem Genus Stolus einzureihen: die Papillen am After entbeh- ren der kalkigen Zähne. Die Haut war ganz frei von Kalkablagerungen ‚und nur in den Tentakeln wurden grosse weinascihe: Kalkgitter von unregelmässiger Form vorgefunden. Nach. einer brieflichen Mittheilung Herrn Dr. Semper’s ist ferner: Holothuria Brandtii SeLenka a. a. O. p. 339. (= Sporadipus maculatus Branpr) — Hol. marmorata JAEGER und Hol. tigris Branpr = Hol. scabra JAEGER. | Nach einem Aufsatze Stımpson’s (Surrason. Contrib. V1. 1854. p. 16 —17.), der mir bei meiner früheren Arbeit entgangen war, ist endlich Thyonidium productum Ayrss — Orcula punctata Acassız. Psolus laevigatus Ayres —= Psolus phantapus STRUSSENF. Cucumaria affinis Aykes = Gucumaria frondosa Gunn. Göttingen, 1. October 1867. Erklärung der Abbildungen. Tafel VIII. Analoge Theile sind mit gleichen Buchstaben bezeichnet. 0. Mundöffnung. P. Pour'sche Blase. a. After. x. Steincanal. K. Kalkring,. T. Tentakel. i. Darm. G. Geschlechtsschläuche. m. Mesenterium. g. Geschlechtsgang. pl. Lunge. ML. Longitudinalmuskeln. R . Ringcanal. MR. Retractormuskeln des Schlundkopfes. Meitschrift 1 zmijfenschaftl. Koologie. Ba. U. NE ee: Hagınschieer £0 155} „14. Nachtrag zu den Beiträgen zur Anatomie und Systematik der Holothurien. 119 . Stolinus cataphractus gen. et spec. nov. Australien. nat. Gr. . Kalkkörper der Haut. 20),. . Colochirus quadrangularis Lesson. Neu Süd-Wales. Junges Exemplar in nat. Gr. Pattalus mollis gen. et spec. nov. Chili. Ein Stück der Körperwand ist her- ausgeschnitten. nat. Gr. . Kalkkörper der Haut. 20/,. . Urodemas Ehrenbergii spec. nov. Rothes Meer. nat. Gr. . Kalkring, doppelte Grösse. . Kalkkörper der Haut. 20%/,. . Urodemas gracile. sp. nov. Rothes Meer. Der Schlundkopf ist nebst seinen Retractoren (MR) und dem Mesenterium aus der Leibeshöhle losgetrennt und ganz herausgeschlagen. Doppelte Grösse. . Kalkkörper der Haut. 350/,. . Thyone venusta sp. nov. Rothes Meer. Das Thier ist aufgeschnitten und der Schlundkopf, nach Lestrennung des Mesenteriums, herausgezogen. nat. Gr. — t. Tentakelcanal. . Die sehr regelmässig geformten Saugscheibchen der Füsse. 150/,. . Haplodactyla holothurioides Cuv. Waigiou. nat Gr. — t. Tentakelampullen ; L. gespaltener Lungenast; n. Anheftungsstelle des andern Lungenastes an das Mesenterium. Kalkkörper der Haut. 30). Beitrag zur Lehre der geschlechtlichen Fortpflanzung; der Infusorien. Von Dr. Ernst Eberhard , Schulrath in Coburg. Es ist vor Kurzem nach einer Pause, die allen Infusorienforschern als eine schmerzlich lange erschienen sein dürfte, der zweite Band des trefllichen Werkes von Fr. Stein: »der Organismus der Infusionsthiere« erschienen, ein Meisterwerk nach Inhalt und Ausstattung, durch welches unsere Kenntniss vom Leben des Kleinsten wieder einen mächtigen Ruck vorwärts gethan hat. Dieser Band enthält einen allge- meinen Ueberblick über den gegenwärtigen Stand der Infusorienkunde, namentlich in Hinsicht auf die so schwierige Frage nach der geschlecht- lichen Fortpflanzung dieser so ungemein häufig auftretenden und doch so schwer zu ergründenden Thierklasse. Daran schliesst sich die Be- gründung des von Stein selbst schon früher aufgestellten auf die Art der Bewimperung basirten Infusoriensystems. Darauf folgt.eine de- taillirte Darstellung des Systems der heterotrichen Infusorien. In dieser wird neben anderen Formen der Riese in dieser Zwergenwelt, die Bursaria truncatella eingehend behandelt und zum ersten Male nach Bau und Organisation erschöpfend dargestellt. Ich bin, gestützt auf ein ” sehr reiches Material, im Wesentlichen zu den gleichen Resultaten ge- langt; die Abweichungen von der Stzin’schen Auffassung, die mir durch meine Beobachtungen aufgenöthigt werden, will ich in einem besonderen Aufsatz darstellen, sobald mir die Musse dazu vergönnt | wird. An dieser Stelle soll nur die geschlechtliche Fortpflanzung des 5 merkwürdigen Thieres kurz besprochen werden, indem meine Be- | obachtungen bei theilweiser Uebereinstimmung mit den Steıin’schen, _ anderntheils in schneidenden Contrast mit denselben treten. “ | | Beitrag zur Lehre der geschlechtlichen Fortpflanzung der Infusorien. - 121 Stein sagt, dass er nicht selten Thiere der B. tr. gefunden, die von einer grossen Zahl unzweifelhafter Embryonen erfüllt wurden. Diese - Individuen unterschieden sich von den anderen schon durch ihre dreh- runde Gestalt und den fast totalen Verschluss der Peristommündung. Die Embryonen lagen gleichmässig durch das ganze Innenparenchym zerstreut; die meisten waren dicht vom Parenchym umschlossen und lagen ruhig; einzelne hatten das Parenchym um sich ausgehöhlt und bewegten sich in der Flüssigkeit energisch auf und ab und um die Achse. Liess man das Mutterthier zerfliessen, so traten die Thiere heraus und schweiften nach allen Richtungen im Wasser umher. Die Mutterthiere fand Sreın stets mit einem strangförmigen Nucleus, der jedoch nicht immer so grosse Dimensionen hatte, wie bei den gewöhn- lichen Individuen. Der Körper der Embryonen war oval oder umge- kehrt eiförmig, ringsum gleichförmig und dicht mit kurzen, feinen Wimpern bekleidet. Am vorderen Ende fand Stein einen kleinen, röhrenförmigen Vorsprung, den er für einen blinden Saugnapf ansieht. Im hinteren Körperende fand sich ein kleiner, runder contractiler Be- hälter und in der Mitte ein runder oder länglicher Nucleus. Tentakel- mässige Fortsätze, wie sie den Embryonen anderer Infusorien eigen sind, fehlten bestimmt. Eine vorausgehende CGonjugation der er- wachsenen Thiere war nicht beobachtet worden. So Stein. Ich gehe nunmehr zur Darstellung meiner Beobachtungen ‚über. Ich bewahrte in einer Reihe von Gläsern Lemna minor und zwar im Zustand der Zersetzung mit einer wimmelnden Menge von Bursaria ‚ truncatella. Nach einigen Tagen fand ich zu meinem Erstaunen die ' Mehrzahl der Thiere mit Kugeln, die alle gleiche Grösse hatten, stärker oder schwächer angefüllt, zum Theil vollgepfropft. Einzelne Thiere, | bei denen sich das Peristom auch fast ganz geschlossen hatte , glichen \ kugelerfüllten Säcken. Es hatte fast den Schein, als hätten sich die kleinen Bestien an Pollen irgend einer Pflanze übernommen. Dass in -der That ein Fortpflanzungsact vorlag, war sofort klar. Ich bemerkte bald, dass aus dem noch offenen Schlitz von Mutterthieren einzelne Kugeln hervortraten aber an der äusseren Oberfläche derselben kleben blieben. Wenn nun die Thiere, was gerade bei diesem Infusorium so leicht geschieht, zerflossen und die Kugeln frei wurden, zeigte sich, dass diese graugrieselichen und mit einem contractilen Behälter und ' rundlichen Nucleus versehenen Kugeln Acinetenform hatten, kurze Tentakeln mit silberhellen Knöpfchen sprossten unregelmässig bald in ' grösserer, bald in kleinerer Zahl an der Oberfläche ringsum hervor. ı Diese Tentakeln vergrösserten sich bei mehreren der ruhig daliegen- | den Kugeln sichtlich und erreichten zuweilen eine Länge, dass es 122 Dr. Ernst Eberhard, schwer wäre, sie von der stiellosen Form der Podophrya fixa zu unter- scheiden. Reifere Kugeln dehnten sich bald nach dem Freiwerden , oft in wenigen Minuten, in die Länge und nahmen die Form eines etwas plattgedrückten Weizenkornes an, der selbst die Längsfurche nicht fehlte. Das eine Ende war spitzer — das vordere —; das andere Ende aber. stumpfer. Nach dem vorderen Ende zu lag seitlich der contractile Behälter und dahinter der rundliche Nucleus. Die Oberfläche dieses Thierchens war noch immer mit geknopften Tentakeln besetzt, die be- sonders gehäuft am vorderen und hinteren Ende standen. Bald sprosste ein Wimperkleid auf der ganzen Oberfläche hervor, zwischen dessen Härchen die Tentakeln hervorragten. Das Thier begann eine langsame und schwerfällige Bewegung, die sich um so mehr beschleunigte, je kräftiger sich die Wimpern entwickelten. Der Mund wurde in- der Längsfurche in der vorderen Hälfte erkennbar. Da das Thier mit dem spitzeren Ende voran sich fortbewegt, so nenne ich dieses Ende das vordere. Hier zeigte sich eine Acinetenform, die zugleich zu den Ciliaten gehört. Gemach verschwanden die Tentakeln und das bewimperte Infusorium war fertig, das ich schon oftmals beobachtet, aber für eine selbständige Infusorienform gehalten hatte. Hier ist, so vielich weiss, zum ersten Male durch directe Beobachtung der Uebergang der Acinetenform in die Ciliatenform bei Infusorienjungen constatirt worden. Diese Beobachtung bestätigt unter Anderem die Auffassung Steıw’s, dass die aus Paramaecien austretenden kleinen Acineten wirkliche Junge und nicht etwa Parasiten sind, wie Barsıanı behauptet. Es ist nun- mehr unzweifelhaft, dass auch diese Formen in die Ciliatengestalt, welche sie der Mutterform näherbringt, übergehen. Dass diese Embryonen der Bursaria truncatella aus dem Nucleus des Mutterkörpers hervorgehen, glaube ich mit Sicherheit festgestellt zu haben. Diejenigen Thiere, welche ganz und gar mit Embryonalkugeln vollgepfropft waren, hatten gar keinen Nucleus mehr oder nur einzelne, im entschiedenen Zerfall begriffene Fragmente desselben. Zum Schlusse sei noch bemerkt, dass der Durchmesser der Kugeln etwa doppelt so gross war als die Breite des strangförmigen Nucleus zu sein pflegt, und dass die daraus hervorgehenden Ciliaten etwa 3/, Mal so lang sind, als jener Durchmesser beträgt. Während also Sreıv bei allen‘ mit Embryonen erfüllten Thieren den Nucleus vorfand, ergab sich mir das Gegentheil; während Srem die Acinetenform der Jungen mit Bestimmtheit in Abrede stellt, muss ich sie, gestützt auf viele eigene Beobachtungen, mit derselben Be- stimmtheit behaupten. Den contractilen Behälter, den Sreın im hin- Beitrag zur Lehre der geschlechtlichen Fortpflanzung der Infusorien. 123 teren Theile der Embryonen fand, habe ich stets in der vorderen Hälfte gesehen. Von einem Saugnapf konnte ich keine Spur entdecken. Die Versöhnung so schneidender Gegensätze wird vielleicht in der Verschiedenheit von Fortpflanzungsweisen zu suchen sein, die noch näher zu erörtern sind. Ich hoffe Musse zu finden, meine Beobachtungen noch detaillirter und durch Abbildungen erläutert, vorzulegen. Coburg, den 1. October 1867. Pr &r Dr. Ernst Eberhard, Schulrath. Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment. (Offenes Sendschreiben an Prof. GC. TH. v. SıEBoLD in München.) Von Emil Bessels. Mehrmals forderten Sie mich auf, verehrter Herr Professor, die von mir angestellten Versuche, über deren Resultate ich Ihnen von Jena aus Einiges berichtete, zur Widerlegung der Lanpoıs’schen Theorie!) zu verwerthen. Ich will es Ihnen nicht verhehlen, dass ich Ihrem Wunsche nur mit Widerstreben willfahre, denn zwei Puncte sind es, die mich hätten abhalten sollen, meine Versuche der Oeffentlichkeit zu übergeben. Der erste Grund, auf welchen ich auch schon in Ihrer Zeitschrift hinwies?) ist der, dass es auf den ersten Blick auffallen muss, an wie vielen Irrthümern, Inconsequenzen und Beobachitungsfehlern die Lan- poıs’sche Theorie krankt, und dass es also kaum der Mühe werth sei, noch etwas Weiteres zu entgegnen. Weit entfernt davon, es mir als Verdienst anzurechnen, wenn es mir glücken sollte, die falschen Ansichten des Herrn Doctor Lanvors zu widerlegen, so würde es mir dennoch Vergnügen bereiten, wenn ich durch meine Experimente ‘die verschiedenen antiparthenogenetischen Gemüther be- kehren könnte. Seit Craus das Männchen von Psyche helix entdeckte, beginnt es in den Köpfen unserer Gegner wieder gewaltig zu spuken. Das Dogma: »Nur befruchtete Eier sind entwickelungsfähig« breitet seine Arme, verlockender denn je, wieder aus. Und wie schwer ist es für Viele, sich einer solehen Umarmung zu entwinden. 4) Vgl. Dr. H. Lannoıs: Ueber das Gesetz der Entwickelung der Geschlechter bei den Insecten, in dieser Zeitschrift. Bd. XVII. 1867. pag. 375. 2) S. meine Studien über die Entwickelung der Sexualdrüsen bei den Leis dopteren, in dieser Zeitschrift. Bd. XVII. 1867. pag. 562, Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment. 125 Das zweite Motiv, welches mich veranlasst haben würde, vall- kommenes Stillschweigen zu behaupten, ist: dass ich, der Anfänger, mich nicht berufen fühlen konnte, eine eingehende Kritik zu üben, sondern dies den Meistern der Wissenschaft zu überlassen gedachte. Ich sagte daher in dem letzten Hefte Ihrer Zeitschrift nur so viel, als ich in Betreff meiner Arbeit: Studien über die Entwickelung der Sexualdrüsen der Lepidopteren für nöthig erachtete. Schreiten wir nun zur näheren Beleuchtung der mit so »grossem Scharfsinn« entwickelten Ansichten Laxvoıs’ und suchen wir die- selben zu entkräften, was freilich eine nicht schwierige Aufgabe ge- nannt werden kann, da der Herr Verfasser in das Leben der Bienen wenigstens — man kann dies zwischen jeder Zeile seines Aufsatzes ‘ohne Mühe durchschimmern sehen — einen weniger hinreichenden ‚Einblick hat, als ein einigermaassen intelligenter Bauersmann, der die Bienenzucht nur kurze Zeit betreibt. Indem Laxpoıs die durch die Untersuchungen von Dzierzon und Ihnen festgestellten Sätze zurückweist, dass nämlich bei den Bienen ‚aus denjenigen Eiern, welche von der Königin beim Legen mit Samen befruchtet werden, weibliche Bienen entstehen , während aus den un- befruchteten Eiern die Brut der Drohnen hervorgeht, wirft er die Frage ‚auf, ob nicht der verschiedene Futterbrei, mit dem die Arbeiterbienen (die jungen Maden füttern, auf die Entwickelung der verschiedenen Geschlechtsarten bestimmend einwirke? und ob nicht aus solchen Eiern, welche die Königin in Arbeiterzellen legt, auch Drohnen erzogen wer- den könnten, wenn man die Eier in Drohnenzellen versetzte und ihnen so Drohnenfutter zukommen liesse, und umgekehrt aus Drohneneiern Arbeiterbienen erzielt werden könnten, wenn man diese Eier in Ar- beiterzellen versetzte und den daraus hervorgeschlüpften Maden Arbeiterbienenfutter zukommen liesse. Diesen Versetzungsversuch will Lanpoıs in der That und zwar zu verschiedenen Malen ausgeführt haben, wobei er das überraschende Resultat erhalten habe, dass aus den Drohneneiern Arbeiterinnen und aus den Arbeiterinnen Drohnen ent- standen. Zuerst gestatten Sie mir wohl, zu untersuchen, wie Lawvoıs bei der »wiederholten« Translocation zu Werke ging. So, wie er die Versuche beschreibt, hat er sie sicher nicht ausgeführt, das wage ich mit aller Bestimmtheit zu behaupten. Einen derartigen Eingriff in ihr dauswesen lassen sich die Bienen nicht gefallen, denn die Thierchen ‘ühren eine ganz wunderbare Controle, sie dulden durchaus nichts Jngehöriges. | | Ich habe auch Bieneneier transferirt, jedoch mit weniger günstigem 126 Emil Bessels, Erfolg als Herr Dr. Lanpoıs. Hier folgen meine mit Dzisrzon-Stöcken darüber angestellten Versuche: Versuch I. / Sonntag, 22. Juli, 1/53 Uhr Nachm. Aus dem Dzierzonstocke No. 2, wurden von der hintersten Wabe 8 Drohneneier sammt ihrer Wachsunterlage entfernt und davon 3 an das untere, 5 an das obere Ende derselben Wabe, in Arbeiterzellen, aus welchen ich die Eier vorher entfernt hatte, eingesetzt. Die be- treffenden Zellen bezeichnete ich durch feine Stecknadeln , die ich bis zum Kopf in die Wabe eindrückte. Resultat. 3/45 Uhr Nachm. Von den 5 unteren Eiern waren zwei sammt Wachsplättchen herausgeworfen, während sich in einer andern Zelle das Wachs- rudiment noch vorfand, das Ei jedoch verschwunden war. Von den 3 oberen, war ein Ei sammt Unterlage entfernt. 3/49 Uhr Abend. Von den nunmehr noch übrig gebliebenen 2 Eiern der unteren Parthie fand sich noch ein einziges vor, während das vorhin erwähnte Wachsstückchen entfernt war. Montag, 23. 8 Uhr früh. Sämmtliche Zellen gesäubert. Versuch Ib Sonntag, 22. Juli, 5 Uhr Nachm. 5 Arbeitereier in Drohnenzellen gebracht, auf die vorhin erwähnte Wabe des Stockes No. 1. | Resultat. 3/49 Uhr Abend. E. Von den 5 eingesetzten Eiern war nur noch ein Stück übrig ge- blieben. Die Andern sämmtlich nebst Unterlage entfernt. | Montag, 23. 8 Uhr früh. | Dieses eine Ei noch vorhanden, aber etwas verschoben. Während dasselbe vorher senkrecht stand, befand es sich jetzt in einer schiefen Lage, das Wachsstückehen war aber noch vollkommen befestigt. 1/1 Uhr Nachm. Ei vollständig umgelegt. A 1/,9 Uhr Abend. Wieder etwas emporgerichtet. 2 Donnerstag, 26. !/5 Uhr früh. ft Ei weggeholt, welches sicb am Abend vorher noch in der Zelle befand. Das Wachsplättchen genau dem Boden der Zelle angepasst, Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment, 127 was ich durch die Farbendifferenz der beiden Wachsarten leicht er- mitteln konnte. Bei beiden Versuchen wurden die Eier vermittelst eines scharfen, in Wasser getauchten Skalpells, sammt dem Boden der Zelle ausge- schnitten. Hierauf entfernte ich mit einer äusserst reinen, ebenfalls nassen Scheere das Wachs rings um das Ei,,indem ich den Wachs- hoden nur so gross liess, als zur Befestigung unbedingt nothwendig war. Nachdem die Vorbereitungen so weit getroffen, brachte ich das Ei vermittelst einer gebogenen Pincette, mit der ängstlichsten Sorgfalt in die Zelle ein. — Ich will bemerken, dass ich zuvor ein Tröpfchen Honig auf die Rückseite der Wachsplättcheh brachte, um dadurch eine bessere Befestigung zu erzielen. — Die Ränder des Wachsrudiments drückte ich mit einer stumpfen Präparirnadel auf den Boden der Zelle fest, jedoch so, dass kein Honig über die Ränder hinausgepresst wurde. Zu Versuch Il. Während bei dem ersten Experimente die Eier aus demselben Stocke (Nr. 2) genommen waren, wurden dieselben beim zweiten aus einem andern, ebenfalls Halb-Italiener,, geholt. Hier operirte ich mit noch weit grösserer Vorsicht, indem ich das "Wachsplättchen nicht einmal mit der Hand berührte, um den Bienen jeden Geruch fern zu halten, sondern ich fasste dasselbe beständig mit “ der Pincette, während ich die Ränder beschnitt. Ich war noch mit dem Einsetzen der letzten Eier beschäftigt, als einige Bienen, die auf der Wabe umberkrochen, herbeikamen und die- selben umwarfen, um den Honig zu naschen, der diesmal freilich aus Nr. 3 genommen war. Nun nahm ich die Eier, welche vermittelst des ‚ fremden Honigs festgeklebt waren, weg, und brachte dieselbe Anzahl ' frischer in andere Zellen, welche aber mit Honig aus demselben Stocke befestigt wurden. (S. Resultat d. Vers. IL). Versuch II. Mittwoch, 25. Juli, !/,5 Uhr früh. Es wurden in dem Stock Nr. 4. 6 Arbeitereier in Drohnenzellen verseizt. 3 davon behandelte ich auf eine Weise, welche von der bis- her angewandten Methode insofern abweicht, als ich die Rier von unten durch den Boden der Zelle einsetzte. Ich entfernte auf der Rückseite der dritten Wabe, an welcher ich dieses Mal experimentirte, einen | Theil der Zellwände, welche den Stellen, wohin ich meine Eier zu 'ı bringen gedachte, gegenüberstanden, Hierauf schnitt ich in die Böden 7 der drei Zellen, welche die Eier aufnehmen sollten , viereckige Löcher, _ die etwas kleiner waren, als die Wachsstückchen, welche ich mit den 128 Emil Bessels, Eiern aus dem Zellenboden entfernte. Sodann bestrich ich die Ränder der Wachsplättchen, auf welchen die Eier standen, sorgfältig mit Honig und führte das Ei von unten in die Zelle ein, das am Ei haftende Wachsstückchen gut andrückend. !/g9 Uhr Vorm. Ein von oben eingesetztes Ei entfernt, Wachsplättchen noch an seiner früheren Stelle, ohne im Geringsten verschoben zu sein. Das- selbe befand sich an dem tiefsten Puncte des Bodens. 3 Uhr Nachm. Ein zweites von oben eingesetztes Ei, sammt Wachsstückchen entfernt; voriges Plättchen noch vorhanden. | !/,9 Uhr Abend. Ein von unten eingebrachtes Ei, ohne Unterlage hinweggeholt. Donnerstag 26. 4 Uhr früh. Als ich die Wabe besichtigte, bemerkte ich eine Biene in einer Zelle, welche künstlich mit einem Ei (von unten eingebracht) besetzt war. Als das Thier herauskroch, fand ich das Ei zerdrückt an der Wand der Zelle haftend; ich entfernte dasselbe. 1/59 Uhr Vorm. Ein weiteres Ei (von unten eingesetzt) entfernt; Wachsplätichen etwas nach aussen gedrückt. Freitag, 27. 1/59 Uhr Vorm. Letztes Ei sammt der Unterlage entfernt. Dasselbe war um 4 Uhr noch. vorhanden gewesen. Also diese drei Versuche wären gänzlich misslungen. Ich suchte die Schuld einmal in den Stecknadeln, durch welche ich die mit Eiern besetzten Zellen bezeichnete, und ferner glaubte ich, mich eines an- deren Klebemittels, als des Honigs, bedienen zu müssen. Statt mit Stecknadeln, bezeichnete ich die Lage der Zellen (bei Versuch IV.) durch Abseissen und CGoordinaten, indem ich das Rähm- chen der Wabe mit den entsprechenden Linien versah. Zum Befestigen des Wachsstückchens, nahm ich eine starke Gummilösung, die ich mit etwas (nur ein Minimum) Strychninsolution versetzte, um .den Leckermäulern dadurch das Naschen zu vertreiben. Versuch W. Freitag, 27. 4 Uhr Nachm. Vier Drohneneier in Arbeiterzellen versetzt (von oben, mit Gummi- lösung befestigt). 5 Uhr Nachm. | Ein Ei entfernt, Wachsplättchen noch vollkommen befestigt. Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment. 129 1/,9 Uhr Abend. Ein zweites Ei beinahe gänzlich umgedrückt, wahrscheinlich hatte hier eine Biene den Versuch gemacht, dasselbe zu entfernen. Sonnabend, 28. 4 Uhr früh. Das umgelegte Ei sammt Wachsstückchen entfernt, ebenso ein drittes. 1/99 Uhr Abend. Das letzte Ei umgelegt und Sonntag, 29. 4 Uhr früh. War es weggeholt. So war alle Mühe umsonst. Ich konnte mir nicht den geringsten Vorwurf der Sorglosigkeit machen. Ausserdem hatte ich mir zu den zwei zuerst angeführten Versuchen Sachverständige, erfahrene Bienen- züchter beigezogen , welche sich nicht genug über Lanpoıs’ Kunst ver- wundern konnten. Die Herren: Hofgärtner Sprixcer, Amtscom- ‚ missar Wurrie und mein verehrter Freund, Prof. Dr. Scnärrer,, ein | liebenswürdiger Bienenvater, würden mir sicher bezeugen können, dass die Versuche mit aller Sorgfalt ausgeführt wurden. Am 5. August erhielt ich etwas verspätet die Doppelnummer 13. und 44. der Bienenzeitung, in welcher Herr v. BerLerscr mittheilt, dass ihm die Translocation von Eiern gelungen sei, ohne jedoch das Verfahren, dessen er sich bei seinem Experimente bediente, bekannt zu machen. !) Herr v. Berrersch hatte die Freundlichkeit, mir seine Methode brieflich mitzutheilen ; derselbe schreibt mir: »Um Eier mit Erfolg transferiren zu können, muss man eine Wabe auf einer Seite bis auf die Mittelwand, ganz oder theilweise, glatt rasiren und die Böden derjenigen Zellen, in welche man transferiren will, in der Mitte ausschneiden, d.h. man muss mit einem sehr spitzen scharfen Federmesser ein Löchelchen hineinschneiden, so dass vom Boden der Zelie noch ein Theil stehen bleibt. Dann nimmt man eine ‚andere Wabe, aus welcher man transferiren will, rasirt sie ebenfalls . auf einer Seite glatt bis auf die Mittelwand und schneidet aus den Bö- den der Zellen runde Stückchen mit dem darauf sitzenden Ei heraus. Diese Stückchen müssen etwas grösser sein, als diejenigen, welche aus der Wabe, in welche transferirt werden soll, entnommen sind. Ist dies geschehen, so setzt man die erste Wabe platt auf den Tisch, so dass die abrasirte Seite nach oben stehe, bringt die Aunsesche ‚ Stückchen behutsam darauf mit dem Ei nach innen (nach der Zelle) 1) Vergl. Bienenzeitung 1867. pag. 161. u.d. f. Zeitschr. f. wissensch, Zoologie. XVIIT. Bd. 9 130 Emil Bessels, und löthet sie mittels einer erhitzten Stecknadel, die man mit der Spitze in ein Hölzchen festgeklemmt hat, fest.« »Gelingt es, die Eier unbeschädigt zu transferiren und die Böden luftdicht aufzulöthen, so werden sie ausgebrütet und die Larven zum fliegenden Insect, wenigstens die Drohneneier, ausgebildet. Freilich gelingt das Transferiren nicht jedesmal. Ich selbst habe zwei desfallsige Versuche gemacht.« »a. Im Jahre 1862 transferirte ich auf diese Weise sechs Eier, welche eine normale Königin in meinem Stocke in Drohnenzellen legte, in Bienenzellen. Zwei Eier wurden herausgeworfen, vier zu Drohnen erbrütet. Ich wollte damals nämlich auf experimentellem Wege feststellen, dass das Geschlecht im Ei präformirt sei, deshalb musste ich ganz frisch gelegte Eier haben.« »b. Ganz vor kurzem transferirte ich sechs Bieneneier in Drohnen- zellen. Fünf entwickelten sich zu Larven, alle fünf aber wurden am 4. Tage aus der Zelle herausgeworfen, als die Larven schon ziemlich gross waren. Die Bienen lassen sich zwar Drohnen in Bienenzellen, nicht aber Bienen in Drohnenzellen gefallen, es müsste denn sein, dass der Stock gar keine Bienenzellen hätte.« »Dass bei diesen Versuchen, sollen sie maassgebend sein, die Königin im Stocke eingesperrt oder aus demselben entfernt sein muss, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.« i »Mein Versuch sub a. ist entscheidend gegen Lanvors. In der Bienenzeitung habe ich ihn nur angedeutet, weil ich mir den Spass machen wollte, Lannoıss noch etwas an der Nase herumzu- führen. Sie können sich auf denselben berufen !« Wenn Sie nun vergleichen wollen, so werden Sie finden, dass ich sub Versuch Il. 3 Arbeitereier, auf eine ganz ähnliche Weise, wie v. Berrersen, in Drohnenzellen transferirte, nur dass ich das Wachs- stückchen nicht vermittelst einer heissen Nadel auflöthete, sondern einfach mit etwas Honig befestigte. Ich gebe jedoch gerne zu, dass der Verschluss, welchen v. Bertersch erzielte, luftdichter ist, als der meinige. Den Lannoıs’schen Angaben nach zu schliessen, nehme ich an, dass Lanpoıs vorgibt, die Eier von oben eingebracht zu haben, also ohne ein Stückchen aus dem Zellenboden zu schneiden, wie es v. BER- LEPSCH und ich thaten, indem derselbe ja von Wachsplättchen spricht, an welchen die Rudimente der Eierschale, noch kurze Zeit nach dem Auskriechen der Larven klebten. Ganz mit Unrecht macht sich daher SchönreLn!) darüber lustig, dass Lanpoıs, nach dem Auskriechen der 4) Bienenzeitung 4867. Nr. 9. p. 108. Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment, 131 S Bienen, die Stückchen Eierschalen noch in der Zelle vorgefunden haben will. Das sagt Lannoıs gewiss nicht! In dem Artikel Lanpoıs’ ist mit keinem Worte erwähnt, dass er die Königin entfernte, während er im Stocke experimentirte. Es kann sich daher leicht zugetragen haben, dass der Weisel, nachdem die Bienen die eingesetzten Eier aus den Zellen herausgeworfen hatten, dieselben wieder frisch besetzte und auf diese Weise zu einer Tiu- schung Veranlassung gab. Was mir nicht möglich war, auf künstliche Weise zu erlangen, suchte ich durch die Nätur selbst zu erzielen. Ich zwang eine be- fruchtete Königin ihre Eier in Drohnenzellen abzulegen. Versuch V. Am 20. Juni erhielt ich ein kleines Nachschwärmchen, welches ich in einen Beobachtungsstock brachte. Das Kästchen ist für eine Wabe berechnet und auf die Weise construirt, dass die Wabe von beiden Seiten vollkommen gut übersehen werden kann. Bei einer Höhe von 50 Cm., besitzt dasselbe eine Breite von 29 Cm. und ist 7 Gm. tief. Es sind doppelte Thüren angebracht, wovon die äusseren aus Holz, die inneren aus Glas angefertigt sind. Eine weitere Beschreibung der Wohnung übergehe ich, da ich Ihnen ja vor einiger Zeit die genaue Zeichnung zuschickte. Um mein Volk mit möglichst wenig Zeitaufwand beobachten zu können, brachte ich das Stöckchen gerade über meinem Arbeitstische an der Fensterbekleidung an, durchbohrte den Fensterrahmen und verband das Flugloch durch einen Glasgang mit der Oeffnung des Fen- sters. Auf diese Weise konnte ich meinen Bienen Ein- und Ausflug gestatten, ohne dass sie mich im Zimmer belästigten. Freilich dauerte es einige Tage, bis sich die Thierchen vollkommen eingeflogen hatten, denn anfangs verirrten sie sich öfter in benachbarte Stuben. | Am 24. und 22. war das Wetter ziemlich schlecht, als aber am 23. heiterer Sonnenschein eintrat, unternahm die Königin um 1/a2 Uhr ihre Hochzeitsreise, von welcher dieselbe zurückkehrte, als es gerade 2 schlug, das hekannte Begattungszeichen nachschleppend. Ich suchte jetzt nach einer Wabe, die ausschliesslich Drohnen- zellen enthielt und vertauschte dieselbe gegen Abend mit derjenigen des Stöckchens. Solche Eingriffe in ihre Häuslichkeit liess sich die Königin nicht gefallen. Um allem künftigen Zwang aus dem Wege zu gehen, flüchtete sie am kommenden Morgen auf einen benachbarten Birnbaum, woselbst sie sich mit ihrem ganzen Volke anlegte. Nach- dem sich das Schwärmehen hinlänglich gesammelt hatte, schnitt ich die Traube mit dem Aestchen ab, brachte sie in ein Kästchen und erst 9# 132 Emil Bessels, am Abend wieder in die alte Wohnung, deren Flugloch ich durch ein Drahtgitter verschloss. Nach zwei Tagen öffnete ich den Stock wieder. — Dass ich während dieser Zeit füttern musste, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Die Königin geruhte aber immer noch etwas eigensinnig zu sein, sie wollte sich durchaus nicht bequemen, ihre Eier in das eingebrachte Wachs abzulegen, sondern die pflichtvergessene Mutter liess dieselben ohne Weiteres auf den Boden des Stockes fallen. Endlich, zwei Tage später, war ihr Trotz gebrochen, sie legte die Früchte ihrer kurzen Liebe in die Drohnenzellen, anfangs etwas un- ordentlieh, indem die Eier meistens an den Wänden der Zellen klebten, späterhin aber vollkommen regelmässig ab. Das Resultat dieses Versuches war natürlich schon a priori zu construiren. Die Maden schlüpften nach und nach aus, wuchsen, sich ihres Lebens offenbar freuend, kräftig heran, trafen Anstalten, ihr seidenes Nymphenkleid anzulegen und — die Zellen wurden verdeckelt. Aber wie geschah dies? Nicht convex, wie dies bei Drohnen der Fall ist, sondern vollkommen plan, wie man dies bei Zellen findet, in welchen Arbeiterpuppen liegen, was Herrn Dr. Lanpoıs vielleicht unbekannt sein dürfte. — Ich erhielt keine Buckelbrut. Eines schönen Morgens half sich der erste junge Weltbürger vermittelst seiner scharfen Man- dibeln aus seinem Kerker hervor. Herr Doctor Lanpoıs ist: wahr- scheinlich auf das Resultat gespannt. Unerhört! Ich muss ihm zu seinem Schrecken gestehen, dass ich, troiz der grossen Drohnenzellen, trotz der angeblich verschiedenen Futterqualität (worüber wir später noch reden werden), nur Arbeiterbienen erhielt, die nach einigen Tagen tüchtig in Tracht gingen. Ich höre nun den Herrn Doctor fragen: Sollte sich hier nicht etwa ein Irrthum eingeschlichen haben ? Beruhigen Sie sich, glücklicher Experimentator, ich könnte mehrere Sectionsberichte folgen lassen, doch ich meine, es würde besser sein, wenn ich das Gegenexperiment hier mittheilte. Versuch VI. Am 10. Juli (1/,6 Uhr) entfernte ich die Königin meines Beobach - tungsstockes, um das Volk zu veranlassen, Königswiegen anzulegen, und sich eine neue Regentin zu erziehen. Ich will hier noch nach- träglich bemerken, dass ich das Receptaculum der Königin, mit wel- cher ich den vorhergehenden Versuch angestellt hatte, untersuchte, und prail mit Sperma gefüllt fand. | Gegen Abend liessen die Bienen ein dumpfes Brausen, das Zeichen der Weisellosigkeit vernehmen. 2 Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment, 133 Am Nachmittage des 11., hatte die Unruhe der Thiere ihren Cul- minationspuncet erreicht, es verflog sich ein Theil des Schwarmes. Am nächsten Morgen bemerkte ich zwei begonnene Weiselzellen, welche die Bienen während der Nacht aufgeführt hatten. Wer be- schreibt aber mein Erstaunen, als ich wahrnahm, dass der mühsam errichtete Bau nach und nach eingerissen wurde; zuerst ging es an die obere Weiselzelle, dann wurde die untere theilweise abgetragen. Das Benehmen meines Volkes erschien mir immer räthselhafter. Bisher war es mir unmöglich gewesen, den Inhalt der Zellen zu erspähen, da dieselben von den sich ablösenden Bienen immer dicht belagert waren, und ich das schon so sehr aufgeregte Volk nicht noch mehr erhitzen wollte; ausserdem parfümirte ich den Stock, wegen seiner Kleinheit, ungern mit Tabaksdampf. Spät in der Nacht öffnete ich die Wohnung, ohne mich des edlen Rauchkrautes zu bedienen ; meine Bienen waren ziemlich geduldig, denn ich operirte mit italienischen, welche weit friedlicher sind als die deutschen und nicht so gerne stechen. Jetzt wurde mir der Vandalismus meiner Bienen erklärlich. Die Zellen enthielten keine Maden, sondern sie waren mit Blüthenstaub angefüllt; gegen Morgen waren sie vollends geschleift, zugleich aber der Bau einer neuen Weiselzelle begonnen, welche am 18. verdeckelt wurde. Am 27., früh gegen 10 Uhr, schlüpfte die junge Königin aus ihrer Zelle hervor. Um 12 Uhr fing ich die Königin ein, machte sie durch Beschneiden der Flügel zum Fluge unfähig und gab sie dann, in ein Weiselhäuschen eingekerkert, ihrem Völkchen zurück. Kommenden Tages, nachdem die Zeit der Hochzeitsreise verflossen, befreite ich sie aus ihrer Haft und setzte sie auf die Mitte der Wabe, wo sie sich bald, von einer Schaar Getreuer umringt, meinen Blicken entzog. Da ich der geringen Volkszahl des Stockes wegen, beinahe be- ständig füttern musste, so reichte ich von nun ab, stati des Honigs Eiweiss, welches mit Zucker und einigen Tropfen Jasminöl versetzt war. Ich wollte durch das nahrhafte Futter die Königin künstlich zur Eierablage bringen, indem ja bekanntlich die unbefruchteten Weisel selten in demselben Jahre noch zu legen beginnen. Als am kommenden Tage, während der Zeit des Begattungsfluges, die Königin nicht auf dem Flugbrettchen erschien, gab ich mich vollends beruhigt, indem ich glaubte, dass sich der Weisel seiner Flugunfähigkeit sicher bewusst sei. Allein wie sehr sollte ich mich täuschen. Am Morgen des 30. hatte ich meine Königin noch im Stocke ge- sehen, während ich dieselbe vermisste, als ich des Abends Revue = 154 Emil Bessels, hielt. Wo konnte das Thierchen hingerathen sein? Die einzige vor- liegende Möglichkeit war die, dass es sich dennoch vermessen hatte zu fliegen und dann, aller Wahrscheinlichkeit nach, aus Mangel an der nöthigen Flugkraft, die zwei Stockwerke herabgetaumelt war. Ich begab mich sogleich an’s Suchen. Unter dem Flugbrettchen fand ich nichts vor. Ich durchspähete wiederholt den grossen Platz vor meiner Wohnung, ohne meine Bemühungen von einem Erfolge gekrönt zu sehen. Mittlerweile brach die Nacht herein, aber ich gab meine Ent- deckungsreise nicht auf, sondern setzte dieselbe vielmehr, mittelst einer Stalllaterne, bis gegen !/g10 fort. Endlich fand ich die Lang- ersehnte am Stamme einer Robinie, etwa 3 Fuss über der Erde sitzend. Hatte sie ihre Keuschheit bewahrt, die schöne Italienerin, oder hatte sie sich der Liebe in die Arme geworfen? Dies waren die Gedanken, welche mich beschäftigten, als ich das halbverhungerte Thierchen die Treppe herauftrug, um es seinem Volke zurück- zugeben. Wirklich begann sie nach 5 Tagen ihre Eier abzusetzen. Nach- dem ich die ersten bemerkt hatte, wechselte ich die Wabe. Ich brachte, indem ich an einer stattgehabten Befruchtung zweifelte, da die Eiablage so spät erfolgte, ein Rähmchen in den Stock , welches nur Arbeiterzellen enthielt, die denn auch alimählich besetzt wurden. Die Zellen waren diesmal gewölbt verdeckelt worden und nach einiger Zeit wimmelte es in meinem Stöckchen von Drohnen. Auch das Re- ceptaculum dieser Königin, welche als reine, unbefleckte Jungfrau starb, konnte ich untersuchen. Ihr Leben nahm ein tragisches Ende: ich glaube, dass sie von dem Volke umgebracht wurde. Ich hatte nämlich eines Tages ein Nest von Bombus_ terrestris ausgenommen und in ein Glas gebracht, welches ich in meinem Zimmer ganz in der Nähe meines Beobachtungsstöckchens aufstellte. Am Nachmittag entfernte ich mich ohngefähr dreiviertel Stunden und liess während dieser Zeit einen Flügel des Fensters, an welchem die Bienenwohnung ihren Platz hatte, offen stehen. Als ich zurückkehrte, fand ich den grössten Theil meines Volkes um seine summenden Vet- tern, die Hummeln , versammelt, lustig mit den Flügeln fächelnd. Ich trieb die Rebellen in den Stock zurück und fand die Königin nach einigen Stunden todt auf dem Boden, in der Nähe des Fluglochs liegend. | Die beiden zuletzt geschilderten Versuche dürften wohl entschei- dend gegen Lannoıs sprechen, indem wir ja bei Nr. 5 Arbeiterinnen aus Drohnenzellen und bei Nr. 6 Drohnen aus Arbeiterzellen hervor- gehen sahen. Aber ich begnüge mich damit noch nicht, sondern wir Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment. 135 [4 wollen einmal untersuchen, ob das königliche Futter nicht etwa im Stande ist, eine Drohnenmade in eine Königin umzuwandeln. Versuch WM. a. Während eines A0tägigen Aufenthaltes auf dem Rittergute Lobeda, woselbst ich apistische Studien machte, fand ich auf dem Stande des Cantors, Herrn Arrx, eine Königin mit secundärer Drohnenbrütigkeit, deren Biographie ich Ihnen leider nicht mit- theilen kann, da ich das Blatt, welches das Curriculum vitae birgt, in Jena vergass. Es thut dies übrigens nicht viel zur Sache. Ich ent- nahm dem Palaste dieser Regentin, welche unter meinem Messer ihre königliche Seele aushauchte, zwei Bruttafeln,, fertigte vermittelst der- selben einen Ableger an, den ich verschloss und nach Jena bringen liess, woselbst er nach ohngefähr 24 Stunden geöffnet wurde. Die Bienen legten drei Weiselzellen an, wovon ich zwei sogleich heraus- nahm, nachdem sie verdeckelt waren; bei der Section fand ich in bei- den Larven die schönsten Hoden. Die dritte Weiselzelle liess ich im Stocke, aber es ging aus derselben keine Biene hervor, indem die darin enthaltene Made durch das heterogene Futter getödtet worden war, wie dies bei Drohnenmaden, welche sich in Weiselzellen be- finden, in der Regel der Fall ist.') Obgleich die Made schon ziemlich schwarz geworden war, so konnte ich dennoch, durch Erhärten in Alkohol, die Geschlechtsorgane vorfinden, die hier ebenfalls die blassen Samenzellen, wenn auch etwas verändert, dennoch mit aller Deutlich- keit zeigten. b. In einem anderen Ableger, den ich auf den Stand des Hof- gärtners Springer gebracht hatte, wurden zwei Weiselzellen über Drohnenmaden angelegt. Leider quetschte ich aus Ungeschicklich- keit diese zwei Zellen, wovon die eine schon geschlossen war. Die Larve, welche sich in der offenen, dem Bedeckeln nahen Zelle be- fand, wurde von den etwas aufgebrachten Bienen herausgerissen, kam mir aber dennoch unter das Messer und ich fand untrügliche männliche Geschlechtsorgane, die 0,57 Gran wogen. Die geschlossene Zelle schnitt ich aus: auch diese barg ein unverkenn- bares Männchen. Noch einen dritten Versuch stellte ich an. c. Herr Rittergutsbesitzer Bönme auf Pösen besass einen Stock, welcher im Februar dieses Jahres weisellos geworden war. Er hatte einige Königinnen zugesetzt, die aber sämmtlich abgestochen wurden, da eine oder mehrere Arbeiterinnen die Krone usurpirt hatten. (Dass 4) Vergl. Bienenzeitung Vol, I. pag. 22, 240, 336, 136 Emil Bessels, es mehrere waren, schliesse ich aus der bedeutenden Anzahl der ab- gelegten Eier, welche ich täglich vorfand). Ich schnitt ein Stück Brut- tafel, welches Eier und junge Maden enthielt, aus diesem Stocke aus und setzte es in die Mitte der Wabe meines Beobachtungsstöckchens ein, welches im Augenblicke nicht eine einzige Zelle mit Brut enthielt. Zwei Tage später war ich genöthigt, Jena zu verlassen, und siedelte sammt meinen Bienen nach Heidelberg über. In Coburg entdeckte Herr von BerLersch, welchen ich auf der Durchreise besuchte, die ersten Anfänge einer Königswiege, die 5 Tage später geschlossen wurde. Ich liess zwei Tage verstreichen, öffnete sie sodann und fand auch bei dieser fast leblosen Made zwei schön ausgebildete Hoden. Ich hatte mich hier, bei dem soeben geschilderten Versuch, der Eier und Brut einer Arbeitsbiene bedient, die sicherlich nicht befruchtet sein konnte; gegen eine Befruchtung spricht ja schon die ganze Organisation der Geschlechtstheile,, das äusserst rudimentäre Receptaculum seminis und der enge Eingang in die Scheide. Der besprochene Stock war in der letzten Zeit sehr volksarm geworden (er enthielt bei meiner Abreise ohngefähr noch 500 Bienen), wodurch es mir möglich wurde, eine der Uebelthäterinnen in flagranti zu ertappen. Bei der Section fand ich ein rundliches, dem unbewaffneten Auge kaum sichtbares Receptaculum, dessen grösster Durchmesser 0,24 Mm. betrug und 9 Eiröhren,, von welchen 4 der rechten, 5 der linken Seite angehörten. Ich konnte acht reife Eier zählen, die sich, was Grösse, Form, Chorion und Mikropylapparat anlangt, in keiner Weise von den- jenigen einer ausgebildeten Königin unterschieden; ausserdem ent- hielten die Ovarien zahlreiche Eikeime. | Die bisher besprochenen Versuche ergaben, dass das Futter als durchaus ohne Einfluss auf die Entstehung des Geschlechts betrachtet werden muss (es wissen das die Imker schon seit einer Reihe von Jahren). Ein qualitativer Unterschied zwischen Drohnen- und Ar- beiterfutter, wie dies Lanpoıs annimmt und besonders zu betonen sucht, existirt überhaupt gar nicht; seine Anschauung ist auch hier- über, wie in vielen andern Stücken, eine total falsche und steht mit den bisher gemachten Beobachtungen im grellsten Widerspruche. !) Nach den vorliegenden Untersuchungen steht es fest, dass A) Vergl. LEUCKART: Ueber die Nahrung der Bienen im ausgebildeten Zustande und während des Larvenlebens. Bienenztg. 1855. p. 207. Aug. v. BERLEPSCH: Die Biene und die Bienenzucht. 1860. p. 402 und 103. Schmp und KLEıne: Leitfaden für den Unterricht in Theorie und Praxis einer rationellen Bienenzucht. 1865. pP. 26. Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment. 137% sämmtliche Maden während ihrer ersten Lebenszeit (bis zum 6. Tage) die gleiche Nahrung erhalten, nämlich Futterbrei. Von da ab empfan- gen die Drohnen- und Arbeiterlarven unverdauten Honig und Pollen, jedoch den Königsmaden wird während der ganzen Zeit des Larven- lebens ausschliesslich Futterbrei gereicht. Wenn der Herr Verfasser ferner behauptet!): »Die Weibchen der Insecten gebrauchen bis zu ihrer vollkommenen Verwandlung eine längere Zeit bei ähnlicher Ernäh- rung, als die Männchen«, so findet bei den Bienen, die Lanwoıs zum Gegenstand seiner Untersuchung macht, gerade das Gegentheil statt. Die Königin bedarf zu ihrer vollkommenen Verwandlung nur !6 Tage, während die Arbeiterinnen 21 und die Drohnen. sogar 24 Tage dazu nöthig haben. Auch ist in unserem Falle die Nahrung der Männchen eine quantitativ grössere, was aus der bedeutenden Massen- entwickelung und aus dem grösseren Gewichte hervorgeht; denn ein Minus_von Nahrung ist sicherlich nicht im Stande, ein Plus von Ge- wicht zu bewirken. Eine ausgewachsene Drohnenmade wiegt durch- schnittlich 6,5 Gran, während die ausgewachsene Made einer Königin ein Gewicht von nur 5,25 Gran besitzt. Ich machte, wie ich Ihnen schon mittheilte, wenn ich nicht irre, ziemlich viele Wägungen von erwachsenen Drohnen und Arbeiterinnen aus ein und demselben Stocke. Um jeglichem Einwande zu begegnen, liess ich sämmtliche zur Wägung bestimmten Thiere Hungers sterben und fand die Drohnen durchschnittlich um 1/,— !/; schwerer als die Arbeitsbienen. Auf die Versuche, welche Lannoıs mit Lepidopteren angestellt haben will, fühle ich mich durchaus nicht veranlasst einzugehen, denn ich weiss bestimmt und bewies dies auch, dass bei den Schmetter- lingen die Anlage der Sexualdrüsen im Ei stattfindet, und zwar mit deutlicher Verschiedenheit des Geschlechts. Ich stelle nicht in Abrede, dass z. B. bei Schmetterlingen, deren Raupen spärlich gefüttert wur- den, die Geschlechtsdrüsen auf einer unvollendeten Bildungsstufe stehen bleiben, zugleich aber erreichen diese Thiere nicht die Grösse, wie andere Individuen, deren Nahrung eine normale war. Ich erin- nere mich im Augenblicke aus meinen Knabenjahren, dass ich viele Raupen von Smerinthus ocellatus erzog. Da die Weiden, mit welchen ich die Thiere fütterte, ziemlich weit von meinem Vaterhause entfernt waren, mussten die Gefangenen oft mehrere Tage hungern. Unter'den auskriechenden Schmetterlingen, die meistens nur Miniaturausgaben waren, hatte ich immer sowohl Männchen als Weibchen. Ein grosser 4) A! a. 0. pag. 377. 138 Emil Bessels, Theil dieser Exemplare befindet sich noch heutigen Tages in meiner Sammlung. 1 Ein hierher gehöriges Experiment, an Bienen angestellt, will ich noch mittheilen. | | Ich nahm ein Stück Bruttafel mit frisch ausgekrochenen Arbeiter- maden aus einem Dzirrzonstocke und setzte dasselbe in eine Art von Brutmaschine, in der eine Temperatur herrschte, welche derjenigen des Bienenstockes gleichkam. Nachdem der Futterbrei in den Zellen verbraucht war, wartete ich in der Regel noch —5 Stunden und brachte sodann die Brut wieder in den Stock zurück, um :von Neuem füttern zu lassen; sobald ich wieder einigen Futterbrei in den Zellen bemerkte, wurde die Tafel wiederum entfernt und in den erwärmten Kasten gesetzt. Diese Procedur wiederholte ich sechs Tage. Vom Abend des sechsten Tages an überliess ich den Bienen die Sorge um die Brut ganz und gar. Ein grosser Theil der Larven starb ab, doch wurden im Ganzen immerhin 29 Zellen bedeckelt, von welchen 19 ausliefen. Alle 19 Stück Bienen waren unverkennbare Weibchen, von der Grösse einer starken Stubenfliege, bis zu der einer Schmeissfliege; diejenigen, welche ich anatomirte, hatten äusserst rudimentäre Ovarien und ver- schwindend kleine Samentaschen. Ich schickte Ihnen ja unter’m 9. Juli einige dieser Miniaturbienen, wodurch Sie Gelegenheit hatten, Sich zu überzeugen, dass es wirklich Weibchen waren. !) In dem soeben besprochenen Falle erhielten die Bienen höchstens die Hälfte der gewöhnlichen Nahrung; ich hätte also, wenn der Lax- pois’sche Satz richtig wäre, keine Arbeiterbienen erhalten dürfen, son- dern es hätten aus diesen 19 Zellen Drohnen auslaufen müssen. Wenn Lanvoıs weiter das Ueberwiegen der Männchen unter den Insecten in sterilen Gegenden auf seine Theorie zurückzuführen sucht, so muss er offenbar mit sich selbst in Widerspruch gerathen. Da der- selbe Lampyris und Lucanus als Beweise anführt, so will ich mich einmal an Lucanus halten. Die Larve von Lucanus cervus lebt in faulem Eichenholze. Die das Ei verlassende Larve ist klein und verhältnissmässig leicht, die ihr zu Gebot stehende Nahrung eine’enorme, indem ja bekanntlich nur alte Baumstämme, die schon eine anständige Dicke erreicht haben, faul werden. Nun soll ein Lucanus-Weibchen etwa 150 Eier an einen ein- zigen Stamm legen. Anfangs haben die Larven sicherlich genügende Nahrung. Da sie aber beständig wachsen und mit ihnen der Appetit, so 4) Diese Sendung von Miniaturarbeitsbienen ist richtig in meine Hände gelangt, und hat sich sowohl mein College, Herr Professor Bıschorr, als auch ich von der auffallenden Kleinheit dieser Bienen überzeugt. SIEBOLD. | | | \ | | | | Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment. 139 will ich annehmen, dass mit der Zeit der Nahrungsquell mehr und mehr versieche, so dass die Thiere endlich darben müssen. Wir müssten hier nothwendigerweise mit Zugrundlegung des Lannoıs’schen Experimentes'), welches er an Raupen von Vanessa urticae angestellt haben will, nicht Männchen erhalten, sondern ausschliesslich Weibchen mit verkümmerten Ovarien. Wenn Lanpoıs ferner die Ursache der primären und secundären Drohnenbrütigkeit darauf zu redueiren sucht, dass die von einer Kö- nigin oder Arbeiterin abgelegten Eier mit dürftigem Bildungsmaterial ausgerüstet seien, aus denen sich schwächliche Larven entwickeln müssen, und somit Drohnen,, so legt er hier wiederum seine Unkennt- niss über den Bienenhaushalt klar zu Tage. Ist das Ei, aus welchem sich eine Arbeiterin entwickelt, etwa grösser als dasjenige, aus welchem eine Drohne hervorgeht? Ist eine Drohnenmade etwa schwächlicher als die Larve einer Arbeiterin? Nein, gewiss nicht! Drohneneier sind von Arbeitereiern durchaus nicht zu unterscheiden, und Drohnenmaden sind nicht schwächlicher als Arbeitermaden, sondern bedeutend stärker und schwerer. Lanpoıs sucht seine Theorie weiterhin dadurch zu stützen, indem er sagt, dass die männlichen Nachkommen einer deutschen Königin, die von einer italienischen Drohne befruchtet wurde, theilweise nach dem Vater arteten. Herr von Berrerscn machte schon im Jahre 1855 darauf aufmerksam?), dass die wenigen italienischen Drohnen, die Dzisrzon einigermaassen zum Zweifler an seiner Theorie gemacht hatten®), aller Wahrscheinlichkeit nach von einer eierlegenden Arbei- terin herrührten; er bemerkt ferner, dass Dzıerzon nicht vollkommen sicher gewesen sei, ob jene Königin, unter deren Volk er die gelben Drohnen bemerkte, von einer rein deutschen Race abstammte. Ist es doch Jedermann bekannt, dass gewisse Eigenschaften oft mehrere Ge- nerationen hindurch latent bleiben, dann aber wieder auftreten, dass 2. B. in vielen menschlichen Familien die Kinder eine weit auffallendere Aehnlichkeit mit ihren Grosseltern, als mit ihren Eltern an den Tag legen. Wer mehrere Jahre hindurch mit einiger Aufmerksamkeit Ka- narienvögel gezüchtet hat, wird wohl wissen, dass in den seltensten Fällen von einem rein hochgelben Paare durchweg gelbe Junge erzielt werden (das Gefieder der Descendenten ist mitunter Gelb mit Grün oder Grau gemengt), wenn nicht mindestens die Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern von rein gelber Farbe waren. Unter den aus Samen er- 1) A. a. O. pag. 376. 2) Bienenzeitg. Jahrg. 1855. p. 79. 3) Bienenfreund aus Schlesien. Jahrg. 1856. p. 63. \ Dr 140 Emil Bessels, zogenen Pflanzen der domesticirten Viola trieolor, selbst wenn dieselben von den dunkelsten Arten abstammen,, von Princesse Sophie, Dame de mon coeur und wie diese Varieläten heissen mögen, findet man fast regelmässig Individuen, bei welchen sich das Gelb wieder geltend zu machen sucht. Ich hatte Gelegenheit, diese Beobachtung mehrere Jahre hindurch anzustellen. (Alle diese Arten stammen von dem wild- wachsenden Stiefmütterchen ab, auf dessen Blüthe das Gelb vorwiegt). Ich für meinen Theil lege überhaupt kein so grosses Gewicht darauf, ob eine Drohne einen Anflug von Gelb besitzt oder nicht, denn wenn ich einen Blick auf die Insecten werfe, so finde ich, dass die Farbendifferenzen , die innerhalb enger Grenzen vorkommen, äusserst bedeutend sind. Während ich diese Zeilen niederschreibe, steht ein Theil meiner an Farbenübergängen ziemlich reichen Schmetterlingssammlung vor mir. Einundvierzig Exemplare von Tryphaena pronuba, die sämmtlich von Einer Mutter abstammen, bieten so bedeutende Farbendifferenzen in den Vorderflügeln, dass ich Uebergänge von hellgrau bis dunkel- braun wahrnehmen kann. In ähnlichem Maassstabe variiren manche Zygaenen, Arctia plantaginis, A. caja und mehrere Andere; ebenso viele Käfer: ich will bier nur an Oreina erinnern. Wir gelangen nun zur »Krone« der Lanwpois’schen Theorie: zur Zwitterbildung. Wenn Lanvoıs glaubt, den mysteriösen Schleier ge- lüftet zu haben , der diesen Gegenstand bis jetzt in ein undurchdring- liches Dunkel hüllt, so muss man unwillkürlich darüber staunen. Ein Zwitter soll dadurch entstehen, dass sich die bilateral identischen (?) Generationsanlagen auf beiden Seiten zu differenten ‚Sexualapparaten entwickeln, sei es durch primitive schwächere Anlage dieser Hälfte, sei es durch Schwäche der hauptsächlichen Ernährungsorgane der- selben. Welche Idee! Wäre es nicht ebenso vernünftig, an dem Mähr- chen von der Verwachsung einer männlichen und weiblichen Raupe festzuhalten ?!!) Eine kümmerliche Ernährung einer Seite, wie dies der Herr Verfasser annimmt, ist vollkommen unmöglich, indem ja bei den Insecten das Blut frei in der Leibeshöhle eirculirt und alle in ihr gelegene Organe gleichmässig umspült. Die schwächere Anlage der einen oder der anderen Drüse ist wohl denkbar, wir erhalten dann 4) Confer. ScopoLı, Introductio ad historiam naturalem. p.. 416. Phalaenae Pini Linn.. Larvae binae intra unicum, quem pararunt, folliculum, mutatae sunt in unicam Pupam, unde Animal dimidia corporis parte masculum , antenna plumosa, alisque binis majoribus; alia vero femineum, antenna setacea, alisque binis mino- ribus. Quod vero mirabilius, pars mascula emisso pene foecundavit ovula feminae, quae disposita perfectas larvas protulerunt. i \ Die Landois’sche Theorie widerlegt durch das Experiment. 141 aber, je nach Umständen, ein verkümmertes Ovarium, oder einen rudi- mentären Hoden, wie ich dies bei einer Raupe von Mamestra brassicae sah; deren linken Hoden ich kaum angedeutet fand, während der rechte vollkommen normal gebaut war. Wir dürfen wohl mit Sicherheit annehmen, dass überall da, wo wir bei den Insecten auf Hermaphroditismus stossen, beiderlei Ge- schlechtsorgane von Anfang an ungleichmässig angelegt waren, die Ursache dieser ungleichmässigen Anlage müssen wir als eine uns bis jetzt unbekannte betrachten. Sämmtliche bisher besprochenen Thatsachen ergeben somit, dass die Lannoıs’sche Theorie durchaus keinen Beweis gegen die Richtigkeit der Lehre von der Parthenogenesis geliefert hat, dass sich der Herr Verfasser theils in vagen Vermuthungen ergeht, theils über Versuche spricht, die entweder äusserst leichtsinnig ausgeführt wurden oder vollkommen aus der Luft gegriffen sind. Es steht fest, dass bei den Bienen die Entstehung des Geschlechts von der Befruchtung abhängig ist, dass sich die unbefruchteten Eier zu Drohnen, die befruchteten dagegen zu Arbeiterinnen entwickeln : Beweise dafür sind folgende Thatsachen: 1. Arbeiterinnen, für welche die Befruchtung als Ding der Un- möglichkeit betrachtet werden muss, legen zuweilen Eier, aus welchen sich nur Drohnen entwickeln. . Königinnen mit primärer oder secundärer Deo nn erzeugen nur männliche Descendenten. 3. Nur befruchtete Königinnen sind im Stande, Arbeitereier ab- zulegen. Mögen nun Drohneneier in Arbeiterzellen oder Arbeitereier in Drohnenzellen abgesetzt und erbrütet worden sein, so werden wir im ersten Falle nur Drohnen und im zweiten nur Arbeiterinnen erhalten. Einen qualitativen Unterschied zwischen Drohnen- und Arbeiterfutter anzunehmen, wie es Lanpoıs thut, widerspricht allen bis jetzt ge- machten Erfahrungen. | Heidelberg im October 1867 Emil Bessels. Ueber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. Von Th. Wilh. Engelmann, Assistent am physiologischen Institut der Universität Utrecht. Mit Tafel IX. 2 Im verflossenen Frühjahr habe ich unter Mitwirkung von Herrn Cand. med. SchrÖDER vAN DER Kork eine Untersuchung über die En- digungen der Geschmacksnerven in den Papillae fungiformes der Froschzunge begonnen. Die Resultate derselben sind auf den folgen- den Seiten mitgetheilt. Bırırorn!) hatte gefunden, dass nur die Papillae fungiformes der Froschzunge Nerven erhalten; er sah, dass in jede Papille ein Bündel von dunkelrandigen Nerven eintrat, die dicht unter dem Epithel ange- kommen, sich zuspitzten, ihr Mark verloren, und hiermit scheinbar endeten. BırLrorn bestätigte zugleich eine Thatsache, auf die früher schon LeypıG aufmerksam gemacht hatte, die nämlich, dass das Epithel, welches die Endfläche der Papille überkleidet, von dem anderen Epithel der Papille abweicht. Mit Rücksicht auf die Untersuchungen über die Endigungsweise der Geruchsnerven in der Schleimhaut der Nase, welche kurz zuvor von Max ScauLtze veröffentlicht worden waren, | hielt er es für wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen diesem Epithel und den Geschmacksnerven bestände. Doch glückte es ihm weder diesen Zusammenhang zu finden, noch Analoga der Riechzellen zu entdecken. 4) Bırerorn: Ueber die Epithelialzellen der Froschzunge ete. in Mürter’s Arch. | f, Anat. u. Physiol, 4858. pag. 459. Taf. VI. Ueber die Endigungen der Geschmaeksnerven in der Zunge des Frosches. 143 Auch Fıxsen !) konnte die Nerven nicht bis ins Epithel verfolgen. Er lässt sie im Bindegewebe stumpf oder mit kolbigen Anschwellungen enden. Vom Epithel, welches die Endfläche der Papillae fungiformes bedeckt, behauptet er sogar, dass es sich nicht von dem übrigen unter- scheide. | Auch Hover?), der wenige Jahre später die Froschzunge unter- suchte, lässt die markhaltigen Nerven plötzlich blind endigen und ob- schon er zugiebt, dass das Epithel der Papillenendfläche von eigen- thümlicher Beschaffenheit sei, leugnet er doch jede Verbindung zwischen demselben und den Nerven. Erst E. A. Key?) drang einen wichtigen Schritt weiter vor. Er sah nicht nur die dunkelrandigen Nerven sich in blasse feine, varicöse Fasern fortsetzen, die in das Epithel aufstiegen, sondern entdeckte auch in dem Epithel -der Endfläche eigenthümliche Elemente, die er Ge- schmackszellen nannte. Jede Geschmackszelle besitzt nach ihm an ihrem centralen Ende einen feinen varicösen Fortsatz, welcher in eine hlasse Nervenfaser übergeht. Diese werthvollen Resultate, unter den Augen von Max ScHULTZE gewonnen, wurden später durch R. Harrmann?) angegriffen. HArTMmann, unvermögend die blassen Nervenfasern und die Geschmackszellen Kry’s aufzufinden,, erklärt beide für Kunstproducte. — Seitdem sind, soviel mir bekannt, keine neuen Untersuchungen über die Endigung der Ge- schmacksnerven des Frosches veröffentlicht worden. — Die folgenden Angaben beziehen sich auf ausgewachsene Exemplare von Rana temporaria. Ueber den gröberen Bau der Papillae fungiformes, über den Ver- lauf der dunkelrandigen Nerven in denselben und über einige Eigen- schaften des die Papille bekleidenden Epithels kann man sich mittelst sehr verschiedener Untersuchungsmethoden bald unterrichten. Gleich- viel ob man in Serum oder in Salzlösungen, in Säuren oder in Alkalien untersucht: man sieht, dass die kreisrunde Endfläche der Papille von einem anders beschaffenen Epithel als die Seiten der Papille und die übrige Oberfläche der Zunge bedeckt ist. Man sieht ferner, dass noch im Bindegewebe, dicht unter dieser eigenthümlichen Epithelscheibe 4) CAroLus Fixsex: De linguae raninae textura. Dorpat 1857. 2) Hoyer: Mikroskopische Untersuchungen über die Zunge des Frosches. In REıcHerr und ou Bois’ Archiv. 4859. pag. 481. 3) E. Axzı, Kry: Ueber die Endigungsweise der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. In Reichert und nu Boıs’ Archiv. 4864. pag. 329. 4) R. HArrmann: Ueber die Endigungsweise der Nerven in den Papillae fungi- formes der Froschzunge. In Reicnerr und ou Bois’ Archiv. 1863. page. 634, 144 Th, Wilh, Engelmann, die dunkelrandigen Nervenfasern ihre Markscheide verlieren und hier- mit scheinbar endigen. Aber die zwei Puncte; auf die es offenbar vor Allem ankommt, nämlich das Schicksal der Nerven, nachdem sie ihres Markes verlustig gegangen sind, und zweitens die Beschaffenheit der Elemente, aus welchen das Epithel der Papillenendfläche besteht, diese beiden Punete können nicht nach beliebigen Methoden entschieden werden. Wir theilen die von uns angewandten Methoden im Lauf der Untersuchung mit. Beginnen wir mit einer Schilderung des Epithels, welches die kreisrunde Endfläche der Papille bedeckt. Dasselbe besteht aus drei Arten von Zellen, die wir als Kelehzellen, Gylinderzellen und Gabelzellen unierscheiden. Alle drei Formen sind charakteristisch für die Endfläche der Papille; sie finden sich an keinem andern Orte der Zungenoberfläche. Sie sind zugleich scharf von einander ge- schiedene Formen, zwischen denen keine Uebergänge vorkommen. Solange die Zellen noch im Zusammenhang auf der Papille sitzen — und schon die früheren Beobachter erwähnen, dass dies mit grosser Hartnäckigkeit geschieht — kann man auf Profilansichten höchstens zwei Arten unterscheiden. ‘Vor Allem fallen die Kelchzellen ins Auge, welche weitaus die grösste Masse des Epithels bilden. Zwischen den- selben erkennt man aber mehr oder minder deutlich zahlreiche andere Gebilde, deren jedes aus einem in der Tiefe liegenden kleinen ellipsoi- dischen Körper zu bestehen scheint, der in einen 'schmalen ceylin- drischen und bis zur Oberfläche des Epithels reichenden Fortsatz aus- läuft. Diess kann man z. B. leicht an Papillen sehen, die aus einer frischen Zunge geschnitten und mit etwas Wasser, besser noch mit Speichelzusatz untersucht werden. Hier tauchen dann die Körper mit dem schmalen Fortsatz oft nach wenigen Minuten schon, wie glänzende flaschenförmige Hohlräume zwischen den trüberen Kelchzellen auf. Man erkennt wohl auch, dass der ellipsoidische Bauch der Flasche fast ganz von einem bläschenförmigen Kern mit deutlichem centralen Kern- körperchen ausgefüllt wird, und zuweilen erblickt man sogar zarte glänzende Fortsätze, welche die Richtung nach dem Innern der Papille zu einschlagen, ohne dass man sie jedoch his dahin verfolgen könnte. Mittelst anderer Methoden, bei welchen das Epithel im Zusammenhang bleibt, kommt man nicht weiter. Es gelang uns nicht, ein Mittel zu finden, welches etwa nur eine Art von den Zellen gefärbt hätte. Gold- chlorid färbte alle Zellen. Ueberosmiumsäure stand uns nicht zu Ge- bote. Auch würde von solchen Mitteln bei den Zungenpapillen nur wenig Hilfe zu erwarten sein, so lange sie nicht mit einer Isolirung der Elemente verbunden sind, denn man ist immer in der üblen Lage, das Ueber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. 145. Epithel in einer dicken Schicht zur Untersuchung zu bekommen. Feine ' Querschnitte zu machen geht bei der Kleinheit der Zungenpapillen und ihrer Beweglichkeit nicht an. Wir haben deshalb die Zellen zu isoliren gesucht, selbstverständ- lich in möglichst unversehrtem Zustande. Die oft bewährten Eigen- schaften des lodserum kamen uns hierbei zu gute. Legt man in diese ‘ Flüssigkeit eine Froschzunge, so lockert sich schon innerhalb der ersten 24 Stunden der Zusammenhang zwischen den Epithelzellen dermassen, dass beim mehrmaligen Schütteln der Zunge im Glase die meisten Zellen abfallen und die bindegewebige Grundlage der Zungenschleim- haut frei zum Vorschein kommt. Das Epithel auf der Endfläche der _ Papillae fungiformes bleibt indessen in der Regel sitzen und ist durch blosses Schütteln nicht herunterzubringen. Lässt man die Zunge noch “einen oder mehrere Tage länger in dem lodserum liegen, so kommt es ‘vor, dass sich das Epithel im Zusammenhang, als kreisrunde Scheibe von der Papille ablöst. Ganz besonders lehrreich sind aber die Fälle, “ von denen wir einen auf Fig. 5 abgebildet haben. Hier sind nämlich ‚ unter Einwirkung des lodserum alle von uns Kelchzellen und Gabel- zellen genannten Epithelzellen ausgefallen, die Gylinderzellen aber auf ‚ der Papille sitzen geblieben. — Nicht immer ist man jedoch so glück- "lich, die Isolation der Epithelzellen ohne besondere mechanische Ein- griffe bewerkstelligen zu können. Man muss oft zum Zerzupfen des Epithels mit Nadeln seine Zuflucht nehmen. Hier habe ich nun ganz besondere Vortheile aus der Anwendung äusserst feiner Glasspitzen als Präparirnadeln geschöpft, die ich mir durch Ausziehen von Glasstäben verschaffte. Man kann sich Spitzen machen, die kaum dicker als eine Kelchzelle sind und dabei fest genug, um die Ausübung eines ziemlich starken Zugs zu gestatten. Zuweilen erhält die Spitze beim Ausziehen des Glases eine hakenartige Krümmung, mit welcher sich manches be- sonders leicht isoliren lässt. Ausser der enormen Feinheit der Spitzen sind namentlich die Glätte und Reinheit der Oberfläche des Glases von grossem Vortheil: die isolirten Elemente bleiben fast nie daran kleben. ‚In der Regel benutze ich zwei Glasspitzen von verschiedener Dicke: ‚eine etwas dickere, sehr feste zum Fixiren der Papille und eine sehr ‚feine, biegsamere zum Isoliren der Zellen. Es wurde bei der Präparation so verfahren, dass erst unter einem ‚einfachen Mikroskop (von Scnieex) einige Papillen mittelst Stahlnadeln -isolirt und möglichst von daranhängendem Gewebe befreit wurden. Wir übertrugen sie dann auf einen neuen Objectträger in einen reinen ‚Tropfen und begannen dann hier ebenfalls unter dem einfachen Mikro- skop und bei etwa 20facher Vergrösserung, das Epithel mit Glasspitzen Zeilschr, f. wissensch. Zoologie. XVIIL, Bd. 10 146 Th. Wilh, Engelmann, zu zerzupfen. — So gelang es, das Epithel der Papillenendfläche in drei Arten von Zellen zu zerlegen und nicht blos bei Zungen, die län- gere Zeit in lodserum verweilt hatten, sondern auch bei frischen Pa- pillen, denen nur etwas Speichel zugesetzt war. In beiden Fällen waren die Resultate übereinstimmend. Ebenfalls emfehlenswerth ist es, die frischen Papillen wenige Minuten in doppelt chromsaures Kali von etwa 0,4°/, zu legen und dann mit den Glasnadeln zu isoliren. Höchst vollkommen gelang mir die Isolation mittelst der Glasstäbchen bei Zungen, die einen und mehr Tage in einer Mischung aus gleichen Theilen starkem Glycerin und doppeltehromsaurem Kali von 0,4°/, ge- legen hatten. Weniger brauchbar fand ich die von Kry angewendeten Lösungen von Ghromsäure und von chromsaurem Kali. Dagegen gab lodserum, dem etwas Chromsäure zugesetzt war (etwa 1 Theil Ac. chromicum von 2°), auf 20 Theile Serum) gute Resultate. — Die Chromsäure wirkt in allen diesen Fällen dadurch vortheilhaft, dass sie die Elemente fester macht. Freilich verunstaltet sie auch, wie eine Vergleichung mit frischen Zellen lehrt. Doch habe ich mich überzeugt, dass in den oben empfohlenen Methoden diese Verunstaltung fast aus- schliesslich die Kelchzellen, viel weniger die Cylinder- und die Gabel- zellen betrifft. Letztere erleiden auffallendere Verunstaltungen höch- stens unter der Präparation, durch Druck und Zug der Präparirnadeln. Die Kelchzellen. Jedes dieser, von Kzy als »modifieirte Epithel- zellen« bezeichneten Elemente besteht aus einem rechtwinklig zur Oberfläche der Papille stehenden cylindrischen Körper von 0,02 bis 0,024 Mm. Länge und 0,01 —0,012 Mm. Querdurchmesser. Im unteren Drittel dieses Cylinders liegt der Kern, ein kugelrundes Bläschen von etwa 0,008 Mm., in dessen Gentrum ein Kernkörperchen von 0,001 Mm. Durchmesser. — Dicht unterhalb des Kerns verschmälert sich der Zellenkörper zu einem unregelmässig geformten Fortsatz. Der cylin- drische Körper der Zelle wird —- jedoch nur an den Seiten — von einer fesien oben mit scharfrandiger Oeffnung versehenen Membran, wie von einem Kelch umschlossen. Dieser Kelch ist bis zum Rande gefüllt mit äusserst feinkörnigem, fast homogen erscheinendem, durchsichtigem Protoplasma. Nach unten zu geht die Membran, allmählich dünner werdend und endlich gar nicht mehr nachweisbar, auf den ebenfalls aus sehr feinkörnigem Protoplasma bestehenden Zellenfortsatz über. Die Kelchzellen, deren Zahl auf grösseren Papillen mehrere Hun- derte beträgt, bilden in einfacher Lage die äussere Schicht des die Endfläche der Papille bekleidenden Epithels. Ihre Fortsätze erstrecken sich in die innere Epithelschicht, deren Hauptmasse von den Körpern der beiden anderen Zellenarten gebildet wird. Alle Kelchzellen der- | 1 | Ueber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. 147 selben Papille haben die gleichen Dimensionen , wenigstens gilt dies für die cylindrischen Körper der Zellen. Infolge der gegenseitigen Ab- plattung erscheinen die Körper der Kelchzellen auf dem Querschnitt fünf- oder sechseckig (Fig. 2.). Die Kerne der Kelchzellen liegen fast alle in demselben Niveau, ungefähr 0,018 Mm. unter der freien Ober- fläche des Epithels. — Wegen der äusserst feinkörnigen Beschaffenheit und der Farblosigkeit des Protoplasma der Kelchzellen ist das Epithel der Papillenendfläche bei durchfallendem Lichte bedeutend heller als selbst viel dünnere Schichten des gewöhnlichen Zungenepithels, auch desjenigen, welches die Seiten der Papille bedeckt. Die hier gegebene Beschreibung bezieht sich auf ganz frische Kelchzellen. Unter dem Einfluss verschiedener Reagentien erleiden dieselben eine Reihe von Veränderungen, deren charakteristischste wir erwähnen müssen. Eine der häufigsten und zugleich interessantesten besteht darin, dass das Protoplasma aus dem oberen eylindrischen Theil der Zelle, dem eigentlichen Kelche, herausfliesst (Fig. 7, 8.); der Kern bleibt regelmässig in der Tiefe sitzen. Die dicke Zellmembran legt sich hierbei zusammen und bildet Längsfalten, meist drei oder vier, die oft stark hervorspringen. So bekommt der vorher kreis- förmige Querschnitt der Zelle die Form eines Kreuzes oder eine ähn- liche Gestalt (Fig. 9.). Ich hahe z. B. an Zellen, die zwölf Stunden in lodserum gelegen hatten, das Ausfliessen des Protoplasmacylinders von Anfang bis zu Ende verfolgt. Zuletzt liegt das Protoplasma als ein kugelförmiger Tropfen vor der nun zusammengefallenen Mündung der Zelle. — Die Formveränderung, welche die Zelle durch diesen Vorgang erleidet, ist, wie ein Blick auf die beigegebenen Figuren 6—$9 zeigt, so bedeutend, dass man beim ersten Anblick und ohne die Uebergangsstadien zu kennen, glauben könnte, eine ganz neue Art von Zellen vor sich zu haben. Man beobachtet eine ähnliche Formverände- rung an keiner anderen Zellenart des Zungenepithels. An den Kelch- ‚zellen tritt sie indess bei sehr verschiedenen Behandlungsweisen ein, zuweilen selbst bei Anwendung sehr verdünnter Lösungen von Chrom- säure oder von chromsaurem Kali, wenn sie in der oben angegebenen "Verbindung mit lodserum oder auch für sich benutzt werden. In der Regel verhindert jedoch die Chromsäure das Ausfliessen des Proto- plasma, indem sie dieses coaguliren macht, während es noch in seinem membranösen Kelch steckt. Durch verschiedene Säuren, namentlich Essigsäure, wird das | Protoplasma der Kelchzelle sehr stark getrübt und erscheint dann, während es vorher heller als die gewöhnlichen Epithelzellen war, viel ‘ dunkler als diese. — 40 * 148 Th, Wilh, Engelmanı, Eine ziemlich schwer zu entscheidende Frage ist die nach dem Verhalten der von den Kelchzellen nach unten gegen die Papille zu sich erstreckenden Ausläufer. Bei den in lodserum und den oben er- wähnten Flüssigkeiten isolirten Zellen ist der Ausläufer bald ein län- gerer, unregelmässig kegelförmiger Protoplasmastrang, der an der Spitze einfach oder in mehrere kurze Aeste getheilt ist, bald hat er mehr die Form eines breiten, kurzen, mit mehreren Zipfeln versehenen Bandes. Stets ist seine Form unregelmässig und sein optisches und chemisches Verhalten das von feinkörnigem Protoplasma. Mag auch durch den Einfluss der GChromsäure und mehr noch durch den Zug der Präparirnadeln seine Form zuweilen in bizarrer Weise verunstaltet werden, so lehrt doch immerhin die Untersuchung der in lodserum und ohne Nadelhülfe isolirten Zellen, dass diese Form auch im frischen Zustand unregelmässig ist, und insbesondere dass die an dem Aus- läufer zu beobachtenden Verästelungen nicht lauter Kunstproducte sind. Feine, faserartige Fortsätze von dem Aussehen blasser Nerven- fäden habe ich an den Kelchzellen nie bemerkt. — Es scheint nun, als ob die protoplasmatischen Ausläufer der Kelchzellen an ihren Enden mit einander verschmelzen und so ein Netzwerk von Protoplasma- substanz in der unteren Schicht des Epithels bilden. Man erhält bei der Maceration in lodserum zuweilen isolirte Gruppen von drei, vier Kelchzellen, deren Ausläufer in einander überzugehen scheinen. Häufiger noch sieht man das an mit Nadeln zerzupften CGhromsäure- präparaten. Es ist aber auch möglich, dass die Ausläufer der Kelch- zellen sich nur dicht an einander legen und bei der Isolation an einan- der kleben bleiben. Kerne sah ich in dem Protoplasma der Aus- läufer nie. | Es unterliegt keinem Zweifel, ‘dass die Kelchzellen nicht als Nervenendigungen, sondern nur als eine eigenthümliche, allerdings für die Geschmackspapillen charakteristische Form von Epithelzellen auf- zufassen sind. Die Gylinderzellen. Diese bestehen aus einem gestreckt ellip- soidischen, in der tiefsten Schicht des Epithels sitzenden Körper, dessen grösste Axe 0,006—0,008 Min., dessen kleinste 0,004 Mm. misst. Der Körper verlängert sich in einen geraden cylindrischen Fortsatz von ungefähr 0,032 Mm. Länge und 0,002 Mm. Dicke, welcher bis zur äus- seren Oberfläche des Epitheis reicht (vgl. Fig. 2. u. 3.). Der Körper wird fast ganz ausgefüllt von einem ellipsoidischen Bläschen, dem Kern, in dessen Gentrum ein kleines Kernkörperchen liegt (Fig. 10.). Nur ein schmaler Protoplasmamantel umhüllt den Kern. Der lange cylindrische Üeber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. 149 Fortsatz besteht aus äusserst feinkörnigem durchsichtigem Protoplasma und scheint eine dünne Membran zu besitzen. Der Körper der Gylinderzellen sitzt auf der bindegewebigen Grund- lage der Papille auf; hier breitet sich auch sein Protoplasma ein wenig in der Fläche aus, meist in Form einiger sehr kurzer horizontal gerich- teter Fortsätze, (vgl. Fig. 10.). Die Körper der Gylinderzellen stehen, mehrere Hunderte an Zahl, sehr dicht nebeneinander (Fig. 5.), die schmalen Zwischenräume zwi- schen ihnen werden von den bald zu beschreibenden centralen Aus- läufern der Gabelzellen ausgefüllt. In den breiteren Räumen welche die langen cylindrischen Fortsätze der Gylinderzellen zwischen sich lassen, liegen unten die Körper der Gabelzellen und die protoplasmatischen Ausläufer der Kelchzellen, mehr oben die Körper der Kelchzellen und die Zinken der Gabelzellen. Von der Fläche gesehen erhält man deshalb ein Bild wie es Fig. 2 zeigt. Hier erscheinen die freien Enden der Gylinderzellen auf dem optischen Querschnitt als matte Kreise von etwa 0,002 Mm. Durchmesser zwischen den grossen eckigen Kelchzellen. Die Veränderungen welche die Gylinderzellen unter dem Einfluss von Reagentien erleiden, sind nicht so auffällig wie die der Kelchzellen. Säuren, wie Essigsäure und Chromsäure rufen körnige Niederschläge im Protoplasma hervor und machen es damit undurchsichtiger. Auch die Kerne werden trüber und das Kernkörperchen meist unsichtbar, aber sie bekommen einen ziemlich starken Glanz, der unter gleichen Umständen den Kernen der Kelchzellen fehlt, den Körpern der Gabel- zellen dagegen in noch etwas höherem Grade eigen ist. An lodserum- präparaten habe ich wiederholt gesehen, dass der lange cylindrische Fortsatz sich allmählich abplattete, band- oder linealförmig wurde (Fig. 5.), während zugleich an seiner Spitze kleine Eiweisströpfchen herausquollen, ähnlich wie das in viel auffälligerer Weise bei den Kelch- zellen geschieht. Man darf hieraus wol mit Sicherheit schliessen, dass | auch die Cylinderzellen, oder doch wenigstens der lange Fortsatz der- N selben von einer dünnen, oben mit einer Oeflnung versehenen Membran ; umkleidet ist. — | Bei den Versuchen die Zellen mit Nadeln zu isoliren werden sie | oft beschädigt: der eylindrische Fortsatz kann abbrechen und dies ge- | schieht meist an seinem Ursprung aus dem Zellkörper; er kann stellen- ‚ weis breitgedrückt, auch durch Zug unnatürlich verschmälert werden. ‚ Auch die kurzen horizontalen Protoplasmaausläufer, welche dicht unter- ‚halb des Kerns von dem Körper der Cylinderzelle auszugehen pflegen, ‚können abreissen und auf der Oberfläche der Papille kleben bleiben; | oder es bleiben an ihnen, scheinbar mit ihnen verschmolzen, einzelne 4 1 i | 150 Th. Wilh, Engelmann, der centralen Ausläufer der Gabelzelien hängen, die aber an ihrer grossen Feinheit, gleichmässig cylindrischen Form und stärkerem Glanz kenntlich sind. — Fassen wir unsere Erfahrungen zusammen, so kommen wir zu dem Resultat, dass auch die Gylinderzellen nicht als Nerven- endigungen betrachtet werden dürfen, sondern als eine eigenthümliche Art von Epithelzellen, die freilich durch ihre Eigenschaften von anderen Epithelzellen erheblich abweicht. Sie sind sicherlich zum grossen Theil die »Stäbchenzellen« von Kry gewesen. Die von diesem Forscher gege- benen Abbildungen, besonders Fig. 5, 7, 10, 11 b, c, g sprechen da- für, dass er sie gesehen und für die Endorgane der Nerven gehalten hat. Er warf sie indess mit den sogleich zu beschreibenden Gabelzellen zusammen, von denen ihm nur verstümmelte Exemplare zu Gesicht gekommen zu sein scheinen (vgl. Fig. 75, 10b u. c, und Ifa, d, e bei Key). Den von uns angewendeten Methoden, die eine leichtere und mit weniger Nachtheil für die Elemente verbundene Isolation als die Methoden Key’s gestatten, ist es zuzuschreiben, dass wir einen Schritt weiter vorgedrungen sind. Die Gabelzellen. Diese merkwürdigen Apparate, für welche die Bezeichnung Zelle kaum mehr zutrifft, sind, trotz sehr zahlreicher Verschiedenheiten, doch nach einem übereinstimmenden Typus gebaut. Alle bestehen aus einem Körper mit feinen Fortsätzen. (Vgl. Fig. 3, 4, 12—19.). Der Körper hat die Form eines gestreckten Ellipsoids von 0,006—0,008 Mm. grösster und 0,003—0,00%4 Mm. kleinster Axe, und wird fast ganz von einem bläschenförmigen Kern mit nahezu centralem Kernkörperchen ausgefüllt (Fig. 12.). Die Fortsätze entspringen an den beiden Polen des ellipsoidischen Körpers, welche wir als peripherischen und centralen Pol unterscheiden wollen. Am peripherischen Pol entspringt ein im Allgemeinen gabelförmiger Ausläufer, dessen Gesammtlänge 0,021—0,030 Mm. beträgt, und des- sen Enden die freie Oberfläche des Epithels gerade erreichen. Man kann an diesem Gabelfortsatz zwei Theile unterscheiden : den Stiel der Gabel und die Gabelzinken. Als Stiel bezeichne ich die ungetheilte, kegelförmige bis cylindrische Fortsetzung des ellipsoidischen Zellenkör- pers, von welcher die Gabelzinken entspringen. Die Länge des Stiels ist bei verschiedenen Zellen derselben Papille sehr verschieden. Er kann eine Länge von 0,008 Mm. erreichen (Fig. 13), misst in der Mehr- zahl der Fälle aber 0,004 bis 0,006 Mm. (Fig. 3, 16, 17.) ; nicht selten ist er noch kürzer (Fig. 14), fehlt sogar, und dann entspringen die Ga- belzinken direct vom peripherischen Pol des Zellkörpers. Je länger der Stiel ist um so kürzer sind die von seinem Ende ausgehenden Zinken, und umgekehrt, Je kürzer der Stiel um so breiter ist er an seinem Ende; Ueber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. 151 | die Dieke der längeren Stiele beträgt in 0,006 Mm. Entfernung vom ' Pol der Zelle meist 0,0015—-0,002 Mm. in grösserer Entfernung weni- ger, in kleinerer etwas mehr. An seinem Ende theilt sich der Stiel in der Regel in zwei, selten in drei (Fig. 16) Arme, welche wie die Zinken einer Gabel auseinander- treten. Zuweilen (Fig. 17, 18) entspringt auch unterhalb des Stielendes, in verschiedener Entfernung vom Pol des Zellkörpers eine dritte Zinke, ' die dann eine grössere Länge, aber meist geringere Dicke als die beiden Hauptzinken besitzt. Diese primären Zinken können sich in verschiedner Höhe wieder theilen und secundäre kleinere Gabeln bilden. Meist ' bildet dann nur die eine primäre Zinke eine secundäre Gabel, während ' die andere ungetheilt bleibt (Fig. 19.). Gabeln dritter Ordnung habe ich nieht beobachtet. Festzuhalten ist, dass die freien Enden aller Ga- belzinken in einer Ebene, nämlich der Oberfläche des Epithels liegen | (Fig. 3, 4.). — Alle Gabelzinken sind äusserst dünne eylindrische Stäb- chen. Sie spitzen sich nach dem freien Ende gar nicht oder nur wenig ' zu. Ihr Durchmesser überschreitet 0,001 Mm. nicht, beträgt aber nicht selten nur etwa 0,0005 Mm. Sind nur zwei Gabelzinken da, so ist ihre Dicke in der Regel, doch nicht immer, gleich. Die Zinken zweiter ' Ordnung sind meist dünner als die erster Ordnung. — Das optische Verhalten des Gabelstiels und der Gabelzinken ist das von sehr feinen blassen Nervenfasern ; sie haben das homogene Aussehen und den mat- ten Glanz den z. B. die Axencylinder besitzen, welche man in den hin- ' teren Schichten der Froschhornhaut trifft. Auch chemisch scheinen sie ‚ fast ganz mit diesen übereinzustimmen. Sie sind ferner biegsam und ' ziemlich elastisch. Am centralen Pole des Körpers der Gabelzellen entspringen nun auch, wie schon erwähnt, Fortsätze. Am häufigsten findet sich ein ein- fach und mit etwas verbreiterter Basis entspringender cylindrischer Ausläufer von etwa 0,001 bis 0,002 Mm. Dicke, der sich in verschie- dener Entfernung vom Pole dichotomisch theilt. Seine Länge kann bis - 9,025 Mm. betragen, aber auch fast Null sein (Fig. 14) ; sehr oft kommt sie mit der mittleren Länge des Gabelstiels (0,006 Mm.) überein (Fig. 3, 4, 13.). Die aus der Theilung des einfachen Fortsatzes hervorgehen- den Aeste sind im Allgemeinen um so länger, je näher am Pole die Theilung stattfand. Auch sie theilen sich fast regelmässig wieder in kleine Aeste zweiter, und diese zuweilen wieder in noch kürzere Aeste dritter Ordnung. Stets ist die Theilung dichotomisch. Die Figuren 3, 4, 12,13, 1%, 15, 18, 19 geben hierfür Beispiele. In seltneren Fällen ent- ' springen zwei oder drei Fortsätze, die gleiche oder verschiedene Dicke haben können, unmittelbar am centralen Pol des Gabelzellenkörpers. 152 Th. Wilh. Engelmann, Es verdient alle Beachtung, dass Gabelzellen deren peripherische Ver- ästelung gleich ist, doch in ihrer centralen Verästelung sehr von ein- ander abweichen können. Man findet sehr selten zwei ganz überein- stimmende Zellen. Mit der Entfernung vom Pol nehmen die im Allge- meinen cylindrischen Ausläufer allmählich an Dicke ab, so dass die Aeste zweiter und dritter Ordnung die dünnsten sind. Diese erreichen oft kaum eine Dicke von 0,0005 Mm. In ihren physikalischen und che- mischen Eigenschaften stimmen auch die centralen Ausläufer der Ga- belzellen mit feinen Axencylindern überein. Die Gabelzellen, deren Zahl vielleicht das Doppelte der Kelchzellen beträgt, füllen mit ihren Körpern den Raum zwischen den Körpern der Cylinderzellen einerseits und den Kelchzellen andererseits aus. Ihre peripherischen Fortsätze, die Gabeln mit ihren Zinken, steigen zwischen den Kelchzellen gerade aufwärts bis zur Oberfläche des Epithels. Ihre centralen Fortsätze mit den dichotomischen Theilungen liegen in den Räumen zwischen den Körpern der Gylinderzellen und erreichen mit ihren Enden die Oberfläche des bindegewebigen Stratum der Papille. Diese besitzt an dieser Stelle eine bald zu beschreibende scheibenartige Verdichtung, welche von einem reichen Astwerk feinster blassen Ner- venfasern durchbohrt wird. — Es bedarf keiner complicirten Methoden um alles das zu sehen, was hier von den Gabelzellen und ihren Beziehungen zu den anderen Elementen des Nervenepithels gesagt ist. Schon an ganz frischen Pa- pillen, denen ein Tropfen Blutserum zugesetzt wurde, kann man einige der wichtigsten Verhältnisse erkennen. Betrachtet man nämlich eine solche Papille bei 300maliger oder noch stärkerer Vergrösserung gerade von oben, so erkennt man, wie es in Fig. 2 dargestellt ist, die Zinken der Gabelzellen auf dem optischen Querschnitt als zahlreiche, äusserst kleine und glänzende Kreise zwischen den eckig abgeplatteten Kelch- zellen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den grösseren und nicht so zahlreichen matten Kreisen, als welche die Ausläufer der Gylinderzellen auf dem Querschnitt erscheinen. Sieht man etwas schräg auf die Papille, so bemerkt man die Stäbchenform der Gabelzinken und kann sie wol auch bis in die innere Lage des Epithels hineinverfolgen. Man sieht das aber nicht immer gleich gut; oft bemüht man sich vergeblich die klei- nen Kreise zu finden ; dann sind sie wieder bei fast allen Papillen | deutlich. Auch bei Zusatz von lodserum oder von Speichel zu ganz frischen Papillen gelingt es bald besser bald schlechter, in der Regel jedoch ziemlich leicht, die Gabelzinken auf einem Querschnitt zu ent- decken. Am deutlichsten werden sie, wenn die Papillen erst einige Minuten lang in den Serumtropfen gelegen haben, sie können dann Ueber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. 153 stundenlang sichtbar bleiben. Bei Einstellung des Fokus auf verschie- dene Ebenen bemerkt man, dass die Zahl der kleinen Kreise an der Oberfläche des Epithels am grössten, in einiger Tiefe kleiner ist. Diess stimmt mit dem überein, was oben über die Theilung der Gabeln ge- sagt wurde. — Betrachtet man eine frische in Serum liegende Papille von der‘ Seite, also im optischen Längsschnitt, so zeigen sich oft zwi- schen den Kelchzellen viele helle, schmale Streifen, die unter einander parallel. von der inneren Epithelschicht bis zur Oberfläche reichen. Aber es ist unmöglich aus diesen Bildern zu entscheiden, ob man Fa- sern oder Längsspalten zwischen den Kelchzellen vor sich hat. Deut- licher erkennt man mitunter wegen ihrer grösseren Breite, die Fortsätze der Gylinderzellen. Nirgends sieht man Fortsätze über die freie Ober- fläche des Epithels herausragen. — In der inneren Epithelschicht machen sich die Kerne der Gabelzellen und unter ihnen die der Gylin- derzellen als feincontourirte matte Bläschen bemerkbar. Sonst erkennt man höchstens noch einige feine, glänzende Ausläufer die von den Kernen der Gabelzellen aus gerade oder schräg nach unten gegen die Papille hinlaufen und sich auf diesem Weg auch wol theilen. “ Genaueres über die Gabelzellen. und ihre Ausläufer erfährt man erst durch Isolation. Diese macht sich zuweilen ganz von selbst bei längerem Liegen der Zungen in lodserum. Aber auch bei ganz frischen Papillen kann man mit Hülfe der Glasstäbehen ohne grosse Mühe die Zellen isoliren und sich über ihre wesentlichsten Eigenschaften unter- richten. Wegen der grossen' Weichheit, welche die Ausläufer der Zel- len im frischen Zustande besitzen, werden sie indess hierbei leicht verstümmelt; oft reissen alle Fortsätze bei der Präparation ab und man erhält die Zellkörper mit den Nerven für sich. Bei einiger Ausdauer findet man indess genug gut erhaltene Zellen und diese stimmen in Form und Zahl der Ausläufer so vollkommen mit den Zellen überein, welche man bei Anwendung der Mischung von Glycerin und doppelt- chromsaurem Kali erhält, dass sie eine Bürgschaft für die Güte der letzteren Flüssigkeit giebt. Diese oben schon empfohlene Mischung hat den Vortheil, die Zellen in allen ihren Theilen fester und, wenigstens für Nadeln leicht isolirbar zu machen. Sie hat vor Lösungen von reiner Chromsäure und chromsaurem Kali den Vorzug, dass sie die Theile nicht bröcklich macht. Die Kerne schrumpfen darin ein wenig zusam- men und das Kernkörperchen wird meist undeutlich; die Fortsätze, peripherische sowol als centrale, bekommen einen ziemlich starken Glanz, der ihre Unterscheidung von den mehr körnigen, trüberen Protoplasmafortsätzen erleichtert. Was schon an ganz frisch isolirten Gabelzellen zu bemerken ist, fällt auch hier auf, dass nämlich die freien 154 Th. Wilh, Engelmann, Enden der centralen Ausläufer der Gabelzellen nicht so gerade und eylindrisch endigen wie die peripherischen, die Gabelfortsätze, sondern dass sie meist kleine knöpfehenartige Anschwellungen tragen, gerade wie sie sehr feine Nervenfasern an den Stellen bekommen wo sie durch- gerissen sind. | Dass bei der Präparation mit Nadeln auch viele dieser erhärteten Zellen beschädigt werden, vor Allem dadurch dass die centralen und peripherischen Ausläufer an den verschiedensten Stellen abbrechen, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Man erkennt an den so beschädigten Gabelzellen nicht schwer die Stellen wo ein Fortsatz abgebrochen ist. Besonders häufig kommt es vor, dass eine der zwei Gabelzinken abbricht; dann kann es bei oberflächlicher Betrachtung so aussehen, als ob die Zellen nur einen ungetheilten peripherischen Aus- läufer hätten, der aus einem unteren dickeren und oberen etwas dünneren Theile bestände. In dieser Weise verstümmelte Gabelzellen scheint nun auch Key gesehen zu haben, wenigstens ist diess nach Kry’s Abbildungen Fig. 7b, !1a, d, e, wahrscheinlich !). Rollt man solche Zellen um ihre Längsaxe so erkennt man zweierlei: erstens, dass der obere dünnere Theil des Ausläufers nicht in der Verlängerung der Axe des unteren dickeren Theils liegt, sondern nach der Seite abbiegt; und zweitens, dass dicht neben der Stelle wo er aus dem Stiel der Gabel entspringt, diese noch eine kleine Unebenheit, zuweilen selbst einen ganz kurzen Fortsatz, den Rest der abgebrochenen Gabelzinke trägt. Man findet in der That alle Vebergänge von diesen Zellen zu solchen, wo die zwei Gabelzinken in ihrer ganzen Länge erhalten sind. In den beigegebenen Figuren 12, 15, 16, 18, 19 habe ich einige Beispiele von Gabelzellen gegeben, die durch die Präparation verunstaltet sind. Die Frage ob die centralen Ausläufer verschiedener Gabelzellen ineinander übergehen oder ob sie alle isolirt bis auf die bindegewebige Grundlage der Papille herabsteigen, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls bilden diese Ausläufer mit ihren dichotomischen Verzwei- gungen ein ausserordentlich dichtes Fasergeflecht, welches die Zwischenräume zwischen den Körpern der Gylinder- und der tiefer gelegenen Gabelzellen fast vollständig ausfüllt. Bei der enormen Feinheit, welche diese Fasern wenigstens in ihren Aesten zweiter und dritter Ordnung besitzen, ist es nicht auszumachen, ob die Anastomo- sen, die man nicht selten an isolirten, kleinen Zellgruppen sieht, wirk- liche oder blos scheinbare Anastomosen sind. Zwischen den Aesten erster Ordnung scheinen keine Anastomosen vorzukommen; ebenso- 1) Auch von den Bırroru’schen Figuren (l. c. Taf. VI. Fig. 42.) können eine oder zwei Gabelzellen gewesen sein, Das Ueber die Endigungen der Gesehmacksnerven in der Zunge des Frosches. »35 wenig zwischen Gabelzellen und Ausläufern der Keleh- und Cylinder- zellen. | | Ä Während wir nun in den beiden letztgenannten Zellformen nur eigenthüimlich gebaute Epithelzellen erkannt haben, können wir von den Gabelzellen schon hier aussprechen, was aus dem gleich zu schil- dernden Verhalten der Nerven noch deutlicher hervorgehen wird, dass sie die Enden der Geschmäcksnerven sind. — Andere Elemente, als die Kelch-, Cylinder- und Gabelzellen mit ihren Ausläufern kommen im Epithel der Papillenendfläche nicht vor. Kleine ganglienzellenartige Körperchen, die ich anfangs in grosser Zahl in der unteren Schicht des Epithels vermuthete und gelegentlieh isolirt zu haben glaubte, haben sich als verunstaltete Gabei- oder Cylinderzellen erwiesen. Die Ver- theilung der drei Zellarten auf der Endfläche der Papille ist eine ziem- lich gleichmässige;; sie sind im Gentrum der Epithelscheibe in denselben Verhältnissen angeordnet wie an der Peripherie; vielleicht stehen jedoch im Centrum die Gylinder- und Gabelzellen ein wenig dichter als am Rand. Ein paar Worte noch über das Epithel, welches die übrige Ober- fläche der Papille bekleidet. Es besteht aus Flimmerzellen und unbe- wimperten Gylinderepithelzellen. Die Flimmerzellen bilden in schma- ler Zone einen Kranz um die kreisrunde Scheibe des Nervenepithels. Sie formen einen geschlossenen Ring, der die Breite von einer, höch- stens zwei Flimmerzellen besitzt. Somit erstreckt sich das Flimmer- epithel nicht, wie frühere Beobachter-angaben, über die ganze nicht vom Nervenepithel eingenommene Oberfläche der Papille, sondern ist ‚nur auf einen schmalen Gürtel beschränkt, welcher die Endfläche der Papille einrahmt. Die Seiten der Papille sind von gewöhnlichem,, flim- ımerlosem Gylinderepithel bedeckt. Sowol die Flimmer- als die Gylin- derepiihelzellen unterscheiden sich ausser durch ihre übrigen Eigen- ‚schaften schon durch ihre bedeutendere Grösse von den Elementen des Nervenepithels. Die Nervenfasern der Geschmackspapillen. Das Ver- halten der Nervenfasern innerhalb des Bindegewebgerüstes der Papille ‚lässt sich leicht überblicken wenn wir erst den Bau des letzteren be- trachtet haben. — Das bindegewebige Stratum der Papille hat die Form eines niedrigen Cylinders. An diesem kann man einen grös- seren unteren, aus mehr lockerem Bindegewebe bestehenden Theil un- terscheiden und einen kleineren oberen, scheibenförmigen, der von dichterem Bindegewebe geformt wird. Der untere Theil enthält die Blutgefässe, die Enden der getheilten Muskelfasern und die dunkelran- digen Nervenröhren. Sein Bindegewebe ist ganz ähnlich dem, welches n 156 Th. Wilh, Engelmann, die Grundlage der übrigen Zungenschleimhaut bildet, locker, fasrig, enthält ziemlich viel Bindegewebskörperchen und ist von spärlichen, dünnen elastischen Fasern durchflochten. Der obere Theil des Papillen- gerüstes, eine solide Scheibe von 0,01 bis 0,015 Mm. Dicke, die wir das Nervenkissen nennen wollen, besteht aus sehr dichtem. fast homogen erscheinenden Bindegewebe, welches in seinem Verhalten gegen Reagentien die meiste Aehnlichkeit hat mit der gewöhnlich als Elastica anterior bezeichneten vordersten Lamelle der Froschcornea. Es steht also in Bezug auf seine Widerstandsfähigkeit gegen Säuren und Alkalien zwischen elastischem Gewebe und fibrillärer Bindesub- stanz ungefähr in der Mitte. Nach unten zu ist das Nervenkissen ziem- lich fest mit dem anderen Bindegewebe der Papille verbunden, nach oben und aussen, gegen das Epithel zu ist es scharf begrenzt. Weder Bindegewebskörperchen noch Kerne, weder Ausläufer der Muskelfasern noch Blutgefässe, noch elastische Fasern liegen darin, wol aber eine überraschende Menge äusserst feiner, blasser Nervenfasern, die wir sogleich betrachten werden. Das Nervenrkissen bildet den Boden, auf welchem das gesammte Nervenepithel ruht. Die fünf bis zehn markhaltigen Nervenfasern der Papille laufen in der Axe von dieser ungetheilt bis zur unteren Fläche des Nervenkissens. Bei, oder kurz vor ihrem Eintritt in letzteres spitzen sie sich zu und verlieren plötzlich ihre dunklen CGontouren; ihr Neurilem aber ver- schmilzt mit der festen Grundsubstanz des Nervenkissens. Unmittelbar nach ihrem Eintritt theilen sich die nunmehr sehr dünn (etwa 0,002 bis 0,003 Min.) und blass gewordenen Nervenfasern und formen unter wiederholter dichotomischer Theilung ein zartes Nervengeflecht, wel- ches sich horizontal durch die ganze untere Hälfte des Nervenkissens ausbreitet und von dem aus sehr zahlreiche, äusserst feine Zweige, die sich selbst wieder zu theilen pflegen in ziemlich gerader Richtung bis auf die freie Oberfläche des Nervenkissens emporsteigen (Fig. 1.). Die Fortsetzungen dieser das Nervenkissen durchbohrenden Zweige im Epithel sind die oben beschriebenen centralen Ausläufer der Gabel- zellen. | | Die Darstellung welche wir hier vom Bau des Bindegewebsgerüstes der Papille, insbesondere des Nervenkissens gegeben haben, gründet sich auf die Untersuchung frischer sowol, als mit den verschiedensten Reagentien behandelter Papillen. Schon frühere Beobachter haben das Nervenkissen gesehen, doch seinen Bau anders aufgefasst. Kry hielt es für eine colossale Verbreiterung des Neurilemma und nannte es Nerven- schale. Ich habe diesen Namen verworfen, weil er die Form falsch be- zeichnet; wir haben es hier nicht mit einem ausgehöhlten, sondern mit f) EEE PIE, a Üeber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches, 157 einem soliden, ziemlich dicken scheibenförmigen Körper zu thun. — Die Nerven und ihre Ausbreitung im Nervenkissen habe ich beschrieben nach Präparaten von Papillen, die frisch in Serum vom Epithel mög- lichst befreit und dann 48 Stunden in mässig starkem Glycerin gelegen waren. Fig. f ist nach einem solchen Präparat gezeichnet und enthält nichts Schematisches. An ganz frischen in Serum liegenden Papillen ist es ungemein schwer, die Nerven weiter zu verfolgen als ihre dunklen Contouren reichen. Gerade die Stellen wo sie blass werden, sind in der Regel durch Blutgefässe noch verdeckt. Man thut desshalb gut, die Frösche an Verblutung sterben zu lassen, damit die CGapillaren von farbigen Blutkörperchen leer werden. Diess gelingt auch regeimässig. — An Papillen, die länger in Serum gelegen haben, sieht man dann zuweilen einen Theil der blassen Fasern im Nervenkissen; sie erschei- nen als schwach glänzende Fasern ohne Varicositäten, oder als äusserst feine, stärker glänzende Perlschnürchen, wie man das unter denselben Umständen auch bei den blassen Nervenfasern des vorderen Hornhaut- epithels vom Frosch sieht. Sie scheinen auch durch Reagentien ganz ebenso wie diese verändert zu werden. Dass es wirklich Nervenfasern sind, geht hieraus sowol wie schon aus der Betrachtung ihres Ursprungs aus dunkelrandigen Fasern, ihrer charakteristischen Aushreitung und Verästelung, in Verband mit ihrer Form und ihren Dimensionen hervor. — Key hat sie gesehen; er nimmt aber ein mehr pinselförmiges Zer- fallen der Nervenfasern in feinste varicöse Aestchen an und hat die reichen dichotomischen Theilungen nicht bemerkt. Mir sind solche Bil- der wie sie Key auf Taf. VIII. Fig. % u. 5 giebt, nie vorgekommen. Varicös sind die Fasern wie überhaupt alle feine blasse Nervenfasern im frischen Zustand sicher nicht; aber sie können es mit der Zeit wer- den. — Ob wahre Anastomosen zwischen den blassen Fasern im Ner- venkissen vorkommen, lässt sich auch hier wegen der Kleinheit des Objecis nicht entscheiden, ist aber nach allem was ich gesehen , un- wahrscheinlich. Die weitaus wichtigste Frage, nämlich die, was aus den Nerven wird, wenn sie das Epithel erreicht haben, kann nach dem früher Mitgetheilten, wenn nicht mit Gewissheit, doch mit äusserster Wahr- scheinlichkeit, dahin beantwortet werden, dass die Nerven mit den Gabelzellen zusammenhängen. Zuweilen glaubt man diesen Zu- sammenhang zu sehen, wenn einzelne Gabelzellen bei Isolationsver- suchen auf der Papille sitzen blieben. Indessen liegen solche Beobach- tungen so nahe an den Grenzen, welche uns durch die Beschaffenheit unserer optischen Hilfsmittel gezogen sind, dass sie nicht für be- weisend gelten können. Es kommt hierzu noch der üble Umstand, 158 Th. Wilh, Engelmann, dass die Methoden, bei welchen die Nerven am deutlichsten zum Vor- schein treten, andere sind, als die, welche für die Gabelzellen die besten Resultate geben. Hierfür können uns aber, wie ich glaube, die Thatsachen entschädigen , welche durch die gesonderte Untersuchung von Nerven und Epithel festgestellt worden sind. Wir sehen feine blasse Nervenfasern an äusserst zahlreichen Puncten die Oberfläche des Nervenkissens erreichen, wir sehen von dieser Oberfläche ebenso feine äusserst zahlreiche Fasern, von den Eigenschaften der blassen Nervenfasern, entspringen, und sich direct in die Substanz der Gabel- zellen fortsetzen. Nehmen wir nun einen Zusammenhang der letzteren mit den ersten Fasern an, so thun wir nur das, was nöthig ist: wir nehmen das weitaus Wahrscheinlichste an. Hiermit eröffnen sich aber zugleich einige neue, für die Physiologie der Sinne sehr wichtige Fragen. Hängt, so fragt sich, jede Gabelzelle mit nur einer oder mit mehreren dunkelrandigen Nervenfasern zusammen? Die diehotomischen Verästelungen der centralen Ausläufer der Gabelzellen machen das Letztere wahrscheinlicher. Auch die Vertheilung der Nervenfasern im Nervenkissen spricht nicht dagegen, denn sie scheint von der Art zu sein, dass an allen Stellen Zweige verschiedener dunkelrandiger Nerven dicht neben einander die Oberfläche des Kissens erreichen. Eine Gabelzelle, deren centraler Fortsatz sich in sechs Aeste theilt (mehr scheinen nicht vorzukommen) , könnte also wohl mit sechs ver- schiedenen Nervenfasern zusammenhängen. Beweisen lässt sich aber mit unsern Hilfsmitteln nicht, ob so etwas vorkommt. Hinge eine solche Zelle nur mit einer oder wenigen Nervenprimitivfasern zu- E sammen, so würden die blassen Nervenäste, indem sie sich theilten und dann wieder in einen centralen Ausläufer einer Gabelzelle zu- sammenliefen, nervöse Wundernetze bilden. Auch hierüber entscheidet die mikroskopische Untersuchung nicht. — Wir haben gesehen, dass die Gabelzellen vielfache Verschiedenheiten zeigen in Bezug auf Zahl, Ursprung, Dimensionen ihrer peripherischen Fortsätze. Man könnte fragen, ob Gabelzellen von bestimmtem Bau auch bestimmten Nerven- 3 fasern entsprechen; ob z. B. die eine Nervenfaser nur mit Zellen zu- sammenhinge, die zwei Gabelzinken besitzen, die andere nur mit E. solchen, welche in drei Zinken auslaufen. Bei der Unmöglichkeit, jede ‘ Nervenfaser bis zu allen ihren Endorganen zu verfolgen, verbietet sich die Beantwortung auch dieser Frage. Wir lassen uns deshalb vorläufig an dem Resultate genügen, dass die peripherischen Endigungen der Geschmacksnerven eigenthümlich gebaute Organe, die Gabelzellen, sind, welche sich von den peripherischen Endapparaten anderer Nerven in charakteristischer Weise unterscheiden; ein neuer Beweis für den Ueber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches, 159 Satz, dass specifische Leistungen an specifische Apparate gebunden sind. Fig. Brig. Fig. Utrecht, Novbr. 1867. Erklärung der Abbildungen. Tafel IX. Die Figuren sind bei 450maliger, nur Fig. 2 bei 600- und Fig. 5 bei 400facher Vergrösserung gezeichnet. 1. [&5) Die Nerven der Geschmackspapille und ihre Ausbreitung im Nervenkissen. Vor oder bei ihrem Eintritt in das letztere verlieren sie plötzlich ihre dunklen Contouren und setzen sich unter zahlreichen, dichotomischen Verästelungen als feine blasse Fasern fort, die sämmtlich auf der Ober- fläche des Nervenkissens münden. Einzelne blasse Fasern sieht man frei herausragen. — Die Papille war frisch in lodserum von ihrem Epithel befreit und dann 48 Stunden in dünnem Glycerin aufbewahrt worden. — In der Figur ist, um das Bild nicht zu sehr zu compliciren, nur die feinere Ausbreitung von zwei Nervenfasern gezeichnet, und auch diese nur in soweit sie nahezu in derselben Ebene liegt. . Flächenansicht von einem Theil des Nervenepithels, frisch nach fünf Mi- nuten langer Einwirkung von lodserum. Man sieht hier im optischen Querschnitt die Körper der Kelchzellen als Fünf- oder Sechsecke, da- zwischen als kleine matte Kreise die Ausläufer mehrerer Cylinderzellen, ausserdem in grosser Anzahl, sehr kleine dunkelgerandete Kreise, die Zinken von Gabelzellen. . Zwei Kelchzellen, eine Cylinder- und zwei Gabelzellen im Zusammenhang isolirt. Von einer Zunge, die zwei Tage in der im Text angegebenen Mischung von Glycerin und doppeltchromsaurem Kali gelegen hatte. — Setzt man Fig. 3 auf Fig. 4, so erscheinen die unteren Ausläufer der Gabelzellen ganz von selbst als Fortsetzungen der blassen Nervenfasern, wie dies in Wirklichkeit sehr wahrscheinlich der Fall ist. . Eine Kelchzelle und eine an ihr haftende Gabelzelle. Ebendaher. . Stück von dem Nervenkissen einer Geschmackspapille, von dem durch Maceration in Iodserum alle Kelch- und Gabelzellen abgefallen und nur die Cylinderzellen sitzen geblieben sind. Die Cylinderform des langen Fortsatzes der letzteren Zellen ist hier durch Ausfliessen von Protoplasma in eine Bandform übergegangen. . Eine Kelchzelle, frisch in Iodserum. . Kelchzelle, aus welcher das Protoplasma herausquillt, während die Mem- bran sich in Falten legt. . Kelchzelle, aus deren oberem Theil (dem Körper), das Protoplasına ganz ausgeflossen ist. . Eine Zelle, wie 8, von oben gesehen. lodserumpräparat, = en En u 10 en, € HEeD a ne ET 1, 160 | Th. Wilh, Engelmann, | nee Fig. 40. Cylinderzelle, frisch in etwas Speichel isolirt. Fig. 44. Cylinderzelle aus einem Glycerin-Chromsäurepräparat. Fig. 42. Gabelzelle, frisch in lodserum isolirt. Der centrale Fortsatz ist be- 3 schädigt. : en: BE Fig. 13.—19. Gabelzellen von verschiedener Form, mittelst Glasstäbchen aus Pa- - pillen isolirt, die einige Tage in der Mischung von Glycerin und doppelt- chromsaurem Kali gelegen hatten. 45, 16, 48 und 19 sind bei der Präpa- ration durch Abbrechen von Fortsätzen verunstaltet worden. an, Ä y u 23 Beitrag zur Kenntniss der Taenien. Von Johannes Feuereisen in Dorpat. Mit Tafel X. Eine der eigenthümlichsten und interessantesten Formen des Thierlebens bieten unstreitig die Parasiten dar. Ich habe es darum versucht zur Anatomie dieser Parasiten und, soweit es thunlich war, zu deren Entwickelungsgeschichte, einen kleinen Beitrag zu liefern. Die Taenioiden unserer Hausgans wählend, verband ich damit zugleich den Zweck, die Schmarotzer eines unserer Haustbiere zur besseren Kenntniss zu bringen. Die zahlreichen , Schwierigkeiten, _auf welche die mikroskopische Untersuchung der kleineren Bandwürmer stösst, mögen es entschuldigen, wenn ich mich meiner Aufgabe nur unvollkommen entledigt habe. _ Herrn Prof. Sriepa, der meine ersten Schritte auf dem Gebiete selbständiger mikroskopischer Forschung geleitet, fühle ich mich zu ‚tiefstem Danke verpflichtet für die freundliche Unterstützung, die an- regende Theilnahme, die er dieser kleinen Arbeit geschenkt. Dissine giebt 5 Taenienarten als Bewohner des Darmcanals der ‚Gans an: die Taenia setigera, sinuosa, fasciata, lanceolata und malleus. ‚Letztere ist mir nicht zu Gesichte gekommen. Die T. lanceolata habe ich nur in einem einzigen unausgewachsenen Exemplare erhalten ‚können. Diese Taenie ist leicht kenntlich an der colossalen Breite ihrer " Zeitschr. f. wissensch, Zoologie. XVIII. Bd. ji Hi In. Bi 162 ‘ Johannes Feuereisen, Glieder. Auch die T. fasciata und setigera sind nicht schwer zu er- kennen : die erstere ist durch die mediane Längsbinde, die zweite durch die Trichterform ihrer Glieder gekennzeichnet. Ich habe diese beiden Parasiten im Darmcanal fast bei jeder Gans und mitunter in ganz be- deutenden Mengen getroffen, die T. fasciata stets in dem dicht auf den Magen folgenden Abschnitt des Darmcanals, die T. setigera weiter unten. Schwerer ist die T. setigera von der T. sinuosa zu unter- scheiden, da beide trichterförmige Glieder haben. Ich habe zuweilen vereinzelte Exemplare junger Bandwürmer getroffen, die auch trichter- föormige Glieder, jedoch von geringerer Breite als die T. setigera be- sassen, aber mit 130 Gliedern noch keine Spur von Geschlechtsorganen zeigten (bei der T. setigera beginnt die Geschlechtsentwickelung schon vor dem 00sten Gliede). Der Kopf ist auch viel kleiner, er erreicht kaum den Scolex der T. fasciata an Grösse und weist 10 Haken auf, während die T. setigera deren 8 besitzt. Es ist darum sehr wahr- scheinlich, dass es sich hier um die T. sinuosa handelt. — Wie aus Obigem schon hervorgeht kann ich nur eine ausführliche Beschreibung der T. setigera und fasciata geben. Taenia setigera (Frönuien). _ Ein ausführliches Verzeichniss der Literatur giebt Diesing in seinem Systema helminthum!). Ich will daher nur die Werke nennen, die mir zu Gebote standen. r | Zever, Nachtrag zu Göze’s Naturgeschichte der Eingeweide- würmer. Alyselminthus setigerus p. 260. GmELIn, Syst. nat. p. 3076 No. 90. Taen. setigera. RupoLpHı, Entozoorum histor. natur. IN. p. 128. Dusarvın, Histoire natur. des Helminthes p. 609. Runorpuı, Entozoorum synopsis p. 153. CrePLin, Wiegmanns Arch. 1846. p. 14h. | v. Sırgord, Burdachs Physiologie. 2. Aufl. Bd. U. Art. Ent- | wickelungsgeschichte der Helminthen p. 201. 204. Diesing, Syst. helminth. p. 540. No. 113. Die Originalbeschreibung Frönıenw’s?) konnte ich nicht vergleichen. Ich habe die Bestimmung der Taenie nach den Beschreibungen Zever’s ” und Ruporrnr’s gemacht, den ausführlichsten , die mir zu Gebote stan- | den. GmeLin und Dissıng geben nur kurze Charakteristiken, nicht ab- 7 „4) p. 540. No. 443. | 2) Naturf. XXIV. St. 406—141. Tab. IV. F. 1—4. Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 163 weichend von früheren Autoren, Dusardın, der die Taenie nicht selbst gekannt hat, bezeichnet nur einige der wesentlichsten Merkmale und verweiset im übrigen auf Ruvorrnı; Sırzoıw endlich gedenkt in seiner Entwickelungsgeschichte der Helminthen auch der Eier der T. setigera und CrrrLiv enthält nur die Angabe des Fundorts. Ihren Namen verdankt die T. setigera den von ZEDER als »kurze, feine, abgestumpfte Borsten« bezeichneten Gebilden, die den einen Seitenrand der Gliederkette einnehmen. Diese -Borsten werden von Ruporraı als an der Spitze durchbohrt und dem Vordertheil des Körpers fehlend geschildert. Ich glaube, dass man dieselben für nichts Anderes als das feine Endstück des Cirrusbeutels sammt Penis zu halten hat, nicht, wie Dusaroın es gethan, für die in einen Fortsatz ausgezogenen Hinterecken der Glieder !). Offenbar beruht dieser Irrthum ebensowohl auf der Unkenntniss des Thieres, da ein solcher Fortsatz nicht existirt, als auch auf dem Missverstehen der allerdings nicht ganz klaren Be- schreibung Zeper’s, die auch mich irre geführt, bis ich durch die Ver- gleichung mit Ruporpuı eines Besseren belehrt wurde. Dass die älteren Autoren diese Gebilde nicht zu deuten verstan- den, und selbst Ruporrnı ausdrücklich hervorhebt, sie seien von den Lemniscen anderer Taenien verschieden, erscheint nicht gerade wunder- bar, wenn man die eigenthümliche Endigungsweise des männlichen Begattungsorgans berücksichtigt. Während man früher unter dem Namen »Lemniscus« gewöhnlich ziemlich lange, häufig mehr oder we- niger über den Rand hinausragende Anhänge verstand, hat man es hier mit vom Rande in einer gewissen Entfernung liegenden, kurzen und scheinbar isolirten Gebilden zu thun. Unter gewissen Verhältnissen . nämlich, bei ungünstiger Lage der Präparate, besonders der ungefärbten, bei schwacher Vergrösserung ete., sieht man von dem Penis und dem äusseren canalartigen Abschnitte des Cirrusbeutels wirklich ‚nicht viel mehr als die sehr scharf begrenzte Endanschwellung des letzteren, die dann wohl wie eine isolirte Borste erscheinen mag. Natürlich werden unter Umständen solche Seitenborsten auch bei anderen Taenien zu sehen sein, wie ich es mitunter bei der T. fasciata wahrgenommen habe. Sie sind daher für die T. setigera durchaus nicht so charakteristisch, wie man es vielleicht gemeint hat. Auf die Kopfform wird von den älteren Autoren grosses Gewicht gelegt. Sie wird als viereckig, hinten abgerundet, bei eingezogenem Rüssel birnförmig angegeben. Ihrer Variabilität wegen giebt sie jedoch! 4) »un des angles posterieurs, prolonge en un appendice (une sorte de soie, seta) droit, court et tronqu&«. a. a. O0. p- 609. 44 %* 164 Johannes Feuereisen, ein sehr unsicheres Merkmal ab. Ich habe sie gewöhnlich hemisphärisch gefunden, jedoch auch obige Variationen in der Gestalt angetroffen. Zever beschreibt vier Längscanäle des Halses, die er, den damaligen Anschauungen gemäss, für die mit den »Saugmündungen« (Saugnäpfen) communicirenden »Nahrungscanäle« hält. Maassgebend war mir die Angabe des langen Rüssels, so wie die Trichterform der Glieder. Es lässt letztere nur eine Verwechselung mit der T. sinuosa zu, der jedoch ein sehr langes dünnes Vorderende zugeschrieben wird. ZeDer spricht die Vermuthung aus, es könne diese Taenie mit der T. infundibuliformis Göze identisch sein, was ich bestimmt verneinen ‚muss, da mir letztere bekannt ist. Sie ist durch Kopfbildung, Länge und Form ihrer Glieder leicht zu unterscheiden und ihr Vorkommen in der Gans sehr fraglich. Die älteren Angaben darüber scheinen mir wenigstens auf ähnlichen Verwechselungen zu beruhen, wie die ZEDER’S. Wohl aber erwähnt GözE!) in seiner Beschreibung der T. lanceolata eines »kleinen trichterförmigen Bandwurms, wie bei denEnten«, dessen Abbildung?) ganz gut auf die T. setigera passt, bis auf den etwas langen dünnen Vorderkörper, der an die T. sinuosa denken lässt. Als Wohnthier wird nur die Hausgans (Anas anser dom.) an- gegeben. Ueber die Länge, die das Thier erreicht, bin ich nicht im Stande, selbständige Angaben zu machen, da mir nie völlig ausgewachsene Exemplare zu Gesicht gekommen sind. Zeper giebt die grösste Länge gleich 8 Zoll (ungefähr 200 Mm.) an. Ruporrur’) behauptet es könne diese Taenie bis 3 Fuss (circa I Mm.) lang werden. Es fragt sich jedoch ob hier nicht eine Verwechselung, vielleicht mit der T. sinuosa, vor- liegt. Ebenso variiren beide Autoren in der Angabe der Breite der hinteren Glieder: nach Zeper beträgt sie 11/,) (3,5 Mm.), nach Ru- poLpui 2—3’" (6—7 Mm.). Ich habe nur Glieder gesehen, die 11/, Mm. maassen. — Die Zahl der die Kette zusammensetzenden Glieder kann ich aus denselben Gründen nur annähernd schätzen: sie wird wahr- scheinlich 200—-220 betragen. Die grössten Exemplare deren ich hab- haft werden konnte, zählten deren keine 160. Die männliche Reife tritt mit dem 120sten Gliede (vom Kopf gerechnet) ein, die weibliche nach dem 445sten, reife Eier werden wohl erst im 170—180sten zu. suchen sein. _ Der Scolex ist langrüsselig mit einfachem Hakenkranz von 8 Haken (Taf. X. Fig. 1.). Seine Gesammtlänge beträgt ungefähr !/; Mm. (ohne 4) Naturgesch. p. 381 u. 382. 2) a.a. O0. Tab. XXIX. F.2. 3) Entoz. hist. | natur. p. 128. ’ 7 Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 165 Rüssel), wovon die Hälfte etwa auf den kurzen Hals kommt. Der Kopf ist von dem letzteren deutlich abgesetzt. Der Variabilität seiner Gestalt habe ich schon gedacht. In seinem gewöhnlichen Contractionszustande ist diese eine hemisphärische, mit vorderer CGonvexität. Da übrigens die Breite des Kopfes (0,35 Mm.) die Länge (0,25 Mm.) übertrifft, so stellt dieser vielmehr das Segment einer von zwei Seiten abgeplatteten Kugel dar. Durch den Druck des Deckgläschens wird diese Abplattung noch prononeirter und so treten da, wo der grösste Durchmesser des Segments (der natürlich weit nach hinten an die Grenze des Halses zu liegen kommt), die Kreiscontour schneidet, zwei starke Ecken hervor, die den Kopf deutlich von dem bedeutend schmäleren Halse absetzen. Gewöhnlich. findet man in diese Hinterecken die Saugnäpfe hinein- gedrängt. Letztere sind eiförmig, vorn schmäler, hinten breiter , mit- unter sogar dreieckig mit abgerundeten Winkeln. Ihre Länge beträgt im Maximum 0,14 Mm., ihre Breite hinten 0,13, vorn dagegen oft nur 0,06. Je nach Stellung und Lage der Saugnäpfe variirt auch die Form des Kopfes. Je weiter die Saugnäpfe nach aussen rücken, um so mar- _ kirter werden die Hinterecken des Kopfes. Ein noch stärkeres Promi- niren der Saugnäpfe lässt auch am Vorderkopfe Ecken hervortreten. Ist der Rüssel dabei eingezogen, so erscheint der Kopf viereckig. Da- gegen wird ein Zurücktreten der Saugnäpfe mehr oder weniger auch die Hinterecken abrunden, was natürlich auf Kosten der Hemisphäricität des Kopfes geschieht. Wenn dazu noch der vorderste Abschnitt des Halses etwas zusammengezogen ist, so wird die hemisphärische durch eine mehr kugelige Kopfform ersetzt. Ebenso sind auch die verschie- denen Contractionszustände für die Kopfgestalt entscheidend. Bei protrahirtem Rüssel ist sie nach vorn leicht zugespitzt, nach völliger Retraction desselben wird bei geringer Prominenz der Saugnäpfe der Scolex fast keulen- oder birnförmig. So kann man oft an ein und der- selben Taenie eine grosse Zahl derjenigen Kopfgestaltungen sehen, die ältere Autoren mit zu grosser Vorliebe als unterscheidende Merkmale der Arten anführen. Die Unsicherheit dieser Merkmale ist evident. Der lange eylinderförmige Rüssel ist in eine besondere, in der Axe des Kopfes gelegene Tasche zurückziehbar. Ich habe ihn meist ebenso lang wie den Kopf gesehen (0,26 Mm.). Seine Breite beträgt 0,05 Mm. und nimmt nach hinten etwas ab (um 0,01 Mm.). Man unterscheidet deutlich den innern musculösen Theil, mit stark vor- herrschenden Ringfasern, von dem umhüllenden Parenchym. Ersterer trägt an seinem äussersten Ende den Hakenkranz, während letzteres sich über diesem zu einer kleinen, schwach angedrungenen conischen Klappe wölbt. Ich habe diesen musculösen Theil, das eigentliche Be 166 Johannes Feuereisen, Rostellum stets keulenförmig gesehen, vorn stark angeschwollen (bis zu 0,056 Mm.), hinten sich verschmächtigend zu 0,016 Mm. Natürlich wird hinten die Dicke des Rüssels in toto hauptsächlich durch das um- hüllende Parenchym gebildet, während dieses vorn zu einer kaum messbaren Lage zusammenschmilzt. Die deutliche Runzelung des musculösen Stückes lässt übrigens voraussetzen, dass der Rüssel ganz bedeutend, vielleicht um das Doppelte verlängert werden kann, zu einem wahrscheinlich ganz gleichmässig cylindrischen, dünnen Ge- bilde!). Selbstverständlich werden die verschiedenen CGontraetions- zustände des Rostellum denselben bald hier, bald da angeschwollen, ja mitunter völlig perlschnurförmig erscheinen lassen. In seine Tasche zurückgezogen ist es oval oder eiförmig. Bei seiner Retraction wird das umhüllende Parenchym (das continuirlich in das Gewebe des Kopfes übergeht) nachgezogen und handschuhfingerförmig eingestülpt. Selten findet man dasselbe völlig eingezogen, meist bleibt ein kurzes cylin- drisches Stück hervorstehend — das Knötchen älterer Autoren (GözE), das sie meist den Taenien vindicirten, denen sie irrthümlich einen Rüssel absprachen ?). Man kann sich somit den Kopf als vorn in einem kleinen Zipfel fortgesetzt denken, der, von äusserster Dehnbarkeit am kräftigsten mit dem Rostellum an dessen Spitze zusammenhängt, und so von demselben bald ein-, bald ausgestülpt wird. Eine eigenthümliche Bildung zeigt der Hakenkranz. Die etwas nach innen gerichteten vorderen Wurzelfortsätze der Haken stossen in der Mitte rosettenförmig zusammen, sich zu einer gemeinschaftlichen Spitze vereinigend, die das Endstück des Rostellum krönt und von jener oben erwähnten Parenchymkappe überwölbt wird. Die Haken maassen 0,06 Mm. Die (Taf. X. Fig. 2.) kräftige, an der Basis breite Kralle ist fast gleich lang. Die Wurzelfortsätze sind kurz, der vordere, zugleich längere, wie schon erwähnt, nach innen gerichtet. Die Ent- fernung ihrer äussersten Spitzen beträgt 0,024. Die zwischen beiden liegende Basis des Hakens ist leicht geschwungen. Ihre CGoncavität, durch den vorderen Wurzelfortsatz vergrössert, schmiegt sich der Gon- vexität des Rostellumendes an, wodurch das Zusammentreffen der vor- deren Fortsätze begreiflich wird. Die Dicke der Haken (an der Basis) maass ich, bei zufällig günstiger Lage eines derselben, 0,0049 Mm. Sehr schön liessen sich am Kopfe die Gefässe beobachten. Man sieht sie in der Vierzahl aus dem Halse in den Kopf treten, bis zur 4) Ich verweise hier auf PAsEnstecHer’s Abbildung des Rüssels der T. micro- soma. Diese Zeitschr. IX. Band. Tab. XXI. u 2) An Exemplaren, denen die Haken ausgefallen sind ist das Rostellum leicht | zu übersehen. Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 167 halben Höhe der Saugnäpfe verlaufen und da durch Anastomosen einen Gefässring um die Rüsselscheide bilden. Nach hinten konnte ich sie nie weit verfolgen: die Klarheit meiner Bilder hatte ich der Intensität zu verdanken, mit der sich die Gefässe mit karminsaurem Ammoniak färben lassen. Leider sind sie nur im frischen Zustande zu beobachten, nach wenigen Tagen war auch in den besterhaltenen Präparaten keine Spur von ihnen zu sehen. Was die Glieder anbetrifftt, so haben diese das Vorwalten der Breitendimension mit den meisten übrigen Taenioiden gemein. Die grösste Länge (0,21 Mm.) erreicht das quadratische Schlussglied, wäh- ‚rend die vordersten 5mal so breit als lang, nur als grobe Querstreifung erscheinen. Die mittleren und hinteren, geschlechtlich entwickelten Glieder sind 3mal so breit als lang und zeigen die charakteristische Trichterform. Die Zunahme der Breite nach hinten wird durch die starke Entwickelung der Hinterränder hervorgebracht, die gewulstet und verdickt sind. Eine weitere Folge davon ist das nicht unbedeu- tende Vorspringen der Hinterecken, das besonders auffallend für die dem Porus genitalis entgegengesetzte ist. Doch nicht nur die Breite, auch die Dicke der Glieder nimmt von vorn nach hinten zu: sie er- reicht 0,25 Mm., wie ich sie an Querschnitten gemessen habe. Von Gefässen habe ich in den vordersten Gliedern nur Spuren getroffen. Mit der Entwickelung der Trichterform der hinteren Glieder verschwinden auch diese Spuren. Kalkkörperchen habe ich im Kopfe nicht gesehen, im Halse ver- einzelt. Ihre Einlagerung in das Gewebe der Rindenschicht beginnt in den ersten Gliedern und nimmt von vorn nach hinten zu. Eigen- thümlich ist ihre Vertheilung in den einzelnen Gliedern. Im vorderen Gliedabschnitte nur sparsam enthalten, sind sie in dem hinteren sehr dicht gelagert, dadurch eine Undurchsichtigkeit erzielend, die der Untersuchung der daselbst liegenden Organe äusserst hinderlich ist. Jene Eigenthümlichkeit dürfte übrigens leicht eine scheinbare und nur die Folge der grösseren Dicke der Rindenschicht im hinteren Körper- theil sein. Im Uebrigen bieten die Kalkkörperchen die schon bekannten Verhältnisse dar. Dte Messungen der grössten ergaben bei 0,0099 — 0,0132 Mm. Länge 0,0082—0,0099 Mm. Breite. Die Entwickelung der Geschlechtsorgane beginnt mit der Entfal- tung der Triehterform der Glieder. Die im vorderen Abschnitte liegen- den Organe, die stark entwickelten Samenblasen, sind selbst dem unbewaffneten Auge wahrnehmbar und erscheinen bei auffallendem Lichte als weisse, bei durchfallendem Lichte als dunkle Flecken. Die Aufeinanderfolge dieser Flecken in den einzelnen Gliedern erzeugt —. 168 Johannes Feuereisen, einen mittleren unterbrochenen oder gezackten Streifen oder eine Binde. Rn Die unilateralen Geschlechtsöffnungen sind überall deutliche, scharf auf dem Seitenrande liegende Querspalten, mit abstehenden, leicht gewulsteten Rändern. Da die dem Porus genitalis entgegen- gesetzte Hinterecke eines Gliedes stärker vorspringt als die derselben Seite, so lässt sich die Lage der Geschlechtsöffnungen schon mit blossem Auge leicht bestimmen: sie wird dem stärker gezackten Seitenrande der Kette gegenüber gesetzt sein. Der Geschlechtsapparat der Taenien entwickelt sich in seinen bei- den Theilen, dem männlichen und weiblichen, bekanntlich in der Reihenfolge, dass die männlichen Organe zuerst, die weiblichen später auftreten. Recht auffallend tritt dies Verhältniss bei dieser Taenie zu Tage. Hier existirt eine ziemlich lange Reihe von Gliedern, die fast ausschliesslich männlich sind: ausser der schon sehr früh erscheinenden Vagina, ist in denselben keine Spur weiblicher Geschlechtsorgane wahrzunehmen. | In jungen männlichen Gliedern (Taf. X. Fig. 10.) lässt sich Lage und Zusammenhang der männlichen Organe am vorzüglichsten über- sehen, obgleich letztere ihre volle Entwickelung erst in älteren Gliedern erreichen, in denen auch Theile des weiblichen Apparates deutlich hervortreten. In der Nähe des Vorderrandes und parallel demselben sieht man einen Canal quer durch das Glied ziehen, um am Seiten- rande, aber in einiger Entfernung von demselben, d. h. von der Ge- schlechtsöffnung (Porus genitalis) mit einer kleinen knopfförmigen An- schwellung aufzuhören (Fig. 10 d.), während das Medialende etwas jenseits der Mittellinie sich zu einer recht beträchtlichen Blase (Fig. 10 a.) erweitert. Innerhalb der Contouren jenes ziemlich weiten Canals nimmt man einen zweiten, sehr feinen und sehr scharf begrenzten Canal wahr, den man bis in die Blase hinein und ein Stück weit in derselben verfolgen kann. Ausser dieser sehr in die Augen fallenden, an Carmin- präparaten sehr dunkel tingirten Blase, sieht man hinter derselben, oft auch durch sie verdeckt, einen zweiten Schlauch von hellerer Fär- bung {Fig. i0 e.). Eine nähere Prüfung lehrt, dass das eine Ende des letzteren durch einen dünnen Canal mit der vorderen Blase im Zu- sammenhange steht, während von dem anderen Ende ein sehr feiner, nur schwer wahrzunehmender Canal entspringt, der bald nach hinten | umbiegt, um sich da zu verlieren. Diese Organe liegen im vorderen schmalen Abschnitte des Gliedes. Ihre Deutung ist, wenn man die Analogie mit anderen Taenien berück- | sichtigt, nicht eben schwer. Jene vordere in einen bis zum Porus | Beitrag zur Kenntniss der Taenien. Ä 169 genitalis reichenden Ganal sich fortsetzende Blase, kann offenbar nur der den Penis umschliessende Cirrusbeutel sein. Dass es das Vas deferens ist, das sein anderes Ende durchbohrt , und dass dieses Vas deferens vorher eine Anschwellung, eine Samenblase bildet, liegt auf der Hand. Ein genaueres Studium dieser Organe bestätigt vollkommen jene auf den ersten Blick sich erzeugenden Vorstellungen. In dem hinteren breiten Theile des Gliedes lassen sich nicht min- der deutlich drei rundliche oder ovale, jedoch unregelmässig begrenzte Körper (Fig. 10 c, c, c.) wahrnehmen. Der mittlere liegt etwas mehr nach hinten als die beiden seitlichen, ihre Stellung zu einander ent- spricht somit den Winkeln eines sehr flachen Dreiecks. An ihrer Ober- ‚Näche bemerkt man öfter, besonders nach Behandlung mit Essig- säure, einzelne unregelmässige Runzeln, die wohl auch der Ausdruck eines gelappten Baues sein könnte. Ihre. Textur schien mir eine zellige zu sein. Doch liess sie sich mit Bestimmtheit durch die Körperdecken hindurch nicht erkennen. Quer- oder Längsschnitte an der so kleinen Taenie zu machen erwies sich dagegen als eine Unmöglichkeit. Trotz- dem nehme ich nicht Anstand diese Gebilde für Hoden zu erklären. Es veranlasst mich zu dieser Deutung das so frühe Erscheinen der- selben, das mit der fast gleichzeitigen Anlage von Penis und Cirrus- beutel, die ersten Spuren einer Organisation bildet. In nächster Nähe dieser als Hoden gedeuteten Organe habe ich öfter kleine feine Canälchen bemerkt, unzweifelhaft die Ausführungs- gänge der Hoden. Es gelang mir auch das Vas deferens im Zusammen- hange mit den Hoden zu beobachten, und zwar an einem Gliede, das seine hintere Fläche zur Ansicht darbot, dessen Lage somit einen Quer- schnitt ersetzte. Es erwies sich das Vas deferens als ein äusserst feiner, daher schwer wahrnehmbarer Canal. Von den Hoden aus- gehend, ‘welcher dem die Geschlechtsöffnung tragenden Seitenrande zunächst liegt, zieht dieser Canal, das Vas deferens quer durch das Glied und erhält von jedem der beiden anderen Hoden einen Zweig- _ canal (vgl. Taf. X. Fig. 11.). Am entgegengesetzten Ende angelangt, biegt es nach vorn um. Durch die stark gewulsteten Hinterränder des Gliedes verdeckt, liess es sich weiterhin nicht verfolgen. Die einge- schlagene Richtung wies jedoch auf die hintere Samenblase hin, in deren Nähe ich auch wirklich Bruchstückchen eines feinen Canals auf- tauchen sah, ohne aber einen Zusammenhang mit der Blase wahr- nehmen zu können. Doch ist mir dieser Zusammenhang unzweifelhaft, da ich an anderer Präparaten das Vas deferens von jener ersten, von a ihm gebildeten Anschwellung an bis weit nach hinten, in die Nähe der -) Hoden verfolgen konnte. Es gelang mir dieses auch in jungen Gliedern, 170 Johannes Feuereisen, in denen ausser den Hoden hinten noch keine Organe entwickelt waren. vw Das ist das Wenige, was sich über die männlichen keimbereiten- den Organe und deren Ausführungsgänge sagen lässt. Erfolgreicher ist das Studium der übrigen Theile des ausführenden Apparates und der Begattungswerkzeuge. ra Wie schon oben bemerkt wurde, liegen diese Organe ganz im vordern, schmächtigen Abschnitte des Gliedes, der sich durch eine be- deutend geringere Dicke der Rindenschicht, wie durch Armuth an Kalkkörperchen auszeichnet, daher der Untersuchung weniger Schwie- rigkeiten bereitet als der hintere Theil. Es ist auch schon oben erwähnt worden, dass das bis dahin sehr feine schlängelnd verlaufende Vas deferens sich hinter dem Cirrusbeutel zu einem breiten länglichen ' Schlauche erweitert, der, anfangs kleiner als der Cirrusbeutel, in seiner vollen Entwickelung (in androgynen Gliedern) denselben mit- unter ziemlich beträchtlich an Grösse übertrifft (Fig. 11 e.). Uebrigens ist die Grösse hier ebensowenig constant, als die Gestalt der Blase. Es wechseln vielmehr beide je nach der grösseren oder geringeren Menge des Inhalts. Strotzend erfüllt gleicht die Blase einem länglichen Sacke mit bauchig aufgetriebenen Enden, zu dem sich der ein- und der aus- führende Canal wie dünne Zipfel verhalten (Fig. 41 e.), während im gewöhnlichen Zustande die grösste Breite dem medialen, das Vas deferens aufnehmenden Ende zukommt, das laterale Stück dagegen sich ganz allmählich zu einem Canale verdünnt, der schlingen- förmig umbiegt und, zu einer feinen Spitze ausgezogen, in den Cirrusbeutel einmündet. Eine musculöse Beschaffenheit der Wan- dungen lässt sich als wahrscheinlich voraussetzen , bei stärkerer Ver- grösserung wirklich wahrnehmen, durch Behandlung mit Essigsäure unzweifelhaft nachweisen. Sie erscheint als deutliche unregelmässige Längsstreifung. Es gehen diese Wandungen ganz continuirlich in die des Vas deferens, sowohl des ein- als austretenden, über. Die Blase ist also im eigentlichen Sinne des Wortes nur eine Erweiterung des- selben. Anders verhält sich die dicht am vorderen Rande des Gliedes liegende Blase, die ich vorhin als Cirrusbeutel bezeichnete (Fig. 10 u. Al a.). Sie ist länglich oval, die Längsaxe quer gelagert, somit dem | vorderen Gliedrande parallel. Ihre Gestalt nähert sich der Eiform. | Der grösste Breitendurchmesser durchschneidet somit nicht den Mittel- | punct der Blase, sondern liegt ihrem stumpfen Ende näher. Es befindet | sich letzteres in nur geringer Entfernung vom Seitenrande des Gliedes, | demjenigen welcher der Geschlechtsöffnung entgegengesetzt ist. Der | vordere Rand zeigt eine stärkere Convexität als der hintere, so dass die Ps u a m ee EEE we En 0 RE nn ENDEN EEE Eu EEE EEE En TE Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 171 Blase nach vorn etwas ausgebaucht erscheint. Das spitzere Ende geht continuirlich in einen bis zur Geschlechtsöffnung reichenden Canal über. Es ist schon erwähnt worden, dass dieses canalförmige Stück des Cirrusbeutels innerhalb seiner Wandungen den Penis birgt; wäh- rend das mediale Endstück des letzteren in dem blasenförmigen Haupt- theile des Beutels enthalten ist. Es umschliesst dieser weite Theil des Cirrusbeutels aber ausserdem noch ein anderes Gebilde, eine zweite innere (Fig. k.) Blase. Die beträchtliche Dieke, so wie musculöse Be- schaffenheit der Wandungen verleihen letzterer eine gelbliche Färbung und lassen sie an Garminpräparaten viel dunkler tingirt erscheinen, "als die schon oben beschriebene Samenblase. Auch ihre Musculatur zeigt sich beträchtlicher entwickelt. Ich konnte nur die äusseren Längs- fasern sehen, die nach Behandlung mit Essigsäure besonders deutlich werden, schreibe ihr aber aus anderen Gründen auch eine Schicht, wahrscheinlich eine innere, Ringfasern zu. Da sie den Wandungen des sie umgebenden Beutels dicht anliegt, so hat sie Form und Lage- verhältnisse mit demselben gemein. Auch die Dimensionen sind fast dieselben, bei einer Länge des Cirrusbeutels von 0,39 Mm. ist die der Samenblase 0,25, die Breite des ersteren 0,08, die Breite des letzteren 0,07 Mm. Es ist die Selbständigkeit der innern Blase überhaupt durchaus nicht in die Augen fallend. Nur an den beiden Enden, wo ihre Wandungen von denen des Cirrusbeutels meist etwas abstehen, überzeugt man sich von derselben. Das spitze Ende verjüngt sich nämlich nicht gleichzeitig mit dem Cirrusbeutel, sondern etwas früher, und während dieser sich zum Canal verlängert, zieht sich jenes in einen Zipiel aus, der sich in jenen Canal hineinschlägt (Fig. 4 b.). Es liegt an dieser Stelle die Samenblase der vorderen Wand des Beutels mehr an, als der hinteren, wodurch zwischen ihr und der hinteren Wana des Beutels ein Raum entsteht, der zum Theil von dem herein- tretenden Penis (Fig. 4 c.) ausgefüllt wird. Das dickere Ende der Samenblase ist die Eintrittsstelle des Vas deferens. Es erscheint mehr ', abgestumpft als dasselbe Ende der äusseren Blase, wodurch es von derselben etwas zurücktritt. In solchem Falle kann man deutlich das Vas deferens den Cirrusbeutel durchbohren und in die innere Blase eintreten sehen. Es fungirt diese letztere somit als eine zweite, und zwar viel kräftiger und selbständiger entwickelte Samenblase. Wäh- rend die erste Anschwellung des Vas deferens die untergeordnete Be- deutung eines Reservoirs hat, zur Aufnahme grösserer Mengen von Samenmasse bestimmt, womit auch das bedeutende Dilatationsvermögen und der häufige Wechsel in Grösse und Gestalt übereinstimmen, dient die vordere Samenblase wichtigeren physiologischen Zwecken in selbst- 172 Johannes Feuereisen, thätigerer Weise — der Samenejaculation. Es entspricht diesem Zwecke die stärkere Musculatur und beträchtlichere Dicke der Wandungen, Eigenschaften, die zugleich ihre grössere Gonstanz in der Form wahren. Der gefällte Zustand bedingt hier höchstens eine Zunahme der Breiten- dimension mit grösserer Abrundung (der Gestalt, während eine Ah- nahme des Inhalts sich durch eine schmächtigere, länglichere Form und leichte Concavität des hinteren Randes verräth. — Dass auch die hintere (erste) Samenblase mitunter eine gewisse Activität entwickelt, nämlich die Fortbewegung des Samens, dürfte selbstverständlich sein. Noch sind einige Worte über den canalförmigen Abschnitt des Cirrusbeutels und sein Verhältniss zum Penis zu sagen. Es ist ersterer ein Canal von 0,016 Mm. Breite und wenigstens 0,39 Mm. Länge. Es besitzt derselbe einen Guticularüberzug, der an dem lateralen Ab- schnitte ein Stachelkleid trägt (Fig. 5 u. 6.) und sich auch auf den. blasenförmigen Theil des Beutels zu erstrecken scheint. Nach Behand- lung mit Essigsäure treten in den tieferen Schichten seiner Wandungen musculöse Elemente hervor, deren Anordnung ich aber nicht übersehen konnte. Eine deutlich begrenzte innere Höhlung lässt sich nicht wahr- nehmen. Vielmehr scheint die durch die Cuticula gebildete Röhre von einem ziemlich lose verbundenen Parenchym ausgekleidet oder auch ausgefüllt zu werden, das durch den, in dasselbe gelagerten Penis bald hier, bald da auseinander gedrängt wird, so dass man letzteren bald in der Achse verlaufen, bald dicht unter der Cuticularbekleidung liegen sieht. Es zeigt der Penis eine gewisse Selbständigkeit dem ihn um- schliessenden Canale gegenüber. Er folgt nicht genau all dessen Win- dungen und Krümmungen, sondern schlägt den, innerhalb seiner Wandungen, möglichst kürzesten Weg ein. Wenn daher der äussere Canal in wellenförmigen oder schlängelnden Windungen dahinzieht, bildet der Penis, den Innenraum von einer Wandung zur andern durch- setzend, nur eine mässig geschwungene Linie. Nur den grösseren Krümmungen und Schlingungen,, die mitunter der Ganal macht, muss er sich anschliessen. Es spricht dieses Verhalten für eine bedeutend starrere Beschaffenheit seiner Wandungen, die in der anatomischen Eigenthümlichkeit derselben ihre Erklärung findet. Es erscheint nämlich der Penis als ein dünner, sehr scharf markirter Ganal von 0,0033 Mm. Breite, dessen Wandungen, trotz ihrer Feinheit an gehörig durchsich- tigen Stellen sich als doppelt contourirte Linien wahrnehmen lassen, deutlich einen inneren Canalraum begrenzend. Sie besitzen also mit- hin eine gewisse Dicke die im Verhältniss zur Dünne des Canals nicht unbeträchtlich erscheint. Die so scharfe Contourirung sowohl, als das Stachelkleid, . das er an seinem äusseren Abschnitte trägt, lassen in * Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 173 dem Penis ein Guticulargebilde erkennen; das äusserste Ende des Vas deferens wäre gewissermaassen als in ein, letzterem als Ueberzug dienendes Cuticularröhrchen gesteckt, zu betrachten. Bemerkenswerth ist das Verhalten des Anfang- und des End- stückes des Penis. Ersteres liegt, wie schon erwähnt wurde, in dem die Samenblase umfassenden Theile des Cirrusbeutels, zwischen den Wandungen beider. Es reicht meist über die Mitte der Samenblase hinaus (Fig. 4 d.), oft bis dieht an dessen stumpfes Ende, um, allem Anscheine nach, plötzlich wie abgeschnitten zu enden. Das Ver- halten des Penis zur Samenblase war mir daher lange räthselhaft, bis es mir endlich gelang jenes scheinbare Ende des Penis sich in ein dünnwandiges Röhrchen fortsetzen zu sehen, das, rasch sich zu einem äusserst feinen, nur einfach contourirten Canälchen verschmächtigend, sehr bald umbiegt und die Richtung nach dem spitzen Ende der Samen- blase hin einschlägt!). Dies Ende ist als in einen Zipfel ausgezogen seschildert worden, der mehr oder weniger in den canalförmigen Theil des Cirrusbeutels hineinragt. Diesen Zipfel glaube ich nun (prägnant waren die Bilder nicht) schlingenförmig umbiegen gesehen zu haben, um, alsbald zu den Dimensionen eines ebenfalls nur einfach contourirten Canälchens herabgesetzt, wie es schien, zur Samenblase zurück zu laufen. Es liegt nahe die beiden einander so ähnlichen Canälchen, deren verlängerte Richtungen sich begegnen müssen, sich als in con- tinuirlichem Zusammenhange stehend zu denken, d. h. als Theile, An- fang und Ende, eines und desselben Ganals, eines Verbindungsstücks zwischen Penis und Samenblase. Wahrnehmen liess sich solcher Zu- sammenhang nirgends und auch die beiden Canälchen konnten nur eine kurze Strecke weit verfolgt werden. Es würde derselbe aber die ‚anatomischen und physiologischen, sonst ganz unverständlichen, Be- ziehungen des. Penis zur Samenblase genügend erklären. Es würde ' demnach aus jenem zipfelförmigen Ende der Samenblase wiederum das Vas deferens, zu seinen früheren Dimensionen reducirt, hervor- | gehen, in den weiten Theil des Cirrusbeutels zurücklaufen, sich gleich- ı zeitig erweiternd, eine zweite Schlinge bilden und, einen derben ' Cuticularüberzug Bhlkend; sich zum Penis gestalten. Deu man sich \ den Penis weit Haar ekilt‘ so wird das Vas deferens in den canal- ‚ förmigen Theil des Cirrusbeutels nachgezogen, es wird sich strecken ‚ und mit Penis und Samenblase mehr oder weniger in eine continuir- liche Linie zu liegen kommen. Wird der Penis wieder zurückgezogen, | ! | | 4) Eine ähnliche Bildung habe ich bei der Taenia lanceolata beobachtet, nur I | dass sie hier, wo der Penis von einer ganz beträchtlichen Dicke zu einem ebenfalls nur einfach contourirten Canälchen herabsinkt, weit mehr in die Augen fallend ist. nn 174 Johannes Fenereisen, 2 so muss das Vas deferens sich natürlich in jene oben erwähnten Schlingen legen, vielleicht mehrfache sich dicht der Samenblase an- schmiegende Windungen!) bilden. Je mehr der Penis in den Cirrus- beutel zurückgezogen wird, um so mehr wird ihm das Vas deferens, resp. der Endzipfel der Samenblase in den erweiterten Theil des Beutels nachfolgen müssen, während im entgegengesetzten Falle jener Zipfel vielleicht eine grössere Strecke weit in den canalförmig ver- schmächtigten Abschnitt hinein ragen kann. Auf letzteren Fall wäre dann auch der Canal zu beziehen, den ich in jenem schmalen Theile des Cirrusbeutels mitunter neben dem Penis zu sehen glaubte, der, von beträchtlicherer Weite als letzterer, auch wesentlich anders beschaffene, vorherrschend musculöse Wandungen zu besitzen schien, und den ich für den canalförmig verlängerten Endzipfel der Samenblase zu halten geneigt bin, oder auch, wenn man will, für den erweiterten Anfangs- theil des aus demselben entspringenden Vas deferens. Eigenthümlich erscheint die Bildung der Endanschwellung des Penis (Fig. 5 u. 6.). Sie ist 0,05 Mm. lang?), von gelblicher, mitunter fast bräunlicher Färbung und zeigt ein starkes Lichtbrechungsvermögen. Ihre Gestalt ist kolben- oder vielmehr kegelförmig mit abgeschnitiener | Spitze, da sie sich nach aussen hin etwas verschmächtigt. Die Basis | des kleinen Kegels bildet ein sehr scharf markirter Ring von 0,023 — | 0,033 Min. Breite, durch welchen die Anschwellung von dem übrigen Canale abgesetzt wird. Eine genauere Untersuchung lehrt, dass sowohl " jener Ring, als das ganze kleine, kegelförmige Gebilde nicht dem Penis, sondern dem Cirrusbeutel angehört. Es ist dasselbe eine einfache Er- ” weiterung des Endstücks des den Penis umschliessenden Ganals, mit 7 etwas verdicktem Guticularüberzuge (daher das stärkere Liehtbrechungs- vermögen), der hier auch bald vereinzelte, bald sehr dicht stehende Häkchen und Stacheln trägt. Jener Ring : als eine stärkere, leistenförmige Verdickung der Cuticula, besetzt mit einem Kranz von Häkchen, von beträchtlicherer Grösse als die über die ganze An-| schwellung vertheilten. Form und Gestalt dieser Häkchen (Fig. 7.) lässt sich bei 300maliger Vergrösserung recht gut annähernd erkennen. Es sind kleine, wie es scheint, flache, jedoch scharf zugespitzte Plätt-' chen von Pyramidenform und etwa 0,0066 Mm. Länge, mit breiter‘ 4) Oefter fielen mir an der Samenblase dunkle, mitunter gewundene Streifen! auf, die unregelmässig kreuz und quer ziehend, sich durch Richtung und grössere| Breite von der Längsfaserung der Blase unterschieden, die aber doch zu undeutlie | und zusammonhanglos waren, als dass ich sie ohne Weiteres für jene Windunge | des Samenganges hätte erklären können. 2) An einzelnen Individuen erreicht die Länge übrigens 0,09 Mm. Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 175 Basis und leicht gebogener Spitze. Die Basis, 0,0049 Mm. breit, zeigt in der Mitte einen kleinen Ausschnitt, so dass ihre beiden Ecken in zwei kleine Würzelchen ausgezogen erscheinen, die zur Befestigung der Häkchen dienen. Die Stellung der letzteren ist natürlich der Art, dass sie mit ihren Spitzen nach innen sehen. Der Penis tritt durch diesen Hakenkranz hindurch, um gleichzeitig mit dem ihn umschliessenden Canale zu enden. Kurz vorher jedoch erweitert er sich, und zwar nicht unbeträchtlich, um mehr als das Doppelte seiner früheren Breite. Diese Erweiterung zeichnet sich durch etwas verdickte Wandungen und einen ziemlich dichten Stachelbesatz aus, der auf dem inneren schmalen Abschnitte des Penis sich nur ein sehr kurzes Stück weit verfolgen lässt. Die äussersten Endränder des Penis erscheinen wie- derum etwas trichterförmig ausgeweitet. Da die terminalen Ränder des umgebenden Canals andererseits etwas einander genähert sind, so scheinen, von der Seite gesehen, die Wandungen des letzteren in die des Penis continuirlich überzugehen. Die Ansicht von oben überzeugt bald von dem Irrthümlichen solcher Auffassung. Sie bietet, wie es etwa auch ein Querschnitt durch das Organ thun würde, dasselbe als eine durch den Hakenkranz begrenzte, rundliche Scheibe dar, mit deutlichem kleinen Ringe im Centrum, als Ausdruck der Penismündung (Fig. 5.). Der Abstand der Peniswandungen von den Endrändern des Cirrusbeutels ist hier augenscheinlich. Uebrigens spricht gegen solchen continuirlichen Zusammenhang der beiderseitigen Endränder der Um- stand,. dass der Penis ein eigenes Stachelkleid besitzt, welches das Vermögen einer selbständigen Hervorstülpung des Penis aus dem Cirrus- beutel mehr als wahrscheinlich macht. Dass das verhältnissmässig so ‘ formidabel bewaffnete Endstück des Cirrusbeutels auch Zwecken der Begattung dient, liegt auf der Hand: seine Bestimmung zur Befestigung "innerhalb des weiblichen Leitungsapparats, so wie als Schutz- und .\. kräftiges Stützorgan für den dünnen Penis, ist nicht schwer zu er- kennen. Was die Lage jener Endanschwellung des Cirrusbeutels betrifft, so ist schon erwähnt worden, dass dieselbe nicht dicht am Porus geni- talis, sondern in einer gewissen Entfernung von letzterem sich be- findet, daher man weder jenen, noch den Penis aus der Geschlechts- öffnung heraushängen sieht. Es scheint hier somit die Einschaltung zwischen Geschlechtsöffnung und Penis eines neuen bis zum Porus ; führenden Canals unerlässlich, wenn man nicht eine ganz ungewöhnlich | lange und grosse Geschlechtscloake voraussetzen will. Wirklich sieht man auch die kegelförmige Anschwellung in die Spitze eines trichter- | förmigen Schlauches (Fig. 10, 11,12.) hineinragen, dessen erweitertes 176 Johannes Feuereisen, äusseres Ende in den Porus genitalis ausmündet. Es macht jedoch dieser Schlauch durchaus nicht den Eindruck eines selbständigen Canals — weder lassen sich präcis abgegrenzte Wandungen,, noch ein deut- licher innerer Hohlraum wahrnehmen — vielmehr scheint es nur eine conisch geformte Verdichtung des Körperparenchyms zu sein, in der man eine innere von der Cirrusbeutelanschwellung zum Porus leitende Höhlung nothwendiger Weise voraussetzen muss und durch eine cen- trale Lichtung angedeutet findet. Eine jedoch jedenfalls nur dünne Cuticularauskleidung jener Höhlung erscheint nicht nur möglich, son- dern selbst wahrscheinlich, wenn man berücksichtigt, dass die Cuticula bei allen Taenien sich stets mehr oder weniger weit in die Geschlechts- organe einstülpt. Dicht neben dem eben beschriebenen Gebilde liegt ein zweiter demselben ganz ähnlicher Schlauch, der ebenfalls trichterförmig er- weitert in den Porus genitalis einmündet (Fig. 10—-13 g.), kurz vorher aber mit dem benachbarten Schlauch verschmilzt. Sein inneres Ende reicht weiter nach innen und erscheint mehr zugespitzt. In die Spitze dieses Trichters findet man den Anfangstheil eines durch scharf markirte Wandungen deutlich begrenzten Ganals eingelagert, der hier 0,049 Mm. weit ist. Es reicht dieser Canal über die Mittellinie des Gliedes hinaus, um da schlingenförmig umzubiegen, bis zur Mitte etwa zurückzulaufen und sich nach hinten zu wenden (Fig. 10 g.). Sich bis zur Schlingen- bildung allmählich auf 0,005 Mm. verschmächtigend, wird er weiter- hin zu einem dünnen, einfach contourirten, schlängelnd verlaufenden CGanälchen. Offenbar hat man es hier mit der Vagina zu thun. Es be- sitzt dieselbe somit eine Cuticularauskleidung. Sie ist quer gelagert wie der Peniscanal, daher demselben parallel verlaufend. Häufig kann man die beiden Ganäle neben einander ziehen sehen, die Vagina meist vor dem Penis. Ebenso häufig wird jedoch erstere durch letzteren und den ihn umschliessenden Canal verdeckt; namentlich ist die von dem Medialstück gebildete Schlinge meist von den beiden Samenblasen überlagert. Seltener kann man die schlauchartig erweiterten Endstücke der beiden keimleitenden Apparate getrennt wahrnehmen, und auch nur an gehörig breit gedrückten Präparaten. Während sie meist SO übereinander gelagert sind, dass sie nur einen einzigen Schlauch zu bilden scheinen, sieht man sie in diesem Falle erst in geringem Ab- stande (0,05Mm.) vom Porus mit einander verschmelzen. Es ist kaum | daran zu zweifeln, dass dadurch eine Bildung erreicht wird, die | Leuckarr!) als Geschlechtseloake bezeichnet. Er beschreibt sie bei den RE 4) Die menschlichen Parasiten. Bd. 1..p. 263. Beitrag zur Kenntniss der Taenien. #77 Blasenbandwürmern als »veine beutelförmige Höhle, in die der Porus genitalis zunächst führt«, während andererseits Vas deferens und Vagina in dieselbe einmünden. Bei der Taenia setigera sind es zunächst jene beiden Schläuche, die in die Geschlechtscloake einmünden. Da sie vollkommen continuirlich in diese übergehen, so möchte ich sie am liebsten als Ausläufer derselben betrachten, dadurch entstanden, dass der mediale Abschnitt der Geschlechtscloakenhöhlung durch eine Scheidewand in zwei Abtheilungen geschieden wird. Die Grösse der Genitaleloake in toto würde nach solcher Auffassung eine sehr bedeu- tende sein: ihre Länge (die Entfernung des Penis und der Vagina vom Porus) beträgt 0,2—0,3 Mm., ihre Breite an der Einmündung der keim- leitenden Ganäle 0,03, in der Nähe des Porus 0,09 Mm. — Die ge- meinschaftliche Ausmündungsöffnung (Fig. 10—13 b.) der Ge- schlechtsorgane — der Porus genitalis ist ein querovales Loch, dicht am Seitenrande gelegen. Ihre gewulsteten Ränder zeigen eine leichte radiäre Streifung, die ebenso gut der Ausdruck einer radiär angeord- neten, jedenfalls aber nur schwach entwickelten Musculatur sein kann, als auch einer einfachen Runzelung der Guticula. Ersteres halte ich für wahrscheinlicher und meine, dass die Streifung auf Rechnung von um den Porus herum entwickelten Ringfasern zu setzen wäre. Solche Ringfasern beschreibt Leuckarr bei T. solium!) und T. echinococcus?) und hebt die Wichtigkeit derselben für den Begattungsact hervor. Die oben geschilderten Organisationsverhältnisse lassen sich alle in der Gliederreihe wahrnehmen, die ich als die männliche bezeichne, (dass sie es nicht ausschliesslich ist, wird durch das gleichzeitige Vor- handensein der Vagina dargethan). In der nun folgenden Gliederreihe ist von den Hoden keine Spur mehr zu sehen. Diese sind vollständig - überlagert und verdeckt, und zuletzt wohl auch verdrängt, durch | Theile des weiblichen keimbereitenden Apparates. Ich muss übrigens ‚ bekennen, dass es mir nicht gelungen ist, hier zu einem einigermaassen | editonden Resultate zu kommen. Die Undurchsichtigkeit des | \ Untersuchungsobjectes , beträchtlich gesteigert durch die starke Ver- | dickung der Rindenschicht, sowie der Mangel an reifen Proglottiden, E| liessen zu keiner klaren see der Verhältnisse kommen. In den meisten Fällen sieht man im hinteren Abschnitte des Gliedes nichts weiter, als eine quergelagerte dunkle Masse (Fig. 12 u. 13 i.), zu- | sammengesetzt aus ziemlich stark lichtbrechenden, bald rundlichen, ‚bald eckigen Körperchen, von denen die grösseren 0,0049—0,0066 Mm. maassen, während die kleineren kaum messbare dünne Körner dar- 4) a.a. 0. p. 263. 2) a.a. O. p. 339. Zeitschr, f. wissensch. Zoologie. XVIII. Bd. 12 178 Johannes Feuereisen, stellen. Der ziemlich deutliche, jene Masse begrenzende Contour, ist durch wenig tiefe Einschnürungen, im grössere rundliche Lappen ge- schnitten. Die sehr beträchtliche Entwickelung dieser Gebilde, die mitunter den ganzen Hinterraum ausfüllen, liess mich hierbei anfangs an den Uterus denken, der mit unreifen Eiern angefüllt sein mochte, oder auch mit einer ähnlichen Masse, wie sie Herr Professor Srıepa als Uterininhalt bei der T. omphalodes wahrgenommen hat). Berücksichtigt man jedoch, abgesehen von der dotterähnlichen Be- schaffenheit des Inhalts, die Reihenfolge in der Entwickelung und die analogen Verhältnisse bei der T. fasciata, so muss man in jenem ge- lappten Organe mit mehr Recht ein den Dotterstöcken entsprechendes Gebilde vermuthen. Ein Organ, das für den Keimstock in Anspruch genommen werden könnte, liess sich hier allerdings nirgends entdecken. An einzelnen Präparaten konnte ich jedoch wohl an der oben be- schriebenen dunklen Masse gewisse Theile unterscheiden: einen, in der Medianlinie dicht am Hinterrande des Gliedes gelegenen, ovalen Körper (Fig. 13 k.) von feinkörnigerer Beschaffenheit, als die beiden seitlichen, am Aussenrande gelappten Massen, die nach aussen sich ausbreitend, nach innen und vorn verschmächtigend, in der Mitte durch eine schmale Brücke verbunden sind (Fig. 13:.). Dieser mittlere Verbindungstheil verdeckt mehr oder weniger den Vorderrand des ovalen Körpers; die Seitenränder des letzteren werden auch häufig von den angrenzenden Massen überlagert, während der Hinterrand stets deutlich begrenzt erscheint. Es ist wahrscheinlich, dass es sich hier um einen unpaaren medianen Keimstock und zwei seitliche Dotterstöcke handelt. Die Lagerung dieser Organe erinnert auch an die Darstellung und Zeichnung, die Herr Professor Srırpa?) von den gleichnamigen | Bildungen bei der T. omphalodes giebt. Die Möglichkeit, den Keimstock wahrzunehmen, scheint (abgesehen von der grösseren oder geringeren Durchsichtigkeit des Präparats, Intensität der Färbung ete.) von dem | Grade der Entwickelung der Dotterstöcke abzuhängen : offenbar wird die volle Entfaltung der letzteren den Keimstock derart überlagern, | dass nur etwa sein Hinterrand sichtbar bleibt, der leicht für einen | Dotterstockslappen gehalten werden kann. ‘= Während so in dem hinteren Abschnitte der Glieder die Verhält- nisse als völlig neugestaltet erscheinen, sind sie im vordern sich fast | gleich geblieben. Die einzige hier stattgehabte Veränderung besteht im | dem Auftreten einer in der Mittellinie des Gliedes längs solange j 4) Beitrag zur Kenniniss der Taenien. Archiv für Naturgesch. XX VII. Jah N Bd. I. p. 204. a 2). 2.029202, TVOLHFig. 4 u. 2: Beitrag zur Kenntniss der Taenien, 179 Blase (Fig. 11—13 m.). In ihrem Habitus erinnert sie an die hintere Samenblase, nur dass ihre Musculatur eine schwächere Entwickelung zeigt. Form- und Lageverhältnisse, so wie Grössendimensionen sind ebenso und noch mehr wechselnd als bei jenef. Annähernd lässt sich ihre Gestalt als die eines länglichen Schlauches (mit späterer starker Ausbauchung in der Mitte) bezeichnen. Ihre Lage ist selten eine so weit nach vorn gedrängte, wie die der männlichen Samenblase (in welchem Falle sie auch quer gelagert, knieförmig geknickt etc. sein kann). Meist liegt sie hinter Penis und Vagina so weit nach hinten, dass ihr hinteres Ende zwischen den Lappen des Dotterstockes ver- | schwindet. Ein, übrigens nur schwer mit aller Schärfe wahrnehmbarer | Zusammenhang mit der Vagina lässt in diesem Organe eine zur Samen- aufnahme bestimmte Erweiterung der Vagina, ein Receptaculum seminis, erkennen. Ob das sich verschmächtigende hintere Ende der Blase wiederum in einen dünnen Canal übergeht, lässt sich nicht mit Gewissheit entscheiden, da es.meist von den Dotterstöcken überlagert ist. Wahrnehmen konnte ich einen solchen selbst dann nicht, wenn das Receptaculum weit nach vorn gelagert war. Die Möglichkeit eines so weiten Abstandes von den keimbereitenden weiblichen Organen lässt jedoch auf einen Zusammenhang vermittelst eines längeren Ganales schliessen , der durch seine Feinheit sich der Wahrnehmung entzieht. Diese Organisationsverhältnisse gehören einer Reihe von Gliedern an, die Dusarnın als androgyne bezeichnet. Ebensogut oder mit mehr Recht könnte man sie weibliche nennen, da von männlichen Or- ganen nur Theile des ausführenden Apparates vorhanden sind, die eigentlichen Criterien männlicher Organisation, die Hoden, dagegen fehlen !). Dusarvın versteht unter weiblichen Gliedern, die die Kette ‚ beschliessende, mit Eiern trächtige Reihe. Eigentlich ist dieselbe eine ‚ 'geschlechtslose, da sie ebensosehr der männlichen, wie der weiblichen ‚ keimbereitenden Organe entbehrt. Der Uterus ist nur Eierbehälter, ' der nach dem Schwunde eigentlicher weiblicher Organisation fort- - besteht, ebenso wie die Samenblase während der höchsten Entwicke- ‚ kung der weiblichen keimbereitenden Organe und nach dem Unter- , gange der Hoden noch als Reservoirs für das Sperma fungirt. Auch in dieser Reihe haben die Organisationsveränderungen hauptsächlich \ A) Dusarnın, der das Receptaculum häufig als Hoden bezeichnet, mag übrigens ‚ diese Reihe noch für eine männliche gehalten haben, und die folgende, eier- führende, je nachdem das Receptaculum noch vorhanden, oder schon dem Unter- gange anheim gefallen war, für eine androgyne oder weibliche Reihe. T. sinuosa IP 573. T. pistillum, scalaris, tiara, murina, p. 562—565. T. 40. D. 46.u.C.7. "und T. 42. A.5. 12 * 3 i| 180 Johannes Feuereisen, im hinteren Abschnitte der Glieder statt gefunden, während im vor- deren: Receptaculum und Samenblase nach wie vor existiren, und nur stark nach vorn gedrängt erscheinen, jedoch wahrscheinlich, wie bei den meisten Taenioiden, zum Schluss eine Decrescenz erleiden. Mir sind diese Verhältnisse von der T. fasciata her bekannt. Bei der T setigera habe ich den Uterus nie in vollständigen Gliederketten be- obachten können, sondern nur in kürzeren abgerissenen Glieder- strecken. Das hier von mir im Hinterraum der Glieder wahrgenommene gelappte Organ halte ich übrigens nur seiner Grösse halber und auch deshalb für den Uterus, weil ich in ihm den bei den Dotterstöcken gesehenen Inhalt vermisste. Jedoch konnte ich ebensowenig etwas von Eiern oder Embryonen entdecken und kann daher nur die Vermuthung aussprechen, der Uterus sei ein querer, mit zahlreichen rundlichen Aussackungen versehener Hohlraum, der anfangs im hinteren Abschnitte des Gliedes gelegen, später das letztere wahrscheinlich ganz ausfüllt. Die Eier werden von v. SırsoLp '), als yon drei Hüllen umschlossen, ge- schildert, von einer innersten,, querovalen, und zwei äussern runden. Zur Entwickelungsgeschichte der Taenia setigera kann ich leider nur Bruchstücke liefern. Der Jugendzustand des Thieres ist gänzlich unbekannt; zum Verfolgen der Embryonalentwickelung fehlte es an Material, aus welchem Grunde ich selbst die Entwickelung der Glieder nicht vollständig kennen lernen konnte. Die Hauptphasen der Proglottidenentwickelung ergeben sich schon aus der oben gelieferten anatomischen Schilderung: vier Reihen von _ Gliedern mit wesentlich verschiedener Organisation mussten da unter- schieden werden. Darauf, dass bei den drei letzten Gruppen die Hauptveränderungen in der geschlechtlichen Organisation im hinteren Abschnitte der Glieder vor sich gehen, ist schon hingewiesen worden: es ist eine successive Aufeinanderfolge der weiblichen Keimorgane auf die männlichen, des trächtigen Uterus auf erstere, während der äussere Apparat sich A alle drei Reihen hindurch behauptet und erst zum Schlusse degenerirt. Natürlich existiren zwischen je zwei Reihen von | Gliedern Zwischengruppen, welche die Charaktere beider an sich tragen. Was die vorderste geschlechtslose Gliederreihe anbetrifft, so ist das Hauptmoment der Entwickelung hier in der Entfaltung der für diese | Taenie charakteristischen Gliederform zu suchen. Erst mit der Aus- | bildung der letzteren beginnt die Geschlechtsentwickelung. Die ersten 40—50 Glieder erscheinen selbst bei stärkerer Vers | | grösserung nur in Form einer Querstreifung. Die Wachsthumserschei- | Mi 1) a.a. O0. p. 204 u. 209. wer 7 Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 181 nungen beschränken sich hier auf die Ausdehnung in die Breite, wäh- rend die Länge der Glieder sich fast gleich bleibt, da sie innerhalb 50 Glieder bloss um 0,01 Mm. zunimmt. Folgende Zahlen geben hiervon Zeugniss: Erstes Glied: Länge 0,033 Mm. ; Breite 0,132 Mm. 46 - 0 a 20165, Einige der darauf folgenden Glioder| R n ® 0, Pregage: le 10199 50. Glied circa: -— 0,043 - - 0,34 -— |- 0,052 - - 0,37 - Einige der darauf folgenden on 0.06 ete. “ ii Aus den letzten Zahlen ist ersichtlich, dass vom 50. Gliede an die Längendimension rasch zunimmt. 70 Glieder hinter dem Kopf beträgt sie schon 0,17 Mm. und noch 10 Glieder weiter 0,25 Mm. bei einer Breite von 0,4—0,46Mm. Neben der Längenzunahme hat hier übrigens noch eine andere Veränderung stattgefunden — das Hervortreten der Hinter- ecken der Glieder. Es beginnt dasselbe zwischen dem 40. und 50. Gliede. Während hier die hinteren Ränder die vorderen um 0,05 Mm. etwa an Breite übertreflen, so dass eine Reihe von 10—15 Gliedern, ı bei der gleichzeitigen Kürze der Glieder, kammförmig gezackt erscheint, ‚ ist dieses Plus ungefähr 80 Glieder hinter dem Kopfe schon fast auf ' 0,1 Mm. gestiegen. Da gleichzeitig die Glieder hier ihre verhältniss- mässig grösste Länge, welche die Hälfte der Breite etwa beträgt, er- ‚ reichen, so ist die Trichterform derselben auch schon völlig ausgebildet. ‚ Hier, zwischen dem 70. und 80. Gliede, erblickt man auch die ersten - Anlagen der Geschlechtsorgane, als einen vorderen grösseren und drei -) hintere kleinere Zellenhaufen. Die ersten Spuren innerer Organisation ‚ lassen sich übrigens schon wenige Glieder hinter dem Kopfe nach- ‚weisen. Wenigstens glaube ich, dass die in den vordersten Gliedern mitunter wahrnehmbare ee if Längsbinde auf Rechnung einer Ver- | dichtung des Körpergewebes zu setzen ist; mit der Längenzunahme der Glieder theilt sich die anfangs einfache Zeiehanhadfine in vordere | und hintere Haufen ; da dadurch die dichte Aufeinanderfolge der Zellen- haufen, die jene rsshinde erzeugte, unterbrochen wird, so entzieht ‚sich letztere der Wahrnehmung, bis an ihrer Statt bei noch stärkerer | Verdichtung die einzelnen Haufen sichtbar werden. Schon vor dem 80. Gliede findet man somit jene Vertheilung der Entwickelungs- erscheinungen auf dem vorderen und hinteren Körperabschnitt. Verfolgt ‚man diese an den hinteren kleineren Zellenhaufen, so wird man ge- | vs dass dieselben, in dem Maasse, wie sie an ebitsittentz gewinnen, | 182 Johannes Feuereisen, sich auch gegen das umliegende Parenchym abgrenzen, so dass sie noch vor dem 400. Gliede zu drei rundlichen, deutlich contourirten Körperchen von 0,049 Mm. Durchmesser, den Hoden, geworden sind. Der vordere grössere Haufen, anfangs von ovaler Form und in der Medianlinie gelegen, wächst unterdessen zu einem schmalen, dunklen, am Vorderrande des Gliedes quer dahinziehenden Streifen aus. Das Wachsthum ist nach den beiden Seiten hin kein gleichmässiges: wäh- rend nach der einen Seite jener Streifen nur wenig über die Median- linie hinauswächst, dafür aber eine etwas grössere Breite conservirt, zieht er sich nach der anderen bedeutend in die Länge, so dass er nach nicht zu langer Zeit den Seitenrand des Gliedes erreicht, wo bald darauf eine kleine papilläre Erhebung, die Geschlechtsöffnung, sich zeigt. In der Nähe des 100. Gliedes kann man in jenem Streifen ein sehr feines Ganälchen von 0,0023 Mm. Durchmesser, den Penis, er- kennen. Penis, Hoden und Porus genitalis sind somit die zuerst sich differenzirenden Bildungen. Welchem von den beiden ersten Organen jedoch die Priorität der Entstehung zugeschrieben werden muss, lässt sich bei der T. setigera nicht entscheiden. Nach der Analogie mit der T. fasciata muss ich sie für die Hoden beanspruchen. Die Glieder, in denen die letzthin geschilderten Entwickelungs- vorgänge stattfinden, vom 75.— 100. zeichnen sich alle durch ihre verhältnissmässig geringe Breite aus, die kaum das Doppelte der Länge betrifft. Etwas gestreckt, gleicht die Gliederstrecke einem Rohrstengel | mit etwas kurzen Internodien, dessen Knoten die hervorstehenden | Hinterecken entsprechen. Nach dem 100. Gliede ist das Wachsthum | der Glieder ein kaum weniger schnelles, jedoch erhält die Breiten- zunahme das Uebergewicht: beim 120. Gliede beträgt die Breite (über 1 Mm.) das Dreifache der Länge (0,35 Mm.). — Ebenso rasch schreitet I nun auch die Entwickelung der Geschlechtsorgane fort. Den Penis kann man, nur wenige Glieder nach seinem ersten Erscheinen , schon | in seinem ganzen Verlaufe überblicken und sein Medianende eine nicht | unbeträchtliche Schlinge bilden sehen. Der Cirrusbeutel ist noch nicht deutlich begrenzt, wohl aber hat sich der vordere schmale Streifen in seiner äusseren Hälfte in zwei Stränge geschieden, von denen der I hintere den Penis umgiebt, der vordere ein Paar Glieder weiter zu | einem scharf ‘contourirten Canale, der Vagina wird. In einiger Ent- fernung vom Porus genitalis, da wo der Penis aufhört, fliessen die bei- den Stränge zu einem einzigen, nach aussen erweiterten (der späteren! Genitalcloake) zusammen. Bald erscheint auch der Stachelring‘ der' Cirrusbeutelendanschwellung in einer Breite von 0,013 Mm. Der Porus wird zu einer deutlichen Papille mit kraterförmiger Vertiefung. Um Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 183 das 105. Glied schon sind alle Theile des männlichen Apparates nebst Vagina vorhanden. Penis und Vagina sind überall deutlich geschieden und lassen sich sehr schön in ihrer ganzen Länge übersehen. Ersterer zeigt sich nun von einem Canale umgeben , sein äusserer Abschnitt ist bereits erweitert und mit Stacheln bekleidet. Die Vagina hat an ihrer Mündung eine Breite von 0,019 Mm., ist aber noch kurz und macht schon in der Mitte des Gliedes ihre schlingenförmige Biegung nach hinten. Beide sieht man in die Spitze eines trichterförmigen Schlauches (oder vielmehr zweier über einander liegender) münden. Jener Schlauch, die Genitalcloake, hat hier schon die schärfste Umgrenzung, die er überhaupt erhält und zeigt eine deutliche centrale Lichtung. Der Cirrusbeutel ist überall deutlich abgegrenzt, das Medianende, etwas erweitert, lässt die Samenblase erkennen. Letztere, noch nicht mit Sperma gefüllt, wird nur lose von den fast doppelt so weiten Wan- dungen des Beutels umhüllt. Ihre Breite beträgt hier nämlich 0,013 Mm., die des Cirrusbeutels 0,026, die des canalförmigen Stückes bereits 0,043 Mm. (steigt später nur auf 0,016 Mm.). Die hintere Samenblase erscheint etwas später als schmächtiger Schlauch von 0,01 3Mm. Breite. Häufig lässt sich sehr schön die Einmündung des Vas deferens in die- selbe beobachten und letzteres noch ein Stück weit nach hinten ver- folgen. Zwischen dem 105. und 110. Gliede gelangen einzelne Theile des männlichen Apparates schon zu voller Entwickelung, so die End- anschwellung des Cirrusbeutels, die hier schon ihre volle Breite (0,026 Mm. an der Basis) und fast die ganze Länge erreicht (0,042 Mm.). Die Hoden vertauschen ihre frühere rundliche Gestalt gegen eine mehr ovale; bei sich ziemlich gleich bleibender Breite (zwischen 0,039 und 0,049 Mm.) wächst die Länge innerhalb 5 Gliedern rasch von 0,05 auf 0,1 Mm. Mit ihrer Ausbildung beginnt auch die Samenproduction und ‚die Füllung der Samenblasen, die rasch an Umfang gewinnen. Die vordere Blase erreicht hier eine Länge von 0,23 und eine Breite von 0,03 Mm. In den folgenden 10 Gliedern schreiten die Organe ihrer völligen Ausbildung entgegen, die mit dem 120. Gliede erreicht wird. Ent- sprechend der vorwiegenden Breitenzunahme der Glieder, lagern sich und wachsen die Organe auch in dem Querdurchmesser derselben. -) Die Längenzunahme des canalförmigen Stückes des Cirrusbeutels findet rascher statt als das gleichzeitige Breitenwachsthum des Gliedes. Darum sieht man einerseits seine Endanschwellung dem Porus sich nähern, während andererseits Penistasche und Samenblase in eine nur geringe Entfernung vom (dem Porus) entgegengesetzten Seitenrande des Gliedes gelangen. Der Penis zeigt hierbei ein ganz eigenthümliches 184 Johannes Feuereisen, Verhalten. Er scheint nämlich von Anfang an in seiner ganzen Länge angelegt zu sein. Berücksichtigt man den Umstand, dass sein medianes Ende anfangs eine nicht unbeträchtliche Schlinge bildet, ferner dass diese Schlinge in dem Maasse verstreicht, wie der Penis sich verlängert, so wird es wahrscheinlich, dass diese Längenzunahme nur eine schein- bare oder jedenfalls nicht bedeutende und hauptsächlich der Streckung des Penis zuzuschreiben ist. Auch sein Breitendurchmesser wird nur wenig grösser (um 0,001 Mm.). Die Vagina wächst allmählich über die Medianlinie des Gliedes hinaus, um erst in der Region der beiden Samenblasen ihre Schlinge zu bilden. Die vordere Samenblase er- reicht bald hinter dem 110. Gliede die Länge von 0,25 Mm., eine Grösse, die innerhalb- gewisser Schwankungen, zwischen 0,23 und 0,28 Mm. (selten bis 0,32 Mm.) eine von nun an constante bleibt. Dagegen gaben die Breitenmessungen eine fortlaufende Reihe von Zahlen, indem die Breite 0,033—0,098 Mm. beträgt, und von der rasch zunehmenden Füllung der Samenblase Zeugniss ablegt. Die hintere Samenblase, länger als die vordere, hält in Bezug auf die Breiten- zunahme mit dieser gleichen Schritt. Hinter dem 120. Gliede, wo der Füllungszustand der vorderen Blase seine Höhe erreicht, erlaubt die grössere Gapacität der hinteren eine beträchtlichere Ausdehnung: man findet sie häufig zu einem unförmlichen Sacke erweitert, der fast an allen seinen Puncten einen Breitendurchmesser von 0,1 Mm. hat. Die Hoden zeigen dagegen nur geringe Grössenzunahme, ihre Länge ist von 0,1 Mm. auf 0,12—0,43 Mm., ihre Breite von 0,04 Mm. auf 0,05 und 0,06 Mm. angewachsen. Ihre Entwickelungsreife ist in einer früheren Periode zu suchen und datirt vom Beginne der Samenproduction. Mit dem 120. Gliede findet man somit die männlichen Organe auf. der Höhe ihrer Entwickelung. Wenn für die männliche Reife als ein- ziges Criterium die Reife der Hoden, resp. der Beginn der Samen- production, aufgestellt wird, so muss dieselbe etwa vom 110. Gliede an datirt werden; erachtet man dagegen erst die volle Entwickelung des gesammten männlichen Apparates, hauptsächlich aber den Zeit- punct der Begattung als maassgebend, so ist sie nicht vor dem 120. zu | suchen. Zur Beurtheilung der Zeit, in welche die Begattung fällt, sind | in dem Füllungszustande der Samenblasen, so wie dem Erscheinen des Receptaculum untrügliche Merkmale gegeben. Es ist leicht er- sichtlich, dass der Füllung des Receptaculum die Begattung voraus- gehen muss und letztere wohl erst dann stattfinden wird, wenn die | Samenblase ihr Maximum an Sperma aufgenommen hat. Aus Obigem | geht aber auch hervor, dass das erste Auftreten des Receptaculum in | die Zeit höchster männlicher Entwickelung fällt. Bei der T. setiger& | Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 185 kann man schon im 125. Gliede einen, anfangs undeutlich begrenzten Körper wahrnehmen, der nach wenigen Gliedern schon sich zu einer deutlichen grossen Blase von 0,08 Mm. Breite gestaltet. Die erste An- lage des Organs reicht wahrscheinlich noch früher hinauf, liess sich aber nie beobachten. Fast gleichzeitig (es lässt sich schwer entscheiden, ob etwas früher oder später) mit dem ersten Auftreten, resp. der Füllung des Recepta- , eulum, beginnt im hinteren Abschnitte der Glieder eine neue Reihe ' von Entwickelungserscheinungen. Zunächst sieht man vor den Hoden in der Medianlinie des Gliedes eine undeutliche dunkle Masse von fein- ‚ körniger Beschaffenheit. Erst grenzt sie sich in ihren beiden etwas: ‚ breiteren Seitentheilen nach aussen ab; es erhalten diese eine lappige ‚ Gontourirung; dann auch mehr nach vorn, aber weniger deutlich. In | dem Maasse nun, wie diese Gebilde sich seitlich und nach hinten aus- | breiten, schieben sich Theile derselben zwischen und über die Hoden, ‚ letztere allmählich überlagernd. Unterdessen grenzen sich die Seiten- theile immer @eutlicher zu zwei nach aussen weiteren, nach innen schmächtigeren, gelappten Organen ab, die in der Mitte durch eine ‚ schmälere Partie, gleichsam eine Brücke, verbunden sind. Die Körner ‚ werden hier beträchtlich grösser und ziemlich stark lichtbrechend. Der mittlere Theil zeichnet sich durch seine Feinkörnigkeit und hellere ' Färbung aus und sticht um so mehr von den seitlichen ab, je grob- | körniger sie werden. Bald unterscheidet man den hinteren und die beiden seitlichen Begrenzungsränder. Einen Schritt weiter sind Keim- stock und Dotterstöcke völlig ausgebildet. Die Differenzirung beider 4 erfolgt aber viel früher, als ihre Abgrenzung von einander, lange bevor - ‚letztere stattfindet, kann man eine mittlere, hintere, feinkörnigere und B j hellere Masse von seitlichen und vorderen, grobkörnigeren und dunk- leren unterscheiden. | ) Be Selten jedoch lassen sich diese Entwickelungsvorgänge, wie ge- { schildert, verfolgen. Ich habe sie nur in einer Gliederkette beobachtet. ‚Meist ist von den Anfängen der Entwickelung nichts zu sehen. Alles ‚was man wahrnehmen kann, ist nur, dass sich etwas ganz unbestimmt Dunkles vor die Hoden lagert. In dem einen oder anderen Gliede ist | les ein quergelagerter länglicher schmaler Körper mit gelapptem Be- . |grenzungsrand , den man nur undeutlich wahrnimmt, um ihn im ! nächsten Gliede nicht mehr zu erkennen. Dann stehn) man dunkle ‚Massen sich dichter an die Hoden und zwischen sie lagern, so dass ‚man bald nicht mehr unterscheiden kann, was neu gebildet worden, was den Hoden angehört. Zuletzt ist Aues eine dunkle körnige Masse . nn nennen 186 Johannes Feuereisen, geworden, an der, ausser den rundlichen Lappen und Aussackungen am Rande, sich weiter keine Theile unterscheiden lassen. Die Entstehung der weiblichen keimbereitenden Organe fällt somit in die Periode männlicher Reife und zwar sieht man sie bald nach dem Eintreten der letzteren erfolgen. Die Entwickelung des weiblichen Apparates hat natürlich die Verdrängting des männlichen zur Folge. :Jedoch ist das Verschwinden der Hoden, wie es sehr bald durch die Ueberlagerung erfolgt, nicht auch das Zeichen ihres Unterganges. Ihre Deerescenz wird nur allmählich stattfinden, entsprechend dem auf sie ausgeübten Drucke. Ihr weiteres Fortbestehen wird auch dadurch wahrscheinlich, dass der Füllungszustand der Samenblasen,, trotz des stattfindenden Verbrauches an Sperma, sich noch einige Zeit auf seiner Maximalhöhe erhält, was jedenfalls eine Fortdauer der Samenproduction voraussetzt. Demnach wird auch die männliche Reife eine längere Dauer haben, als es auf den ersten Blick vielleicht scheinen möchte. Sie erstreckt sich wahrscheinlich bis zum 135. Gliede (obgleich hier die neben einander gelagerten männlichen und weiblichen Organe nicht mehr unterschieden werden können), vielleicht auch weiter noch bis zum 140. etwa. Die vordere Samenblase!) zeigt zwischen dem 120. und 135. Gliede eine zwischen 0,07 und 0,09 Mm. wechselnde Breite, die nach dem 135. Gliede ziemlich constant auf 0,07 Mm. stehen bleibt, um hinter dem 145. auf 0,04 Mm. zu fallen. Wann die Zeit der weiblichen Reife eintritt, vermag ich nicht mit Sicherheit anzugeben. Sie wird natürlich von dem Zeitpunete an zu datiren sein, wo die weiblichen Keimorgane ihre Maximalentwickelung erreicht haben, und mit dem Anfange der Eierproduction auch Theile des Uterus sichtbar zu werden beginnen. Alles, was sich hinter dem 135. Gliede von Entwickelungsvorgängen wahrnehmen lässt, be- schränkt sich auf eine rapide Ausbreitung der Dottermassen nach den | beiden Seiten hin, nach hinten und besonders nach vorn , derart, dass ' der ganze hintere Abschnitt des Gliedes sich füllt, einzelne Lappen | zwischen die Theile des ausführenden Apparates geschoben, oder in | die Hinterecken des Gliedes gepresst werden, oder auch die Hinterwand (besonders an isolirten Gliedern) hervorstülpen. Zuletzt werden die im Vorderabschnitte des Gliedes liegenden Organe sichtlich bedrängt: " Samenblasen und Penis erscheinen dicht an den Vorderrand gepresst. Eigenthümlich ist die Resistenz, welche die von mir als Theile der | Geschlechtseloake bezeichneten Schläuche ausüben. Sie werden nur | wenig von der Entwickelung der Dotterstöcke beengt, leisten aber EB 4) Einen Maassstab für den Füllungsgrad der Samenblasen giebt bei a Länge deren Breite. } Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 187 ihrerseits derselben einen so beträchtlichen Widerstand, dass hinter ihnen die Dotterstöcke zu keiner vollen Entfaltung gelangen: nach dem den Porus genitalis tragenden Seitenrande hin, werden sie um so schmäler, je breiter die Genitaleloake nach aussen wird. Es spricht dieses Verhalten dafür, dass um letztere herum das Körperparenchym in nicht unbeträchtlicher Dicke verdichtet ist. Die so eben beschriebene Höhe der Entwickelung tritt etwa zwischen dem 145.—150. Gliede ein. Die ganz colossalen Dimensionen, die allem Anscheine nach die Dotterstöcke erreichen, sind übrigens befremdend und erinnern so vielmehr an das gewöhnliche Verhalten des Uterus, dass ich anfangs, ohne Berücksichtigung des Zeitpunctes der Entwickelung, es nur mit diesem zu thun zu haben meinte. Wenn nun auch gewöhnlich die Ungunst der Verhältnisse es zu keiner klaren Anschauung über die zuletzt erwähnten Entwickelungsvorgängekommen lässt, so dürfte doch die Schilderung einer, allerdings vereinzelt da- stehenden Beobachtung vielleicht zum besseren Verständniss jener bei- tragen. Es betrifft letztere die Entwickelung einer Gliederkette, in der allein ich Keim- und Dotterstöcke habe unterscheiden können!). Das Wachsthum der Dotterstöcke erreicht hier seine Grenzen, nachdem diese etwa zwei Drittel des Hinterraumes der Glieder ausgefüllt und Vorder- und Seitentheile des Keimstockes überlagert haben. In Glie- dern, die etwa dem 145. correspondiren mögen, sieht man, während die Dotterstöcke ihre frühere Contourirung beibehalten, in den Seiten- theilen des Hinterraumes dunkle Massen auftreten von ähnlichem Inhalt und ähnlicher gelappter Umwandung wie die Dotterstöcke. Die Aehn- lichkeit ist so gross, dass man meinen sollte, es hier nur mit einzelnen Lappen der mittlerweile stark vergrösserten Dotterstöcke zu thun zu haben, deren Zusammenhang mit dem übrigen Organ sich zufällig der Wahrnehmung entzieht. Es fragt sich aber, ob es sich hier nicht um Theile eines neu hinzugekommenen Organs, des Uterus, handelt. Man ‚hätte sich dann letzteren als einen im Hinterraume quer gelagerten ‘ Jänglichen Schlauch zu denken, mit zahlreichen rundlichen Aus- sackungen versehen und mit einer moleculären Masse erfüllt, ähnlich dem Inhalte der Dotterstöcke. In dem gegenwärtig vorliegenden Falle ‘wäre der mittlere Theil durch die weiblichen Keimorgane überlagert; der 4) Das Präparat war versuchsweise einer Behandlung mit Kali unterworfen worden. Durch dessen Einwirkung war das Körperparenchym gelockert und die Intensität der Färbung (mit Carmin) besonders in den oberflächlichen Schichten gemildert. Wenn auch zum Studium feinerer Structurverhältnisse das Präparat "wenig geeignet war, so erwiesen sich doch die gröberen Organisationsverhältnisse . um so übersichtlicher. 188 Johannes Feuereisen, nur die seitlichen Lappen erfüllende Inhalt würde nur diese sichtbar werden und darum von den Dotterorganen getrennt erscheinen lassen. Denkt man sich den ganzen Uterus mit jener moleculären Masse an- gefüllt, so dürften die Gontouren der Dotterstöcke sich leicht der Wahr- nehmung entziehen : Dotterstöcke und Uterus werden als eine zu- sammenhängende Masse erscheinen, wie man sie meist zu sehen bekommt. Es liegt auf der Hand, dass diese Frage erst entschieden werden kann, wenn es gelingt die Entwickelung des Uterus bis zum Schluss zu verfolgen. Ist meine Voraussetzung richtig, so wird die scheinbar so colossale Entwickelung der Dotterstöcke in ihre wahren Grenzen gewiesen, die Entstehung des Uterus und der Eintritt weib- licher Reife zwischen das 145. und 150. Glied fallen. Zur Stütze meiner Anschauung möchte ich noch die von Herrn Prof. Srıepa '!) beschriebene Uterusentwickelung der T. omphalodes Hermann an- führen. Es tritt hier der Uterus im Umkreise der in der Mitte liegen- den keimbereitenden Organe mit zahlreichen fingerförmigen Ausstül- pungen auf, die mit einer dem Inhalte der Dotterstöcke ähnlichen Masse erfüllt sind. Eine analoge Bildungsweise wird somit für die T. setigera sehr wahrscheinlich. Aehnlich lässt sich vielleicht die von PAGEn- STECHER 2) beschriebene Eniwickelung der T. microsoma ÜCRrEPLIN er- ‚klären, die nach seiner Schilderung nicht unbeträchtlich von dem sonst bei den Taenioiden üblichen Modus abweicht. Die Dotterstöcke werden nämlich als fehlend bezeichnet; ihre Functionen übernehmen zwei zu heiden Seiten des Keimstockes liegende mit einer körnig-moleculären Masse und unreifen Eiern (?) gefüllte rundliche Organe, die PAGEn- STECHER Später zum Uterus auswachsen sieht und darum für zwei seit- liche, eine dotterähnliche Masse producirende Uterinhörner hält. Ich brauche kaum hinzuzufügen, dass bei dichter Ineinanderlagerung der Organe es oft unmöglich wird, sie von einander zu unterscheiden. Fasst man nun alle die oben geschilderten Einzelheiten zu einem Ganzen zusammen, so geht hervor, dass die geschlechtliche Entwicke- lung eine im Verhältniss zu anderen Taenien rasche d. h. eine geringe Anzahl von Gliedern beanspruchende zu nennen ist; zwischen die erste Bildung männlicher Organe und den Eintritt männlicher Reife fällt ein Zwischenraum von 20—25 Gliedern und ein ebenso grosser ist für die Reifung des weiblichen Geschlechtsapparates erforderlich. Bald nach dem Eintritte der Reife, sowohl der männlichen, wie der weiblichen, beginnt eine neue Reihe von Entwickelungserscheinungen, nach der einen die Entstehung weiblicher Organe, nach der anderen die Bildung PEN BIEITIVT IT. 2% 2) Diese Zeitschr. Bd. IX. p. 523. Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 189 des Uterus. So sind es also drei Bildungsepochen, die unterschieden werden müssen, denen entsprechend drei verschiedene Gruppen von Organen, eine die andere verdrängend, in ein und demselben Raume zur Entwickelung gelangen. Noch bleiben einige Worte zu sagen über die Wachsthumsverhält- nisse der Glieder nach dem Eintritte der männlichen Reife. Die Längenzunahme hört schon vor derselben auf, das Breitenwachsthum dauert noch etwa bis zum 140. Gliede fort. Die Breite erreicht hier etwa 1,25 Mm. , bei den Schlussgliedern nimmt sie rasch ab, so dass das letzte nicht breiter als lang ist. Ziemlich weit abwärts im Darme der Gans habe ich häufig mitten in den Excrementen grössere oder kürzere Gliederstrecken getroffen, deren Glieder gewöhnlich schon ziemlich weit in der geschlechtlichen Organisation fortgeschritten waren. Die hinteren derselben waren stets mehr oder minder in der Ablösung begriffen, die letzten hingen nur durch zwei schmale seitliche Stränge mit der Kette zusammen oder zeigten sich schon losgelöst. Eigenthümlich waren die Formen, die jene Glieder angenommen hatten. Die Hinterecken waren ungewöhnlich stark vorspringend und nach vorn gezogen, zuweilen so weit, dass die dem Porus entgegengesetzte Hinterecke in eine Linie mit dem Vorder- rand zu liegen kam und dies Glied eine völlig conische Form darbot, deren Basis’der die Geschlechtsöffnung tragende Seitenrand bildete. Die in Loslösung begriffenen Glieder waren meist ganz eigenthümlich in die Länge gestreckt: die Hinterecken ganz nach vorn gerichtet und die hinteren Ränder nach hinten gekrümmt, der vordere Gliedabschnitt schmal nach vorn ausgezogen, dass er sich zum hinteren, wie der Stiel eines Pilzes zu dessen Kappe verhielt. Die Samenblasen waren dicht an den Vorderrand gepresst, denselben mehr oder weniger hervor- - treibend, so dass der Penis unter vielfachen Windungen zum Porus ‚ förmlich zurück laufen musste. Der hintere Abschnitt war mit einem gelappten Organe angefüllt, dessen beträchtlicher Umfang mich in ihm den Uterus vermuthen lässt. Ein dotterähnlicher Inhalt war nicht wahrzunehmen, ebenso wenig wie Eier oder Embryonen. Ob die Eier 1] schon entleert en waren oder die Glieder sich auf einer jüngeren ‚ Stufe geschlechtlicher Entwickelung befanden; ob es Regel für diese Tänie ist, dass sich ganze Gliederstrecken een und getrennt von | \der Be lani die Ablösung der einzelnen Proglottiden erfolgt, — ‚oder es sich hier nur um zufällig abgerissene Gliederstrecken bee I - will ich unentschieden lassen. Noch muss ich gewisser Bildungen erwähnen, die ich, wenn auch ‚in mehr als einem Individuum getroffen, in en on. doch 1 1 | 190 Johannes Feuereisen, wiederum vergeblich gesucht habe, und deren Bedeutung mir völlig räthselhaft ist. Es sind kleine, sehr zarte Gebilde, die etwa kurzen, matt contourirten Bänderchen gleichen und zu einem Büschel gruppirt erscheinen. Dieses Büschel liegt zwischen dem dicken Ende des Cirrus- beutels und dem Seitenrande des Gliedes. Von der Breite der Samen- blase ungefähr, breitet es sich nach aussen aus, während nach innen seine Fasern convergiren und im weiteren Verlaufe durch die Samen- blasen verdeckt werden. — Das Erscheinen dieser Gebilde ist an ganz bestimmte Entwickelungsphasen der übrigen Organe geknüpft. Sie treten etwas vor dem Beginne männlicher Reife auf, um mit zunehmen- der Entwickelung der weiblichen Keimorgane wieder zu verschwinden. Ob es sich hier um solide breite Fasern (musculöser Natur etwa?) han- delt oder um hohle Röhren (Canäle, Blinddärmchen), die, wie man aus der Periodicität ihrer Existenz fast schliessen möchte, in gewissen Be- ziehungen zum Geschlechtsapparate stehen, lässt sich schwer ent- scheiden. Taenia fasciata (Ruporran). Die von mir benutzte Literatur: Zeper, Nachir. zu Göze’s Naturg. d. Eingeweid. p. 263. Alysel- minthus crenatus. Göze, Naturg. d. Eingeweid. p. 395. T. 31. f. 14 und 15._T. crenata (von ZEDER citirt). | GMELIN, Syst. nat. p. 3075. T. crenata (von ZEDER citirt). Ruperreuı, Entoz. hist. natur. vol. IN. p. 139. Taen. fasciata. Ruvorrar, Synops. p. 157. App. p. 700. Dusarvın, Hist. nat. des Helm. p. 609. CREPLIN, Wıssm. Arch. 1846. p. 144. Dıesıns, Syst. helm. p. 542. n. 117. Ein vollständigeres Verzeichniss der Literatur giebt Diesıne. Auch " bei dieser Taenie sind es wiederum Zever und Ruporrrr, die mich, da | sie die ausführlichsten Beschreibungen enthalten , -bei der Bestimmung I des Thieres geleitet haben. Die von ihnen, wie von Diesine gelieferten | Charakteristiken beschränken sich auf die Schilderung der Kopfform # sehr langen Halses ist wohl zum grössten Theil auf den sehr dünnen, | | bei stärkerer Vergrösserung aber deutlich quergestreiften, resp. ge-/ gliederten Vorderkörper zu beziehen. Ye Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 191 ZeDer identifieirt diese Taenie mit der von GözE im Buntspecht ge- fundenen T. erenata. Ruporrnı!) trennt beide als zwei verschiedene Arten. ZEDEr stützt übrigens seine Annahme hauptsächlich auf zwei, beiden gemeinsame Charaktere: die Längsstreifung und die Kürze der Glieder. Abgesehen von der Verschiedenheit des Fundortes, lässt sich dagegen noch anführen, dass Gliederkürze unter den Taenioiden sehr verbreitet ist, eine Längsstreifung, durch die dichte Aufeinanderfolge der Organe erzeugt, aber überall in deren Gefolge sich vorfinden dürfte. Aus denselben Gründen ist die Identität mit der T. sinuosa (RunoLpnm) ?), so wie der T. setigera (Dusarpın) auszuschliessen. Auch hier ist es die Existenz einer mittleren Längsbinde, die zu jener Vermuthung ver- leitete. Es wurde dabei ausser Acht gelassen, dass beiden genannten Taenien von den Autoren einstimmig trichterförmige Glieder und der T. sinuosa eine deutlich gezickzackte Binde zugeschrieben wird, welche letztere ich übrigens auch für die T. setigera beanspruche. Diese Merk- male lassen die T. fasciata und setigera auch mit unbewafinetem Auge auf den ersten Blick unterscheiden. Was die übrige von mir erwähnte Literatur anbetrifft, so beziehen sich Göze und Gmerim auf die T. erenata des Buntspechtes. ÜREPLIN enthält nur die Angabe des Fundortes. Die Hausgans wird überall als einziges Wohnthier genannt. Die Länge ausgewachsener Gliederketten wird von den Autoren auf 100-160 Mm., die Breite auf 1,2—1,3 Mm. angegeben. Meine Exemplare maassen 60--70 Mm., die Breite betrug dicht hinter dem Kopfe 0,1 Mm., in mittleren und hinteren Gliedern nur 0,6 Mm. — Die eine vollständige Kette bildende Gliederzahl schätze ich auf nahe an 1600. Reife Eier, Embryonen findet man etwa 1500 Glieder hinter dem Kopfe, die Geschlechtsentwickelung beginnt mit dem 830sten. Die Scoleces habe ich nie im Zusammenhange mit älteren voll- zähligen Gliederketten gesehen, sondern nur mit jüngeren noch nicht -geschlechtsreifen®). Die Köpfe maassen: 0,24 Mm. die Länge, 0,28— 0,33 Mm. die Breite. Ich habe sie fast nur mit eingezogenem Rüssel und meist in contrahirtem Zustande gesehen. Die Form des Kopfes wird von den Autoren als hemisphärisch angegeben. Ich habe sie meist kugelig oder auch viereckig gefunden, häufig erscheinen die Scoleces auch birnförmig. Auf die Veränderlichkeit der Kopfform und 4) Entoz, hist. nat. p. 440 Obs. 2) Synops. p. 457. 3) Ich erwähne ausdrücklich dieses Umstandes, weil in solchem Falle eine Verwechselung mit einer anderen (und zwar bei Dizsıng nicht angegebenen, neuen) Art immerhin möglich ist. 192 Johannes Feuereisen, deren Ursachen habe ich übrigens schon bei der T. setigera hinge- wiesen. Das Rostellum ist cylindrisch und ohne Zweifel wie bei der T. setigera lang und dünn. Im eingezogenen Zustande ist es oval. Seine Spitze wird durch einen einfachen Kranz von 10 Haken gekrönt. Auch hier sitzt der Hakenkranz dem musculösen Theil des Rüssels, dem eigentlichen Rostellum, auf und wird von einer etwas zugespitzten Parenchymkappe überwölbt. Die Haken, 0,04—0,06 Mm. lang, zeich- nen sich durch die Kleinheit der Kralle (0,02 Mm.) und den weiten Abstand der beiden Wurzelfortsätze (0,024 Mm.) aus, wodurch eine sehr grosse, zur Befestigung dienende, Hakenbasis erzielt wird. Von den Wurzelfortsätzen ist der hintere kurz und plump, der vordere viel länger und schmächtiger. Bei natürlicher Stellung der Haken, deren concave Basis sich der Gonvexität der Rostellumspitze angeschmiegt, sind die vorderen Fortsätze stark nach innen gerichtet. Ihre äusserste Spitze ist leicht nach hinten gebogen: sie stossen daher nicht, wie bei der T. setigera zu einer Spitze zusammen, sondern lassen im Gegen- theil in der Mitte eine kleine Lücke zwischen sich frei. Die Saugnäpfe bieten nichts Besonderes dar. Der Hals (0,59 Mm. lang) übertrifft den Kopf um mehr als das Doppelte an Länge. Seine Breite (0,16 Mm.) ist beträchtlicher als die der auf ihn folgenden ersten Glieder der Kette. Die Glieder sind durch ihre Kürze charakterisirt. RupoLruı be- zeichnet sie als sechs mal so breit als lang. Nach meinen Messungen beträgt die Breite selbst hinten (mit Ausnahme der Schlussglieder) wenigstens das Zehnfache der Länge. Dem unbewaffneten Auge er- scheint deshalb selbst der hintere Körpertheil nur leicht quergestreift, der vordere dagegen völlig glatt. Die Hinterecken treten nur sehr wenig hervor (blos um 0,006 Mm.), der Seitenrand der Taenia erscheint darum gekerbt und rechtfertigt Zeper's Benennung »Alyselminthus crenatus«. Die Dicke eines Gliedes nimmt nur wenig von vorn nach hinten zu, wodurch, bei der Kürze der Glieder, auch die ganze Kette eine gleich- mässige Dicke erhält, die es gestattet hier und da grössere Abschnitte der vier Längsgefässe wahrzunehmen. Die Kalkkörperchen sind minder zahlreich als bei der T. setigera. Der auf dem Seitenrande befindliche Porus genitalis ist unilateral, aber nicht durch erhabene Ränder abgegrenzt und so klein, dass er | kaum zu erkennen ist, und nur durch die Lage des Penis bezeichnet |’ wird. | Die Geschlechtsorgane sind natürlich in dem Breitendurchmesser | der Glieder gelagert. Sie füllen nicht selten die ganze Länge des Glie- |’ des aus, dem unbewaffneten Auge als breite, völlig continuirliche, | nn nn nn Er urn ers Beitrag.zur Kenntniss der Taenien. 193 mittlere Längsbinde erscheinend, die von vorn nach hinten an Breite und Consistenz zunehmend, selbstverständlich im vorderen Körper- abschnitte verschwindet. Ihre eine Hälfte, die dem Porus näher liegende, ist dichter und undurchsichtiger als die andere. Die Kürze der Glieder hat natürlich auch eine Zusammengedrängt- heit und Ineinanderlagerung der Organe zur Folge, welche das Detail- studium derselben sehr erschweren. Die Deutung einzelner Organe hat mir darum trotz aller Mühe nicht gelingen wollen, so dass ich nur Vermuthungen über dieselben aussprechen kann. Es scheint übrigens, dass die geringe Länge der Glieder durch deren Zahl compensirt wird, d. h. dass bei der T. fasciata eine grössere Anzahl von Gliedern producirt wird als in derselben Zeit bei einer langgliedrigen Tänie von (im. Verhältniss zur Grösse des Scolex) gleicher Breite. Wenigstens umfassen die einzelnen Entwickelungs- phasen der Geschlechtsorgane hier stets grössere Gliedergruppen. Ja selbst die Zwischenräume zwischen der Bildung von Organen, die bei der T. setigera fast gleichzeitig entstehen, nehmen hier längere Glieder- reihen ein. Es ist begreiflich, dass dieses Verhalten für das Studium der Entwickelungsvorgänge ein sehr günstiges ist. Nicht wenig er- schwert es aber die anatomische Schilderung. Zunächst sind es auch hier vier Hauptgruppen von Gliedern, welche unterschieden werden müssen : geschlechtslose, männliche, weibliche und eierführende. Da ‚aber die Entstehung der einzelnen Organe in längeren Zwischenräumen erfolgt, so werden zahlreiche Zwischengruppen gebildet, die, mehr ‚oder weniger verschieden von den vorhergehenden organisirt, auch eine selbständige anatomische Beschreibung erfordern. Es würde so- mit letztere fast ebenso viele getrennte Abschnitte beanspruchen als Organe vorhanden sind, d. h. sie fällt mit der Entwickelungsgeschichte zusammen. Ich will darum hier nur des constantesten der Organe er- wähnen, das in einer ununterbrochenen Reihe fast vom Beginne der Geschlechtsentwickelung bis zu den letzten Gliedern der Kette dahin- zieht, des Cirrusbeutels. — Der Cirrusbeutel (Fig. 14, 15 u. 16a), - 0,35 Mm. lang, liegt dicht am Vorderrande der Glieder und nimmt über die Hälfte der Länge des Gliedes ein. Er reicht einerseits etwas über die Mitte des Gliedes hinaus, andererseits bis dicht an. den Porus, aus dem man ihn sammt dem Penis häufig heraushängen sieht. Auch hier kann man einen weiteren, halsartig verschmälerten medianen und lateralen Abschnitt unterscheiden. Nur ist ersterer verhältnissmässig schmal, der Hals dagegen sehr breit zu nennen. Die Breite des ersteren beträgt 0,039, die des letzteren 0,019 Mm. Der erweiterte Theil des ' Beutels ist ungefähr 0,16—-0,19 Mm. lang und beherbergt eine Samen- Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 13 194 Johannes Feuereisen, blase (daher die auf dieser Seite grössere Undurchsichtigkeit der Längs- binde), die nur 0,4—0,15 Mm. lang, nur zum Theil ihn ausfüllt. Die Form der Blase (Fig. 9 5.) ist eine conische- mit äusserer Basis und innerer abgerundeter Spitze, sowie allerdings sehr geringer Aus- bauchung der Seitenwandungen. Die grösste Weite (0,03 Mm.) kommt somit dem äusseren, etwas abgeflachten Ende zu und fällt mit dem grössten Breitendurchmesser des Girrusbeutels zusammen. , Der von der Samenblase unausgefüllt bleibende Theil des medianen ‚Cirrus- beutelabschnittes enthält die Aufknäuelung eines sehr feinen “ Canäl- chens, des aus der Blase wieder hervorgehenden Vas deferens. In dem halsförmigen Theile des Beutels sieht man das Vas deferens erst schlän- gelnd, dann, sich auf 0,0033 Mm. erweiternd, mehr gestreckt ver- laufen, in seinem äusseren Abschnitte eine Breite von 0,0066 Mm. und dickere Wandungen, so wie einen dichten Stachelbesatz erhalten. Der Uebergang des Vas deferens in den Penis findet hier allmählicher statt, als bei der T. setigera. Der Penis ist auch hier im Wesentlichen eine Cuticularbildung und zeigt an seinem äussersten Ende eine kleine knopfförmige Anschwellung von 0,0099—0,042 Mm. Breite. Auch der äussere Abschnitt des Cirrusbeutels trägt ein, wenn auch weniger | dichtes Stachelkleid und ist vor seinem äussersten Ende leicht erweitert (bis 0,023 Mm.). Es ist dies derjenige Theil des Beutels, den man häufig aus dem Porus herausragen sieht (Fig. 14«@'.). Der Penis ist seinerseits einer selbständigen Hervorstülpung aus dem Cirrusbeutel fähig. | Die ersten wahrnehmbaren Entwickelungserscheinungen betreffen natürlich nur das Wachsthum der Glieder. Das Längenwachsthum ist anfangs kaum bemerkbar: von 0,008 Mm. an beträgt es für die ersten 250 Glieder 0,0099 Mm., für die nächsten 300 Glieder 0,016 Mm., von wo an es etwas rapider fortschreitet, so dass etwa 850 Glieder hinter dem Kopfe die Länge auf 0,04 Mm. angewachsen ist. Die Ausdehnung in die Breite geht rascher von statten; sie beträgt in denselben Intervallen: 0,08—0,1 Mm. (1. Glied), 0,2 Mm., 0,3 Mm. | und 0,58. Mm. (850. Glied). Die ersten Glieder sind somit 42 mal so | breit als lang. Wie überwiegend anfangs das Breitenwachsthum ist, geht daraus hervor, dass zwischen dem 250. und 650. Gliede die Breite das Zwanzigfache der Länge beträgt. Dann wird die Längenzunahme wieder beträchtlicher: das °50. Glied ist nur 14 mal etwa so breit als lang. Zwischen dem 870. und 900. Gliede erreichen die Glieder | Dimensionen, die von da ab ziemlich constant bleiben : die Länge zeigt | Schwankungen zwischen 0,049 und 0,066 Mm., die Breite von 0,56— 0,66 Mm. ; Letztere beträgt von nun an das 10—AAfache der Länge. Im 830. Gliede etwa lassen sich zuerst deutliche Geschlechts- Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 195 organe erkennen. Die ersten Spuren ihrer Anlage sind jedoch viel früher, schon wenige Glieder hinter dem Kopfe wahrnehmbar. Diese Anlage ist nichts weiter als eine Verdichtung des Körperparenchyms, eine Anhäufung von Zellen, welche, die ganze Länge der überaus kurzen Glieder einnehmend, in der Aufeinanderfolge derselben als continuirlicher dunkler Streifen erscheint. Es sind drei solche Streifen, die, drei getrennten Zellenanhäufungen entsprechend, sich von Anfang an unterscheiden lassen. Der, mittelste derselben übertrifft bald die beiden seitlichen an Breite und Consistenz. Aus ihm entwickeln sich die männlichen keimbereitenden und keimleitenden Organe. Von den beiden seitlichen Streifen wird der eine (der dem Porus genitalis zu- nächst liegende) später von dem Cirrusbeutel verdeckt, der andere wird mit der Grössenzunahme der Glieder immer undeutlicher und entzieht sich nach stattgefundener Entwickelung des männlichen Appa- rates gänzlich der Wahrnehmung; in ihm vermuthe ich die Anlage der erst viel später auftretenden weiblichen Organe. Die Veränderungen, die der mittlere Streifen erleidet bestehen zunächst in einer dem Breitenwachsthume der Glieder entsprechenden Zunahme an Breite und Consistenz, worauf ein Zerfallen in drei ge- sonderte kleinere Streifen erfolgt, die als Anlagen der einzelnen Theile des männlichen Apparates zu betrachten sind. Nach Entfaltung der Längendimension der Glieder und dem Beginne der Entwickelung ihrer Formen sieht man den einen der Streifen, den seitlichen, vom Porus genitalis entfernteren sich rasch von der Mitte der Glieder auf den einen Seitentheil desselben ausbreiten, sich gleichzeitig erhellend. Bald wird der Streifen gänzlich unkenntlich; es hat statt dessen eine Verdichtung an drei circumscripten Stellen stattgefunden, man sieht an seiner Statt am Hinterrande eines jeden Gliedes drei dunkle Flecke, dichte Zellenhaufen, die 30—40 Glieder weiter (im 830. Gliede) zu deutlich begrenzten rundlichen Körperchen von 0,013 Mm. Durch- messer, den Hoden, geworden sind. Die beiden anderen (dem Porus genitalis zunächst liegenden) Streifen werden ebenfalls rasch breiter und dichter, so dass bald der Zwischenraum zwischen beiden verschwun- den und sie zu einem einzigen breiten und dichten Streifen ver- schmolzen sind. Nach statigefundener Entwickelung der Hoden findet man die Continuität dieses Streifens unterbrochen : die Zellen drängen sich am Vorderrande der Glieder zu einem länglichen in dem Breiten- durchmesser der Glieder gelagerten Haufen zusammen. Zunächst sieht inan diesen Zellenhaufen nach dem Porus genitalis hin (der hier aber noch nicht sichtbar ist), wachsen, zugleich schmäler und begrenzter werdend. Dann (im 870. Gliede) lässt sich in der dunklen Masse ein 13% 196 Johannes Fenereisen, feines ziemlich scharf contourirtes CGanälchen unterscheiden. Der Penis ist hier noch sehr kurz, sein äusseres Ende ist noch 0,05 Mm. vom Porus entfernt. 900 Glieder hinter dem Kopfe beträgt diese Ent- fernung nur 0,03 Mm. Der Penis ist seiner völligen Ausbildung nahe, sein Durchmesser misst 0,0033 Mm., am äusseren erweiterten Ende 0,0066 Mm., er ist in seinem ganzen Verlaufe deutlich contourirt und zeigt schon einen Stachelbesatz. Hier beginnt auch der Cirrusbeutel sich nach aussen abzugrenzen, und einige 20 Glieder weiter hat auch die Differenzirung von. Cirrusbeutel und Samenblase stattgefunden. Die Hoden (Fig. 14 .c.) haben eine längliche Form erhalten und sind fast völlig entwickelt. Die Samenblase, 0,06 Mm. lang und 0,015 breit, ist noch beträchtlich schmäler als der Cirrusbeutel (0,023 Mm. breit), der späterhin nur geringe Grössenzunahme erfährt. Hier (im 920. Gliede) beginnt auch die Entwickelung eines neuen Organes, das sich neben dem Medianende des Cirrusbeutels bildet. Anfangs kaum grösser als die Hoden und undeutlich begrenzt, ist es einige 20 Glieder weiter zu einem oval-rundlichen Körper von 0,059 Mm. Länge und 0,016 Mm. Breite geworden (Fig. 14, 15, 16e.). Das eine Ende dieses Körpers, das vom Cirrusbeutel abgewandte, sieht man zuweilen in einen Canal übergehen, der, gleich nach seinem Ursprunge umbiegend, sich dicht an jenen Körper anschmiegt, dann ihn verlassend, nach dem Cirrusbeutel hin zuläuft, sich aber nur ein kurzes Stück weit verfolgen | lässt. Jener ovale Körper scheint somit das blasenförmig erweiterte Ende eines schlingenförmig zusammengelegten Canals zu sein, mit der Penistasche in Verbindung zu stehen und eine, der hinteren Samen- ji blase der T. setigera analoge, als innere Samenblase (im Gegensatz | zu der äusseren, im Cirrusbeutel eingeschlossenen) zu bezeichnende Bildung vorzustellen. Einen direeten Zusammenhang mit der äusseren | Blase oder den Hoden habe ich jedoch nicht beobachten können , für | obige Deutung jenes Organes spricht aber der Zeitpunct der Ent- " wickelung. Um diese Zeit (950. Glied) findet man auch die übrigen Organe | mehr oder weniger ausgebildet; der Penis reicht bis dicht an den | Porus; die Füllung der Samenblasen hat schon begonnen, erreicht aber | ihren Höhenpunct erst mit dem 1030. Gliede etwa, wo die äussere | Samenblase die oben schon angegebenen Dimensionen, die innere eine | Länge von 0,089, eine Breite von 0,046 Mm. erreicht. Vom 1030. 4 Gliede an wäre etwa die männliche Reife zu datiren, die eine Reihe| von ungefähr 100 Gliedern umfasst. Die gegenseitigen Lagerungsver-| hältnisse der Organe sind in dieser Zeit folgende (Fig. 14.): der Cirrus-| beutel (Fig. 14 a.), die vordere Hälfte des Gliedes einnehmend, reicht Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 197 bis über die Mitte desselben, neben ihm ebenfalls am Vorderrande liegt die innere Samenblase (Fig. I#e.); die drei Hoden (Fig. 14 c.), Körper von 0,045 Mm. Länge und 0,03 Mm. Breite, nehmen den Hinterraum ein nach aussen von dem medialen Ende des Cirrusbeutels, so dass der eine seitliche Hoden hinter letzteres zu liegen kommt. Zur Zeit der männlichen Geschlechtsreife beginnt wie bei der T. setigera, so auch hier, eine neue Reihe von Entwickelungsvorgängen. Zwischen Hoden und Samenblasen lagert sich eine dunkle Masse, die, zum grössten Theil von den männlichen Organen verdeckt, noch völlig _ tunkemntlich ist. Nur ein Theil derselben, der auswärts von den Hoden mach der dem Porus genitalis entgegengesetzten Seite hin) entsteht, ist, als aus feinen dunklen Körnern zusammengesetzt, erkennbar, die zu einem nach innen sich verschmächtigenden Haufen von Keulenform angeordnet sind. Die ersten Spuren dieser Gebilde lassen sich schon einige 50 Glieder früher wahrnehmen, als schmaler , sehr feinkörniger - Streifen, der vor den Hoden entsteht. Am hinteren Rande der Glieder in der Gegend der Samenblasen sieht man zuweilen einen Canal (Fig. 15, 16 g.), der jedoch meist völlig überlagert ist. Etwa 30 Glieder weiter ist derselbe so weit entwickelt, dass er überall, auch durch die feinkörnige Masse hindurch kenntlich ist. Von innen nach aussen ziehend und in demselben Maasse bedeutend an Breite abnehmend, sieht man ihn den hinteren Rand verlassen, von hinten nach vorn quer durch das Glied ziehen, an den Cirrusbeutel angeschmiegt, äusserst dünn werden und, in seinem äussern Abschnitte von diesem verdeckt, sich der Wahrnehmung entziehen. Dieser Canal kann nur die Vagina ‚sein, obgleich sein Ausmünden in den Porus genitalis nicht direct von - mir beobachtet worden ist. Berücksichtigt man den Zeitpunct der Ent- stehung der Vagina bei der T. setigera, so wird es sehr wahrscheinlich, dass auch bei T. fasciata die Entwickelung dieses Organes viel früher stattfindet als das Sichtbarwerden desselben. In seinem äusseren Ab- ‚Schnitte vom Cirrusbeutel überlagert, mag es sich anfangs auch seiner Feinheit wegen der Wahrnehmung entziehen. Die weiteren Verände- rungen, welche die Vagina erleidet, bestehen darin, dass ihr inneres Ende nach innen zu sich verlängert, dabei beträchtlich an Breite zu- mehmend, bis es im 1480. Gliede etwa zu einer etwas schmächtigen Blase (Fig. 15 u. 16 m.) erweitert erscheint, von 0,016 Mm. Breite und ‚ ungefähr 0,1 Mm. Länge, einem Receptaculum seminis. Dieses er- \ streckt sich etwas weiter nach innen als die innere Samenblase und ' ist hier zum grössten Theil von jener oben erwähnten feinkörnigen ' Masse überlagert. Letztere hat sich mittlerweile zu den Dotterstöcken i (Fig. 14 u. 157.) entwickelt. Die Veränderungen, die sie durchgemacht, | ; | | } 198 Johannes Fenereisen, beschränken sich fast nur auf Wachsthumserscheinungen. Sie bestehen in der Grössenzunahme der einzelnen Körner, die hier einen Durch- messer von 0,0066 Mm. erlangt haben; in der Grössenzunahme des Organes in toto, das hier aus zwei keulenförmigen, und zwar nach aussen breiteren, in der Mitte durch einen schmäleren Theil verbun- denen Hälften besteht. Diese nehmen einen nicht unbeträchtlichen Theil der Breite des Gliedes ein; sie erstrecken sich vom inneren Ende des Cirrusbeutels an bis über die Hoden hinaus. Vom 1140. Gliede an erscheint dieses Organ nach aussen durch eine Membran abgegrenzt. Vom 1185. an bemerkt man kein weiteres Wachsthum der Dotterstöcke, wohl aber beginnen die Körner zu grösseren Ballen zusammen zu treten, so dass beim 1200. Gliede die Dotterorgane aus letzieren zu- sammengesetzt erscheinen. Die Dotterstöcke sind hier unleugbar auf dem Höhepuncte ihrer Entwickelung angelangt. Sie füllen die Länge der Glieder fast ganz aus und überlagern mehr oder weniger die übrigen Organe. Von den Hoden ist hier keine Spur mehr zu sehen, ihre Decrescenz beginnt etwa mit dem 1170. Gliede. Noch muss ich eines Organes erwähnen, dessen Bedeutung mir noch völlig ungewiss ist, dessen Entwickelung schon vom 1080. Gliede an beginnt, und das sich rasch zu einem, annähernd ovalen, Körper von 0,083 Mm. Länge und 0,049 Mm. Breite, jedoch häufig varürender | Form und Grösse, gestaltet (Fig. 15 u. 16n.). Es liegt am Vorderrande | des Gliedes, zum Theil vom Cirrusbeutel überlagert, in einer Entfer- nung von 0,15 Mm. vom Porus genitalis. Zuweilen schien es mir mit einem feinen, nach dem Porus genitalis laufenden CGanälchen im Zu- sammenhange zu stehen, welches sich aber nur ein kurzes Stück weit ! verfolgen lässt und auch selten sichtbar ist. Dieses Canälchen kann | nur ein Theil des äusseren Abschnittes der Vagina sein; steht es | wirklich im Zusammenhange mit dem ovalen Körper, so wäre letzterer | wöhl als eine blasenförmige Erweiterung der Vagina, ein äusseres Receptaculum seminis, zu deuten, aus dem dann wiederum die Vagina | in ihrer früheren Grösse hervorgehen würde, um sich schliesslich zum | inneren Receptaculum zu erweitern. Die Kleinheit der Samenbehälter | \ wäre noch, dass die Füllung des äusseren Receptaculum (110. Glied) | erklärt vielleicht das doppelte Vorhandensein derselben. Zu beachten früher erfolgen würde als die des innern (1480. Glied). Die Entwickelungshöhe der Dotterstöcke umfasst etwa 40 Glieder. | Vom 1240. Gliede an macht sich eine Deerescenz bemerkbar, bis nach | einigen 50—60 Gliedern von den Dotterstöcken keine Spur mehr vor- FT handen ist. Die Hoden sind hier auch völlig verschwunden. Um. so| deutlicher treten die männlichen und weiblichen Samenbehälter hervor. Ü Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 199 Die weiblichen zeigen einen hohen Grad von Füllung, die männlichen hingegen werden schlaffer, die Samenblasen schmächtiger, der Cirrus- beutel kürzer und welker. Während die Dotterstöcke eine rückschrei- tende Metamorphose eingehen, finden auswärts von ihnen (auf der dem Porus entgegengesetzten Seite) neue Bildungsvorgänge statt. In geringer Entfernung vom Seitenrande bildet sich eine dunkle Masse, die in dem Maasse wie die Menge des Dotters abnimmt, an Umfang zunimmt. Sie ist nach aussen zu am breitesten und consisten- testen, nach innen zu schmäler und undeutlicher. Sie liegt (Fig. 16 *.) dieht am hinteren Rande und zeigt nur nach hinten und aussen einen deutlichen Begrenzungsrand, während sie nach vorn und innen ver- schwimmt. Zunächst grenzt sich ihr äusserster und breitester Theil von der übrigen Masse zu einem grossen ovalen Körper ab, der in den Breitendurehmesser des Gliedes gelagert erscheint. Bald füllt dieser Körper die ganze Länge des Gliedes aus. Auch die dunkle Masse nimmt von hinten nach vorn bedeutend an Breite zu, wächst nach innen bis zu den Samenblasen aus und drängt den ovalen Körper immer weiter nach aussen, so dass letzterer den Seitenrand sackartig hervortreibt und selbst nach aussen hervorgestülpt wird. Die dunkle Masse er- scheint bald als aus Zellen zusammengesetzt. Nach einiger Zeit wird die Abgrenzung vom ovalen Körper undeutlich, dieser selbst nimmt zum Theil eine zellige Beschaflenheit an, schliesslich hat man nur einen - weiten mit Zellen erfüllten Schlauch vor sich. Dann beginnt die dunkle - Masse eine Aufhellung zu erleiden, im 1480. Gliede ist sie völlig ver- schwunden und 20 Glieder weiter trifft man schon Embryonen, die allmählich den ganzen Innenraum des Gliedes anfüllen. Jene am Hinterrande auftretende dunkle Masse kann nur für den Anfangstheil des Uterus angesehen werden, der anfangs mit Dotter- \ masse, später aber auch mit den zelligen Producten des Keimstockes angefüllt ist. Letzteren vermuthe ich in dem ovalen Körper. Die Lage des Organs ist allerdings eine sehr ungewöhnliche (der Keimstock ist meist zwischen den Dotterstöcken situirt), völlig nach aussen gerückte ; _ einmal weiss ich aber demselben keine andere Deutung zu geben, Be zweitens lässt sich kein anderes Organ mit mehr Recht für den Keim- stock in Anspruch nehmen, und endlich dürfte auch die aussergewöhn- En liche Lage ihre Erklärung finden in der geringen Länge der Glieder i 3 und der dadurch bedingten Enge des für die Entwickelung der Organe zugewiesenen Raumes. Demselben Umstande wäre dann auch der | 2 Zeitpunct der Entwickelung zuzuschreiben, die ihren Anfang erst nach begonnener Decrescenz der Dotterstöcke nimmt. Der Untergang des , Keimstockes scheint derart zu erfolgen, 'dass sich dieser mit Zellen an- 200 Johannes Feuereisen, gefüllt, in den Anfangstheil des Uterus öffnet und mit diesem ver- schmilzt. Die Aufhellung der dunklen Masse besteht darin, dass sich der Uterininhalt, Dotter und Keimstockseier zu Embryonen umbilden, — hellen, durchsichtigen Bläschen von 0,019 Mm. Durchmesser , die durch Carmin nicht roth gefärbt werden. Die Embryonalhäkchen sind 0,0079 Mm. lang, und bestehen aus einem langen dünnen Stiel und aus einer breiteren und kurzen, messerklingenförmig gebogenen Spitze. Die Embryonalentwickelung habe ich nicht verfolgen können. Die Zahl der Embryonen führenden Glieder beläuft sich auf 100 etwa. Von Geschlechtsorganen hat sich der keimleitende und samen- aufnehmende Apparat, sowohl der männliche als weibliche noch er- halten. Offenbar befindet jedoch auch er sich im Zustande der Decres- cenz. In den Schlussgliedern ist die innere Samenblase, so wie das als äusseres Receptaculum gedeutete Gebilde, nicht mehr wahrzu- nehmen, Cirrusbeutel und Penis, Receptaculum und Vagina jedoch noch vorhanden, allerdings zum Theil degenerirt und durch die Form- veränderung der Glieder gezerrt. Die Länge der Glieder hat nämlich beträchtlich zugenommen, sie beträgt 0,13 Mm. Jedoch beruht diese mehr auf einer Ausdehnung der Glieder, als auf einem Wachsthume: die Breite hat in demselben Maasse abgenommen, die Ecken sind ab- gerundet und die Form eine quer ovale geworden und der Porus geni- talis ist vom Seiten- auf den Vorderrand gerückt. Taenia lanceolata (Göze). Diese Taenie ist mir nur in einem einzigen und zwar geschlechtlich _ unreifen Exemplare vorgekommen. Einige Präparate, die mir durch die Güte des Herrn Prof. Srıepı zur Verfügung gestellt worden, haben mir jedoch einen Blick in die Organisation des Thieres gestattet, unge- nügend allerdings für eine erschöpfende Darstellung. Folgende Schil- derung macht also keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Ver- zeichniss der Literatur giebt Diesins (Syst. helminth. p. 521). Von mir sind verglichen worden die schon oben angeführten Werke von Göze (p. 377. Tab. 29. f. 3—12), Gmerin (p. 3075), Ruporraı (Syn.p. 145, Hist. Entoz. II. p. 84), Dusarvın (p. 562. T. 9.). | Der Scolex wird von Autoren als unverhältnissmässig klein ge- schildert, der Kopf mit langem dünnen zehnhakigen Rüssel, der Hals auffallend dünn im Vergleich zur Breite des Körpers, selbst zu dessen Anfangstheil, beide zurückziehbar. | z Beitrag zur Kenntniss der Taenien. 2301 Die Glieder haben eine nur geringe Länge, dagegen aber eine be- trächtliche Breite, 11—12,5. Mm. Der Porus genitalis ist nach Dusarvın unregelmässig alternirend,, sehr klein und wenig deutlich. Der männliche keimbereitende Apparat besteht aus 3 grossen, schon mit blossem Auge leicht erkennbaren Hoden (Fig. 17 c, c, c), die den mittleren Raum der Glieder einnehmen und etwa zwei Drittel ihrer Länge ausfüllen. Ein Vas deferens konnte ich nicht wahrnehmen. Der Cirrusbeutel ist verhältnissmässig klein (Fig. 17 a. u. Fig. 9a.); er nimmt nur den äussersten Seitentheil des Gliedes ein, so dass sein inneres Ende ziemlich weit vom nächsten Hoden entfernt liegt. Man kann einen medialen breiteren und lateralen’ schmäleren Abschnitt unterscheiden. Ersterer enthält eine conische Samenblase (Fig. 9 b.), die ihn nur zum Theil (zu zwei Dritteln etwa) ausfüllt und nach aussen zu am breitesten ist, Letzterer birgt den Penis (Fig. 9 ce.) und reicht bis an die nächste Nähe des Porus, mündet aber nicht direct in diesen, sondern in eine kleine Genitalcloake. Der Penis ist ein gerader, starrer Canal, der von innen nach aussen beträchtlich an Breite zunimmt und ein dichtes Stachelkleid trägt. Sein inneres Ende reicht häufig bis zur Mitte der Samenblase, wo es sich plötzlich zu einem äusserst feinen Ganälchen verjüngt. Wahrscheinlich findet zwischen ihm und der Samenblase ein ähnlicher Zusammenhang statt, wie ich einen solchen für die T. setigera beansprucht habe. Nur selten gelingt es, neben dem innern Ende des Cirrusbeutels die Vagina (Fig. 17 g.) zu sehen, . meist ist diese von jenem überlagert. Nach innen vom Cirrusbeutel erweitert sich die Vagina zu einem Receptaculum von ganz ungewöhn- licher Länge (Fig. 17 m.), welches unter zahlreichen Windungen vör den beiden nächsten Hoden und hinter dem dritten verläuft, somit die Hälfte etwa der Breite des Gliedes durchmessend. Jenseits des dritten Hoden verschmächtigt es sich wieder zu einem Canale, der in einen rundlichen mit unbedeutenden Aussackungen versehenen Körper _ mündet. Vor und hinter diesem breiten sich zwei handförmige Organe aus, die Dotterstöcke (Fig. 17 i.), welche Verbindungszweige sowohl zu dem, wahrscheinlich als Keimstock aufzufassenden, den Hoden an Grösse jedoch bedeutend nachstehenden Körper, als auch zu dem sich bis an den Seitenrand fortsetzenden CGanale abschicken. Letzterer ist entweder der Anfangstheil des Uterus oder vermittelt die Verbindung mit diesem. Die Anfüllung des Uterus mit einer dunklen dotterähn- _ liehen Masse beginnt, wie bei der T. fasciata, am hinteren Rande, vom - Seitenrande aus. 202 Johannes Feuereisen, Vergleicht man die Organisationsverhältnisse der T. setigera und fasciata, so erscheint deren nahe Verwandtschaft kaum zweifelhaft. Diese Verwandtschaft ist unverkennbar bei den langrüsseligen Scolices. Doch auch die geschlechtliche Organisation zeigt im Wesentlichen eine grosse Uebereinstimmung: in der Dreizahl der Hoden, der beträcht- lichen Entwickelung der zur Aufnahme des Samens bestimmten Blasen, sowohl der männlichen als weiblichen, von denen erstere bei beiden Tänien gar doppelt erscheinen, in dem Bau des Cirrusbeutels, der stets eine Samenblase enthält; Dotterstöcke und Keimstock zeigen bei beiden eine bedeutende Grösse, erstere sind zwei einfache, aber nur ober-— flächlich gelappte mit Dotterballen erfüllte Säcke , letzterer ein grosser Körper von rundlicher oder ovaler Form. Der Uterus ist ein weiter Hohlraum. Die Unterschiede in der Organisation sind meist unter- geordneter Natur, sie beschränken sich auf Verschiedenheiten in Form und Grösse der Glieder, im feineren Bau des Cirrusbeutels!) etc. Ebenso übereinstimmend ist die Entwickelungsgeschichte beider. Die T. setigera und T. fasciata sind in Bezug auf ihre Organisation durchaus nicht alleinstehend unter den Taenioiden. Den Beschreibungen der Autoren zufolge hat die, vorzüglich Entenarten, zuweilen aber auch die Gans bewohnende, T. sinuosa (Ruporpn1) die grösste Aehnlichkeit mit der T. setigera, sowohl im äusseren Habitus (bis auf den längeren Hals oder Vorderkörper), als auch wie es scheint, in der innern Orga- nisation. Gözr beschreibt?) auf dem Seitenrande ausmündende »Saug- säcke«, denen er die Function zuertheilt Nahrung von aussen aufzu- saugen. Die gelieferte Abbildung?) erinnert an die dreiblättrige Figur, welche die drei Samenblasen bei der T. setigera häufig bilden und macht es wahrscheinlich, dass hier irrthümlich drei Organe zu einem einzigen vereinigt worden sind. Dusarnın ?) erwähnt am »ovalen Hoden« (Cirrusbeutel) eines dünnen Stieles (Penis), der innerhalb einer stach- ligen Röhre zum Porus läuft. Er spricht auch von einem mit Stacheln und Haaren ausgekleideten Säckchen in der Nähe des Porus, in wel- chem ich eine ähnliche Bildung vermuthe, wie die Endanschwellung des Cirrusbeutels bei der T. setigera, nur beträchtlicher entwickelt und dichter bestachelt. | Die die Eidergans und einige Enten bewohnende T. microsoma 4) Die abweichende Lage des Keimstocks bei der T. fasciata (vorausgesetzt, dass die Deutung des Organs eine richtige ist) findet, wie ich es schon hervorge- hoben, ihre Erklärung vielleicht in der ausserordentlichen Kürze der Glieder. 2) ZEDER, Nachtrag p. 295. 3) T. II. f. 5—AM. 4) Hist. nat. p. 573. T. IX. B. x Beitrag zur Kenntniss der Taenien, 203 CREPLIN ist von PAGENSTECHER !) genauer untersucht worden. Der Ver- gleich der Scoleces, des Geschlechtsapparates, der Entwickelungs- geschichte lässt auch diese Taenie als eine nahe Verwandte der Gänse- bandwürmer erscheinen, trotz einiger scheinbaren Verschiedenheiten ?) in der Organisation. So viel sich allerdings aus den sehr unvollstän- digen Beschreibungen der Autoren schliessen lässt, ist es sehr wahr- scheinlich, dass noch mehrere andere langrüsselige Vogeltaenien, wie die T. infundibuliformis der Hühner, T. crenata des Spechts und an- dere, nach dem für die T. setigera und fasciata gegebenen Schema organisirt sind. Die beiden letzteren Taenien dürften vielleicht für die Repräsentanten einer Gruppe gelten, die innerhalb der so zahlreichen und jedenfalls aus heterogenen Elementen zusammengesetzten Abthei- lung der Taenioiden recht präcis charakterisirt ist: durch den Scolex — den deutlich vom Halse abgesetzten Kopf, den langen Rüssel, mit ein- fachem Hakenkranz von geringer Hakenzahl —, durch die geschlecht- liche Organisation. Die Hauptzüge derselben zu entwerfen habe ich bereits Gelegenheit gehabt. Hier will ich nur hervorheben, dass die keimleitenden Apparate und Begattungswerkzeuge, die männlichen Organe, besonders die für die Charakteristik weitaus wichtigere Be- deutung haben, sowohl weil sie die leichter erkennbaren, als auch sich am längsten erhaltenden sind. Sehr wesentlich scheint mir in dieser Hinsicht der Cirrusbeutel zu sein, einerseits weil das Vorhandensein 4) Diese Zeitschr. Bd. IX.. 1858. p. 523. T. XXI. 2) Diese Verschiedenheiten lassen sich etwa in folgende Puncte zusammen- fassen: 1) PAGENSTECHER erwähnt nicht einer im Cirrusbeutel eingeschlossenen Samenblase. Wohl aber sagt er ausdrücklich, dass sich der Cirrusbeutel mit Sperma anfülle, was meiner Ansicht nach dann unmöglich ist, wenn das Vas defe- rens durch den Beutel einfach durchzieht ohne zu einer Samenblase daselbst anzu- schwellen. 2) Der Hoden wird als einfach angegeben. Ohne der Richtigkeit der PAGENSTECHER'Schen Beobachtung entgegentreten zu wollen, kann ich mir doch die Frage (ich kenne die T. microsoma nicht aus eigener Anschauung) nicht versagen: ob die beiden Schlingen des Anfangstheils des Vas deferens, die mit dem Hoden die »dreiblättrige Kleeblattfigur« bilden, nicht als samenproducirende Organe zu deuten sind, so dass auch hier die Hoden in der Dreizahl vorhanden, jedoch einander sehr nahe gerückt sind? Die Zeichnung wenigstens erinnert in Form und Textur an die T. fasciata, bei welcher ich zuweilen dieselbe concentrische Streifung getroffen habe; es wird diese durch die Umwandlung der Zellenelemente in Sperma hervorgerufen. 3) Der Mangel an Dotterorganen dürfte vielleicht dahin zu erklären sein, dass die beiden Uterinhörner nicht nur die Function der Dotterorgane ver- sehen, sondern in der That zwei sackförmige den Keimstock in ihre Mitte fassende Dotterstöcke sind. Die beginnende Entwickelung des Uterus während des Unter- ganges der Dotterstöcke ist bei der gliederarmen T. microsoma natürlich viel schwieriger zu beobachten, als bei der T. fasciata, wo beide Vorgänge in zwei ge- trennte Zeitpuncte fallen. 204 Johannes Feuereisen, einer Samenblase innerhalb seiner Wandungen ein sicheres Kenn- zeichen der ganzen Gruppe abgiebt, während andererseits kleinere Verschiedenheiten in Bau und Gestaltung charakteristisch für die ein- zelnen Arten sind. Ä Ob die T. lanceolata der oben bezeichneten Gruppe beizuzählen sei, will ich unentschieden lassen, da sie mir nur unvollständig be- kannt ist. Einige Verschiedenheiten in der Organisation, die geringe Grösse des Cirrusbeutels, die um so beträchtlichere Entwickelung des Receptaculum, Bau und Anordnung der weiblichen Keimorgane, die unregelmässig alternirenden Geschlechtsöffnungen, scheinen mir nicht so wesentlich,, um die T. lanceolata generisch definitiv abzutrennen, da andererseits in der Dreizahl der Hoden, dem Bau des Cirrusbeutels sie mit der T. fasciata vollkommen übereinstimmt. Wie die von mir charakterisirte Gruppe von Taenien zu den übrigen Taenioiden gestellt werden muss, lässt sich bei der geringen Kenntniss, die wir von letzteren haben, nicht entscheiden. In LruckArr’s Hand- buch der Parasiten des Menschen sind zwei Gattungen charakterisirt. Das Genus Dipvlidium (Leuvekarr) !) ist scharf getrennt durch die dop- pelten Geschlechtsöffnungen, die übrige Organisation, die gewisser- maassen die Mitte hält zwischen den Blasenbandwürmern und Gysti- cercoiden. Die Charakteristik des Genus Hymenolepis (WEınLAnD) 2) ist so allgemein gefasst, dass sie im Wesentlichen auch auf meine Vogel- tänien passt. Sie passt aber auch auf die vom Herrn Prof. Stıepa be- schriebene T. omphalodes°), obgleich sich diese durch den rüssellosen Kopf, die Mehrzahl der Hoden, den Mangel männlicher Samenblasen von den Vogeltänien wesentlich unterscheidet. In welches Verhältniss der Unterordnung oder Gleichstellung diese letzteren zum Genus Hyme- nolepis oder der T. omphalodes zu bringen sind, lässt sich für's Erste nicht entscheiden. Dass unter den Taenioiden noch mehrere andere unter sich gleichwerthige Gruppen unterschieden werden können, ist. kaum zweifelhaft. Ich erinnere blos an die dickköpfigen, eines Rüssels und Halses entbehrenden Bandwürmer der pflanzenfressenden Säuge- | thiere (T. mamillana, pectinata), an die T. osculata mit einer an die der Tetrabethrien erinnernden Organisation. 1) p. 400. 2) p. 393. 3) Archiv für Naturg. 28. Jahrg. 4. Bd. p. 200. T. VII. 4 a . v 5 4 ® | 5 Beitrag zur Kenntniss der Taenien. h Ey a er Erklärung der Abbildungen. 7 3 Tafel X. En. 4. Kopf der Taenia setigera mit vorgestülptem Rüssel und Hakenkranz, Fig. 2. Haken der Taenia setigera, a die Kralle, b u. e die Wurzelfortsätze. | Fig. 3. Haken der Taenia fasciata, 381° a, b, c wie Fig. 2. Fig. 4. Taenia setigera: Cirrusbeutel mit Inhalt, an a Vas deferens in die Samenblase übergehend, b vorderer Theil der Samenblase in den Peniscanal einmündend, 6. ;Penis, | d hinteres Ende des-Penis. 5. Ansicht des Penis von oben her 6. Ansicht des Penis von der Seite £ Taenia setigera. 7. Haken des Penis . 8. Vorgestülpter Penis ig. 9. Cirrusbeutel und Penis | i 40, 44, 42, A3 isolirte Glieder der Taenia setigera. - ig. 44, 45, 46 isolirte Glieder der Taenia fasciata. 47. Glied der Taenia lanceolata. nnung überall gleich a Cirrusbeutel. ERST b Mündung der Geschlechtscloake. Taenia lanceolata. . EITEn} AR De ae c Hoden. rl ms. | d Penis. | var: | e Vas deferens zur Samenblase vergrössert. Esch un, 9 Vagina. h Geschlechtscloake. i Dotterstöcke. E k Keimstock. Be Ban ynei: m Receptaculum seminis (der Vagina). Ban Hulewiin ;: n Uterus (9). ud IH ri it al in: Bun Sr 2 „AL er 205 Anatomie der Bettwanze (Cimex lectularius L.) mit Berück- sichtigung verwandter Hemipterengeschlechter. Von Dr. Leonard Landeis, Privatdocent und Assistent des anatomisch-physiologischen Instituts der Universität Greifswald. Mit Tafel XI. XU. 1: Cimex lectulariusL. ist unzweifelhaft einer der verbreitetsten und lästigsten Parasiten des Menschen. Sehon dem Arısroteızs!) waren die Wanzen bekannt, und auch Dioscurives?) und Priwıus®) thuen der- selben Erwähnung. Nach den Angaben einiger Forscher soll Ost- indien ihre Heimath gewesen sein und es wird behauptet, dass sie daselbst mit ausgebildeten Flugwerkzeugen ausgestattet vorkommen sollen). Jedenfalls steht es fest, dass sie sich von den wärmeren Klimaten her nach und nach über alle Gulturländer ausgebreitet haben, | so dass sie nunmehr als wahre Kosmopoliten angesehen werden | können. Auch Lıinn&£°) giebt an, dass sie in Europa ursprünglich nicht | einheimisch gewesen sein sollen. Ihre Einschleppung in Deutsch- | land mag etwa seit dem elften oder zwölften Jahrhundert, vielleicht | noch etwas später, datiren; in England kennt man sie seit dem Jahre ! 1503 mit Bestimmtheit®) ; es ist daher Sourasarıs Angabe unrichtig, 7 4) Hist. animal. Lib. V. c. 34 ed. Bekkeri. p. 148. 12. 2) LATREILLE, familles naturelles du regne animal Paris 1825, 3) PLinıus, histor. natural. 29. 47. 4) cf. BURMEISTER, Handbuch der Entomologie. 5) Syst. Natur. Edit. 42. p. 715. Faun. suec. 909. Ed. 2. ) 6) cf. Mourret, Theatrum insectorum. pag. 269. Anatomie der Bettwanze etc. 207 dass die Wanzen in England vor dem Jahre 1670 unbekannt gewesen seien. In England hiessen sie ursprünglich Chinche, Wall-louse!), später Punez oder Bug (Gespenst) 2). In London giebt es viele Häuser in denen die Wanzen so zahlreich sind, dass sie aus denselben absolut nicht mehr vertilgt werden können °) ; in ähnlicher Weise verhält es sich mit Paris, Berlin und vielen anderen grösseren Städten, in denen ein dichtes Zusammenwohnen der Bevölkerung statthat. FaLLen?) be- hauptet, dass es zu seiner — in Schweden noch keine Wanzen gegeben habe. LATREILLE°) stellt die Bettwanze unter seine Heteroptera zwischen die Tribus Longilabra und Nudicolles als besondere Tribus Membranaceae, welche die Gattungen Macrocephalus, Phy- mata, Tingis, Aradus und Acanthia umfasst. Fasrıcrus®) hatte sie in sein Genus Acanthia aufgenommen. Es scheint jedoch am besten, ihr den Genusnamen Gimex zu belassen. Diese Gattung enthält sie als die einzige Art Cimex lectularius. Sie bildet am zweck- mässigsten den Uebergang zwischen Reduvius und Aradus; ihr schliesst sich füglich an Aneurus. I, Verdauungsorgane. Unter den Organen, welche dem Verdauungsapparate angehören, verdienen zunächst die Mundwerkzeuge eine eingehende Betrach- tung. — Durch die vortrefflichen Untersuchungen von L£ow Derour ’) ‚ über die Organisation der Hemipteren, sowie durch die Arbeiten von BURMEISTER®) u. A. sind wir über den Bau der Mundtheile der Schnabel- kerife im Allgemeinen und der Bettwanze insbesondere zwar in Betreff ‚ der wichtigsten Theile aufgeklärt, aber bei Gimex lectularius sind | 4) cf. MourFrET; und Ray, histor. insectorum. 58. 2%) In diesem Sinne bei SuAkEsPEARE: Winter’s tale act I11I. sc. 2, 3. — Henry VI. act V. sc. 2. — Hamlet act V. sc. 2. cf. Dovce’s illustrat. of Shakespeare Lon- ‚ don 1807, | 3) Kırey und SpEncE, Einleitung zur Entomologie. p. 116. ‚ 4) Monographia cimicum Hafniae 1807. Ko ME 6) 3. C. Faprıcu, Systema Rhyngotorum Brunswig. 1805. 8. 142, 20.4. 7) Recherches anatomiques et physiologiques sur les Hemi- 43 ‚pteres. Memoires pres. par div. sav. A l’academie royale de science de l'institut de France 1833. T. 4. p. 129462. 8) Handbuch der Entomologie — Schnabelkerfe —. ) 208 Dr. Leonard Landois, | | die Verhältnisse dennoch bis jetzt nicht mit wünschenswerther Schärfe dargelegt worden. Die Mundtheile stellen einen Saugapparatin einfacher Form dar. Wir unterscheiden zunächst die Oberlippe (Labrum) (Taf. XI. Fig. 1, 2, 31.), welche den Anfangstheil des Saugrüssels von oben her bedeckt. Dieselbe ist zweigliedrig: Das erste Glied, ungefähr ein Drittel der gesammten Kopfbreite haltend, hat eine herzförmige Gestalt. / Dasselbe beginnt, continuirlich mit dem dorsalen Kopfintegumente ver- schmolzen, mit etwas verjüngier Basis und nimmt nach vorn hin an Breite allmählich zu. Gegen das zweite Glied hin ist es transversal in ebener Linie abgeschnitten: seine nach vorn und aussen gerichteten Ecken sind abgerundet. Das erste Glied ist unbeweglich : seine Rück- seite und Seitenränder sind mit gesägten Borsten besetzt. Das zweite ’ Glied der Oberlippe ist etwa nur halb so breit, als der ihm zuge- wandte Rand des ersten Gliedes, von dessen Mitte dasselbe gelenkig | ‚entspringt. Es hat eine spitzbogenförmige Gestalt und ist gleichfalls $ mit gesägten Borsten auf seiner Rückenfläche und den Seitenrändern F besetzt. Die gesammte Oberlippe ist von oben nach unten comprimirt, j dabei an der ventralen Seite, namentlich in der Mitte etwas ausgehöhlt, an der dorsalen hingegen mässig gewölbt und zwar auf beiden Seiten ” in der Richtung von hinten nach vorn. Die Bewegung der Oberlippe 1 beschränkt sich lediglich auf eine geringe Hebung und etwas stärkere ° Senkung des zweiten Gliedes. 4 Die Unterlippe (Labium) (Taf. XI. Fig. 2 u. 3 Ib.) bildet eine nach oben offene Halbrinne, in welcher während des Ruhezustandes der Stechapparat belegen ist. Dieselbe entspringt mit halbmondförmiger 7 Basis am Kinn. Letzteres ist gespalten, seine beiden Seitentheile” ragen nach vorn hervor, nicht ganz bis zur Grenze der beiden Ober- lippenglieder. Von dem Ausschnitte des Kinnes beginnt die Rinne der Unterlippe, in der Vertiefung desselben ruht der Anfangstheil der Stechröhre. Die Unterlippe besteht aus vier Gliedern, von denen das Basalglied das breiteste ist; dieses, sowie das zweite, unten verjüngte, nach vorn keulenförmig angeschwollene Glied sind ungefähr gleich” lang, etwa um !/, kürzer, als die beiden ebenfalls fast gleich langen 2 Endglieder. Das äusserste Glied ist an seiner Spitze gespalten mit ab-- gerundeten leicht auswärts gewandten Ecken. Auf der Unterseite ist die Unterlippe mit Borsten besetzt und zwar trägt das Basalglied ge- sägte, die drei folgenden Glieder jedoch führen einfache Borsten (Taf. X. Fig. 3.). Während des Ruhezustandes ist die Unterlippe gegen die Unterseite des Kopfes und des Prothorax zurückgeschlagen. In diese Lage reicht das dritte Glied nicht ganz bis an die Grenze des Kopfe Anatomie der Bettwanze ete, 309 und der Brust, die Spitze der Unterlippe bedeckt alsdann etwa 3/, der Mittellinie des Prothorax (Taf. XI. Fig. 2.). Nicht fern von dem End- gliede der Unterlippe sind von beiden Seiten her die Innenränder der Coxen der Vorderbeine belegen (Taf. XI. Fig. 2. 1. 1.). Die beiden Mandibeln (Mandibulae) und Maxillen (Maxillae) sind von der Basis der Unterlippe an, eng aneinander gelegt und bilden eine Saug- röhre, indem ein jeder dieser vier Theile zu ihrer Bildung eine Viertel- rinne beiträgt (Taf. XI. Fig. I u. 2.). Die am meisten nach vorn be- legenen Mandibeln entspringen mit einem verbreiterten Basaltheile innerhalb des Kopfes nach innen zu von den Augen (Taf. XI. Fie. I m.). Die Maxillen reichen mit ihrem gleichfalls abgeflacht verbreiterten Basaltheile his gegen das Innere der untern äussern Ecke des Kopfes (Taf. Xl. Fig. I &.). Die beiden Mandibeln sind von gleicher Länge und legen sich an der Spitze so zusammen, dass beide vereinigt das Aussehen einer angeschnittenen Gänsefeder haben, — abgesehen von einem platten buckelförmigen Fortsatze, den jede Mandibel dicht vor ihrem Ende gegen den der anderen anlegt. Die Gestalt erkennt man in der Figur 5, in welcher die Spitzen beider Mandibeln nebeneinander liegend gesehen werden; Figur 4 giebt eine Seitenansicht. Die beiden Maxillen sind von ungleicher Länge (Taf. XI. Fig, 4 mx. mac.). Die längere von ihnen ragt bis zu der Basis der sich be- rührenden platten buckelförmigen Fortsätze an den Mandibeln, die "kürzere reicht nur etwa bis zum letzten Viertel oder Fünftel der Stech- ;röhre aufwärts. Die Stechröhre hat demgemäss hier eine lange schlitz- ‚förmige Oeffnung ausser der an der Spitze belegenen. Die Maxillen ‚verjüngen sich gegen ihre Spitzen hin allmählich und tragen an ihren ‚äusseren Enden eine Anzalıl nach aussen und rückwärts gerichteter ‚Zähnchen, etwa 20, von denen’die vorderen die grössten sind. Letztere "haben offenbar den Zweck die Stechröhre in der Wunde festzuhaken. ‚— Die Spitze der beiden zusauımengelegten Mandibeln misst nur ‚0,001 Mm. in der Breite, die Entfernung derselben vom oberen Rande ‚des platten Fortsatzes 0,018, Mm., die Gesamnitbreite der Stechröhre misst 0,014 Mm. Während des Lebens werden die die Stechröhre bil- ‚denden Maxillen und Mandibeln eng aneinander gefügt erhalten, nach ‚dem Tode gelingt es leicht die einzelnen Theile zu trennen. Trotz ihrer © Zartheit und Dünne nehmen die Maxillen und Mandibeln an der Häu- / Die Bewegung des Stechrohres ist zunächst eine mittelbare, ndem bei Hebung und Senkung der Unterlippe, in deren Rinne es \selegen ist, eine gleiche Bewegung des ersteren erfolgt. Die Unterlippe jelbst ist in den Gelenken nur einer geringen Beugung und Streckung Zeitschr, f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 14 - 210 Dr. Leonard Landois, fähig, an welchen die Stechröhre keinen Antheil nimmt. Ausserdem ist aber die Stechröhre noch unabhängig von den Bewegungen der Unterlippe motionsfähig. An die verbreiterten unteren Enden der Man- dibeln und Maxillen im Innern des Kopfes inseriren sich Bündel quer- gestreifter Muskelfasern, welche ein Hervorschieben und ein Zurück- ziehen der Basaltheile zu Stande bringen können: ich nenne sie daher Musculi erectores et retractores rostri. Nun federn aber die Mandibeln und Maxillen in der Weise, dass wenn man eine derselben isolirt be- trachtet, dieselbe hakenförmig zusammengebogen ist, so dass das vor- dere Ende parallel mit dem Basaltheil gerichtet ist, und die Biegung der Stelle entspricht, wo die Vereinigung der vier Borsten zur Röhre stattfindet. Im Ruhezustande wird daher das frei aus dem Kopfe her- vorstehende Rostrum gegen die Unterfläche des Kopfes durch Elastieität angedrückt. Werden nun durch die Museculi retractores rostri die Basen der Borsten gegen das Innere des Kopfes stärker zurückgezogen, so bildet die Kinnfurche das Hypomochlion und die Stechröhre wird ganz unabhängig von den Bewegungen der Unterlippe erigirt. Dieser Vor- gang findet allemal statt, wenn das Thier sich zum Stechen anschickt und die Stechröhre aus ihrem Futterale der Unterlippe hervorhebt. Werden sodann wieder die Basen der Borsten durch Musculi ereetores nach vorn gezogen , so federt das Stechorgan wiederum in seine Ruhe- lage zurück. Während des Stechens bleibt die Unterlippe unbeweglich liegen. Es ist endlich einleuchtend, dass das Stechrohr seine Be- wegungen nur auf- und abwärts machen kann; es ist ferner einleuch- : tend, dass die Musculi retractores rostri zugleich als levatores wirken, hingegen die erectores zugleich eine starke Flexion veranlassen. An das Saugrohr schliesst sich der von oben nach unten leicht ” comprimirte Kropf (Taf. XI. Fig. 9 u. Fig. 4 k.) an; derselbe hat eine dickbauchig flaschenförmige Gestalt. Sein oberer halsartig verschmälerter | Theil beginnt in dem Winkel, in welchem die vier Stechborsten mit ihren Basaltheilen sich divergirend trennen, und hier ist der Anfangs- theil mit einem chitinisirten Ringe umgeben, welcher einem verdickten Rande gleicht, wie wir ihn am oberen Ende eines Flaschenhalses, hart an der oberen Oeffnung vorfinden (Taf. XI. Fig. 9.). Hier münden zum Theil die Ausführungsgänge der Speicheldrüsen (Taf. XI. Fig. 9 o.), wovon im Verlaufe das Nähere mitgetheilt werden wird. Die äusseren Wände des Kropfes sind stark chitinisirt und die beträchtliche Festig- | keit des Organs wird noch dadurch vermehrt, dass von dem Basaltheile der Maxille sich in der Gegend des halsförmigen. Theiles des Kropfes eine innere Lamelle abspaltet, welche mit der Aussenwand des Kropfes an jener Stelle verschmilzt, an welcher letzterer die grösste Geräumig- Anatomie der Bettwanze etc. 311 keit besitzt (Taf. XI. Fig. 1.). Der andere grössere Theil des Basal- stückes der Maxille zieht, wie bereits oben erwähnt wurde, in der ursprünglichen Richtung fort, um in der Gegend der hinteren äusseren Ecke des Innenraumes des Kopfes zu enden. In dem halsförmigen Theile des flaschenartigen Kropfes sind fünf Hornleisten oder Plättchen belegen, die frei in das Innere hineinragen (Taf. XI. Fig. 9.). Alle sind mit abwärts gerichteten Zähnchen am hinteren Rande besetzt. Das vordere Plättchen ist das grösste, halbmondförmig mit nach vorn ge- richteter Gonvexität; die vier folgenden sind ungleich, das vor- derste das kleinste, kaum ein Viertel so gross wie das erste; die sich daran schliessenden nehmen an Grösse allmählich zu, das hin- terste erreicht aber bei weitem noch nicht die Grösse und Reich- haltigkeit der Bezahnung,, welche das erste darbietet. Der untere aus- gebauchte, von oben nach unten comprimirte Theil des Kropfes ist im Innern ehitinisirt und die Intima dieses Theiles zeigt eine aus läng- liehen unregelmässigen fünf- bis sechseckigen Feldern zusammen- gesetzte Ghitinmosaik , welche die Wand des Kropfes völlig einnimmt. Die einzelnen Felder liegen an der Peripherie mit ihren Längsaxen entlang der Wand, in der Mitte liegen die Felder der Quere nach ge- ordnet. ‘Die einzelnen Feldchen sind weiss durchscheinend gekörnt und uneben, die dazwischenliegenden Begrenzungsleistchen sind gelblich chitinisirt und besonders fest. Gegen den Rand hin werden die einzelnen Felder der Mosaik schmäler und schmäler und erscheinen ‚ schliesslich nur als feine Lücken in dem verdickten Rande, welcher ‚ das ganze Gebiet der Mosaikfeldchen umschliesst (Taf. XI. Fig. 10.). Die einzelnen Felder sind im Mittel 0,048 Mm. lang und 0,009 Mm. ‚breit; ‘die Breite der zwischenliegenden Leistehen beträgt durch- schnittlich 0,004 Mm. Der Kropf ist von der Rückseite zur Bauchseite hin beträchtlich ‚ eomprimirt. Man kann ihn isolirt aus dem Kopfe herauspräpariren. Worin die Function des Kropfes bestehen mag, ist nicht mit Sicherheit anzugeben, am wahrscheinlichsten noch will es scheinen, dass etwa sich bildende Coagula des aufgesaugten Blutes durch die unebenen harten Theile des Kropfes zerdrückt werden. In dieser Beziehung wäre er ‚ alsdann ähnlich dem Kaumagen der Puliciden!), denen ja dasselbe | Nüssige coagulationsfähige Blut zur Nahrung dient; bei den Pedieu- linen freilich mussten wir eine ähnliche Einrichtung vermissen?). | 1) cl. L. Lasvors, Anatomie des Hundeflohes mit Berücksichtigung verwandter Arten und Geschlechter. Nov. Act. Acad. caes. Leop. Carol. Nat. curios. 1866. 2) ef. L. Lanvoıs, Untersuchungen über die auf dem Menschen schmarotzenden | Pediculinen. Diese Zeitschr. Bd. XIV. u. XV. SulangnunL II. u. IV. 14 * 212 Dr. Leonard Landois, Zu einer Saugbewegung ist der‘ Kropf nicht befähigt wegen seiner starren Wandungen. An den Kropf schliesst sich die dünne fadenförmige Speise- röhre, welche den Thorax ohne Windungen von vorn nach hinten durchzieht. Dieselbe besteht aus einer zarten Haut welche aussen mit schmalen quergestreiften Muskelfasern belegt ist (Taf. XI. Fig. 6 o.). Im Innern des Abdomens erweitert sich die Speiseröhre zu dem Magen (Taf. XI. Fig. 6 M.). Letzterer stellt zugleich mit dem als Dünndarm zu bezeichnenden Tractusabschnitt (Dd) einen geräumigen lang- gestreckten Schlauch dar, welcher sich nach abwärts bis zu der Ein- mündungsstelle der Marrichr'schen Gefässe mehr und mehr verengt. Derselbe erscheint mit vielen unregelmässigen Ausbuchtungen ver- sehen, welche indess lediglich in Folge der CGontraction der Muskel- fasern an einzelnen Stellen des Organs auftreten. Der Magen und Dünndarm sind einer beträchtlichen Erweiterung fähig und im höchsten Grade der Füllung werden die Ausbuchtungen ausgeglichen. Was die Structur des Magens und des Dünndarmes anbetrifft, so unterscheidet man zuerst eine Membrana propria, auf deren Aussenseite die aus quergestreiften Muskelfasern bestehende Muscularis, auf deren Innen- seite die Verdauungszellen angelagert erscheinen. An der Tunica mu- scularis erkennt man zunächst ohne Schwierigkeiten das Stratum der querverlaufenden Muskelfasern. Dieselben geben dem ganzen Organ einen quergestreiften Anschein. Die einzelnen Muskelfasern liegen dicht neben einander, so dass sie sich mit ihren Rändern unmittelbar berühren. Unter den querverlaufenden Muskelfasern kommen aber ausserdem noch längsverlaufende vor. Je nach dem Füllungszustande des Magendarmes erscheinen dieselben entweder näher oder entfernter zu einander liegend. Auf der ganzen Innenseite der Magen-Dünndarm- wand befindet sich das einschichtige Stratum der Verdauungszellen abgelagert. Die Zellen sind kugelförmig oder würfelförmig und haben eine Grösse von 0,032—0,04 Mm. Der Kern, welcher mitunter doppelt vorhanden ist, ist ein völlig klares, kugelrundes Bläschen mit deut- licher Hülle; die Grösse des Kernes schwankt zwischen 0,008—0,020 Mm. Im Innern des Kernes endlich findet sich das hellglänzende, gleichfalls mitunter doppelte Kernkörperchen von 0,004 Mm. Grösse. Das Protoplasma dieser weichen Zellen enthält eine Anzahl theils grösserer theils kleinerer stark lichtbrechenden Körperchen, welche man vielleicht mit den Pepsinkörnchen warmblütiger Thiere ver- gleichen darf. } Während des Saugens befindet sich der Magendünndarm in einer peristaltischen Bewegung, von welcher man annehmen muss, dass sie Anatomie der Bettwanze etc. 913 lediglich als Saugbewegung anzusprechen ist. Das aufgenommene Blut erlangt bald durch die verdauende Thätigkeit eine Veränderung, die Blutzellen zerfallen und man erkennt alsbald eine aus dem Blute ge- bildete schwarze oder schwarzbraune theerartig schmierige Masse, in welcher viele kleine dunkelbraune Pigmentkörnchen sich befinden, die offenbar ihre Abstammung aus dem Blutfarbstoffe haben. Ganz analoge Verhältnisse konnte ich bereits früher bei den Pediculinen und Puli- eiden constatiren. Das so verwandelte Blut verweilt sehr lange in dem Magendünndarm und verschwindet selbst nach Monate hindurch fort- gesetztem Fasten nicht völlig aus demselben. Hat sich eine Wanze ein- mal vollständig vollgesogen, so hat sie in ihrem prallen Magendünndarm ein Reservoir, aus welchem sie lange Zeit zu zehren vermag. Lton Durour hat ein ganzes Jahr hindurch hungernde Wanzen gehabt und auch die meinigen überstehen die Winterkälte bei vollständigem Nah- rungsmangel bereits Monate lang. CuArLEs DE Ger hielt im Jahre 1772 | bei einer Kälte von 33° (schwed. Thermometer) eine Anzahl Wanzen ' ohne Nahrung; sie fielen hierbei in einen Zustand der Erstarrung, lebten jedoch im Mai völlig wieder auf. Dass von Hunger getrieben die | Alten die Jungen tödten und aussaugen, wie DE Gzer berichtet, habe ich niemals beobachtet. | Der Dickdarm (Taf. XI. Fig. 6 Dk.), welcher an der Einmün- ‚ dungsstelle der Marricarsschen Gefässe beginnt, zeichnet sich durch seine Weite, birnförmige Gestalt und Kürze aus. Die Anlagerung seiner ‘ Muscularis gleicht völlig der des Magendünndarmes, hingegen fehlen "ihm die Verdauungszellen in seinem Innern. Statt dieser besitzt er eine in zarte Längsfaälten gelegte elastische und structurlose Intima, ‚ welche bei der Häutung aus dem Innern abgestreift wird. Rectaldrüsen ‚habe ich im Innern des birnförmig erweiterten Anfangstheiles des Dick- darmes nicht auffinden können, und es steht dieses vielleicht in Be- ziehung zu der so äusserst geringen Athmungsthätigkeit dieser Thiere. ‚ Der Dickdarm erreicht sein Ende an dem runden After. | Die Marpicarschen Gefässe (Taf. XI. Fig. 6 MG.) sind vier an | der Zahl; sie münden an der Grenze des dünnen und dicken Gedärmes ein, Ban eine ziemlich beträchtliche Längenausdehnung und sind, i— Bärher L£on Durour in Ungewissheit geblieben war, — an ihrem Ende geschlossen. Die Gefässe besitzen eine structurlose Tunica propria und in ihrem Innern eine einschichtige Lage von Secretionszellen. ‚| Leiztere sind so gross, dass in dem plattgedrückten Gefässe zwei Zellen ‚neben einander Platz finden, wobei sie sich polygonal abflachen (Taf. XI. Fig. 8.). Die Zellen Gen eine deutliche Hülle und ihr Proto- er ist ziemlich stark granulirt. Die einzelnen Granula sind bei Di 1.0 a BED > 214 Dr. Leonard Landois, durchfallendem Lichte dunkel, bei auffallendem kreideweiss und sie vollführen , so lange die Zelle lebensfrisch ist, eine lebhafte Molucular- bewegung. Der bläschenförmige Kern hat einen gekörnten Inhalt, der keine Bewegung zeigt; in seinem Innern liegt das Kernkörperchen und . in letzterem erkennt man oft noch ein besonderes Korn. Mitunter sah ich den Hohlraum der MarPpıcur'schen Röhre von weissen undurchsich- tigen Körnchen angefüllt, wie ich es schon früher bei Trichodectes constatiren konnte. Hin und wieder erschienen die Gefässe rosen- kranzförmig eingezogen; Muskeln konnte ich jedoch nicht an ihnen wahrnehmen, wie sie Pulex canis zeigt. Man muss daher die Gestalt- veränderung des Gefässes ableiten von einer contractilen Bewegung des Protoplasmas der Secretionszellen. — Bei vielen Wanzen gehen je zwei Marrısar'sche Gefässe an ihren Enden bogenförmig in einander über, wie bei Pyrrhocoris, Ligaeus, Phymata, Reduvius und Anderen. — Den Kropf der Bettwanze hat L. Durovr übersehen. Derselbe Forscher giebt an, dass bei den Wanzen der gesammte Darm- tractus 3—4 Mal so lang wie der Körper zu sein pflege. Bei der Bett- wanze ist dies Verhältniss jedoch ein anderes; selbst in ausgestrecktem Zustande ist der Tractus kaum doppelt so lang wie der Körper des Thieres. Die Kürze des Nahrungscanals richtet sich wohl nach der Beschaffenheit der Nahrung: das Blut bedarf, um für einen thierischen Organismus verwerthet zu werden, wohl einer geringeren Verarbeitung, als die mejsten Pflanzensäfte, es kann daher der Tractus blutsaugender Fr Ir Insecten kürzer sein. Die Gestaltung des Magens, Dünndarmes und Rectums zeigt bei Cimex Uebereinstimmung mit Phymata und Re- duvius, namentlich dadurch, dass es im Bereiche des Dünndarmes nicht zur Bildung eines besonderen zweiten Magens kommt, wie ihn Scutellera, Pentatoma, Coreus, Alydus, Pyrrhocoris, Ligaeus, Miris, Gapsus, Naucoris, Nepa und Andere zeigen. Speicheldrüsen. Schon L£on Duvrour erkannte, dass wenn man eine Hemiptere reizt, Sie einen geruchlosen Speichel aus der Mundhöhle entleert. Die Speicheldrüsen der Beitwanze sind in ihrer Art eigenthümlich und abweichend von denen der nächstverwandten Wanzenarten. LEoN Durour hat zwei Paar Speicheldrüsen gesehen, nämlich die grossen und die kleinen kugelförmigen und er vermuthete, dass das eine Paar vielleicht als Speichelreservoir diene. Es ist mir gelungen, ausser diesen noch zwei andere Speicheldrüsen zu entdecken, nämlich die EEE RIER N ee 2 verästelte und dieschlauchförmige. KA Anatomie der Bettwanze ete, 215 Die grosse kugelförmige Speicheldrüse (Taf. XI. Fig. 10.), jederseits eine, hat eine eiförmige oder birnförmige Gestalt und ist vor allen anderen durch ihre hervorragende Grösse und exquisit gelbgrüne Färbung leicht erkenntlich. Ihre Länge misst bis zu 0,732 Mm., ihre Breite 0,440, doch ist selbstverständlich die Grösse der Drüse von dem Zustande der Füllung ihres Innenraumes abhängig. Die Drüse besitzt eine Membrana propria von 0,008 Mm. Dicke, welche glashell, struc- turlos und von besonderer Elasticität und Festigkeit ist. Auf der Innen- fläche der Drüsenmembran befindet sich ein einfaches Stratum pflaster- förmiger Secretionszellen, deren grösster Durchmesser 0,030 Mm. hält und deren Kern 0,007 — 0,0098 Mm. beträgt; ausserdem enthält ein jeder Kern im Innern ein oder zwei Kernkörperchen eingeschlossen. An dem stumpfen Ende der eiförmigen Drüse beginnt der Ausführungs- gang a, der sich aber bereits nach kurzem Verlaufe in zwei Aeste theilt, die selbst etwa nur halb so dick sind, wie der ungetheilte Gang (0,028 Mm.). Die Ausführungsgänge haben in ihrem Innern eine Intima, stark chitinisirt und bei auffallendem Lichte perlmutterartig glänzend, die zugleich quergestrichelt erscheint und somit an den Spiralfaden der Tracheen erinnert. Die Intima ist 0,003 Mm. breit, fest, elastisch und hört am Abgange des Ausführungsganges von der Drüse zwischen den zunächstliegenden Zellen wie abgeschnitten auf. Um die Intima herum liegt eine weiche, hie und da leicht faserige Schieht, welche in mässigen Distancen Kerne in sich eingeschlossen enthält, die der Länge nach am Gange gelagert sind. In seinem Baue ist somit der Ausführungsgang durchaus ähnlich dem der blasenför- migen Speicheldrüse von Pulex!). Was nun den weiteren Verlauf der beiden getheilten Gänge anbetrifft, so erkennt man, dass der eine derselben nach vorn verläuft und einmündet vor dem Anfangstheil des | Kropfes, in dem Winkel, den die divergirend auseinandergehenden ‚ Basaltheile der Mandibeln und Maxillen bilden. Der andere Gang nimmt anfangs gleichfalls einen gegen den Kopf hin gerichteten Verlauf, ‚ biegt dann aber wieder in den Bauchraum zurück bis zur Gegend des ‚oberen Abschnittes des Magens. Von letzterer Stelle an macht er aber- ‚ mals eme Biegung gegen den Kopf hin und mündet endlich, nicht weit | von der Einmündungsstelle des Oesophagus in den Magen, gleichfalls ‚in letzieren ein. Die Präparation der besagten beiden Gänge ist mit | | | l bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft, es ist mir jedoch’nach vielen 'vergeblichen Versuchen endlich gelungen, ein Präparat herzustellen, welches unzweifelhaft das Vorgetragene beweist. 1) cf. Meine Anatomie des Hundeflohes, p. 27. Taf. III. Fig. 8. 216 Dr. Leonard Landois, Die grossen kugelförmigen Speicheldrüsen liegen im Vorderraume des Abdomens nahe dem Magen. Dieselben werden in ihrer Lage er- halten durch einen besonderen Apparat (Taf. XI. Fig. 10 d.), der in Gestalt eines Bandes sich nahe dem Ausführungsgange zur Drüse be- giebt und mit seinem anderen Ende sich an die Innenseite des unteren Bereiches des Kopfintegumentes inserirt. Eine genauere Betrachtung dieses 0,012 Mm. breiten Bandes ergiebt, dass es aus feinen Fasern zusammengesetzt ist, welche von der Ansatzstelle an der Drüse sich über die ganze Oberfläche des letzteren ausstrahlend vertheilen. Diese Fasern bestehen zum Theil aus Bindegewebe, zum Theil aus Muskel- fasern feinster Art; ausserdem enthält das Band hie und da Kerne ein- geschlossen, und ist zum Theil mit zarten bindegewebigen Umhüllungs- fasern zusammengehalten. Vergleichen wir diese Drüse mit ee Apparaten anderer Hemipteren, so ist zunächst unzweifelhaft, dass dieselbe derjenigen Speicheldrüse entspricht, welche wir bei allen Wanzen mit gleichem Doppelausführungsgange ausgestattet sehen. Es pflegt diese Drüse in der Regel aus zwei meist ungleichen Abschnitten zusammengesetzt zu sein, wie bei Scutellera, Pentatoma, Coreus, Alydus, Pyr- rhocoris, Ligaeus, Miris, Gapsus, Phymata, Reduvius u. A. ; es befindet sich Cimex lectularius somit in einer Ausnahme- stellung. Die zweite Art der Speicheldrüsen ist die kleine kugelförmige (Taf. XII. Fig. 11.). Dieselbe ist wasserhell, kugel- oder eiförmig ge- staltet, im letzteren Falle fand ich ihre Länge 0,125 Mm., ihre Breite 0,090 Mm. Die Drüse besitzt eine structurlose Membrana propria von geringerer Dicke, als die der vorigen und hat gleichfalls an ihrer Innenfläche ein einfaches Stratum farbloser pflasterförmiger Secrelions- zellen, 0,015 Mm. im Durchmesser haltend, mit einem Kern von 0,0075 Mm. An der nach dem Kopfe hingerichteten Seite geht der Ausführungsgang hervor, den ich über 0,333 Mm. weit isolirt habe. Er begiebt sich in den Kopf und mündet an dem oberen Theil des _ Kropfes. In seinem Innern trägt der Ausführungsgang eine chitinisirte, jedoch nicht quergestrichelte Intima, die am Drüsenkörper zwischen den Zellen abgeschnitten aufhört, rings um dieselbe, bis zu einer Dicke von 0,020 Mm. liegt eine kernhaltige leicht faserige äussere Schicht am Ausführungsgange. Die beschriebenen Speicheldrüsen liegen zu beiden Seiten des Magens mit Faserzügen an die oberen Seitenausbuchtungen des letzteren befestigt. Das Analogon dieser Drüse findet man bei | vielen Wanzen z. B. bei Capsus, olt aber ist die Form abweichend. Die dritte Form der Speicheldrüsen, welche L£oxn Durour nicht Anatomie der Bettwanze etc, 21T bekannt geworden ist, ist dieschlauchförmige (Taf. XII. Fig. 12.). Dieselbe hat die Gestalt eines gebogenen langen Schlauches, welcher 0,024 Mm. breit ist. Derselbe besteht aus einer structurlosen Mem- brana propria, in welcher die Secretionszellen belegen sind, 0,016— 0,020 Mm. im Durchmesser haltend, mit deutlichen Kernen. An der Oberfläche des Schlauches erkennt man helle läugsverlaufende Muskel- fasern von grosser Zartheit (Taf. XI. Fig. 12 m.), welche sehr lange Zeit nach dem Tode eine rhythmische Gontraction erkennen lassen, wie man sie ähnlich bei den Speichelgefässen von Dipterenlarven vorfindet. Die schlauchförmigen Speicheldrüsen liegen in der Nähe der kleinen kugelförmigen, mitunter sah ich sie dicht neben ihnen; die Aufmerk- samkeit wird zuerst auf sie gewandt durch ihre Bewegungen. Der Drüsenschlauch begiebt sich aufwärts zum Kopfe und mündet ebenfalls in den Anfangstheil des Kropfes. Ich muss es unentschieden lassen, ob die bei Ligaeus vorkommende schlauchförmige Speicheldrüse mit dem beschriebenen verglichen werden kann. Endlich sah ich ein viertes, gleichfalls L£ow Durour unbekannt gebliebenes, Speichelgefäss, welches ich das verästelte nennen will (Taf. XII. Fig. 13.). Dasselbe besteht aus kurzen verästelten Blindsäcken, welche dicht dem Oesophagus aufsitzen und direct in ihn ihr Secret ergiessen. Sie haben eine Breite von 0,028 Mm., bestehen aus einer structurlosen Membrana propria und einem kleinzelligen Cylinder- epithel. Dieses Speichelgefäss ist das am schwierigsten aufzufindende. M. I. Küncke !) beschreibt bei den Wanzen zwei Speicheldrüsen, eine zweitheilige mit getheiltem Ausführungsgang und eine schlauch- förmige. Offenbar hat derselbe die Bettwanze und manche andere nicht untersucht. Das Secret der Drüsen soll stark alkalisch reagiren, und waren Impfungen mit demselben auf Pflanzen erfolglos. Das Secret der vier verschiedenen Speichelapparate ergiesst sich, wie wir sahen, theils in den Anfangstheil des Kropfes, theils in den Qesophagus. Wenn die Thiere nicht saugen, so wird das Secret der ‚ Drüsen in den Magen befördert. Hierbei ist ersichtlich, dass die Ab- sonderung der grossen gelbgrünen kugelförmigen Drüse wohl vor- nehmlich durch jenen Theil des gespaltenen Ausführungsganges seinen : Verlauf nehmen wird, welcher sich in den Anfangstheil des Magens ; einsenkt. Während die Thiere saugen, wird sich ein Theil der abge- ‚. sonderten Speichelflüssigkeit leicht mit in die Stichwunde begeben ; "können und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Quaddeln, rothe ‚ Flecken etc., die wir oft nach Wanzenstich auf der Haut reizbarer Per- | 4) Recherches sur les organes de secretion chez les Insectes de l’ordre des ; ‚ Hemipteres. Compt. rend. 4866. N. 10. p. 433. 218 Dr. Leonard Landois, sonen auftreten sehen, ihren Ursprung nehmen von dem in die Be wunde eingeflossenen, als Gift wirkenden, Speichel. _ Auf seine chemische Reaction konnte ich nur das Secret der grossen gelbgrünen Drüse prüfen, und ich fand es stark alkalisch, ein Umstand, der um so bemerkenswerther ist, als die mit Stechappa- raten in Verbindung stehenden Drüsensäfte bei anderen Kerfthieren Ameisensäure enthalten sollen. Eine mikrochemische Untersuchung der anderen drei Drüsen war der Kleinheit derselben wegen nicht wohl ausführbar. Andere Hemipterengeschlechter sind wegen ihres Stiches ge- fürchtet. Cimex nemorumL. stach Kırsy so heftig, wie eine Wespe, Notodonta glauca sticht mit brennender Empfindung!). St. Pıerre fand auf St. Mauritius Wanzen, deren Stich giftiger wirkte, als der des Scorpions, worauf eine 5 Tage anhaltende taubeneigrosse Geschwulst entstand. Zweifelhafter muss die Angabe erscheinen, dass die in West- indien unter dem Namen Wheel-bug (Rad-Wanze) bekannte Art, Re- duvius serratus bei der Berührung einen elektrischen Schlag mit- zutheilen vermöge?). r Il. Der Stinkapparat der Bettwanze. Unter den Hemipteren finden wir die Heteropteren (LArk.) mit dem Vermögen ausgestattet, mittels eigenthümlicher Apparate zu stinken, was wir bei den Homopteren vermissen. Der Gestank der Wanzen ist vielfachen Nuancen unterworfen: FALLen’) legt dem Genus Lygaeus einen vodorem fere gratum« bei, Lygaeus giebt einen Duft nach Essigäther, oder wie CHARLES DE GEer?) will, nach Thymian von sich, Pentatoma hat einen eigenthümlichen durchdringenden Gestank an sich, Miris erinnert an den Duft von Hyacinthus racemosus, Gapsus triecolor an den der schwarzen Johannisbeeren. Einige Wanzen besitzen einen Stinkapparat und gleichwohl neh- men wir keinen Gestank an ihnen wahr; sie müssen also wohl einen für unsere Geruchsnerven nicht wahrnehmbaren Geruch verbreiten. Ganz besonders zeichnet sich aber durch ihren eigenthümlichen Gestank die ” Bettwanze aus, welcher derselben auch den Namen Punais (Puant) ä A) cf. WırLucaBy,; Ray hist. ins. 58. 2) Kırey und SPpEnce l. c. p. 448 nach Berichten von DAviıEs. 3) Monographia eimicum. Hafniae 4807. 4) M&m. pour servir a !’hist. des insect. T. IIL Stockholm 4773. p. 296308. 1: Anatomie der Bettwanze etc, 219 [Stinker] zugezogen hat. Das Eigenthümliche des Gestankes lässt sich schwer definiren, Key und Spexce!) nennen ihn gurkenartig, jedoch viel widerlicher. | Leon Dvrour hat in seiner grossen verdienstvollen Arbeit über die Organisation der Hemipteren den Stinkapparat zuerst genauer be- schrieben, aber einzig allein bei Pentatoma smaragdina und Scutellera nigro-lineata und auch hier nur unvollkommen?). Er beschreibt den Apparat als eine ziemlich grosse Blase am Anfange des Ahdomens unter den Därmen gelegen, gelb oder orange mit einer Insertion zwischen den Hinterbeinen, an der Stelle der Vereinigung von Thorax und Abdomen. Das Vorhandensein einer besonderen Stink- drüse stellt er direet in Abrede. Die Ausflussöffnung des Stinksackes befindet sich zwischen der Insertion des zweiten und dritten Bein- paares, jederseits in einem Porus, der bei manchen Wanzen auf einer Erhöhung belegen ist. In der That, wenn man eine Pentatoma öflnet, so kann der Apparat auch gar nicht übersehen werden. Es ist ein bereits mit freien Augen deutlich erkennbares Bläschen, welches noch obendrein durch seine intensiv gelborange Färbung sofort auffällt. Der Inhalt dieses Bläschens ist eine ölartige flüchtige Flüssigkeit, welche nach Oeflnung der Bläschenwand sofort in dem Präparationstrog in die Höhe steigt, auf dem Wasser schwimmt und abscheulichen Duft verbreitet. Hat ' man in Alkohol präparirt, so wird: derselbe um so intensiver, weil beide Substanzen, der Alkohol mit dem aufgelösten flüchtigen Wanzenöl leichter verdunsten. In keiner einzigen Arbeit, welche wir bisher über die Bettwanze besitzen, wurde dieses ölabsondernden Apparates auch nur gedacht. ' Dass er aber auch hier nicht fehlen würde, schloss ich schon aus dem “ widerlichen Geruche dieser Thiere, welcher namentlich beim Zer- ‚ quetschen unausstehlich wird. Wenn man eine lebende Wanze mit ‚ der Pincette in den Hinterleib kneipt, so sieht man mit einer scharfen ‚ Eupe ein kleines Oeltröpfehen hervortreten und zwar unter dem Rande ‚ jenes abgerundeten nach hinten gerichteten Fortsatzes her, welcher ‚ vom Mesothorax her zwischen die beiden Hinterbeine sich einschiebt. Zugleich nimmt der Gestank beträchtlich zu. Im Sommer, wo die Vita- ‚lität der Wanzen grösser ist, als im Winter, kann man in solchen Räumen, in welchen sich viele derselben aufhalten, die Thiere bereits | durch den Geruch wittern. 1 STE Bu) Einleitung in die Entomologie. Uebers. v. Oken II. 276. 2) ef.l. e. p. 394. Pl. XVIL. Fig. 493 u. 494. | 220 Dr. Leonard Landois, Die Präparation des betreffenden Apparates ist allerdings mit Schwierigkeiten verknüpft und ich bin daher um so mehr meinem Bruder zum Danke verpflichtet, welcher mich bei der Untersuchung dieser schwierigen Theile wesentlich unterstützt hat. Man präparirt am zweckmässigsten unter Alkohol. Man schneidet mit dem Rasir- messer unter den Hinterbeinen anfangend nach dem Kopfe zu, wobei man die Beine und die Untertheile des Thorax im Zusammenhange ab- trennt. Nach Entfernung der noch vorhandenen Theile des Verdauungs- apparates, Fettkörpers und des Nervensystemes wird man des Stink- apparates ansichtig. Weil derselbe durchaus farblos und ausserdem klein ist, so nimmt es uns nicht Wunder, dass er bis jetzt vollständig übersehen wurde. Wir unterscheiden an dem Stinkapparate der Bettwanze drei Theile: 4. die Stinkdrüse, 2. die Stinkblasen, 3. den Ausführungsgang. ‘4. Die Stinkdrüse (Taf. XI. Fig. 14 Sd.). Das ölabsondernde Organ ist eine kleine Drüse von nierenförmiger Gestalt; ihre Länge beträgt 0,36 Mm., ihre Breite 0,175 Mm. Ringsumher wird sie von einer durchscheinenden dünnen Hüllhaut umgeben. Dieinnere weichere Lage besteht aus einer grossen Anzahl kleiner Zellen von ganz abson- derlichem Baue. Sie sind birnförmig, 0,009 Mm. lang, 0,005 Mm. breit, und liegen mit dem dickeren Ende gegen die äussere Umhüllungs- - membran der Drüse. Das untere zugespitzte und zugleich offene Ende der Zellen ist dem gemeinsamen Hohlraume zugewandt, der sich im Innern der Drüse vorfindet und der sich einigermaassen mit dem Nierenbecken vergleichen lässt. Jede absondernde Zelle ist inwendig hohl und es haben die Zellen in ihrer gemeinschaftlichen Anordnung Aehnlichkeit mit einer Anzahl Flaschen, die mit ihren offenen Hals- enden gegen den Drüseninnenraum gerichtet sind. Da das Secret der Zellen ein flüchtiges Oel ist, also unter Wasser stark lichtbrechend,, so hebt sich der Innenraum der Drüsenzellen ähnlich ab, wie ein Luft- bläschen in einer Glasplatte. Das abgesonderte stinkende Oel fliesst aus dem Inneren der Zellen zunächst in den Hohlraum der Drüse selbst. Die letztere hat eine Oeffnung, und diese liegt in der Einbuchtung, | dem Hilus, ihrer nierenförmigen Peripherie. Durch diese Apertur ge- langt das Secret in die Stinkblasen. | 2. Die Stinkblasen (Taf. XI. Fig. 14 Ss.). Die Stinkblasen bestehen aus zwei gleichgrossen Blindsäckchen, welche unten zu- sammentreten an jener Stelle, wo die Einmündung des Drüsenraumes | Anatomie der Bettwanze ete. 221 7 sich vorfindet. (In unserer Zeichnung ist die Stinkdrüse zur Seite hin umgelegt). Die Säckchen sind ausserordentlich dünnhäutig. Wenn dieselben mit Oel angefüllt sind, beträgt ihre Länge 1,12 Mm.; als- dann erscheinen ihre Wandungen glatt und prall. Sobald aber ihr Inhalt entleert wird, bekommen sie ein stark runzeliges Aussehen. Da sie unter dem Deckglase in der Regel platzen, so kann man die prallen und glatten Wände nur ohne Anwendung des Deckgläschens zur An- schauung bringen. Unterhalb der Einmündungsstelle des Drüsen- raumes: verengt sich die combinirte Blase schlauchförmig und geht schliesslich in den Ausführungsgang über. Die Stinkblasen nebst der Drüse liegen oberhalb des Nervensystems. Die Basis des Apparates, wa die häutigen Theile in den chitinisirten Ausführungscanal über- gehen, ist umgeben von den Zügen der Beinmuskeln. Zu der Drüse verlaufen starke Nervenfäden, deren Endigungsweise jedoch nicht mit Sicherheit erkannt werden konnte. 3. Der Ausführungsgang (Taf. XII. Fig. 14 A.). Derselbe ist in dem Mesothorax belegen und zwar unter der äusseren Körper- hülle zwischen den Beinen. Derselbe ist 0,43 Mm. lang und mündet mit sehr feiner Oeffnung zwischen den Hinterbeinen. Die Oeflinung liegt jedoch versteckt und zwar unter jener Platte, welche ähnlich einem Processus xiphoideus vom Mesothorax her zwischen die Hinter- beine sich einschiebt; sie kann daher auch mit der Lupe von der Aussenseite des Thieres her nicht wahrgenommen werden. Bei anderen grösseren Wanzenarten kann man das stark chitinisirte Ausführungs- rohr deutlich erkennen, selbst sogar mit blossem Auge. Auch bei der Bettwanze ist das Rohr stark chitinisirt; es hat eine trichteuförmige Gestalt. In den oberen weiteren Theil dieses Trichters mündet die Stinkblase mit einer kreisförmigen Oeffnung, deren Durchmesser 0,06 Mm. beträgt. Von hier aus setzt sich das Trichterrohr, allmählich enger werdend, fort, nur baucht es sich in der Mitte seines weiteren Verlaufes wiederum etwas dicker aus (0,10 Mm.). Der ganze Leitungsapparat, welcher bei grösseren Wanzenarten als ein vorstehender Hohlstachel auffällt, liegt bei Cimex lectularius unter dem Integumente verborgen und kann nur nach vorhergegangener Präparation zur Anschauung ge- bracht werden. ‚ Es fragt sich weiterhin, auf welche Weise das Oel an die Aussen- welt befördert werde? Muskeln habe ich weder an der Drüse, noch an den Blindsäcken der Stinkblasen jemals wahrnehmen können. Wenn die Beutelchen strotzend mit der ölartigen Flüssigkeit angefüllt sind, so wird die Elastieität ihrer Wandungen hinreichen, den Inhalt zu ent- leeren. Ausser dieser unwillkürlichen Ejaculation besteht aber auch 222 Dr. Leonard Landois, ohne Zweifel eine dem Willen des Thieres völlig anheimgegebene. Lässt man die Wanzen ungestört umherlaufen , so empfindet man ihren Gestank niemals sehr stark; er tritt jedoch sofort in penetrantester Weise auf, wenn die Thiere gereizt werden. Ich vermuthe daher, dass die kräftige Musculatur der Beine, zwischen deren Bündeln der ganze Apparat belegen ist, auf die Entleerung des Oeles von wirksamstem Einflusse ist. Das abgesonderte Product der Drüse ist ein wasserhelles Oel. Es giebt sich als solches schon durch seine starke Liehtbrechung, anderer- seits aber auch dadurch zu erkennen, dass es im Wasser sofort an die Oberfläche aufsteigt und deutliche kleine Fettaugen bildet, in starkem Alkohol sich jedoch leicht löst. Nur dieses Oel allein besitzt den unan- genehmen Geruch. Wenn man Theile des Fettkörpers, oder von an- deren Eingeweiden zwischen den Fingern zerreibt, so wird man nicht im Geringsten von einem unangenehmen Dufie affıcirt, vorausgesetzt natürlich, dass die Stinkblasen nicht vorher zerrissen waren und ihr Inhalt sich den Eingeweiden beigesellt hatte. Das Oel ist eine scharfe und zugleich flüchtige Substanz, was vornehmlich dadurch er- sichtlich wird, dass es bei seiner Verdunstung die Conjunctiva der Augen stark angreift. So oft ich den Apparat präparirte und mit meinen stark kurzsichtigen Augen dicht über dem Präparate verweilte, spürte ich ein Brennen und Stechen in den Augen, die Thränensecretion wurde vermehrt und die Bindehaut der Augen war in Folge lebhafter Injection der Gefässe, stark geröthet. Ich habe mich ferner davon über- zeugt, dass das Secret des Stinkapparates eine stark saure Reaction besitze... Ich präparirte die Stinkblasen heraus und zerdrückte sie mit einem kleinen Tröpfchen starken Alkohols oder auch mit etwas Wasser befeuchtet auf einem blauen Lackmuspapier, worauf ein hellrother Fleck entstand. L. Carıvs!) hat die stinkende ölartige Flüssigkeit, welche Rhaphi- gaster punctipennis Irrıc. von sich giebt, einer genauen chemischen Untersuchung unterworfen. Er fand, dass die fette, durch Aether aus- ‚ziehbare Substanz des Thieres hauptsächlich aus einer eigenthüm- lichen, der Reihe C,H,„->30, angehörenden Säure besteht, welche er Cimicinsäure nennt. Man erhält dieselbe, wenn man die Thbiere zuerst einige Tage mit kaltem starken Alkohol in Berührung lässt , wo- durch eine bräunliche harzige Substanz, aber nur wenig von der Säure | ausgezogen wird. Die zerquetschten und durch Verdunstung vom Alkohol befreiten Thiere werden dann mit kaltem Aether De - 4) Annal. d. Chem. u: Pharmac. CXIV. 447. | | | j r% Anatomie der Bettwanze ete, 223 Die filtrirte ätherische Lösung hinterlässt beim Verdunsten die fast reine Säure als bräunliches, in der Kälte erstarrendes Oel. Sie wird durch Umwandlung in das Barytsalz, Zerlegung desselben mit verdünnter Salzsäure, Waschen der Säure mit Wasser, Trocknen über Chlorcaleium und Filtriren gereinigt. Sie bildet dann eine gelbliche, sehr schwach und eigenthümlich riechende krystallinische Masse, die bei 43,8— 44,4 schmilzt. Die Säure ist leichter als Wasser und darin unlöslich ; sie ist schwer löslich mit stark saurer Reaction in absolutem Alkohol; in Aether löst sie sich in allen Verhältnissen. Aus letzterer Lösung krystallisirt sie bei langsamen Verdunsten in farblosen, sternförmig vereinigten Prismen. Die Analyse ergab die Formel G,,H5s04, übereinstimmend mit der Moringasäure. Der im lebenden Thiere der Cimieinsäure bei- gemengte widrig riechende Körper ist an der Luft äusserst veränderlich, so dass der Geruch beim Schütteln der Thiere mit etwas Alkohol in einem lufthaltigen Gefässe bald verschwindet!). Chemische Unter- suchungen ähnlicher Art über die stinkende Substanz der Bettwanze sind bis dahin noch nicht ausgeführt worden. M. J. Küncker?) constatirte auch bei andern Wanzenarten die saure Reaction des Stinksecretes. Greifswald, den 6. Januar 1868. (Wird fortgesetzt.) Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. Fig. 4. Kopf der Wanze von unten mit exstirpirter Unterlippe. I die zweigliedrige Oberlippe, r der Stechapparat, mm die Basaltheile der Mandibeln, xx die Basaltheile der Maxillen, k Der Kropf, a Antenne, o Auge. Fig. 2. Die Mundwerkzeuge der Wanze gegen den Thorax eingeschlagen. !b Unterlippe mit dem Stechapparate, p Prothorax, üi erstes Beinpaar, ! Öberlippe. 4) Jahresbericht der Chemie von Kopp und Wiırı für 4860. Giessen 1864. 8) L. c. 224 Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig; 7 Fıg. 8 Ki. 29 Fig. 10. Fig. 94 Fig. 42. Dr. Leonard Landois, Anatomie der Bettwanze ete. Die Mundwerkzeuge der Wanze von unten, die Unterlippe nach vorn hin horizontal ausgestreckt. l Oberlippe, !b Unterlippe. Endtheil des Stechapparates. md eine Mandibel von der Seite gesehen, mx ms die beiden Maxillen. Die Spitzen der beiden Mandibeln von oben gesehen. Der Nahrungscanal. O Oesophagus, M Magen, Da Dünndarm, Dk Dickdarm, MG Malpighi’sche Gefässe, Sp Die kleinen kugelförmigen Speicheldrüsen. . Secretionszellen des Magens. . Ein Stückchen des Malpighi’schen Gefässes mit den Secretionszellen. . Anfangstheil des Stechapparates und der Kropf. . St Stechapparat sich zusammensetzend aus md md den beiden Mandibeln und mx mx den beiden Maxillen. k Kropf, o Einmündung der Speicheldrüsen. Die grosge gelbgrüne kugelförmige Speicheldrüse mit den Secretionszellen. ‘a der gespaltene Ausführungsgang, b das Muskelfasern enthaltende Aufhängeband. Tafel XII. . Die kleine kugelförmige Speicheldrüse. b Das Band, welches die Drüse an den Magen heftet. a Der Ausführungsgang. Die schlauchförmige Speicheldrüse. m die sie umgebenden Muskelfasern. Fig. 43. Die verästelte Speicheldrüse. Fig. 14. Der Stinkapparat. Sd die Stinkdrüse, Ss der Stinksack, A der Ausführungsgang. alschnifk 7 mijfenschafll. Zeolore. Ba. NV. Deber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. on W. v. Nathusius (Königsborn). Mit Tafel XIIT— XV. Die Bedeutung der einzelnen Theile des Vogeleies ist schon in sehr verschiedener Weise aufgefasst worden. Die Mecrer’sche Auffassung, nach welcher der Dotter desselben keineswegs dem Dotter des Säuge- thiereies entsprechen, sondern aus Zellen bestehen und das eigentliche Ei umhüllen soll!), dürfte m. E. durch die gründliche Arbeit GEGEN- Baur's über die Entwickelung des Eierstockeies der Vögel und einiger Reptilien 2) vollständig beseitigt sein, wenn sie auch in neuern Arbeiten noch mit gewissen Modificationen nachklingt. Die Mecerrr’sche Theorie der Eiweissbildung dagegen, die doch nur ein nothwendiges Gomple- ment seiner Auffassungsweise des Dotters war, scheint im Ganzen in unerschütterter Geltung fortzubestehen. LEUCKART reproducirt sie im Wesentlichen in dem Artikel »Zeugung« des Wacner’schen Hand wörter- buchs, indem er ihr manche Einzelnheiten aus Coste, Histoire gener. et particul. du developpem. hinzufügt, anscheinend ohne ernstliche Be- ‚denken. Diese Darstellung geht ungefähr dahin, dass Eiweiss und Schale morphologisch nicht zum eigentlichen Ei gehören, sondern aus Secreten des Eileiters entstehend, ihre Form und Structureigenschaften lediglich auf mechanischem Wege empfangen. Die übereinander ge- | legenen zahlreichen Schichten des Eiweisses sollen sich (nach CosTe) in Form eines zusammenhängenden Bandes abrollen lassen. Die Gon- 1) Diese Zeitschr. Bd. III, p. 420. 2) REıcuker’s Archiv. 4864. p. 494. Zeitschr, f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 15 226 W. v. Nathusius, sistenz dieser Schichten soll nach innen zunehmen, die äusseren dünn- flüssig, die inneren fast von membranöser Beschaffenheit sein. Mit diesen letzteren sollen die sogenannten Chalazen zusammenhängen (Cosre). Die spirale Lagerung der Eiweissschichten soll sich durch eine schraubenförmige Bewegung des Eies im Eileiter erklären, indem es wahrscheinlich eine in demselben aus Drüsensecreten abgelagerte zusammenhängende Schicht »wie der Schnee von einer rollenden Lawine« bandförmig abwickelt. Die in die Schalenhaut eingebetteten Schichten glasheller Fasern sollen »wohl nur das Secret besonderer Drüsen sein, das bei dem Hervortreten aus der Drüsenöffnung erstarrt, wie das Secret der Spinn- drüse bei den Araneen und Insectenlarven.« An Eiern, deren Kalk- schale durch Maceration entfernt ist, „lasse sicb, nach MeckeL, die Schalenhaut in Form eines spiraligen von dem einen Pole bis zum an- deren hinlaufenden Bandes abwickeln. Es sei dies wohl ein hin- reichender Beweis, dass auch während der Absonderung der Schalen- haut die schraubenförmige Drehung des Eies noch fortgewährt hat. Die literarische Bedeutung des LeuckArr'schen Artikels über Zeu- _ gung ist so gross, dass diese kurze Erwähnung gerechtfertigt sein wird. Von der Coste’schen Arbeit habe ich leider keine Kenntniss nehmen können. MeckeL ist, wie schon angedeutet, nicht für alles das obige verantwortlich; es ist wenigstens diese eigenthümliche Entstehung der Fasern der Schalenhaut in seiner eingangs citirten Arbeit nicht zu finden. Ueberhaupt dürfte es doch so liegen, dass es die Verhältnisse des Dotters sind, welche den Schwerpunct der Mecxer’schen Arbeit bilden. Hier liegen, wenn auch die Schlussfolgerungen sich später als irrige gezeigt haben, wirkliche Beobachtungen und auf wissenschaft- liche Methoden gegründete Untersuchungen vor, während über die Eiweissbildung nur ein Phantasiebild mit genialer Kühnheit hingeworfen ist. Jede Veranlassung zu demselben ist in Fortfall gekommen, nach- dem der ganze Dotier des Vogeleies auf seine wahre Bedeutung als Eizelle zurückgeführt ist, da doch dann zunächst Schale und Eiweiss morphologisch, als organische Fortbildung des Dotterhäutchens er- scheinen müssen, unbeschadet dess, dass der Stoff zu ihrem Aufbau auf Secrete des Eileiters zurückzuführen ist. Es erscheint fast als ein Unrecht gegen Meexer, nachdem mit seiner Auffassung des Dotters die naheliegende Veranlassung zu seinen hypothetischen Annahmen über die Eiweissbildung gefallen ist, die letzteren fortwährend so aufzu- fassen, als ob sie auf Erfahrungen und Untersuchungen begründet seien, wofür sie Mecker selbst, wie die Ausdrucksweise seiner Original- abhandlung ergiebt, nie ausgegeben hat. EEE Ei Eu WED CR GER ES ER T wnue ER TEE Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 3937 H, Lawpoıs hat in einer neuerdings erschienenen Arbeit!) ohne sich mit der Frage von der Bedeutung des Dotters zu beschäftigen, an den Eiern zahlreicher Vogelspecies Untersuchungen über Schale und Schalenhaut angestellt und schliesst sich der Auffassung, nach welcher ' dieselben auch morphologisch ein äusserlich dem Ei angeheftetes Pro- duct des Eileiters sein sollen, ohne alle Bedenken an, wenn er auch in Einzelnheiten von Meeker abweicht. Seine Untersuchungsmethode be- steht im Wesentlichen in der Zerstörung der Schale durch Behandlung mit Essig- oder Salzsäure, und Tinction der Trümmer mit Rosanilin- nitrat. Er glaubt in den Fasern der Schalenhaut meist die Muskel- zellen des Eileiters, wenn auch mit einzelnen Blutgefässen untermengt wiederzufinden, und ebenso in gewissen Residuen, welche die Zer- "störung der Schalenstruetur durch die genannten Säuren, allerdings 'mit ziemlicher Regelmässigkeit hinterlässt, die identischen »Uterin- drüsen« des Eileiters. Der schon von Mecrker behauptete starke Neu- bildungsprocess im Eileiter in den entsprechenden Bildungszeiten wird selbstverständlich als ein kräftiges Argument zur Stützung dieser Auf- fassungen herbeigezogen. Man möge gestatten, dass auf diese Theorien mit näheren kritischen Erörterungen hier jetzt nicht eingegangen wird. Ich muss es als einen glücklichen Umstand betrachten, dass die Lanpors’sche Arbeit zu meiner Kenntniss erst nach Beendigung des wesentlichsten Theils meiner Arbeiten gelangte, wo zuverlässigere Untersuchungsmethoden der Eischale zu positiven Resultaten geführt hatten, deren Mittheilung und weitere Prüfung hoffentlich jede speciellere doch immer unerquick- liche Polemik gegen die Lanpdoıs’sche Auffassung als überflüssig er- scheinen lassen wird. An den Verf. ist dadurch die Versuchung, sich bei den zweideutigen Erscheinungen, die bei Behandlung der Eischale mit Essigsäure eintreten, zu beruhigen, nicht herangetreten,, denn das Thatsächliche der Lanpois’schen Beobachtungen an der Eischale kann er gern in den Hauptsachen bestätigen. Erst nachdem das Vor- stehende niedergeschrieben,, gelangt die ganz neue Arbeit von Brasıus »Ueber Bildung, Structur und systematische Bedeutung der Eischale der Vögel«?) zu meiner Kenniniss. Sie hat das Verdienst, durch eine gründlichere Untersuchung der histologischen Verhältnisse des Bileiters in dieser Beziehung ein solides thatsächliches Material zu liefern. Brasıus sieht sich danach genöthigt, die Meerer’sche und Laxpois’sche Auffassung der Schalenbildung zu verwerfen und kömmt auf die älteren 4) Die Eierschalen der Vogel in histologischer und genetischer Beziehung, Diese Zeitschr. Bd. XV. 4865. p. 1. 2) Diese Zeitschr. Bd. XVII. 4867. p. 480. 15* 228 W. v. Nathusius, Ansichten zurück, nach welchen die Schalenhaut und Schale, Producte der Drüsensecretion sind. Bei der Untersuchung der‘Schale hat Brasıus leider auch den Zerstörungsprocess durch Säurebehandlung angewendet, und ist dadurch in falsche Bahnen gerathen. Zu welchen Abwegen diese führten, tritt so recht entgegen, wenn man den auf Taf. XIV. Fig. 7 dargestellten »idealen« Querschnitt der Strausseneischale mit der Wirk- lichkeit vergleicht, wie sie sich aus guten Schliffen der nicht zerstörten Schale ergiebt. Von grosser Bedeutung für die vorliegenden Fragen sind die Be- obachtungen Köuniker’s an Fischeiern in der Abhandlung »Ueber se- cundäre Zellmembranen, Cuticularbildungen und Poren- canäle in Zellmembranen.«!) Ob wirklich alle dort unter einen Gesichtspunct gestellten Gebilde als Analoga aufzufassen sind, darf hier unerörtert bleiben. Nur darauf soll aufmerksam gemacht werden, dass KöLLıker am Fischei, speciell an Gasterosteus, CGobitis barbatula und Gobio fluviatilis nachgewiesen hat, dass die als Dotterhaut von REıcHErT bezeichnete Hülle, welche die jüngsten Eier zeigen, der Ausgangspunct für die Entwicklung allmählich in Länge und Breite wachsender Zött- chen ist. Diese Zöttchenhaut, die äusserste Lage des entwickelten Eies, ist die zuerst auftretende und muss unzweifelhaft als morpho- logisch zur ursprünglichen Eizelle gehörig betrachtet werden. Auf der inneren Seite dieser Zöttchenhaut, zwischen ihr und dem Dotter bil- den sich die weiteren Verdickungsschichten der Eihülle mit den zier- lichen Porencanälen die sie enthalten. Dass für diese Bildungsweise der Eihüllen die Bezeichnung als extracelluläre nicht präcis sein würde, ist wohl ohne Weiteres einleuchtend. Sie sind danach ein inte- grirender Theil der Zelle. ' Dem entsprechend findet Acassız?) bei dem noch grössere Ana- logien mit dem Vogelei darbietenden Schildkrötenei, dass sich zuerst die Schalenhaut um das Ei bildet, und das Eiweiss allmählich durch dieselbe infiltrirt. Also auch hier organisches Werden und keine Apposition fremdartiger Gebilde. Bezüglich der Genesis der Schale dürfte noch eine Beobachtung erwähnenswerth sein, die ein starkes Argument für ihre Zugehörigkeit zur Eizelle ist. Bekannt ist dass die Eier der vor einer Reihe von Jahren vielfach eingeführten Cochinchinahühner sich durch eine röthlich- gelbe Färbung der äussersten Schalenschicht von den rein weissen 4) Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre. Würzburger Verhand- lungen. Bd. VIl. Heft 1. 2) Contributions to the natural history of the United States o. A. Vol. 4, Embryologie of the turtle. Nach dem Citat in Hrxıe’s Jahresbericht für 1860. Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 229 Eiern des gewöhnlichen Haushuhns unterscheiden. Paarungen von’ Cochinchinahähnen mit gewöhnlichen Hennen sind damals oftmals vor- genommen und ich glaube mit Bestimmtheit beobachtet zu haben, dass die aus solchen Paarungen resultirenden Eier, wenn auch in schwä- cherem und verschiedenem Grade, jene charakteristische Färbung zeig- ten. Leicht erklärlich ist es, dass dieses eintritt, wenn das ganze Ei der befruchteten Eizelle entspricht, wären aber Eiweiss und Schale nur eine mechanische Umhüllung durch Secrete oder Gewebe des Ei- leiters, dann hätte die Befruchtung der gewöhnlichen Henne durch den Cochinchinahahn den ganzen Organismus der ersteren so wesentlich affieirt, dass auch die Secrete ihres Eileiters in einer solchen für die CGochinchinahenne charakteristischen Weise verändert wären. Eine Möglichkeit, die schwerlich zugegeben werden kann. Auf ältere Be- obachtungen zurückzugehen ; die nicht schriftlich niedergelegt sind, erfordert eine gewisse Vorsicht, namentlich dann, wenn ihre ganze Tragweite damals nicht zum Bewusstsein gekommen ist; zur Be- stätigung meiner damaligen Beobachtung habe ich deshalb mehrfache Nachfragen bei Landwirthen, die ebenfalls früher solche Kreuzungen vorgenommen hatten, angestellt und in drei Fällen von zuverlässigen Personen die bestimmte Versicherung erhalten, dass die thatsächliche Richtigkeit der Beobachtung: dass die gewöhnliche Henne, wenn sie durch den Cochinchinahahn befruchtet wird, mehr oder weniger gelb gefärbte Eier legt, über allem Zweifel stehe. Wenn ich nunmehr auf den Gang der eigenen Untersuchung ein- gehe, tritt zunächst das Eierstocksei des Huhns entgegen. Es erschien erforderlich, durch Autopsie ein Bild von der Beschaffenheit des Dotterhäutchens (Zona pellucida) beim älteren Eierstocksei zu ge- winnen, um dasselbe mit dem Befund beim gelegten Ei vergleichen zu können. Der in siedendes Wasser geworfene und dann in Spiritus eonservirte Eierstock eines frisch geschlachteten Huhnes war das Ma- terial zu dieser Untersuchung. Das älteste Ei war in gekochtem Zu- stande nicht rund, sondern länglich und etwas nierenförmig, mit 28 Mm. kürzestem und 35,5 Mm. längstem Durchmesser. Diese Dimen- : sionen ergeben einen beträchtlicheren Rauminhalt, als ihn der freilich ' | | | 1 | in seiner Grösse variirende Dotter vieler schon gelegter Hühnereier dar- bietet. Dieses Ei war also wohl in seiner Entwickelung der Reife ziemlich nahe. Das Stroma des Ovariums lässt sich leicht entfernen in Gestalt einer bindegewebigen Schicht von sehr wechselnder, aber doch im Ganzen unbeträchtlicher Dicke (40—8 Mmm.). Das so ausgeschälte Ei ist nun aber noch ausser dem Dotterhäutchen von einer starken und 230 W, v. Nathusins, mit Blutextravasaten oder Blutgefässen durchsetzten Schicht umhüllt, die ich als die Theca folliculi betrachten muss. Sie umschliesst mit ihren concentrischen Schichten das Ei vollständig , wie sich daraus er- giebt, dass sich dasselbe von ihr umgeben, leicht aus dem Eierstock ausschälen lässt. Auch Schnitte durch den Stiel, der den Follikel mit dem Eierstock verbindet, zeigen die auf dem Dotterhäutchen fest auf- liegenden concentrischen Schichten dieser Kapsel. Die Begrenzung der Kapsel gegen das Dotterhäutchen bilden die Ueberreste des Follikel- epithels oder der sogenannten Membrana granulosa. Dass bei den hier vorliegenden Entwickelungsstufen des Vogeleies dieses Epithel dege- nerirt und nur noch seine Reste vorhanden sind, ist von GEGENBAUR a. a. O. nachgewiesen. Das sehr zarte Dotterhäutchen von dieser Eikapsel zu isoliren oder das Ei nur mit dem Dotterhäutchen bekleidet aus der- selben zu lösen, gelang nicht. Allerdings liess sich, nachdem die Dotterkugeln mittelst eines Pinsels entfernt waren, von der innern Seite der Kapsel ein feines Häutchen mit der Pincette abziehen, Karmin- tinction zeigte aber auf demselben noch eine kernhaltige Schicht, die also dem Follikelepithel angehörte. Es sind gute Querschnitte durch die Kapselhaut erforderlich, um die Grenze zwischen Dotterhaut und Eikapsel mit Bestimmtheit bezeichnen zu können. Sie sind vom ge- kochten noch in der Kapsel befindlichen Ei, oder besser von der mit Glycerin getränkten Kapselhaut, nachdem der grösste Theil der Dotter- masse vorsichtig entfernt ist, zwischen Hollundermark zu erlangen. Die ganze, wesentlich aus parallelen Bindegewebsschichten bestehende Eikapsel zeigte an solchen Querschnitten eine Dicke von 47 Mmm., das zarte Dotterkäutchen ca. 3,5 Mmm. (Taf. XII. Fig. 1). Am deutlichsten werden die Präparate, namentlich in ihnen die Reste der Membrana granulosa, wenn sie mit Garmin gefärbt und dann mit verdünnter Essigsäure behandelt werden. Es tritt dann eine starke Quellung ein, am stärksten beim Dotterhäutehen, so dass dieses sich als eine wellig gebogene, durchsichtige, anscheinend homogene Schicht von den kör- nigen Resten der Membrana granulosa und der aus zahlreichen Lamellen bestehenden Eikapsel deutlich unterscheidet. Seine Dicke beträgt nun 8,6 Mmm. (Taf. XII. Fig. 2). er In diesem Befund sehe ich keine befriedigende Uebereinstimmung mit dem was z. B. in dem schon erwähnten LeuckArr’schen Aufsatz über Zeugung in Bezug auf das Eierstocksei des Vogels gesagt wird, dass nämlich das Ei frei in der Eikapsel liege (pag. 790, Anm. 2), das Dotterhäutchen eine ‘beträchtliche Dicke habe und sich unbeschadet seiner Structurlosigkeit künstlich in mehrere Schichten zerlegen Isa beim Hühnerei sogar körnig sei (pag. 788). re Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 331 Mag es dahin gestellt sein, ob die Differenz nur in der Ausdrucks- weise liegt, ob da, wo ein starkes in mehrere Schichten zerlegbares, der gar wie von Coste (vergl. LEuUCKART pag. 782) aus verfilzten Fasern yestehendes Dotterhäutchen gesehen ist, nicht ein Theil der Eikapsel ür das Dotterhäutchen genommen wurde; ob, bei den gekochten Siern, mit denen hier gearbeitet wurde, die Verhältnisse einigermaassen nodifieirt waren, oder ob endlich auch beim Eierstocksei spätere von nir nicht beobachtete Entwickelungsstufen bestehen, wo eine Schich- ung und massenhaftere Entwickelung des Dotterhäutchens,, die Fort- ildung desselben zu den späteren Eihüllen einleitet —; jedenfalls nusste auch ein so zartes Dotterhäutchen als ich gefunden habe, am ‚elegten Hühnerei noch nachweisbar sein, wenn es noch existirte. Dies st nicht der Fall. Der Dotter des gelegten Eies wird durch in sehr charakteristisches und bestimmt nachzuwei- sendes Faserhäutchen begrenzt, das mit dem Dotterhäutchen les Eierstockseies gar nicht verwechselt werden kann. Ohne das Dotter- jäutchen kann der Dotter aber nicht in den Eileiter gelangen, da er onst zerfliessen würde, und wenn er dort von anderweitigen Secreten infach umhüllt würde, so müsste unter denselben das Dotterhäutchen jachgewiesen werden können. Dass an Stelle desselben complicirtere 3ildungen auftreten, erscheint als ein starkes Argument dafür, dass ich die letzteren aus dem Dotterhäutchen entwickelt haben. Die Betrachtung der verschiedenen Eihüllen soll mit der Schale jesinnen. Ein eingehendes Studium ihrer interessanten und eigen- hümlicher Structurverhältnisse wird nur durch Schliffe in den ver- schiedenen Richtungen ermöglicht. Die Anfertigung derselben bietet n der spröden und bröckligen Beschaffenheit der Schale Schwierig- seiten dar, die aber mit gewissen Hülfsmitteln zu überwinden sind. Die ersten Schleifversuche an Hühnereiern schienen wenig Hoffnung auf Erfolg zu bieten, dann wurden aber an der stärkeren Schale eines Schwaneneies so befriedigende und zugleich so interessante Resultate srreicht, dass zu der ca. 2 Mm. dicken Schale des Strausseneies über- segangen wurde. Mit der hierbei erfahrungsmässig ausgebildeten Me- ;hode sind denn auch an Hühnereiern befriedigende Resultate erlangt. Die Methode in der Kürze anzugeben, dürfte räthlich sein. Um die schwierigeren Querschliffe, d. h. senkrecht durch die Dicke der Schale, die ich der Kürze halber hier als Radialschliffe bezeichnen will, herzu- stellen, werden zunächst eine Anzahl Stücke der Schale, an denen sich die innere Faser- oder Schalenhaut noch befindet, einige Stunden in Terpentinöl gelegt, und nach oberflächlicher Entfernung des Terpen- inöls mit einer reichlichen Schicht Canadabalsam vollständig über- 232 | W. v. Nathusius,! zogen. Nachdem sie in einer passenden Vorrichtung so lange erwärmt sind, bis der Canadabalsam bei gewöhnlicher Temperatur sich voll- ständig erhärtet zeigt, wird eine gewisse Anzahl der Stücke passend übereinander gelegt, wiederum erwärmt und fest zusammengedrückt. Nach dem Erkalten bilden sie dann eine einzige Masse, die man mit Vorsicht sägen, feilen und schleifen kann. Um eine gute Vereinigung der Stücke zu bewirken, ist es nicht allein räthlich, den Stücken vor- her eine passende und etwas gleichmässige Form zu geben, sondern auch wesentlich, sie so auszuwählen, dass sie eine gleichmässige Wöl- bung besitzen. Selbstverständlich ist die Wölbung der Schale an ver- schiedenen Stellen des Eies auch eine sehr verschiedene. Bei den ver- hältnissmässig dünnschaligen Hühnereiern ist es räthlich bis 8 Stücken zu vereinigen, aber auch beim Straussenei ziehe ich es vor nicht weniger als 4 Stück übereinander zu legen. Bei allen noch zu erwäh- nenden Vorsichtsmaassregeln bleibt immer eine Tendenz des zu schlei- fenden Stücks an den Rändern sich in Fragmente aufzulösen, so dass die äusseren Stücke die inneren hiergegen schützen müssen. Auf ein so bequemes und rücksichtsloses Operiren, wie es die zähe Beschaffen- heit der Knochensubstanz z. B. gestattet, ist von vornherein zu ver- zichten. Desshalb ist es auch bei den feineren und schwieriger zu be- handelnden Schliffen nicht räthlich und meist nicht möglich, sie, nach- dem beide Flächen geschliffen sind, von dem Glasplättchen, auf dem sie mit Canadabalsam befestigt waren, zu lösen. Nachdem erst durch Sägen, Feilen und Schleifen mit geschlämmten Schmirgel, was alles, des die Zwischenräume füllenden Canadabalsams wegen, mit Wasser zu geschehen hat, die eine Schlifffläche in befriedigender Weise hergestellt ist, wird diese mit etwas erwärmtem Ganadabalsam, der vorher vollständig erhärtet war, auf demselben Objectträger be- festigt, der für das fertige Präparat bestimmt ist. Es wird nun das Stück so weit abgesägt, dass nur ein Plättchen von 1—2 Mm. Dicke bleibt und dieses durch Feilen und Schleifen soweit als möglich ver- dünnt. Von dem fortschreitenden Resultate des Schleifens muss man sich durch Betrachtung unter dem Mikroskop von Zeit zu Zeit über- zeugen, und die Operation rechtzeitig unterbrechen, da der Schliff, wenn sie zu weit geführt wird, plötzlich in Fragmente zerfällt. An diesen lassen sich dann freilich einzelne Details oft besser studiren, als an stärkeren unbeschädigten Schliffen, die mehr Uebersicht der Gesammtverhältnisse bieten. Das gereinigte und trockene Präparat wird nun mit etwas Terpentinöl befeuchtet, ein Tropfen dünnflüssigen, nach Umständen vorher erwärmten Canadabalsams darauf gebracht und auf diesen das gewärmte Deckglas. Ist es zum guten Einschluss erfor- Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben, 333 derlich, den ganzen Objectträger zu erwärmen, so muss diess mit der äussersten Vorsicht geschehen, denn bei etwas zu starker Erwärmung krümmen sich diese Schliffe, wohl infolge von Zusammenziehung der Faserhaut und zerfallen dadurch in Stücke. Schliffe, deren Ebene senkrecht auf die Radien des Eies liegt, sind in mancher Beziehung leichter anzufertigen, aber auch hier ist die Tränkung mit Canadabalsam etc. sehr nützlich, um bei dünnen Schalen den Fragmenten mehr Festigkeit zu geben. Sie ist wesentlich noth- wendig, wenn die Ebene des Schliffs so tief liegt, dass sie die Schalen- haut schneidet, da letztere sich sonst beim Schleifen in Fetzen ablöst. Solche tief liegende Schliffe sind aber erforderlich zum Studium der interessanten Schicht, wo sich die Schale mit der Schalenhaut ver- bindet. Die gewölbte Form der Schale bringt es mit sich, dass bei kleineren Eiern diese parallel einer Tangente liegenden Schliffe, für die deshalb der Kürze halber die Bezeichnung als Tangentialschliffe gestattet sein möge, durch sämmtliche Schichten der Schale gehen, wo- durch sehr übersichtliche Präparate entstehen. Bei der stärkeren flacher gewölbten Schale des Strausseneies, wo dies nicht der Fall ist, können durch Anwendung des Deckglastasters Schliffe ermöglicht werden, deren Centrum in bestimmter Tiefe unter der Oberfläche der Schale liegt. Die Schale des Strausseneies gestattet das eingehendste Studium und soll deshalb hier zunächst erörtert werden. Radiale Schliffe desselben (Taf. XII. Fig. 3.) zeigen eine durchsichtige oder doch nur schwach getrübte Grundsubstanz, die von undurchsichtigen Schichten, welche der Oberfläche parallel liegen, durchzogen ist. Die ündurchsichtigen Schichten bestehen aus feinen Körnchen. Letztere sind beim Straussenei unmessbar klein. Bei den Eiern von Möven und Alken sind sie grösser, liegen einzelner und zeigen sich auf feinen Tangentialschliffen bei starken Vergrösserungen als rundliche, sehr ‚stark lichtbrechende Körner von 1,5 — 1,9 Mmm. Durchmesser, ohne ‚jede Andeutung einer krystallinischen Form. Da sie bei Behandlung mit Säuren verschwinden, bestehen sie wohl aus Kalkverbindungen. In der durchsichtigen Grundsubstanz muss ich eine chemische Ver- ‚bindung der verbrennlichen Bestandtheile mit den Kalksalzen sehen. ‚Bei einer einfachen Ablagerung von Kalksalzen in das organische ‚Gewebe könnte letzteres nicht durchsichtig bleiben. Dass aber in kr Grundsubstanz der Eischale überall Kalkverbindungen vorhan- den sind, zeigt neben vielem Andern ihre durchgängige Starrheit, and dass ebenso überall organische Substanz vorhanden ist, zeigt "lie Behandlung der Schliffe mit Chromsäure, wo die organische Sub- i | 234 W. v, Nathusius, stanz mit allen Formeigenschaften des Schliffes und mit einer zarten Structur, wie weiter erörtert werden wird, zurückbleibt'). Gegen ihre innere Fläche zu wächst die Schale in eine grosse Zahl eigenthümlich gebauter Fortsätze aus. Dieselben sollen ihrer Form entsprechend, welche die Abbildungen ergeben, mit dem unpräjudizir- lichen Namen der »Mammillen« bezeichnet werden. Sie senken sich mit knopfartig erscheinenden Enden in die Faserhaut der Schale ein. In dieser liegen aber ausserdem noch diesen Knöpfen ähnliche, kuglige Gebilde, die mit der Schale in keinem Zusammenhang zu stehen scheinen. Uebrigens erscheinen die Mammillen besonders beim Straussenei nach unten mehrfach verzweigt oder nach oben verschmol- zen, so dass häufig eine Mammille in mehreren Knöpfen endigt. Die Zwischenräume der Mammillen bilden ein zusammenhängendes System von Hohlräumen, das nach innen mit der bekanntlich lufterfüllten Faserhaut der Schale, nach aussen mit den sogenannten Porencanälen derselben communicirt. Hier wäre noch auf den für die Structur der Schale sehr bedeutsamen Umstand aufmerksam zu machen, dass die undurchsichtigen Schichten, welche auch die Mammillen durchziehen, so angeordnet sind, dass die Querstreifen auch da, wo die Mammillen ! schon durch Zwischenräume getrennt sind, noch vollkommen corre- 7 spondiren. : 'E Bei günstigen Objecten und stärkeren Linsensystemen gewinnt man Anschauungen (Taf. XII. Fig. 4 A. u. B.), aus denen deutlich her- vorgeht, dass die Mammillen in verschiedene Säulen gegliedert sind, von denen ein Theil nur aus durchsichtiger Grundsubstanz ohne ein- | gelagerte Schichten besteht, aber auch hier zeigt sich die Gorrespondenz | der undurchsichtigen Schichten in den von ihnen durchzogenen Säulen | (Taf. XII. Fig. 4 A.). Tangentiale Schliffe der Schale zeigen in den ver- schiedenen Schichten sehr complicirte und nicht leicht zu deutende‘ Verhältnisse. | | 4) Es ist wohl von Interesse, hier daran zu erinnern, dass bei der Grund- (dr substanz des Knochengewebes ein ganz ähnliches Verhältniss vorliegt, obgleich 1 ' seine Bedeutung meist übersehen zu werden scheint, und häufig die Ausdrucks- F HM weise »Einlagerung von Kalksalzen« etc. gebraucht wird. Selbstverständlich braucht, trotzdem dass die Durchsichtigkeit und Homogenität der Grundsubstanz 1 des Knochens das Vorhandensein einer chemischen Verbindung der Kalksalze mit den collagenen Substanzen beweist, die chemische Verbindung nicht in bestimmten Proportionen der Gesammtmasse gedacht zu werden. Es kommen eben vielfach Verbindungen zweiten Grades vor, die an bestimmte Proportionen nicht gebunden sind, sich aber doch von blossen Mengungen bestimmt unterscheiden. In flüssigen Zuständen der Materie als Auflösungen bezeichnet, bieten ‚bei festen Körpern di Metalllegirungen ein Beispiel derselben dar. | Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 335 Taf. XII. Fig. 5 zeigt die in die Faserhaut eingesenkten Knöpfchen und die unmittelbar über der ersteren liegenden Schichten derMammillen. Der Vergleich mit Fig. 4 B. wird diese Zeichnung am besten erläutern. Die Gruppen von dunkeln Streifen machen den Eindruck von Krystall- nadeln!). Sie scheinen in einer Ebene und zwar in derjenigen, welche der Oberfläche der Schalenhaut entspricht, zu liegen, denn nur in den allergelungensten und zartesten Radialschliffen (Taf. XIII. Fig. 4 B.) sieht man hier eine flache dunkle Schicht, die ihnen entsprechen muss, und welche das Knöpfchen in zwei Halbkugeln theilt. Die obere der- selben ist concentrisch von undurchsichtigen Schichten umgeben. Diese undurchsichtigen Schichten erfüllen etwas weiter nach oben den centralen Theil der Mammillen, indem sich radiale Streifen nach der Peripherie hinziehen (Taf. XIII. Fig. 6 b.). Dann löst sich dieser Kern in mehr oder weniger regelmässige dreieckige Säulen auf, zwischen denen durchsichtige Grundsubstanz auftritt (Taf. XII. Fig. 6 a.). Der vielfach variirende, immer aber cannelirte Querschnitt der Mammillen ist ebenfalls aus Fig, 6 zu ersehen. ' Taf. XIV. Fig. 7 zeigt, wie die Abgrenzung der Mammillen gegen einander anfängt undeutlich zu werden, und die dunkeln Dreiecke sich vergrössern. Bei Fig. 9 sind letztere so weit verschmolzen, dass von Grundsubstanz ohne undurchsichtige Schichten nur noch isolirte Stränge vorkommen. Auch die Mammillen sind so verschmolzen, dass ihre Gontouren nicht mehr nachweisbar sind, und das Lückensystem ist nicht mehr zu verfolgen. 1,67 Mm. unter der Oberfläche, also etwa 0,8 der ganzen Dicke der Schale entsprechend, zeigt der Tangentialschliff nur noch eine durch undurchsichtigen Ablagerungen, abgesehen von den dunkleren Be- ‚grenzungen der hier auftretenden Porencanäle, ziemlich gleichförmig marmorirte Fläche (Taf. XIV. Fig. 10 u. 11.). Radialschliffe weisen ‚zwar nach, dass die dunkeln Schichten keine sehr grosse Ausdehnung ‚haben, er aber die ganz durchsichtigen Säulen hier aufgehört haben, - die Tangentialschliffe doch immer so dick sind, dass Hahirehtil A) Dass diese Gruppen von dunkeln Strichen Krystallnadeln (Phosphors. 'Kalk ?) sind, wage ich nicht zu bestreiten, da sie diesen Eindruck auf geübte und \unliefangene Beobachter, denen ich die betreffenden Präparate vorlegte, machten ; ich kann aber nicht verschweigen, dass sie mir bei Anwendung der stärksten Ver. '3rösserungen und beim Heben und Senken des Tubus mehr den Eindruck von ‚Lücken in der Grundsubstanz der Mammillen machen. Es scheint zuweilen auch, als ob sie sich in die Fasern des Schalenhäutchens fortsetzten. Ich halte es nicht "ür unmöglich, dass sie nur die von den Mammillen eingeschlossene und incrustirte »berste Schicht der Fasern des Schalenhäutchens sind. 2 muss ich ihre Krystall- Natur wenigstens zweifelhaft lassen. | 1 \ I | 236 | W. v. Nathusius, dunkle Schichten zur Anschauung kommen, decken sich diese gegen- seitig. Es liegt nun anfangs sehr nah, in den Dreiecksformen, welche die dunkeln Felder der Fig. 7 z. B. zeigen, krystallinische Bildungen sehen zu wollen, diese Täuschung schwindet aber schnell, wenn sich bei Anwendung starker Linsensysteme diese Dreiecke in Schichten körniger Substanz ohne scharfe Begrenzung auflösen. Findet man nun aber an den Rändern ganz feiner Tangentialschliffe, wo diese zu zerfallen be- ginnen, aus etwas höher liegenden Schichten der Schale Bilder wie sie die Fig. 8 (Taf. XIV.) darbietet, so muss wieder der Gedanke an krystal- linische Bildungen sich aufdrängen. Trotzdein muss bezweifelt werden, dass er ein gerechtfertigter ist. Dass hier wirkliche Krystalle vorliegen sollten, weiss ich mit dem Befunde an den Radialschliffen in keiner Weise zu vereinigen. Letztere (Taf. XII. Fig. + Au. B.) beweisen, dass es sich bei Fig. 8 um die Querschnitte säulenförmiger Gebilde handelt, welche an ihrer Peripherie vollständig durchsichtig in ihrem centralen Theil von correspondirenden -Parallelschichten körniger Ab- lagerungen durchzogen werden. Diese säulenförmigen Gebilde gehen nach unten in Formen über, die nichts krystallinisches verrathen, und die Behandlung mit Chromsäure weist in ihnen, wie weiterhin gezeigt werden wird, die deutlichen Spuren einer zarten Structur nach, die für organische Gebilde bezeichnend ist. Für solche also scheinen sie mir vorläufig gehalten werden zu müssen, trotz der eckigen Begren- | zung ihres Querschnitts. Organische Gebilde nehmen häufig in ge- drängten Lagen noch regelmässigere mathematische Formen an. Es sei z. B. an die Schmelzprismen des Zahns und die Fasern der Krystall- linse erinnert. Dass aber der Umstand, dass die Grundsubstanz der Schale aus einer Verbindung besteht, in der Kalksalze eine so wesent- liche Rolle spielen, von entscheidendem Einfluss auf die Entstehung dieser kKrystallähnlichen Formen ist, erscheint sehr plausibel. Man könnte sogar die Hypothese aufstellen, dass, wenn in organischen. Ge-= bilden erdige Bestandtheile in so überwiegender Menge auftreten, wie in der Eischale, Formen der Materie entstehen, die eine Uebergangs- stufe zwischen Krystallisation und Organisation bilden. Doch ist hier vor der Hand zu Hypothesen keine genügende Unterlage geboten. Ge- rade der vorliegende Gegenstand der Untersuchung hat zur Genüge gezeigt, wie gefährlich voreilige Hypothesen sind. Die vorliegende Arbeit muss sich leider meist auf die trockne Aufgabe beschränken, dem so lange verkannten thatsächlichen Befunde zu seinem Rechte zu verhelfen. Wir haben es hier mit der intimen Organisation der ein- zelnen Zelle oder vielmehr gewisser Zellen zu thun. Es ist dies ein Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 2337 Gebiet, wo der so werthvolle Leitfaden der Analogie so gut wie gänz- lich fehlt, also Vorsicht in den Schlussfolgerungen um so mehr geboten ist. Die präcise Beobachtung der fortschreitenden Entwickelung der Schale an grösseren Eiern wird nothwendig sein, um festere An- schauungen zu gewinnen, und die Feststellung des Befundes an fer- tigen Eiern ist nur die allerdings unumgängliche Vorbereitung für solche Untersuchungen. Das Oberhäutchen der Schale differenzirt sich beim Straussenei ziemlich deutlich von letzterer. Es überzieht das Ei mit einer glänzen- den, gelblichen, glasurartigen Schicht von grosser Härte, in welcher schon bei auffallendemLicht und schwacher Vergrösserung, namentlich nach eindringender Carminfärbung, ein System von Haarrissen sich zeigt, welches den Glasurrissen der Töpferwaaren nicht unähnlich ist. Taf. XIV. Fig. 12 zeigt dieselben bei a, wo der Schliff einen Theil des Oberhäutchens ziemlich intact gelassen hat. Radiale Schliffe zeigen das Oberhäutchen als eine 36 Mmm. starke, durchsichtige Schicht, deren Oberfläche sich in Carmin schwach röthet, und die im übrigen eine zarte horizontale Schichtung besitzt (Taf. XV. Fig. 13.) und durch eine feine Grenzlinie von der übrigen Schale gesondert erscheint. " Diese Schichtung und Begrenzung lassen übrigens nur starke Objectiv— | systeme wahrnehmen, und da das darunter liegende Stratum auch ‘ ziemlich durchsichtig ist und deutliche Schichten undurchsichtiger Körner erst tiefer auftreten, erscheint das Oberhäutchen bei schwachen Vergrösserungen von verhältnissmässig stärkeren Dimensionen. Auf- ‚ fallend ist es, dass das Oberhäutchen bei Schliffen, die in Glycerin ge- ‚ legt sind, eine senkrechte, statt einer horizontalen Schichtung zeigt; ‚ als Andeutung einer in beiden Richtungen gleichzeitig vorhandenen Struetur. Noch deutlicher wird diese auf die Oberfläche senkrecht ge- | richtete Structur, wenn die Schliffe in Kalilauge gekocht und dadurch | corrodirt werden. Es erstreckt sich übrigens dieses Verhältniss auf die ı ganze Schale, worauf späterhin zurückzukommen sein wird. - Die Porencanäle des Strausseneies besitzen die Eigenthümlich- ‚ keit, dass sie nicht einzeln stehen. In den Grübchen der Oberfläche, ‚ welche dem unbewaffneten Auge so deutlich entgegen treten, münden ‚ ganze Gruppen von Canälen. Taf. XV. Fig. 14 zeigt eine solche Gruppe ‚ ia dem Schnitte der in der Richtung der Canäle liegt, Taf. XIV. Figg. 10, ‚ AA und 42 Querschnitte solcher Gruppen aus verschiedenen Tiefen. Das ‚ weitere der Demonstration der Zeichnungen überlassend bemerke ich ‚nur, dass sich die CGanäle nach oben verzweigen, dann aber in einem | date von Spalten oder Rinnen enden, und dass nach unten mit Ab- | nahme der Zahl das Lumen beträchtlich ine Da es nicht gelang, den | | m. ; 238 W. v. Nathusius, Zusammenhang der Hohlräume, die sich in den tieferen Schichten der Schale durch die Verbindung der Canäle bilden, mit dem Lückensystem zwischen den Mammillen in überzeugender Weise darzuthun, ist eine Reihe von Versuchen angestellt, in welcher die Permeabilität der Schale bei mässigem Druck , für Wasser und Luft unter verschiedenen Modi- ficationen geprüft ist. Der einfache Apparat bestand in einer Glasröhre von 0,622 M. Länge und 16 Mm. Durchmesser. Auf das eine Ende wurden passende Stücke der Schale mit Siegellack luftdicht in der Art befestigt, dass das Oberhäutchen nach aussen war. Der grössere Theil des Faserhäutchens war durch feuchtes Abreiben entfernt. Je nachdem nun bei mit destillirtem Wasser gefüllter Röhre das durch die Schale verschlossene Ende nach unten oder nach oben gebracht wurde, wobei letzteren Falles das andere Ende in Wasser tauchte, konnte in ver- schiedener Richtung ein Druck angewendet werden, der bis zu dem einer Wassersäule von 0,6 M. ging. Auch konnte bei nur mit Luft gefüllter Röhre das offene Ende derselben in ein grösseres Wassergefäss getaucht werden. Das erste überraschende Resultat war, dass die Eischale unter dem Druck dieser Wassersäule und bei 24stündiger Dauer des Versuchs sich für Wasser vollständig undurchdringlich zeigte. Auch wenn die Schale nach oben gekehrt und die Röhre mit Wasser vollständig gefüllt war, zeigte sich nach 24 Stunden durchaus kein Sinken der Wasser- säule, es war also auch keine Luft durch die Schale gedrungen. Ganz frische gut mit destillirtem Wasser gereinigte Hühnereischalen gaben dasselbe befremdliche Resultat. Wurde dagegen, während das durch die Schale geschlossene Röhrenende nach oben war, die Röhre theil- weis und so mit Wasser gefüllt, dass die Eischale trocken blieb, so sank der Wasserspiegel in der Röhre sehr schnell, und umgekehrt drang das Wasser schnell in die Röhre ein, wenn letztere nur mit Luft gefüllt in ein Wassergefäss gesenkt wurde. Dieses fand gleichmässig | beim Straussenei und beim Hühnerei statt. Es ist also in trockenem Zustande die Eierschale allerdings, wie zu erwarten stand, für Luft leicht durchdringlich. ia | Wurde von der Strausseneischale die innere Fläche bis auf 2/, der ganzen Dicke abgefeilt, so blieben dieselben Resultate. Wurde dagegen | die äussere Fläche äbgefeilt, so’ genügte eine Wassersäule von wenigen Zollen, um das Wasser sofort in Tröpfchen durch die Schale die F zu RE Somit ergiebt sich dass: f die Porencanäle mit dem Lückensystem der Mammillen frei communiciren, dass dagegen: | a | Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 339 ‘an ihrer äusseren Mündung ein Hinderniss vorhan- den ist, welches den Durchgang des Wassers und wenn die Schale feucht ist, auch den der Luft verhindert. Hiernach wird es gerechtfertigt sein, den Taf. XIV. Fig. 12 darge- stellten ganz flachen Tangentialschliff dahin zu deuten, dass die Spalten, in welche die Porencanäle münden, durch die äusserste sich in Carmin röthende Schicht des Oberhäutchens geschlossen sind. Um dieses Ver- hältniss noch klarer zu stellen, muss auf das was andere Eier dar- bieten , schon hier eingegangen werden. Das Puterei ist mit einem bräunlich geflecktem firnissartig glän- zendem Ueberzuge versehen, der sich in Garmin intensiv röthet. Taf. XV. Fig. 15 zeigt einen ganz flachen Tangentialschliff einer so gefärbten Puter- eischale. Man sieht hier ganz deutlich, wie diese geröthete Schicht sich über die Mündungen der Porencanäle hinwegzieht, hier aber wohl durch die Austrocknung, welche das Einlegen des Präparats in Canadabalsam in besonders hohem Grade bewirkt, Sprünge oder Risse bekommen hat. Die Schliffe durch Porencanäle machen häufig den Eindruck, dass die Canäle nicht ganz leer, sondern mit irgend einer, wenn auch durch- sichtigen Masse gefüllt sind. Es giebt nun Eier, welche statt des Ober- häutchens nur eine starke Pigmentschicht zeigen, die, wenn sie frisch gelegt sind, weich ist und sich abreiben lässt. Bei solchen Eiern dringt diese Pigmentschicht bei einem Theil der Porencanäle tief ein, wie Taf. XV. Fig. 19 zeigt. Taf. XVI. Fig. 20 giebt die Querschliffe von solchen mit Pigment theilweise gefüllten Porencanälen. Es dürfte also dieses ganze Verhältniss so aufzufassen sein, dass dieselbe Schicht, welche das Ei äusserlich überzieht, und über die Mündungen der Porencanäle hinweggeht, auch in dieselben eindringt, sie auskleidet und mehr oder weniger ausfüllt und so in feuchtem, gequollenem Zustande einen Verschluss bildet, während sie in trockenem, geschrumpftem Zustande den Durchgang der Luft und solcher Flüssigkeiten, welche sie nicht zum Quellen bringen (z. B. Terpentinöl) gestattet. Ob diese Masse nur ein formloses Secret oder eine organisirte Membran ist, muss hier unentschieden bleiben. | Was die Schalen einiger anderer von mir untersuchter ‚ Eier betrifft, so darf wohl, um ermüdende Beschreibungen zu vermeiden, ‚ auf die in den Taf. XV. Fig. 16—19 und Taf. XVI. Fig. 21 gegebenen ‚ Abbildungen von Radialschliffen verwiesen werden. Sie sind sämmt- ‚ lich in demselben Grössenverhältniss gezeichnet. Bemerkt sei nur, dass ı eine so regelmässige und zarte schichtenweise Ablagerung der undurch- ‚ sichtigen Bestandtheile der Schale wie beim Straussenei, sich bei keinem | derselben findet. Wenn diese Schichtung beim Schwanenei (Taf. XVI. | F 240 W. v. Nathusins, Fig. 21.) ganz besonders verwischt zu sein scheint, so muss erwähnt werden, dass die zur Disposition stehende Schale desselben von einem nicht ausgekommenen und gänzlich in Fäulniss übergegangenen Ei herrührte. Es könnte sehr wohl sein, dass dies auch auf die Textur der Schale eingewirkt hat, obgleich das Faserhäutchen durch die Fäul- niss kaum affıcirt erschien. Uebrigens wird später gezeigt wer- den, dass durch Behandlung mit Chromsäure in der Schale des Schwaneneies im Wesentlichen dieselbe intime Structur als beim Straussenei nachgewiesen werden kann. Es ist also jedenfalls das Fehlen des scharfen Wechsels zwischen den durchsichtigen und den undurchsichtigen Schichten des letzteren, kein Beweis einer wesentlich anderen Structur. Das Oberhäutchen stellt sich als der variabelste Theil der Schale heraus. Während es beim Straussenei, wie gezeigt worden, von fast glasartiger Härte und Sprödigkeit ist, zeigt es beim Puter- und Hühnerei eine biegsame,, pergamentartige Natur, denn bei gesplitterten Schliffen kann man verfolgen, wie es nicht gebrochen ist, sondern sich biegt, und so die Fragmente noch zusammenhalten kann. Bei den Möveneischalen, mit denen ich operirte, tritt das Oberhäut- chen so in den Hintergrund, dass es an Radialschliffen gar nicht mit Bestimmtheit nachweisbar ist. Diese Schalen waren allerdings auf den Dünen von Sylt in Stücken aufgesammelt und mochten durch atmo- sphärische Einflüsse etwas gelitten haben; aber auch bei einem wohl- conservirten Ei von Alca troile war ein dem der hühnerartigen Vögel ähnliches Oberhäutchen nicht nachzuweisen und findet sich statt dessen nur eine Pigmentschicht ohne scharfe CGontouren, die, wie man sagt, am frischen Ei leicht abreibbar sein soll. Auch am Elsterei sehe ich auf Radialschliffen der Schale nur einen ganz zarten Saum, der keine Kalkkörnchen enthält, sich aber übrigens nicht von den anderen Schichten der Schale abgrenzt. Dass Präparate von der dünneren Schale der kleineren Eier andere Bilder bieten, als die des Strausseneies, wird schon dadurch veranlasst, dass erstere relativ nicht von derselben Feinheit herzustellen sind; einerseits treten doch aber starke Analogien hervor, während anderer- seits bestimmte Abweichungen bestehen. Tangentialschliffe zeigen bei allen von mir untersuchten Schalen!) eine wesentliche Uebereinstim- mung in Gestalt und Natur der Mammillen, während ihre Dimensionen allerdings sehr verschieden sind. Die beim Straussenei erwähnten, 4) Tangentialschliffe besitze ich ausser dem Straussenei vom Schwan, Puter, Haushuhn, Fasan (Ph. colchicus), Hausente, Möve, Alk und Eister. Da sie weniger charakteristisch sind-als die Radialschliffe, gebe ich keine on Ve um die Zahl der letzteren nicht zu gross zu machen. ‚ | | | | Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 41 möglicherweise als Krystalle zu deutenden dunkeln Striche, in der- jenigen Schicht der Mammillen, die der Oberfläche der Faserhaut ent- spricht, finde ich beim Schwanenei und Hühnerei, wenn auch weniger deutlich und scharf wieder. Dass sich in gewissen Schichten der Schale bei Radialschliffen die undurchsichtigen körnigen Einlagerungen als dreieckige oder aus Dreiecken combinirte Flächen zeigen, findet sich sehr entschieden auch beim Schwanenei, beim Hühnerei, beim Mövenei und beim Alkei: während sich aber diese Dreiecke beim Schwanen- und Hühnerei nur in solchen tieferen Schichten darboten, wo die Mammillen noch deutlich gesondert sind, treten sie im Gegentheil bei der Möve und beim Alk nur in den alleräussersten Schichten dicht unter der Oberfläche auf. Die Höcker, die Taf. XV. Fig. 19 an derselben zeigt, sind es, die beim Tangentialschliff diese dunkeln körnigen Dreiecke sehr schön zeigen. Bei ganz flachen Schliffen geben sie, von der sich einsenkenden Pigmentschicht umsäumt, ein sehr zierliches Bild. Dass diese undurchsichtigen Kalkkörner von sehr verschiedener Grösse sind, ist schon erwähnt. Bei Möve, Alk und Elster sind sie grösser als beim Straussenei, namentlich in den oberen Schichten; hei Puter, Ente, Huhn und Fasan sind sie dagegen so fein, dass manche Präparate in Zweifel über das Vorhandensein isolirter Körner lassen würden. Es sind ganz feine Schliffe und starke Vergrösserungen er- forderlich, um sie nachzuweisen. Die Art und Weise, wie diese un- durchsichtigen Körnermassen in der Schale und namentlich in den ' Mammillen vertheilt sind, ist eine sehr abweichende, wie die Zeich- nungen der Radialschliffe zur Genüge zeigen. Dem entsprechen auch die verschiedenen Bilder, welche die Tangentialschliffe bieten. Bei der Möve und dem Alk, wo die Spitzen der Mammillen durchsichtig und ‚ die darüber Fagenas Schicht fast ganz undurchsichtig ist, wird dadurch ‚die Bildung der Mammillen auf den Tangentialschliffen viel weniger ‚deutlich. Bei der Elster ist es ähnlich. Die unteren Enden der Mam- ‚millen sind ziemlich durchsichtig, enthalten aber einzelne, anscheinend ‚unregelmässig eingesprengte, stark lichtbrechende Körner von ca. 1,7— ‚0,6 Mmm. Durchmesser. Die stärkere Anhäufung dieser Körner ist es, ‚die der oberen Theil der Schale undurchsichtig macht. Bei den hühner- ‚artigen Vögeln, beim Schwan und bei der Ente sind die Mammillen ‚durch das Berk Verhältniss so deutlich und bestimmt. Die ein- 3angs erwähnten Untersuchungen durch Behandlung der Schale mit '3äuren hatten beim Fasan sehr eigenthümliche Resultate ergeben. "Mies ist Veranlassung zur Anfertigung einiger Tangentialschliffe von er Schale dieses Eies gewesen. Sie zeigen in den entsprechenden ‚eringeren Dimensionen genau das Bild der Hühnereischale, es dürfte | Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 16 242 W. v. Nathusius, sich: also bei der vermeintlichen Eigenthümlichkeit nur um ein, zufälliges Product der Auflösung der Schale gehandelt haben. Von Messungsangaben der Durchmesser der Mammillen, bei; den verschiedenen Eiern muss ich abstrahiren. Ihre unregelmässige polygone Form und ihre sehr schwankenden Dimensionen machen präcise An- gaben kaum ausführbar. Das Grössenverhältniss könnte nur durch Zeichnungen, deutlich gemacht werden und werden die Abbildungen der Radialschliffe hierin einen nothdürftigen Anhalt gewähren. Die gruppenförmig vereinigten oder verzweigten Porencanäle fan- den sich nur beim Straussenei, bei den übrigen untersuchten, Eiern fand ich sie einzeln stehend. Sie sind meist von ovaler Form. Einige Messungen ergeben, dass die Dimensionen bei den verschiedenen Ca- nälen desselben Eies und je nach der Lage des Querschnittes sehr variiren, also den Messungsresultaten keine grosse Bedeutung beigelegt werden kann; es wird sich jedoch rechtfertigen, wenn diese Messungen wie. folgt. in Mikromillimetern mit Hinweglassung der Decimalen,, mit- getheilt werden: g Grösster Kleinster Durchmesser. Durchmesser. Schwan . ...0..2.42 Mmm. 38 Mmm. _ He ARTE 35 - _ an. She wh2d 5 26 - Puter (Mündung d. Canals) 55 - Burre = | _ 37 - 31 - — (tieferer Querschnitt) 34 - 29 - 4 4 29 - ala Ente... DARAN Sure 31 - - ent A 12a - _ ee a nk 12 - Huhmaksscia als ARE 32 - = ee a 18 — - ah en an 9 —- -. (kleines. Windei) 17 - 12 - = = 6, = 10 - _ _ 14 — I - Basanı sute re Aee 12 - I RR 10 - Alk (Mündung d. Canals) 90 - 57 - - . ‚(tieferer, Querschnitt) 17 - 10. - - - 4 - Gi Ueber die Hüllen, welehe den Dotter des Vogeleies umgeben. 243 Grösster Kleinster Durchmesser. Durchmesser. De u 2 a Man. 43: Mmm. a a Usa; # VER BO IURLRURET 5 er 10 - Beim 2 ee haben die einzelnen Ganälchen nahe unter der Oberhaut, wie Fig. 11 zeigt, insoweit ihr Querschnitt noch rundlich ist, zwischen 50—20 Mmm. schwankende Durchmesser ''). Färbung der Schale. Das Pigment, welches statt des Ober- häutchens oder als Oberhäutchen die äussere Fläche der Schale bei gewissen Eiern überzieht und sich von da aus in die Porencanäle ein- senken kann, ist schon erwähnt. Ausserdem kommen aber noch Pigmenitschichten vor, welche die Schale in verschiedenen Tiefen , in Schichten von verschiedener Mäch- tigkeit, der Oberfläche parallel liegend, durchsetzen. Schon Bıasıus hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese verschieden tiefe Lage der Pigmentschichten die verschiedene Intensivität bedingt, welche die Flecken und Tüpfeln der Schale haben. Die Radialschliffe, Fig. 18 und 19 (Möven- und Alkei) zeigen solche in die Schale eingebettete Pig- mentschichten. Auch beim Elsterei habe ich sie an Radialschliffen in den verschiedensten Tiefen der Schale und häufig in mehreren sich einander deckenden Lagen nachgewiesen. Das Pigment finde ich bei den untersuchten Eiern von einem gleichmässigen tiefen Rothbraun. Die verschiedene Lage der Flecken; ändert aber nicht nur die schein- | bare Intensivität der Farbe, sondern auch ihren Ton, Wenn,z. B. beim Mövenei der rothbraune Pigmentfleck durch eine eiwas- stärkere Lage der grünlich gefärbten und trüben Schale durch- | scheint, zeigt er eine matte graue Farbe. Die ganz tief liegenden Flecke | werden von aussen gar nicht wahrgenommen, so dass beim Abschleifen ‚der Schale Pigmentflecke an. Stellen hervortreten, wo keine Tüpfeln ‚sichtbar waren. Wichtig für die Feststellung der. Structur der Schale werden die ‚so in dieselbe eingebetteten Pigmentschichten dadurch, dass sie eine ‚der Oberfläche parallele Schichtung auch bei solchen En nachweisen, | 'wo wie bei Möve, Alk und Elster die Lage der Kalkkörnehen eine zu ' unrogelmässige ist, um die Schichtung zu bezeichnen. 4) Es sei hier bemerkt, dass bei allen Abbildungen das’ angegebene Grössen- rerhältniss genau inne gehalten ist, so dass Messungen an denselben vorgenommen ‚werden können. Desshalb ist im Allgemeinen da, wo. Zeichnungen. gegeben sind, ‚on Grössenangaben Abstand genommen. Dass sich beim Abdruck die Dimen- ‚ionen meist um ein' Kleines verändern, ist bekannt. Auf solche Minutien kommt ; je J6doch hier: nieht'an, 16* ! 244 | W. v. Nathusius, Abnorme Eischalen. Nur beim Huhn war Gelegenheit zu ihrer Beobachtung und leider auch da nur in zwei Fällen. Die erste Beobachtung betrifft ein sogenanntes Windei. Dasselbe hatte 25 Mm. längsten und 20,5 Mm. kürzesten Durchmesser. Die Schale war mit nadelknopfgrossen Auswüchsen in ziemlicher Zahl versehen und nicht wesentlich dünner, als sie sich auch bei dünnschaligen, aber sonst normalen Eiern findet (Taf. XV. Fig. 17 A, Bu. C.). Die Faserhaut erschien ganz normal. Fig. 170. giebt einen Radialschliff dieser Schale. Wie man sieht ist das Bild, welches sie, durch die Art wie die un- durchsichtigen Einlagerungen stattfinden, darbietet, wesentlich von dem normaler Eier abweichend. Die zweite Abnormität bot ein ziemlich kleines und dünnschaliges, sonst aber normales Hühnerei dar. Am spitzen Pol zeigte es einen denselben umgebenden, ringförmigen Wulst von 2 Mm. Breite und 0,5 Mm. Höhe, dessen Kreisform aber doch sehr unregelmässig war. | Die Anfertigung einiger quer durch diesen Wulst gehenden Radial- | schliffe und eines Tangentialschliffs war ziemlich schwierig und waren | bei dem spärlichen Material nur mangelhafte Präparate zu beschaffen, | die aber doch einige beachtenswerthe Eigenthümlichkeiten mit ge- nügender Deutlichkeit erkennen liessen. | Der Radialschliff (Taf. XVI. Fig. 22 A.) zeigt, dass dieser Wulst | nicht etwa eine Verdickung der Schale ist, sondern einen Hohlraum | enthält, der durch die Faser- oder Schalenhaut von dem übrigen Ei | getrennt wird. Derjenige Theil der Schale, welcher diesen Hohlraum | umgiebt, ist ebenfalls mit einer Faserhaut bekleidet, und scheint der Hohlraum übrigens, soweit die Präparate dieses zu beurtheilen ge statten, Eiweiss zu enthalten. Die eigentliche Eischale ist, wie der! Radialschliff ergiebt, mit rudimentären Mammillen versehen ; dagegen | lässt sich aus diesem Schliff bei dem Wulst selbst das Vorhandensein ” von Mammillen nicht nachweisen. Die Tangentialschliffe lassen aber darauf schliessen, dass der dunkle Saum , der die innerste Schicht der Schale bildet, den Mammillen entspricht und sie dort wenigstens an-| deutungsweise vorhanden sind. In der äusseren Schicht der Schale finden sich, von undurchsichtigen Schichten begrenzt, durchsichtigere Stellen. Taf. XVI. Fig. 92 B. giebt einige derselben bei stärkerer Ver-' grösserung gezeichnet. Sie zeigen sich hier deutlich als aus gewölbten| Schichten bestehend, die durch die eingelagerte undurchsichtige Sub-| stanz markirt werden. Auf einem anderen Radialschliff sind die For men dieser Gebilde andere, nämlich rundere. Auf dem Tangential- schliff treten sie mit grosser Deutlichkeit als runde, helle, von der undurchsichtigen Masse theilweise scharf begrenzte Flecke hervor, wie Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 345 Taf. XVI. Fig. 23 zeigt. Hier scheinen Andeutungen einer radialen Streifung vorhanden. Concentrische Streifung ist nur einzeln zu be- obachten und zwar da, wo die Schlifffläche schief liegt, was dem Bilde des Radialschliffs entspricht. Ebenso entspricht es den abwech- ‚selnden Längen, die der Radialschliff zeigt, wenn auf dem Tangential- schliff gegen den Rand desselben, wo er sich der Oberfläche mehr nähert, die hellen Scheiben isolirt oder paarweise stehen, während sie in den tieferen Stellen des Schliffs eine gedrängte Masse bilden und sich theilweise gegen einander abplatten. Da das Material zu einem eingehenderen Studium dieser Gebilde nicht ausreichte, kann weiter Nichts über dieselben gesagt werden. Daraus aber, dass die Schale normaler Hühnereier nichts ihnen ähnliches enthält, scheint doch be- züglich der Genesis der Schale eine sehr wichtige Folgerung gezogen werden zu müssen. Wenn nämlich an solchen Abnormitäten die Schale eine wesentlich andere Bildung zeigt, so dürfte dieses mit der Mei- nung unvereinbar sein, dass diese nur ein äusserlich hinzugetretenes Secret oder Product des Eileiters ist. Diess gilt auch für die Beobach- tung, dass die Schale des Windeies eine wesentlich andere Bildung, als die Schale des normalen Eies hatte. Es ist nicht abzusehen, warum dieses alles stattfinden sollte, wenn es sich um äusserlich hinzugetretene Hüllen handelte. Ebenso ist nicht abzusehen, wie sich eine so eigenthümliche und charakteristische Bildung wie dieser Wulst durch mechanische Appo- sition bilden sollte, während er als Abschnürung der Eizelle und als Resultat ihrer organischen Fortbildung leichter verständlich wird, und wenn man die Schale in der naheliegendsten und einfachsten Weise ‚als ein Product der Eizelle auffasst, es nicht befremden kann, dass ‚eine abnorme Eizelle, wie das Windei, auch eine Schale von abnormer ‚Structur producirt. "Anwendung auf die systematische Ornithologie. Für ‚die Brasıus’sche Arbeit ist die Auffindung von Anhaltspuncten für die systematische Ornithologie in der genaueren Untersuchung der Ei- ‚schalen ein wesentliches Motiv gewesen. Sonach ist eine Aeusserung über diesen Gesichtspunct nahe gelegt, obgleich derselbe bei der hier vorliegenden Arbeit fern gelegen hat, und umfassendere Untersuchungen riet gewesen wären, um die Frage bestimmt zu beantworten. Es sei zunächst beinkrkts dass Tangentialschliffe bei dünnscha- ‚igen und kleinen Eiern weniger Schwierigkeiten darbieten als Radial- \chliffe, dass sie aber auch sehr viel weniger charakteristisch sind als etztere. Radialschliffe vom Elsterei, dessen eigentliche Schale nur ir Dicke von ca. 0,14 Mm. (0,18 Mm. incl. Faserhaut) hat, habe ich | | 246 W. v. Nathusius, präparirt, wesentlich um zu einer Ansicht über die bei so dünnschaligen Eiern zu erzielenden Resultate zu gelangen. Sie waren ziemlich befrie- digend, insofern sich manche wesentliche Eigenthümlichkeiten mit Be- stimmtheit erkennen lassen. Auch bezweifle ich nicht, dass sich die Technik des Präparirens in dieser Beziehung noch verbessern lassen wird, so dass wenigstens bei einer grossen Zahl nicht ganz dünn- schaliger Eier die Herstellung brauchbarer Präparate um so ausführ- barer ist, als auch dickere Schliffe bei auffallendem Licht manche Eigenthümlichkeiten, z. B. die Rauhheiten der Oberfläche und die ein- gebetteten Pigmentschichten,, fast besser zeigen, als dünne Schliffe. Es erscheint ferner schon nach den wenigen Species, die ich behandelt habe, wahrscheinlich, dass für gewisse Ordnungen oder Familien die Bildung der Eischale charakteristisch ist; die Erwartung aber, dass sich speeifisehe, entscheidende Merkmale herausstellen könnten, so dass man den Zweifel ob Species oder Varietät danach lösen dürfte, worauf Brasıus besonders sein Augenmerk gerichtet hatte, würde ich nach den Resultaten, die mir das Hühnerei gegeben hat, nicht aus- sprechen können. Wie Taf. XV. Fig. 17 Au. B. zeigen, sind hier, auch von den ganz abweichenden abnormen Bildungen abgesehen, so grosse Differenzen, dass sie, seien sie nun typisch oder individuell, die Fest- stellung von Speciesunterschieden sehr erschweren müssen. Die tech- nische Schwierigkeit, die darin liegt, dass ganz dünne. Schliffe andere Effeete geben als dickere, wird auch nicht zu übersehen sein. Nur ganz dünne Schliffe lassen gewisse Details in der Form der durch Kalkkörner undurchsichtigen Schichten erkennen. Uebrigens sind meine Unter- suchungen in dieser Richtung so wenig umfassend gewesen, dass ich nur Vermuthungen aussprechen kann. Es hat mit Ausnahme des Huhns immer nur ein und dasselbe Eiindividuum zur Anfertigung der | Radialschliffe gedient. Wer diese hier in den Hintergrund: tretende ” Frage lösen will, wird wohl ihun, von Hühnern, Putern und Enten ganze Reihen von Eiern zu untersuchen, dabei die Culturvarietäten zu k berücksichtigen und dann die Strausse und Gasuare vorzunehmen. & Ihre Eischalen eignen sich zu den besten Schliffen und Versprechaig nach Struthio camelus zu schliessen, sehr schöne Resultate. f Behandlung der Schale mit Säuren. Werden Stücke dies \ Eischale in verdünnte Essigsäure gelegt, so hebt die sich entwickelnde N Kohlensäure das Oberhäutchen, wenn dasselbe, wie z. B. beim Huhn; | biegsam ist und wenig Kalksalze enthält, ziemlich schnell ab. Von dem | tiefern Schichten bleibt nach Lösung des Kalks durch die Säure eine | gelatinöse Masse zurück , in welcher sich gewöhnlich runde, blasen-| förmige Räume zeigen, welche ohne Zweifel durch den Druck ‘der var | 4 Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 947 dem weichen Gewebe eingeschlossenen Kohlensäure entstanden sind. Schon ehe ich Schalenschliffe kannte, welche auf das bündigste be- weisen, dass diese Hohlräume auf keine präexistirende Structur zurück- geführt werden können, wurde mir ihre Eigenschaft als Artefacte da- durch wahrscheinlich, ‘dass sie bei verschiedenen Präparationen der- selben Schale, ja bei verschiedenen Fragmenten desselben Präparates in Zahl und Grösse ‘die beträchtlichsten Abweichungen zeigten. Von den 'entkalkten Ueberresten der Schale löst sich beim Hühnerei sehr leicht die Faserhaut oder diejenige Schicht derselben, die noch an der Schale haftet und auf mechanischem Wege nicht von ihr entfernt wer- den kann. An dieser Schicht oder an (der äussern Fläche der Faserhaut haften dann die von der übrigen Schale abgerissenen Reste der Mam- millen’in Gestalt durchsichtiger formloser Klumpen. Je nach Umstän- den, wie mir scheint bei dünnschaligen kleinen Eiern (Sperlingsei) der Regel nach, bleibt das entkalkte Residuum der Schale mit der Faserhaut vereinigt, wodurch dann die Bilder auf Flächenansichten noch täuschender werden. Igh habe diese Untersuchungsmethode, nachdem mir ihr Ungenügendes klar geworden war, nicht weiter ver- folgt und erwähne sie hier nur der Vollständigkeit wegen, früheren Arbeiten Anderer gegenüber. Wesentlich bessere Resultate werden erlangt, wenn zur Ent- kalkung der Schale Ghromsäure verwendet wird, deren erhärtender Einfluss auf das Gewebe die entstehenden Blasenräume allerdings noch verführerischer macht; sie gestattet aber an zerzupften Präparaten und auf Falten der Faserhaut, wo deren äussere Fläche nach aussen liegt, an den Ueberresten der Mammillen Form und organische Structur deutlich zu erkennen. Meine derartigen Präparate sind vom Schwanenei. Taf. XVI.Fig. 24 A, B und 0 geben solche Fragmente der Mammillen. ' Die runden Gebilde, die sich in A und B zeigen sind die durch die Kohlensäureentwickelung entstandenen Hohlräume. Noch 'bestimmtere Resultate werden durch die Behandlung von Schliffen mit Chromsäure erlangt. Es liegen dergleichen Tangential- schliffe ‘vom 'Straussenei und Radialschliffe vom Straussen- und Schwanenei vor. Es zeigen die mit Chromsäure entkalkten Radial= schliffe durch alle Schichten der Schale hindurch die feine der Ober- fläche parallele Streifung, wie sie in Fig. 24 C. in der Mammille dar- Schichten der Schale auftretenden 'gröberen Streifung oder Faserung, - \ die senkrecht auf ersterer steht." Es sind dies Bilder , die äusserlich an | | gewisse Bilder von quergestreiften Muskelfasern erinnern könnten. Die - Enden de? Mammillen haben dieselbe Combination von eoncentrischer | u. 248 W. v. Nathusius, und radialer Streifung, die Taf. Xlll. Fig. % B. nach einem nicht ent- kalkten Schliff darstellt. Es haben ferner die entkalkten Tangential- schliffe alle die Structureigenthümlichkeiten behalten, die früher erörtert und namentlich Taf. XIH. Fig. 6 und Taf. XIV. Fig. 7 abgebildet sind. Die Mammillen sind in ihren tiefern Lagen sternförmig gestreift, dann treten in den höheren Schichten die charakteristischen Dreieckformen auf. Diese Dreiecke zeigen sich hier scharf contourirt, durch die Chrom- säure etwas intensiver gefärbt und stärker lichtbrechend, als die sie | umgebende Substanz. Beim Zerfallen des Schliffs sind sie als isolirte | dreieckige Plättchen zu erlangen. | Es dürfte also die Entkalkung der Schliffe mit Chromsäure be- weisen, dass die eigenthümliche Anordnung der undurchsichtigen | Einlagerungen wirklich nur der Ausdruck einer sehr bestimmten | Structur der Grundsubstanz der Eischale ist. Dass diese Structur | vollständig und in allen Einzelnheiten auch nach der Entkalkung er- | halten bleibt, scheint ferner zu beweisen, dass es sich nicht um eine | Mengung oder Interposition von Kalksalzen und einem organischen " Bindemittel handelt, sondern um einen organischen Bau, der sich aus | einer chemischen Verbindung der Kalksalze mit den im engeren Sinne | gewöhnlich als organisch bezeichneten Stoffen construirt. | Behandlung der Schale mit Alkalien. Eine eindring- " liche Behandlung mit Kalilauge entfernt, wie schon von Lanpoıs und | Brasıus constatirt, die Faserhaut. Es war zu hoffen, dass eine derartige " Behandlung von Radialschliffen die in die Faserhaut eingesenkten | Knöpfe der Mammillen deutlicher zur Anschauung bringen werde. " Leider aber corrodirt auch verdünnte und vorsichtig angewendete F Kalilauge die Substanz der Schale selbst in dem Grade, dass ich, wenigstens beim Straussenei, keine brauchbaren Resultate erhielt. Die | | Schliffflächen trüben sich und die Endungen der Mammillen selbst werden corrodirt. Anderntheils aber ist die Action der Kalilauge auch | bei tagelanger Dauer und wiederholtem Kochen, doch nur eine ober-! flächliche, so dass der einzige Vortheil, den ich aus ihrer Anwendung” ziehen konnte, darin besteht, dass sich die auf die Oberfläche der! "Schale senkrecht gerichteten Streifen der Mammillen theilweise durch” die ganze Dicke der Schale verfolgen liessen. Dass auch das Ober- häutchen mit Kalilauge behandelter Schliffe Andeutungen einer dasselbel senkrecht durchsetzenden Structur zeigt, ist schon da erwähnt, wol dasselbe specieller abgenandelt wurde. vu Die Faserhaut der Schale. Dass das in frischem Zustande zähe und elastische Häutchen,, das zwischen Eiweiss und Schale liegt, aus. | einem Filz durchsichtiger und glasheller Fasern besteht, deren Zwischen z Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 249 räume mit Luft erfüllt sind, ist bekannt. Ueber die näheren Eigen- schaften dieser Fasern bleibt aber doch Manches zu sagen und dürfte dieses nicht überflüssig sein, wenn so befremdliche Fictionen, wie die, dass in diesen Fasern die glatten Muskelfasern des Oviducts wieder-. - gefunden werden sollen, möglich waren. Die Faserhaut besteht aus einer grossen Zahl übereinander ge- lagerter Schichten von Fasern, die aber fest zusammenhängen. Die Dicke der ganzen Haut, die im Uebrigen aus den Zeichnungen der Schalenschliffe näher ersehen werden kann, ist so beträchtlich, dass, auch wenn sie nach Austreibung der Luft in Glycerin oder Ganada- balsam gelegt ist, die einzelnen Fasern sich der Beobachtung nur an den Rändern darbieten. Um das Gewebe derselben zur Anschauung zu bringen, müssen möglichst dünne Schichten präparirt werden. Dieses geschieht auf verschiedene Weise. Man kann die dünne Schicht, die an der Schale haften bleibt, wenn der grösste Theil der Haut mechanisch entfernt wird, wie schon früher erwähnt wurde, durch Auflösung der Schale in Essigsäure isoliren. Man kann auch, nachdem das Häutchen abgezogen ist, noch einzelne zarte Fetzen mit dem Pinsel losmachen. Man kann das feuchte Häutchen auf einer Glasplatte fest- trocknen lassen und dann mit der Pincetite einzelne Schichten des- selben abziehen. Man kann endlich von einem so festgetrockneten ' Häutchen mit dem Rasirmesser Schnitte entnehmen, deren Ebenen in ‘sehr spitzen Winkeln gegen die Fläche des Häutchens liegen. Diese letzteren Präparate sind besonders geeignet, um an den auslaufenden ‘ Schnitträndern zu demonstriren, dass die Haut keineswegs blos aus Fasern besteht, sondern dass ihre Grenze gegen das Eiweiss durch ein zartes homogenes durchsichtiges Häutchen gebildet wird, und dass auf ‚ diesem Häutchen oder in den untersten Faserschichten Körner oder ‚ Kügelchen einer durchsichtigen, stark lichtbrechenden Substanz liegen. ‚ Die Grösse dieser Körnchen finde ich zu 1—1,5 Mmm. und zwar über- einstimmend bei Eiern verschiedener Grösse (Sperling und Ente). Sie |reien ebenso bei gekochten, wie bei ungekochten Eiern auf. Ueber- ‚ haupt scheint für alle Verhältnisse der Faserhaut zu gelten, dass das ‚Hartkochen der Eier ohne Einfluss auf sie ist. Fig. 25 A. (Taf. XVI.) giebt das Fasergewebe, wie es sich in einer dünnen Lamelle der Faser- haut des Hühnereies darstellt, die mit dem Pinsel von der Eischale abgelöst ist. Die stärkeren Fasern, die das Gewebe durchziehen, er- ‚scheinen an günstigen Objecten und bei starken Objectivsystemen als ‚alatte Bänder, die durch eine Verkittung oder Verschmelzung der eineren Fasern entstanden sind. Dass dem in der That so ist, bestätigt lie Behandlung der Faserhaut mit alkalischen Laugen. Wie schon er- 157 B| 1] | | ) 4 250 \ W, v. Nathusins, wähnt, wird die Faserhaut durch energische Einwirkung von kausti- schem Kali gelöst. Bei vorsichtigem Kochen mit verdünnterer Kali- lösung tritt aber vorher ein Moment ein, wo die Hautstückchen stark aufquellen, sich ausdehnen und dann in eine sehr durchsichtige, bei- nahe schleimige und fadenziehende Masse verwandelt werden. Diese Masse besteht, wie das Mikroskop nachweist‘, aus den stark aufge- quollenen und nur noch schwach lichtbrechenden Fasern, die aber so aus ihrem Zusammenhang gelöst sind, dass sie sich beim Zerzupfen in langen Enden frei legen und isoliren lassen, während vorher die ein- zelnen Fasern an den Stellen, wo sie sich kreuzen, so fest verbunden sind, dass man beim Zerzupfen niemals längere Fragmente einzelner Fasern, sondern kurze Stückchen, in denen die sich kreuzenden Fasern noch verbunden sind, erhält. Der Zusatz eines Tropfens Essigsäure contrahirt die gequollenen Fasern augenblicklich wieder in allen Richtungen, und erscheinen sie nun wieder als elastische, das Licht stark brechende rundliche Fäden. Ihre Dicke finde ich bei einem Präparat vom Hühnerei ziemlich wech- selnd. Die feinsten sind auf höchstens 0,5 Mmm. zu schätzen. Meistens haben sie einen Durchmesser von 0,75 Mmm. Derselbe kann aber bis auf 1,25, ja bis 1,5 Mmm. gehen. Bei diesen stärkeren, offenbar ab- geplatteten und zuweilen nur stellenweis verdickten Fasern bleibt es indess zweifelhaft, ob die Einwirkung der Kalilauge eine genügende gewesen ist; ob sie wirklich die primären Fasern des Gewebes dar- stellen und nicht etwa daher rühren, dass solche noch vereinigt sind. Es ist nicht leicht, die Einwirkung des Reagens so abzumessen, dass man sicher ist, die Lösung und Befreiung der primären Fasern von der sie überziehenden und verklebenden Substanz vollständig und in allen Theilen des Präparates erreicht zu haben, ohne dass die Fasern selbst der Auflösung verfallen. | Die rein präparirten Fasern geben auf das Täuschendste das Bild | der elastischen Fasern der Bindesubstanz wieder. Auch ihr Verhalten | gegen Alkalien und Essigsäure ist ganz dasselbe. Ich finde wenigstens | bei Körtiker (4. Aufl. pag. 78) auch für das elastische Gewebe die Angabe des Aufquellens und Erblassens bei begrenzter Einwirkung der Kalilauge. Ob freilich das so gequollene elastische Gewebe sich ” bei Essigsäurezusatz wie die Fasern des Eies wieder contrahirt, wird nicht angegeben. Auf einen Formunterschied muss ich jedoch auf- I merksam machen. Es gelang nie, Verzweigungen oder Theilungen der | primären Fasern der Schalenhaut od wirkliche, Anastomosen ähnliche | Netze derselben zu finden. Wo dergleichen vorzuliegen schien, war | es stets auf Vereinigung oder Verklebung distincter Primärfasern durch | Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 251 das Bindemittel zurückzuführen. Uebrigens sind auch die rein dar- gestellten Primärfasern,, wenigstens häufig, nicht drehrund, sondern abgeplattet. Die Dieke der Fasern dürfte bei den verschiedenen Eiern dieselbe sein, wenigstens nicht im Verhältniss zur Grösse der Eier stehen, denn ich finde sie bei Präparaten von der Schalenhaut des Strausseneies ganz ebenso wie sie oben für das Hühnerei angegeben ist. Auch beim Sperlings- und Eisterei lassen die nicht mit Kalilauge behandelten Fasernetze keine wesentlich andere Dimensionen der einzelnen Fasern vermuthen. Was die durch die incrustirende, in Kalilauge leichter lös- liche Substanz verbundenen Faserbündel oder vielmehr Faserbänder betrifft, so scheinen sie in den peripherischen Schichten der Schalen- haut breiter und häufiger zu sein, und auch in den grösseren Eiern in stärkeren Dimensionen vorzukommen. Es ist auch wohl noch der Er- wähnung werth, dass die Schalenhaut sich beim bebrüteten Ei nicht verändert, durch die Fäulniss des Eies anscheinend nicht affıeirt wird, und auch beim Windei vom Huhn nichts Besonderes erkennen lässt. Dass die Luftblase des Eies in der Schalenhaut selbst liegt und allseitig von derselben umgeben wird, ist bekannt. Bei einem Hühnerei, das in dieser Beziehung näher untersucht wurde, zeigten Querschnitte der Scehalenhaut, dass sie über dem inneren Drittel der Dicke derselben lag oder dass diejenigen Schichten, die die Luftblase gegen die Schale begrenzten, ungefähr doppelt so mächtig waren als diejenigen , die sie gegen das Eiweiss begrenzten. Da hier Querschnitte der Schalenhaut _ erwähnt sind, wird bemerkt, dass sie ziemlich leicht anzufertigen sind, wenn man die feuchte Haut auf einem Korkstück festtrocknen lässt oder dieselbe in trockenem Zustande auf ein Guttaperchastückchen drückt, dessen Oberfläche durch leichtes Erwärmen erweicht ist. "sAndere Faserhäute des Eies. Wie bereits eingangs er- wähnt, ist die Schalenhaut nicht die einzige Faserhaut, die sich im Ei findet, indem das Eiweiss auch gegen den Dotter durch eine, wenn auch sehr viel zartere Faserhaut begrenzt wird. Dass zwischen Dotter und Eiweiss ein Häutchen vorhanden, ist so leicht nachweisbar, dass es als ganz allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann. Wahr- ‚ seheinlich ist dieses so leicht darstellbare Häutchen bislang meist für die Zona pellucida des Eierstockeies gehalten worden. Ich finde dieses allerdings nirgends ausdrücklich erwähnt, und müsste es jedenfalls bestreiten. _ Beim rohen Ei ist das Häutchen in seiner Totalität leicht zu - isoliren, wenn man den Dotter nach dem bekannten häuslichen Ver- ‘fahren vom Eiweiss trennt, und in Wasser fallen lässt, wobei er von Bee 22 W, v. Nathusius, diesem Häutchen umgeben bleibt. Wird dann nach ‚Reinigung von an- hängendem Eiweiss das Häutchen zerschnitten, so fliesst der Dotter aus und lässt sich das Häutchen durch Abspülen mit Wasser leicht von den Dotterresten befreien. Ein so dargestelltes Häutchen vom Hühnerei hatte, wie sich auf-den Falten nach dem optischen Querschnitt bestim- men lässt, in Glycerin liegend, 7,5—6,8 Mmım: Dicke. Auf einer Falte, bei der die äussere Fläche des Häutchens nach aussen lag (Taf. XV1. Fig. 26 A.) zeigt die innere Schicht in einer Dicke von 4,4—3,8 Mmm. einen eigenthümlich punctirten Querschnitt. Nach aussen wird diese punctirte Schicht von drei deutlich abgegrenzten parallelen Lagen be- deckt, die zusammen ca. 3 Mmm. messen. Auf Falten desselben Prä- parates, die in entgegengesetzter Richtung, so dass die äusseren Schichten nach innen liegen , geschlagen sind, hat die punctirte Schicht nur 3—2,5 Mmm.!) und die drei äusseren Schichten haben sich durch die Faltung abgelöst (Taf. XVI. Fig. 26 B.). Diese äusseren Schichten sind überhaupt ein Bestandtheil des Häutchens, der als ein zufälliger und wechselnder betrachtet und eigentlich schon zum Eiweiss im engeren Sinne gerechnet werden muss. Bei gekochten Eiern bleiben viel stärkere Eiweissschichten mit der punetirten Schicht vereinigt, wie Taf. XVI. Fig. 27 A, Bund C©. nachweisen. Wie viel und wie starke Eiweissschichten mit dem eigentlichen Häutchen, der punctirten Schicht, verbunden bleiben, hängt also ganz von der Art der Präparation ab. Ein anderes Präparat von demselben Häutchen, nach welchem Taf. XVI. Fig. 26 A. gezeichnet ist, zeigt nur zwei statt drei Eiweissschichten. Auch gelingt es beim Zerreissen des von gekochten Eiern dargestellten Häutchens leicht, Präparate zu erlangen, wo sich an den Rändern grössere oder kleinere Theile der punctirten Schicht vollständig isolirt zeigen. Es liegen sogar Präparate vom gekochten Puterei vor, wo ein grösserer Fetzen des eigentlichen Häutchens durch Pinsel und Pincette 4) Bei allen Messungen solcher elastischen Häutchen nach dem optischen Querschnitt der Falten tritt es bei genauer Controle entgegen, dass die Dicke der Schichten, aus denen sie zusammengesetzt sind, sich je nach der Richtung, in wel- cher die Falte geschlagen ist, etwas modifieirt. Es ist leicht erklärlich, dass die äussere Schicht durch die Faltung gezerrt wird, also dünner erscheint, während die innere eine entsprechende Stauchung erleidet, also verdickt wird. Es würde also hier der Durchschnitt der verschiedenen Messungen ca. 3,5 als die wahre | Dicke angenommen werden müssen, wenn eine derartige Präcisirung dieser Mes- sung von grosser Bedeutung wäre. Sie ist es nicht, denn bei einem andern Prä- parat desselben Häutchens, das in verdünntem Glycerin liegt, finde ich die ent- sprechenden Dimensionen der punctirten Schicht zwischen 5 und 3,8 Mmm. Das Häutchen quillt oder contrahirt sich eben, je nach dem Medium in welchem es E sich befindet. i- Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 353 vollständig von den Eiweissschichten befreit und für sich in Glycerin eingeschlossen ist. Dieses Häutchen nun stellt sich bei gelungenen Präparaten und starken Objectivsystemen ganz unzweideutig als ein Faserhäutchen dar, und die Punctirung, die die entsprechende Schicht auf den Falten zeigt, als der optische Querschnitt der einzelnen Fasern, der hier zum Ausdruck kommt. Man kann unter Umständen mit vor- sichtiger Handhabung der Stellschraube des Mikroskops verfolgen, wie die Linien, welche auf der Flächenansicht die Fasern bezeichnen, in den Puncten des optischen Querschnittes enden. Die Existenz des Fasernetzes tritt auf den Flächenansichten zahl- reicher Präparate vom Hühner-, Enten- und Puterei unzweideutig hervor, und obgleich die Fasern unmessbar fein und demnach das Bild ein nicht derart bestimmtes ist, dass es durch eine Zeichnung in be- friedigender Weise wiedergegeben werden könnte, ist es auch schon mit mittelstarken Systemen, z. B. dem Zkıss’schen D., zu erkennen!). An Präparaten vom ungekochten Hühnerei finde ich das Fasernetz bei Flächenansichten nur in unbestimmten Andeutungen. Es kann dies daher rühren, dass das Fasernetz sehr elastisch ist und sich schwer in glatt aufliegenden Flächen präpariren lässt, dass es also da deutlicher hervortritt, wo es von den coagulirten Eiweisslagen, auf denen es haftet, in Spannung erhalten wird. Wenn aber hiernach immerhin die Frage gestellt werden könnte, ob die Fasern beim rohen Ei überhaupt vorhanden sind, so glaube ich sie darauf hin, dass vom Puter auch vom rohen Ei ein Präparat vorliegt, welches das Fasernetz, wenn auch nicht so schön als von gekochten Eiern, doch in genügender Deutlich- ' keit zeigt, bejahen zu können; ganz abgesehen davon, dass alle Prä- ' parate von ungekochten Eiern die charakteristische Punctirung des ' optischen Querschnittes auf den Falten zeigen. Die deutlichsten Prä- parate besitze ich von gekochten Enteneiern. Beim gekochten Sper- P 4) Hier ist wohl ein passender Ort für die Bemerkung, dass der bei dieser Arbeit benutzte mikroskopische Apparat ein Zeıss’scher ist. Die penetrirende Kraft des stärksten SystemesF, über das bekannte, sehr anerkennende Aeusserungen von SCHACHT vorliegen, wird wohl dem trockenen Harrnack’schen System No, 10 entsprechen, denn es ist der No. 9, die ich damit vergleichen konnte, entschieden j überlegen. Sehr nahe lag die Frage, ob nicht solche Objecte, wie das Faserhäut- . chen des Doiters und die später zu erwähnenden noch feineren Fasernetze des ' Eiweisses ein Studium mittelst der stärksten neueren Immersionssysteme verdient hätten. Durch Herrn Harrsack’s persönliche Freundlichkeit habe ich Gelegenheit ‚rd ‚gehabt, die betreffenden Präparate bei ihm selbst unter dem Immersionssystem ‚No. 15 zu betrachten, allerdings bei momentan ungünstiger Beleuchtung. Danach ‚scheint es aber, dass an diesen Objecten auch die stärksten Immersionssysteme nicht wesentlich mehr erkennen lassen, als das von mir benutzte Zkıss’Sche F, | | PA DE ERTER 254 W.v. Nathusius, lingsei blieben beim. Abziehen des Häutchens Eiweissschichten von 43—44 Mmm. Dicke mit der Faserschicht verbunden. Letztere hatte auf der Aussenseite der Falte, also in gespanntem Zustand, nur eine Dicke von 1,5, Mmm. Flächenansichten zeigten das Fasernetz nicht, was. bei den starken, das Bild trübenden: Eiweissschichten sehr erklär- lich ist. | Der. Leser wird verzeihen, dass diese Puncte etwas weitläufig ab- gehandelt sind, da die Existenz dieser zweiten Faserhaut an Stelle der Zona pellucida als besonders wichtig erscheint und deshalb der Wunsch , die Bestätigung der immerhin zu den ıninutiöseren gehörigen Beobachtung durch andere zu sichern, nahe lag. | Das Faserhäutchen ist übrigens auch auf Schnitten des Weissen von hartgekochten Eiern, nachdem die Dotiermasse vorsichtig entfernt ist, nachzuweisen. Mit. Reagentien konnte ich es nicht deutlicher machen. Kali löst es schnell‘, _ Essigsäure macht es mindestens nicht deutlicher, Ghromsäure giebt der ganzen Schicht eine feine: Körnung, die die Fasern nur noch schwer erkennen lässt, ammoniakalische Carminlösung färbt alles gleichmässig und macht es stark quellen. Bei diesen gequollenen: Präparaten ist aber bemerkenswerth, dass auf dem optischen Querschnitt der Falten des Häutchens ein feiner, homogener und nicht körniger Saum auf: derjenigen Seite hervortritt, welche den Dotter- begrenzt. Er hat eine ungefähre Breite von 1,5 Mmm:. In ein- zelnen: Fällen lässt sich. derselbe auch. bei einfach in Glycerin gelegten Präparaten ziemlich deutlich erkennen und ist da die Breite auf 1 Mmm. zu schätzen. Auf Taf. XVl. Fig. 27 A. ist: er angegeben. Hiernach würde sich also ergeben, dass das Faserhäutchen gegen den Dotter durch. ein: ganz feines, homogen: erscheinendes Häutchen abgegrenzt wird. Flächenansichten der Ränder, wo das vom Eiweiss:isolirte Faser— häutchen: abgerissen ist, lassen. ebenfalls bei genauer Prüfung ver- muthen, dass der Gontour des Randes nicht nur durch die Enden der einzelnen Rasern, sondern auch: durch ein homogenes Häutchen: gebildet wird. Diess muss indess: weiterer Prüfung anheimgestellt werden. Die Analogie mit‘ dem Faserhäutchen der Schale würde um so vollständiger I»3 sein, wenn auch bei dem des Dotters die innere homogene Schicht ausser allen Zweifel gestellt werden könnte. Das Windei vom Huhn, das schon, bei der Untersuchung der Schale erwähnt wurde, hatte einen, kleinen und unregelmässig geformten Dotter. Ein Schnitt dureh‘ das | gekochte Ei zeigte ilin von nieren- oder bohnenförmiger Gestalt, 6 Mm: |; längstem und 2 Mm. kürzestem Durchmesser. Seine Farbe war eine | sehr helle, grünlich weisse, so dass, um ausser allen Zweifel zu stellen, | dass es wirklich ein Dotter sei, es räthlich schien, ihn.auf:das. Vorhan- | Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben, 255 densein von Dotterkugeln zu untersuchen. Ihre Gegenwart mit den charakteristischen polyedrischen Formen, die sie in gekochtem Zustande besitzen und dem feingekörnten Inhalt war leicht zu constatiren. Vor- läufig muss ich also die vielfach bestehende Annahme, dass die soge- nannten Windeier dotterlos sind, in Zweifel stellen. Dieser Dotter nun besass das Häutchen des normalen Eies nicht. Allerdings waren aus der Umgebung desselben. häutige Fetzen zu gewinnen, die aber nur die feinkörnige Structur, die wir später in gewissen Schichten. des ge- kochten Eiweisses wiederfinden werden und faserige Massen zeigten. Hiermit ist aber nicht bewiesen, dass Rudimente eines Faserhäutchen, - die schwer nachzuweisen sein würden, nicht vorhanden waren. Ich kann überhaupt die Reihe der Fasernetze des Eies mit der Dotterfaserhaut noch nicht als geschlossen betrachten, sondern. ich muss annehmen, dass auch die bekannten Membranen, die durch dialytische Einwirkung des Wassers auf das Eiweiss, zur Anschauung gelangen, von Fasernetzen begleitet werden, die allerdings noch viel feiner und zarter als die des. Dotters sind. Wenn man die Structur des Eiweisses durch Rühren und Zerreissen gewaltsam zerstört, ist an den Trümmern der’Membranen nicht viel zu sehen. Ich habe das vom Dotter befreite Eiweiss eines frischen Hühnereies möglichst unzerstört in eine grössere Quantität destillirten Wassers gelegt und längere Zeit unter öfteren Er- neuerung des Wassers ruhig belassen. Die löslichen Theile des Ei- weisses wurden: allmählich vom Wasser aufgenommen, das Eiweiss verlor zuerst an seiner Peripherie die gelatinöse Beschaffenheit, wurde undurehsichtig und nach einigen Tagen blieben: die sämmtlichen Mem- branen als eine zusammenhängende, undurchsichtige, mattweisse Masse zurück. Wenn diese unter Wasser liegend , vorsichtig mit der Pincette gefasst, mit einer scharfen Scheere ein Stückchen abgeschnitten, und dieses auf dem Objectträger mittelst des Deckglases, ohne vorheriges Zupfen und Zerren auseinandergedrückt wurde, zeigte das stärkste Objectivsystem ein mattes aber doch. unzweideutiges Bild. eines ganz zarten Fasernetzes, wie es in Taf. XVl: Fig. 28 A. zu zeichnen versucht ‘worden ist. Da hierbei das Eiweiss schon einen leichten Fäulniss- geruch angenommen halle, und mir desshalb die gefundenen Fasern etwas zweideutiger Natur schienen, wurde der Versuch in folgender Art wiederholt. Aus einem an der Spitze geöffnetem Hühnerei wurden mit Pincette und Scheere kleine Eiweissportionen entnommen, jede auf einen | Objectträger gebracht und ein Deckglas mit dem Werckrr schen Wachs- verschluss aufgebracht, aber mit der Modification, dass zwei Seiten des Deckglases offen blieben und dass dem Wachs etwas Pech beige- 256 W. v. Nathusins, mischt war!). In den in destillirtes Wasser gelegten Präparaten waren nach 24 Stunden durch dialytische Wirkung des Wassers die Falten der Membranen und zarte Faserzüge mit netzförmiger Verbreitung sichtbar geworden. Nach 48 Stunden traten erstere mehr in den Hintergrund und die Fasern mehr hervor. Zugleich traten in einem der Präparate in den Falten der Membran in geringer Zahl spiral ge- wundene stark lichtbrechende Fasern von 0,5— 1,25 Mmm. Durch- messer hervor, an denen aber keine Abzweigungen zu bemerken waren. Eine der stärksten dieser Fasern ist auf Taf. XVI. Fig. 28 B. gezeichnet. Ich glaube nicht, dass die Beobachtung dieser Fasern auf einem Irrthum beruhen kann. Die deutlich auftretende spirale Kräuselung schliesst den Verdacht einer Verwechslung mit dem optischen Querschnitt einer Falte aus. Bei den ganz zarten, weniger genau zu beobachteniden Faserzügen oder Netzen ist allerdings die Aufgabe, mit Bestimmtheit Täuschungen, die durch Faltung ganz feiner Membranen entstehen können, zu eliminiren, eine sehr schwierige. Bis jetzt muss ich bei der Annahme, dass Fasern vorhanden sind, bleiben, ob sie aber als Netze oder als verzweigte Bündel vorkommen, muss ich zweifelhafter lassen, da es von der verschiedenen Handhabung der Präparate ab- hängt, welches von beiden man sieht. Um auf die spiralen Fasern zurückzukommen, so geht meine Meinung nicht etwa dahin, dass sie schon in der unveränderten Eiweisshülle die spirale Form haben. Es scheint mir im Gegentheil ihr Hervortreten durch die längere Einwir- kung des Wassers eben darauf zu beruhen, dass sie erst in Folge der- selben die spirale Kräuselung erhalten und in gestrecktem Zustande zwischen den Falten der Membranen nicht zu unterscheiden waren. Dass aber die Fasern selbst ein Artefact sein sollten, dürfte doch nicht anzunehmen sein. Es ist übrigens das betreffende Präparat in ver- dünntem Glycerin conservirt und dadurch die wiederholte Bestätigung der Beobachtung ermöglicht worden. | 4) Verfasser wendet bei allen in Glycerin, Chlorcalcium etc. eingeschlossenen | E* Präparaten den Wercker’schen Wachsverschluss mit der Modification an, dass # I) dem Wachs etwa 1/; gewöhnliches Pech zugesetzt ist. Es haflen dadurch die ! 'E Tröpfchen, die vor dem Einschmelzen des Wachsrandes an die Ecken des Deck- |” glases gebracht werden, so fest auf dem Objectträger, dass man das Präparat unter / so starkem Druck einlegen kann, dass sich die blusse Wachsbefestigung wieder lösen würde. Ebenso giebt die Pechmischung schon an und für sich einen festeren 1 Verschluss als das reine Wachs. Selbstverständlich ist, dass trotzdem eine Schicht | Kautschukfirniss übergestrichen wird. Dann scheint mir aber die Solidität der Präparate kaum etwas zu wünschen übrig zu lassen. Es ist, nebenbei bemerkt, schwer begreiflich, wie es möglich ist, dass in Werken, die die Technik des Mikroskopirens mit Vollständigkeit zu behandeln beanspruchen, der Wercker’sche| Wachsverschluss unerwähnt bleiben kann. Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 257 Damit ist dieser Gegenstand freilich nur angeregt, aber nicht er- ledigt. Die Schichtung der Eiweisshülle. Glücklicherweise ist das Studium des Eiweisses in einer andern Richtung ein um so ein- facheres und gewährt leichter präcise Resultate. Wenn von hartge- kochten Eiern Schnitte durch das Eiweiss in Ebenen, die den Radien des Eies entsprechen, entnommen werden, so zeigen dieselben bei schwacher Vergrösserung oder schon mit unbewaffnetem Auge, bei durchfallendem Licht und am besten nachdem sie in Glycerin gelegt sind, eine deutliche Abwechslung durchsichtigerer und undurchsich- tigerer Schichten. In Garmin färben sich die Schnitte überall, aber doch so, dass die Färbung an den undurchsichtigeren Stellen dunkler erscheint. Wesentliche Vortheile hat aber diese Färbung nicht. Be- sonders feine Schnitte sind keineswegs erforderlich, wesentlicher aber ist, dass die Schnittfläche glatt sei, da, wenn das Eiweiss krümelt und dem Messer adhärirt, die Bilder undeutlich werden. Ich finde es am zweckmässigsten, das recht hart gekochte Eiweiss vorher einige Zeit in Wasser zu legen und das Messer mit verdünntem Glycerin zu be- feuchten. Bei Anwendung etwas stärkerer Vergrösserungen erscheinen die durchsichtigsten Schichten der Schnitte als parallel laufende homogene Bänder (Taf. XVI. Fig. 29 B.) und die Undurchsichtigkeit der da- zwischen liegenden Schichten durch Einlagerung körniger Massen be- wirkt, weiche schmale parallele aber sich meist nicht in längere Linien fortsetzende Lagen bilden. Bei Anwendung der stärksten Vergrösse- rungen wird die Zusammensetzung dieser Lagen aus stark lichtbrechen- den feinen Körnern deutlich (Taf. XVI. Fig. 30.). Um zu prüfen ob diese Körnchen einer organischen Structur an- gehören oder nur ein Gerinnungsproduct sind, wurde dialysirtes, ' filtrirtes und dann wieder concentrirtes Hühnereiweiss coagulirt und ' Schnitte desselben in Glycerin gelegt. War das Eiweiss sehr con- eentrirt, so zeigten die Schnitte unter dem Mikroskop die homogene Be- E| ‚ schaffenheit der durchsichtigen Schichten, war es verdünnter, so hatten die Schnitte die körnige, rikurchäieiigäre Beschaffenheit. Es wird | nicht nur anzunehmen sein, dass diese Körnchen ein Gerinnungs- product sind, sondern auch, En die Schichten, in denen sie durch Re E anung entstehen, emiittssigeten, Dr heltigeres Eiweiss, Bias die durchsichtig bleibänden enthalten. Diese Auffassung wird, wie ‚sich weiter unten ergiebt, durch das Verhalten dieser ver schiedenen 13 en beim Kochen des Eies bestätigt. Dass aber in der Eiweiss- Ele Membranen liegen, welche derartige verschiedene Lösungen zu Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 47 I - REEL b 5 —— 258 ai W, v. Nathusius, trennen wohl geeignet sind, ist bekannt, und dass diese Membranen selbst auf den Schnitten der coagulirten Eiweisshülle nicht zur An- schauung gelangen, ist dadurch bedingt, dass ihre lichtbrechende Kraft, wie ebenfalls bekannt, der der Eiweisslösung zu nahe steht. ‚Wenn ein gekochtes Ei in seiner Längsaxe oder in der Ebene der kürzesten Durchmesser getheilt wird und dann von den Schnittflächen im ganzen Umfang der Eiweisshülle Schnitte genommen werden, lässt sich die Schichtung durch das ganze Ei verfolgen. Auf diese Weise sind die Zeichnungen Taf. XVII. Fig. 31, 32 und theilweise auch 33 entstanden. Wie schon bei Erörterung der Faserhaut des Dotters er- wähnt, folgen zunächst auf dieses Häutchen Membranen, welche flüs- siges Eiweiss einschliessen müssen, denn es zeigt sich bei Schnitten des gekochten Eies hier eine geschichtete Eiweisslage, die in Taf. XV. Fig. 29 A u. B. in grösserem Maassstabe wiedergegeben ist. Bei g der Fig. 31 und 32 konnte sie, wegen ihrer geringen Dicke nur angedeutet werden. Hierauf folgt ungeschichtetes, dünnflüssiges, nach der Coagu- lation undurchsichtiges und körniges Eiweiss. In diesem fluctuirt der Dotter frei und findet, wenigstens in der Richtung der kürzesten Durch- messer, einen Widerstand erst in den geschichteten Lagen. Dieses geht mit Bestimmtheit aus den verschiedenen Verhältnissen hervor, die je nach der Lage, in welcher sich das Ei während des Kochens befunden | hat, eintreten. Das Ei nach welchem Fig. 32 gezeichnet ist, hat wäh- rend des Kochens schräg gelegen. Der Dotter, specifisch leichter als das Weisse, ist also möglichst nach oben gestiegen, hat seitlich das flüssige structurlose Eiweiss verdrängt und sich mit der ihn umgeben- # den schwachen festen Schicht dicht an die festeren Zonen angelegt. # Eben dasselbe ist bei dem in Taf. XVII. Fig. 33 gezeichneten Entenei, @ das während des Kochens auf der Seite gelegen hat, eingetreten, wäh- ® rend das auf Taf. XVII. Fig. 31 gezeichnete Hühnerei, während des Kochens in möglichst senkrechter Stellung seiner Längsachse erhalten W wurde, so dass der Dotter ziemlich im Gleichgewichte blieb und seit- lich überall von der körnigen undurchsichtigen Schicht umgeben ist. | Taf. XVl. Fig. 29 B. entspricht einem Schnitt, der von der mit « be-" zeichneten Seite der Taf. XVII. Fig. 32 entnommen wäre, Taf. XVI.” Fig. 29 A. einem solchen durch die innersten Schichten der entgegen-\ gesetzten ‚Seite. Taf. XVII. Fig. 31 zeigt in der körnigen structurlosen Schicht zwei gegeneinander überliegende Stellen, die ein durchsich-| tigeres theils marmorirtes. Aussehen haben. Ob sie nur durch Unregel-' Ueber die Hüllen, welehe den Dotter des Vogeleies umgeben. 259 Hügel oder Auswüchse, die häufig und an sehr verschiedenen Stellen vorkommen. Auf Querschnitten erscheinen diese Auswüchse durch die Windungen der Schichten, aus welchen sie bestehen, unregelmässig geflammt und marmorirt. Was die geschichteten Zonen betrifft, so ist den Zeichnungen und dem schon über ihre Beschaffenheit Gesagten noch Folgendes hinzuzufügen. Vor allem muss hervorgehoben werden, dass sie keine Spirale, sondern annähernd concentrische Kreise bilden. Hiermit fällt die Mecker’sche Auffassung, dass das Eiweiss als eine zu- sammenhängende Schicht von dem Eileiter abgerollt werde. Die Zahl der hellen Zonen ist bei den Hühnereiern, die untersucht wurden, eine sehr verschiedene. So zeigt Taf. XVII. Fig. 31 nur fünf helle Zonen, Taf. XVI. Fig. 29 B. sechs, von denen die zwei äusseren schon weniger deutlich sind, Taf. XVII. Fig. 32 sieben, beim Entenei (Taf. XVII. Fig. 33) finden sich nur drei ganz helle Zonen, von einer breiteren aber schon zahlreiche Körnerschichten zeigenden umgeben. Es lässt sich beim Hühnerei überhaupt die Schichtung fast bis zur Peripherie, wenn auch mit abnehmender Deutlichkeit verfolgen (Taf. XVI. Fig. 29 B.). Beim Entenei dagegen ist die peripherische Schicht von der eigentlichen Zonenschicht bestimmter zu unterscheiden und erstere von vorwiegend körniger Beschaffenheit mit nur m Andeutungen zu beobachtender Schichtung. Bei einem Sperlingsei war das ganze Eiweiss auch nach ‘ dem Kochen viel durchsichtiger und eine Körnung ebenso wie bei dem "künstlich concentrirten Hühnereiweiss nicht zu bemerken; desshalb ‚sind auch die hier vorhandenen Zonen weniger deutlich hervortretend. Sie liegen näher an der Peripherie, so dass der Dotter seine Lage relativ stärker verändern kann. Ohne Zweifel werden hier bei den verschie- ‚denen Vögeln die mannigfachsten Abweichungen vorkommen. Ich ‚erinnere nur noch an die bekannte nach dem Kochen fast translucide ‚Beschaffenheit der sehr compacten Eiweisshülle des Kiebitzeies. Zu erwähnen ist noch, dass beim Hühnerei (Taf. XVII. Fig. 31.) ‚die zwei inneren Zonen sich nicht vollständig geschlossen zeigen. Ob dies Abnormität oder eine wesentliche Structureigenschaft ist, muss vorläufig dahingestellt bleiben. | Ueber das Weisse des schon mehrfach erwähnten Windeies vom ‚Huhn kann nur bemerkt werden, dass dasselbe von abnorm dünn- \düssiger Beschaffenheit ist, so dass es auch durch das Kochen nur eine - \yeringe Festigkeit erlangte. Beim Einlegen in Spiritus sonderte es sich - 'n zahlreiche concentrische Schichten , so dass Schnitte davon nicht zu - rmöglichen waren. = Gegen die Eipole verlaufen beim Hühnerei wie der Längsschnitt h lesselben (Taf. XVII. Fig. 32.) zeigt, die Zonen nicht regelmässig, son- AS 260 DM. Nathusins, dern lösen sich in ein Netz flacher Maschen auf. Dass man sich über- haupt die Schichtung der Eiweisshülle nicht als eine durch ganz scharf gesonderte Lagen bedingte vorzustellen hat, ergiebt schon Taf. XVI. Fig. 30 und das früher in dieser Beziehung gesagte. | Diese gemaschte oder netzförmige Structur tritt sehr charakteristisch an Schnitten durch gefrorenes Eiweiss hervor. Solche liegen in sehr zierlichen Präparaten von dem Polende eines Hühnereies vor, das, wie der Küchenausdruck lautet, nur pfläaumenweich gekocht war. Taf. XVI. Fig. 34 ist nach einem solcben Schnitt gezeichnet. Leider konnte Verf. diese Untersuchungsmethode mit dem Aufhören des Winters nicht weiter verfolgen, nachdem sie mit vollständig hart gekochten Eiern missglückt war. Bei diesen hatten sich stärkere Eisschichten ausgeson- dert, welche die Anfertigung brauchbarer Schnitte hinderten und die Structur zu sehr zerstört hatten. Diese gemaschte Structur der Eiweiss- hülle würde übrigens sehr verständlich, wenn wirklich als nachge- wiesen angenommen werden könnte, dass die dichteren parallel liegen- den Membranen durch Fasernetze und Faserzüge verbunden sind. Chalazen. Wenn auch dem Verf. bezüglich der Natur der sog. Chalazen sehr Vieles zweifelhaft geblieben ist, so muss er doch Einiges erwähnen, das die bisher geltenden Auffassungen wesentlich zu modi- ficiren geeignet ist. Bei Taf. XV. Fig. 32, wo nur die Chalaze des spitzen Pols zur Anschauung gelangt, weil«bei der des anderen Pols der Schnitt dieselbe nur äusserlich berührt, ist erstere als ein zu- sammengedrücktes Knäuel und nicht als ein gestreckter Strang vor- handen. Dass dieses ihre normale Beschaffenheit ist, wird durch alle % vorliegenden Präparate von gekochten Eiern bestätigt. Es wird ferner bestätigt, wenn man bei einem rohen Ei das Dotterhäutchen mit der | anhängenden Chalaze in Wasser fallen lässt. Auch hier sieht man nur ein compacies, überall durch runde Contouren begrenztes und sich leicht von dem übrigen Eiweiss trennendes Knäuel. Durch Zerreissen | der peripherischen Häutchen lässt sich allerdings aus der ganzen volu- | minösen Masse ein Strang hervorziehen und ausstrecken. Das ist aber | | ein Kunstproduet und entspricht der natürlichen Form der Chalaze nicht, ” welche sich am besten aus Schnitten durch das gekochte Eiweiss ergiebt. Ist aber die Chalaze ein zusammengewundenes Knäuel zahlreicher häu- tiger Schichten und ist ein merkbarer Zusammenhang zwischen diesen Membranen und den peripherischen Schichten der Eiweisshülle nicht ’ vorhanden, so kann die Chalaze auch nicht, wie ihr beigemessen wird), | die Function erfüllen, den Dotter durch einen von ihr ausgehenden Zug | I I 4) LEUCKART a. a. 0, p. 801. Üeber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 261 in der Mitte des Eies zu erhalten oder wenigstens zu verhindern , dass er bis zur Schale emporsteigt. Es ist schon nachgewiesen, dass es die geschichteten Zonen der Eiweisshülle sind, die dieses zu verhindern ge- nügen. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass die Chalazen einen elastischen Apparat darstellen, dessen Function aber nur dahin gehen kann, den Dotter durch den Gegendruck des elastischen Polsters, das der Chalazenknäuel bildet, von den Eipolen fern zu halten. So weit es sich um das für den Effect der Bebrütung, wie man ja auch annimmt, wesentlich nothwendige Aufsteigen des Dotters in der Richtung der kürzesten Durchmesser beim liegenden Ei handelt, können die elasti- schen Polster der Chalazen nur geeignet sein, die schon in dem gerin- geren specifischen Gewicht des Dotters begründete Tendenz desselben zum Aufsteigen zu verstärken und zu unterstützen. Die Frage liegt nahe, ob und welche Functionen die Chalazen, ausser dieser rein mechanischen, für die Oekonomie der Eizelle haben? Ob sie z. B. für die Circulation der flüssigen Bestandtheile fördernd sein können, indem sie die Communication zwischen den verschiedenen Schichten erleichtern? Leider kann ich hier nur Fragezeichen’ stellen und überhaupt über die Structur der Chalazen nur noch Folgendes fragmentarisch mittheilen. Es findet sich zunächst keine Hindeutung darauf, dass das Dotter- faserhäutchen in die Bildung der Chalazen eingeht, wenn auch ein positiver Gegenbeweis hier nicht geführt werden kann; dagegen ist es wohl unzweifelhaft, dass sie eine Fortsetzung desjenigen geschichteten Stratums sind, das die Dotterfaserhaut zunächst bedeckt. In der Um- gebung der Basis der Chalaze zeigen sich auf diesem Stratum in ver- schiedenen Richtungen verlaufende Faserbündel, welche in die Chalaze selbst übergehen. Was die Frage betrifft, ob die Chalaze einen bestimmt gesonderten ' Achsenstrang oder an dieser Stelle ein Lumen besitzt, so möchte ich sie / in beiden Beziehungen verneinen. Es lässt sich allerdings aus der Chalaze eines hartgekochten Eies, namentlich dicht über der Basis ein compacter translucider Strang isoliren, dessen Textur aber doch auf die Entstehung aus aufgerollten Membranen hinweist. Dieses wird noch entschiedener bestätigt, wenn man aus der Chalaze eines rohen Eies den Achsentheil zu isoliren sucht. Man kann dann eine Membran- schicht nach der andern ablösen, ohne zur Darstellung eines isolirten, bestimmt begrenzten Achsenstranges zu gelangen. Der auf diese Weise so weit als möglich isolirte Achsenstrang zertheilt sich unter starkem Druck des Deckglases in lauter gleichartige Fragmente von Membranen. Es wird also anzunehmen sein, dass die Achse der Chalaze nur aus ET | | 1% i 262 - W. v. Nathusius, denselben, aber fester aufgerollten Membranen, als das ganze Gebilde besteht; unbeschadet dessen dass die Textur der in der Achse befind- lichen Membranen oder die Beschaffenheit des flüssigen Eiweisses, das sie einschliessen, eine abweichende sein kann, denn es finden sich allerdings bei den mit Carmin gefärbten Schnitten durch das Chalazen- knäuel von gekochten Eiern die CGentren der einzelnen Stränge auf- fallend tiefer gefärbt. | Wenn ein aus dem rohen Ei isolirter Ghalazenknäuel unverletzt unter mässigem Druck des Deckglases in Glycerin gelegt wird, lässt sich schon mit blossem Auge der scheinbare Achsenstrang als ein durchsichtigerer Streif verfolgen, nicht aber als eine und dieselbe zu- sammenhängende Linie durch sämmtliche Windungen des Knäuels. Es finden sich anscheinend Verzweigungen, was auch sehr erklärlich wird, wenn man daran festhält, dass der oder die Achsenstränge nur durch Aufrollung einer membranösen Masse entstanden sind. Ich neige sogar zu der Annahme, dass häufig schon von der Basis an zwei Centren für die Aufrollung bestehen können und daraus Stränge resul- tiren, die nicht eine einfache spirale Drehung zeigen, sondern das Bild zweier um sich selbst gewundener Stränge oder einer Flechte dar- bieten. Auch die allerdings ganz schematisirte Zeichnung, die MEckEL a. a. O. von einem Chalazenstrang giebt, scheint ziemlich unzweideutig einer solchen Flechte und nicht einer einfachen Spirale zu entsprechen. Die schematische Figur 35 (Taf. XVII.) wird geeignet sein, einen Ueberblick über die Bildung der Eihüllen in ihrer Gesammtheit zu ge- währen. ; Hiermit zum Schluss dieser Mittheilungen gelangt, kann sich Verf. nicht verhehlen, dass sie vielfach lückenhaft geblieben, obgleich der | Arbeit die Mussestunden eines vollen Jahres gewidmet sind ‘und ein ' Material von 216 conservirten Präparaten vorliegt. Auch bezüglich des | Zurückgehens auf die ältere Literatur wird Manches mit Recht vermisst werden. Es kann sich aber derjenige, der in einem Centrum wissen- | schaftlicher Thätigkeit arbeitet und verkehrt, nur schwer ein Bild von ! den Schwierigkeiten machen, welche hier eine ländliche Isolirtheit entgegenstellt. Speciell sei erwähnt, dass schon von MeELsens'), in wenn | auch nicht so eingehender Weise, das Eiweiss als organisirt hingestellt | sein soll. Eine nähere Kenntnissnahme von dieser Arbeit ist leider nicht \ 4) Nach einer erst während des Druckes erlangten Notiz wahrscheinlich in der | 4 »Note sur les matieres albuminoides« (Extr. du. t. XVII. d. Bull. de,l’Acad. Roy. | de Belgique. 4852.) Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 363 möglich gewesen. Die ursprüngliche Absicht war hier nur, in Beziehung auf andere Untersuchungen zu einiger Klarheit darüber zu gelangen, ob wirklich die Beschaffenheit der Eihüllen die Ansicht rechtfertigt, nach welcher sie eine blos mechanische Apposition gewisser Secrete des Ei- leiters sein sollen, oder ob es nicht vielmehr geboten erscheint, zu der einfacheren Auffassung derselben, als einer weiteren Entwickelung der Zona pellucida überzugehen, so dass sie morphologisch als ein in- tegrirender Bestandtheil der Eizelle zu betrachten sind, während sie allerdings stofflich selbstverständlicherweise auf Secrete des Eileiters zurückgeführt werden müssen. Gerade in dieser Beziehung nun liegt allerdings die bedauerliche Lücke vor, dass die Entwickelungsgeschichte der Eihüllen nicht fort- laufend verfolgt wurde und aus Gründen, deren Anführung hier nicht am Orte sein würde, nicht verfolgt werden konnte. Hoffentlich werden diese Mittheilungen wenigstens dahin führen, dass diese Lücke durch Forscher, die solchen Arbeiten mehr Zeit widmen können, in befrie- digender Weise ausgefüllt wird. Durch einige gelegentliche Beobach- tungen, wie sie der Zufall darbieten kann, wird übrigens eine Frage von dieser Bedeutung nicht erledigt werden können. Einstweilen sei ein kurzer Rückblick auf dasjenige gestattet, was Verf. in der oben- erwähnten Richtung als das Resultat seiner Arbeit betrachtet. 4. Mit dem Nachweis der zarten und complicirten Structurver- hältnisse, welche die Eihüllen in allen Theilen darbieten, dürfte der- ‚ jenigen Ansicht, welche sie als ein mechanisches Product des Eileiters " betrachtet wissen wollte, der Boden entzogen sein. Der Befund stimmt nirgends mit der Meex£r’schen und ähnlichen Theorieen. Es sind z.B. die Eiweissschiehten nicht spiral, sondern concentrisch gelagert; es ist unrichtig, dass die centralen Schichten des Eiweisses die dichteren und die peripherischen die flüssigeren sind; das in allen Richtungen sich ‚ kreuzende Fasernetz der Schalenhaut konnte so auf mechanischem ' Wege nicht entstehen; für die Faserhaut des Dotters fehlt jede Erklä- rung; wie sie auch für die altbekannten Porencanäle der Schale nie versucht worden ist etc. etc. Ueberall stellen sich die Ei- ‚hüllen als organisirte Gewebe dar. ‚=. 2. Gegenüber der ältesten Auffassung, welcher sich auch BLasıus anzuschliessen scheint, und welche von mechanischen Erklärungsver- ‚suchen abstrahirt und ohne sich auf das Wie einzulassen , die Eihüllen auf Seerete des Eileiters zurückführt,, ist zunächst zu bemerken, dass ‚sie, soweit es das Material zum Aufbau derselben betrifft, unbe- denklich, ja selbstverständlich ist. Insoweit aber in ihr die Voraus- setzung liegen sollte, dass formlose Secrete sich in der Art, wie wir es 364 W. v. Nathusius, in den Eihüllen finden, selbständig organisiren könnten, würde sie die Errungenschaften der neueren Histiologie seit Scawann ernstlich in Frage stellen, indem alsdann die Entstehung von Organismen ohne die Elementargebilde der Zellen acceptirt wäre. Werden die formlosen Secrete des Eileiters durch die formbildende Thätigkeit der Eizelle organisirt, so gehören sie auch von da ab zum’ Organismus dieser Zelle. Wer sie also nicht zu dieser rechnen will, muss annehmen, dass ihre Organisation von sich selbst aus erfolgen kann. Solche Fundamental- fragen nicht vorzeitig als erledigt zu betrachten, ist gewiss dem Geiste wahrer Wissenschaft entsprechend, aber man muss doch über die CGonsequenzen klar bleiben und wird es dann wohl nicht in Frage kommen können, dass Thesen von solcher axiomatischen Bedeutung wie sie die These: dass Organisation nur aus vorhandenen Zellen her- vorgehen kann, für die neuere Histiologie erlangt hat, nicht mit blossen Suppositionen in Frage gestellt werden dürfen. | 3. Gegen solche Suppositionen scheinen mir in diesem Falle sie Thatsachen: dass der Einfluss des männlichen Thieres bei der Befruchtung sich bis. auf die Beschaffenheit des Oberhäutchens der Eischale erstreckt; dass die Zona pellucida des Eierstockeies sich am gelegten Ei nicht mehr vorfindet und an ihre Stelle complicirtere Gebilde getreten sind, dass abnorme Schalen und Eiweissbildung in Be- gleitung abnormer Dotterverhältnisse (Windei) vorkömmt, ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale zu werfen. 4. Die schon früher erwähnte, von KörLıker verfolgte Entwicke- lungsgeschichte der Hüllen des Fischeies, die ja so manche Analogieen mit denen des Vogeleies darbieten, wird obige Argumente noch wesent- lich verstärken. Hierbei sei noch die Bemerkung gestattet, dass, wenn KöLLiker zu der Annahme zu neigen scheint, dass die Hüllen des Fischeies und die »Verdickungsschichten« anderer thierischer Zellen als Analoga der Verdickungsschichten gewisser Pflanzenzellen betrachtet werden könnten, dieses wenigstens für das Vogelei keine Anwendung finden darf. Die Porencanäle der Hülle des Fischeies in der Art zu er- klären, dass eine gewisse schichtenweise Ablagerung von Secreten der Zelle an gewissen Puncten nicht stattgefunden hat, mag angehen; die ” verzweigten Porencanäle der Schale des Strausseneies lassen sich ” auf solche Weise nicht erklären, ebenso wenig die Faserhäute, die I einen so wesentlichen Bestandtheil der Hüllen des Vogeleies bilden. Es fragt sich also, ob nun nicht aus der unbestreitbaren Analogie zwischen den verschiedenen Eizellen der umgekehrte Schluss dahin nahe liegt, dass bei den entwickelteren Hüllen thierischer Zellen doch Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 265 andere Bildungsgesetze zur Geltung gelangen, als bei den einfachen Verdickungsschichten der Pflanzenzellen ? Muss nun wirklich Eiweiss und Schale als zum Organismus der Zelle gehörig betrachtet werden, so wird der Bau derselben ein ganz besonderes Interesse in Anspruch nehmen, als ein Object, das die Complication ahnen lässt, die auch in der Organisation der einzelnen Zelle stattfinden kann. Mag diese Organisation bei anderen Zellen immerhin eine andere und einfachere als bei der Eizelle sein, so bleibt es doch ein eigenthümlicher Gedanke, dass wenn das Hühnerei von 105—85 Mm. Durchmesser nur die Dimensionen der grössten Ganglien- zellen von 0,09 Mm. hätte, es einer tausendfachen Linearvergrösserung bedürfen würde, "um uns dasselbe in derjenigen Grösse vorzuführen, als dies jetzt das unbe waffnete Auge thut. Wir würden also dann von der ganzen complicirten Structur der Eihüllen so gut wie Nichts erkennen können. Die Nutzanwendung auf jedes Absprechen über die intime Structur der kleinen und kleinsten Zellen liegt nahe. Unter dem Gesichtspunct der Zugehörigkeit von Schale und Ei- weiss zur Zelle, wird auch die chemische Zusammensetzung der ver- schiedenen Gebilde, deren Isolirung, in Mengen die zur Analyse ge- nügen, verhältnissmässig leicht ist, hoffentlich einer näheren Unter- suchung werth gefunden werden. Was bis jetzt darüber vorliegt, ist sehr dürftig. Während des Drucks hat sich die Gelegenheit zur Untersuchung noch zweier Windeier, von denen eins von einer Ente herrührte, ge- boten. Auch diese beiden enthielten Dotter, wenn auch in verschie- denen und der Kleinheit des Eies Entsprenhänden Graden der Ver- kümmerung. Somit dürfte nun die vielverbreitete Meinung von der Dotterlosigkeit der sog. Windeier noch entschiedener,, als auf pag. 255 geschehen , als irrthümlich zu bezeichnen sein. 266 W. v. Nathusius, Erklärung der Abbildungen. Tafel XIII. Fig. 4. Eierstocksei vom Huhn (von 35,; und 28 Mm. Durchmesser) gekocht. Senkrechter Querschnitt durch die Kapsel in Glycerin, Syst. F. Oc. 4. 320),. a Siroma des Ovariums, Theca folliculi und Reste der Membrana gra- nulosa. Mit Schichten von Blutkörperchen oder Resten derselben, b Dotterhäutchen (Zona pellucida), c Dotterkugeln und Reste derselben. Fig. 2. Dasselbe Ohject bei derselben Vergrösserung. Präparat mit Ammoniak- Carmin und Essigsäure behandelt. In essigsaurem Glycerin. a Stroma des Ovarium, b Bindegewebige Theca folliculi besteht bei jüngeren Foilikeln aus kern- haltigem Bindegewebe. Bei den älteren ist sie vielfach von Blut- schichten durchsetzt, ce Reste der Membrana granulosa. Fett enthaltend, d Dotterhäutchen. Durch die Essigsäure stark gequollen, daher die Kräuselung und die Krümmung am Auslaufe des Schnittes, e Dotterkugeln, f Fetttröpfchen (Elemente der Dotterkugeln). Fig. 3. Straussenei. Radialschliff durch Schale und Faserhaut in Canada- balsam. Beleuchtung von unten. 2 Linsen v. Syst. C. Oc. 4. 55). ' Fig. 4A. Dasselbe. Sehr feiner Radialschliff durch die Schale in der Nähe der Faserhaut in Canadabalsam. Beleuchtung von unten. Syst. F. Oc.4. 3%0/,. a,b,c,d sind durchsichtige Säulen, die sich auch auf den Tangential- schliffen zeigen. a und b erscheinen ganz durchsichtig. Bei c schei- nen die körnigen Einlagerungen der nicht im Focus liegenden ge- # schichteten Säulen matt durch. Bei d scheinen die dunkeln Bänder durchzugehen, weil die Focaldifferenz zu gering ist. Fig. 4B. Dasselbe. Insertion der Mammillen der Schale in das Faserhäutchen. derselben. Nach einem ganz feinen Radialschliff in Canadabalsam. Be- leuchtung von unten. Syst. D. Oc. 2. 200). . Dasselbe. Tangentialschliff durch die Knöpfe der Mammillen und theil- weise durch die Faserhaut. Beleuchtung von unten. Syst. D. Oc. 2. 200),. a, a sind die Lücken zwischen den Mammillen. Fig. 6. Dasselbe. Aus demselben Schliff ebenso. Hier liegt die Schliffebene etwas höher über der Faserhaut. In der Zeichnung sind nur 4 Mammillen ausgeführt, bei den übrigen nur die Contouren angegeben und die un- durchsichtigen Stellen angedeutet. a ist das Lückensystem. Die Mammille 5 ist durch die Schliffebene an einer der Faserhaut näher liegenden Stelle getroffen als dieMammillec. Fr er uRQ [217 Tafel XIV. Fig. 7. Straussenei. Aus demselben Schliff und ebenso wie Fig. 5 und 6 der 7 Taf. XIII. Die Schliffebene liegt aber noch etwas höher über der Faserkaut | als bei Fig. 6. a Das Lückensystem. Die Contouren der einzelnen Mammillen sind | hier nicht mehr vollständig zu verfolgen. N Fig. 8. Dasselbe. Von dem sehr feinen Rande desselben Schliffs. Die Schliff- ebene liegt hier noch etwas höher als bei Fig. 7, und ist die Vergrösserung BE eine stärkere. Syst. F. Oc. 4. 32/,. iR Kig. :-9. Fig. 40 Fig Fig. 49. Fig. Fig. 15. ig. Ah. Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 267 Dasselbe. Aus demselben Schliff wie Fig. 5—7 und ebenso beobachtet. Die Schliffebene liegt hier noch höher als bei Fig. 7 und 8 und sind Con- touren der Mammillen und Lücken nicht mehr nachzuweisen. . Dasselbe. Zwei Gruppen von Luftcanälen aus einem Tangentialschliff durch die Schale ca. 14,66 Mm. unter der ausseren Fläche der Schale. Beleuchtung von unten. 2 Linsen vom Syst. C. Oc. 2. 66,75/,, g. 44 steht auf Taf. XV. Dasselbe. Ganz flacher Schliff von der Oberfläche der stark mit Carmin gefärbten Schale in Canadabalsam. Beleuchtung und Vergrösserung wie bei Fig. 10. Bei a ist das System feiner Sprünge gezeichnet, welches das Ober- häutchen der Schale durchzieht. Bei b,”wo die Schliffebene etwas tiefer liegt, sind die Sprünge nur noch in dem Hof, der die Mündun- gen der Luftcanäle umgiebt, vorhanden; sie sind aber dort nicht ge- zeichnet, um die Zeichnung nicht unnöthig zu compliciren. 43 und 14 stehen auf Taf. XV. “al. . 43. Puterei. Ganz flacher Tangentialschliff der stark mit Carmin gefarbten Schale in Canadabalsam von der äusseren Fläche aus betrachtet. Be- leuchtung von unten. Syst. C. Oc. 3. 160/,. aa sind Stellen des Präparates, wo die äussere Schalenfläche abge- schliffen und dadurch die rothgefärbte Schicht entfernt ist. Diese Stellen erscheinen grau marmorirt, weil halbdurchsichtig. bb Stellen des Präparates, die unterhalb der Schliffebene liegen und desshalb noch von der gerötheten Schicht bedeckt sind. c und d Zwei Lumina von Porencanälen. Sie sind nach aussen durch die geröthete Schicht (Membran?) geschlossen, mit Ausnahme der- jenigen Stellen, wo dieselbe ein System von Rissen zeigt. Diese Risse sind erst durch das Einlegen in heissen Canadabalsam entstanden. Das Lumen des Canals erscheint in den Rissen hell und farblos. Tafel XV. (Vergl. Taf. XIV. Fig. 40 und 12). Straussenei. Flacher Tangential- schliff durch die Schale, unterhalb des Oberhäutchens durch zwei Grup- pen von Luftcanälen, zwischen welchen einzelne Canäle liegen. Beleuch- tung von unten. 2 Linsen v. Syst. C. Oc. 2. 66,75/,. Straussenei. Die obersten Schichten der Schale (Oberhäutchen) nach einem ganz feinen Radialschliff der mit Carmin gefärbten Schale. In Ca- nadabalsam. Beleuchtung von unten. Syst. F. Oc. 4. 320/.. a oberste leicht geröthete Schicht, b zarte Grenzlinie des Oberhäutchens, ‘ce Baarrisse desselben, d durch den Schliff verursachte und mit den Haarrissen zusammen- hängende Spalten. Straussenei. Radialschliff durch die mit Carmin gefärbte Schale, der eine Gruppe von Porencanälen schneidet. In Canadabalsam. Beleuchtung von unten. 2 Linsen v. Syst. C. Oc. 2. 66,75/,. Die Ausführung der Zeichnung ist nur skizzenhaft, da sie nur die Verhältnisse der Poren- canäle zeigen soll. a Oberhäutchen der Schale, b,b,b,b, b,b Stellen des Präparates, wo die Porencanäle angeschliffen sind, ihr Lumen sich also durchsichtig zeigt, e,c,c Theile der Porencanäle, die nicht angeschliffen sind, also durch die undurchsichtigen Schichten der Grundsubstanz nur mehr oder weniger deutlich durchscheinen. c',c',c’ Dergl. Canäle, deren obere Fortsetzung nicht sichtbar, weil sie von der Schliffebene abweicht, d Reste der Faserhaut, e Mündung der Gruppe, wo die hier stattgehabte starke Röthung durch die Carminfärbung mittelst eines dunklen Tons angedeutet ist. 268 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig Fig. W. v. Nathusius, 16. Puterei. Radialschliff durch S@hale und Faserhaut. In Canadabalsam. Beleuchtung von unten. 2 Linsen v. Syst. C. Oc. 4. 525). Die Undeut- lichkeit der Schichtung beruht vielleicht auf der Mangelhafligkeit des Präparates. 47A. Hühnerei mit farblosem Oberhäutchen. Radialschliff wie "Fig. 16 beob. u. gez. ATB. Hühnerei mitstarkintensivgelbem Oberhäutchen (Cochin- china-Kreuzung). Radialschliff wie Fig. 16 und 17A. beob. u. gez. Der ge- ringe Durchmesser der Faserhaut rührt wahrscheinlich daher, dass der Schliff ihre Schichten nicht vollständig enthält. Die Zeichnung giebt eine leichte, wenn auch schwächere Wellung der Oberfläche als bei Fig. 47 B. nicht an, eine Solche ist aber vorhanden. 17C. Windei vom Huhn. Durchmesser des Eies 25 u. 20,5 Mm. Radial- schliff. Wie Fig. 16, 17 Au. B beoh. u. gez. 18. Mövenei. Radialschliff. Wie Fig. 46 u. 47 beob. u. gez. Die bei a,a durchgehenden dunklen Schichten sind braunes Pıgment. .49. EivonAlcatroile. Ziemlich dicker Radıalschliff durch die Schale in Canadabalsam. 2 Linsen v. Syst. C. Oc. 4. 5235/,. Beleuchtung von oben. a Die undurchsichtige, also hier weiss erscheinende Schale, bb Dunkelbraune Pigmentschicht der Oberfläche im Querschnitt, cc Dieselbe in der Flächenansicht, d Pigınenlirter Porencanal, ee Horizontale Schichten von braunem Pigment. Sie sind nach einem anderen Präparat der Zeichnung hinzugefügt. ff Durchsichtige, also dunklei' erscheinende Schichten der Schale, 99 Die ebenfalls durchsichtigen Enden der Mammillen, h Faserhaut. Tafel XVI. 20. EivonAlcatroile. Querschnitte von zwei pigmentirten Porencanälen aus einem Tangentialschliff durch die äusseren Schichten der Schale in Canadabalsam. Beleuchtung von unten. Syst. D. Oc. 2. 200/,. Der dun- kelste Ton bezeichnet die tief rothbraunen Pigmentmassen. Die um- gebende Schale erscheint als halbdurchsichtig, grau marmorirt. . 21. Schwanei. Radialschliff durch Schale und Faserhaut in Canadabalsam. Beleuchtung von unten. 2 Linsen v. Syst. C. Oc. 4. 525/,. . 224. Hühnerei. Radialschliff durch einen abnormen, ringförmigen Wulst am spitzen Eipol, in Canadabalsam. Beleucht. v. u. Syst. A. Oc.4. #1,25/,. a Faserhaut, welche den inneren Raum des Wulstes von dem übrigen Ei abschliesst. Der hierdurch gebildete Hohlraum ist mit Eiweiss- schichten gefüllt, welche in den Präparat zusammengeschrumpft sind. Andere Präparate zeigen, dass dieser Hohlraum auch gegen die Schale mit einem Faserhäutchen bekleidet ist. b durchsichtigere Einschlüsse der Schale, welche bei: 22B. in grösserem Maassstab wiedergegeben sind. Syst. F. Oc. 1. 320/,. 23. Tangentialschliff durch die durchsichtigere Schicht bei b von Fig. 22 A. In Canadabalsaın. Beleuchtung von unten. Syst. D. Oc. 2. 200). In der Richtung von a verläuft der Schliff gegen die Oberfläche der Schale. Auf dieser Seite desselben stehen die aus dem Querschnitt der helleren Einschlüsse entstehenden Scheiben einzeln oder paarweise. In der Richtung von 5 senkt sich die Schliffebene tiefer in die Schale und bilden deshalb hier die hellen Scheiben eine gedrängte Masse. . 24A4,Bu.C. Schwanei. Fragmente von Mammillen aus der mit Chromsäure entkalkten und zerzupften Schale. Präparate in Glycerin. Syst. F. Oc. 4. 320/,. An A hängen noch 2 Fäden der Faserhaut. B ist wohl die Basis einer Mammille wie sie bei A an derselben befindlich ist. Die runden Ein- schlüsse, welche namentlich A und B zeigen , sind Hohlräume durch die Kohlensäureentwickelung entstanden. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. 269 . 254. Hühnerei. Segment einer ganz dünnen Lamelle der Faserbaut der Schale. Nach Behandlung mit Essigsäure in essigs. Glycerin. Syst. D. Oc: 3; 30/,. 25B. Dasselbe. Einzelne Fasern vom Rande einer Lamelle der Faserhaut. Syst. F. Oc. 2. 401/,. - .26Au.B. FaserhäutchendesDottersvoneinemrohen Hühnerei. Optische Querschnitte auf Falten des in Glycerin befindlichen Häutchens beobachtet. Syst. F. Oc. 2. #1/,. Die Buchstaben a und : bezeichnen die äussere und die innere Fläche des Häutchens, so dass sich bei A die äussere, das Eiweiss und bei B die innere, den Dottier begrenzende Schicht auf der Aussenseite der Falte befinden. 27A.B.C. Dasselbe Häutchen von einem weichgekochten Hüh- nerei. Sonst wie Fig. 27. Bei A liegt, wie auch hier durch die Buchstaben ; und a bezeichnet wird, die innere den Dotter begrenzende Schicht auf der Aussenseite der Falte, bei B und C die äussere das Eiweiss begrenzende. Bei B ist die Flächenansicht des im optischen Querschnitt punctirt erscheinenden eigentlichen Faserhäutchens bei derjenigen Einstellung des Focus, wo die Fasern hell erscheinen, gezeichnet, es giebt aber die Zeichnung die netzförmige Kreuzung der Fasern nicht deutlich genug wieder. Bei € ist die Flächenansicht des Fasernetzes bei derjenigen Einstellung des Focus gezeichnet, wo die Faserzüge dunkel erscheinen. 28A. Hühnerei. Zarte Fasernetze aus den mit Wasser dialysirten Häut- chen des rohen Eiweisses. In Wasser beob. Syst. F. Oc. 2. 401/,. a sind durch Faltung der Häutchen entstandene stärkere Contouren. 28B. SpiraleFaserausmit Wasserdialysirtemrohen Hühner- Eiweiss. Zwischen den Membranen desselben beobachtet. Präparat in verdünntem Glycerin Syst. F. Oc. 2. @01/,. 294. Hartgekochtes Hühnereiweiss, Quersehnitt von der den Dotter begrenzenden Schicht in der Ebene der kürzesten Eidurchmesser in Gly- cerin halbschematisch. Sysi. D. Oc. 4. 159. a Faserhäulchen des Dotters, b innerste geschichlete und durchsichtige Eiweisslage, ce körnige, wenig durchsichtige Eiweissschicht. . 29B. Hartgekochtes Hühnereiweiss. Querschnitt durch das ganze Eiweiss in der Ebene der kürzesten Eidurchmesser. In Glycerin. Syst. C. 94 33,5). au. b. wie vorstehend. Die körnige Schicht fehlt hier (vergl. Fig. 32 bei «. . 30. HartgekochtesHühnereiweiss. Aus einem dünnen Schnitt in der Ebene der Längsaxe. Mit Carmin gefärbt, in Glycerin. Syst. F. Oe. 4. 30/,. Tafel XVII. . 34. Durchschnitt eines hartgekochten Hühnereies in der Ebene derkürzesten Durchmesser. Halbschematisch nach den einzelnen Schnitten und dem Effect bei durchfallendem Licht gezeichnet. Maassstab: 2/,. Für die Bedeutung der Buchstaben vergl. Fig. 32. . 32. Durchschnitt eines zweiten Hühnereies in der Rıchtung der Längsaxe. Sonst wie Fig. 31. a Schale, bb Faserhaut der Schale, ce Luftraum, d geschichtetes Eiweiss, e dünnflüssiges, structurloses Eiweiss, in welchem der Dotter fluctuirt, f Knäuel der Chalaze, g9 geschichtetes Eiweiss zwischen Membranen, das unmittelbar über der Faserhaut des Dotters liegt. 370 W. v. Nathnsius, Ueber die Hüllen, welche den Dotter des Vogeleies umgeben. Fig. 33. Durchschnitteineshartgekochten EnteneiesinderEbene der kürzesten Durchmesser. Sonst wie Fig. 31. und 32. a Schale und Faserhaut derselben, b äusserste Eiweissschicht. Hier ziemlich undurchsichtig und meist körnig, doch aber noch mit Andeutungen von Schichtung, c geschichtetes Eiweiss, d dünnflüssiges, structurloses Eiweiss, in welchem der Dotter flactuirt, e membranöse Hügelbildungen auf: f dem geschichteten, dickflüssigem Stratum, das unmittelbar auf dem Faserhäutchen des Dotters liegt, g9 Luftraum. Artefact, durch die Contraction des Dotters und der Ei- weisshüllen beim Kochen entstanden. Fig. 34. Hühnerei. Aus einem Radialschnitt durch weichgekochtes und dann gefrorenes Eiweiss vom Pol des Eies. Das Präparat ist nach Behandlung mit Wasser in Glycerin gelegt. Syst. A. Oe. 2. 51,2/,. aa Grössere Hohlräume durchschnitten, bbb Kleinere Höhlräume, welche der Schnitt nicht geöffnet hat. Fig. 35. Hühnerei. Schematische Darstellung des Schnittes in der Richtung der kürzesten Durchmesser. Giebt ein Resüme der Hauptresultate der Unter-. suchung. Vergr. ca. 2. a Oberhäutchen der Kalkschale, db Kalkschale mit den abwechselnd mehr oder weniger durchsichtigen Schichten (— durch körnige Einlagerungen —). Sie ist von Poren- canälen durchbohrt, die mit den Lufträumen communiciren, welche zwischen den von der Kalkschale aus in die Faserhaut eindringenden Mammillen bleiben. c Faserhaut. Aus parallelen Schichten sich kreuzender -z be- stehend. Gegen das Eiweiss durch: d homogene Schicht begrenzt, e—h Eiweiss. Die in gekochtem Zustande durchsichtigen Lagen h,h,h,h, h bestehen aus sehr concentrirtem Eiweiss. Die undurchsich- tigeren Schichten e, f, g sind wasserhaltiger. Ihre Undurchsichtigkeit rührt von der körnigen Beschaffenheit her, welche sie bei der Coa- gulation annehmen. Bei f, , , 5, f sind diese körnigen Massen deutlich concentrisch ge- schichtet. Bei g ist keine Schichtung. In dieser letzten Schicht fiuctuirt der Dotter ohne Hinderniss. e zeigt beim Hühnerei keine deutliche Körnung, wohlaber beim Entenei, ‘ ist ein zartes Faserhäutchen,, ähnlich wie c, aber weit feiner. Es scheint gegen den Dotter noch durch eine ganz zarte homogene Mem- bran begrenzt zu sein. k äusserste Schicht des Dotters, dessen kuglige Elementartheile nur angedeutet sind. sıtschr. f wissensch. Zoolı Bd, AVII. o Pig Taf. klll. | | | | | Lan ıAnatıv 3.0/Bach, Lajpuf ER N N ; n N & * aa Reuschn f wıssenschaftl: Kool. Ba. vll. x Taf. XIV. Lith Anste JO Buch Leipuig, er 2% N | el 23 0.) GE Nr 2 = I y ic RAL HI Zeıtschr-1. wissenschh, Zool. Bd AVill. FI&.ITC. AU NEWLNNY Lin Anst26.Bach Laipuf us KV: —ıa Taf. XV. FiB.25A. Fi.25B. FIg.25A Fig.26 B. Fig.29A. ———a erz n “ESTER Fig.284. BIS:2OB. Fig.29B. en Fig.27A. Lith.Anstv.J.0.Bach, Leipzig w \ R u S. L < . - Ueber die Gattung Cynthia als Geschlechtsform der Mysideen- gatiung Siriella. Von Prof. Dr. €. Claus. Mit Tafel XVIH. Unter den Mysideen, welche in dem grossen Reisewerke von Dana) bearbeitet worden sind, nimmt die Gattung Siriella in mehrfacher Hinsicht eine hervorragende Stellung ein. Dieselbe ist eine der drei ‚Gattungen (Promysis, Macromysis, Siriella), deren Thoracal- beine nicht wie bei Mysis mit vielgliedriger Spitze enden, sondern durch ‚die geringe distinete Gliederzahl und durch den Besitz einer apicalen Klaue die Charaktere von echten Gehfüssen tragen, immerhin aber noch ‚den wohlentwickelten zur Schwimmbewegung dienenden Nebenast besitzen, der mit Recht als wichtigstes Merkmal der Schizopoden gilt. ‚Als Charaktere von Siriella werden der Besitz von 16 Thoracalbeinen, ler Mangel einer Lamelle zu den Seiten der beiden Geisseln der innern ‚\ntennen und die rudimentäre Beschaffenheit sämmtlicher Abdominal- üsse hervorgehoben. Sowohl die auf jene Charaktere gegründete iagnose der Gattung, als die speciellere Beschreibung, welche Dana ‚on drei Siriellenarten giebt, scheint um so weniger ausreichend, als ‚em genannten Forscher die sehr. abweichend gestalteten Männchen ‚öllig unbekannt geblieben sind. Ich verdanke die Kenntniss der ‚iriellenmännchen der Durchsicht einer Suite von Crustaceen, welche ‚m Capitän SchneHagen für das Hamburger Museum gesammelt, durch 'e Güte des Herrn Collegen Mösıus mir zur Untersuchung anvertraut ‚urde. Auch fand ich dieselben Männchen unter den Sahizopaden der | DserRoN 'schen Sammlung. ® 4) United States exploring Expedition Vol 13. Part I. Philadelphia 1832. 272 Prof. Dr, €. Claus, Dana hebt unter den Charakteren von Siriella zunächst den Besitz von 16 klauentragenden Thoracalfüssen hervor. Ich finde jedoch namentlich das vordere Paar, in geringerem Maasse das zweite Paar der Gestalt modifieirt, dass man dieselben mit gleichem Rechte wie bei Mysis und Promysis als Kieferfüsse aufzufassen hat. Zum Min- desten kann das erste Paar seinem gedrungenen Baue und seiner Lage nach nicht als Beinpaar bezeichnet werden. Der mit langen Borsten besetzte Nebenast desselben (Fig. 10.) ist 10gliederig, mit Ausschluss der grossen basalen Platte, welche sich an dem Basalgliede des 6gliedrigen Hauptstammes einlenkt. Der folgende Kieferfuss erscheint schon bedeutend länger, vor- nehmlich durch die Streckung des vorletzten und drittletzten Ab- schnittes (Fig. 11.) und nähert sich in seiner Form bereits sehr den 6 nachfolgenden Beinpaaren, von denen er sich jedoch durch ein ab- weichendes Verhalten der Borstenstellung am Endgliede leicht unter- scheidet. Das Endglied der 6 Beinpaare (Fig. 12.) ist verhältnissmässig schmal und liegt von zwei seitlichen Reihen langer Borsten, welche am oberen Rande des gestreckten vorletzten Abschnittes entspringen, um- stellt. Das Endglied des zweiten Kieferfusses besitzt dagegen eine bedeutendere Stärke, trägt am Rande Borsten und liegt völlig frei, läuft indessen ebenfalls an der Spitze in eine ansehnliche Klaue (Fig. 11.) aus. Der Nebenast des hinteren Kieferfusses ist ebenso wie der entsprechende Anhang der Beine Iigliedrig (Fig. 12.), ein Charakter, der weniger für die Gattung als für die besondere Species in Betracht kommen mag. Die beiden letzten Paare von Thoracalfüssen trägen im weiblichen Ge- schlecht wie bei Mysis am Grunde des Basalgliedes zur Bildung der Bruttasche eine grosse, nach aussen gewölbte pigmentirte Lamelle. Die Lamellen des vorletzten Fusspaares, welche von Dana übersehen worden sind, stehen hinter den nachfolgenden an Umfang merklich zurück und bilden das innere und obere Blatt der Bruttasche. Auch | das Männchen besitzt wenigstens am letzten Thoracalfusspaar einen | Anhang, welcher der grossen hinteren Lamelle des Weibchens homolog ist und ebenfalls eine geschlechtliche Function übernommen hat. Bei Mysis ist der nämliche Anhang, ohne, wie es scheint, in seiner Be-! ziehung zu der unteren Platte der weiblichen Bruttasche erkannt zu” sein, mit Rücksicht auf die Lage der männlichen Geschlechtsöffnung an seiner Spitze, als Penis bezeichnet worden. In der That scheint auch der homologe Anhang des Männchens von Siriella als Penis zu fungiren. Derselbe birgt in seiner untern Hälfte (Fig. 14.) den mit Samenfäden gefüllten Endabschnitt des Vas deferens und läuft am oberen Rande in eine kurze mit Borsten besetzte Platte aus, welche Ueber die Gattung Cynthia als Geschlechtsform der Mysideengattung Siriella. 273 einige Bewegungen zu gestatten scheint. Am Grunde dieser Platte liegt .die Geschlechtsöffnung von einem kurzen fingerförmigen Zapfen über- ragt. Dass dieses äussere Glied mit seinem fingerförmigen Zapfen als Begattungswerkzeug gebraucht wird, scheint mir vorzugsweise aus dem Mangel spermatophorenartiger Umhüllungen der Samenballen bei Siriella sowohl wie bei Mysis hervorzugehen. Anders freilich ver- hält sich in dieser Hinsicht die Gattung Euphausia (Thysanopoda), die sich überhaupt nach Bau und Entwickelung viel weiter von den Mysideen entfernt, als man nach ihrer systematischen Stellung glauben sollte. In den Begattungseinrichtungen zeigen die Euphausiden grosse Analogieen zu den Gopepoden. Nicht nur, dass die Männchen eine Sper- matophore absetzen, welche von ganz ähnlicher Form als die der Cala- niden mit einem langen engen Halse endet; die Spermatophore wird auch an eine den Geschlechtsöffnungen benachbarte Stelle und zwar in der Mitte des drittletzten Thoracalsegmentes unter zwei vorstehen- den Platten mittelst eines festen Kittes angeklebt (Fig. 18.). Von da aus gelangen die Samenkörper, welche kleine kernhaltige Zellen dar- - stellen, wahrscheinlich hervorgedrängt durch einen im hinteren Theile der Flasche angehäuften Austreibestoff in einen besondern Raum des weiblichen Körpers, über dessen Verbindung mit den Geschlechtswegen ich leider nicht ins Klare gekommen bin. Mit dieser Art der Copulation steht denn auch eine Umbildung der beiden vorderen Abdomipalfusspaare im Zusammenhang, welche an die eigenthümliche Gestaltung des fünften Fusspaares mancher Gala- niden (Euchaeta etc.) erinnert!). Bei der männlichen Siriella da- gegen finden sich sämmtliche Fusspaare des Hinterleibes in einer ganz anderen, aber so abweichenden Weise gestaltet, dass ein früherer Be- obachter Tuourson?) die eigenthümliche Form dieser Schwimmfüsse als Gattungsmerkmale auffasste und dieselben als die wesentlicher Charaktere der Gattung Gynthia verwerthete. Im Gegensatze zu der ganz rudimentären Form der abdominalen Füsse des Weibchens, stellen die entsprechenden Extremitäten des Männchens mächtig entwickelte Schwimmfüsse vor, welche überdies eigenthümlich gestaltete, als Kiemen gedeutete Anhänge tragen. Mit Ausnahme des vorderen Paares, welches nur einen einzigen Schwimm- fussast besitzt (Fig. 15.), erheben sich am Ende eines stark ange- schwollenen musculösen Basalgliedes zwei meist 12gliedrige mit langen Ruderborsten besetzte Aeste, daneben aber findet sich an der unteren 4) Vergl. Craus: Ueber einige Schizopoden und niedere Malacostraken Mes- sinas. Diese Zeitschr. 14863. 2) Tuompson, Zooloaical researches. Zeitschr. £. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 18 374 Prof. Dr C. Claus, Seite des Basalgliedes, nahe am Ende desselben, ein gablig getheilter Schlauch angeheftet, dessen Aeste an den drei mittleren Füssen nach der entgegengesetzten Seite eingerollt sind (Fig. 15 a, b, c.). An dem ersten und letzten Paare (Fig. 15 d.) zeigen diese Anhänge bei einer geringeren Grösse eine etwas abweichende Gestalt, in welcher in- dessen die Tendenz der Einrollung nicht zu verkennen ist. Eine so grosse Verschiedenheit der Abdominalfüsse im männlichen und weiblichen Geschlechte muss in um so höherem Grade bemerkens- werth erscheinen, als die eingerollten Schläuche an den Füssen des Männchens die Bedeutung von Kiemen besitzen. Es würde demnach der Besitz von respiratorischen Anhängen in einer vornehmlich durch den Mangel von Kiemen charakterisirten Gruppe im Zusammenhange mit der grösseren Beweglichkeit und dem hieraus entspringenden Respirations- bedürfnisse als ein ausschliesslicher Charakter der männlichen Ge- schlechtsform auftreten können. Geschlechtliche Unterschiede, die sich auf die Entwickelungsstufe seitlicher Schwanzbeine als Schwimmfüsse beziehen, sind übrigens schen für verwandte Mysideengatitungen be- kannt geworden, insbesondere hat O. G. Sans!) eine Gattung Nema- topus beschrieben, deren Abdominalfüsse im weiblichen Geschlecht wie bei Mysis und Siriella verkümmert sind, während sich das Männchen durch vollständig entwickelte zwei ästige Schwanzbeine an die Thysanopoden anschliesst. Zu den für Nematopus gültigen Eigenthümlichkeiten würde also bei Siriella noch der Besitz von Kiemen an den zweiästigen Schwimmfüssen des Männchens hinzu- kommen. Man wird mit Recht einen eingehenden Beweis für die Richtigkeit meiner Behauptung, dass die mit Kiemen versehenen als Cynthia be- kannten Mysideen männliche Siriellen sind, zu verlangen berechtigt sein, um so mehr als die directe Beobachtung der Begattung bei der Untersuchung von Weingeistexemplaren hinwegfällt. Ich will zunächst darauf hinweisen, dass von den beschriebenen Arten der Gattung Cyn- thia nur Männchen?) (GC. Thompsonii M. Edw., armata M. Edw., inermis Kr.), bekannt geworden sind, während die Charakterisirung der Gattung Siriella und der von Dana beschriebenen Arten (S. vitrea, gracilis, brevipes) ausschliesslich weiblichen Formen entlehnt ist. Allerdings glaubt Dana in Fig. 1 Taf. 44 das Männchen von Siriella | 4) O. G. Sars, Om en i Sommeren 4862 forelagen zoologisk Reise i Christianias | og Trondhjems Stifter. 1863. 1 | 2) M. Epwarps, Hist. nat. des Crustaces. Tom Il. pag. 462. On n’a observe sexes, on soit oblige de modifier les caracteres assien6s a ce genre. Ueber die Gattung Oynthia als Gesehlechtsform der Mysideengattung Siriella. 275 gracilis abgebildet zu haben, allein mit Unrecht; die Abbildung be- zieht sich vielmehr, wie unter Andern auch aus der Gestalt der Ge- schlechtsdrüse hervorgeht, auf ein nicht vollständig entwickeltes Weibchen. Der männliche Geschlechtsapparat ist weit gestreckter und ganz ähnlich dem Hoden von Mysis gestaltet. Dana hat unzweifelhaft die jugendliche Siriella für das Männchen ausgegeben. Natürlich wird die erwähnte Thatsache, dass in dem einen Formenkreis nur Männchen, in dem anderen nur Weibchen zur Beobachtung gelangt sind, höchstens dazu dienen können, den Beweis der generischen Zusammen- gehörigkeit beider Formenkreise zu bekräftigen und zu bestätigen. Der directe Theil des Beweises liegt in der völligen Gleichheit sämmtlicher Gliedmaassen, mit Ausnahme der geschlechtlich umgeformten Theile. Auch wurden beide Formen vom Kapitän ScHnEHAGEn an dem nämlichen Orte (Küste von Valparaiso) gleichzeitig gesammelt. Die allgemeine Körpergestalt von beiden Geschlechtern zeigt aller- dings insofern eine Differenz, als sie im weiblichen Geschlecht durch ein gestreckteres Abdomen schlanker erscheint. Die Abdominalsegmente ‘des Männchens sind stärker aufgetrieben und zur Bewegung der wohl entwickelten Schwimmfüsse mit einer kräftigeren Musculatur versehen. Das Brustschild aber stimmt in beiden Formen genau überein. Vorn läuft dasselbe in einen ganz kurzen Schnabel aus, während es am hinteren Rande eine so starke Ausbuchtung besitzt, dass die letzten Thoracalringe unbedeckt liegen (Fig. I u. 2.). Ebenso übereinstimmend ist die Pigmentirung des Körpers. Grosse ramifieirte Pigmentilecke erstrecken sich in die Basalglieder sämmtlicher Gliedmaassen mit Aus- nahme der Schwanzbeine, besonders charakteristisch sind die dunklen Pigmentpuncte an den Seiten der drei letzten Brustringe und sämmt- licher Hinterleibssegmente, die sich überdies durch den Besitz eines grösseren medianen Pigmentfleckes der Bauchseite auszeichnen. Dagegen entbehrt das Weibchen der Pigmentirung des Fächers, während das Männchen sowohl in der Mittelplatte als in der inneren Seitenplatte des Fächers in der Umgebung der Gehörblase ausgedehnte Pigmentramificationen besitzt. Auf diesen Unterschied, dürfte jedoch kein allzugrosser Werth zu legen sein, da die Gestaltung des Fächers bis auf die Details übereinstimmend ist. Die Mittelplatte, merklich kürzer als die Seitenplatten, beginnt zwischen zwei seitlichen, schnabel- förmigen Ausläufern des fünften Abdominalsegmentes und verjüngt sich ‚unter Bildung einer mässigen Ausbuchtung nach dem unteren Ende ‚zu ganz allmählich. Am Seitenrande mit kurzen Dornen besetzt, trägt | eselbe am unteren Endrande jederseits drei bis vier Dornen, zwischen ‚denen drei kleine mediane Spitzen nebst zwei langen dünnen Faden- | 18 * 276 Prof, Dr. €. Claus, borsten eingeschlossen liegen. Von den Seitenplatten’ des Fächers endet die innere zugespitzt mit einem stärkeren und einem schwächeren Dorn, der innere Rand derselben ist mit kurzen Spitzen besetzt, zwischen denen längere Borsten hervorstehen, der äussere trägt einen Saum längerer Borsten. Die äussere etwas kürzere Lamelle des Fächers besitzt eine ansehnliche Breite und ist am inneren Rande, sowie am untersten Abschnitt des Aussenrandes mit langen Borsten umsäumt. Der äusserste Abschnitt der Platte erscheint vom Hauptstücke abgesetzt und durch zwei kurze Muskelbündel geringen Bewegungen zugänglich (Fig. 16.). Die Augen sind kurz gestielt und kuglig gewölbt. Die in- neren Antennen bestehen in beiden Geschlechtern aus einem ansehn- lichen 3gliedrigen Stiel mit ausgebuchtetem Basalglied, kurzem Mittel- glied und aus zwei langen vielgliedrigen Geisseln, von denen die innere etwas stärker ist und lange fadenförmige Ausläufer eines im letzten Stielglied gelegenen Pigmentflecken birgt. Die bedeutende Länge dieser Geisseln konnte nicht ganz genau bestimmt werden, da bei sämmtlichen Exemplaren die Spitze der Geisseln abgebroehen war. Jedenfalls ist die pigmentirte innere Geissel am längsten, vielleicht jedoch nicht ganz so lang, als in der Abbildung dargestellt wurde. Die Pigmentirung ist im männlichen Geschlechte reicher als im weib- lichen, dessen Antennenstiel überdies viel schmaler und schmächtiger ‚ist. Ueberdies läuft das Endglied des Stieles beim Männchen in einen ansehnlichen Fortsatz aus und ist am Innenrande mit einer Unzahl dicht gestellter sehr feiner Haare besetzt. Dass wir dieser Eigenthüm- lichkeit die Bedeutung geschlechtlichen Charakters beizulegen haben, ergiebt sich aus dem Vergleich mit Mysis und Podopsis. Auch hier findet sich am Innenrande der männlichen Antenne eine dicht behaarte und zwar abgegliederte Platte, welche dem Weibchen fehlt und jenem Fortsatz der männlichen Siriella homolog ist. Dana benutzt freilich das Vorhandensein dieser Lamelie zur Charakterisirung seiner Gatiungen Promysis und Macromysis, wenn man jedoch berücksichtigt, dass bei Dana die nöthige Kritik zur Sonderung der Jugendformen und des Geschlechtes überall vermisst wird, so dürfte man gegen die Richtigkeit der generischen Verwerthung jenes Charakters um so mehr gegründete | Bedenken tragen. Die langen feinen Haare am Innenrande jenes Fort- | satzes und der entsprechenden Lamelle bei Mysis scheinen auf die Geruchsfunction nicht bezogen werden zu dürfen, die charakteristischen | Riechfäden finden sich vielmehr an der Innenseite der äusseren Geissel | und zwar in beiden Geschlechtern. Die äussere Antenne des zweiten Paares (Fig. 5.) trägt auf einem | kurzen undeutlich zweigliedrigen Stiel eine breite borstenrandige Platte, | Ueber die Gattung Cynthia als Geschlechtsform der Mysideengattung Siriell. 277 welche nicht ganz bis zum Ende des Stieles der inneren Antenne reicht und eine lange vielgliedrige Geissel, deren drei untere Abschnitte einen seeundären Stiel darstellen. Dieser letztere ist kürzer als die borsten- randige Platte und durch die bedeutende Länge seines Mittelgliedes ausgezeichnet. Von den Mundtheilen, die in beiden Geschlechtern bis ins kleinste Detail übereinstimmen, zeichnet sich die Oberlippe durch den Besitz eines langen Dornfortsatzes aus, welcher sich in der oberen fast kuglig gewölbten Aussenfläche erhebt (Fig. 6.). Die Mandibeln erscheinen fast.rechtwinkelig gebogen und tragen an dem oberen Rande des Winkels einen langen Taster, der sich mit sehr kurzem Angelgliede einlenkt. Das Mittelglied desselben bildet eine breite nach oben zuge- spitzte Platte mit borstenbesetztem Innenrande, das schmale, stiel- föormig verlängerte Endglied trägt ebenfalls am Innenrande lange Borsten, an der oberen Hälfte jedoch kürzere und befiederte recht- winkelig abstehende Fiederborsten, von denen sich die apicalen durch eine bedeutendere Stärke auszeichnen und sich zur Bildung eines -Hakens zusammenlegen. Dieselben werden an der Spitze von einer gerade emporstehenden Borste überragt. Der kurze kräftige Kaufortsatz endet mit einer complicirt gestalteten Bezahnung, welche an der Man- dibel der rechten Seite von der Bezahnung der linken auffallend ver- schieden ist, in beiden Geschlechtern aber eine vollständige Ueberein- stimmung zeigt. An der Kaufläche jeder Mandibel (Fig. 7 u. 7’) unter- scheidet man eine obere Kauplatte (a), eine mittlere kammförmig ge- zähnte (mit 8 Zähnen) Leiste (b) und einen unteren Kaufortsatz {c). Kauplatte und Kaufortsatz sind an der rechten und linken Seite ver- schieden gestaltet. Die erstere erweist sich an der rechten Mandibel (Fig. 7 a.) als eine einfache, spitz zulaufende Platte, während sie an der linken Seite’kürzer bleibt, mit breitem, ungekerbten Rande endet und au ihrer unteren inneren Fläche eine kräftig bezahnte secundäre Platte hervortreten lässt (Fig. 7 u. 7”). Der untere Kaufortsatz der rechten Mandibel läuft in eine lange Spitze aus (Fig. 7 c), der ent- sprechende Theil der linken Seite (Fig. 7 c’) ist beträchtlich höher und , kürzer und endet scharfrandig abgestutzt. Unterhalb der Mandibeln | finden sich der Medianlinie genähert zwei kurze, gekrümmte Lappen, ‚, welche die Unterlippe bilden. Die Maxillen des ersten Paares bestehen | aus zwei mit Borsten besetzten Kaufortsätzen (Fig. 8.). Die Maxillen ‚ des zweiten Paares (Maxillarfüsse Dana) sind bedeutend umfangreicher ‚und flächenhaft ausgebreitet (Fig. 9.). Der basale Abschnitt derselben |äet am inneren Rande drei Kauladen, von denen die untere die um- ap ezeichste ist, und am äusseren eine borstenrandige Platte, welche ‚dem Nebenaste der nachfolgenden Kieferfüsse- entsprechen mag. Das 278 “Prof. Dr. C, Glaus, Endstück, der oberen Partie des Fusses gleichwerthig, bildet die obere und grösste der Kauplatten. Die Zurückführung unserer Siriellen auf eine der beschriebenen Arten von Siriella oder Cynthia ist bei der unzureichenden Be- schreibung sämmtlicher Formen mit Sicherheit nicht ausführbar. Mit Dana’s S. vitrea und gracilis stimmt sie in der Bildung der Tho- racalfüsse, von denen das letzte Paar beträchtlich kürzer ist als die vorausgehenden, überein, während Gestalt und Borstenbesatz des Fächers erheblich abweichen. Von den drei bekannt gewordenen GC ynthiaarten würde die von M. Enwarns beschriebene GC. armata schon wegen ihres langen über die Augen hinausreichenden Stirnschnabels auszuschliessen sein. Da- gegen dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, dass die auf die Unter- suchung eines einzigen Exemplares gegründete Tuomrson’sche Art trotz mehrfach abweichender Angaben des Autors mit unserer Art zu- sammenfällt. Die Körperlänge unserer Siriella vom Stirnrande bis zur Spitze des Fächers beträgt I0—A1 Mm., während jüngere Männ- chen mit 9gliedrigem Nebenaste des Kieferfusses, 10gliedrigen Neben- ästen der Thoracalfüsse und schwächeren Kiemenanhängen der mit 10gliedrigen Ruderästen versehenen Schwanzfüsse 7—8 Mm. lang sind und die jüngsten mir bekannt gewordenen Männchen!) (Fig. 16.c.) mit Ygliedrigen Nebenästen der Thoracalfüsse, 9gliedrigen Ruderästen der Schwanzfüsse und knospenförmigen Anlagen der Kiemenanhänge nur 5 Mm. erreichen. Die von Kroyer?) nach zwei noch dazu unvollständig erhaltenen Exemplaren beschriebene C. inermis kann ich nicht als besondere Art anerkennen, da ihre Unterscheidungsmerkmale von (. Thompsonii grossentheils mit Eigenthümlichkeiten junger Männchen übereinstimmen. (Die geringe Ausbildung der noch nicht spiralig ein- gerollten Kiemenanhänge, die Kürze der Nebenplatte der zweiten An- | tenne und die Bewaffnung am Endrande des letzten Hinterleibs- | segmentes). Ohne natürlich einen strieten Beweis führen zu können, halte ich es nach dem Erörterten für wahrscheinlich, dass mit unserer | J in der Südsee und an der Küste von Valparaiso gefundenen Siriella, die ich S. Edwardsii zu nennen mir erlaube, mit M. EnwArns’ Cyn- | thia Thomsonii (ausgewachsenes Männchen aus dem Atlantischen | Ocean) und Krover's Cynthiainermis (jüngeres Männchen aus dem Atlantischen Ocean) identisch ist. 1) In diesem’ Jugendalter sind die Füsse sehr schlank und die Endklauen überaus lang, an dem Endgliede des Antennenstiels fehlt noch der dichte Besatz | zarter Haare, die Geisseln sind nur undeutlich gegliedert. 2) Naturhist. Tidskrift. II. Raekke I. 1861—1863. | ! | Veher die Gattung Cynthia als Geschlechtsform der Mysideengattung Siriella. 279 Es ist mir noch »ine Messinesische Siriellaart in mehreren weiblichen Exemplaren bekannt geworden, welche von der obigen Art verschieden ist und möglicherweise mit Dana’s Siriella gracilis zu- sammenfällt. Dieselbe ist nur 51/; Mm. lang und endet mit einer Schwanzplatte, deren Bezähnelung (Fig. 17.) mit jener Art überein- stimmen dürfte. Auch die seitlichen Fächerplatten, von denen die innere merklich länger ist als die äussere, deren Endtheil nicht ab- gesetzt ist, zeigen die Gestaltung und Borstenbesatz von S. gracilis. Die Fühler verhalten sich der beschriebenen Art sehr ähnlich, doch erscheinen die Stielglieder noch gestreckter. Der Nebenast des Kiefer- fusses besteht aus 8 Gliedern, der Nebenast der Schwimmfüsse aus 9 Gliedern. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVIII. Fig. 4, SiriellaEdwardsi (Cynthia) 5 unter starker Lupenvergrösserung. Fig. 2. Das Weibchen derselben Art (Küste von Valparaiso). Fig. 3. Die vordere Antenne des Männchens. Fig. 4. Der untere Abschnitt der weiblichen Antenne. Fig. 5. Die Antenne des zweiten Paares. Fig. 6. Oberlippe (a) und Mandibeln (d) mit Taster (c). H . Die Kaufläche der rechten Mandibel, a obere Platte, 5b kammförmig ge- zahnte Mittelplatte, ce unterer Zahniortsatz. Fig. 7’. Die Kaufläche der linken Mandibel etwas stärker vergrössert. Fig. 7”, Obere Platte derselben. Fig. , 8. Maxille des ersten Paares. Fig. 9. Maxille des zweiten Paares. Fig. 40. Maxillarfuss des ersten Paares stark vergrössert. Fig, 44. Maxillarfuss des zweiten Paares oder Thoracalfuss des ersten der 7 Paare stark vergrössert. Fig. 12. Ein Thoracalfuss der nachfolgenden Paare. Fig. 13 Das Endglied mit der Klaue eines der 12 Thoracalfüsse. Fig. 14. Penis an der Basis des letzten männlichen Thoracalfusses mit der Ge- ih schlechtsöffnung. Fig. 45. Männlicher Schwanzfuss des ersten Paares. Fig. 150. Kiemenanhang des zweiten Paares. Fig. 155. Männlicher Schwanzfuss des dritten Paares. ‚Fig. A5c. Kiemenanhang des vierten Paares. Fig. 45d. Kiemenanhang des fünften Paares. Fig. 46. Fächer und Schwanzplatte des Männchens. Fig. 46a. Unterer Rand der Schwanzplatte des ausgewachsenen Thieres (5 u. 2). Fig. 165. Derselbe eines halbwüchsigen Männchens von 8 Mm. Länge. Fig. 16c. Derselbe eines ganz jugendlichen Männchens von ca. 5 Mm. Länge. Fig. 47. Derselbe einer weiblichen Siriella von Messina. Fig. 18. Spermatophore von Euphausia in der Mitte des drittletzten weiblichen Brustsegmentes angekittet unter 2 vorstehenden Platten (a). Ueber die Schleichenlurche (Coeciliae). Ein Beitrag zur anatomischen Kenntniss der Amphibien. Von Prof. Leydig in Tübingen. Mit Tafel XIX und XX. Die kleine Gruppe der Coeciliae, Blindwühlen, Schleichen- lurche, hat zu wiederholten Malen die Aufmerksamkeit der Natur- forscher rege gemacht und verdient auch im Hinblick auf gar Manches sehr ungewöhnliche ihres Baues immer noch neue Studien. Vielleicht dass das Wenige, was ich hier vorzulegen im Stande bin, andere Zoologen, denen reichliches Material zu Gebote steht, veranlasst, weitere u en zu versuchen. Die wurm- oder schlangenähnlichen Coecilien sollen zuerst in der Historia naturalis Brasiliae, 1648, unseres deutschen, aus Sachsen ge- bürtigen Landsmannes MarcravE erscheinen. Ich bedaure dieses von Cuvier gerühmte Werk!) nur vom Hörensagen zu kennen, um so mehr da Bıgron und Dumzrır entgegen den früheren Annahmen jetzt erklären, dass sie aus den Worten und der Abbildung sich nicht zu’ entnehmen getrauten, ob es sich wirklich um eine Coecilia oder um ein davon sehr verschiedenes Thier, um eine Amphisbaena, handle. | Nahezu hundert Jabre später lässt Sesa in seinem Thesaurus | Tom II, Tab. XXV, Fig. 2. eine »Schlange« unter der näheren Bezeich- | nung: »Serpens Coecilia Geilonica«, abbilden, in welcher die Zoologen L das jetzige Epierium glutinosum Wagl. erblicken. Hi 4) »Ouvrage excellent pour le temps, plein de descriptions exactes et de figures | reconnaissables, quoique grossieres, de toutes sortes d’animaux.« Reg. anim. 4817. ) Ueber die Schleichenlurche (Coeciliae). 381 Bald darauf (1748) führt Lınxe die Coeeilia ins System ein, nach Exemplaren, welche er aus Surinam erhalten hatte. Mit geübtem Blick wird in der ihm eigenen sondernden Sprache auseinander gesetzt, dass unser Thier einem Aal zwar sehr ähnlich sehe, doch nimmermehr als Fisch angesprochen werden könne; vielmehr zeige es grosse Annähe- rung an die Schlangen, unterscheide sich aber wieder von diesen in wesentlichen, ja unerhörten (»plane inauditum«) Dingen. Er fasst das Ergebniss seiner vergleichenden Betrachtungen dahin zusammen: »Coecilia est genus Serpentum, corpore nudo: rugis lateralibus. Oris labio superiori prominenti, tentaculis duobus. Gauda nulla.« Dass vielleicht MarcravE schon ein ähnliches Thier erwähnt und SzsA in der That ein solches abbildet, scheint ihm damals unbekannt gewesen zu sein: »Et hunc nostrum serpentem a nemine adhuc descriptum legi- mus, immo ne nominatum quidem.« f Mit welchen der jetzt im System aufgezählten Arten diese Linxe’sche Coecilia tentaculata synonym sei, ist zweifelhaft geworden und eine Frage, an deren Lösung ich mich schon desshalb nicht betheiligen darf, weil ich nur die beiden Arten lJumbricoidea und annulata, von welchen auf diesen Blättern die Rede sein wird, aus eigener Anschauung kenne. Die Coecilien blieben in der nachlinneischen Zeit bei den Schlangen stehen, bis gegen das erste Jahrzehend in unserem Jahr- hundert, wo man auf Grund anatomischer Studien inne wurde, dass die Verwandtschaft dieser Thiere mit den Batrachiern eine grössere sei als mit den Schlangen. Wenn wir die Auseinandersetzungen durchlesen, welche zwischen Bramvirrr und Dumzrır darüber gewechselt wurden !),. wer von beiden die Ansicht über die Verwandtschaft der Blindwühlen mit Batrachiern ‚ eher ausgesprochen, so erhält man den Eindruck, dass es eigentlich ‚ der damals jugendliche Orrer, ein Oberpfälzer meines Wissens, ge- | wesen ist, welcher zuerst das Richtigere traf. Der Genannte, ein vor- ‚ züglicher Zeichner, arbeitete mit Vergünstigung Dunerır’s und in Ge- ‚ ‚sellschaft Bramvırre’s am zoologischen Museum in Paris. Die deutsche | Arbeit Orrer’s über die Classification der Amphibien, in München 1811 herausgegeben, habe ich bis jetzt noch nicht zu Gesicht bekommen können, sondern die ein Jahr früher erschienene Abhandlung: Sur la Classification des Reptiles?2), wo zum erstenmal unsere Thiere als Batrachia apoda auftreten. 4) z. B. Dumkrır, Memoire sur la classification et la structure des Ophiosomes ou Coecilioides etc. Annal. d. sc. nat. 1839. — BraınvirLe, Classification des Ce- ‚eilies, ibid. 4339. 2) Annal. du Museum d’histoire natur. Tom XVI. (1840), p. 39%. 212.46 be ga Bi: >= u 389% Prof. Leydig, Von entscheidender Wirkung in der Frage nach der wahren Natur der Goecilien war dann, wie allgemein bekannt, eine Beobachtung Jon. MüLter's, welcher im Museum zu Leiden eine junge Coecilia auffand mit einem Kiemenloch jederseits am Halse und Resten von Kiemen- franzen in der Tiefe!). Den Coecilien musste somit eine Metamorphose zugeschrieben werden, wie echte Batrachier sie haben. Durch diese Entdeckung war bei MürLzr ferner das Interesse für die vergleichende Anatomie der Amphibien in hohem Grade angeregt worden und eine Frucht seiner ausgedehnten Studien sind die so sehr gehaltreichen »Beiträge zur Anatomie und Naturgeschichte der Amphibien«?), in welchen die Anatomie auch der Goecilien besondere Berücksichtigung findet. — Nicht unerwähnt darf gelassen werden, dass in den letzten Jahren Prrers ebenfalls eine junge Coecilia glutinosa aus Malacca mit Kiemenlöchern der Berliner Akademie vorzuzeigen in der Lage war. Indessen hat es auch an Widersprüchen gegen die‘Annahme, die Coecilien seien Batrachier, nicht gefehlt. Mayer) in Bonn z. B. welcher eine Art zergliederte, meint, dass unsere Thiere doch besser als Ophi- saurier zu betrachten wären. | Da die anatomische Kenntniss einzelner Theile der Gegenstand der folgenden Zeilen sein wird, so mag einstweilen erwähnt werden, dass ausser einigen der schon Genannten, zu denen aus früherer Zeit auch noch ScHNEIDER *) und Guvier°) zu zählen wären, später insbesondere Tıepemann®) , Bıschorr’) und RATHkE®) , wenigstens gewisse Partieen, zergliedert haben ; so wie ich?) denn selber bereits früher über die Haut, Hautdrüsen, Niere und Auge die Ergebnisse eigener Prüfung ver- öffentlichte. Endlich hat GEsEnBAuUr!") bei seinen vergleichend anato- mischen Studien über die Wirbelsäule der Amphibien interessante Aufschlüsse über den Bau der Wirbelsäule der Coecilia lumbricoidea gegeben. Auf mehrere dieser Arbeiten werde ich ausführlich zurückkommen, sowie auch noch Bemerkungen zu berücksichtigen sind, welche andere I 4) Isis, 1834. 2) Zeitschr. für Physiol., Bd. !V. 4832. 3) Analecten für vergleichende Anatomie, 4835. 4) Historia naturalis Amphibiorum. | | { | 5) Lecons d’anatomie comparee. 6) Zeitschr. für Physiol. Bd. IV. 4832. (in der Arbeit Joa. MüLLer’s.) 7) Arch. f. Anat. u. Physiol. 4838. 8) Ebendas. 1852. 9) Lehrbuch der Histologie. 1857. 40) Untersuchungen zur vergleichenden Anat. d. Wirbelsäule bei Amphibien‘ und Reptilien, 4862. MG) a ee BEN INT Ueber die Sehleichenlurche (Coeeciliae). 383 Zoologen, z. B. der auf dem Felde der Amphibienkunde sehr erfahrene Wasrer,, über unsere Thiere gelegentlich äusserten }). Das Material, welches mir zur Untersuchung diente, waren mehrere ziemlich gut erhaltene Exemplare von Coecilia lumbricoidea Daud. und Coecilia (Siphonops) annulata Mikan. Da ich dieselben jedoch dem Messer nicht ganz opfern, sondern der Sammlung erhalten wollte, so vermag ich nur über folgende Theile Rechenschaft zu geben. 1. Aeussere Haut. Nach dem feineren Bau der äusseren Bedeckungen sind die Coeci- lien echte Batrachier, indem sie hierin, abgesehen von den Schuppen, welche bei gewissen Arten vorkommen, sonst im Wesentlichen mit Fröschen, Kröten, Salamandern und Fischmolchen übereinstimmen. Wie aber so häufig, mussten erst verschiedene Irrungen vorausgehen, bis die Beobachter sich zurecht fanden. Die Oberhaut (Epidermis) wurde anfänglich nach ihrem Wesen verkannt, indem sie Mıkav für einen Schleim erklärte, welcher, aus den Hautporen oder auch aus dem After abgeschieden, bei Weingeist- exemplaren das Thier hautartig dicht überziehe?). Nicht besser drückt sich Waerer in dem Werke Spix’s über die brasilianischen Schlangen aus: »sa peau est enduite d’une humeur presque gelatineuse et olivacee«.°) 4) in der Literatur über die Blindwühlen werden hin und wieder noch zwei Schriften aufgeführt, von denen die eine es kaum verdient und die andere jeden- falls gar nicht hieher gehört Die erstere ist das »Specimen novae methodi distin- guendi serpentia« von BoDDAERT, in d. Nov. act. acad. Leopold. Carol. Epheme- rides, 1783; hier wird die Gattung Caecilia einfach als Schlange aufgezählt und die damals bekannten Arten genannt. — Die andere Schrift sind die Exercitationes medicae von MurALTo, welche eine »Anatomia coeciliae« enthält, aber mit dieser »Coeeilia« ist nicht die exotische Blindwühle gemeint, sondern unsere Anguis fra- gilis »Blindenschlycher(). 2) »Mucus poris cutaneis, vel etiam ani excretus et coagulatus, animalis in spiritu vini asservati segmentum anale, membranae olivaceae instar, dense ob- dueit.« Mıkan, Delect. flor. et faunae Brasil. 1820. In diesem schönen Werke wird zum ersten Mal eine Coecilia annulata, welche man jetzt in allen Sammlungen findet, beschrieben und abgebildet. Die Figur ist sehr gelungen nach Gesammt- anlage und in den Einzelheiten ; in letzterer Beziehung wäre besonders zu loben, dass die Grenzen der Segmente als Lichtstreifen gehalten sind, wodurch das Bild äusserst naturgetreu wird. Wie man aus der Vorrede erfährt, waren diese Icones die »prima conamina artis lithographicae in ditionibus austriacis« ; umsomehr ver- dient daher die treffliche Tafel, trotz:des noch etwas rauhen Korns im Druck, alle Anerkennung. 3) Serpentum Brasiliensium species novae publiee par Srıx et WAGLER , 1824. Die Abbildung der Coecilia annulata in diesem Werk steht der Mıkan’schen bedeu- 234 Prof, Leydig, Daher wird man es denn auch völlig in der Ordnung finden müssen, wenn WacLer und Andere davon sprechen, dass man erst den »Haut- schleim wegwischen müsse, um die Hautfarbe hervortreten zu lassen.« Selbst noch Jon. MüLrer hat in seiner grösseren Arbeit über die Ana- tomie der Amphibien!) keine andere Meinung. Als indessen histologische Studien allgemeiner wurden, liess sich der Sachverhalt nach und nach erkennen und so lesen wir bei RATHkE’?) nicht mehr von einem Hautschleim, sondern von einer Epidermis, die »ziemlich dick sei und ähnlichermaassen wie manche Pflasterepithelien aus mehreren Lagen tafelförmiger Zellen zusammengesetzt, fünf- bis . sechseckig und insgesamt mit einem mehr oder weniger deutlichen Kern.« Ich möchte gegenwärtig nach Untersuchung ‚der Haut der Coecilia annulata noch Folgendes unserer Kenntniss der Epidermis anschliessen. Erstens ist eine deutliche Cuticula (Taf. XIX. Fig. 9) vorhan- den, welche als homogene Haut die äussersten Zellen überdeckt; dabei aber von letzteren durch Abdruck eine zellige Zeichnung, natürlich ohne Kern, beibehält. In den verschiedenen Zellenlagen, welche die Epidermis zusammensetzen, bleibt der Kern in den oberen wie in den unteren gleich gross; die Zellsubstanz selbst aber ist in den unteren Lagen in so geringer Menge da, dass sie den Kern eben noch umhüllt oder umspannt. Die gross gewordenen Zellen der obersten Lage sind unregelmässig polygonal. Dann machen sich an der Epidermis zweitens sehr bemerklich: die von den Drüsenöffnungen nach unten sich verlängernden Aus- führungsgänge der Hautdrüsen. Je eine Oefinung mit lippenartigem Wulst liegt in dem Contour, welcher zwischen zwei Zellen hinzieht, und scheint im unveränderten Zustande dreieckig zu sein; sie nimmt aber bei längerem Liegen der Haut in Essigsäure die Ovalform an. Der schlauchähnliche Fortsatz nach innen ist nur eine Einsenkung der homogenen Guticula, also ohne zelligen Bau, aber sehr bemerkenswerth durch eine spiralige Zeich- nung. Insoweit mir die fragliche Bildung klar wurde, wiederholt sie im Kleinen das, was man am sogenannten Klappendarm der Selachier erblickt: es geht im besagten Ausführungsgang eine nach innen vor- springende Leiste schfaubig herab. Da wo die Querzeichnung oder tend nach, selbst abgesehen davon, dass dem Thier, um als Gegenüber von einer Amphisbaene zu dienen, eine gewaltsame Stellung aufgezwungen wurde. 1) Zeitschr. f. Physiologie, Bd. IV. p. 213 (1832). 2) Bemerkungen über mehrere Körpertheile der Coecilia annulata, Arch. für | Anat. u. Phys. 1852. | N Ueber die Schleiehenlurche (Coeeiliae). 385 Leiste aufhört, erweitert sich der Schlauch trichterförmig und dieser Trichter ist es, welcher auf eine gleich grosse Oefinung der Hautdrüse zu sitzen kommt (Taf. XIX. Fig. 9). Die Drüsensäcke, welche äusserst zahlreich in die Lederhaut gebetiet erscheinen, so dass die Oberfläche des Körpers bei Coecilia annulata, so gut wie bei Coecilia lumbricoidea, für die Betrachtung mit der Lupe ein fein durchstochenes Aussehen hat, sind, wie es auch mit der Oberhaut der Fall war, theilweise nicht gleich als das erkannt wor- ‘den, was sie wirklich vorstellen. Es giebt kleine Drüsen, und diese machen die Mehrzahl aus, dann grössere und endlich ganz grosse, welche schon dem freien Auge zu- sänglich sind. Diese, in besonderer Menge dem hinteren Drittel des Körpers angehörig, sind es denn auch gewesen, welche schon RaTukr als »Schleimdrüsen« beschreibt. Ich habe später!) auf die ungemein umfangreichen Secretions- zellen der grossen Drüsen aufmerksam gemacht und vermuthe, dass der genannte Autor dieselben für »um eine gemeinschaftliche Achse gruppirte Lappen« hält, aus welchen die einzelne Drüse zusammen- gesetzt sein soll. Wer die Dinge aus eigener Anschauung kennt, be- greift, wie leicht, etwa bei Anwendung einer geringeren Vergrösserung, eine solche Ansicht entstehen kann. Ueber die kleinen Drüsen blieb der genannte Zootom im Unklaren; er beschreibt sie als mässig dicke, glasartig durchsichtige, etwas spröde Kapseln mit gelblichem und krümeligen Inhalt, biconvex oder fast kugelrund; in ihrer Mitte erscheine ein runder, dunkler Fleck. Unser Autor muss es nach eigener Erklärung unentschieden lassen, ob das Ganze die Bedeutung eines Drüsenbalges habe, und wendet daher nur den gleichgültigen Ausdruck »Körper« für fragliche Gebilde an. Dass die Gebilde wirklich kleine Drüsen seien, konnte ich schon früher melden?) ; jetzt bin ich in der Lage, über das Verhältniss der Oeffnung des Drüsensackes an der Oberfläche der Lederhaut, einiges mitzutheilen). Die helle, obere Partie des Drüsensäckchens, rings in zierlicher Weise von Pigment umsponnen, ist noch nicht die Oeffnung selber, sondern stellt den oberen, zarthäutigen, pigmentfreien Pol der rundlich & 4) Histologie p. 85, Fig. 46. Ueber ein ähnliches Verbalten bei den grossen _ Hautdrüsen der Salamander vergleiche man m. Abhandlung: die Molche der Württemb. Fauna, im Arch. für Naturgesch. 1867. | 2) Anat. histol. Untersuchungen über Fische und Rept. 14853. p. 144 oder _ Histologie, p. 400. 3) Man vergleiche über die kleinen Drüsen die Figuren 9, 42, 44, 46, 17. 286 Prof. Levdie, länglichen Drüse vor. Erst in der Mitte des Pols erblickt man die viel kleinere wirkliche Oefinung, welche genau auf das trichterförmig er- weiterte Ende jenes vorhin berührten und von der Cutieula der Epi- dermis gebildeten Schlauches passt. Sieht man. aber scharf zu, so be- merkt man noch unterhalb der erwähnten Oeffnung in einiger Tiefe, concentrisch ein zweites um vieles kleineres Loch. Man muss daraus, sowie aus Erwägung der Licht- und Schattenpartieen schliessen, dass sich die den oberen Pol erzeugende Haut an der Oeffnung trichter- förmig eine Strecke einwärts ins Innere der Drüse begiebt, um hier das kleinere Loch herzustellen. Diese Verhältnisse können wohl dem Leser noch deutlicher werden, wenn er den Blick auf die Figur 9, welche die Oberhaut und zwei Drüsen vorstellt, werfen will. — Was ich bisher über die Hautdrüsen angegeben, bezieht sich, wie ich wiederholen möchte, auf Coecilia annulata. An dem Exemplare von Coecilia lumbricoidea, welches ich in Händen hatte, war von der Epidermis jegliche Spur verschwunden; in der Lederhaut verbreiteten sich wieder in allergrösster Menge, vom Kopf bis zum Schwanz, die Drüsen und zeigten sich abermals von zweierlei Art. Aus den kleineren war der zellige Inhalt ausgefallen, in Uebereinstimmung mit dem Schwund der Epidermis, in den grossen erschien er noch zugegen; die einzelne Secretionszelle ist wieder sehr gross und bei durchgehendem Licht gelbbraun. Das einzige, was mir aus der Literatur über die Hautdrüsen gegen- wärtiger Art bekannt geworden, ist die Tafel XVII. in der Abhandlung Jos. MüLLer’s, wo eine Zeichnung, welche von Tiepemann herrührt und ein »Hautstück der Coecilia lJumbricoidea« versinnlicht, gelegentlich ver- öffentlicht wird. Die Drüsen heben sich dort als rundliche und läng- liche »Grübchen« ab. Ich sehe, dass wie bei Coecilia annulata, zwar schon am Kopf, zu- gleich mit den kleineren, auch einzelne grössere Drüsen vorkommen, | aber am entwickeltsten nach Zahl und Grösse stellen sie sich wieder | am Schwanzende ein. Hier sind es cylindrisch ausgezogene, auch | wohl birnförmig gestaltete Säcke). : Welche Lage sie in der Lederhaut haben, wird klar an Schnitten, 'B die man durch die ganze Haut und in der Richtung der Längsaxe des! Thieres anfertigt; wo alsdann sich zeigt (Taf. XIX. Fig. 4 b.), dass die Drüsen in den blattartigen Fortsätzen der Lederhaut sich finden. Das! 4) Wie sie sich am Schwanzende bei Betrachtung mit der Lupe ausnehmen, | lässt sich an Figur 2 bemerken. Ei Ueber die Schleichenlurche (Coeciliae). 287 blinde Ende der Drüse ist gegen den freien Rand des blattartigen Aus- läufers gekehrt, die Oeffnung nach der angewachsenen Seite, und ist desshalb bei der grossen Zahl sich deckender Blätter etwas versteckt. Der einzelne Drüsenschlauch ist an seinem Rande dunkel pigmentirt; der Grösse und Farbe der Secretionszellen wurde bereits gedacht. Die Schuppen der Coecilien, Organe, welche sonst nicht bei den echten Batrachiern vorkommen , haben verschiedene Naturforscher beschäftigt und dabei Veranlassung zum Unfrieden gegeben. Entdeckt wurden sie bekanntlich schon von Schneider, gleich bei der ersten anatomischen Untersuchung einer CGoecilia. Dann wurden sie gesehen von Cuvier, endlich durch Mayer ausführlich von Coecilia gracilis, C. lumbricoidea, GC. hypocyanea, C. glutinosa und C. tentaculata, nach Lage und Form, beschrieben !). Fırzınser in Wien, der bekannte Herpetolog hatte sich verleiten lassen, wahrscheinlich weil er die Theile nicht zu behandeln verstand, die Schüppchen der Coecilien zu leugnen: man habe Rauhigkeiten oder Drüsen der Haut, wie sie bei Fröschen und Kröten vorkämen, für wahre Schuppen genommen?). Wie billig fand sogleich von Seite Mayer’s diese Kritik ihre Zurechtweisung’). Hervorgehoben wird von zuletzt Genanntem dass es ihm bei Coecilia annulata Schuppenbildung wahrzunehmen unmöglich sei. Die plötzliche Ausnahme einer Art hat etwas Auffallendes und ist Ursache gewesen, dass auch Andere die C. annulata auf diesen Punct geprüft haben; allein sowohl Bıscnorr*) als auch Rıtnker°), so wie ich selber ®) mussten erklären, dass die Haut bei dieser Art keine Spur von Schuppen besitze; mir blieb daher auch damals, wo ich nur C. annulata aus eigener Anschauung kannte, der Bau der Schuppen und ihr Ver- halten zur Haut unbekannt. Ueber Beides vermag ich jetzt nach Stu- dien an C. lumbricoidea genauere Auskunft zu geben und die vorhan- denen Angaben zu erweitern und zu verbessern. Was zuerst den Bau der isolirt vorliegenden Schuppen betrifft, so ' bestehen sie nach Maver »aus ovalen Kügelchen, welche in elliptischen ' Reihen concentrisch angelagert sind.« Ä Manor, welcher zehn Jahre”) später als der Vorgenannte sich über 4) Nov. Act. Acad. Carol. Leop. Vol. X1l. 2) Isis, 4828. p. 4. 3) Ebendas. p. 694 ; dann Zeitschr. f. Physiol. 1829, p. 25. 4) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1838. 5) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1852, p. 337. 6) Anat. hist. Unters. über Fische u. Rept. 1853, p #4. ) 7) Annal. d. scienc. nat. 1839 (Par II, Tom. XM). 283 Prof. Leydig, die Structur der Schuppen aussprach, war in der Kenntniss dieser. Theile schon weiter gekommen. Er unterscheidet zwei Lagen, eine fibröse oder untere und eine obere, welche aus »granules ou cellules« bestehe. Er stellt eine ganze Schuppe, zweimal vergrössert, dar, und ein Stück davon unter dreihundertmaliger Vergrösserung. | Es verdienen die Schuppen der Coecilien hinsichtlich ihres Baues alle Beachtung, da sie, wenn auch am nächsten mit den Schuppen der Fische verwandt, hinwiederum manches Eigene an sich haben, und zusammen mit anderen Charakteren zeigen, dass diese Batrachier in der jetzigen Thierwelt für sich, wie abgeschnitten, dastehen. Von den Wahrnehmungen, die ich selber gemacht, wäre folgendes mitzutheilen. "Die Schuppen lassen sich leicht frei machen; sie sind dann fürs unbewaffnete Auge graue, schwach schüsselförmig gekrümmte Plätt- chen; ungefähr liniengross, doch wechselt ihr Umfang, wie man beim Durchmustern eines Hautstückes wohl bemerken kann; ebenso ist ihr Umriss nicht immer ganz der gleiche. Man unterscheidet an der einzelnen Schuppe ein Gentrum, um das sich, bei auffallendem Lichte, glitzernde und opalisirende Körper- chen reihen; der Rand ist öfters, wie bei gewissen Fischschuppen, bogig eingeschnitten oder schwach gekerbt (Taf.-XIX. Fig. 5). Bei näherer Prüfung ergiebt sich, dass die untere Schicht der Schuppe aus einem festen Bindegewebe besteht, welches von hell ge- schichteter Art ist, mit zahlreichen , ästigen Bindegewebskörpern. was man besonders von unten her gut sieht (Taf. XIX. Fig. 7). Auf der freien Fläche der Bindegewebsschicht liegen die erwähnten glitzernden Körper, concentrisch geordnet, doch nicht in allzuregel- mässigen Linien; es sind die Gebilde, welche Mayer »Kügelchen«, Manor »Zellen« genannt hat. Im Mittelpunct der Schuppe sind sie meist rundlich und klein, auch wohl eckig; weiter nach aussen an Grösse “zunehmend gewinnen sie im Allgemeinen, von der Fläche angesehen, die Form eines Spitzweckes; dazwischen giebt es aber wieder rund- liche und eckige (Taf. XIX. Fig. 6). Bei Betrachtung im senkrechten Schnitt der Schuppe erscheinen sie dreiseitig (Taf. XIX. Fig. 8) und die eine Spitze dient als Basis, mit welcher sie in grubigen Vertiefungen der fibrösen Schicht festsitzen. Oder man könnte auch vielleicht sagen: die freie Fläche der eben erwähnten Schicht ist schwach papillär oder | in niederen Streifen erhoben und in den sich daraus ergebenden Thä- lern sässen die Körper. Weiterhin lässt sich von diesen Gebilden bemerken, dass sie von scharfem Umriss und starkem Schatten sind, dabei nicht glatt, sondern Ueber die Schleichenlurehe (Coeciliae). 289 mit höckeriger Oberfläche: man sieht kugelige Vorsprünge wie kleinere Concretionen und über die grösseren Körper ziehen auch wohl ein oder mehrere Leisten mit ebenfalls höckerigem Rand. Die Körper sind, was keiner der vorigen Autoren ausspricht, nach Farbe, Härte, Entwickelung von Luftbläschen nach Essigsäurezusatz, Kalkconeretionen; auf sie im fertigen Zustand den Ausdruck »Zelle« anzuwenden, wie Manor thut, ist unstatthaft, aber nach Analogie anderer verwandter Körper lässt sich wohl voraussetzen, dass sie als Incrustationen vön zelligen Elementen entstehen. Was im Verhergehenden über die Structur der Schuppe gesagt wurde, ist leicht zu ermitteln, schwieriger war es, ein Verständniss darüber zu gewinnen, wie die Schuppe in der Haut gelagert sei. Nach Mayer, welcher zuerst hierauf achtete, liegen sie an der inneren Fläche der Hautschienen oder der blätterartig sich deckenden Fortsätze der Lederhaut. Ebenso beschreibt es Jou. MüLzer. Es ist dieses im Allge- meinen richtig; aber man wird immer noch zu wissen wünschen : liegt die Schuppe ganz frei unter den Hautschienen, oder in einer taschen- artigen Abgrenzung und womit hängt dann die oben erwähnte fibröse Lage der Schuppe zusammen? Auf all dieses erhält man erst dann eine befriedigende Antwort, wenn wir Längsschnitte (Taf. XIX: Fig. 4 c, c.) durch die Haut und ihre Blätter oder Schienen legen, eine Methode, welche die früheren Autoren nicht ahwandten. Man sieht jetzt, dass in den Hautlamellen die grossen Drüsen liegen; dass ferner in den Raum zwischen je zwei solcher Blätter die Schuppen fallen, aber dort nicht frei liegen, sondern an die Lederhaut durch ein lockeres Bindegewebe, welches die fibröse Schicht der Schuppe ganz umgreift, angeheftet sind. Da das befestigende Binde- gewebe von nur zarter Natur ist, so lösen sich die Schuppen z. B. beim Zerschneiden der Haut oder bei der Behandlung der Schienen mit dem Scalpell, sehr leicht ab und scheinen frei an der Unterseite der Schienen zu liegen. Der Raum zwischen zwei Blättern kann auch als Tasche angesprochen werden, da eine theilweise Verwachsung der Blätter unter einander statt hat, A 3. Augen. Die Augen sind bekanntlich wenig entwickelt, so dass sie nur als \ kleine Fleckchen durch die Haut schimmern, wesshalb eben Linxe den ‚alten Namen Coecilia, den manche ren der vorlinneischen Zeit, Zeitschr, f, wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 49 290 Prof. Leydig, 2. B. der Schweizer MurALTo, unserer einheimischen Blindschleiche gaben, für gegenwärtige Gruppe ausschliesslich verwendet hat. Ich habe wohl zuerst das Auge einer Coecilia, der C. annulata, auf den Bau angesehen und gezeigt, dass dasselbe trotz seiner Klein- ‚heit alle wesentlichen Theile des Sehorgans der Wirbelthiere besitzt. Ich erlaube mir meine hierauf bezüglichen Angaben!) zu wieder- holen. »Obschon die Coecilia annulata angeblich mehrere Fuss tief unter Morasterde lebt, so hat doch der sehr kleine Augenbulbus, welcher unter einer, an dieser Stelle durchsichtigen Fortsetzung der Haut liegt, alle wesentlichen Theile des Auges. Ich unterscheide an einem gut erhaltenen Exemplar eine bindegewebige Sklerotika,, darunter die pig- mentirte Choroidea, dann eine Retina, an welcher man noch deutlich ein Stratum bacillosum erkennen konnte, und zwar bestand letzteres, aus schlanken Stäbchen (viel dünner und kleiner als die der Batrachier) und Zapfen, welche nach einer Seite conisch verlängerten Zellen ähnlich waren. Nur die kugelige Linse hatte einen embryonalen Charakter, indem sie, anstatt ausgebildeter Fasern, aus rundlichen Zellen und rohrartig ausgewachsenen Zellen zusammengesetzt war.« Zu dieser Mittheilung, welche unterdessen meines Wissens, von Anderen keine Erweiterung gefunden hat, kann ich jetzt noch folgen- des hinzufügen. Auf dem Flächenschnitt (Taf. XX. Fig. 12.), welcher durch die äussere Haut und das Auge zugleich geht, erscheint die Gornea als eine durchsichtige Partie der allgemeinen Bedeckung, mit allen Theilen, welche die äussere Haut zusammensetzen. Man sieht in ihr daher | auch ausser Blutgefässen und Nerven die kugeligen Hautdrüsen, nur sind sie kleiner geworden und weniger zahlreich, ja stehen eigentlich | weit auseinander gestreut; und, entsprechend der Umbildung der © äusseren Haut an dieser Stelle zum Fenster des Auges, ermangeln die © Drüsen der sonst so reichlich sie umspinnenden Pigmentnetze. 5 Die Choroidea entwickelt einen Ciliarkörper, an dem ich aber nichts mehr zu entscheiden vermag als eine zarte Bindesubstanz und zellig epitheliale Elemente, welche zum Theil hell waren, zum Theil A mit dunklem Pigmente erfüllt. | ; An der von Gestalt rein kugeligen Linse erkennt man 1) die | 5 homogene Kapsel und 2) den zelligen Inhalt. Die Zellen erfüllen den Raum in einer gewissen, mir nicht weiter verständlich gewordenen! Gruppirung und haben die Tracht von Epidermiszellen, oder noch‘ t) Histologie, p. 241, Anmerkung. Ueber die Schleiehenlurche (Üoeeciliae). 291 näher stehen sie im Habitus den Epithelzellen aus der Mundhöhle der Säugethiere; sie zeigen selbst das bekannte gefaltete oder wie ge- knitterte Aussehen der letzteren; ihre Ränder sind scharf, der Kern sehr deutlich (Taf. XX. Fig. 13). Der Augapfel als Ganzes besitzt im isolirten Zustande eine völlig runde Form, ohne Verschiedenheit der Krümmungen im vorderen und hinteren Abschnitte. Von Augenmuskeln (Taf. XIX. Fig. 10 c.), welche sich an die Sklerotika ansetzen, zähle ich mit Deutlichkeit vier, dieselben sind selbstverständlich von quergestreifter Art. Die Augenhöhlendrüse (Harner’'sche Drüse) ist verhältniss- mässig sehr gross, lappig und umgiebt halbkreisförmig den Augapfel (Taf. XIX. Fig. 10 d.). Wenn die systematischen Zoologen, z. B. WAcL£r, von den Augen der Coecilia annulata mit Recht sagen: »oculi minuti«, so leugnen sie andererseits allzuviel, wenn sie von Coecilia lumbricoidea erklären: »oculi nulli.« Der Natur entsprechender wäre es, zu sagen: »oculi minutissimi«; denn sie fehlen auch dieser Art keineswegs, obschon sie zu einem winzig kleinen Körper verkümmert sind. Bıgron und DumzkriL bemerken: »Il nous a &t& impossible d’apercevoir les yeux ä& travers la peau.« Nach Entfernung der allgemeinen Bedeckung hatten die Augen an dem von mir untersuchten Exemplar das Aussehen eines schwärzlichen Punctes. Isolirt gewährt das Auge unter stärkerer Vergrösserung das Bild, wie ich es in Taf. XIX. Fig. 11 wiedergegeben habe. Man sah eine Sklerotika und eine undeutlich zellige Choroidea; ich vermisste aber die Linse, ohne damit behaupten zu können, dass sie wirklich mangelt, denn beim Herausnehmen wurde der Bulbus etwas verletzt, so dass durch den Ritz eine vielleicht sehr kleine Linse möglicherweise unbemerkt herausgefallen sein konnte. — Um den Sehnerven herum, denselben umhüllend, machten sich Augenmuskeln bemerklich. Ganz besonders auffallend wird uns aber die Augenhöhlen- drüse (Thränendrüse, Harver’sche Drüse) durch ihr Grössenverhältniss zum Augapfel (Taf. XIX. Fig. 11 b.). Es scheint, wie wenn sie überaus entwickelt wäre; indessen ist es wohl richtiger, anzunehmen: die Drüse sei eben nicht wie der Augapfel zurückgebildet, sondern bestehe un- abhängig von letzierem, in gewöhnlicher Grösse und daher rühre das Missverhältniss. Aehnlich ist das vielleicht auch bei Typhlops gewesen, von welcher Schlange mit blöden Augen Duvernov angab, dass die 19% 292 Prof, Leydig, Thränendrüse bei einer Art sechsmal grösser als der äusserst kleine Augapfel sei). | | Die Gestalt der Drüse bei unserer Coecilia ist abermals halbring- förmig; sie zerfällt in Lappen und Läppchen; ihre Secretionszellen bilden ein Cylinderepithel, das ausser einem feinkörnigen Inhalt ein- zelne Fettkörperchen aufzeigt. 3. Falsche Nasenöffnungen. Nicht geringe Aufmerksamkeit habe ich jenem eigenthümlichen Organ gewidmet, welches unter dem Namen »falsche Nasenöffnung« oder »Thränenhöhle« bekannt ist; ja eigentlich war es gerade diese Bil- dung, welche mich zur Wiederaufnahme von Untersuchungen an Coe- cilia bestimmte. Schon vor Jahren hatte ich einmal das Organ mikroskopirt, ohne zu einem Verständniss gelangen zu können, und auch jetzt, obschon ich die folgenden Mittheilungen als solche betrachten darf, welche wohl zum ersten Mal einiges Licht über den Bau verbreiten, muss ich noch mehrere Partieen im Dunkeln lassen. Wer aber in der günstigen Lage sich befindet, eine Anzahl gut erhaltener Exemplare dem Messer opfern zu können, wird auf dem von mir betretenen Wege schliesslich das Organ nach seinem ganzen Umfang zu beleuchten im Stande sein. — Ich will in der Darlegung des Beobachteten wieder die beiden Species auseinander halten. _ _Mıkan, welcher, wie schon oben bemerkt wurde, die erste Coecilia annulata wissenschaftlich betrachtete, sagt: »punctis utrinque binis ad oculos albis, quorum anterius, quasi acu pertusum , poro minutissimo oculi aperturam indicat, binisque anticis, narium areolas formantibus.« Eine weitere Untersuchung wurde von Genanntem, da das einzige Exemplar zu schonen war, nicht angestellt. Bald darauf geschieht solches durch WasLrr, welchem von der Spix’schen Reise her zahlreiche Thiere vorlagen. Ihm zufolge führt die kleine kreisförmige Oefinung, welche kurz vor den Augen in etwas schräger,, tieferer Richtung bemerkt werde, in einen häutigen, seiner ganzen Länge nach gleich dicken Sack, welcher sich in gerader Rich- tung unter das Auge hinziehe. Das Ganze nennt WaAsLer Thränensack und erblickt darin eine Wiederholung der seitlichen Kopfgruben ge- 4) Annal. d., seienc. nat. XXX. Ueber die Schleiehenlurche (Coeeiliae). 293 wisser Giftschlangen, die hinwiederum nach ihm und Anderen den Thränengruben der Wiederkäuer entsprechen sollen. Der zweite, welcher das uns beschäftigende Organ zergliederte, war Jon. Mürzer. Auch er findet, dass der Hautporus in einen Canal führe, der schief aufwärts gegen das Auge gerichtet sei; aber es komme hinzu, wenigstens bei mehreren Arten, ein walzenförmiges Gebilde oder Tentaculum, was in dem Ganal liege und von Wacrer bei Coecilia annulata wahrscheinlich übersehen worden sei. Ich habe Taf. XIX. Fig. 3. den Kopf unserer Coecilia, mit der Lupe vergrössert, dargestellt, um Nasenöffnung, Augenfleck und den Hautporus, sämmilich nach ihrer Grösse und gegenseitigen Lage, genau wiederzugeben. Nimmt man die nähere Untersuchung vor, so ist zunächst leicht zu bemerken, dass die Hautdrüsen, sonst so äusserst dicht neben einander, im Umkreis der fraglichen Hautöffnung fehlen, und somit eine helle, nur von wenigem Pigment durchzogene Zone frei lassen (Taf. XX. Fig. 14 u. 16.). Gleich innerhalb der Oefinung wird man einer Papille oder eines Tentaculums ansichtig, doch ist dasselbe nicht ohne weiteres der Bildung, welche Jon. MüLrer unter diesem Namen begreift, gleich- zusetzen; wovon bei Besprechung der nächsten Art das Ausführlichere folgen wird. Die von mir gemeinte Papille oder Tentaculum ist nur bei starker Vergrösserung erkennbar; sie hat eine kolbige Gestalt, ist an der Wurzel eingeschnürt, am freien Ende etwas zugespitzt; sie besteht aus einem bindegewebigen inneren Theil, mit der gleichen Schicht der Lederhaut im Zusammenhang, und einem epithelialen Ueberzug; der bindegewebige Theil entwickelt da, wo das Epithel sich ihm auflegt, ein feinzackiges Wesen. Um diese Verhältnisse zu erblicken, sind Querschnitte nöthig, wie ein solcher Taf. XX. Fig. 16 d. gezeichnet erscheint; während man in Fig. 44 b. (Taf. XX.) die Papille bei Be- sichtigung von oben in ihrem unverletzten Zustand vor sich hat!). Setzt man die Zergliederung fort, so stösst man sehr bald auf ein neues Gebilde: es sind. zwei, dicht beisammenliegende Röhren (Taf. XX. Fig. 1%c.). Dem ersten Blick nach könnte man sich versucht fühlen, die Röhren für Blutgefässe zu halten, eine Ansicht, von der man aber bald bei weiterer Prüfung abstehen muss. ‘Im isolirten Zustande und mit der Lupe betrachtet, zeigen sie. eine gewisse hornige, gelbliche Beschaffenheit. Unter dem Mikroskop unter- 4) Bei der Gattung Epicrium, welche ich nur aus den Beschreibungen kenne, scheinen diese Papillen eine solche Grösse zu erreichen, dass sie für das freie Auge zu »kleinen Fühlern« geworden sind. 294 Prof, Leydig, scheidet man deutlich die Wand und die Lichtung; erstere ist sehr dick und fein querstreifig, letztere hell und leer. Histologisch geprüft, lässt sich aufs Bestimmteste erkennen, dass die Wand der Röhren nicht aus Muskelfasern besteht, sondern dass das zusammensetzende Element feine Fäserchen sind, von bindegewebigem Charakter; und wenn ich letztere mit etwas anderem vergleichen sollte, würde ich sagen, dass sie sehr an die Fasern, welche das Ligamentum ciliare der Fische bil- den, erinnern. Die Lichtung wird von einer homogenen, zarten Intima begrenzt; endlich war auch an einer Stelle noch etwas von einer epithelialen Auskleidung zu erblicken. Aussen um die Röhren herum zieht eine bindegewebige Umhüllung und in derselben bemerkt man auch mehrere begleitende Blutgefässe. Alles, was im Voranstehenden über den Bau der Röhren gesagt ist, kann ohne Mühe ermittelt werden ; aber sehr schwierig zu beant- worten sind gewisse andere sich einstellende Fragen. So gleich die erste, wo und wie münden die Röhren aus? Ich konnte bezüglich dieses Punctes längere Zeit keine feste Ansicht ge- winnen, bis mich endlich feine Querschnitte vom Eingang des Kopf- grübchens her angefertigt, auf die rechte Spur brachten. Die zwei Ab- bildungen, welche in Fig. 14 und 16 (Taf. XX.) solehe Querschnitte veranschaulichen, sind getreu nach der Natur gefertigt und geben, was man unter diesen Umständen sieht. Die Röhren, bis unmittelbar an die äussere Haut herangekommen, münden in das »Grübchen« seitwärts herein, nachdem sie zuvor sich schon eine Strecke weit um ein Be- deutendes verengt haben. Bei Taf. XX. Fig. 14 erblickt man die Kopf- grube (Thränenhöhle der Autoren) mit ihrer Papille (b) und dem Epithelbelag, der Fortsetzung der Epidermis der äusseren Haut. Links münden dicht beisammen zwei Gänge ein, mit dem gleichen Epithel ausgekleidet und so eng, dass nur eine schwache Lichtung übrig bleibt. Die scharfe Linie, welche das Lumen begrenzt, ist ein Guticularsaum. In der Tiefe gehen die beiden Gänge, je einen Bogen bildend, in die- selben diekwandigen Röhren (c) über. Auf dem Schnitt (Taf. XX. Fig. 16) sieht man nicht blos die umgebenden Hautdrüsen (a), quer ge- troffen, sondern ebenso die Papille (d) der Grube und die beiden Gänge, _ so dass deren fibröse Wand, Epithel und Lichtung sich zeigt; endlich auch noch eine Gruppe besonderer Drüsen (b), die vielleicht mit den nachher zu erwähnenden zusammenhängen oder doch von ähnlicher Natur sein mögen. Und wie ist das Verhalten der Röhren, wird man wissen wollen, an dem unieren oder hinteren Ende? — Hier gehen beide. schlingenförmig in einander über, ohne dass ich im Stande wäre, am Gipfel der Ueber die Schleirhenlurehe (Coeciliae). 295 Schlingen eine Oeffnung wahrzunehmen. Doch möchte man von vorne herein ein Geöffnetsein gegen den Raum nach hinten annehmen, und als ich einen stärkeren Druck auf die Röhren wirken liess, wich auch in der That eine Partie Epithelzellen aus der Lichtung der Schlinge nach hinten aus, wie ich es in Fig. 15 (Taf. XX.) gezeichnet habe. Gleichwohl kann man dieses nicht für einen strengen Beweis gelten lassen, da auch eine durch den Druck hervorgerufene Rissstelle den Weg zum Austritt des Inhaltes gebildet haben kann. — Ueber die Theile, welche jenseits der Schlinge der beiden Röhren folgen, sind meine Beobachtungen an Coecilia annulata so wenig zu- sammenhängend, dass ich mich jetzt gleich zu Coecilia lumbricoidea, wo. ich hierin etwas weiter gekommen, wenden will. Betrachtet man bei Coecilia lumbricoidea das Kopfgrübchen, wel- ches hier der Nasenöffnung viel näher rückt als dem Auge, unter guter Beleuchtung mit der Lupe, so blickt deutlich aus dem Schatten des Grübchens eine kleine weissliche Papille. Zur Versinnlichung, in wel- chem Verhältniss der Lage, Nase, Auge und das Grübchen zu einander hei gegenwärtiger Art stehen, habe ich wieder den Kopf, einigemal vergrössert, in Fig. I (Taf. XIX.) dargestellt. Unter starker Vergrösserung (Taf. XX. Fig. 17.) wird, wie bei C. annulata, erkannt, dass die Papille nicht etwa aus besonderer Tiefe zur Oeffnung heraufragt, sondern ganz nahe der letzteren von der Wanda sich erhebt. Die nächste Umgebung der Grube ist wieder drüsenlos; die Drüsensäcke beginnen erst in einiger Entfernung, stehen alsdann aber sehr dicht. Hierauf kommen abermals bei weiterer Prüfung die beiden auf- fälligen Röhren zum Vorschein. Dieselben sind fürs freie Auge als 11/, Linien lange Fädchen zu unterscheiden; sie liegen dicht bei- sammen, sind geradlinig und am vorderen Ende biegen sie gegen die Mündung der Grube, um dort sich zu öffnen; am hinteren Ende er- zeugen sie eine steile Schlinge. Die Wand der Röhren ist diek, doch nicht musculös, sondern aus denselben Faserelementen gebildet, wie ich sie bei G. annulata charakterisirt habe. Die Fasern haben eine vor- herrschend circuläre Richtung, doch mit geflechtartiger Verstrickung. Vorne, wo die Canäle zur Mündungsstelle sich umbiegen , verlieren sie die dicke Hülle. i Insoweit ich mich nun auf meine Beobachtungen verlassen darf, so liegen die eben erwähnten Röhren ausserhalb jenes Hohlraumes, 3968 Prof, Leydig, dessen Mündungen der Oberfläche der Haut als Grübchen, Porus oder Löchelchen mit der Papille erscheint; sie öffnen sich blos, wie erwähnt, vorne in die »Grube«. | Der Hohlraum, von dem ich gegenwärtig rede, ist das, was Wac- wer und Jon. MürLer den »häutigen Canal oder Sack« nennen und in dessen hinterstem, ziemlich tiefem Winkel die Augen liegen sollen. Dieses hintere Ende wirklich kennen zu lernen, langte bei mir das Material nicht aus: aber ich sah, dass der Raum eine besondere binde- gewebige dünne Wand und eine knöcherne Umgrenzung oder Be- deckung von Seite des Oberkiefers hat, | Im Innern unterscheide ich deutlich einen nach der Länge des Hohlraumes verlaufenden, aus quergestreiften Bündeln bestehenden Muskel (Taf. XX. Fig. 17 g9.). Wo derselbe herkommt, blieb unbe- kannt, da ich nach Obigem auch das hintere Ende des Raumes nicht zu sehen vermochte ; das vordere Ende des Muskels verlor sich, zur Sehne geworden, in der Gegend, wo man die Schlinge der diekwandigen Röhren bemerkt. — Zweitens sah man ebenso deutlich eine grössere Menge von Drüsenfollikeln (Taf. XX. Fig. 17 h.), denen ähnlich, welche die Augendrüse (Harver’sche Drüse) zusammensetzen. Die Drüsenbälge ordneten sich zu länglichen Gruppen. Endlich fanden sich auch von aussen hereingekommene Dinge in dem »Schlauch«, als da sind : Quarz- körner verschiedener Grösse, und allerlei namentlich pflanzlicher De- tritus (Taf. XX. Fig. 17 f.). Auch bei ir Rede stehender Art habe ich ganz besonders mein Augenmerk darauf gerichtet, ob nicht eine Oeffnung der dickwandigen Röhren am Gipfel ihrer Schlinge in den besprochenen Hohlraum auf- zufinden sei. Ich glaubte einmal auch so etwas wahrzunehmen; allein es war Täuschung, Je aufmerksamer ich die Röhren und namentlich deren Endschlinge (Taf. XX. Fig. 17 e.) prüfte, desto weniger wollte ein Zusammenhang der Lichtung der Röhren mit derjenigen des »häu- gen Sackes« zum Vorschein kommen. Nun möchte es, bevor wir uns um die Bedeutung des Organs be- mühen, am Platze sein, die Angaben Wacrer’s und Jon. MüLLer’s mit den meinigen in Einklang zu bringen. | ‘Hinsichtlich des »häutigen Ganales oder Sackes«, für sich genom- inen, wäre nichts zur Erklärung beizufügen ; anders aber steht es mit lem Inhalt desselben. Keiner der Genannten erwähnt die auffälligen, Jickwandigen Röhren; keiner gedenkt des Muskels, und ebenso wenig Ueber die Schleichenlurche (Coeeiliae). | 397 scheinen sie die Drüsen als: solche bemerkt zu haben. Hingegen liegt nach Jon. Mürzzr in dem Schlauch ein Körper, den er bald »eylinder- förmigen Fortsatz«, bald »walzenförmiges Organ« bald »Tentaculum« nennt; das hintere Ende desselben reiche bis zum Auge, ohne aber mit demselben in Verbindung zu stehen, das stumpfe vordere Ende stehe aus dem Porus der Haut hervor. Vergleicht man nun mit diesen Angaben das, was ich gefunden, so scheint nicht bezweifelt werden zu können, dass das Tentaculum Mürrer’s als ein Sammelwort aufzufassen ist, das sich auf ein oder den andern der obigen Theile, seien es die Röhren, die Muskeln oder die Drüsen, oder vielleicht auch auf alle zusammen bezieht. Denn bei der Präparation mit dem Scalpell und der Lupe — und nur diese Me- thode scheint unser Forscher in Anwendung gebracht zu haben — sieht das Ganze wirklich ungefähr so aus, wie ein walzenförmiges Ge- bilde. Dass Mürzer das wirkliche Tentaculum oder die kleine Papille, welche nahe der Oeffnung des Sackes sich zeigt, als vorderes Ende seines »Tentaculums« ansah, ist dann leicht begreiflich. Selbstverständlich hat mich bei der Untersuchung fortwährend die Frage beschäftigt, welchen anderen Organen des Thierkörpers sollen wir den Hautporus, und was in und an ihm liegt, vergleichen. WAGLER, wie schon erwähnt, erblickt darin das Analogon der Kopf- -gruben der Giftschlangen und da er die letztere Bildung für »Thränen- höhlen« ansieht, gleich den Thränengruben der Hirsche und Antilopen, so ist ihm auch der Hautporus der Coecilien ein » Thränenhöhlen- ‚apparat.« Hierzu wäre von meiner Seite zu bemerken, dass, obschon ich die 'Kopfgruben der Schlangen nach neueren von mir angestellten Unter- suchungen, nicht zu den Secretionsorganen, sondern zu den Sinnes- Organen zu stellen mich veranlasst sehe, also die Wasuer’sche Deutung dieser Bildungen als »Thränenhöhle« zu verwerfen mich berechtigt glaube, ich doch ebenfalls das uns hier interessirende Organ der Coe- eilien für verwandt mit den Kopfgruben der Schlangen betrachte; aber freilich nur aus einem vielleicht wenig stichhaltigen Grund. Gelingt es ‚nämlich nicht den Hautporus unserer Thiere in die Reihe der Organe, | welche ich als Organe eines sechsten Sinnes!) anspreche, zu versetzen, 4) In einer Abhandlung, welche ich der Leopold. Carol. Akademie übergeben ‚habe, und in deren nächstem Band erscheinen wird. 298 Prof. Leydig, so bleiben sie für uns durchaus räthselhaft und müssen als eine Bil- dung, die für sich besteht, ohne Verknüpfung zu anderen Theilen ge- halten werden. i Um dem Organ die Bedeutung eines Sinnesorganes, etwa wie es die »Schleimcanäle« der Fische sind, beilegen zu können, fehlt aber so gut wie Alles; nur die dickwandigen Röhren haben in ihrem Aussehen und histologischen Bau eine etwelche schwache Aehnlichkeit mit den Gallertröhren der Selachier. Indessen die Hauptsache, die Nerven und obendrein der Nervenreichthum, scheint nicht vorhanden zu sein; doch darf ich bezüglich dieses Umstandes auf etwas nachträglich noch hin- zuweisen nicht unterlassen. Es wurde oben mehrmals hervorgehoben , dass die Haut zunächst um den Porus drüsenlos sei. Ich setze jetzt bei, dass diese drüsenlose Zone dunkle Pigmentgruppen besitzt, mit lichteren bald rundlichen, bald länglichen Stellen. Auf Flächenschnitten wird gesehen, dass die dunkeln Massen Nerven bedecken und umspinnen, und einmal damit bekannt, wird man inne, dass in der Haut, ringsum dasKopfgrübchen, eine reiche Entfaltung von Nerven statt habe. Auch habe ich mir an- gemerkt, dass neben oder zwischen den dickwandigen Röhren, die, wie erörtert wurde, ausserhalb des »häutigen Schlauches« liegen, zwei oder drei Nervenstämme nach oben gegen die drüsenlose Zone der Haut gehen. Wollte man diese Nerven zur Deutung des Organs als »Schleimcanal« verwerthen, so müsste man wenigstens zugestehen, dass die ganze Einrichtung etwas Eigenartiges hat. Lieber möchte ich, anstatt das Letztere anzunehmen, die Hoffnung hegen, dass der nächste Beobachter durch glücklichere und vollstän- digere Beobachtungen sich in den Stand gesetzt fühlt, das Problema- tische zu beseitigen und das Organ als Abänderung bekannter Bil- dungen hinzustellen. Mir selber ist es als Ganzes bisher unverständlich ‚geblieben. Was man bis jetzt über den inneren und äusseren Bau der Blindwühlen, sowie bezüglich ihrer Entwickelung kennt, spricht dafür, dass man sie nicht den Reptilien beiordnen soll, sondern den Amphibien. Diess zugegeben, bleibt aber doch immer sehr beachtens- werth, dass ihre Organisation eine bunte Mischung von Charakteren darstellt, indem bald das Eine, bald das Andere an Fische, dann wie- der an Amphibien und selbst an Reptilien erinnert. Und dem gegen- über zeigt ihr Körperbau auch wieder sehr eigenartige Bildungen, 9 Ueber die Schleichenlurche (Coeeiliae). 299 dass ich mich der Ansicht jener Zoologen anschliesse, welche sagen : die kleine Ordnung der Coecilien sei wahrscheinlich der letzte über- lebende Rest einer vormals reich entwickelten Amphibiengruppe, welche zugleich mit Amphibien der Steinkoblen (Archegosaurus z. B.) aus den Fischen sich abgezweigt haben, Für ihre Verwandtschaft mit den Fischen ist schon i immer der Bau ihrer Wirbelkörper angerufen worden, ebenso die Beschaffenheit der Hautschuppen und deren Lage in Taschen. Dagegen kann ich es nicht billigen, wenn ihre Nieren auch fischähnlich genannt werden; diese Organe haben den Bau der Amphibiennieren , ja gemahnen sogar in ihrer Gliederung weiter hinauf an die Nieren der Schlangen. Mit den letzteren hat nicht blos die äussere Gestalt des ganzen Thieres Aehn- lichkeit, sondern dasselbe ist der Fall hinsichtlich der Bezahnung, ferner der Form und Verkümmerung der Lungen auf der einen Seite. Die meisten Charaktere jedoch haben die Blindwühler offenbar mit den Amphibien gemein: die drüsenreiche Haut, der Bau des Zungenbeins, die doppelten Gelenkhöcker des Schädels, die rudimen- tären Rippen, die Kiemen in der Jugend. Auch.könnte man noch an- führen die Thränendrüsen, wodurch sie sich wenigstens entschieden von den Fischen, welchen diese Organe mangeln, entfernen. Das so- genannte falsche Nasenloch wäre nach Obigem entweder der Kopf- grube der Schlangen verwandt oder eine Bildung eigener Art; wie auseinandergesetzt wurde, neige ich mich mehr zu der ersteren Auf- fassung. | Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. 4. Kopf von Coecilia lumbricoidea. ‚ Schwanzende von Coeeilia lumbricoidea. . Kopf von Coecilia annulata. Alle drei Figuren nach Vergrösserung mit der Lupe. . Längsschnitt der Haut von Coecilia lumbricoidea. Mässig vergrössert. a, a, a Blätter oder Schienen der Haut; in ihnen b grosse Drüsen, c, ce Schuppen in natürlicher Lage, n d Lederhaut, e Muskellagen. 5. Eine Schuppe isolirt und gering vergrössert. ’. Theil einer Schuppe von oben und stark vergrössert. @ Die Kalkkörper, b Bindegewebe. 300 Fig, 7 Fig. 8 Fig. 9 Fig. 40 rien 11. Fig. 12. Fig... 13. Fig. 14. Fig. 15 Fig. 16. Fig. 17. Prof, Leydig, Ueber die Schleichenlurche (Coeciliae). . Theil einer Schuppe von unten und stark vergrössert. a Bindegewebe mit den Bindegewebskörpern, b durchscheinende Kalkkörper. . Theil einer Schuppe im senkrechten Schnitt et stark vera a Kalkkörper, b festes, c lockeres umbüllendes Bindegewebe. „ . Zur Haut von Coecilia annulata. Starke Vergrösserung. a Oberhaut; man sieht die Cuticula, die Zellen , die Ausfiikrungks sänge der Drüsen, b zwei Drüsensäcke in der Lederhaut. . Auge von Coecilia annulata von hinten, mässig stark vergrössert. a Sklera, b Choroidea, c Augenmuskeln, d Augenhöhlendrüse. Auge von Coecilia lumbricoidea. Unter der gleichen Vergrösserung wie jenes der Coecilia annulata. a Der Augapfel, b die Augenhöhlendrüse. Tafel XX. Vorderer Abschnitt des Augapfels, durch einen Flächenschnitt abgetragen {i von innen angesehen. a Drüsen der äusseren Haut, b Iris, e Linse. Zellen der Linsensubstanz , stark _vergrössert. Die Kopfgrube, »falsches Nasenloch«, von Coecilia annulata von oben; mässig starke Vergrösserung. a Hautdrüsen, b Tentaculum, c eigenthümliche Röhren, weiche in die Grube münden. . Hinteres Ende der Röhren c in Figur 44. a Oeffnung oder Rissstelle in den anstossenden Raum. Flächenschnitt durch die Kopfgrube von Coecilia annulata bei derselben Vergrösserung. a Hautdrüsen, b besondere Drüsen, ce die durchschnittenen Röhren (Fig. 14 c.), d Tentaculum, e epitheliale Auskleidung ‚ welche sıch zum Theil von der Wand der Grube abgelöst hat. Kopfgrube und was sich daran schliesst von Coecilia lumbricoidea. a Hautdrüsen, b Oeffnung der »Kopfgrube«, c Tentaculum, d die zwei durchscheinenden Röhren, welche in die Kopfgrube münden, e der hintere Theil dieser Röhren, f Detritus (Quarzkörner und anderes) in dem sich anschliessenden Hohlraum. g Muskel, h Drüsen. U. Koolorie. BA. enschaf; schrift 1. erjfe u et 10. / / oologu AV. 1 Yrrjt wiyjenschaftl. Zoologie. d a80/ ® Z Di ) NIIN_ (Cs az nal. del Notiz über Ablagerungen von Tyrosin auf thierischen Organen. ; Von Carl Voit. Schon vor Jahren übergab mir Herr v. SırsorLn längere Zeit in schlechtem Weingeist aufbewahrte Fische, deren ganze Oberfläche, namentlich an den Flossen, mit einer Menge schneeweisser, steck- nadelkopfgrosser Kugeln besetzt war, mit der Frage, woraus diese eigenthümlichen Gebilde beständen. Dieselben sitzen oft so dicht, dass man nicht im Stande ist, den Fisch zu erkennen, und weil es nicht - leicht möglich ist, sie ohne gleichzeitige Ablösung der Schuppen weg- zunehmen, so sind die betreffenden Präparate für die Sammlung ver- ‚ Joren. Da die Kugeln sich vorzüglich dann zu bilden scheinen, wenn die Thiere schlecht, d. h. in zu schwachem Weingeist conservirt wor- den sind und ihre Organe sich erweicht und breiartig zeigen, so dachte | ich natürlich gleich an Leucin oder Tyrosin, die bekannten Fäulniss- ' Producte eiweissartiger Materien , die sich hier an der Oberfläche, wo sie mit dem concentrirteren Weingdisei in Berührung kommen, in wel- 'hem sie nahezu unlöslich sind, abscheiden. \ n Unter dem Mikroskope track bestehen die Kugeln aus Gruppen radiär. gestellter feiner Krystallnadeln. Man kann die Kugeln mit | Leichtigkeit von den Fischen abheben und somit gleich ziemlich reines Material zur Prüfung der chemischen Eigenschaften gewinnen. Sie sind schwer löslich in kaltem Wasser, unlöslich in Alkohol und Aether; alter Salzsäure und Alkalien lösen sie sich leicht auf. Aus der oniakalischen Lösung schiessen beim Verdunsten die für Tyrosin kteristischen Nadelbüschel an. Mit- concentrirter Salpetersäure tzt, erhält man eine pomeranzengelbe Lösung, die nach dem Ab- hen einen gelbbraunen Rückstand lässt; der letztere nimmt bei »eleuchtung mit Natronlauge eine tief rothgelbe Färbung an und wird 302 Carl Voit, beim Abdampfen braun und zuletzt schwarz (Schrrer’s Reaction). Auf dem Platinblech erhitzt, verbrennt die Masse völlig mit starkleuchten- der Flamme. Die Krystalle geben aufs Schönste die von Pırıa und Hor- mann angegebenen Tyrosinreactionen. Es kann nach dem Allem wohl keinem Zweifel mehr unterworfen sein, dass wir es hier vorzüglich mit Tyrosin zu {hun haben. Ich hatte früher bei Behandlung mit einer etwas verdünnten Lösung von reinem salpetersaurem Quecksilberoxyd nur einen gelblichen Niederschlag, . aber keine rothe Färbung erhalten, daher ich damals glaubte, den von Scuerer!) als Xanthoglobulin beschriebenen Stoff vor mir zu haben; letzteres ist jedoch nicht der Fall, da dieser nur in lebhaft gelbgefärbten Kugeln vorkommt, welche aus breiten, gelben Krystallblättern be- stehen, und ausserdem. in kalter Salzsäure nur schwer löslich ist und beim Behandeln mit Salpetersäure und Natronlauge durch Erwärmen nicht braun, sondern intensiv purpurviolett wird. Ich wurde auch noch irre geleitet durch das Ergebniss der Stickstoffanalyse. Der aus der alkalischen Lösung durch Neutralisiren mit Salzsäure erhaltene vollkommen weisse Krystallbrei gab nämlich ein Mal 8.62 %, ein an- deres Mal 8.77 % Stickstoff, während das Tyrosin nur 7.73 % Stick- stoff enthält. Ich dachte an eine Beimischung von Leucin, das 10.68% Stickstofl einschliesst; aber auch nach Behandeln mit kaltem Alkohol und Umkrystallisiren aus heissem Wasser fanden sich noch 8.87 % Stickstoff. Auch unzweifelhaites, aus Horn durch Kochen mit Schwefel- säure dargestelltes, noch nicht völlig reines Tyrosin lieferte 8.87 % Stick- stoff, daher, trotzdem dass die aus den Fischen gewonnene Masse blen- dend weiss ist, irgend eine Verunreinigung vorliegen muss; nach der von Lızsie zuerst für das Tyrosin aufgestellten Formel würden sich ebenfalls 8.8 % Stickstoff berechnen. Ich habe keine Anhaltspuncte für die gleichzeitige Gegenwart von Leucin bis jeizt gewonnen, welches wohl auch wegen seiner leichten Löslichkeit in verdünntem Weingeist nicht auskrystallisiren wird. Leucin und Tyrosin sind, wie bekannt, in vielen thierischen Or- ganen, auch wenn sie ganz frisch verarbeitet wurden, nachgewiesen worden; sehr interessant ist die von Künne?) gezeigte Umwandlung von Eiweissstoffen in diese stickstoffhaltigen Umsetzungsproducte durch die Wirkung des alkalischen pankreatischen Saftes; Sräneırr und Frericns?) fanden dieselben auch bei niederen Thieren, namentlich sind 1) Scherer, Verhandl. d. physikal. medic. Gesellschaft in Würzburg, 1857, Bd. VII, p. 262. 2) Küase, Archiv f. patholog. Anatomie, 1867. Bd. 39, p. 130. 3) STÄDELER und FrErIcHS, Journal f. pract. Chem. Bd. 73. p. 48. Notiz über Ablagerungen von Tyrosiu auf thierischen Organen. 303 die Crustaceen, Spinnen und Insecten durch einen Reichthum von Leuein und Tyrosin ausgezeichnet; was speciell die Fische betrifft, so war es ihnen nicht möglich, aus den Rochen und mehreren Organen der Haye Leuein und Tyrosin zu gewinnen, aus der Milz und dem Pankreas des Hay’s stellten sie etwas Leucin, aus ersterer auch etwas Tyrosin dar. Es ist daher nicht möglich, das an den Fischen anschiessende Tyrosin aus präexistirendem abzuleiten, es kann wohl nur durch Fäulnissprocesse entstanden sein. | Schon ILJexko') und Fr. Bopr ?) überzeugten sich, dass durch die Fäulniss, wie durch Kochen mit Schwefelsäure oder durch Schmelzen mit Kali Leucin auftritt, letzterer glaubte jedoch, die Zersetzung bleibe dabei vor der Bildung von Tyrosin stehen. Es kann aber auch Tyrosin dabei entstehen; nach A. Mürer?) findet sich in faulender Hefe Tyrosin, auch in altem Käse, in zersetztem Pankreassecret ist es vor- handen und auch, wie Künwe®) angiebt, in schlecht conservirten _Spirituspräparaten menschlicher Glieder, häufig in Gestalt kleiner, Jichter Krystallaggregate, was ein Analogon unseres Falles ist. An der _ Oberfläche der FiSche tritt es in solcher Menge auf, dass ich kein Mittel kenne, sich auf so einfache Weise nahezu reines Tyrosin in grosser Quantität zu verschaffen als dieses, da jedes zoologische Kabinet in seinen Vorräthen solche für ihren eigentlichen Zweck unbrauchbar ge- _ wordene Präparate besitzen wird. Ich mache hier gelegentlich auch auf das Vorkommen von ähn- ‚lichen Tyrosinablagerungen im thierischen Organismus aufmerksam. | CHEYALLIER und Lassaıgne°) hatten einmal in der Leiche einer 2 "Monate lang begrabenen Frau auf der Schleimhaut des Magens und Duodenums, auf der Leber und dem Pericardium weisse Körner ge- funden, die aus einer in Wasser und Alkohol unlöslichen,, aber in Am- moniak und Mineralsäuren löslichen, von ihnen Xanthocystin genannten Substanz bestanden. Sräipeıer und Frerıcns®) glaubten nun, dass dieser Stoff mit Tyrosin identisch ist, da sie auf der 6 Monate in Spiritus aufbewahrten Leber eines Hundes ebenfalls solche Körner entdeckten, die sich als aus Tyrosin bestehend auswiesen. Ich kann dies bestä- tigen ; ich erhielt vor längerer Zeit von Herrn Prof. L. A. Bucnhner eine Anzahl weisslicher Körnchen, welche er auf der Schleimhaut des 4) ILıesko, Annalen der Chemie und Pharmacie, 1847. Bd. 63. p. 264. 2) Bopr, Annalen der Chemie und Pharmacie, 1839. Bd 69. p. 16. 3) A Mürrer, Journal f. prakt. Chem. Bd. 57. p. 462 u. 447. 4) Küane, physiologische Chemie. p. 109. 5) CHEVALLIER und LassAıienE, Journal de chimie med. 3. Ser. T. 7. p. 208. 6) StÄDELER und Frericas, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1856. p. 37. 304 Carl Voit, Notiz über Ablagerungen von Tyrosin auf thierischen Örganei. | Magens einer seit 6 Monaten begrabenen Leiche gefunden und nach den ersten Reactionen für Guanin gehalten hatte. Bei näherer Untersuchung derselben durch mich stellte sich aber heraus, dass sie aus Tyrosin bestanden; unter dem Mikroskop sah man nadelförmige Krystalle, die die Hormann’sche und Pırıs’sche Reaction und ‘die Probe mit Salpeter- säure und Alkali auf's deutlichste gaben. VircHnow !) traf sehr häufig 3 Abscheidungen von Leucin und Tyrosin auf der Oberfläche des Pankreas menschlicher Cadaver, die wahrscheinlich von der Zersetzung des Ei- weisses der Drüse durch das Secret herrührte. ‘In unserem Falle war aber das Auftreten des Tyrosins reine Fäulnisserscheinung. R. Brxper?) beschrieb Harnsäureniederschläge in kleinen weissen Flocken von der Oberfläche des Gesichtes, des Magens und der Leber einer seit 2 Mo- : naten beerdigten Leiche; vielleicht hat hier eine Verwechselung mit Tyrosin stattgefunden. ie Herr Director Prosstuayr brachte mir einmal Stücke von ge- räuchertem Schweineschinken, an welchen in dem Bindegewebe zwischen den Muskelbündeln zahllose weisse Pünetchen zu sehen # waren, die von dem Roth des Fleisches sich deutlich abhoben und von dem Käufer für eingekapselte Trichinen gehalten werden waren. Herr Director ProssrmAyk überzeugte sich bald von der Abwesenheit der ge- fährlichen Würmer, und übergab mir das Fleisch zur Feststellung der chemischen Natur der kleinen CGoncremente. Sie liessen sich mit Nadeln leicht aus dem lockeren Bindegewebe herausheben und hatten alle Eigenschaften des Tyrosins. Vırcnow°) beobachtete in einem Falle das Vorkommen von Guanin in krystallinischen Goncretionen in der Sub- stanz der Knorpel und der Ligamente am Kniegelenke bei Schweinen. Es wäre daher nicht unwichtig, zu wissen, ob die von mir beobachteten Ablagerungen von Tyrosin während des Lebens des Thieres vorhanden waren, oder das Fleisch schon im Anfang der Fäulniss begriffen war, ehe es zur Räucherung kam; ich konnte hierüber nichts in Erfahrung bringen, der Schinken sah übrigens frisch aus, schmeckte noch ganz gut und roch durchaus nicht faulig. Ich bin überzeugt, dass man bei näherem Nachsuchen noch öfter solche Tyrosinablagerungen finden wird. 4) VırcHow, Arch. f. pathol. Anat. Bd. 7. p. 580. 2) BENDER, Journ. f. prakt. Chem. Bd. 99. p. 254. 3) VırcHnow, Arch, f. pathol. Anat. Bd. 35. p. 358. „# A Beiträge zur Bildungsgeschichte der Stacheln etc. im Mantel- ‚rande der Chitonen. Von Dr. med. J. Reincke aus Altona. Mit Tafel XXI und XXI. Im Laufe des letzten Sommers unternahm ich unter der hülfreichen Leitung meines verehrten Lehrers, Herrn Dr. Semper in Würzburg, eine Untersuchung über die Entwickelung der verschiedenartigen Hart- gebilde im Mantelrande der Chitonen, deren Vollendung leider durch ein unverhofft lange andauerndes Augenleiden verhindert wurde. Da ‚aber auch die bis jetzt gewonnenen Resultate nicht ohne Interesse zu sein scheinen, so erlaube ich mir dieselben .hier in Kürze mitzu- heilen : Der Mantelrand der echten Chitonen bildet auf dem Querschnitte Y eine annähernd dreieckige Figur, deren zwei Seiten der Rücken- und ı Bauchfläche des Thieres entsprechen, während die dritte der Mittellinie ‚des Körpers zugekehrt ist und hier im untern Theile die Kiemen be- As, weiter oben durch Muskelmasse mit dem übrigen Mantel und ‚ lem Fusse in Verbindung tritt und schliesslich die seitlichen Wurzeln ler Schalen aufnimmt. Die untere Fläche des Mantelrandes liegt im „ ‚eben mit der Fusssohle in einer Ebene und ist nur in den natürlich twas geschrumpften ‚Spiritusexemplaren, wie auch in unserer Zeich- ung Taf. XXI. Fig. 1, die nach einem dem Chiton piceus GueL. ‚ler östlichen Gewässer abe stehenden Chiton aus Surinam angefertigt ‚| st, mit dem ganzen Mantelrande etwas in die Höhe gezogen. Von der N meren obern Kante dieses letzteren zieht der eigentliche Mantel als nusculöse Platte, die Leibeshöhle nach oben abschliessend, zur andern ‚eite. Auf einem einfachen Cylinderepithel trägt er di Schalen, vischen denen er sich bei manchen Arten in einem schmalen, gegen HN Zeitschr. f. wissensch. Zoolegie. XVII. Bd. 20 306 Dr. ıned. J. Reincke, den Rand verbreiterten Wulste erhebt, der dann, wie jener, an der Rückenfläche Stacheln erzeugt, die zwischen den Schalen hervorragen; so in ausgezeichneter Weise bei Chiton peruvianus Lamk. Unterhalb jeder Schale schickt der Mantel an den Seiten der Mittellinie je eine tiefe, auch mit einfachem CGylinderepithel ausgekleidete Tasche nach vorne zur Aufnahme der vorderen Apophysen des Articulamentum der nächst hinteren Schale. Auf dem Querschnitte erscheint derselbe da- durch, natürlich wie auch in unserer Figur, eine Strecke weit in zwei Blätter gespalten. Von dem so entstandenen unteren Blatte entspringt nun fast die gesammte Musculatur des Mantelrandes und Fusses. Von hier ziehen mächtige Muskelbündel ın den Fuss, gegen dessen Sohle divergirend und.-sich mannigfach verflechtend, gegen die Mittellinie sich mit Fasern der andern Seite kreuzend, während dazwischen zahl- reiche Querschnitte zum Theil sehr starker Längsmuskeln auftreten. Von derselben Stelle zieht ein anderer Muskelzug, der sich aus Fasern vom Fusse, die von der anderen Seite herstammen, und dem Boden der Leibeshöhle zunächst liegen, verstärkt, an der innern Fläche des Mantelrandes herab, überbrückt, an dessen unterer Kante angelangt, einen kleinen rundlichen Vorsprung, der von ihm Fasern empfängt und andere abgiebt und zieht dann an der unteren Fläche weiter, wo er sich allmählich verliert. Auf seinem ganzen Verlaufe sendet er zahl- reiche Bündel aus, die quer durch den Mantelrand divergirend gegen dessen Rückenfläche verlaufen, und sich unterwegs mit andern Fasern kreuzen, die in der Mehrzahl ihren Ursprung an der Basis des oberen Mantelblattes nehmen. Zwischen dem so entstandenen Maschenwerk finden sich wieder zahlreiche Querschnitte von Längsmuskeln, beson- ders dicht gedrängt an der obengenannten Ursprungsstelle des oberen | Mantelblattes und zwischen den Anfängen der stärkeren Bündel, die von dem grossen Muskelzuge an der Innenfläche des Manitelrandes ent- ' springen. Die Muskelfasern des Mantels selbst verlaufen anfangs schräg gegen den Rücken und die Mittellinie, später nach der Vereinigung mit | dem unteren Blatte vollständig quer zur anderen Seite, während gerade in der Mittellinie unter derselben ein starker Längsmuskel hinzieht. | Der kleine rundliche Vorsprung, der die innere untere Kante des Mantelrandes bezeichnet, ist nicht bei allen Species durch einen Ein-| schnitt, wie dem von uns abgebildeten, von dem übrigen Mantel ger trennt, immer aber bleibt er in leicht kenntlicher Absonderung be- stehen. Sein Gewebe, das durch den mächtigen Muskelzug vollständig) von den übrigen Theilen getrennt ist, zeigt eine viel losere,,. fast) Er schwammige Structur, und enthält bei manchen Arten zahlreiche Kalk- concretionen. Stets trägt er ein grosses Gefäss, das reichliche Aeste in Beiträge zur Bildungsgeschichte der Stacheln ete. im Mantelrande der Chitonen. 307 die Musculatur des ganzen Mantelrandes abgiebt und durch seine Lage immer scharf die Stelle angiebt, wo die stachelige Bekleidung der Unterfläche aufhört. Bei manchen Arten fand ich neben dem Gefässe einen deutlichen Nerven, der sich in ähnlicher Weise verzweigte. Hier wie an der ganzen Innenfläche trägt der Mantelrand ein einfaches Cy- linderepithel, ebenso in den in ihn hineinreichenden Gruben zur Auf- nahme der seitlichen Theile der Rückenschalen. Auf unserem Schnitte sieht man diese deutlich in zwei Abtheilungen getrennt, die untere tiefere für das Articulamentum, die obere für das Tegmentum. Ein wesentlich anderes Verhältniss zeigt sich an der Rücken- und Bauchfläche. Hier erheben sich, dicht gedrängt, hohe Papillen, die den mannichfachen Schüppchen, Platten, Stacheln, Borsten etce., denen diese Zeilen beson- ders gewidmet sind, ihren Ursprung geben. An der Bauchfläche finden sich meist kleinere Gebilde, kleinere Schüppchen oder kurze Stacheln und Stäbchen, die dachziegelartig in mehreren Reihen übereinander gelagert, einen festen Panzer bilden. Die Rückenfläche bietet ein viel bunteres Bild. Bald erscheint sie von polygonalen Plättchen wie ge- pflastert, bald bedeckt sie ein dichter Wald feinster, verschiedenfarbiger Nadeln, so dass dieselbe mikroskopisch glatt, höchstens fein chagrinirt aussieht, bald sitzen dort dichte, dicke, kurze Stacheln, bald einzelne grosse Platten oder zerstreut lange Stacheln, die nach ihrem Ausfallen ‚tiefe Gruben hinterlassen, bald diese, bald jene verschiedenen Formen vereint. Man weiss, einen wie dankbaren Anhalt die Systematik in diesen mannigfachen Gebilden findet. Alle sind getragen, zum Theil bedeckt von einer äusserst mächtigen, farblosen Cuticula. Stets findet sich am Ende der Rückenfläche gegen die scharfe Kante, an der sie mit der Bauchfläche zusammenstösst, eine besondere Form meist langer, durchsichtiger, farbloser Nadeln, die oft sehr gross werden und dann im einer Ebene mit der Bauchfläche gerade gegen aussen gerichtet hiegen, so sehr charakteristisch bei unserem kleinen heimischen Chiton marginatus PEnnAnt (Taf. XXI. Fig. 2.). Nicht unwesentlich modificirt zeigen sich alle diese gröberen Ver- hältnisse beim Genus Chitonellus. Unsere Figur (Taf. XXI. Fig. 3.) zeigt einen Querschnitt durch den ganzen vorderen kiemenlosen Körper von Chitonellus fasciatus Quov & Gamarnd. An Stelle der stark platt- gedrückten Körperform der echten Chitonen haben wir hier einen fast kreisrunden Querschnitt, ein Verhältniss, das wesentlich durch das in der ganz abweichenden Lebensweise bedingte Zurücktreten des Füsses, der kaum zwischen dem Mantelrande hervorragt, verursacht | ist. In demselben Maasse treten die Schalen in den Hintergrund; denn in gleicher Mächtigkeit umschliesst der Mantel fast den ganzen Körper, 20 * 308 Dr. med. J. Reincke, nur auf dem Rücken hie und da kleine Gruben für dieselben übrig lassend. Unser Bild zeigt die Grube, in der die Schale auf ihrem ein- fachen Epithel gelagert hat, darüber die noch erhaltene sogenannte Epidermis, darunter die hier von einer Seite zur andern ganz durch- gehende Tasche für die vorderen Apophysen der nächstfolgenden Schale. Die Musculatur entspringt fast ganz von der der-Leibeshöhle zugekehrten Fläche des Mantels. Von der Gegend der seitlich gelegenen grossen Gefässe ziehen starke Bündel in ähnlicher Weise wie bei unserem Chiton in den Fuss, die Gefässe und Nerven regelmässig umgreifend und sich mit Fasern der andern Seite kreuzend. Ein allerdings nur schwacher Zug geht auch hier an der dem Fusse zugekehrten Seite des Mantels hinab, wo er sich bald auflöst. Aus der Umgebung der Lücken für die Schalen entspringen hauptsächlich die Fasern für den oberen Theil des Mantels, in den sie nach allen Richtungen ausstrahlen und sich zu feinen Maschen verbinden. Einzelne Fasern ziehen ebenso wie Chiton, oberhalb des Fusses und unter der Schale von einer Körperseite zur andern. Dazu kommt ebenso wie dort eine starke Längsmuseculatur, deren Querschnitte sich überall verstreut finden. An der dem Fusse zugekehrten Fläche des Mantels trägt derselbe auch hier ein einfaches Cylinderepithel, während der an der unteren inneren Kante liegende Wulst mit seinem Gefässe fehlt. Die kleine Bauchfläche trägt voll- ständig den echten Chitonen entsprechend, auf einer papillösen Gutis dicht übereinander liegende Lagen äusserst kleiner Kalkbildungen ; am äusseren Rande zeigt sich ebenso ein Saum längerer weisser Nadeln, und auch der Rücken ist mit ähnlichen Bildungen bedeckt; die aber hier nie starke Grössendifferenzen zeigen. | In Bezug auf die specielleren Verhältnisse, an die ich jetzt gehe, finden keine weiteren Verschiedenheiten statt. Zunächst handelt es sich hier um den feineren Bau der absondern- | den Oberfläche, über den ich leider zu keinen festen Resultaten | kommen konnte, da mir anfangs nur Spirituspräparate zu Gebote stan- | den und später meine Augen mir verboten, die günstige Gelegenheit | zu benutzen, frische Exemplare von Chiton marginatus auf Helgoland H untersuchen zu können. Ich muss mich daher auf Folgendes be schränken. Br h An den Stellen, wo der Mantel ein einfaches Cylinderepithel trägt, wie an der dem Fusse zugekehrten Fläche oder unterhalb der: Schale" scheint eine eigentliche Cutis nicht zu existiren; sondern die Epithel- | f zellen sitzen direct der Musculatur auf. Weniger einfach sind die Ver-' / hältnisse an der Bauch- und Rückenfläche, wo der Mantelrand die mannigfachen Stacheln und Schüppchen erzeugt. Hier erhebt sich die N Beiträge zur Bildungsgeschichte der Stacheln ete. im Mantelrande der Chitonen. 309 Oberfläche, wie schon oben bemerkt, in dicht gedrängt stehenden Pa- pillen, die sich oft gegen die Peripherie verbreitern, ein mehr oder ‚weniger streifiges Ansehen haben und oft zahlreiche Kerne enthalten, so besonders bei Chitonellus fasciatus. An einzelnen Stellen senkt sich dieselbe in tiefen Gruben in die Substanz des Mantels zur Aufnahme grösserer Stacheln und Schuppen. In diesen findet sich wieder ein einfaches Gylinderepithel, das direct auf der Musculatur ruht, während es am Rande allmählich in die Papillen übergeht. Bei einzelnen Chi- tonen, so bei Chiton lineolatus TrENmBLY, ragen grosse Drüsen tief in die Musculatur; aber ohne durch etwas anderes, als eine Membrana propria von derselben getrennt zu sein. Wie sollen wir nun die Pa- pillen deuten? Dieselben sitzen direct der Musculatur auf, oft jede einzelne mit einer convexen Basis gegen dieselbe gekehrt, wo dann ein besonderes Muskelbündel an sie hinantritt, sie von unten becherförmig umfassend , während in andern Fällen Muskelfasern direct in dieselben einzutreten scheinen. An ihrer Oberfläche sind dieselben jedenfalls nicht mit einem Epithel bekleidet, das irgend welche Aehnlichkeit mit dem die grösseren Stacheln und Schalen tragenden hätte; dagegen gehen sie, wie oben bemerkt, an den Gruben für diese Gebilde allmählich in das diese auskleidende Cylinderepithel über. Sie werden ‚schmäler und schmäler,, scheinen schliesslich nur aus einzelnen langen Zellen zu bestehen, die sich weiterhin verkürzen, bis wir am Boden der Grube ein regelmässiges Cylinderepithel finden. Diese Gruben entwickeln sich, wie wir später sehen werden, an allen beliebigen Stellen der Oberfläche, ihr Epithel muss daher mit dem der Papillen in Verbindung stehen, ja diesem seinen Ursprung danken, und auf der ' anderen Seite scheint es, dass sich manchmal wieder über den Gruben ' Papillen entwickeln. Danach kann ich die allerdings wohl etwas ge- wagte Vermuthung nicht unterdrücken, dass wir die ganzen Papillen ‚ selbst als ein umgewandeltes Epithel auffassen müssen, dessen lange Zellen von der Basis nach oben oft etwas divergirend gegen die Ober- ' fläche laufen. Dünne Schnitte, besonders von Chitonellus fasciatus, scheinen diese Ansicht bisweilen direct zu bestätigen: auch fand ich auf Fläehenschnitten durch die Papillen desselben Thieres die diesen ‚ entsprechenden Lumina in der Cuticula, wenn sie klein waren, ganz | von runden oft polygonal an einander abgeplatteten Feldern erfüllt, die ‚ den Querschnitten der einzelnen Zellen entsprechen würden, während die grösseren nur am Rande derartige Bilder zeigten und die Mitte ganz ‚frei blieb. Ob hier die Elemente herausgefallen oder ob die Papillen nicht vielmehr hohl sind, muss ich dahin gestellt sein lassen. Jeden- ‚falls werden erst fortgesctzte Untersuchungen, besonders an frischen | 5 r R ; ; 310 ‚Dr. med. J. Reincke, Präparaten, über diese Verhältnisse sicheren Aufschluss geben können. Ein weiterer hier zu besprechender Punct ist die diese Papillen bedeckende Cuticula, die namentlich am Rücken oft eine bedeutende Mächtigkeit erreicht. Sie ist offenbar eine Epithelialausscheidung, wenngleich bei den Chitonen, wo Drüsen vorhanden sind, auch diese zur Bildung derselben beitragen mögen. Dieselbe ist fest, schwachen Alkalien und Säuren Widerstand leistend, in Carmin sich schwach im- bibirend, durchsichtig, oft leicht wellig gestreift, an der Oberfläche uneben, zerrissen von zahllosen mikroskopischen Algen dicht bedeckt und von den grösseren Stacheln durchbohrt. Sie wird offenbar be- ständig abgeschieden und an der Oberfläche in gleichem Maasse abge- schliffen, wozu vielleicht die Algen ihr Theil mit beitragen mögen, denn sie wird nicht etwa von den beständig nachwachsenden Stacheln aufgehoben, sondern diese bleiben überall von ihr gleichmässig um- schlossen, ohne dass sich auch nur eine Spur von Fältelung zeigte. Um von den nachwachsenden Stacheln durchbohrt zu werden , ist sie viel zu fest, und an eine Auflösung derselben durch den Stachel selbst etwa in dem für ihn erforderlichen Bereich wird doch Niemand denken wollen. Nein, sie ist geradezu Trägerin des Stachels, und hebt ihn bei ihrem fortschreitenden Wachsthum mit empor, den langen, ihn allein noch mit dem lebendigen Gewebe verbindenden Faden nachziehend. Denn was sollte sonst wohl den schweren Stachel empor heben, wenn er nach seiner äusseren Vollendung kaum noch mit der Papille in Be- rührung. ist? doch wohl nicht die Vis a tergo des nachwachsenden dünnen Fädchens? Die Stacheln und anderweitigen Hartgebilde nun, die sich im Mantelrande entwickeln, stimmen alle darin überein, dass sie min- destens zum Theil aus einer organischen Grundmasse bestehen, die eng mit kohlensaurem Kalk verbunden ist. Behandelt man dieselben mit Säuren, so tritt, während sich der Kalk unter Kohlensäure- entwickelung allmählich löst, eine bisweilen schon vorher erkennbare, parallele Streifung deutlich hervor, die quer zur Längsaxe des Organs gerichtet ist, mit leichter, gegen die Basis gekehrter Gonvexität, ein Ausdruck seiner schichtenweisen Absonderung. Mit den letzten festen Kalktheilen verschwindet die Streifung wieder, die fur in der ungleich schnellen Lösung des Kalkes ihren Grund hatte. Die organische Grund- masse bleibt dann bei den durchsichtigen Stacheln als leichte, oft nur an den CGontouren zu erkennende, durchsichtige Masse aber von der Form des Siachels, während sie bei den farbigen Stacheln durch den zurückgebliebenen Farbstoff weniger verändert erscheint. Während Beiträge zur Bildungsgeschichte der Stacheln ete. im Mantelrande der Chitonen. 311 aber ein Theil dieser Gebilde ausschliesslich kalkhaltig ist, erhält eine andere Reihe noch Ansatzstücke, die aus reinem Chitin bestehen, nie- mals Kalk, und stets weniger Farbstoff als die Stacheln selbst enthalten. Beide stimmen bis zu einem gewissen Puncte in der Entwickelung überein, während dann aber die ersteren auf dieser Stufe stehen bleiben und nur noch an Grösse zunehmen, fahren die anderen noch längere Zeit fort, sich in specifischer Weise weiter zu bilden. Während jene in ihrem Wachsthume unbeschränkt erscheinen und zu einer be- deutenden Grösse, oft bis zur Länge eines Gentimeter, gelangen, so die Platten bei Chiton coquimbensis TremsLy, die grossen Stacheln bei dem Chiton des stillen Oceans, den wir später näher besprechen wer- den, bei Chiton spiniger, Chiton spinosus und Ändern, erreichen diese mit einer bestimmten Grösse ihren Wachsthumsabschluss; während jene für lange Zeit zu bestehen und nur selten ersetzt zu werden scheinen, sind diese einem beständigen Wechsel unterworfen. Alte werden abgestossen und in demselben Maasse wachsen immer neue nach, so dass man in den kleinsten Schnitten alle möglichen Ent- wiekelungsstadien finden kann. Oft sitzt der junge Stachel schon unter dem alten, wie der bleibende Zahn unter dem Milchzahne, so dass hier manchmal, wenn auch natürlich nur rein äusserliche Aehnlichkeiten mit Epidermoidalbildungen bei Wirbelthieren, wie Haaren und Zähnen hervortreten. Alle diese Stacheln entstehen nun in geschlossenen Räumen, die als Ausstülpungen des oberflächlichen Epithels, resp. einer Papille, anzusehen sind, ein Verhältniss, wodurch sie sich offenbar an die Ent- _ wickelung der Borsten bei Anneliden anschliessen, wie sie uns Enters!) geschildert hat. Man darf sich das Zustandekommen derselben wohl ‚nicht in der Weise vorstellen, dass eine solide Zellenmasse in die Mus- eulatur hineinwuchert und später in sich eine Höhlung erzeugt, son- dern es erscheint mir wahrscheinlicher, dass eine bestimmte Parthie der Oberfläche in ihrem Wachsthume zurückbleibt, während das um- gebende Gewebe weiter wächst, so dass allmählich ein oben ge- schlossener Raum entsteht, in den das junge Kalkgebilde zunächst aus- geschieden wird. Ich glaube diese Art der Bildung um so mehr annehmen zu dürfen, als der obere Verschluss häufig nur sehr lose erscheint, Taf. XXI. Fig. % stellt eine junge Platte aus dem Mantel ‚von Chiton coquimbensis dar, die noch ganz umschlossen ist. Sie ruht unter der Lücke für die verloren gegangene Platte auf einem einfachen BE. 4) Enters, Ueber die Bildung der Borsten und Ruderfortsätze bei den Borsten- w rmern. Nachrichten von der königl. Gesellsch. der Wissenschaften und der ER Universität Göttingen No, 44. 18 Aug. 1865. 312 Dr. med. J. Reincke, Epithel, das allmählich in die Papillen übergeht. Später bricht dieselbe zur Oberfläche durch, indem immer neue Massen an ihrer Basis aus- geschieden werden. Ebenso machen es die Stacheln und beide dringen bei ihrem Wachsthume nicht allein mit ihrer Spitze über die Oberfläche hervor, sondern mit ihrer Basis auch immer tiefer in die Musculatur, ein Verhältniss, das sich nur in derselben Weise erklären lässt, wie wir es oben bei der Entstehung der Säcke versucht haben, d. h. dass der den Stachel direct tragende Theil im Wachsthume hinter dem um- gebenden Gewebe zurückbleibt und dieses seitlich immer mehr um- wachsen wird, während seine eigene Grössenzunahme seine Spitze in noch stärkerem Maasse vorwärts über die Oberfläche treibt. So findet man denn bei grossen Chitonen nach dem Ausziehen dieser Stacheln oft linientiefe Gruben, die mit einfachem Cylinderepithel ausgekleidet sind. Taf. XXI. Fig. 13. zeigt einen Theil einer solchen verhältniss- mässig noch kleinen auf dem Längenschnitte. Die kleineren Stacheln nun, von denen wir oben sprachen, die bis auf das excessive Grössenwachsthum mehr oder weniger in der Entwickelung bis hier übereinstimmen, erfordern eine besondere Be- _ handlung nach Species, da hier die Mannigfaltigkeit doch zu gross, die Zahl der von mir untersuchten Arten zu gering ist, um schon jetzt generalisiren zu können. Am nächsten den eben beschriebenen grösseren Hartgebilden stehen die kleineren Stacheln der Oberseite bei einem Chiton des stillen Oceans. Das jüngste Exemplar, das ich gefunden (Taf. XXI. Fig. 5.), war ein 0,02 Mm. grosser, kalkiger Körper von dunkelbrauner Farbe, mit mehreren stumpfen, helleren Höckern. Er ruhte in einem an- scheinend nach oben communicirenden Sacke, der durch seine gelb- liche Farbe und wächsernes Aussehen leicht von der Umgebung her- vortrat. Derselbe trägt unten und an beiden Seiten ein deutliches Cylinderepithel, dessen Zellen braune Körnchen enthalten, während in den oberen Theilen eine bestimmte Structur und das Verhältniss zu den Papillen nicht zu erkennen war. Sehr häufig sah ich ein weiteres Stadium (Taf. XXI. Fig. 6.), wo der Sack mit seinem jetzt 0,05 Mm. langen Stachel tief in der Musculatur sass und dieser letztere an seiner Spitze einen gelben rein chitinigen Aufsatz trug, der natürlich in- zwischen von den oberen Parthien des Sackes ausgeschieden und dem kalkhaltigen Theile aufgesetzt sein musste. Doch will ich bemerken, dass ich den obigen jüngeren Zustand nur einmal in einem nicht be- | sonders klaren Präparate gesehen habe. Weiter finden sich Bilder, wo 7 der Stachel mit seiner Spitze schon aus dem Sacke hervorragt, bald | auch zwischen den Papillen (Taf. XXI. Fig. 7.), und schliesslich auch | Beiträge zur Bildungsgeschiehte der Stacheln ete, im Mantelrande der Chitonen. 313 die Cuticula durchbrieht. Er ruht dann in einer Grube, die mit eim- fachem Cylinderepithel ausgekleidet ist, das mit dem des Säckchens übereinstimmt und an den Seiten in nicht erkennbarer Weise in die Papillen übergeht. Bleibt der Stachel auf dieser Stufe stehen, nimmt er von nun an nur an Grösse zu, so wird er zu emer der oben er- ° wähnten grösseren Bildungen und nach seinem Ausfallen bleiben Gruben zurück wie Taf. XXI. Fig. 13. Bei der grösseren Masse der Stacheln hat aber hier die Entwickelung ihr Ende noch nicht erreicht, das Epithel hebt sich oft faltenartig vom Stachel ab (Taf. XXI. Fig. 9.) und scheidet in den so entstandenen leeren Raum eine gelbliche Chitin- masse, die gegen den dunkelbraunen oberen Stachel, der unten ein wenig heller wird, scharf abgegrenzt ist und von Kalktheilen voll- kommen frei bleibt Taf. XXI. Fig. 10.). Während dieser Ausschei- dung hebt sich der Stachel immer mehr aus der Musculatur heraus, das ausscheidende Epithel nimmt in gleichem Maasse an Ausdehnung ab Taf. XXI. Fig. 11.), bis schliesslich nur eine kleine Reihe Zellen noch den Stachel trägt (Taf. XXI. Fig. 8.). Allmählich sind dieselben ganz verschwunden, und der Stachel, der nun seine volle Grösse von etwa 0,25 Mm. Länge erreicht hat, ruht fast ganz auf der Oberfläche, hebt sich schliesslich noch höher in die Gutieula hinauf und steht dann - nur durch einen homogenen sich mit Garmin imbibirenden Faden, der - oben etwas angeschwollen ist, mit dem Gewebe in Verbindung (Taf. XXI. \ Fig. 12.). Schliesslich wird der Stachel abgestossen und nur die untere helle, chitinige Kappe pflegt als Rest noch längere Zeit sitzen zu _ bleiben. £ Vollständig ebenso mit Ausschluss der chitinigen Spitze scheinen “sich die ausserordentlich verschieden gestaltigen grünen und weissen Stacheln der Rückenfläche des Chiton aus Surinam zu entwickeln, nach dem unser Uebersichtspräparat (Taf. XXI. Fig. 1) angefertigt ist. aA uflallend ist, dass die jüngsten Stacheln im Gegensatz zu den älteren eine ausserordentlich scharfe Spitze tragen, (die offenbar mit zunehmen- ‚dem Alter abgeschliffen wird. Zunächst hieran möchte ich Stacheln schliessen , deren Entwicke- un esgang ich bei sehr verschiedenen Chitonen übereinstimmend ge- nden habe und als deren Repräsentanten ich den Chitonellus fasciatus r näher beschreiben werde. Bei diesem schönen Thiere ist der ‚breite Mantelrand von einem dichten Walde schlanker und zonenweise erschieden gefärbter Stacheln bedeckt, die im Allgemeinen die Form einer leichtgekrümmten Keule haben, a en breiteres Ende gegen die Peripherie gekehrt ist und ORION! 0,13 Mm. und 0,4 Mm. Länge schwanken. Ihre ersten Stufen finden sich wieder in geschlossenen 314 Dr. med, J. Reincke, Räumen meist zwischca je-zwei Papillen in der Tiefe. Dieses Säckchen scheint, wie auch die Papillen, fast nur aus langen kernhaltigen Zellen zusammengesetzt zu sein, die den jungen Stachel von unten umfassen und sich blumenartig über ihm schliessen, so dass derselbe wenigstens im oberen Theile mit den langen Seitenwänden der Zellen in Berührung zu sein scheint (Taf. XXI. Fig. 14). Er ist sehon jetzt, je nach der Farbe der ausgewachsenen dunhelbraun oder schneeweiss, in beiden Fällen kalkhaltig und stärker das Licht brechend. Im weiteren Wachs- thume durchbricht er die deckende Hülle (Taf. XXII. Fig. 15), hebt sich weiter und weiter empor, während die Grube, aus der er entstanden, sich entsprechend verkleinert (Taf. XXI. Fig. 16). So wächst er lange fort, anfangs sich nach unten immer mehr verdickend (Taf. XXN. Fig. 17), ‘ dann wieder schlanker werdend, bis zu dem Moment, wo auch hier, wie bei dem vorigen, plötzlich die Kalkabscheidung aufhört, und über denselben Zellen reines Chitin ausgeschieden wird. Der kalkhaltige Theil schliesst sich nach unten rund kuppenartig ab und wird von dem rein chitinigen unterem Stück wie von einer Kappe umfasst. Taf. XXII. Fig. 18 zeigt deutlich, wie schon am Rande im ganzen Um- kreise reines Chitin abgeschieden wird, während in der Mitte der jetzt schon sehr flachen Grube die ausscheidenden Zellen noch mit dem kalkhaltigen Theile in Verbindung stehen. Bald beginnt auch hier die Absonderung des reinen Chitins, und es entwickelt sich ein ziemlich langes, schlankes, unteres Stück des Stachels, das wieder plötzlich und jetzt in gerader Linie abbricht, um einer neuen Bildung Platz zu machen (Taf. XXI. Fig. 19). Die Grube, aus der der Stachel hervor- gegangen, hat sich jetzt so verkleinert, die Zahl der ausscheidenden Zellen so verringert, dass dieselben ganz unter der Basis des Stachels Platz finden. Die am Rande dieser Grube gelegenen Zellen übernehmen jetzt allein die Ausscheidung und bilden einen unten sich etwas ver- jüngenden Ring, der an seiner Innenseite eine deutliche Streifung zeigt. Während nun der Stachel, der jetzt ganz frei in der Guticula liegt, durch diese, wie wir oben sahen, gehoben wird, ziehen sich die mitt- leren Zellen aus der Grube zu einem langen Faden aus (Taf. XXI. Fig. 20, 21 und 22), oft bis an die Grenzen der Cuticula, so dass der Stachel fast ganz frei in die Luft ragt, wo er dann allerdiugs bald abbricht. Gewöhnlich sieht man, namentlich bei kleineren Stacheln, nur einen einfachen, glatten Faden mit scharfen Rändern, ohne weitere Siruetur, der sich mit Carmin imbibirt und in den Ghitinring hineintritt, wo er sich etwas verbreitert. Nach unten ist er meist schwer zu verfolgen, da die dichtgedrängten Papillen ihn so umlagern, dass es selten ge- lingt, seinen Verlauf frei zu legen. In anderen Fällen, namentlich bei Beiträge zur Bildungsgeschichte der Stacheln etc. im Mantelrande der Chitonen. 315 grösseren Stacheln, sieht man an beiden Seite‘: des Fadens noch eine zarte Contour hinablaufen,, die von dem unteren Aussenrande des Chitinringes abgeht, wodurch der Faden in einer Röhre zu liegen scheint. Bei noch grösseren Stacheln ist der Faden oft offenbar nicht einfach (Taf. XXI. Fig. 24). Vom Boden erheben sich die Zellen con- . vergirend gegen den Faden, eine Art spitze Papille bildend, in der deutliche Kerne und bei farbigen Stacheln auch Pigment zu erkennen sind. Offenbar ist die Verbindung zwischen dem Ringe und dem folgen- den Chitinstücke eine äusserst lose, manchmal bricht der Stachel hier ab und man findet dann den Ring auf seinem Faden frei in der Cuti- eula im Profil wie ein Tischchen stehend (Taf. XXI. Fig. 25). Andere Rückbildungszustände sind die, wo man den Stachel allmählich zer- bröckelnd und verfallend vorfindet. In den grossen Stacheln fand ich sehr häufig stets oberhalb der Guticula Hohlräume, die röhrenförmig mit einer runden Mündung an der Oberfläche beginnen und eine Strecke weit senkrecht zur Längsaxe des Stachels in diesen hineinlaufen,, dann nach unten umbiegen, wo sie bald retortenförmig erweitert aufhören (Taf. XXI. Fig. 24). Welche Bedeutung dieselben haben, weiss ich nicht zu sagen; vielleicht sind sie das Werk von Parasiten. Schliesslich will ich noch bemerken, dass sich unter den farbigen Stacheln stets Pigmentmassen in einzelnen der ausscheidenden Zellen finden und dass bei diesen wie bei allen anderen von mir untersuchten Chitonellen, sämmtliche Stacheln den eben geschilderten Entwickelungsgang voll- ständig durchmachen. Ausser den Stacheln finden sich auf der Rückenfläche dieses Thieres noch anderweitige Bildungen, die in manchen Schnitten in be- deutender Menge auftreten und eine besondere Besprechung erfordern. Es sind dies Bläschen von eiförmiger- Gestalt, deren dünnes Ende gegen die Peripherie gekehrt ist, die in der Cuticula vollständig von dieser umschlossen liegen und ebenso wie die ausgewachsenen Stacheln mit der Oberfläche des Mantels durch einen einfachen, sich mit Carmin 'imbibirenden Faden in Verbindung stehen. Dieser Faden, den ich nie, so viel ich auch danach gesucht habe, weiter als bis zur Musculatur verfolgen konnte, tritt in das Bläschen und verdickt sich hier gleich nach seinem Eintritte zu einem runden Knöpfchen, von dem aus Fäden in mannigfacher Verzweigung sich pseudopodienartig zur Wand der Blase "begeben. Auf die Deutung dieser Gebilde werde ich später zurück- kommen. | Di Vollständig übereinstimmend mit der Entwickelung der' Stacheln dieses Thieres fand ich dieselben bei einem anderen kleineren philip- 316 Dr. med. J. Reincke, pinischen Chitonellus: nur waren hier die Stacheln kleiner, stärker gekrümmt und tief cannelirt. Auch die eben beschriebenen Bläschen fanden sich in etwas rundlicherer Form. Ausserdem fand ich aber ein- zelne lange, ausserordentlich dünne, spröde, kalkige Borsten, die tief in die Musculatur reichten, von einer Scheide eingeschlossen, deren Structur sich bei der Kleinheit des Objects nicht sicher eruiren liess. Mit Ausschluss des zuletzt gebildeten Chitinringes wiederholt sich der eben geschilderte Entwickelungsgang auch bei fast allen den Stacheln echter Chitonen, die den scharfen Aussenrand schmücken, so bei unserm Chiton des stillen Oceans (Taf. XXI. Fig. 28) und ebenso bei den die Bauchfläche deckenden Schüppchen (Taf. XXI. Fig. 29), wo der lange Faden allein es ermöglicht, dass hier diese Gebilde in mehreren Reihen übereinander liegen können. "Einen Uebergang zu den folgenden scheinen die dichtstehenden, braunen, 0,14 Mm. langen Stacheln eines australischen Chiion zu bil- den, von dem ich einige Bilder gebe (Taf. XXH. Fig. 30—33) ; wenig- stens liegen hier die jüngsten Stacheln in einer Papille (Taf. XXM. Fig. 30), während allerdings später dieselben über Gruben stehen . (Taf. XXI. Fig. 31—32), deren Zellen durch bedeutende Pigmentmassen erfüllt sind. Sonst ist dieser Chiton dadurch ausgezeichnet, dass sich über die ganze Rückenfläche verbreitet, einzelne helle Stacheln finden, wie sonst nur am Rande, die oft auf langen Fäden mit angeschwollenen Enden ruhen (Taf. XXI. Fig. 33), während die grosse Masse der braunen Stacheln selten diesen Entwickelungszustand erreicht. Nicht unwesentlich anders gestalten sich die Verhältnisse bei den kleinen, höchstens 0,4 Mm. langen, schwarzen Stacheln, die bei Chiton coquimbensis die Rückenfläche zwischen den grossen Platten in aus- nehmender Dichtigkeit bedeckten. Ihre jüngsten Stufen liegen mitten in einer Papille als kleine, 0,006 Mm. lange, durchsichtige, das Licht stärker brechende Körper, von deren Basis eine Reihe kleiner, dunkler Körnchen nach unten zieht (Taf. XXI. Fig. 34), die sich bald vermehren und als Inhalt einer Zelle ergeben, deren Kern als helles Scheibchen hindurch leuchtet (Taf. XXII. Fig. 35, 36 und 37). Bald treten eben solche Körnchen im unteren Theile des Stachels auf, während seine Spitze und der Rand stets mehr oder weniger von derselben frei bleiben, und jetzt erkennt man auch, dass jederseits neben der pigmenthaltigen Zelle von der Basis des Stachels je eine Contour herabläuft, die sich unten verliert und die zusammen Theile umfassen, die bei der Stachel- bildung offenbar eine Rolle spielen, aber nicht im Einzelnen zu er- kennen sind. Ebenso scheint der junge Stachel selbst oft von Gewebs- theilen hüllenartig umgeben, , die sich etwas stärker, als die zunächst Beiträge zur Bildungsgeschichte der Stacheln ete. im Mantelrande der Chitonen® 317 gelegenen Theile der Papille in Garmin imbibiren. Während der Stachel nun weiter wächst, besonders an Breite zunimmt und schliesslich aus der Papille hervorragt (Taf. XXI. Fig. 38 und 39), verbreitert sich in gleichem Maasse die unter ihm gelegene Zelle immer mehr Pigment auf- nehmend, während ihr unteres Ende mit noch immer deutlichem Kern sich schnell verschmälernd, in einen feinen Faden gegen die Musculatur ausläuft (Taf. XXI. Fig. 38). Dabei pflegen sich die Zellen und der Stachel in einen Winkel zu einander zu stellen, wie denn auch der letztere fast immer die Papille nicht an ihrer Spitze durchbricht (Taf. XXI. Fig. 39). Im weiteren Wachsthume verjüngt er sich ebenso im unteren Theile, wie die früher besprochenen Stacheln, und gleichzeitig damit schwindet das Pigment in der darunter gelegenen Zelle (Taf. XXI. Fig. 40), bis nach vollständiger Ausbildung des kalkhaltigen Theiles des Stachels dieselbe auf ein Minimum reducirt ist, wogegen jetzt die von den beiden oben erwähnten Gontouren umfasste Zellenmasse deut- licher hervortritt (Taf. XXI. Fig. 44, 42 und 43). Jetzt beginnt auch hier die reine CGhitinausscheidung, wobei in der Mitte .noch eine Zeit lang Pigmentkörnchen zu erkennen sind, die aber bald schwinden. Der chitinige Theil rundet sich nach unten ab und erhält nur in der Mitte einen dünnen, kurzen, stäbchenförmigen Ansatz, der wieder mit einem Faden in Verbindung tritt, der zur Papille hinführt (Taf. XXI. Fig. 44, 45, 46, 47 und 48), und bisweilen deutlich bis zur Musculatur zu verfolgen ist (Taf. XXI. Fig. 45). Fällt der Stachel ab, so bleiben die Fäden mit ihrem kolbenförmigen Ende noch eine Zeit lang in der Cuticula bestehen (Taf. XXI. Fig. 4 b.). Gleichfalls in den Papillen entwickeln sich die ausserordentlich kleinen, höchstens 0,03 Mm. langen, farblosen Stacheln des Chiton lineolatus; doch ist hier der Kleinheit des Objects wegen das Speciellere nicht zu erkennen (Taf. XXI. Fig. 49). Die jüngsten von mir aufge- fundenen Bildungen sind kleine, stark lichtbrechende Körperchen von fast der gleichen Dicke wie Länge, die in den Papillen liegen, dann weiter in die Länge wachsen, bis auch hier reines Chitin ausgeschieden wird, das bald den Stachel hoch hinauf von allen Seiten umfasst und sich nach unten lang stielförmig verlängert, bald als kurzer, breiter, eckiger Ansatz erscheint. Schliesslich findet sich auch hier ein äusserst feines Fädchen als Verbindung, das bisweilen eine blasige Auftreibung zeigt. Charakteristisch ist es, dass der kalkhaltige Stachel bald, nach- dem er über die Oberfläche der Guticula hinausgetreten ist, von seinem ‚ ehitinigen, unteren Stücke abbricht, dieses als offenen Becher hinter- | lassend, der sich dann bald mit verschiedenerlei Detritus und Schmutz ' füllt, ein Verhältniss, das Flächenansichten ein wunderbares Ansehen 318 Dr. med. J. Reincke, verleiht. Besonders gekennzeichnet ist dieser Chiton ausserdem durch die enormen Drüsen, die tief in die Musculatur ragen und deren weiter Ausführungsgang mit einem oft sehr deutlichen, kernhaltigen , polygo- nalen Plattenepithel ausgekleidet ist. Das körnige Secret derselben sieht man oft in die Guticula hineinragen und mit dieser verschmelzen. Leider bin ich bis jetzt nicht dazu gekommen, eine der zahlreichen Chitonarten zu untersuchen, deren Mantelrand an der Rückenfläche mit dicht neben einander oder dachziegelartig liegenden Schüppchen ge- täfelt ist; doch scheint ihre Entwickelung nach einer flüchtigen Unter- suchung des Chiton pictus Rezve nicht wesentlich von den vorher ge- schilderten Verhältnissen abzuweichen. s Vergleichen wir jetzt die so gewonnenen Resultate mit dem Ent- wickelungsgange anderer Gutieularbildungen bei Mollusken, so scheinen mir keine so tiefgreifende Unterschiede vorzuliegen, als es auf den ersten Anblick erscheinen möchte. Dass unsere Stacheln in geschlosse- nen Räumen entstehen, ist nichts Ungewöhnliches, denn es liegen auch anderweitig genug analoge Verhältnisse vor. Zunächst deuten die Chitonenschalen selbst auf eine solche Bildung. Die Schalen von Cryptochiton Stelleri MiDpendorr liegen vollständig im Mantel, die Schalen der Chitonellen oft bis auf minimale Stückchen, und wenn die umschlossenen Theile auch immer nur aus dem Articulamentum be- stehen und das Tegmentum und die Epidermis nur von den am Rande liegenden Epithelien gebildet werden können, wie sollen denn diese beiden letzteren Theile anders entstanden sein, als dass der Mantel ursprünglich geschlossen war und von je einem mittleren Puncte über jeder jungen Schale auseinander wich, wobei sein Epithel am Rande der Oeffnung mit zunehmendem Wachsthume immer neue Stücke des Tegmentum und der Epidermis ausschied? Andere zweifellose Beispiele einer derartigen Bildung in geschlossenen Säcken haben wir im so manchen Pulmonaten, den Gephalopoden mit innerer Schale und Andern. Der Modus der Abscheidung selbst bietet auch nichts Abweichendes; aber das Besondere liegt darin, dass Functionen, die wir bei anderen . Mollusken auf bestimmt umschriebene Theile des Mantelrandes be- schränkt sehen, hier gleichmässig der ganzen Fläche des unverhältniss- mässig vergrösserten Organs übertragen sind, dass dieselben abson- dernden Elemente abwechselnd verschiedene Functionen übernehmen, d. h. erst die sogenannte Epidermis — denn dafür können wir doch ohne Weiteres unsere Cuticula ansehen, wie es schon einfach aus | unserer Taf. XXI. Fig. 3 erhellt — dann kalkhaltige Stacheln oft mit Pigment und schliesslich einfaches Chitin abscheiden oder gar wie bei unserem Chiton aus dem stillen Oceane reines Chitin und Kalk ab- Beiträge zur Bildungsgeschichte der Stacheln ete. im Mantelrande der Chitonen. 319 wechselnd. Bei den Muscheln wird die Epidermis nur in dem Falze am vorderen Mantelrande ausgeschieden, der äussere Mantelrand bildet nur Prismen, die dahinter liegenden Parthieen nur Perlmutterschichten: bei der grösseren Zahl der Schnecken werden die Epidermis und die Farbstoffe nur am Mantelrande, dahinter die Hauptmasse der Schale ausgeschieden, während noch weiter nach binten künstlich angelegte Löcher wohl durch eine leichte, aber farblose Kalkschicht ausgefüllt werden, aber nie wieder eine Epidermis erhalten (Kererstzin), ein Verhältniss, das nach dem obigen jedenfalls auch bei den Chitonen- schalen eintreten wird; aber bei diesen bildet der Mantelrand nicht allein die Epidermis, sondern auch an beliebiger Stelle bald hier bald dort, je nach Bedürfniss, Organe, deren jedes Einzelne man einer Schale vergleichen könnte, wenn auch die grossen Besonderheiten in den Ansatzstücken und tragenden Fäden bestehen bleiben. Zum Schluss noch einige Worte über jene wunderbaren Bläschen, die ich besonders bei Chitonellus fasciatus beschrieben habe. Un- zweifelhaft ist es das Verlockendste, dieselben für nervöse Endorgane, etwa »Tastkörperchen« anzusehen; aber abgesehen davon, dass ich bisher vergeblich nach einem Zusammenhange mit Nervenfasern ge- sucht babe, liegen auch andere Verhältnisse vor, die zur Vorsicht mahnen. Jedem, der diese Körper einmal gesehen, wird es wie mir gehen, und in Bildern, wie sie uns Taf. XXI. Fig. 28 von unserem Chiton des stillen Oceans oder Taf. XXII. Fig. 46 von Chiton coquimbensis geben, zunächst homologe Bildungen begrüssen. Aber gerade in Fig. 28 liegt zwischen unseren Bläschen ein Stachel, der gerade von einem solchen getragen wird, der Vergleich mit andern Bildern bei Chiton coquimbensis macht es zweifellos, dass unser Faden mit bläschen- artigem Ende früher einen Stachel trug, der später abgestossen wurde, bei unserem australischen Chiton (Taf. XX1l. Fig. 33) und ebenso bei Chiton lineolatus (Taf. XXI. Fig. 49), brauchen nur die Stacheln ver- loren zu gehen, um durchaus ähnliche Gebilde zu hinterlassen. Freilich weiss ich damit nicht anzugeben, wie bei den Chitonellen der übrig bleibende Faden sich in so differenter Weise etwa entwickeln könnte; vielleicht geben Bilder wie Taf. XXI. Fig. 21 und Andere, einen Finger- zeig, so wie der Umstand, dass manche dieser Bläschen eher durch Detritus als durch organisirtes Gewebe erfüllt scheinen. Jedenfalls haben wir allen Grund, uns vor voreiligen Schlüssen warnen zu lassen. Altona, den 21. Januar 1868. = 320 Fig. Dr. med. J. Reincke, Erklärung der Abbildungen. Tafel XXI. 4. Schnitt durch den Mantelrand und den Fuss von Chiton sp. aus Surinam. 40-—42 Mal vergrössert. pi a Mantelrand, a’ Rückenfläche desselben mit grossen Stacheln, a” Bauchfläche mit kleinen dichtstehenden Stacheln, a’ Farblose Stacheln des Aussenrandes, b Fuss, e Kieme, d Leibeshöhle, e Gefässtragender Wulst an der inneren unteren Kante des Mantel- randes, f Platz der Schale, f’ Falz für das Tegmentum, f" Falz für das Articulamentum, f"’ Epidermis, g Lücke für die Apophysen der nächsthinteren Schale, h,h,h Gefässe, i,i Nerven. 2 Schnitt durch den Mantelrand von Chiton marginatus Pennant. 20—30 Mal vergrössert. Bedeutung der Buchstaben wie in Fie. 4. . Schnitt durch den vorderen, kiemenlosen Körper eines jungen Chitonellus fasciatus Quoy & GaımArD. 8—-10 Mal vergrössert. Bedeutung der Buch- staben wie in Fig. A. . Schnitt durch den Mantelrand von Chiton coquimbensis TreusLy. Eine junge Platte in einem geschlossenen Sack, darüber die in der Zeichnung verkürzte Fläche mit Epithel, auf der die ältere Schale gelegen hat. 5-—42. Entwickelungszustände der Stacheln von Chiton sp. aus dem stillen Ocean. a Chitinspitze, b kalkhaltiger Theil des Stachels, c unteres Ansatzstück aus reinem Chitin, d Faden, e Papille, f Grube mit Epithel, ! Cuticula. Fig. 43. Grube aus dem Mantelrande desselben Thieres, in der ein grosser Stachel Fig. 44—24. Entwickelungszustände der Stacheln von Chitonellus fasciatus Quo & Gaıuann. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 5—12. %k Chitinring. gesessen. Tafel XXIl. | + Uertschrift: f. vilenschaftl. Zoologie. Ba. NV Beiträge zur Bildungsgeschiehte der Stacheln etc. im Mantelrande der Chitonen. 321 . 25. Chitinring vom Stachel desselben Thieres, der oben abgebrochen ist. . 26 u. 27. Bläschen vom Mantelrande desselben Thieres. g. 28. Schnitt durch den dem Aussenrande nahe gelegenen Theil der Rücken- fiäche des Mantelrandes von Chiton sp. aus dem stillen Ocean (Fig. 5—12) mit 3 gestielten Bläschen. Bedeutung der Buchstaben wie in Fig. 5—12. . 29. Schüppchen von der Bauchfläche des Mantelrandes desselben Thieres. Bedeutung der Buchstaben wie beim vorigen. . 30—32. Entwickelungszustände der braunen Stacheln der Rückenfläche von Chiton sp. aus Australien. Bedeutung der Buchstaben wie beim vorigen. . 33. Farbloser Stachel von der Rückenfläche desselben Thieres. Bedeutung der Buchstaben wie beim vorigen. .„ 34—48. Entwickelungszustände der Stacheln von der Rückenfläche von Chiton coquimbensis TremsLy. Buchstaben wie beim vorigen. . 49. Schnitt durch den Mantelrand von Chiton lineolatus Tremsry. Bedeutung der Buchstaben wie beim vorigen. g Junger Stachel, h Drüse, i Ausführungsgang derselben mit Plattenepithel, k Stachel auf einem Bläschen, Vergrösserung der Figuren 4—49: 300 Mal. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. | 24 Zur Anatomie der Gattung Gordius L. Von Dr. H. Grenacher, Prosector an der zootomischen Anstalt in Würzburg. Mit Tafel XXIH. XXIV. Die Untersuchung, deren Resultate mitzutheilen die nachfolgenden Zeilen bestimmt sind, wurde angeregt durch die ausserordentlich gün- stige Gelegenheit, einige Exemplare grösserer tropischer Gordien zer- legen zu können, ”— eine Gelegenheit, für die ich der grossen Freund- lichkeit des Herrn Dr. Srmrer verpflichtet bin. Die daran gemachten Funde erregten den Wunsch, dieselben mit einheimischen Species zu vergleichen, und nun ist es Herr Prof. Krrzrstein in Göttingen, ferner und ganz besonders Herr Prof. C. Th. von Sırsorp in München, die mich auf die liebenswürdigste Weise, letzterer wiederholt, mit Zusen- dungen von Untersuchungsmaterial bedacht haben. Dadurch, und mit einigen hier in Würzburg vorgefundenen Exemplaren von Gordius subbifurcus wurde es mir möglich, unsere Kenntnisse der Anatomie dieser noch so wenig bekannten Thiere in einigen Puncten erweitern, in anderen berichtigen zu können. Sämmtlichen oben genannten Herren aber sage ich für ihre so gütige, liberale Unterstützung meinen wärmsten Dank. Wenn man die Beschreibungen der Autoren über die Anatomie von Gordius gegen einander hält, so stösst man auf die wider sprechendsten Angaben. Der Eine beschreibt eine Mundöffnung, wo- gegen ein Anderer keine solche zu entdecken vermag; — der Eine beschreibt ein an beideır Seiten offenes Excretionsorgan, das der An Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 325 dere wieder als Darm anspricht, an dem er aber im Gegensatze keine Oefinungen — Mund und After — gelten lassen will u. s. f. Nächst der Dünnleibigkeit unserer einheimischen Arten, die bisher fast aus- schliesslich untersucht wurden, liegt aber meines Erachtens die Schuld dieser Unklarheit wesentlich in den ungenügenden Untersuchungs- methoden. Auf dem gewöhnlichen Wege der zootomischen Unter- suchungsmethoden, der auf andere grössere Nematoden noch mit Yortheil anwendbaren der Zerlegung unter Wasser, ist diesen paren- chymatösen Thieren nur sehr schwer, oder gar nicht beizukommen. Ich wandte mich daher zur Methode der Zerlegung des Thieres in Querschnitte vermittelst des Rasirmessers, bei unseren Formen zwischen Hollundermark und habe, ohne eine Erhärtungsflüssigkeit anzuwenden, ganz befriedigende Resultate erhalten. Dadurch, dass ich von vorn und von hinten her Schnitt für Schnitt gesondert und numerirt aufhob, verschaffte ich mir die Möglichkeit, das Thier wieder zu construiren. Leider hatte ich blos Weingeistexemplare zur Untersuchung, und so sind namentlich die eigentlich histologischen Beobachtungen sehr spärlich ausgefallen. Die ausschliesslich weiblichen Exemplare, die ich Herrn Dr. Semper verdanke, stammen aus dem Leibe einer Mantide von den Philippinen. Taf. XXIM. Fig. 1 stellt das grösste Exemplar in natürlicher Grösse dar, und es erhellt auf den ersten Blick die grosse Verwandtschaft mit dem von Mögıvs!) beschriebenen Chordodes pilosus. In Beziehung auf ihren Bau stimmt die philippinische Species so genau mit unseren einheimischen Arten überein, sowie die Querschnitte derselben mit dem von Mösıus (l. c. Fig. h abgebildeten, dass ich mit Diesing ?) die beiden Formen mit der Gattung Gordius vereinige. Ich will, ob- eich mir das Männchen unbekannt geblieben, und also die Bischseiß bung mangelhaft bleibt, der philippinischen Art den Namen Gordius ornatus n. Sp. en. den sie wegen ihrer Hautanhänge wohl verdient. ä Die Gestalt des Thieres erhellt am besten aus derFig. I (Taf. XXI). 5 spitze Ende ist, wie v. Sırzor» bei der Mösıus’schen Beschreibung üt Recht bemerkt, das Vorderende. Nach hinten zu wird der Leib mählich dicker, bis er am Anfange des letzten Dritttheils seine grösste e erreicht, um nun wieder langsanfabzunehmen. Er endet mit einer hwach köpfförmigen Anschwellung, auf deren Gipfel sich eine, bis- o7 er blos als Ausführungsgang der Geschlechtsproducte bekannte Oefi- = findet. “ Diese Zeitschr. VI. 4855. mit Taf. XV. 2) DıEsıng, Revision der Nematoden in Wiener Sitzungsberichte. Vol. XL. 2 args al 324 Dr, H. Grenacher, Von Farbe ist das Thier tief sammtartig schwarzbraun; nur am Hinterende ist die Farbe lichter. Die ganze Oberfläche desselben sieht wie bereift aus; ausserdem erkennt man noch zwei weissliche, filzig hehaarte, der ganzen Länge nach verlaufende Linien, von denen die eine die dorsale, die andere die ventrale Seite einginmt. Bei näherer Betrachtung schon mit blossem Auge, besser mit der Loupe, erkennt man die Ursache des bereiften Aussehens in zahllosen, regellos ver- theilten weisslichen Wärzchen ; während die filzigen Linien von eben solchen, die aber an ihrer Spitze in einen Haarschopf ausgehen , ge- bildet werden. Nun ist aber in der Art und Weise, wie dje mit einem Schopfe versehenen Warzen sich zur Bildung der Bauch- und Rücken- linie gruppiren, ein bemerkenswerther Unterschied: die Rückenlinie wird durch eine longitudinal verlaufende Ansammlung solcher Wärz- chen gebildet, wobei gerade die Mitte am dichtesten besetzt ist, wäh- rend hingegen die Ventrallinie durch zwei Reihen solcher Wärzchen gebildet wird, die in ihrer Mitte einen schmalen, völlig warzenfreien Raum frei lassen, der in seinem Verlaufe dem nachher zu besprechen- den Bauchstrange entspricht. Die Ventrallinie zerfällt also bei genauerer Betrachtung eigentlich in zwei Linien — wie die Pappelreihen längs einer Chaussee. Die beiden Seitenfelder zwischen Bauch- und Rücken“ linie sind ziemlich gleichmässig besäet mit haarlosen Wärzchen. Ueber deren Bau siehe weiter unten. In Nachfolgendem werde ich nun bei jedem Organsystem immer zuerst Gord. ornatus berücksichtigen, und daran die an einheimischen Arten gemachten Beobachtungen anknüpfen. Dabei werde ich mich in Bezug auf historische Notizen auf das Nothwendigste beschränken, da die Geschichte unserer Kenntniss dieser Thiere in der bekannten grossen Abhandlung von Meissner!) ausge- zeichnet behandelt ist. Die Haut. An der Haut der Nematoden lassen sich nach Schneider?) ganz allgemein zwei Lagen unterscheiden: eine innere, den Muskeln auf- liegende, mehr weniger deutlich zellige, subcutane Schicht, die zu der äusseren Lage, der nicht aus Zellen gebildeten Guticula sich als absondernde Matrix verhält. 4) MEISSNER, Beiträge z. Anatomie u. Physiologie der Gordiaceen. Diese Zeit- schrift, VIL, A—140. Taf. I—VIl, 2) SCHNEIDER, Monographie der Nemaloden. Berlin 1866. p. 206. ee Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 2 Si ws Was nun die Erstere anbelangt, so sind Mrıssxer ihre Beziehungen zur darauffolgenden Schicht völlig entgangen: er handelt sie mit der Musculatur ab, und nennt sie Perimysium, obgleich er zugiebt, dass sie »ebensowohl der Ernährung der-Haut, als der Muskeln dienen möge.« Er beschreibt diese Schicht als einfache Lage 5 — 6seitiger, gekernter Zellen; bei meinen Exemplaren war die Zellnatur wenigstens noch - durch die deutlichen Kerne angedeutet. Die Cuticula zerfällt in zwei wesentlich verschiedene Schichten : in eine innere, dicke, lamellöse Lage, von Meissner Corium genannt, deren einzelne Lamellen wieder aus jenen bekannten, feinen, sich kreuzenden Fibrillen bestehen, und eine äussere, dünne, homogene ‚Schieht, welche die gleich zu beschreibenden Papillen trägt — die _ Meıssxer'sche Epidermis, nach ihm aus Zellen bestehend. — Der Mrıss- / NER 'schen Beschreibung der Faserlage kann ich nichts Neues beifügen; ich begnüge mich mit der. Bemerkung, dass ich dieselben immer dich bei den einheimischen Arten) auf dubrästihitien schön radiär gestreift “fand. Diese besonders an der äussern Grenze deutliche, nach innen "gegen die Muskeln zu verschwindende Streifung erinnert ganz an die Porencanäle anderer Cutieularbildungen; ist jedoch factisch blos ein = die Interferenz der Fasern bedingtes Phänomen. Ueber eigent- liche Porencanäle s. weiter unten. J Die Dicke dieser Lage beträgt bei G. ornatus 0,045-—0,05 Mm. » Die äussere Lage, die Cuticula im engeren Sinne, ist die dünnste. ‚Sie erhebt sich über der ganzen Körperoberfläche in intensiv braun gefärbten Papillen von 0,015 — 0,016 Mm. Höhe, und von der Form ines abgekürzten Kegels mit leicht cannelirtem Basaltheil (Taf. XXI. Fig. 2—5). Gegen das vordere und hintere Leibesende zu nehmen diese Papillen an Höhe ab, und werden schliesslich zu flachen, "sehüppchenartigen Erhöhungen, wie die sind, welche die ganze Ober- fläche unserer einheimischen Arten bedecken. — Stellenweise erreichen "Gruppen solcher, Papillen eine beträchtlich grössere Höhe (0,02 bis 023 Mm.) (Taf. XXIU. Fig. 2, 4). Um ein Paar stark vergrösserter, namentlich auch verdickter Papillen legt sich ein Kranz von 8— 10 palissadenartig aneinander schliessender Papillen von gleicher Höhe. Die Spitzen der centralen Papillen der Dorsal- und’ Ventrallinie theilen ich nun in eine Anzahl langer, fadenförmiger, solider Fortsätze . XXI. Fig. 4), die weit über die Umfassung hinausragen können, ' der übrigen Körperoberfläche sind die Gipfelbesätze der Gentral- illen viel kürzer, schmäler und Ser: und ragen rasenartig er die Umwallung hervor (Taf. XXI. Fig. 2 und 3). - Aehnliche Bildungen scheint Möpıus bei seinem Chordodes pilosus 326 Dr. H. Grenacher, gesehen zu haben, doch sprach v. Sım»oın dabei die Vermuthung aus, die fraglichen Fäden möchten vielleicht von einem Wasserschimmel herrühren, wie man es schon häufig bei einheimischen Arten nach ihrem Absterben beobachtet hat. Aus der von Mösıus gelieferten Ab- bildung und Beschreibung lässt sich nun Nichts dafür oder dagegen entnehmen, in unserem Falle ist jedoch an eine derartige parasitische Bildung nicht zu denken. Ausserdem habe ich noch am Hinterende jene kurzen, auf einer flachen Papille entspringenden Börstchen vorgefunden, die MEISssnER von {. aquaticus und subbifurcus beschreibt. Das bisher Gesagte gilt von den am weitesten in der Entwickelung vorgeschrittenen Exemplaren. Bei Jüngeren ergab sich einiges Ab- weichende. Bei dem jüngsten von mir untersuchten Exemplare von weisslich geiber Farbe fiel zunächst die relativ beträchtliche Dicke der Subeutan- schicht in die Augen. Während bei ausgebildeten Gordien die Dicke der Matrix sich zur Dicke der Faserlage verhielt wie 1:6—-8, steigert sich dies Verhältniss hier wie 2—3:6, was weniger auf Rechnung einer unentwickelten Faserlage kömmt, als vielmehr der absoluten Dicke der Matrix zuzuschreiben ist. — Die Papillen waren vorhanden, wenn auch nicht in der Grösse wie bei den älteren Individuen; sie waren aber noch nicht ihrer ganzen Dicke nach cuticularisirt, sondern liessen - einen dünnen, gelblich gefärbten, erhärteten Ueberzug und ein farb- und structurloses Innere erkennen, welche durch eine scharfe Grenze von einander getrennt waren. Die erhärtete Aussenlage war an der Spitze der Papille ansehnlich dicker als an dem Uebergang von der” Basis einer Papille auf die benachbarte. Den Centralpapillen der Warzen fehlten aber noch völlig die Fortsätze. — Am meisten erregte aber fol gendes mein Interesse. Der ganze Wurm war von einer festen, farb- losen, aussen glatten, völlig structurlosen Membran überzogen, die auf ihrer Innenseite deutliche Abdrücke der Papillen trug und die sich mit | Leichtigkeit abziehen liess. Nach meiner Auffassung würde dies für eine Häutung sprechen, und zwar für eine solche, die sich blos auf die äusserste Lage der von SchnEiver als Guticula bezeichneten Hautschicht | erstreckt. An einem anderen Exemplare von intensiverer Färbung fehlte! dieses Häutchen, die Papillen waren fast ihrer ganzen Dicke nach ge-. färbt und die Fortsätze schon ziemlich entwickelt. Hier sah ich mit! Bestimmtheit (was ich zwar auch schon beim jüngsten Thiere, jedoch! nicht so schön, erkannt hatte) zerstreute Porencanäle, welche von JJer Matrix aus radiär sowohl gegen die Centralpapillen, als auch an Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 327 die Basis der schon besprochenen Börstchen hin verliefen. Dies dürfte jedenfalls mit der stärkeren Ablagerung chitinisirter Substanz an diesen Stellen zusammenhängen, während man für die Bildung der äusseren Cuticula im Allgemeinen auf die Annahme einer gewissen Permeabilität der Faserlage angewiesen ist. Ueber die Haut unserer einheimischen Arten weiss ich nichts Neues beizubringen. Der Bauchstrang. Zugleich mit den Muskeln handelt Meıssner ein Organ ab, dem er den Namen »Bauchstrang« giebt, welchen Namen wir beibehalten wollen. Derselbe ist ursprünglich eylindrisch, kann aber durch Druck die Gestalt eines dreiseitigen Prismas mit abgerundeten Kanten an- nehmen. Er liegt im Innern des Muskelschlauches, dicht über der so- genannten Bauchfurche desselben, und zieht durch den ganzen Körper vom Vorder- bis zum Hinterende. Meıssner verlegt auf die ventrale Seite desselben seinen Bauch- nervenstrang, aber eine bestimmte Deutung für das Organ selbst giebt er nicht. Scaxeiper!) bringt denselben mit den Längslinien der übrigen 'Nematoden in Zusammenhang: durch das Schwinden der Seitenfelder und der Rückenlinie ist der Bauchstrang, als Homologon der Bauchlinie, ‘der einzige Repräsentant dieser Gebilde. In seiner Monographie der Nematoden (p. 185) hat er aber diese Deutung aufgegeben, und dafür eine andere adoptirt, die ich nach meinen Resultaten als irrthümlich, und im Vergleich zu seiner frühern als Rückschritt bezeichnen muss. Er fasst nämlich das darüber verlaufende Rohr, wie wir sehen werden "mit Recht, als Darm auf; den Bauchstrang aber deutet er als undurch- bohrten, mit dem Darme nicht zusammenhängenden Oesophagus, d. h. ‚als morphologisches Aequivalent eines solchen, vorn ohne Mundöffnung, "hinten ohne Uebergang in einen Darm. Nach ihm soll derselbe mit zahlreichen Fäden an die sogenannte Bauchfurche der Muskeln befestigt sein. Meine Beobachtungen ergaben nun folgendes: Der Bauchstrang ist, ' wie ScaxEiper früher aussprach, das Homologon der Bauchlinie der Nematoden, indem derselbe, wie diese, als Wucherung der Subcutan- ‘schicht erscheint. Ich habe mich nämlich aufs Bestimmteste sowohl ‚an Gordius ornatus, als auch an G. aquaticus und G. subbifurcus über- zeugt, dass der Muskelschlauch an der Bauchseite durch eine sehr ie P. 226. Ueber Muskeln und Nerven der Nematoden. Arch. f. Anat. u. Phys. 4860. 328 Dr. H, Grenacher, schmale Spalte, die nach innen sich zur »Bauchfurche« erweitert, ge- theilt ist; durch diese Spalte nun tritt eine dünne, lamellenartige (nicht blos aus einzelnen Fäden gebildete) Wucherung der Subeutanschicht ins Innere des hohlen Muskelcylinders, um dort continuirlich in den Bauchstrang überzugehen (Taf. XXIU. und XXIWV. Figg. 5, 7— 17, 22, 23). Besonders breit und deutlich ist dieser Uebergang im Hinterende, auch im Vorderende ist er deutlicher als in der Mitte des Körpers, wo man nur auf guten Schnitten, und mit starken Vergrösserungen den- selben erkennen kann. — Nach dem Kopfende zu verdickt sich die Subeutanschicht beträchtlich, ebenso, aber minder stark am Hinterende. In diese Verdickung geht der Bauchstrang über, wie schon Meıssner |) beschrieben hat. — Am Hinterende verliert sich derselbe erst ganz zuletzt, so dass man kaum einen Schnitt anfertigen kann, ohne ihn noch darin zu erkennen. — Erwähnen will ich noch, dass der Bauch- strang dicht vor der Genitalöffnung des Männchens sich theilt, und in jede der Gabelspitzen, in die das Hinterleibsende ausläuft, einen Ast schickt; ebenso findet beim Weibchen von G. subbifurcus eine leichte Gabelung von dem Hinterende statt. Ueber den Bau desselben habe ich keine Erfahrungen. Auf Quer- schnitten zeigt derselbe gewöhnlich eine kleeblattähnliche Zeichnung, die den Eindruck macht, als wenn sie von drei gesondert verlaufenden Faserbündeln herrührte. Die Musculatur. Dicht unter der Subeutanschicht liegt der hohleylindrische Leibes- muskeischlauch , der, mit Ausnahme der Spalte, durch die der Bauch- strang mit der Subcutanlage zusammenhängt, den ganzen Körper con- tinuirlich überkleidet. In der Mitte des Körpers erreicht die Muskellage ihre grösste Dicke; nach beiden Enden hin nimmt sie langsam ab, bis sie schliesslich verschwindet, und auf die Subcutanschicht der Haut gleich das innere, die Leibeshöhle erfüllende Zellgewebe folgt. — Die Muskellage ist auch auf der Rückenseite gewöhnlich am dicksten. Am Hinterleibsende des Männchens drängt der sich theilende Bauchstrang auch die Muskeln auseinander und zwar in der Weise, dass die Schenkel der Schwanzgabel blos auf ihrer Aussenseite mus- culöse Elemente erkennen lassen, nicht aber auf der Innenseite. | Dieser Muskelhohleylinder besteht nun aus flachen, langgezogenen Blättern, die senkrecht auf der Haut stehen, und sich seitlich dicht an- einander legen. Von der Seite gesehen, zeigen sie eine regelmässige NOT. SCH PLANE: Zur Anatomie der Gattung Gordins L. 329 Längsstreifung, aufQuerschnitten eine zarte Querstreifung als optischen Ausdruck ihrer fibrillären Structur. Meissner nimmt an, dass ein jedes solches »Primitivbündel« sich ohne Unterbrechung und ohne Anasto- mosenbildung den ganzen Körper entlang ziehe. Auch Mösıvs hat bei Chordodes kein Auskeilen, das auf ein Auslaufen einer solchen Platte schliessen liesse, beobachtet. Schneider, der bekanntlich die Nematoden nach der Ausbildung ihrer Muskelelemente classifieirt, bringt die Gattung Gordius zu seiner Gruppe der Holomyarii, bei denen eine Differenzirung des Muskel- gewebes in Zellen nicht mehr auftritt. Was Meıssxer »Primitivbündel« nennt, bezeichnet er als Fibrillen, die nach ihm in ihrem Verlaufe mehrfach mit einander anastomosiren sollen. Die Längsstreifung der Seitenflächen, sowie die auf dem Querschnitt hervortretende Quer- streifung scheinen ihm entgangen zu sein. Als der »Marksubstanz« der Muskeln der andern Nematodengruppen entsprechend, sieht er das innere Zellgewebe an, doch ist ihm die Zellnatur dieses Gewebes noch nicht ausgemacht. Die Resultate, zu denen ich gelangte, weichen in wesentlichen Puncten ab von denen Scaxeiper’s, wobei hauptsächlich die relativ stark entwickelte Musculatur von Gord. ornatus mir zur Erkennung der Verhältnisse verhalf. Doch gilt das von diesem Gesagte fast wörtlich auch für unsere einheimischen Arten. Zunächst muss ich bemerken, dass ich nichts weniger als selten die fibrillären Platten sich auskeilen sah, und dass ich also mit dem- selben Rechte, mit dem die früheren Beobachter aus ihren gegentheiligen Resultaten den Schluss auf Continuität derselben vom Kopf bis zum Schwanz zogen, hieraus den Schluss ziehe, dass die Muskelelemente kürzer als der Muskelschlauch sind. Dies wurde auch durch zahl- reiche Flächenschnitte bestätigt, auf denen ich bei sorgfältiger Durch- forschung häufig eine oder die andere Lamelle allmählich dünner wer- den, und schliesslich, nachdem sie sich äusserst fein ausgezogen hatte, verschwinden sah. Allein nie habe ich Anastomosenbildung, auch nur in der leisesten Andeutung aufzufinden vermocht, trotz der darauf ver- ‚wandten Sorgfalt und Mühe. "Die Länge dieser Platten zu bestimmen, ist mir allerdings nicht gelungen, da meine Macerationsversuche erfolglos blieben. Auch mit der von Scuxeiper behaupteten Gleichwerthigkeit dieser ‚Platten mit den Fibrillen der übrigen Nematoden kann ich mich keines- 'wegs einverstanden erklären, vielmehr fasse ich jede einzelne Platte als einzelne Muskelzelle auf, völlig gleichwerthig denen der Polymyarii. Folgende Thatsachen sprechen dafür: erstens und vor Allem sind die 380 Dr. H. Grenacher, einzelnen Platten durchaus nicht solide, wie man bisher annahm, son- dern bilden ein Rohr, das allerdings ein fast verschwindend kleines Lumen hat, welches aber nichtsdestoweniger auf Querschnitten bei genügender Vergrösserung deutlich als solches erkannt wird (Taf. XXI. Fig.5). Dieses Lumen, dem Markraum der übrigen Nematodenmuskeln analog, tritt besonders deutlich am Innenrande der Muskelfasern her- vor, wo der gegenseitige Druck nicht so stark ist; sehr viel seltener kann man dasselbe in der Nähe des Aussenrandes der Fasern erkennen, wo der Druck keine Differenzirung in contractile Rindenschicht und Markhöhle erkennen lässt. Auch in den beiden Enden des Körpers, an den feineren Zuspitzungen der Muskelfasern lässt sich diese Diffe- renzirung mit Sicherheit erkennen. Als zweiter, allerdings gegen den angeführten schon völlig in den Hintergrund tretender Grund wäre die schon beschriebene fibrilläre Structur anzuführen, die sich ganz so verhält wie bei den Polymyarii. Ueber das Vorkommen von Zellkernen in diesen Muskelfasern weiss ich nichts anzuführen, da es mir nicht gelang, solche aufzufinden. Ebenso ist es mir nicht gelungen, jene eigenthümlichen Stränge, Fort- setzungen der Marksubstanz, die schon bei Mermis auftreten, aber ihre höchste Ausbildung bei den Polymyarii erreichen , aufzufinden. Auch bei Mermis glaube ich auf Querschnitten einen ähnlichen Gegensatz zwischen einer Rinden- und Marksubstanz erkannt zu haben, wenn schon nicht mit der Sicherheit und Schönheit wie bei Gordius. Von Trichocephalus dispar (auch einem Scnaneiıper’schen Ho- lomyarier) gab Lrvexarr!) kürzlich eine ebenfalls sehr abweichende Schilderung seiner contractilen Elemente, so dass es den Anschein ge- winnt, als wäre die Frage nach dem Bau der Muskeln dieser Thiere noch nicht abgeschlossen. | Schliesslich will ich noch hinzufügen, dass ich nichts gefunden habe, was auf irgend eine Zusammengehörigkeit der Muskeln und des inneren Zellgewebes hinwiese. Das perienterische Zellgewebe. Der von den schon beschriebenen Schichten der Leibeswand ge- | bildete Schlauch wird nun bekanntlich ausgefüllt- von einem Zell- | gewebe, in dem die übrigen Organe eingebettet sind, und für das ich | deswegen den Namen »perienterisches Zellgewebe«, oder »perienterische | Bindesubstanz« gebrauchen werde. Dieses Zellgewebe steht in der ganzen Glasse der Nematelmia ohne morphologisches Aequivalent da; ! 4 Parasiten, 2. Bd. p. 470 fleg. Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 3 daher auch die eigenthümlichen Deutungen der Forscher. Meissner übertrug ihm bekanntlich die Rolle des Darmcanales, indem er die Mundöffnung direct in den mit diesem Gewebe gefüllten Leibesschlauch sich öffnen liess, nach seiner Auffassung lägen demnach die Genital- organe in einem soliden, den ganzen Körper erfüllenden Darmcanale eingebettet. Diese Deutung verwirft SchnEiDer, er bringt, wie schon bemerkt, dieses Gewebe vielmehr als eigenthümlich entwickelte Mark- substanz mit dem Muskelgewebe in Verbindung. Bei den meisten Exemplaren unserer einheimischen Arten, die ich untersucht habe, fand ich ganz jenes schöne, mit Recht mit Pflanzen- parenchym verglichene Zellgewebe. Die rundlich polygonalen, deutlich gekernten Zellen lagen ohne erkennbare Spur von Zwischensubstanz dicht aneinander. Dagegen verhielt sich dies anders bei G. ornatus, so wie bei einigen wenigen deutschen Exemplaren. Hier war nämlich eine mehr oder weniger ausgebildete Intercellularsubstanz ausgebildet, ‚oft bei günstigen Verhältnissen eine leichte Spur von Streifung, wie "von beginnender Faserung, zeigend (Taf. XXIII. Fig. 5), so dass das Gewebe, das man in seiner erstbeschriebenen Form füglich mit dem Gewebe der Chorda, z. B. von Petromyzon hätte vergleichen können, nun fast das Aussehen des hyalinen Knorpels darbot. Ob die Zellen "auch hier eine besondere Membran besitzen oder nicht, konnte ich nicht entscheiden. — Diese Gewebsform fand ich, wie gesagt, auch bei einigen einheimischen Exemplaren ; woher diese Abweichung rührt, ist _ mir auch unbekannt geblieben. v. % & dr Wenn wir nun übergehen zur Betrachtung der in diesem Gewebe } K; eingelagerten Organe, so erscheint es zweckmässig, den ’ En E Darmcanal und die Geschlechtsorgane zusammen zu behandeln, da ihre topographischen Beziehungen derart sind, dass das eine Shsionn sich nicht ohne das andere beschreiben lässt, \ Ferner möge man mir gestatten, gegen die Natur der Dinge von hinten zu beginnen, und die Frage über die Mundöffnung zum Schlusse zu behandeln. er Es ist eine ganz allgemein verbreitete Ansicht, dass die Gordien, 0 lange sie noch parasitisch leben, keine inneren Geschlechtsorgane _ besitzen ; diese sollen sich erst wahrend ihres Lebens im Freien bilden. Dies ed namentlich von der bisher hinzugerechneten Gattung Mermis mit, aller Bestimmtheit behauptet, so dass daran wohl nicht gezweifelt _ werden kann. Allein für Gordius ist dies nicht gültig, da bei dieser Gattung die Geschlechtsorgane schon während ihres parasitischen ı 332 Dr. H. Grenacher, Lebens völlig ausgebildet werden und die Producte derselben, wenig- stens die Eier, schon vollkommen angelegt sind, bevor die Thiere aus- wandern. Der Aufenthalt im Freien hat blos dieselben zur völligen, entwickelungsfähigen Reife zu bringen” Das Folgende wird das Nähere ergeben. | Machen wir dicht vor der sog. Geschlechtsöffnung unseres weib- lichen Gord. ornatus einen Querschnitt, so fällt Folgendes in das Auge: Auf die Hautschichten, denen mit breiter Verbindung der Bauchstrang aufsitzt, und auf die noch schwach entwickelte Muskellage folgt das perienterische Bindegewebe. Die Mitte desselben wird eingenommen von einem weiten Canal, der. directen Fortsetzung der Genitalöffnung. Das Lumen des Canales ist stark redueirt durch zottenartige Wuche- rungen der Wandung (Taf. XXI. Fig. 7, vergl. auch Fig. 6, die eine solche tannenzapfenähnliche Zotte isolirt darstellt). Auf der Dorsalseite dieses Ganales ist aber die Wandung desselben beträchtlich verdickt, und umschliesst daselbst noch ein zweites Lumen, das jedoch blos in - der Form einer schmalen Querspalte auftritt. Auf dem nächsten Schnitte nach vorn hat das Bild sich schon wesentlich geändert (Taf. XXI. Fig. 8). Der obere Canal ist selbst- , ständig geworden und hat seine eigene Wandung; er verläuft über dem unteren nach vorne. Der Letztere ist der mit Zotten ausgekleidete Uterus, während der darüber verlaufende Canal der Darm ist, wie sich im Weiteren zur Genüge herausstellen wird. — Wenn wir die Thatsache überlegen, dass ein Canal, den wir als Darmcanal aufzu- fassen befugt sind, und bei dem also eine blinde Endigung nicht als geradezu selbstverständlich erscheint, die Wandung eines anderen, direet nach aussen mündenden Canales durchbohrt, so werden wir schwerlich annehmen, dass er dies blos thue, um im Innern der Wan- dung blind zu endigen. Und in der That haben mich Schnitte, die zufällig schief ausfielen, belehrt, dass von blindem Ende nicht die Rede ist, sondern dass der Darm dicht vor der Geschlechts- öffnung die Wandung des Uterus durchbohrend, in den- | selben einmündet, so dass wir zukünftig die Geschlechtsöffnung | als Mündung einer Gloake werden bezeichnen müssen. | Der Querschnitt, wie wir ihn oben beschrieben haben, bleibt sich ! so im Wesentlichen gleich noch ungefähr 1 Mm. weiter nach vorn. | Da verändert sich aber plötzlich das Bild, und hier ist es die Ge- schlechtsröhre, von der die Aenderung ausgeht. Der Querschnitt der- | selben wird nämlich auf einmal hufeisenförmig, mit der concaven Seite | nach unten, gegen den Bauchstrang gewandt (Taf. XXIM. Fig. 9); die I innere Auskleidung wird noch immer von Zotten gebildet. | Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 333 Gleich darauf aber theilt sich die Geschlechtsröhre unter Verlust des Zottenbesatzes in drei Ganäle, zwei laterale und einen unpaaren medianen, in welch letzterem wir die directe Fortsetzung des Uterus erkennen, dem er jedoch an Umfang auf diesem Niveau sehr nachsteht. Die seitlichen Canäle sind schmal, spaltenförmig, und wie der mediane, mit eigener Wandung versehen; an ihrer Abgangsstelle sind sie wieder- holt wellenförmig, besonders von oben nach unten zu, gebogen, so dass sie auf ein und demselben Querschnitte mehrmals getroffen wer- den können (Taf. XXIU. Fig. 10). Wir haben also nun hier statt der bisherigen zwei, nun vier Canäle: zwei unpaare, in der Medianebene übereinander liegende, wovon der obere den Darm repräsentirt, der untere, mehr dem Bauchstrange genäherte aber der halsartigen Ein- schnürung eines Receptaculum seminis angehört; und ein Paar wellenförmig gebogene, seitliche, die wir als Oviducte ansprechen. Auf einem noch weiter vom Hinterende entfernten Querschnitte zeigen sich folgende Verhältnisse: das Receptaculum seminis hat sich zu einem umfangreichen Schlauch erweitert, der (bei den noch para- sitisch lebenden, die ich hier zunächst im Auge habe) vielfach, sowohl der Länge als auch der Quere nach gefaltet ist. Der Darm, kurz vorher noch durch eine beträchtliche Brücke von perienterischer Bindesubstanz (vielleicht auch Circulärmuskeln? Taf. XXI. Fig. 10) von ihm getrennt, ruht nun auf ihm. Die Oviducte haben ihre Krümmungen verloren und ihr Verlauf ist constant geworden; auf unserem Querschnitt treten sie gestreckt /förmig auf, gegen einander geneigt, wie die Schallöffnungen einer Violine (Taf. XXI. Fig. 11). Noch weiter nach vorn treten zwei neue Factoren hinzu, nämlich es erscheinen lateral von den Oviducten eOvarien; zu gleicher Zeit bereitet sich ein völliger Wechsel der agenverhältnisse zwischen Receptaculum und Darm vor. Das Letztere ist sich zuerst an, und zwar dadurch, dass der Querschnitt des rmes allmählich sich seitlich an den des Receptaculum anlegt. Die den Ovarien treten so ziemlich zu gleicher Zeit auf, und man kann ® dunkeln gekörnten, mit Kernen versehenen Zellen derselben, die reifen Eier, auf den ersten Blick in einem Querschnitte erkennen af. XXI. Fig. 12). Mit dem Erscheinen der Eierstöcke verändert sich auch das Aus- der Eileiter. Bisher noch mit deutlich erkennbarem Lumen, ieren sie allmählich dasselbe fast völlig; ihre Wandung erscheint ner und dünner, und es bedarf schon einer starken Vergrösserung, ‘guter Aufmerksamkeit, um dieselbe noch als besondere Membran erkennen. — Mittlerweile rückt der Darm immer weiter an der Seite S Receptaculum seminis nach unten; die Ovarien nehmen immer 334 Dr. H. Grenacher, mehr an Entwickelung zu, die Oviducte ab, je weiter wir nach vorn kommen. -Endlich ist der Darm ganz unter das Receptaculum getreten, und sein Querschnitt erscheint zwischen diesem und dem Bauchstrang eingelagert (Taf. XXIV. Fig. 13). — Die Ovarien nehmen den grössten Theil des seitlichen, freien Raumes ein, und sie haben das Recepta- culum zwischen sich genommen. In der Mitte der Fläche, die sie sich gegenseitig zuwenden, erscheint eine Art Hilus, gegen den das untere Ende des Querschnittes der Oviducte sich hinzieht. Diese "Letzteren fallen immer weniger in die Augen, da sie von den gewaltig wuchern- den Ovarien sehr stark eingeengt werden. Die Veränderungen, die sich auf dem Raume der nächsten 5-—6 Mm. nach vorn vollziehen, beziehen sich sämmtlich auf die immer stärker werdende Entwickelung der Ovarien, und die dadurch bedingte Be- einträchtigung der anderen Organe. Zuletzt bleibt zwischen Muskel- schlauch und Eierstock nur noch eine einzige Zellenlage von periente- rischer Bindesubstanz übrig; auch in dem Raume zwischen den beiden Eierstöcken und in der Umgebung des Darmes schmilzt dieselbe ge- waltig zusammen. — Das Receptaculum wird durch den beiderseitigen Druck ebenfalls auf eine schmale Spalte reducirt, die sich vom Darm bis über den Hilus hinaufzieht; auch der Darm nimmt eine dreieckige Gestalt an, während der ursprünglich cylindrische Bauchstrang eben- falls abgeflacht wird. In den Ovarien werden radiär verlaufende Zer- klüftungen, die vom Hilus als Gentrum ausgehen, sichtbar. Endlich erreicht das Receptaculum sein Ende: es hört plötzlich blind auf, und der Darm zieht allein, auf dem Bauchstrang liegend, nach vorn zum Kopfende (Taf. XXIV. Fig. 14). So bei Gordius ornatus. Bei unseren einheimischen Arten ver- halten sich die Dinge im Wesentlichen gleich, und ich will mit wenigen Worten das hier Gefundene schildern. Wenn wir wieder mit unseren Durchschnitten am Hinterende be- ginnen, so treffen wir nicht gleich auf die Einmündung des Darmes in den Genitalcanal, sondern die Cloake erstreckt sich eine (allerdings nur kurze) Strecke ungetheilt nach vorn. Sie ist ausgekleidet von einer Membran, die dicht mit kurzen, spitzen Wärzchen besetzt ist, augen- | scheinlich einer Fortsetzung des äusseren Integuments; ferner umgeben |! von Girculärfasern, die wahrscheinlich musculöser Natur sind. Bald darauf erweitert sich der Gang, erhält einen Zottenbesatz, und von oben her tritt der Darm, wie bei G. ornatus, heran, um hinein zu mün- | den. Bei G. aquaticus ist der Querschnitt des Genitalcanales an dieser Stelle oben etwas herzförmig eingezogen (Taf. XXIV. Fig. 15), und m dieser Einziehung endigt der Darm. Weiter nach vorn erfolgt dann die Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 335 Theilung des Uterus, ganz wie bei Gord. ornatus. Zwei der am besten erhaltenen Weibchen, eines von G. aquaticus, ein anderes von G. subbifureus waren befruchtet; das Receptaculum war ganz prall gefüllt mit Sperma, und nahm den weitaus grössten Theil des Körperquer- schnittes ein (Taf. XXIV. Fig. 16). (Auch die Gegend um die Cloaken- mündung war, wie Meıssxer beschreibt, mit anhaftenden Samen- klumpen umgeben). Darm und Oviducte waren schmale, ganz an die _ Rückenseite angedrückte Spalten. Weiter nach dem Kopfende zu ver- kleinert sich durch das Auftreten der Ovarien das Receptaculum etwas, und es tritt der schon oben beschriebene Lagenwechsel zwischen dem- - selben und dem Darm ein, doch ist derselbe hier nicht so vollständig wie bei G. ornatus. Der Darm tritt nämlich seitlich am Receptaculum herunter auf den Bauchstrang, während dieses, statt die Stelle des Darmes einzunehmen, blos ausweicht und sich seitlich an diese beiden anlegt. i An den befruchteten Weibchen konnte ich auch zwei weiter ent- _ wickelte Stadien des Eierstockes studiren. u. Bei G. ornatus fanden wir den Eierstock gebildet aus dicht an einander liegenden, polygonalen Zellen, den unreifen Eiern: bei dem einen der en nelien Weibchen hatte sich nun der Zusammenhang r Eizellen bedeutend gelockert, und die Eier selbst hatten schon rundliche Gestalt angenommen. Bei den anderen Weibchen waren die Eier ganz isolirt, sie waren schon theilweise aus dem Ovarium über- getreten in den Eileiter, der seiner ganzen Länge nach durch eine weite % palte mit dem Eierstock communicirte (Taf. XXIV. Fig. 17). Man konnte im ganzen Oviducte vom hinteren Ende desselben an, einzelne Eier sowohl als Eierballen treffen, und es ist anzunehmen, dass der Eier- ‚stock seinen Inhalt völlig in a Eileiter entleert, wodurch dieser sich so beträchtlich erweilert, dass er den Raum des durch die Entleerung erschwindenden Ovarium mit occupirt (siehe weiter unten). Bevor ich zur Beschreibung des Verhaltens der Genitalorgane zum cm beim Männchen übergehe, gestätte man mir noch einige Bemer- \ zeigt nicht blos auf dem Querschnitte, sondern auch auf dem ;sschnitte Zerklüftungen,, die vom Hilus ausgehen. Man kann sich dflächen die halbeylindrische Oberfläche des Organs bilden, und n Spitzen im Hilus zusammentrefien. In diesen Hilus zieht sich nte ich das Lumen desselben eine wenn auch nur kurze Strecke in das Innere verfolgen. Ob nun die Zerklüftungen des Ovarıum 336 Dr. H. Grenacher, direct mit dem Oviducte zusammenhängen, kann ich nicht als bestimmt hinstellen; doch hat es auf mich öfters diesen Eindruck gemacht. Jedenfalls aber dürfen wir mit Sicherheit annehmen, dass die ganze Anordnung mit der Loslösung und Ueberführung der Eier in den Ei- leiter im innigsten Gonnex steht. Bei den Männchen von G. aquaticus und subbifurcus ergab sich Folgendes: Bekanntlich liegt die Geschlechtsöffnung auf der Bauchseite, dicht vor der Spaltung des Hinterleibsendes in die zwei als CGopulations- organe dienenden Aeste. Schnitte hinter dieser Oeffnung zeigten ausser dem getheilten Bauchstrang nichts; Schnitte dagegen, die gerade durch diese Oeffnung geführt wurden, lehrten, dass man es hier eben- falls mit einer Cloake zu thun habe. — Dieselbe bildet eine ziemlich geräumige Höhle von umgekehrt flaschenförmiger Gestalt, die senkrecht zur Längsaxe des Thieres steht. Nach aussen wird sie umgeben von einer relativ stark entwickelten Radiärmuskellage, die in einer mir nicht ganz klar gewordenen Beziehung zur Musculatur des Leibes zu stehen scheint. — An dem Halstheil der Cloake lässt sich beiderseits, der Innenfläche der Körperhaut aufliegend, der Querschnitt des ge- theilten Bauchstranges erkennen. In der vorderen Wand dieser als CGloake bezeichneten Höhlung kann man nun (Taf. XXIV. Fig. 18) drei Oeffnungen wahrnehmen: eine mittlere, etwas höher liegende, — die Einmündungsstelle des Darmes, und zwei seitliche, tiefer liegende, die Mündungen der Vasa deferentia. Unmittelbar vor der Cloake erreicht der Bauchstrang einen Grad der Entwickelung, den er sonst nirgends annimmt; er ragt bis gegen die Mitte der Höhe hinauf (Taf. XXIV. Fig. 49) und zeigt radienartig von ihm ausstrahlende Muskeln. Namentlich ist es die mit der Subeutan- } schicht in Verbindung stehende Basis, die ganz mit sozusagen daran ) hinaufrankenden Muskelfaserquerschnitten bedeckt ist. Wahrscheinlich ! entspringen von diesen die Muskeln der Cloake. Der Darm ruht als Ganal mit deutlichkem Lumen auf dem Bauch- | strang, während seitlich die Hoden als weite Canäle auftreten. Noch ! weiter nach vorn nimmt der Bauchstrang rasch seine gewöhnlichen | Dimensionen wieder an, der Darm rückt mit ihm nach der Ventralseite } und die Hoden erfüllen den übrigen Raum, ohne es jedoch zu jener | strotzenden Entwickelung zu bringen, wie die Eierstöcke. So verlaufen | die Organe gleichmässig nach vorn bis gegen das Kopfende. Ich habe hier ohne weiteres die seitlichen Canäle Hoden genannt, ohne die Garantie zu haben, dass sie dieselben wirklich sind. In fast! sämmtlichen untersuchten Exemplaren fanden sie sich angefüllt mit” Zur Anatomie der Gattung Gordius L. Any einer streifig körnigen Masse, wahrscheinlich den noch nicht völlig reifen Samenelementen; fast genau dasselbe Aussehen bot die Samen- masse im Receptaculum seminis des Weibchens dar. Es ist nun aber sehr leieht möglich, mir sogar bei der sonstigen Analogie von Männchen und Weibchen (hier sowohl wie bei den eigentlichen Nematoden\ wahr- schemlich, dass dieser Canal blos das durch Entleerung des eigent- lichen Hodens erweiterte Vas deferens ist. Ob in dieser Beziehung eine Analogie mit dem Weibchen Statt hat, müssen weitere Untersuchungen ergeben. Was nun schliesslich die schon so oft ventilirte Frage nach dem Munde der Gordien betrifft, so ergaben meine Nachforschungen fol- gende Resultate. Bei G. ornatus liess sich mit Leichtigkeit auf dem optischen Längs- schnitte (Taf. XXIV. Fig. 20) eine Mundöffnung nachweisen, welche die vorn stark verdickte Subeutanschicht durchbohrte, und ausgekleidet war von einer Guticula, der Fortsetzung der Cuticula der Leibeshaut. Einen directen Uebergang in den Darm zu sehen, gelang nicht, wegen der rasch zunehmenden Dicke und dunklen Färbung der Thiere. Auf Querschnitten liess sich leicht ein deutliches Lumen nachweisen (Taf. XXIV. Fig. 21). Nach hinten setzte sich diese Mundöffnung direct in einen anfänglich sehr dünnen (das Lumen des Mundrohres kaum an Durchmesser übertreffenden) , schnell aber sich verdickenden, aus deutlich gekernten Zellen bestehenden Darm fort (Taf. XXIV. Fig. 22), fast zugleich traten auch die vorderen Enden der Oviducte auf, denen bald weiter nach hinten die Ovarien folgen. So erhalten wir die Figur N, die, abgesehen von der relativen Entwickelung der Organe, über- instimnt mit Fig. 14. Da ich an einigen einheimischen Exemplaren, von denen ich 2 Schnitte machte, im Wesentlichen gleiche Resultate erhielt, so zweifelte ich nicht an dem allgemeinen Vorkommen des Mundes und an dem Zusammenhange desselben mit dem Darme; nur wusste ich mir nicht zu erklären, wie bei derLeichtigkeit der Beobachtung dies den früheren Forschern RER könnte entgangen sein. Aber bald wurden starke Zweifel gegen diese Resultate rege, als ich eines der oben schon be- ‚sprochenen befruchteten Weibchen (von G. aquaticus) auf diesen Punct untersuchte. Das Thier war ganz ausgezeichnet erhalten, und es liessen mit der grössten Leichtigkeit schöne Querschnitte RR gewinnen. ne Mundöffnung mit Bestimmtheit aufzufinden, gelang mir nicht, Ba ‚auf Schnitten dicht hinter dem Kopfende fand ich sehr gegen meine Erwartung nicht eine Spur vom Darm. Der ganze, intra- ' musculäre Raum war ausgefüllt von den sehr deutlichen, gekernten Zeitschr. f. wissensch, Zoologie. XVII. Bd. 22 Ei 398 Dr. H. Grenacher, Zellen der perienterischen Bindesubstanz , mit etwas weniger Inter- cellularsubstanz, die blos für den Bauchstrang Raum liessen. Weiter ‚nach hinten zu traten die Vorderenden der Oviducte auf. Endlich traten die Zellen dicht über dem Bauchstrang auseinander, und liessen eine Lücke frei, in der dann eine häutige Röhre auftrat, die sich schliesslich als Darm zu erkennen gab, und als solcher zum Hinterende verlief. In Folge dieser merkwürdigen Abweichung wurde die Unter- suchung auf eine grössere Anzahl von Individuen ausgedehnt, und die daran gewonnenen Resultate haben mich zu folgenden Schlüssen ge- führt: Die Gordien besitzen, so lange sie parasitisch leben, eine deutliche Mundöffnung, die mit einem deutlichen, mit Epithel ausgekleideten Darmcanal in directer Verbindung steht. (Ausser bei G. ornatus con- statirt bei einer Anzahl G. aquaticus aus Stenophylax pantherinus, die ich von Herrn v. SırsoL» erhielt). Um die Zeit der Auswanderung aber, oder doch kurz nach Beginn des Freilebens, scheint bei Allen die Mundöffpnung mehr weniger vollständig zu obliteriren, so dass man oft nur noch Spuren davon sieht, oder auch diese vermisst; der vorderste Theil des Darmcanales scheint zu atrophiren, und der Raum, den er vorher einnahm, wird nun von dem umgebenden Zellengewebe ein- genommen. Wohl weiss ich, wie paradox das zunächst klingen muss, und wie vielfache Bestätigung dazu gehört, um den Gedanken plausibel zu machen. Mir stand aber nach solchen Facten kein anderer Weg der Erklärung mehr frei, und die später noch anzuführenden Angaben der Autoren, sowie einige Reflexionen liessen mich diese Erklärung für zum Mindesten sehr wahrscheinlich halten. Dass junge, aus Insecten entnommene Gordien einen Mund und damit zusammenhängenden Darm haben, steht fest, und wird durch meine Präparate unwider- leglich bewiesen, dass bei freilebenden Mund und Vorderdarm sich ! nicht, oder doch nur höchst rudimentär vorfanden , ist ebenso sicher. ' Bei der Anzahl der untersuchten Exemplare konnte ein Gedanke an | zufällige individuelle Abweichungen nicht aufkommen; darf man | daraus nicht auf regelmässig vorkommende Rückbildung schliessen ? Zunächst wäre zu bemerken, dass der Fall nicht allein dastände. Bei den gefrässigen Ephemeridenlarven ist der Darm schön entwickelt, | während bei den anscheinend blos den Geschlechtsfunctionen dienen- % den’, ausgebildeten Insecten Fresswerkzeuge und Darm verkümmert Iu sind. — Dann aber würde auch die Lebensweise von Gordius selbst () nicht dagegen sprechen, denn es muss doch a priori fraglich erscheinen, Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 339 ob und wie ein für parasitische Lebensweise angelegter Wurm, der vielleicht ®/;, seines Lebens (eher mehr als weniger) im Innern von Insecten schmarotzt, und dieselben nur verlässt, um vor seinem Tode seine Geschlechtsproducte abzusetzen — ob und wie ein solcher noch im Wasser Nahrung zu suchen und aufzunehmen im Stande ist? Die von mir in Vorstehendem gegebene Schilderung weicht in den wesentlichsten Puncten so sehr von den früher veröffentlichten, nament- lich der Meıssner’schen ab, dass zur Reduction derselben auf einander eine kurze Zusammenstellung nothwendig ist. Das von mir als Darmcanal beschriebene Rohr ist das MEıssner’sche Excretionsorgan. Er lässt dasselbe bekanntlich an beiden Enden offen sein: eine Oeffnung soll sich dicht unter dem Munde, die andere kurz vor der Genitalöffnung befinden. Dass ich die Existenz dieser Oefl- nungen nicht anerkennen kann, liegt nach meiner Beschreibung auf der Hand. Ein Excretionsorgan scheint überhaupt zu fehlen; wenigstens fand ich nichts, was man dafür ansprechen könnte. Die MEıssner’sche Beschreibung des Darmcanales, wonach der Mund in die perienterische Bindesubstanz führen sollte, die demnach physiologisch die Rolle des Verdauungsapparates übernommen hätte, fände ihre genügende Er- klärung in der Annahme einer Atrophie des Vorderdarmes, wenn sich dieselbe, wie ich überzeugt bin, als richtig herausstellen sollte. Der Mezıssner’sche Uterus ist das Receplaculum seminis; er lässt - die Öviducte am Vorderende statt am Hinterende sich, damit vereinigen. Das Receptaculum wurde übrigens schon lange von v. SıEsoLp!) ganz bestimmt als solches erkannt und beschrieben , gerieth aber wieder in ‚Vergessenheit. _ Die eigentlichen Ovarien sind MEIssner entgangen; was er als ‚solche beschreibt, sind die mit gelösten Eiern völlig erfüllten und aus- cd gedehnten en Er lässt sein Ovarium ganz mit sprossentreiben- den Eibildungszellen erfüllt sein, nach Art seiner Darstellung der Ei- bildung bei Mermis. Nun habe ich aber die eigentlichen Eizellen im Ovarium als polygonale, dichtgedrängte Zellen gesehen, sah dann in ‚einem etwas reiferen Stadium eine Lockerung derselben, wodurch sie mehr rundlich wurden; in noch mehr entwickeltem ee fand ich sie im Uebertritte in en Eileiter begriffen, den sie bis unten anfüllten — nirgends habe ich aber auch nur eine Andeutung einer Sprossung 2167 4) WıEemann’s Arch. f. Naturgesch. 4843. Bd. 2, p. 307. 227 a 340 Dr. H. Grenacher, (oder, worauf es doch schliesslich hinauskommt, einer Rhachiden- bildung) gesehen, so dass mir diese Art der Entwickelung als minde- stens sehr zweifelhaft erscheint. Vielleicht hat das Zusammenballen der Eier dazu Anlass gegeben. Die beiden Hoden bilden nach Meissner durch ihren Zusammen- fluss ein sehr enges Vas deferens von verhältnissmässig beträchtlicher Länge !), während meine Untersuchungen ganz abweichend davon jene senkrecht gestellte, weite und kurze Cloake ergaben, die auch SchnEı- DER?) bei Gord. setiger gesehen hat. Woher diese sehr auffallenden Differenzen rühren mögen, ist mir völlig räthselhaft. — Sonst kann ich der Meıssner’'schen Schilderung der Hoden nur noch hinzufügen, dass dieselben sehr häufig, wenn auch nicht immer, wie die Ovarien bis vorn zum Kopfende reichen. Was die Mundöffnung betrifft, so beschreibt Cuarver°) eine solche Oefinung »en avant pres du centre de la calotte cornee« als »pore ar- rondi« — »peu distinct sur quelques individus«, was mich nicht be- stimmen kann, dieselbe wie Meissner, als vordere Oeffnung eines »Excretionsorganes«, die noch neben dem Munde existiren soll, aufzu- fassen. BerrHorn *) beschreibt ebenfalls eine Mundöffnung. Dusarpın °) vermisste sowohl bei Gord. aquaticus (p. 144), den er auf Querschnitten untersuchte, als auch bei seinem G. tolosanus Mundöffnung und Vorder- darm. Bei einem Weibchen der letzteren, von G. aquat. nicht unter- schiedenen Art aber sah er (p. 148) hinter der undurchbohrten Haut des Vorderendes eine »cloison transverse perc&e d’une tr&s petite ouver- ture centrale avec un rebord Epais tourne en dedans«, was sich mög- licherweise auf die zufällig losgelöste Subcutanschicht beziehen möchte. Auch v. SırsoLp®) weiss gelegentlich des Berichtes über die Dusar- pin’sche Arbeit nichts Bestimmtes über die Mundöffnung beizubringen. Er schildert sie als väusserst schwer zu finden«, ja zuweilen schien sie ihm nur eine seichte Vertiefung der Haut zu sein. Auch später”) konnte er noch keine bestimmteren Mittheilungen über den Mund machen. BrLAncHARD®) spricht gegenüber der herrschenden Unsicherheit, aller- 4) 1. c. Taf. VI. Fig. 24. 2) Monog. etc. p. 181. 3) Nouv. Annales du Mus. d’hist. nat. vol. II. 1833. p. 40-41. 4) Ueber den Bau des Wasserkalbes. Gött. 1842. p- 13. 5) Mem. sur la struct. anatom. des Gord. etc. Ann. d. sc. nat. Il. Serie. Tome XVII. 1842. Zool. p. 129. 6) WIEGMAnN’S Archiv f. Naturgesch. 4843. Bd. 2. p. 307. 7) Vergleich. Anat. 4848. p. 130. Anm. 8) Recherches sur l’organisation des Vers, Annal. d. sc. nat. III. Ser. Tome XII. 4849. p. A. | Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 341 dings mehr durch eine glückliche Ahnung, als durch eigene Unter- suchungen geleitet, den zum ersten Male von Dusarnın geäusserten Gedanken einer Atrophie des Darmtractus bestimmter aus. Er sagt nämlich: »Nous remarquons chez les Gordius, au moins dans les adultes, l’atrophie du canalintestinal. — Ceeci suffit jusqu’ ä un eertain point pour separer les Gordiaces des Nematoides; et cepen- dant nous ne sommes pas en mesure de decrire nettement le tube di- gestif d’un seul Gordiace; car il faudrait lavoir observe au divers äges de la vie de lanimal.« Dass ich völlig unabhängig von BrancHarn auf den nämlichen Ge- danken kam, glaube ich nicht besonders betheuern zu müssen. Nach Mrıssner ist es noch besonders SCHnEIDER, dessen Angaben in dieser Frage schwer in die Wagschale fallen. Derselbe hat!) eine sehr grosse Menge von Männchen seines G. setiger untersucht, ohne eine Mundöffnung aufzufinden. Derselbe lässt die Frage offen, ob viel- leicht blos den Weibchen ein Mund zukomme ? Aus dieser Uebersicht geht zur Genüge hervor, dass sich bestimmte Angaben für oder gegen die Existenz eines Mundes nicht so leicht machen lassen. Wo vertrauenerweckende Untersuchungen über den Darm angestellt wurden, fielen die Resultate indiflerent oder negativ aus. Nun ist dabei noch zu beachten, dass wohl die weitaus über- wiegende Mehrzahl von Untersuchungen an freilebenden Exemplaren - angestellt wurde. Unter diesen Umständen, glaube ich, darf ich wohl die Beobachtung obengenannter Forscher eher als für, denn als gegen mich sprechend in Anspruch nehmen. Bedeutung für die Systematik. ? A j Wenn wir das anatomische Gesammtbild überblicken, und mit dem von den Nematoden Bekannten zusammen halten, so ergaben sich “eine Anzahl so beträchtlicher Abweichungen , dass die morphologische Reduction der Organe auf einander Schwierigkeiten darbietet. Bekanntlich hat man seit Dusarnın die Gattung Mermis als nächste Verwandte von Gordius angesehen, obgleich schon dieser Forscher die "Unterschiede in der Organisation scharf hervorhob. v. SıEBoLp ver- -einigte die beiden genannten Genera zu seiner Ordnung der Gordiacea, ‚die er den Nematodes gegenüberstellte. In der neueren Zeit haben namentlich die Untersuchungen MEıssner’s über Mermis?) die Veran- la sung gegeben, die Gordiaceen, wozu man noch die räthselhafte 4) Monogr. d. Nemad. p. 179. 2) Diese Zeitschr. V. 1854. p. 207. VII. 1856. p. 98. 342 Dr. H. Grenacher, Gattung Sphaerularia brachte, wieder mit den Nematoden zu vereinigen. Dırsıng nannte sie nach einem gemeinschaftlichen Merkmal Nematoda aprocta. Ausserdem aber scheinen mehr die Achnlichkeiten in den biologischen Verhältnissen, als anatomisch begründete Verwandtschaft der Grund dieser Zusammenstellung gewesen zu sein. Was nun das Fehlen des Afters betrifft, so wollen wir dies für Mermis und Sphaeru- laria zugeben, für Gordius aber ist es nun berichtigt. Andererseits hat man dagegen Nematoden kennen gelernt, denen ebenfalls der After fehlen soll (z. B. Ichthyonema), so dass dieser Charakter auch verwischt wird. — Was nun aber die Uebereinstimmung in den biologischen Verhältnissen betrifft, so kann sie wohl bei sonst analogem Bau die Zusammengehörigkeit bestätigen; nie und nimmermehr aber bei diver- ' girender Organisation als Criterium verwandtschaftlicher Beziehungen geltend gemacht werden. — Und dass die Organisation von Mermis so sehr von der von Gordius abweicht, dass man diese beiden nicht mehr in einer und derselben Familie vereinigen darf, liegt auf der Hand. Viel bleibt uns noch bei Mermis zu untersuchen übrig, noch viel mehr bei Sphaerularia; was wir aber von der erstgenannten Gattung wissen, weist ihr eine Stelle dicht bei den eigentlichen Nematoden an. Ueber Sphaerularia wage ich kein Urtheil; mir scheint blos, dass sie näher an Mermis, als an Gordius sich anlehnt. — Die Gattung Gordius selbst aber weicht fast in jeder Beziehung von den eigentlichen Nematoden ab, so dass dieselbe sich im System ungleich schärfer davon trennt, _ als man in der neuesten Zeit anzunehmen geneigt war. Schon Schneider!) hat, gestützt auf die damaligen Kenntnisse der anatomischen Verhältnisse, die trennenden Charaktere hervorgehoben. Noch schärfer gestalten sich dieselben jetzt. Man vergleiche nur die folgenden: R Mermis. Vulva ventral, Ovarium wie bei den Nematoden röhrenförmig, Oviduct in der Fortsetzung desselben liegend. Ein Recept. sem. als morphologisch differenzirtes Gebilde, fehlt wie bei den Nematoden. Männliche Genitalorgane wie bei den eig. Nematoden einfach, mit Spicula. Seitenfelder vorhanden. Gordius. Vulva terminal, Ovarium als solider Zellenstrang auftretend, Oviduct seitlich da- von gelegen. Ein Recept. sem. als morphologisch differenzirtes Gebilde vorhan- den. Männliche Genitalorgane doppelt, ohne Spicula. Seitenfelder fehlend. 1) Bemerk. üb. Mermis.' Arch. f, Anat. u. Phys. 1860. p. 243. Zur Anatomie der Gattung Gordius L. 343 Reehnen wir hierher noch die Gloakenbildung, die bei den Nema- toden blos beim & vorkömmt, bei Gordius aber in beiden Geschlechtern, und zwar mit ganz vorwiegender Betheiligung der Geschlechtsgänge ; — ferner das nur bei Gordius vorkommende Auftreten jener perien- terischen Bindesubstanz, in deren Parenchym die inneren Organe un- verschiebbar festgelegt sind — so ergiebt sich gewiss die Berechtigung, die Verbindung zwischen Gordius und Mermis, ebenso zwischen Gar- dius und den eigentlichen Nematoden zu lockern, und dafür die zwischen Mermis und den letzteren fester zu schliessen. Das Wie? aber überlasse ich den mit der Systematik dieser Thiere mehr Vertrauten. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIII. Die Bedeutung der Buchstaben ist bei allen Fıguren die gleiche. So heisst : ce = innere Cuticularschicht. c' = äussere Cuticularschicht. s. ec. = Subeutanschicht, Matrix. m —= Muskellage. v — Bauchstrang. pe = Perienterische Bindesubstanz. o = Mund. i = Darmceanal. el = Cloake. ov = UOvarium. od = Oviduet. ut = Uterus. r. s. = Receptaculum seminis. t = Hoden. r v. d. = Vas deferens. m. r = Radiärmuskeln der 5 Cloake. Fig. 4. Gordius ornatus n. Sp. Weibchen, von den Philippinen, einer Mantide entnommen. Am zugespitzten Ende der Mund, am knopfförmig verdickten Ende die Cloake (!/,). j Fig. 2. Eine der aus vergrösserten Papillen gebildeten Warzen, mit denen die Ka. Haut dieses Thieres bedeckt ist (450/,). Fig, 3. Schnitt durch eine solche Warze geführt. In der Mitte die beiden Central- papillen mit ihren Schöpfen, rechts u. links je eine der peripherischen (%0/,). "Fig, 4. Eine solche Warze aus einer der beiden filzigen Längslinien, wo die haar- u artigen Fortsätze beträchtlich verlängert sind (%0/,). 344 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Dr. H. Grenacher, Zur Anatomie der Gattung Gordius L. . Ventraler Theil eines Querschnittes von G. ornatus aus der Mitte des Leibes; zur Erklärung des Verhaltens des Bauchstranges zur Subcutan- schicht, so wie der Muskeln (250/,). “ 6. Eine Zotte aus dem Uterus von G. ornatus, isolirt dargestellt (450/,). . Querschnitt dicht vor der Cloakenmündung. In der Wandung des Uterus ist der Darm als schmale Spalte sichtbar (60/,). . Weiter nach vorn. Darm und Uterus haben sich getrennt (6%/,). 9. Der auf dem Querschnitte hufeisenförmige Uterus beginnt sich zu theilen. 17. 19. 20. 21. 22. 23. 24. Die Oviducte scheinen aus der Tiefe herauf (/,). . An der Stelle des Uterus erscheint der Hals des Receptaculum seminis. Seitlich die anfänglich geschlängelten Oviducte (#/,). . Der Darm , der zuerst dem unbeträchtlich erweiterten Receptaculum auf- lag, beginnt an der Seite desselben nach unten zu treten (/,). . Darm fast unter dem Receptaculum. Die Ovarien beginnen aufzutreten‘, die Oviducte stark verengt (60/,). Tafel XXIV. . Darm völlig unter dem Receptaculum. Die stark zunehmenden Ovarien haben die Oviducte auf schmale Spalten reducirt (6%/,). . Das Receptaculum hat aufgehört. Die Ovarien erfüllen fast den ganzen intramusculären Raum, und lassen die Oviducte kaum noch erkennen (%/,). . Querschnitt durch ein Weibchen von G. aquaticus. Der Darm senkt sich von oben her in eine Einziehung des Uterus ein (%/,). . Ein Schnitt durch G. aquaticus, der ungefähr einem aus der Gegend der Fig. 44 entsprechen würde. Das ungemein dilatirte Receptaculum ist mit Sperma gefüllt; Darm und Oviducte liegen auf der Rückenfläche des- selben (%/,). Gordius subbifurcus. Weibchen. Querschnitt aus dem vordersten Fünftel. Oviducte durch Aufnahme des Eies aus den Ovarien sehr erweitert, die, letztern collabirend (150/,). . Querschnitt durch die Cloake des Männchens von Gordius aquaticus. Die Vorderwand desselben durchbohrt durch die Vasa deferentia und den Darm (150/,). Von demselben, etwas weiter nach vorn. Von dem beträchtlich weiter in den Leib hineinragenden Bauchstrang strahlen radiäre Muskeln aus; die Längsmuskeln des Körpers treten an der Commissur des Bauchstranges mit der Subeutanschicht in die Höhe (150/,). Mundöffnung von G. ornatus im optischen Längsschnitte (150/,). Querschnitt durch den Mund, soweit derselbe noch von der Fortsetzung der Cuticula der äusseren Haufausgekleidet ist. Schnitt etwas schief (150/,). Schnitt etwas weiter nach hinten. In der directen Fortsetzung der Mund- öffnung erscheint der Darm, über demselben die vordersten Ausläufer der Oviducte (%/,). Noch weiter nach hinten. Die Ovarien beginnen aufzutreten. Schematische Figur. Uebersicht über die Verhältnisse des Tractus und der weiblichen Genitalien, zum besseren Verständnisse der Querschnitte. ° Die Theile sind natürlich ohne Rücksicht auf ihre relative Grösse einge- tragen. schrift Knrjfenschafl. RE Ba_NV, .ı I 74 rtschrift Ynnjienschafll. Zoologie Ba. VW. INNMINILIN INRLLNUN \ IV pe Rd. \ onatorer. /Ses0, < Soonroer® oje@oleyro, io ET rn © Ueber schalenlose Radiolarien des süssen Wassers. Von Dr. Gustav Woldemar Focke in Bremen. Mit Tafel XXV. Die Vertheilung der Geschöpfe in den älteren Schichten der Erd- | ‚rinde könnte zu der Annahme führen, dass eine Bevölkerung der Süss- wasserseeen erst in einer späteren Periode möglich geworden sei, und _ die Vertheilung der Geschöpfe in süssem und salzigem Wasser bleibt j enfalls eine sehr ungleiche. In manchen Ordnungen des Thierreiches scheint die Natur im süssen Wasser nur einige schwache Versuche zur Einbürgerung derselben gemacht und dann die Sache aufgegeben zu 2 haben; in anderen ist, obgleich ein wesentlicher physiologischer Unter— schied kaum vorhanden zu .sein scheint, beiderseits das Verhältniss iiemlich gleich; in den meisten hat das Meer das entschiedenste Ueber- gewicht. Bis dahin waren Radiolarien nur aus dem Meere bekannt, m ns schalenlose, frei lebende, im süssen Wasser nicht aufge- funden. Zu meiner nicht geringen Beberkahttiung fand ich in der Mitte or eschmiers an demselben Fundorte nicht allein Thiere, welche itlich den Charakter der Radiolarien zeigten, sondern auch gleich i verschiedene Arten. Da die Mehrzahl der zu dieser Thierclasse rigen Meeresbewohner mit härteren, porösen Schalen umgeben ist, wird die Untersuchung des Fienhaltens der Gewebselemente nicht bedeutend erschwert, so dass die Gelegenheit freilebende in süssem sser beliebig Heöbachten zu können, für die feinere Untersuchung Meer erwünschte Erleichterung darbieten musste. Ausser einer kurzen Mittheilung über diese Entdeckung im natur- enschaftlichen Verein zu Bremen und bei der vorjährigen Natur- Scherversammlung zu Frankfurt a. M., sandte ich bis jetzt nur die I; | v ink 9 As f Bi 346 s Dr. Gustav Woldemar Focke, Zeichnungen der Thierchen mit einer kurzen Darlegung meiner Ansicht über dieselben an Herrn Professor HäckeL in Jena, welcher mit mir ganz einer Meinung darüber zu sein scheint, dass diese einfacheren Organismen die Reihe der Radiolarien im Systeme zu eröffnen haben würden. | Leider sind die Nachrichten, welche über diese Thierchen gegeben werden können, noch äusserst fragmentarisch. Von der ohne Zweifel für die nähere Erkenntniss und Bestimmung höchst wichtigen Ent- wickelungsgeschichte liegt noch gar nichts vor, und die Zahl der auf- gefundenen Exemplare selbst ist nur eine sehr spärliche. Vorliegende Mittheilung soll daher nur die Existenz von schalenlosen Süss- wasser-Radiolarien anzeigen, um einen Begriff davon zu geben, und andere Beobachter darauf aufmerksam zu machen, während die systematische Bestimmung und physiologische Beschreibung erst nach ferneren Untersuchungen mit Aussicht auf Erfolg gewagt werden kann. Es darf angenommen werden, dass diese Thierchen eine örtlich be- grenzte Verbreitung haben und vielleicht auch dort verhältnissmässig selten sind, da zahlreiche mit ihnen zugleich vorkommende und zum Theil viel kleinere Organismen längst bekannt und genau beschrieben sind. Diese Oertlichkeit sind Moorteiche, das heisst Stellen in Torf- mooren, wo die Quellen der benachbarten Sandländereien oder alten Stranddünen münden; hier tritt eine wasserarme Quelle mit einer con- stanten Temperatur von 8’R. zu Tage und am Grunde des Wassers, welches nie austrocknet, bringen auch die etwaigen Ueberschwem- mungen kaum Veränderungen hervor, da sie meistens in eine Jahres- zeit fallen, wo die Lufttemperatur von diesem Wärmegrade nur wenig abzuweichen pflegt, oder zu anderen Jahreszeiten sehr bald wieder - verlaufen. Die Faunen dieser Moorteiche sind in Hinsicht der Qualität der Individuen ihrer Bewohner, so wie in der Artenzahl, welche sie beherbergen, und namentlich rücksichtlich der seltenen Arten sehr verschieden; vielleicht bedingt theils der Wasserreichthum der Quellen, © theils die etwaige Beimischung von Himmelwasser oder sonstiger Zu-" flüsse diese Verschiedenheit. Der Fundort der Radiolarien war in jeder Hinsicht, also sowohl durch die Ausbildung der Exemplare, wie auch durch die Seltenheit der vorkommenden Arten von Räderthieren , Des- midiaceen und Diatomaceen ausgezeichnet, nur war die Artenzahl der” letzteren eine geringe, die Arten zum Theil sehr selten, und die Grösse der Exemplare nicht auffallend. — Es findet in diesen Moorteichen ei Wechsel in den vorherrschenden Arten je nach den verschiedenen Mo naten des Jahres statt; der Fundort der Radiolarien hat aber in dieseı Beziehung noch nicht beurtheilt werden können, da seit Auffindung Ueber schalenlose Radiolarien des süssen Wassers. 347 derselben die Aufmerksamkeit fast ausschliesslich auf diese neuen und eigenthümlichen Objecte, gerichtet blieb, die überdies nur in drei Sommermonaten zur Beobachtung kamen. Es spricht daher die Wahr- scheinlichkeit dafür , dass nicht etwa die Radiolarien weit verbreitet in unseren süssen Gewässern vorkommen und bisher übersehen sind; sondern dass ihr Aufenthalt an gewisse, nicht überall gegebene, Be- dingungen geknüpft und ihre Verbreitung eine sehr beschränkte ist. | Nicht unmöglich bliebe es immerhin, dass nach der Auffindung von Süsswasser-Radiolarien dies oder jenes bereits bekannte Thierchen, _ welches bisher, so gut es angehen wollte, im Systeme mit unter- “gebracht war, sich als geeigneter zur Aufnahme unter die Radiolarien erweist. Die erste Spur der Radiolarien zeigte sich in einem mit Moorwasser ‚angefüllten Gläschen, in welchem zahlreiche Desmidiaceen die dem Liehte zugewandte Seite mit einem schön grünen Ueberzuge bekleidet hatten. Mit der Loupe suchte ich zwischen diesen grünen Kugeln, Scheiben, Stäbchen ete. nach geeigneten Exemplaren, und traf auf grüne Kügelchen, die mit einer Gallerthülle umgeben schienen. Mit der Pipette herausgehoben und auf einen Objectträger gebracht, fand ich grüne etwa zu Pandorina Morum oder einer verwandten Art zu rech- nende Kugeln, und bei wiederholten Versuchen zeigte sich ein auf- fallender Unterschied zwischen dem Eindruck, den das durch die Loupe gesehene Bild zu der Erscheinung im Sehfelde des Mikroskopes machte, so dass die Vermuthung sich aufdrängte, ich hätte mit der \ Pipette nicht das richtige Object erhalten, oder dessen Zustand sei durch die Uebertragung auf den Objectträger geändert worden. Ge- ‚legentlich versuchte ich durch Anwendung einer stärkeren, 350fachen, Vergrösserung darüber Aufschluss zu erlangen, und wurde von dem ertigen Präparate abgerufen. Bei meiner Rückkehr erstaunte ich nicht wenig über die eingetretene Veränderung. Ein zarter Sarcodeschleier e sich in breiterem Saume um die Kugel entwickelt, aus welchem zahlreiche, äusserst feine, lang zugespitzte Fortsätze in der Richtung | der Kugelradien hervorgetreten waren. Mit dem eigenthümlichen in Verlängerung und Verkürzung dieser Fortsätze bestehenden Hin- und erfliessen der Sarcode leitete sich zugleich eine Ortsbewegung ein, he nicht gerade sehr langsam war und nach einer bestimmten ing hingewendet schien. — Damit war ein bisher unbekanntes ‚ Thi aufgefunden, welches allerdings auf den ersten Anblick ‚einige: Verwandtschaft mit den Rhizopoden, namentlich Actinophrys, i uh ben schien, jedoch, wie die nähere Beschreibung ergeben wird, schalenlose Süsswasser-Radiolarie war. 348 Dr. Gustav Woldemar Focke, Die sorgfältigste Nachforschung ergab nur eine spärliche Ausbeute, doch zeigten sich gleich in der Sarcodehülle bald eine, bald mehrere grüne Kugeln von etwas verschiedener Grösse; da jedoch stets 2, 4, 8 oder 16 solche Kugeln vorhanden waren, so deutete dies auf Thei- lungsprocesse hin, wie sie häufig genug in ähnlichen Fällen zur Be- obachtung gelangen. Erkennen liess sich an diesen Thieren eine dunkle doppelte Contour der Haut, welche die grünen Kugeln umschloss; innerhalb derselben befand sich eine Körnermasse, welche zum Theil, namentlich der inneren Fläche jener Kugelmembran anliegend, grün gefärbt erschien, zum Theil ungefärbt, jedoch sehr dunkel contourirt, von stark lichtbrechender Kraft und sehr geringer, etwas verschiedener Grösse vorkam. Um diese grüne Kugel zeigte sich dann ein breiterer Rand von Sarcode, jener zarten, äusserst durchsichtigen, stets beweg- lichen, bald aus Schleimkörnchen, bald aus äusserst feinen, geschlän- gelten, sich durchkreuzenden Fädchen mit dazwischen gestreuten Körnchen bestehenden Substanz, welche aus verschiedenen Thier- classen von anderen Beobachtern bereits genügend beschrieben und durch oft unvergleichliche Abbildungen illustrirt worden. Aus dieser Sarcodeschicht erheben sich dann, von derselben Substanz gebildet, theils pyramidale,, zungenförmige Fortsätze, theils sehr feine, stachel- förmige Fäden, welche stets auf der Kugeltangente senkrecht stehen, und nach allen Richtungen hin ausstrahlen; da sie jedoch äusserst fein zugespitzt endigen, sich stetig verlängern oder verkürzen und dadurch vermuthlich die Bewegung des Ganzen vermitteln, so lässt sich ihre wirkliche Begrenzung um so besser schätzen, je schwächer die Ver- grösserung genommen wird, da sie bei den stärkeren Objectiven ihre Spitzen stets zu schnell aus dem eingestellten Focus entfernen. Die pyramidalen, zungenförmigen Fortsätze nehmen ohne Zweifel an diesen Bewegungen Theil, da man sie entstehen und verschwinden sieht; ihre Bewegung scheint jedoch langsamer zu sein und kann wegen der steten Unruhe des Ganzen nicht ausreichend beobachtet werden. Die verschiedenen Bestandtheile eines solchen Organismus, so weit sich dieselben optisch unterscheiden lassen, würden demnach von innen nach aussen aufgezählt etwa folgende sein: ? | | 1. Den Mittelpunct der Kugel erfüllt ein farbloses, mit Körnchen von verschiedener Grösse durchsäetes Plasma, welche, ob an und für sich oder durch die Beschaffenheit der sehr breit und dunkel con tourirten Körnchen, das Licht stark bricht und daher heller erscheint, als das umgebende Wasser. Dieser Gontrast zeigt sich am deutlichsten, bevor der Focus genau eingestellt ist, und das Detail sich noch nicht genau erkennen lässt; beim Senken der Objectivlinsen scheint dann Ueber schalenlose Radiolarien des süssen Wassers, 349 eine hellere Scheibe über der Kugel zu schweben — namentlich wenn zu starkes Licht genügend abgeblendet worden ist. 2. In dem äusseren, der Hüllwandung zunächst anliegenden Theile dieses mit farblosen Körnchen durchsäeten Plasma’s finden sich etwas grössere, grün gefärbte, hin und wieder in der Mitte einen dunkleren Flecken zeigende Kügelchen, welche ganz unregelmässig zerstreut liegen und oft langsam ihre Stelle verändern. Auch diese Körnchen sind von etwas ungleicher Grösse durchschnittlich etwa !/o,” im Durchmesser, und zählte ich deren in einer Kugel gegen hundert. j ’ Oo N Bemerkt zu werden verdient, dass zwischen diesen Kugeln sich - mitunter eine hellere, scharf umgrenzte Lücke zeigt, welche eine Va- euole zu sein scheint, worauf weiter unten zurückzukommen sein _ würde. | 3. Die Begrenzung des Plasma’s mit den beiderlei Körnchenarten darin bildet eine derbere, wasserklare Membran von breiter, nach aussen sehr dunkler und scharf begrenzter Contour, welche in der Mehrzahl der Fälle als Kugelhülle erscheint. Es feblt jedoch schon jetzt nicht an Beispielen, welche darthun, dass diese Membran sehr dehn- 5 bar, und nach den verschiedensten Richtungen hin gleichsam aus- tülpbar ist, wie bei den einzelnen Species näher zu erörtern sein ird. Nur darf man den Begriff einer Hülle, als die Abgrenzung des Inhaltes von den umgebenden Medien, und als die Formveränderung, bgesehen vom Wachsthum, ausschliessend, nicht auf diese Membran ‚ohne weiteres übertragen. Bei der Annahme einer Gentralkapsel für die Radiolarien mit ein oder mehreren Sarcodeschichten, sind diese "Membranen in Kugelform als die ersten Anfänge der Centralkapseln nzusehen, welchen durch verschiedene An- und Auflagerungen mit "Schalenbildung bei den Meeres-Radiolarien eine weitere Ausbildung erliehen worden ist. Hin und wieder zeigt sich diese Membran auch licht ganz glatt. Als Uebergang zu den Incrustirungen gleichsam scheint sich mitunter an der Basis jedes Sarcodefortsatzes die Membran in eine wulstige Hervorragung zu erheben, welche halbkugelig aufsitzt ] auf ihrem Gipfel den Sarcodefortsatz trägt. Auch scheint wohl — Erhebung und Sarcodefortsatz — mit einer Art Chitinüberzug Ausgestattet zu werden und dann permanent, selbst nach dem Ab- l srben , sichtbar zu bleiben. Die ausserordentliche Zartheit dieser Membran gestattet keine chemische Prüfung — die geringste Berührung, Ibst die Zutröpfelung eines destillirten oder Regenwassers von ab- ‚eich ender Temperatur lässt das Ganze sofort zu einem unförmlichen ‚*lumpen gerinnen, daher selbst die Uebertragung auf den Objectträger 350 Dr. Gustav Woldemar Focke, k. Die äussere Sarcodeschicht ist bei der Zusammenziehung so durchsichtig und zart, ‘dass es oft nicht gelingen wollte, überhaupt einen optischen Eindruck von dem Vorhandensein oder der Begrenzung zu erhalten. Es schien dann, als ob ein gleichmässiger Ueberzug, eng anliegend, die Gentralkapsel umhüllte, bei gleicher lichtbrechender Kraft, also höchstens die Contouren der Hülle in etwas: verbreiterte, was bei der Kugelform sehr schwer abzuschätzen bleibt, da bei der geringsten Verstellung des Focus eine Veränderung eintritt. — Wenn etwas von der äusseren Sarcodeschieht allmählich sichtbar wurde, so lag eine schwache Trübung um die Hüllmembran in gleichmässigem Abstande mit sehr schwer zu unterscheidender Contour, die nur bei raschem Wechsel der Beleuchtung deutlich wurde. Man kann über- haupt die optischen Eigenschaften dieser Sarcodeschicht nicht besser bezeichnen, als dass man mit vieler Mühe und Erschöpfung sämmtlicher zu Gebote stehender Hülfsmittel zu der bestimmten Ueberzeugung ge- langt, dass hier etwas vorhanden sei, ohne im Geringsten nachweisen zu können, was es eigentlich sei. Es erscheinen in der Sarcode selbst lichtere und trübere Stellen, zarte geschlängelte Fädchen, sehr kleine Körnchen, hin und wieder ein grösseres Bläschen, zeigen eine Begren- zung durch schwache Schattenlinien, welche stets in dem Augenblicke, wo man sie schärfer ins Auge fassen will, wieder verschwinden. Diese Fädchen, Körnchen etc. halten sich stets in einiger Entfernung von der äusseren Grenzlinie, so dass ein noch hellerer Saum die schon so durehsichtige innere Masse umgiebt. Hin und wieder war die äussere Grenze dieses Saumes kraus und faitig; es fragt sich jedoch, ob die Individuen, welche ihn trugen, noch völlig lebenskräftig waren. Aus dieser, höchstens als schwache Trübung um die Hüllmembran zu unterscheidenden Sarcodeschicht treten nun Fortsätze hervor, die | vermöge ihrer prismatischen oder eylindrisch conischen Form etwas # besser zu unterscheiden sind. — Bald findet man sie ganz eingezogen, dann’erscheinen einzelne an verschiedenen Stellen des Umkreises und ' im Allgemeinen kann man sagen, so lange die Hüllmembran die Kugel- | form beibehält, oder doch nicht wesentlich davon abweicht, liegen diese Fortsätze in der Verlängerung des Radius und stehen daher senk- recht auf der Tangente; lässt es sich auch nicht scharf beweisen, so ist doch sehr wahrscheinlich, dass sie sämmtlich stielrund sind. Die häufigste Form ist die einer langgestreckten Nadel mit sehr feiner Spitze, welche stets gerade bleibt, auch wenn die Nadel selbst in ihrem’ E unteren Theile eine geringe Biegung erleidet. Zwischen diesen nadel-' f förmigen Fortsätzen kommen bei manchen Radiolarien auch plattere‘ lanzettförmige,, nicht so lang gestreckte Verlängerungen vor, welehe Ueber schalenlose Radiolarien des süssen Wassers. 351 ebenfalls in der Richtung des Radius der einzelnen Kugel stehen; sie sind jedoch spärlicher auf der Oberfläche vertheilt und nicht immer gleichzeitig mit den nadelförmigen Fortsätzen hervortretend. Hat jedoch während längerer Ruhe unter dem Mikroskope eine völlige Entfaltung aller Theile der Sarcodeschicht stattgefunden, so sieht man auch diese zungenförmigen Fortsätze ziemlich symmetrisch vertheilt, und scheinen auf 4—5 feinere, längere Fortsätze je einer derselben zu kommen. Bestimmtes liess sich bis dahin hierüber noch nicht ermitteln, und da “bei dieser vollen Entfaltung die Bewegung auch lebhafter wird und eine raschere Bewegung von der Stelle mit einem öfteren Heben und Senken im Wasser verbunden bleibt, so wird es ungemein schwer bei dem steten Wechseln des Focus und der Sorge, das Object im Sehfelde des Mikroskopes zu erhalten, bestimmt zu sagen, ob dieser oder jener Fortsatz mit in derselben Reihe steht, oder etwas darüber oder dar- unter liegt. Diese Sarcodefortsätze sind für die Radiolarien charakteristisch und zeigen vielleicht bei jeder Art feine Unterschiede. Für die Be- stimmung der hier besprochenen Organismen als Süsswasser-Radiolarien 'war es mit entscheidend, dass zum Beispiel die Randfortsätze von einer Meeres-Radiolarie von Herrn Professor. Häckeı in Jena, in seinem grösseren Werke über diese Thiere ganz genau so abgebildet sind, wie ‚wenn sie von der weiterhin unten No. I. beschriebenen Süsswasser- Radiolarie entnommen wären, soweit nicht etwa die zwischen letzterer und dem Physematium Mülleri obwaltende Grössen verschiedenheit, ‘ in letzterer Hinsicht andere Verhältnisse bedingen möchte. Die Grundform der Süsswasser-Radiolarien scheint die Kugel zu sein, ohne jedoch diejenige Stabilität wahrnehmen zu lassen, welche bei der Mehrzahl der Rhizopoden durch die Schale bedingt wird, noch ‚ auch jenen raschen proteusartigen Formenwechsel darzubieten , wie ihn die Amöben ete. zeigen. Die Kugelcontour verschiebt sich wohl zum - Oyal oder wird dreieckiger mit stark abgerundeten Ecken, wenn keine ‚ äusseren Einflüsse hinderlich sind. Ist jedoch die bestimmte Richtung der Bewegung versperrt, so fliesst auch wohl der ganze Körper in be- \ liebige Formen auseinandergezerrt um das Hinderniss, und sucht den nächsten Ausweg; dann tritt auch eine ungleiche, unsymmetrische Vertheilung der Sarcodefortsätze auf der Oberfläche zu Tage. Diese ' Veränderungen der Körperform treten langsam ein und gleichen sich auch langsam wieder aus: die Ortsbewegung und das Einziehen der ‚ortsätze erfolgen meistens schneller. Auf eine hin und wieder beobachtete, hellere, scharf umschriebene, | also vacuolenartige Stelle im Innern der Centralkapsel,, welche jedoch 352 Dr. Gustav Woldemar Focke, nicht als Binnenblase zu deuten war, ist vorläufig um so weniger Ge- wicht zu legen, da die betreffenden Exemplare vielleicht schon im Absterben begriffen gewesen sind. Eine genaue Grössenbestimmung lässt sich ebensowenig durch- führen, wie eine genauere Bezeichnung der Färbung. Die Theilungs- vorgänge scheinen den Durchmesser der Gentralkapsel zu verringern ; | es giebt noch keinen Maassstab für das Ausgewachsensein, und dazu die etwas wechselnde Körperform treten hier hindernd in den Weg. Die Grösse der hier zu beschreibenden Formen schwankt etwa zwischen Ya — 1/5”. Die Färbung erscheint bei verschiedener Beleuchtung freilich nur heller oder dunkler, es wechselt jedoch das Verhältniss zwischen den farbigen und wasserklaren Körnchen in der Sarcode und erhält dadurch auch die Färbung verschiedenen Ton. Die beobachteten Tinten von Grün und Roth entsprechen den Färbungen der Infusorien, wie es scheint, mehr als dem Chlorophyll und den rothen Algen. Ueber die Sarcode lässt sich nach den spärlichen Beobachtungen i noch Nichts weiter mittheilen, was nicht in den trefflichen Bearbeitungen N der Rhizopoden ete. von anderen Beobachtern bereits erörtert wäre. Die bisher stets beobachtete Divergenz der Fortsätze in der Richtung h des Radius lässt für gewöhnlich wohl kaum eine Verschmelzung der 5, einzelnen Fortsätze zu, und hat sich solche auch bei den Theilungs- u vorgängen bisher nicht nachweisen lassen. Sehr häufig sind jedoch die” #, meistens platten Fortsätze mit feinen Plasmakügelchen besetzt. ; Eine Verwechselung der Süsswasser-Radiolarien mit ähnlichen Rhizopoden wird nicht leicht vorkommen können, da der erste Anblick #9, gleich etwas so Charakteristisches zeigt, dass man nicht an Desmidiaceen!) ©, denken kann. Actinophrys ist in der Form sehr ähnlich, hat jedoch die contractile Blase und zieht die Fortsätze, welche stets minder zahl 7, reich sind, nie ganz ein — jedenfalls beugt aber die raschere Bewegung in bestimmter Richtung, welche die Radiolarien zeigen, jeder Ver- | wechselung vor. | | Die Zeichnungen der drei Arten von Süsswasser-Radiolarien, "| welche hier beigefügt sind, dürfen nur darauf Anspruch machen, dem Leser einen ungefähren Begriff von dem Ansehen derselben zu geben. | Die Zartheit der Sarcode und die bei der Kleinheit der einzelnen Theile | erforderliche Vergrösserung, welche nur die Anwendung durchfallen- den Lichtes gestattet, erschweren die Darstellung ungemein, und darf), man nicht vergessen, dass die äusserst zarten durchsichtigen Gebilde) m oft nicht einmal gleichzeitig im Focus gehalten werden können und bei |, steter Beweglichkeit auch die Stelle im Sehfelde wechseln. 14 4) Copulations-Sporen. Ueber sehalenlose Radiolarien des süssen Wassers. 353 ' Die bei weitem grössere Mehrzahl der Meeres-Radiolarien trägt eine härtere Gitterschale und feste Nadeln, Spicula oder Haken etec., da die Süsswasser-Radiolarien schalenlos und unbewehrt sind, so ist ihr Bau einfacher und sie werden im Systeme vor den wenigen schalenlosen Meeres-Radiolarien — nach Häcker's System also vor der Gattung Thalassicolla — ihren Platz finden und somit überhaupt die Reihe der Radiolarien eröffnen. Schalenlose Süsswasser-Radiolarien. No. 1. Fig. 1a -—h. Der erste Blick fiel auf vier grüne Kugeln (Fig. I a.), von etwa !/35 Durchmesser, welche mit einem Sarcodesaume, nadelförmigen und zungenartigen Fortsätzen umgeben waren. Da sich bald auch ein- zelne, 2—8 und 16 solcher Kugeln zu einer Gruppe vereinigt vorfan- den, so wurde auf Theilungsvorgänge geschlossen, und alle zu einer Art gerechnet. Da die oben gegebene Schilderung des Baues auf diese Art vorzugsweise sich gründet, so bleibt in der Hinsicht wenig hinzu- ‚zufügen. Die Körnchen im Innern der Hüllmembran scheinen sich oft lebhaft zu bewegen, was durch dieLageveränderung der grünen Körn- chen am Deutlichsten hervortritt; da aber letztere dicht unter der Membran liegen , so bleibt über das Verhalten der Körnchen gegen den Mittelpunct der Kugel hin eine Ungewissheit. Oft sind in einzelnen Kugeln bereits Inhaltsportionen zu vier Tochterkugeln, deutlich abge- grenzt, zu erkennen. Der Sarcodesaum und die Fortsätze sind anfangs nach Anfertigung des Präparates kaum zu unterscheiden; nach einiger tuhe erscheinen sie ausgebreitet und die Fortsätze stehen straff ab. est man das Wasser in geringerem Maasse, so fallen die Fortsätze ie schlaff und welk zusammen, und verschwinden erst nach stärkeren rschütterungen. Die Bewegung ist eine stetige, langsam fortschreitend, wie es scheint, in der Richtung gegen das Licht. Die Theilungsvorgänge sind bei dem allseitig symmetrisch gebauten fhierchen das Bemerkenswertheste, jedoch liegen darüber, wie leicht ärlich, nur noch äusserst lückenhafte Beobachtungen vor. Ausser en noch in gemeinschaftlicher Sarcodehülle zusammenhängenden Ku- eln fanden sich Gruppen wie Fig. A c., wo von acht Kugeln je vier in sr Hülle lagen. Diese hatten aber ganz unregelmässige ‚Gontouren ommen und lagen weiter auseinander als gewöhnlich, was jedoch "icht hinderte, dass sie nach einer stärkeren Erschütterung wieder in wei Kugeln (Fig. 1 d.) zusammenflossen. — Eine andere Gruppe be- ‚tand aus zwölf Kugeln, welche bereits gut gerundet und mit abge- ‚rennter Sarcodehülle umgeben, nur noch durch ungewöhnlich lange, Zeitschr; f. wissensch. Zoologie. XVII, Bd. 33 = 354 Dr. Gustav Woldemar Focke, nadelförmige Fortsätze mit einander zusammenhingen und wovon die Hälfte (Fig. I e.) dargestellt wurde. Manche der Kugeln waren mit mehreren der übrigen durch solche lange Fortsätze verbunden; sie trennten sich jedoch nach und näch vollständig und bereiteten neue Theilungsprocesse vor, ohne die langen, nadelförmigen Fortsätze, welche noch gleichsam tastend nach den Geschwistern suchten, wieder einzuziehen (Fig. 1 b.). — Hier war der Fortsatz gerade und starr, während vor der gänzlichen Trennung manchmal Biegungen daran zu bemerken waren, welche stets im unteren Dritttheil lagen. — Die sonst vorherrschend nach einer Richtung strebende Bewegung, bei welcher das Object in die Mitte des Sehfeldes gebracht, dasselbe stets wieder an derselben Seite verlässt, erleidet dann eine Modification , indem das Thierchen an dem so lang ausgestreckten Fortsatze pendelartig hin und herschwankt. Einzelne Individuen dieser Gruppe länger verfolgt, zeigten noch überraschende Beweise für die Zähflüssigkeit der Sarcode. Die Fortsätze zogen sich nach und nach in den Sarcodesaum zurück, ohne dass die Bewegung aufhörte; dagegen wurde bald ein Theil der Sarcode nachgeschleppt (Fig. 1 f.), in welchen sich einige abgelöste Partikelchen der Hüllmembran mit einigen grünen Körnchen darin vertheilt zeigten. Mitunter erschien die Hüllmembran birnförmig ver- längert, gegen die Spitze hin wie aufgeblasen, und in dieser lichteren Stelle zeigte sich ein vacuolenartiges Bläschen (Fig. 1 g.). Endlich zu- letzt beim Absterben blieb die nachgeschleppte Sarcode, in Molecule zerfallen, hinter der Kugel liegen, die Hüllmembran erhielt eine dunklere und noch bestimmtere Contour, die farblosen inneren Körnchen schienen sich aufzulösen und die grünen aus ihrer bis dahin inne ge- habten Lagerung gegen die Peripherie hin zu weichen (Fig. 1 h.). Eine " solche Kugel mit der nachschleppenden Sarcode und dem Inhalte auf 7 der Glasplatte äangetrocknet, giebt ein so charakteristisches Bild, dass jeder Kenner daran noch die Radiolarien würde zu erkennen 7 vermögen. No. II. Fig. 2 a—d. Zwischen diese grünen Radiolarien drängte sich plötzlich eine b etwas kleinere rothe, bei welcher die Träger der rothen Farbe ähnliche Körnchen waren, die dicht unter der Oberfläche der Hüllmembran IE lagen, wie bei No. I. die grünen. Der Sarcodesaum wär sehr schmal, \ die Fortsätze meistens nur nadelförmig. Beide verschwanden oft | und dann lag die rothe Kugel eine Zeit lang still. Nach kurzer Ruhe treten an einer Stelle einige Fortsätze hervor und sofort beit | die Bewegung nach der Spitze des mittleren Fortsatzes en und ı Ueber schalenlose Radiolarien des süssen Wassers, 355 ziemlich lebhaft; bleibt auch, obgleich bald rings herum um die Kugel solehe Fortsätze in mässiger Anzahl entstehen , in derselben Richtung, bis ein Hinderniss in den Weg tritt (Fig. 2 d.). Gelingt der Versuch, das Hinderniss als Kugel zu umgehen nicht bald, so fliesst der Körper des Thierehens in ganz absonderlichen Gestalten an den Rändern hin (Fig. 2 c, d.), wobei die Vertheilung der Sarcodefortsätze dann ganz unsymmetrisch wird, theils dieselben auch völlig verschwinden. Später aufgefundene Exemplare waren viel blasser, der Inhalt der Hüllmembran weit grobkörniger und ein breiterer Sarcodesaum aus dem sehr wenige Fortsätze entsprangen, umgab die Kugel, in welcher deutlich eine grössere, hellere, kreisrunde, scharf abgegrenzte Stelle (Vaeuole?) unterschieden wurde. Ob hier ein früherer Entwickelungs- zustand oder noch eine verschiedene Species vorlag, blieb bis dahin unentschieden. !) | No. III. Fig. 3 a—c. Hin und wieder fanden sich auch grüne Kugeln, immer einzeln bis jetzt, welche mit schmalem Sarcodesaume und einer sehr bedeuten- den Anzahl nadelförmiger Fortsätze ausgerüstet, von No. I. sowohl durch die Grösse, das Fehlen der zungenförmigen Fortsätze und die Mehrzahl und a ale der nadelförmigen, als auch durch die Be- wegung sich unterschieden. Die grünen Kölner waren meistens auch zahlreicher. Zunächst fiel eine Formveränderung auf, wobei die Contour stärker oval, oder auch abgestumpft dreieckig gefunden wurde (Fig. 3 b.); dann ein reihenweises Aufrichten der Fortsätze und die | gegen eine solche Stelle gerichtete Bewegung. Bei sehr starker Ver- | =. (1500fach) liess die Contour einen streifigen oder zelligen \ au der Hüllmembran erkennen, wo auf jeder Zelle in der Mitte nach B ussen ein nadelförmiger Prlea sass (Fig. 3 c.). Eine ähnliche An- ordnung ist bereits bei den Polythalamien seit länger bekannt; hier scheint aber das Ganze noch mit einem solideren Ueberzuge (Chitin ?) versehen zu sein, wonach die nadelförmigen Sarcodefortsätze am | unteren Theile in en, biegsamen Hülsen eingeschlossen lägen, N welche daher auch nicht eingezogen werden können und selbst \ nach dem Absterben und Eintrocknen noch zu erkennen sind. Ihre Länge ist gleichmässig 1/4", bei einer Breite von "/goo und scheint am unteren Ende ein kleiner Ansatz zur Befestigung in der Hüll- ‚membran befindlich zu sein. | 4) cf. Amoeba lateritia, Fresenius, Abhandlungen der Senkenbergischen Ge- ‚sellschaft II. Frankfurt a. M. 1856—58. p. 218. — Vampyrella Spirogyrae, CiEn- (OWSKY. MAX SCHULTZE, Archiv für mikrosk. Anatomie. I. Bonn 4865. p. 206 etc. BB 356 Dr, Gustav Woldemar Focke, Fast allen Beobachtern der mikroskopischen Flora und Fauna unserer Gewässer sind hin und wieder Gebilde vorgekommen, welche sie nicht hinzubringen wussten, weil die Beobachtung zu selten nur entfernte Aehnlichkeit mit Bekannteren erkennen liess. Vielleicht findet ein Theil derselben, nun wir Süsswasser-Radiolarien haben, bei diesen ein Unterkommen, und hoffe ich bei vorgerückterer Jahres- zeit bald einige mit Erfolg auf einen Sarcodemantel prüfen zu können. Hier will ich nur noch auf die Eremosphaera viridis!) aufmerksam machen, die grössere grüne Kugeln darstellt, welche bei der Gultur im Zimmer jahrelang unverändert fortvegetirten und sich durch Zwei- theilung vermehrten. Anfangs für Keimkugeln gehalten, wurden sie später als besondere Algenspecies unter vorstehendem Namen einge- führt. Schon auf der Naturforscherversammlung zu Frankfurt a. M. äusserte ich die Vermuthung, dass diese Gebilde zu den Radiolarien gehören möchten, und dann vermuthlich gelbe Fettzellen darin vor- kämen, und schon bei den mikroskopischen Demonstrationen fanden sich dort in der That diese gelben Zellen in einem grösseren Exemplare vor. Hier in iBremen ergab die Untersuchung weitere Aufklärungen über den eigenthümlichen Bau dieser seltsamen Gebilde, welcher die- selben offenbar den Radiolarien näher stellt, als mindestens allen an- deren Organismen, unter welchen sie gefunden werden. Es wird darauf bei einer anderen Gelegenheit zurückzukommen sein. Vorstehende ohne Zweifel mancher Ergänzung und Berichtigung bedürfende vorläufige Mittheilung zeigt demnach, dass auch in unseren " Quellwassern Radiolarien leben, und es liegt eine eigenthümliche Ironie in dem Umstande, dass vor mehr als dreissig Jahren EHRENBERG nach fossilen Resten von den Antillen diese Abtheilung der Rhizopoden er- richtete, von welchen sich nun schalenlose lebende Arten in unserer en Fauna auffinden liessen. 1) A. De Barv, Untersuchungen über die Conjugaten Leipzig 1858, Ueber schalenlose Radiolarien des süssen Wassers, 357 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXV. No. 1. Up". .. Vier Kugeln in gemeinschaftlicher Hülle. 200fach vergrössert. . Acht Kugeln, Theilungsprocess eines Exemplars von te mit einem sehr ‚lang ausgestreckten Fortsatze, an welchem die Kugeln in der Richtung des Pfeiles pendelartig hin und herschwangen. 350fach. . Zweimal vier sich theilende Exemplare, deren Hüllmembranen noch sehr weich und zerfliesslich zu sein schienen. — Gingen in d. nach einer gelegentlichen Erschütterung über. 200fach. . Hälfte einer Gruppe von 42 Kugeln, welche (vermuthlich von 16) nach der Theilung noch durch einzelne, lang ausgestreckte Fortsätze in Ver-. bindung geblieben waren. Sowohl die ganze Gruppe, wie auch später jedes Glied derselben, bewegte sich in bestimmter Richtung ziemlich lebhaft durch das Wasser. 200fach. . Einzelne Exemplare aus ähnlichen Gruppen zerfliessend. Die Sarcode- schicht hat die Fortsätze eingezogen und schleppt nach, während Theile der Hüllmembran mit kleinen Inhaltsportionen sich darin vertheilen. In Fig. 1 g ein vacuolenarliges Bläschen. 200fach. . Ein abgestorbenes Exemplar mit abgefallener Sarcodeschicht hinter sich, daher die Contouren der Hüllmembran schärfer, die inneren Sarcode- körnchen haben sich aufgelöst und die grünen durch das ganze Innere vertheilt. 350fach. No. II. Ya". . Die rothe Art in voller Entwickelung der Fortsätze. 350fach. . Drei Exemplare schwächer vergrössert. Links ohne alle Fortsätze, rechts und unten die Fortsätze auszustrecken im Begriff und in der Richtung der mittleren Spitze, wie die Pfeile zeigen, die Bewegung beginnend, welche nach Ausstreckunug aller Fortsätze dieselbe bleibt. A00fach. . Ein Exemplar, welches vor einem nicht zu umgehenden Hindernisse in diese Form sich auseinander zerrte. Die Fortsätze sind gegen das Hin- derniss gerichtet und scheinen Tasterdienste zu versehen. Die Be- wegung geht in eine seitliche über. 350fach. . Ein anderes Exemplar nach Ueberwindung eines Hindernisses wieder in freies Wasser gelangt. Die Fortsätze, zum Theil noch an einem schleimigen Ueberzuge des im Wege liegenden Objectes haftend, waren nicht allein sehr lang und straff angespannt, sondern auch ausnahms- weise gabeltheilig. Sie schienen plötzlich gleichsam abzureissen und zogen sich dann, wie welk herabhängend, ziemlich rasch in die Hüll- membran zurück, wie die beiden seitlich links nach unten. 350fach. 358 Dr. Gustav Woldemar Focke, Ueber schalenlose Radiolarien des süssen Wassers. No. Ill. Us". Fig. 3 a. Eine andere grüne Art, noch nicht in Theilung gefunden, mit rigiden Hüllen der Sarcodefortsätze. Letztere sind ‚meistens viel zahlreicher, als bei dem hier abgebildeten Exemplare, das sich schon lebhaft be- wegte. 200fach. ß ' b. Bildet fast ein Dreieck mit abgestumpften Ecken, die zahlreichen Fort- sätze reihenweise aufgerichtet, mit Bewegung gegen die Lücke, wie der Pfeil anzeigt. 200fach. c. Ein Theil der Streifen der Hüllmembran mit den zelligen Abtheilungen und dem aufsitzenden Sarcodefortsatz in idealer (etwa 1000facher) Ver- grösserung. 5 B gi AD INS SLBTCACSE 1.XVIT. > In Zool. 4 DLSS. 4 “ - Zeitschr f w lll.a. Ei Das Gehörorgan der Frösche. Von Dr. C. Hasse, Prosector und Docent an der Anatomie zu Würzburg. Mit Tafel XXVI— XXVI. Das Gehörorgan der Frösche ist wohl eine der schwierigeren Auf- gaben, die sich eine histologische Untersuchung zum Vorwurf machen kann , man könnte fast sagen, das schwierigste Kapitel in dem Kapitel der Gehörorgane überhaupt, nicht sowohl wegen seiner Kleinheit, als wegen der Gomplieirtheit seiner Theile, die, abgesehen davon, dass sie der vergleichend anatomischen Erklärung manche und erhebliche Schwierigkeiten in den Weg legen, auch dem ersten Erkennen dadurch grosse Hindernisse bereiten, dass die einzelnen Abtheilungen nur - ausserordentlich wenig gegenüber dem umgebenden Gewebe differenzirt ‚ sind. Sie stellen sich eben nur als Verdickungen und leichte Aus- - buchtungen der Wandungen eines einfachen Gehörbläschens dar, deren ‚ Lagerung sich durch eine geringe Anhäufung von dunklen Pigment- \ zellen verräth und auch dies Verhalten ist nicht immer charakteristisch, da auch an anderen Orten, wenn auch meistens nicht völlig so starke ' Pigmentanhäufungen sich finden. Ein langes, eingehendes ‚Studium, ‚ein Schärfen des Auges für kleinste mikroskopische Verhältnisse ist 4’ nöthig, um eine klare Uebersicht über dieses Chaos über und neben einander gelegener Theile zu gewinnen, die auf einen so ausserordent- lich kleinen Raum beschränkt, dennoch ein Spiegelbild der Verhält- | nisse, wie wir sie hei den höheren Thieren finden, sind. Auch an i | dieser Stelle habe ich wieder des unvergesslichen Dsrrers zu gedenken, | dessen Darstellung dieser Arheit zu Grunde liegt. Sie war der Faden, an den ich mich hielt, sie stützte mich, und Deiters Verdienst ist es, ih = durch diese meine won die Kenntniss des complicirten | | | 360 Dr, G. Hasse, Baues des Gehörorgans der Batrachier und des Gehörapparates im Allgemeinen weiter gefördert wird. Wie oft stand ich nach mühsamen Suchen und Forschen im Begriff, ein weiteres Vordringen aufzugeben, wie oft habe ich vergebens gesucht, Dkirers’ Darstellung zu verificiren, jeder neue Schnitt brachte mir neue räthselhafte Bilder, ein Gesammt- bild tauchte nicht auf, ich vermochte die Theile nicht wiederzufinden, die er beschrieben, allein der Glaube an die Richtigkeit im Wesen der. Deiters’schen Beschreibung, die ich schon so oft erprobt, führte mich immer wieder zurück ans Mikroskop und an die Loupe, bis endlich, sei es durch einen glücklichen Zufall, sei es durch etwas modificirte Methode im Präpariren, die Wahrheit allmählich zu Tage trat. In we- nigen Arbeiten manifestirt sich das Beobachtungstalent Deirers’®in einem so hohen Grade, wie in der: »Ueber das innere Gehörorgan der Amphibien«!), soweit es die Batrachier betrifft, und wenig wird an den Grundfacta, die er hingestellt, durch meine Untersuchungen ge- rüttelt werden, es sind wesentlich Bestätigungen und weitere Ausfüh- rungen seiner Beobachtungen. Ich bin mir vollauf bewusst, dass meine Darstellung noch lange nicht alle Puncte erschöpft und auf das Un- zweifelhafteste hinstellt, dass manche und wesentliche Puncte nament- lich in Betreff des Verhaltens der Membrana tectoria Lücken zeigen, allein, wenn ich auch kommenden Forschern überlassen muss, diese interessanten und wichtigen Puncte weiter auszuführen und ins klarste Licht zu stellen, so glaube ich doch insofern die Betrachtung des Gehör- organs dieser Thiere abschliessen zu dürfen, als ich auch hier so weit gedrungen bin, um sagen zu können, dass auch bei den Batrachiern das Princip im Bau des Gehörorgans ganz dasselbe ist, wie bei den höheren Thieren, dass die wesentlichen Theile einander entsprechen, und dass die Art und Weise der Nervenendigung in allen Theilen des Gehörapparates ein und dasselbe ist. Somit erwächst meiner Ansicht, dass dieselben wesentlichen Verhältnisse beim Menschen maassgebend sind, eine neue Stütze, einer Ansicht, auf welcher fussend, ich dazu | geführt wurde, das Wesen der Erregung der Gehörempfindungen nicht | vor allem und ausschliesslich in den Corri’schen Fasern zu suchen, sondern in Schwingungen der Membrana tectoria und Secundär- BE schwingungen der Härchen der Stäbchenzellen. 2 Freilich möchte eine Betheiligung des Corrtr’schen Organs dieses | so einzig in seiner Art dastehenden und so charakteristischen Gebildes | in der menschlichen Schnecke an dem Zustandekommen der Gehör- | empfindungen nicht so von der Hand zu weisen sein, wie ich es an- | 4) Archiv für Anatomie und Physiologie, 1862. Das Gehörorgan der Frösche. 361 fangs glaubte, indem ich es nur als elastische Brücke für die Membrana tectoria auffasste. Es wäre wohl denkbar, dass dennoch die Ton- empfindungen beim Menschen in ihrer Feinkeit und Reinheit mit durch sie vermittelt werden, dass sie wirklich für bestimmte Töne abgestimmt sind und nun durch ihre Schwingungen die nächstgelegenen Theile der Membrana teetoria und somit auch die Stäbchenzellen und zwar eine desto grössere Anzahl, je weiter vom Anfang entfernt die Corrr'schen Fasern angesprochen werden, in besondere Schwingungen versetzten, allein dass sie ausschliesslich die Tonempfindungen vermitteln, möchte ich nicht glauben, da sie sonst den Vögeln, die doch auch Töne perci- piren können, abgesehen von den anderen Wirbelthieren, nicht fehlen würden. Die Schwingungen der Membrana tectoria oder einer Oto- - Jithenmasse werden immer das Wesentlichste sein, das Corrr’sche Or- gan mag nur dazu dienen, eine grössere Feinheit in der Unterscheidung - der Töne hervorzubringen. Freilich wäre es nöthig, noch sicherer wie _ bisher, die Differenzen in der Höhe, im Abstande und in der Elasticität von Beginn bis zum Ende der Schnecke durch weitere anatomische N Untersuchungen festzustellen. Die Präparation der häutigen Theile des Gehörorgans gehört nicht ‚gerade zu den leichtesten, soweit es sich um die unversehrte Heraus- nahme der Theile handelt. Sie sind so zart und zerreisslich, dass die geringste Unvorsichtigkeit sich rächt und dennoch darf man nicht lang- ‚sam zu Werke gehen, sondern muss sich möglichster Schnelligkeit im Präpariren befleissigen, da sonst die zarten Theile rasch zerfallen. Ich - habe auch hier dieselbe Methode wie bei den Vögeln befolgt, dass ich erst schnell auf ausgiebige Weise das Gehäuse öffnete, um der conser- _virenden Flüssigkeit Eingang zu verschaffen, dann die Einwirkung der- ‚selben ruhig abwartete und nach einiger Zeit unter steter Benetzung mit der Conservationsflüssigkeit die häutigen Theile isolirte. Zuerst "werden die Bogengänge in ihrem Gehäuse von aussen oder von der rädelhöhle her blossgelegt und dann vorsichtig mit Nadeln, um die zarie Wand des Steinsacks nicht zu verletzen, der Rest des Organs ‚ herausgehoben und dann soweit als möglich von dem anhaftenden | Perioste befreit. Um die im Anfange so schwer unterscheidbaren ein- | ı Theile, namentlich der Schnecke, sichtbar zu machen, ist die Kiwendung dei Osmiumsäure, ich möchte fast sagen, eine unumgäng- he Nothwendigkeit. Alkohol und Mürrer’sche Flüssigkeit bieten lange ht die Vortheile. Die Osmiumsäure ist dadurch unschätzbar, wie ich es bei meinen letzten Untersuchungen so vielfach erfahren, ds sie ‚ bei gehöriger Einwirkung die Theile, zu denen die Nerven gehen, ‚dunkler färbt wie die übrigen und dadurch ihr Erkennen erleichtert. 362 de Hasse, Jedoch habe ich es nicht immer in der Hand gehabt, unter fast gleichen Verhältnissen und bei denselben Präparationsmethoden eine genügende Einwirkung, die sich erst später nach dem Liegen in Wasser durch ihre tiefschwarze Farbe bekundete, zu erzielen. Häufig war die Färbung nur schwach und ungenügend, und in Folge dessen traten auch die inneren Theile nur ungenügend und mässig conservirt zu Tage. Mag sein, ‚dass die Concentration, eine Lösung von !/—!/ı %, nicht aus- reichend war, jedenfalls möchte ich kommenden Forschern empfehlen, Versuche mit einer concentrirteren Flüssigkeit zu machen. Jedoch bieten auch die weniger gefärbten Präparate Vortheile mancherlei Art, die namentlich in der stärkeren Durchsichtigkeit beim Betrachten der Epithelauskleidung zu Tage tritt. So sehr nun auch die Osmiumsäure in starker Lösung für das anfängliche Erkennen der Theile, sei es mit hlossem Auge, sei es unter der Loupe, sich hier minder empfiehlt, so wenig sind doch die beiden anderen Flüssigkeiten zu entbehren, ein- mal für die Schnittführung und dann für die Isolation. Die mit ihnen behandelten Präparate habe ich meistens mit Garmin gefärbt. Hat man sich einmal über die Lage, namentlich der Schneckentheile vergewissert, dann gelingt deren Isolation nicht schwer, und ist unter der Loupe oder mit blossem Auge auszuführen. Ihre Befestigung ist äusserst zart und | leicht zu trennen, ohne dass die im Inneren befindlichen Theile, mit | Ausnahme der Membrana tectoria, aus der Lage kommen; schwieriger ist schon das Abheben des Periostes von der Aussenwandung, eine Operation, die so ausgiebig als möglich gemacht werden muss, um gute durchsichtige Flächenpräparate zu gewinnen. Hat man die einzelnen Theile isolirt, so macht man natürlich Schnitte in allen Richtungen und betrachtet dann den Zusammenhang der Theile unter einander, indem | man einestheils durch das ganze Organ in allen Richtungen, andern- theils durch einzelne im Zusammenhang isolirte Theile Schnitte macht. Nur so gelingt.es, in das Gewirr von Erhebungen, Ausbuchtungen und über einander gelegenen Hohlräumen Klarheit zu bringen, und aus einzelnen Bildern sich ein deutliches Gesammtbild zu construiren. , In meiner letzten Abhandlung: »Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche«!) habe ich schon den Bau einer wich- ai tigen Abtheilung des gesammten Gehörapparates einer ausführlichen ı Betrachtung unterzogen, so dass es überflüssig sein möchte, hier weiter ih auf das histologische Detail einzugehen, es möchte genügen, mich in dieser Beziehung auf das dort Gesagie zu beziehen, allein wesentliche‘ Verhältnisse wurden dort ausser Acht gelassen , die erst in dieser Ab- iR 41) Diese Zeitschrift. Bd. XVIL. Helt 2, Das Gehörorgan der Frösche, 363 handlung ihre Stelle finden werden, um. so die Kenntniss des Baues zum; vorläufigen Abschluss zu bringen. Sie beziehen sich auf die Structur und die Lagerungsverhältnisse des Gehäuses ‘des Gehör- apparates und die Art und Weise der Lagerung der häutigen Theile innerhalb desselben; diese Punete nachzuholen soll zunächst meine Aufgabe sein, um mich dann zur Beschreihung des eigentlichen Gehör- bläschens mit'dessen einzelnen Theilen, unter denen dann die Schnecke gewiss mit das höchste Interesse in Anspruch nimmt, zu wenden. Zum Schluss will ich dann noch die für die vergleichende Anatomie wich- tigsten Puncte, die Analogien mit den Gehörapparaten der höheren - Thiere besonders hervorheben, und es wird auch hier klar zu Tage treten, eine wie grosse Verwandtschaft trotz der äusserlich scheinbar so grossen Differenzen zwischen den einzelnen Theilen vorhanden ist, wie selbst bei diesen Thieren, bei denen sich die einfache Bläschen- form des Gehörorgans zu manifestiren scheint, dennoch eine Differen- zirung sich findet, die den Trennungen in einzelne Abtheilungen bei den höheren Thieren entspricht. Das knöcherne Gehäuse des Gehörorgans findet sich dicht vor den beiden Gondylen des Hinterhaupts seitlich an der Schädelwand in Ge- stalt zweier höckerartiger symmetrischer Hervorragungen, an deren äusseren Flächen sich das Gerüst des Kiefers befestigt. Zu gleicher Zeit zeigen sich diese Auftreibungen mit ihren äusseren Thejlen etwas nach hinten hin gerichtet. Die obere Fläche dacht sich in der Höhe - des Schädeldachs schräg von oben medianwärts, lateralwärts ab. Die untere Fläche ist vollkommen horizontal gestellt. Die vordere, leicht ‚ ausgehöhlte Fläche bildet die hintere Begrenzung der Augenhöhle, während die innere der Schädelhöhle zugekehrt ist. Die obere Fläche dieser knöchernen Hervorragung zeigt drei leichte leistenartige Er- ' hebungen, der Ausdruck der häutigen Bogengänge, jedoch in grösserer ‚ oder geringerer Deutlichkeit. Am stärksten erhebt sich die hintere ' Hervorragung (Taf. XXVI. Fig. 1 c.), die über und vor dem Hinter- ‚ hauptsknorren nach vorne gegen das Schädeldach ziehend, unter einem \ Winkel von ungefähr 45° zur Frontalebene gestellt ist. Sie bezeichnet ‚den .Ort, wo man den frontal gestellten Bogengang zu suchen hat. Schwächer erweist sich schon die andere Erhebung (Taf. XXVI. Fig. 1b.), welehe als der Ausdruck des sagittal gestellten Bogenganges ebenfalls meinem Winkel von ungefähr 45° zur sagittalen Ebene gestellt, me- Da an der Grenze des Schädeldachs mit der hinteren vereinigt, | ‚also nach ‚hinten und innen gerichtet ist. Ausserordentlich schwach ‚sichtbar ist die Hervorragung, welche als Ausdruck des horizontalen Bogensanges (Taf. XXVI. Fig. Id.) längs dem vorderen Rande der oberen 364 Dr. 0, Hasse, Fläche verläuft. Auch sie liegt nicht genau in horizontaler Ebene, son- dern erhebt sich unter einem ähnlichen Winkel wie die beiden anderen aus derselben, und zieht von vorne oben nach hinten unten. Leichte höckerförmige Hervorragungen an der vorderen und hinteren Leiste hinten resp. vorn, aussen bezeichnen die Stellen, wo man die Am- pullen aufzusuchen hat (Taf. XXVI. Fig. 2e, fu. g.). Die dem Schädel- raum zugekehrte Wandung zeigt eine ziemlich beträchtliche, rundliche Auftreibung von der Vereinigung der beiden verticalen Bogengänge herrührend, während gegen den Boden der Schädelhöhle hin eine kaum erkennbare Hervorragung als Ausdruck des weiteren Verlaufes des horizontalen Bogenganges zieht. Unterhalb und etwas nach vorn von der rundlichen, starken Hervorragung, bemerkt man dann in einer leichten Einsenkung die Durchbruchsstelle des Nervus acusticus, den Porus acusticus internus. An der äusseren Fläche sieht man dann noch ausser den Anheftungen des Kiefergerüstes unterhalb der Leiste, welche der Ausdruck des horizontalen Bogenganges ist (Taf. XXVI. Fig. 1 a und 2 a.), das etwas nach hinten sehende, mit dem längsten Durch- messer horizontal gestellte Foramen ovale, welches direct ins Innere des Gehäuses führt. Ausser dem Foramen ovale und der Durchtritts- stelle des Nervus acusticus ist es mir nicht gelungen, eine Oeffnung in dem Gehäuse zu entdecken, und somit glaube ich auch für die Frösche den Mangg] eines Foramen rotundum statuiren zu müssen. En. WEBER hat freilich darauf aufmerksam gemacht, dass bei den Fröschen eine durch eine Membran verschlossene feine Oeffnung am Ausgange des CGanals für den Nervus vagus vorkommt und Stannıus!) hat sie bei einigen fremden Fröschen wiedergefunden. Auch Deıters?) glaubt sich von einer zweiten sehr kleinen Oeffnung der Labyrinthhöhle überzeugt zu haben, allein er legt kein grosses Gewicht auf dieselbe, da sie keine Verbindung mit der Paukenhöhle repräsentirt. Ich habe, wie gesagt, niemals Andeutungen eines Foramen rotundum bei unseren Fröschen zu finden vermocht. Dies die Verhältnisse beim Betrachten von aussen. Während nun bei den Vögeln, den Säugethieren und den Men- ‚schen die häutigen Theile des Labyrinths in entsprechend geformte, | feste, knöcherne Theile eingebettet sind, die sich mit grösserer oder | geringerer Leichtigkeit aus der umgebenden spongiösen Knochenmasse | herausschälen lassen, sehen wir bei den Batrachiern an den Hervor= 7 ragungen,, in denen das Gehörorgan gelagert ist und deren einzelne Theile sich nur schwach auf der Oberfläche manifestiren, den! Knochen nur theilweise das Gehäuse bilden, wenn auch an einigen 4) Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 2) 1. c. Das Gehörorgan der Frösche. 365 Stellen in einem ausgedehnteren Maasse, wie an anderen. Er bildet nur die äussere Oberfläche und unter ihm liegt eine mehr oder minder dicke Schicht hyalinen Knorpels (Taf. XXVI. Fig. 3 a. u. 4 a.), dessen Knorpelzellen von mehr oder minder unregelmässiger Gestalt sich durchgehends auf die Spindelform zurückführen lassen. In dieser Knorpelmasse sind die häutigen Theile des Gehörorgans gelagert. Der Knorpel ist dort am dicksten, wo an der Oberfläche die Hervorragungen am- geringsten ausgeprägt sind und zwischen diesen, am dünnsten an _ der der Schädelhöhle zugewandten Fläche, wo er fast ganz von dem Knochen verdrängt wird. ‚ Gelang es bei den höheren Thieren ver- hältnissmässig leicht, am leichtesten bei den Vögeln, das durch com- pactere Knochenmasse sich auszeichnende Gehäuse von der Umgebung zu isoliren und zeigte sich somit die Trennung als eine vollkommen naturgemässe, so ist das bei den Fröschen nicht der Fall. Obwohl mit einen grossen Aufwand von Geduld und Geschicklichkeit eine dünne Knorpellage um die einzelnen Theile des Gehörorgans, die die Form derselben wiederspiegelt, sich isoliren lassen würde, so sind alle meine darauf gerichteten Bemühungen wegen der Kleinheit der Gebilde ge- scheitert, allein ich glaube, dass diesem Umstande kein besonderes Gewicht beizumessen ist, da die Trennung in der gleichmässigen Knorpelsubstanz immer eine künstliche sein muss. Heben wir die Columella aus dem Foramen ovale heraus und öffnen wir das Gehäuse von der Schädelbasis aus, wie es auch DEITERS - gemacht hat, in der Höhe desselben, so erblicken wir zunächst eine - geräumige Höhle und in derselben, namentlich am Dach des Gehäuses ‘ und an der Innenwand mehrere Oeflnungen, als Ausdruck einestheils ‘ des aus der Schädelhöhle heraustretenden Nerven, anderntheils der die Knorpelsubstanz durchsetzenden drei Bogengänge. Es findet sich keine ur einer Differenzirung in Vorhof und Schnecke. An keiner Stelle :r Wandung ist es mir gelungen, auch nur einen Eindruck zu finden, t darauf hindeutete, dass wir es hier möglicherweise mit einem meckenrudiment oder dessen Annex, dem Sacculus zu thun haben. Freilich möchte ich diese meine Untersuchungen an dem Gehäuse nicht ‚als vollkommen maassgebend hinstellen, denn einmal waren sie nicht ausgedehnt genug und zweitens ist auch die Kleinheit des Objectes bei 'Rana temporaria störend, wenn man gröbere anatomische Verhältnisse wie diese wahrnehmen Zah, und so mag es wohl sein, dass andere ‚Borscher bei grösseren Objecten glücklicher sind, wie ich, und dennoch Spuren von Analogieen der entsprechenden Kcakiltiriene bei höheren Thieren auffinden. Es kann uns jedoch dieses soeben erwähnte Ver- halten der Gehörhöhle nicht so sehr befremden, wenn wir die schon 366 Dr. 0. Hasse, eine Stufe niedriger in der Organisation stehende Classe der Vögel in Betracht ziehen. Hier kommen wir ja auch mittelst des Foramen ovale in eine geräumige Höhle, das Vestibulum, in welches wir als kleine Annexe und in weiter offener Communication einmal die kurze knöcherne Schnecke und dann mittelst des Foramen vestibulare die Höhlung, in der der Utriculus lag, münden sehen. Bei den Batrachiern sind selbst diese geringen Ausweitungen, die erst bei dem Menschen und den Säugern in Gestalt der gewundenen Schnecke wenigstens im erwachsenen Zustande sich differenziren, verschwunden, und wir haben im Sagittalschnitt einen längsovalen Hohlraum, der mit seinem längsten Durchmesser also von vorne nach hinten gestellt ist. Es ist ein Anklang an die embryonalen Verhältnisse bei den höheren Thieren, wo sich ja auch erst aus einer einfachen kugeligen Anlage durch Er- hebungen und Abschnürungen die einzelnen Theile differenziren. Be- trachten wir die Lumina der knorpeligen Bogengänge auf dem Quer- schnitt, so zeigen sich dieselben ebenfalls oval oder elliptisch (Taf. XX VI. Fig. 3). Von dem Zusammenmünden der Bogengänge, bevor sie in den Utriculüs treten, ein Verhalten, welches sich bei den Vögeln am knö- chernen Gehäuse so schön darstellen liess, sehen wir bei den Fröschen nichts, eben so wenig wie von den Ampullen, die in die allgemeine Gehörhöhle mit begriffen zu sein scheinen, mit Ausnahme der schon früher erwähnten kleinen Hervorragungen an der oberen Fläche des Gehäuses. Das Innere der Gehörhöhle sowohl als der knorpeligen Bogengänge ist mit einem Periost ausgekleidet, dessen Bau ich schon in meiner vorigen Abhandlung: »Die Histologie des Bogenapparates und des Stein- sacks der Frösche«!) beschrieb, und dessen inniger Zusammenhang mit den häutigen Theilen schon dort von mir Erwähnung gethan wurde. Die Befestigung mit der knorpeligen Wandung ist eine ausserordentlich lockere und kaum nachzuweisende (Taf. XXVI. Fig. % b.), während dagegen die Zellen, welche die Verbindung mit den häutigen Theilen vermitteln, an der dem freien Lumen zugekehrten Seite ausserordentlich | zahlreich sind und so dicht gelagert, dass sie zuweilen eine Art Epithel vortäuschen können. Von einem eigentlichen Epithel ist aber auch bei | diesen Thieren keine Rede, und somit wäre die Zahl der Beobachtungen wiederum um eine vermehrt, die das Epithel der Innenseite des Periost | und der Aussenseite der häutigen Theile läugnen. Mochte ich das Periost, von welcher Stelle des Inneren der Gehörhöhlungen es auch immer sein mochte, untersuchen, niemals zeigte dasselbe ein wahres Epithel, F so häufig kureh durch ‘die sure DEN EN die er Ver- BR ANT: Io Das Gehörorgan der Frösche. 367 bindungen mit ähnlichen Zellen auf den Wandungen der häutigen Ge= hörtheile vermittelten, ein solches vorgespiegelt werden konnte. Immer lassen sich an den einzelnen deutliche, häufig recht lange freihängende Ausläufer nachweisen. Ich erwähnte dieses Umstandes schon in meiner letzten Abhandlung), allein ich wiederhole es hier noch einmal, weil meine Untersuchungen sich jetzt auf ein weiteres Gebiet ausdehnen. - Für den Bogenapparat von Hund und Katze, für den gesammiten Gehör- f apparat der Vögel und der Frösche gilt ein und dasselbe in Betreff dieser dem Periost aufsitzenden Zellgebilde. Sie sind nicht dem Epithel als gleichwerthig anzusehen, sondern gehören in die Classe der Binde- substänzen, sie sind ganz gewiss bei den Vögeln und wahrscheinlich auch bei den anderen Thieren die Residuen einer embryonalen Zellen- _ anhäufung, aus der sich einerseits das Periost, andererseits die Knorpel- - wandung der häutigen Gehörtheile entwickelte, während das zwischen- _ liegende Stratum allmählich einer regressiven Metamorphose unterworfen wurde und die Gestalt eines reticulären oder Gallertgewebes annahm, wie es ja auch KörLiker ?2) von den höheren Thieren beschrieben (siehe _ meine Beiträge zur Entwickelung der häutigen Gewebe der Vogel- _ schnecke) ?). Will man die aufliegenden Zellen wegen ihres hie und da auftretenden epithelartigen Charäkters als Epithel auffassen, so ist man genöthigt, eine ganz neue Form von Epithelzellen zu statuiren, denn ‚sie würden im Bau sowohl wie in der Entwickelung ohne Gleichen dastehen. Rüpınser hat in der neuesten Zeit in einer vorläufigen Mit- theilung : »Vergleichend anatomische Studien über das häutige Laby- 2 nth«*) mit Recht geäussert, dass es nicht unumgänglich nothwendig ei, dass das, was in Betreff des Gehörorgans der Vögel gelte, wegen grossen Aehnlichkeit der Bildungen auch bei dem Menschen Gel- ing haben müsse. Ich bin weit davon entfernt, trotz der auffallenden und grossen Aehnlichkeiten überall ein gleiches Verhalten statuiren zu vollen, habe im Gegentheil bei vielfachen Gelegenheiten auf wichtige ifferenzen aufmerksam gemacht, und sonach werde ich mich auch nicht gegen eine Abweichung in Betreff des hier beschriebenen Gebildes täuben, allein ich kann dennoch nicht unterlassen, gewichtige Be- denken in Betreff der Epithelbekleidung des Periostes auch beim Men- | schen geltend zu machen, gerade auf Grund der den Rüpinser’schen | 50 ihnlichen Befunde bei den niederen Thieren und selbst bei Säuge- eren. Auch die entwickelungsgeschichtlichen Resultate KöLLmker’s 5 1. c. ) Entwickelungsgeschichte. £ 3) Diese Zeitschrift. Bd. XVII. Monatsschrift für Ohrenheilkunde, 41867. No. 2. 368 Dr. 0. Hasse, sprechen für meine Annahme, und so wenig ich gesonnen bin, positiven Befunden Rünıngzr’s Reflexionen zu substituiren, denen keine Beobach- tungen zu Grunde liegen, so dringend möchte ich doch im Interesse der Sache den geehrten Forscher auffordern, fussend auf der Ent- wickelungsgeschichte erneute Untersuchungen in Betreff der beregten Zellgebilde anzustellen. Nur so lässt sich eine Entscheidung treffen, ob auch für dieMenschen meine Auffassung derselben als Bindegewebs- zellen, die zuweilen ein epithelartiges Aussehen bekommen, oder als wirkliche Epithelien, wie Rünıneer will, richtig ist. Ein Grund, eine andere Epithelform zu statuiren, scheint mir.nach den bis jetzt an der Hand der Entwickelungsgeschichte gemachten Erfahrungen nicht vor- zuliegen. Betrachten wir das häutige Gehörorgan in seinen verschiedenen Theilen, so bemerken wir bei oberflächlicher Betrachtung, dass wir es mit einem bläschenartigen Gebilde zu thun haben, dem Ampullen und Bogengänge auf alsbald zu beschreibende Weise aufsitzen. An einer Stelle zeigt sich ganz circumscript eine weisse, rundliche Otolithen- masse im Gehörbläschen eingeschlossen. Das ist die Krystallmasse des Steinsacks, dessen Histologie ich in meiner letzten Abhandlung aus- führlich behandelt. Schon nach dem Herausheben der Columella wird dieselbe durch das Foramen ovale sichtbar. Der Theil des Gehörbläschens, welcher diese Masse einschliesst, liegt also dem- selben gegenüber, während die übrigen abgewandt liegen. Es fragt sich nun, sind die häutigen Theile wie bei den anderen Thieren und bei dem Menschen nach den schönen Rüpinser’schen Befunden, d. h. excentrisch in dem Gehäuse befestigt? Ich kann diese Frage nicht mit voller Bestimmtheit für alle Theile bejahen,, allein ich glaube es. Ueber allen Zweifel lässt es sich für die Bogengänge, als wahrscheinlich für das Gehörbläschen, weniger sicher für die Ampullen hinstellen. Die Bogengänge liegen entschieden excentrisch (Taf. XXVI. Fig. 3 b.), jedoch ist der perilymphatische Raum, also der zwischen Periost und häutiger Wand des Bogengangs, viel geringer, wie bei den höheren ! Thieren. Das Verhältniss ist nicht so ganz leicht zu constatiren, weil \ die Gänge bei Schnitten sich ausserordentlich leicht mit dem Periost | ablösen und dann central belegen, fasi den ganzen Raum auszufüllen scheinen. In Betreff der Ampullen fehlen. mir nähere Beobachtungen, 7 was dagegen das Gehörbläschen betrifft, so möchte ich glauben, dass ein Raum zwischen demselben und der äusseren Wand des Gehäuses sich befindet, dasselbe also der inneren Schädelwand genau anliegt. Es schien mir beim Freilegen der häutigen Theile vom Foramen ovale | | aus, als könne ich das Messer ein wenig in die Höhle des Gehäuses! d Das Gehörorgan der Frösche. 369 vorschieben, bevor ich die vorliegenden häutigen Theile berührte ; jedoch ist es nothwendig, um die Excentricität des Gehörbläschens und der Ampullen über jeden Zweifel erhaben hinzustellen, Schnitte in frontaler und in horizontaler Richtung durch den gesammten Gehör- apparat zu machen , ein Unternehmen, welches mir niemals geglückt, wahrscheinlich weil ich nur erwachsene Thiere zur Verfügung hatte, an denen die Differenz in der Härte der zu durchschneidenden Theile eine nicht unbeträchtliche ist. Möglich, dass bei jungen Thieren Ver- suche in dieser Richtung von besserem Erfolge gekrönt sind. Was die Angaben von Deiters über diese Verhältnisse betrifft, so sind dieselben nur spärlich , jedoch beschreibt er auch einen die ganze Labyrinthhöhle ausfüllenden Sack , Alveus communis, mit den zu ihm gehörenden Enden der Bogengänge und des Steinsacks und hebt her- vor, dass derselbe den Wänden so locker anliegt, dass er leicht mit dem Periost herausgehoben werden kann. Von der Befestigungsweise des Periostes auf der ganzen Oberfläche des häutigen Gehörorganes mittelst Bindegewebszellen und von der Excentrieität der Theile er- "wähnt er Nichts. Eingehender ist seine Beschreibung der Lagerung der verschiedenen Abtheilungen des Alveus communis innerhalb der ‚Höhle des Gehäuses, der er die Ansicht von unten her, nachdem er ‚den Boden mittelst eines Schnittes in der Höhe des Foramen ovale ab- ‚getragen, 'zu Grunde legt. Der gegen das Foramen ovale gekehrte "Steinsack liegt nach ihm unten und aussen, unten durch eine gelbe Erhabenheit charakterisirt. Nach unten und innen liegt eine unregel- mässige ‚ schwärzliche Erhabenheit, die von ihm zuerst mit Sicherheit ‚aufgefundene Schnecke, und unterhalb dieser biegt der hintere halb- eirkelförmige Canal in seinen Knochencanal um. Die anderen beiden Bogengänge und Ampullen liegen vorne oben. Der Eintritt des Nerven tolgt von unten her. In den Theil des Alveus, der keine Otolithen führt, münden die fünf Ansätze der Bogengänge, am höchsten die zu- ‚sammenstehenden Ampullen des vorderen und horizontalen Canals. ‚Die unteren Enden dieser Canäle münden an entgegengesetzten Stellen, m das Ende des vorderen halbeirkelförmigen Canals mit dem des eren er! das Ende des horizontalen Canals aber neben n ‚ich mich im Grossen und Ganzen less) jedoch halte ich "wünschenswerth , zum leichteren Verständniss einzelnes nach- ragen, anderes he: auszuführen, und da lege ich wie bisher bei eschreibung von Lagerumgsverhälinissen die normale Lage des \opfes zu Grunde. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 2% 370 ‚Dr. 0. Hasse, Beginnen wir mit den Ampullen und Bogengängen. Die Ampullen zeigen dieselbe Gruppirung, wie wir sie beim Menschen und den höheren Thieren finden, zwei stehen zusammen und erheben sich ge- meinschaftlich aus dem Gehörbläschen oder dem Alveus communis, | wie Deiters ihn nennt (Taf. XXVI. Fig. 2 e. u. f.), während die dritte entfernt von ihnen steht. Die beiden zusammenstehenden Ampullen, die unter einem rechten Winkel zu einander gestellt sind (Taf. XXVI. | Fig. 5 d. u. o.), findet man vorne, oben und aussen in dem Gehäuse des Gehörorgans gelagert, und von diesen liegt die eine in einer um | ungefähr 40—45° aus der horizontalen sich erhebenden Ebene, wäh- rend die andere um eben solchen Winkel von der sagittalen abweicht. Aus der ersteren erhebt sich der horizontale Bogengang, dem der früher | erwähnte Wulst auf der oberen Fläche entspricht (Taf. XXVI. Fig. I d.), und verläuft bogig nach hinten, unten und innen, um sich dann dicht | hinter und oberhalb der alleinstehenden Ampulle in das Gehörbläschen einzusenken (Taf. XXVI. Fig. 2 d. u. 6 k.). Der Bogengang, welcher sich als sagittaler aus der Nachbärampulle erhebt, verläuft ebenfalls bogig, jedoch hauptsächlich nach innen und etwas nach hinten und unten, um dann mit dem Bogengang der alleinstehenden Ampulle sich zu verbinden (Taf. XXVI. Fig. 2 5. u. 6 h.). Die alleinstehende Am- pulle findet sich am entgegengesetzien Ende des Gehörbläschens nach hinten und etwas nach unten gegen den Boden des Gehäuses hinge- wandt (Taf. XXVI. Fig. 2 g.), und ist als Frontale aufzufassen‘, jedoch weicht sie auch um einen den anderen entsprechenden Winkel von der betreffenden Ebene ab. Der zu ihr gehörende Bogengang läuft bogig nach innen gerichtet, etwas nach vorne und unten gewandt (Taf. XXVI. Fig. 2 c. u. 6a.), und vereinigt sich convergirend mit dem sagittalen Bogengang mit diesem an der der Schädelhöhle zugewandten Fläche, um dann mittelst eines kurzen, gemeinschaftlichen Rohres in das Ge- hörbläschen einzumünden. Diese Stellung der Ampullen ‚dieser Ver- lauf und die schliessliche Einmündung der Bogengänge entspricht so/ gut wie vollkommen dem Verhalten bei den höheren Thieren, und! selbst die Abweichungen von den verschiedenen Ebenen, der horizon- talen, frontalen und sagittalen sind dabei übereinstimmend. Es ist! demnach nicht vollkommen richtig, wenn wir von einem horizontalen, | einem frontalen oder sagittalen Bogengang sprechen. Auch beim Men-| schen kommen solche Abweichungen von den verschiedenen Ebenen, | und zwar constant, vor, wie HEntE es in seiner Splanchnologie er-| wähnt, indem er einen Abweichungswinkel von 10° selten mehr, an-. N giebt; der Winkel ist hier also kleiner wie bei den Thieren, bei denen. | ich freilich nur eine Schätzung und keine genaue Messung vorgenommen | Das Gehörorgan der Frösche. 371 habe. Jedenfalls verdient dieses Verhalten die eingehendste Berück- sichtigung. > f Dies die groben anatomischen Verhältnisse der Bogengänge und Ampullen, deren histologische Verhältnisse ja Gegenstand eingehender Erörterung in meiner letzten Abhandlung!) waren. Auf das Verhalten der zu ihnen gehenden Nerven komme ich noch einmal zurück. Was das häutige Gehörbläschen betrifft, so nimmt dasselbe hauptsächlich den inneren und unteren Theil des Gehäuses ein, ohne sich damit innen und oben von der Decke desselben zu entfernen. Es ist ein länglich elliptisches Säckchen , dessen längster Durchmesser von vorne nach hinten geht, und dem auf die beschriebene Weise die drei Ampullen aufsitzen und in das entweder gemeinschaftlich der sa- gittale und frontale, oder getrennt, der horizontale Bogengang, mündet. Dieses Säckchen zeigt, dem Foramen ovale zugekehrt, eine äusserst zarte Wandung, während die der inneren Schädel- höhle zugewandte härter, knorpelig-erscheint. Nur ein Theil fällt auf den ersten Blick dem Beschauer in die Augen, das ist der - schon seit lange beschriebene Steinsack, dessen histologische Structur ‚ ebenfalls Gegenstand meiner letzten Abhandlung war (Taf. XXVI. Fig. 5d. u.6d.). Es ist ein scheinbar selbständiges Säckchen wegen _ der scharfen Grenzcontouren der dasselbe ausfüllenden Otolithenmasse, allein immer doch nur ein Theil des ganzen Sackes, wie wir alsbald sehen werden. Er ist gegen das Foramen ovale mit seiner ausser- ‚ordentlich zarten, vorderen Wandung nach aussen, hinten und unten "gewandt, während die derbere nach innen gegen die Schädelhöhlen- "wand gekehrt ist. Sonst fallen bei oberflächlicher Betrachtung keine gesonderten Theile auf, und daher kam es, dass selbst sorgsamen Be- 'obachtern, mit Ausnahme Leynvie’s, in früherer Zeit die weitere compli- ‚eirte Structur entging. Erst Deiters schaffte hier Licht. Nichts ist er- ‚klärlicher, als dass die weiteren Theile selbst aufmerksamen Beobachtern entgingen. Bei der Isolation wird stets das mit dem häutigen Organ ‚eng verbundene Periost herausgehoben, und dessen Pigmentzellen ver- decken einen grossen Theil gerade der wichtigsten Verhältnisse. Ein vollständiges Ablösen gelingt nicht und bei theilweiser Trennung reissen meistens die feinen Theile; erst die Methode, wodurch, wie früher schon erwähnt, ein bestimmter histologischer Theil, wie der Nerv, bei | Anwendung der Osmiumsäure gefärbt wird, während die anderen Theile lichter bleiben, bringt Klarheit, und selbst dann muss man sich ‚erst durch langwierige mühsame Isolationsversuche vollkommenen Auf- ‚schluss über den Zusammenhang verschaffen. eh .c. —— 14 |; 94 * 372 Dr. 6. Hasse, Sehen wir jedoch zunächst, bevor wir in der Beschreibung weiter gehen, was der eigentliche Entdecker der Schnecke der Batrachier, Driters, über die gröberen Verhältnisse dieses Theiles sagt. Eine ein- fache, längliche Erhebung durch etwas knorpelige Härte und durch schwärzliche Färbung ausgezeichnet, findet sich zwischen den Ein- mündungsstellen der Bogengänge in den Alveus communis und den Steinsack. Dies ist die Schnecke, die ein integrirender Theil der Vor- hofswand ist und mit ihrem ganzen Lumen in das Innere hineinsieht. Sie ist nur wenig über dem Niveau des Alveus erhaben. Es ist eine Art Verdickung der Wandung des Sacks an .gewissen Stellen, welche | sonst nur zartes Bindegewebe zeigt. Durch die charakteristischen Formen dieser derberen Theile erhalten sie dann eine bestimmte mor- phologische Bedeutung. Es ist gleichsam ein Knorpelgerüst und der | Haupttheil ist die Schnecke, die von einem stark pigmentirten Periost bedeckt ist und aus drei distineten Abtheilungen besteht, dessen beide vordersten der Lagena und dem Knorpelrahmen der Vögel entsprechen, während die dritte jeder Vergleichung die Anhaltspuncte entzieht. Zu diesen Theilen treten drei ungleich grosse Nervenfäden , von denen der eine sich zur Lagena, der zweite zum Knorpelrahmen , der dritte zur accessorischen Abtheilung begiebt. Im Anschlusse an diese Beschrei- bung giebt Deiters eine halbschematische Zeichnung des gesammiten Gehörorgans, an der es leicht gelingt, sich über die von ihm beschrie- benen Theile zu orientiren. So weit Driters. Was nun mich betrifft, so kann ich mich der Beschreibung, wenn auch in wesentlichen Puncten, doch nicht in allen anschliessen und die Differenz liegt wesentlich darin, dass ich die Theile, die Derrers als in derselben Ebene liegend, zeichnet (siehe seine Fig. 11), als in verschiedenen Ebenen an verschiedenen Wandungen des Gehörbläschens gelagert, beschreiben muss. Ausserdem muss ich noch einen Theil der Schnecke beifügen, dessen Derters nur mehr bei- läufig Erwähnung thut, und den er als Analogon eines Tegmentum vasculosum aufgefasst sehen will. Die Schnecke besteht also aus vier Abtheilungen, von denen ich die erste als Tegmentum vasculosum, die „weite als den Basilartheil oder Knorpelrahmen, nach Deiters’ Vorgang, die dritte als den Anfangstheil der Schnecke, die vierte als die Lagena bezeichnen möchte. Von diesen Schneckentheilen sind ohne Verletzung) des Gehörbläschens nur die drei, mit Ausnahme des Anfangstheiles, sichtbar, letzterer ist theilweise vom Nerven, theilweise von der Lagena bedeckt. Oeffnet man das Gehäuse vom Foramen ovale aus und be- trachtet das Gehörbläschen in situ, so entdeckt man etwas oberhall | und nach vorne von der frontalen Ampulle zwischen ihr und der Ein | F Das Gehörorgan der Frösche. 373 mündungsstelle des horizontalen Bogengangs einerseits, und dem Steinsack andererseits, ausgezeichnet durch etwas stärkere Pigment- anhäufung im Periost, eine oval geformte, leicht gelbliche, flache Er- habenheit und Verdickung der Wand des Gehörbläschens (Taf. XXVI. Fig. 6b.), das Tegmentum vasculosum. Weiter nach hinten, unten und _ der inneren Schädelwand genähert, begegnet man dann einem durch sehr starke Pigmentanhäufung im Periost ausgezeichneten, runden = mit einer kreisförmigen, lichten Stelle in der Mitte, gleichsam einem Loch. Das ist der Basilartheil, den ich so nenne, weil er der Träger der Membrana basilaris ist; Knorpelrahmen nennt ihn Driters. Es gelingt nicht, weitere Schneckentheile, die der Aussenwand der - Gehörhöhle zugekehrt sind, wahrzunehmen. Die Lagena liegt an der Fläche des Gehörbläschens, die unmittelbar der inneren Schädelwand ‚anliegt, demnach nach innen unten und hinten von dem vorigen Theile, nsdianwärts von der Ampulle des frontalen Bogengangs (Taf. XXVI. Fig. 5e.). Der letzte Schneckentheil, der Anfangstheil, der tiefer in die Höhle des Gehörbläschens eingebettet und von der Lagena theilweise bedeckt ist, wird bei der specielleren Beschreibung unsere Aufmerk- samkeit in Anspruch nehmen. Er liegt mehr von der Schädelwand entfernt, gehört aber der Innenwandung des häutigen Gehörbläschens an und wird daher am besten sichtbar, wenn man die Aussenwand (desselben ablöst. Deirers hat vollkommen Recht, wenn er alle diese Theile nur als knorpelige Verdiekungen der bindegewebigen Wan- dungen des Gehörbläschens auffasst, es sind Ausbuchtungen, die alle mit ihrem Lumen in die gemeinschaftliche Höhle des Gehörbläschens hen, welches allerdings durch weitere Vorsprünge so mannigfache m °h zu beschreibende Modificationen erleidet, dass man doch von einer selbständigen Schnecke reden kann. Dies die Theile, die dem unbe- waflneten, aufmerksamen Auge am Gehörbläschen sichtbar werden ) nen und ihre Lagerung im knöchernen Gehäuse. 7 Wenden wir uns jetzt zu der Betrachtung der gröberen Verhältnisse les an die Theile des Gehörbläschens herantretenden Nerven. Deirers . nd die übrigen die drei Abtheilungen der Schnecke versorgen. "Beschreibung kann ich mich vollkommen anschliessen, auch ich 374 Dr. 0. Hasse, von der inneren Schädelwand her ein und verlaufen dicht neben ein- ander gelagert (Taf. XXVI. Fig. 5.) zu den ihnen bestimmten Theilen (Taf. XXVI. Fig. 7 a. und 8.«.). Ich habe die Namen im Anschluss an die Verhältnisse bei den höheren Thieren gewählt, obgleich nicht zu verkennen ist, dass die dort herrschende strenge Scheidung hier nicht gilt. Während bei den höheren Thieren der Ramus cochlearis nur die Schnecke mit dem dazu gehörenden Sacculus versorgt, geht er hier auch an die eine Ampulle und auch der Ramus vestibularis geht auch hier zu Theilen, die bei den höheren Thieren nicht von ihm versehen werden. Doch kommt hier das dichte Aneinanderliegen der Theile in Betracht. Die Grenzen sind hier nicht so markirt, wie bei jenen. Die Verhältnisse des Gehörbläschens und die wechselseitigen Be- ziehungen der einzelnen Abtheilungen sind ausserordentlich schwer zu ergründen und schwer anschaulich zu machen. Derrers charakterisirt den Raum vollkommen richtig, wenn er sagt, er ist durch Vorsprünge und Leisten in mannichfaltige Abtheilungen getheilt und jede dieser Abtheilungen lasse sich als Analogon der Schnecke auffassen, allein mit den Verdickungen und Vorsprüngen an bestimmten Stellen der Bläschen- wandung den Schneckentheilen ist es nicht gethan. Diese müssen wir zunächst von den übrigen Theilen vollkommen abtrennen und einer gesonderten Betrachtung unterwerfen ; was dann aber von dem Gehör- bläschen übrig bleibt, ist dennoch nicht so ganz einfach, wie es nach der in dieser Beziehung etwas lückenhaften Beschreibung von Deirers ! hervorgeht. Denken wir uns einmal die verdickten Theile, die wir I bisher als Schnecke beschrieben haben, fort, und die Bläschenwandung | an der Stelle derselben mit der an den übrigen Orten übereinstimmend, ! als eine feine, zarte Membran, welche der äusseren Oeffnung dem ! Foramen ovale zugekehrt ist, so können wir uns die übrigen compli- | cirten Verhältnisse des Gehörbläschens entsprechend den Schemata, | welche ich anbei liefere, folgendermaassen einfach vorstellen. Es soll dann meine Aufgabe sein, dieses Schema den Verhältnissen, wie sie | sich in Wirklichkeit darstellen, anzupassen. | In der Fig. 1 sei A das Bläschen. | Fig. 4. Dieses ist durch eine Scheidewand e | ; | in zwei Räume a und b getheilt, von | ai re denen ich jenen als Pars vestibularis s. | fi E i | utriculus, diesen als Pars cochlearis be- \ N zeichnen will. Diese Scheidewand c, die, | | € Kur wenn man von der normalen Lage des | Gehörbläschens ausgeht, annäherungs- weise horizontal gestellt ist, ist nun aber | Das Gehörorgan der Frösche. 375 nicht vollständig. Die beiden Räume sind nicht vollkommen von ein- ander getrennt, wie wir es auf einer Flächenansicht sehen (Fig. 2 Q.). In der Mitte des Bläschens erreicht die Scheidewand nicht die Aussenwand und Fig. 2. hier communiciren also die beiden Räume mit einander. Nun wird aber der Utri- eulus durch eine neue Scheidewand, die Kun) - senkrechtzur vorigen gestellt ist (Fig. 3d.), in einen vorderen und hinteren Raum _getheilt, jedoch so, dass sie die entgegen- gesetzte Wand des Bläschens nicht er- reicht, sondern in der Mitte desselben “m "il aufhört. Auf dem Querschnitt stellt sich fl! I IN) dann das Verhältniss der Pars vestibu- | li Jaris s. utrieulus a mit seinen beiden Ri Cavitäten e und / und der Pars cochlearis ö so, wie ich es in Fig. 4 angegeben habe. "Natürlich ist der Schnitt ungefähr der „Mitte des Bläschens entnommen. Sehen wir nun, was in den soeben dargestellten _ verschiedenen Abtheilungen des Gehör- ‚bläschens sich findet, so zeigt es sich, dass in der Pars cochlearis der Steinsack die Schnecke, in der Pars PEERTE NER die er des I HEHE |) Il { INN alu I \ und zwar so, dass die ng in der gegen das Parka ovale hin gekehrten Abthäilung Fig. 4e. münden, während die Ampullen aus dem Raum / hervorgehen, in dem dann auch die Macula liegt. Das _Verbindungsglied zwischen den beiden Hauptabtheilungen des Ge- _ hörbläschens bildet denn das von mir vorher als Schneckentheil beschriebene Tegmentum vasculosum. Dieses findet sich als Ver- bindung in der dem Foramen ovale zugekehrten Wandung über ( sn unvollständigen Theilen der Scheidewände. Ich habe es in Fig. 2 mit g bezeichnet. Nachdem ich so die verschiedenen Abtheilungen, mentlich der Pars vestibularis be- 'hrieben, müssen wir noch einen Blick auf die Verhältnisse der Pars cochlearis werfen und damit die schematische Dar- stellung der complicirten Verhältnisse schliessen. Wir müssen uns dieselbe auch ' durch eine von der der Schädelhöhle zu- Fig. 5. 376 Dr. 6. Hasse, gekehrten Wand sich erhebende frontale Hervorragung, die in Fig. 4 und 5 mit %k bezeichnet ist, und die ebenfalls eine unvollständige Scheidewand repräsentirt, in zwei Räume getheilt denken, von denen der eine h den Steinsack, ? den Anfangstheil der Schnecke repräsentirt. Die beiden noch hinzuzufügenden Schneckentheile, die Pars basilaris oder der Knorpelrahmen und die Lagena können wir uns dann in dem Theil der Wandung des Gehörbläschens und jener der Pars cochlearis gelagert denken, der gegen das Foramen ovale gekehrt zwischen Tegmentum vasculosum und dem unteren Theil der der inneren Schädelhöhle zugekehrten Wandung über den Anfangstheil der Schnecke sich erstreckt. Dies die schematische Darstellung der compli- cirten Verhältnisse des auf den ersten Blick so einfachen Gehörbläschens, von der ich hoffe, dass sie das Verständniss der jetzt. folgenden Be- schreibung des wirklichen Baues erleichtern wird. Ich beginne zunächst mit der Darstellung des Baues der Pars vestibularis oder des Utrieulus , ein Hohlraum, in den die Bogengänge und die Ampullen münden. Die beiden zusammenstehenden Ampullen gehen gemeinschaftlich aus einer eylindrischen Abtheilung des Utriculus _ hervor (Taf. XXVI. Figg. 9 f. u. 10 f.), dessen gegen die Schädelhöhle gekehrte Wand als ein Theil der Wandung des Gehörbläschens über- haupt und der Pars vestibularis speciell sich darstellt, dessen äussere Wand (Taf. XXVI. Fig. 9 g.) einen halbmondförmigen Ausschnitt (Taf. XXV1. Fig. 9 h.) zeigt, der eine Lücke begrenzen hilft, durch die wir in die genannte Abtheilung kommen, in der die horizontale und sagittale Ampulle mündet. Jenseits dieses Ausschnittes geht dieselbe dann in die äussere Wandung der Einmündungsstelle der Bogengänge über. Die drei Bogengänge münden, wie erwähnt so, dass die beiden verti- calen sich zuerst zu einem cylindrischen Canal (Taf. XXVI. Fige. 9 c. und 10 a.) vereinigen. Dieser erweitert sich etwas und nimmt dann den von hinten und aussen her kommenden horizontalen Bogengang auf (Taf. XXVI. Figg. 9 d. und 10 e.). Die äussere Wand dieses gemein- schaftlichen Hohlraumes, der dem Utriculus angehört, vereinigt sich, wie erwähnt, mit der äusseren Wand des Theiles des Pars vestibularis, in den die beiden zusammenstehenden Ampullen münden, so dass man aus den einzelnen Bogengängen in die horizontale und sagittale Ampulle und auf der anderen Seite durch den Ausschnitt der äusseren Wandung nach aussen hin gelangen kann. Die der Schädelhöhle zugekehrte Wandung setzt sich in die entsprechende des Utrieulus fort. Das Ver- hältniss wird nun aber dadurch complicirt, dass ein eylindrisches, sich verbreitendes Rohr, welches ebenfalls in den Utriculus übergeht und | als Theil desselben aufzufassen ist, sich an die Innenfläche der Ein- | Das Gehörorgan der Frösche. 377 mündung des horizontalen Bogengangs etwas nach unten hin anlegt und zwar so, dass dessen äussere Wand mit der inneren Wand des- selben Ehnäst, Wir haben es also mit einem Doppelrohr mit einer gemeinsamen, Wandung zu thun (Tal. XXVl. Figg. 9 de und I0ce) oder mit einem Rohr, dessen Lumen durch eine Scheidewand in eine äussere und innere Abtheilung zerfallen ist. In die innere Abtheilung mündet die alleinstehende Ampulle , in die äussere also der horizontale Bogen- gang: Die gemeinschaftliche Wand, die gegen die Vereinigung der bei- ‚den verticalen Bogengänge hin mit der inneren Wandung derselben also des Utriculus verschmilzt, zeigt ein im Lumen der Pars vestibularis freies leicht ausgeschnittenes Ende (Taf. XXVI. Fig. 10 d.), unterhalb dessen man also in die Ampulle,' oberhalb dessen man in die Bogen- gänge kommen kann. Hier haben wir die unvollständige sagittale Scheidewand des Utriculus. Geht man also von der Stelle aus, wo die beiden zusammenstehenden Ampullen münden, und hält sich mehr an ‚die innere Wand, so kommt man in die frontale Ampulle, hält man sich jegen an die äussere Wand, so geräth man in die Bogengänge. Der 'iculus ist demnach ein gegen die zusammenstehenden Ampullen hin ıgetheilter, eylindrischer Hohlraum , der eine Lücke zeigt, durch die man in das Innere gelangen kann (Taf. XXVl. Fig. 9 A.) und welcher >h hinten mitlelst eines Septum in zwei Räume geschieden ist. An der inneren Wandung des Utrieulus, dem ausgeschnittenen Rande des ılen Septum gegenüber erhebt sich eine zuweilen ziemlich stark pringende Firste, die ich in Taf. XXVl. Fig. 10 dargestellt, allein sie kann auch nur in Andeutungen vorhanden, sehr niedrig sein. Auf m Querschnitt (Taf. XXVl. Fig. 12 4.) tritt sie am deutlichsten zu age und zeigt gleichsam die innere Grenze der Abtheilung der Pars estibularis an, in der die zusammenstehenden Ampullen münden. lieser soeben gegebenen Beschreibung der natürlichen Verhältnisse vird man, wenigstens soweit es die sagitlale Scheidewand betriflt, be ich nicht unschwer das Schema wiedererkennen, welehes ich n gegeben. Nun kommen aber die wesentlichsten Abweichungen. ich dem vorhin Gesagten könnte es scheinen, als sei die äussere Wand ; Utriculus auch überall die äussere Wand des gesiummten Gehör- äschens. Dies ist aber streng genommen nicht der Fall. In der Um- ng des Einschnitts in der äusseren Wand, der die Lücke, welche | Apertura utrieuli nennen will, begrenzen hilft (Taf. XXVI. Fig. 9 h. ‚XXVH. Fig. 27 e.) befestigt sich eine zarte Membran (Taf. XXVl. 27 b.), die sich alsbald verdickt und in den Schneckentheil über- ht, ‚den ich als Tegmentum vasculosum bezeichnet habe. Bei der schreibung der Pars cochlearis werde ich ausführlich auf diesen 373 Dr. ©. Hasse, Theil zu sprechen kommen. Jenseits der Befestigungsstelle dieser zum Tegment gehörenden Membran begegnen wir also erst der Wandung des Utrieulus als äussere Wand des gesammten Gehörbläschens. Ab- gesehen von dieser Verbindung der Pars cochlearis mit dem Utriculus lehnen sich dieselben so aneinander an, dass die untere Wand der Pars vestibularis zugleich als Wandung für einen Theil der Pars coch- learis und zwar des Anfangstheils der Schnecke und des Steinsacks dient (Taf. XXVI. Figg. 29 d. f., 25 9. und 26 e.). Die gemeinschaft- liche Wandung ist die horizontale Scheidewand meines Schema’s, und . da wir es beim Utriculus überall mit einem geschlossenen Raum zu thun haben, der nur an einer Stelle eine Oeffnung zeigt, über die sich die Pars cochlearis in ihrer einen Abtheilung wie ein Dach hinüberwölbt, so wird sie auch nur an dieser selbständig auftreten können, wie ich es in meinem Schema mittelst der Ausbuchtung anzudeuten gesucht habe. In der That ist dies der Fall. Bevor ich mich zur Histologie des Utrieulus wende, möchte ich noch einen Blick auf den zu ihm führenden Nerven werfen, den wir schon unter dem Namen des Nervus vestibularis kennen gelernt haben. Deriters hat eine exacte Beschreibung der Aeste desselben gegeben. Der Nervenast verläuft in dem der Schädelhöhle zugekehrten Theil der gemeinschaftlichen Wand der Pars cochlearis und des Utri- culus in einer leichten Furche, umhüllt von pigmentreichem Periost ‚Taf. XXVI Fig. 7 a.) und geht dann nach Abgabe eines unteren Astes für den Steinsack (Taf. XXVI. Fig. 7b. Fig. 9m.) in der inneren Wan- dung des Theils des Utrieulus, in den die zusammenstehenden Am- pullen münden, weiter. Bevor er sich jedoch hier in seine Endäste für die erwähnten beiden Ampullen theilt, deren Verhalten und Verlauf ich schon in meiner Abhandlung: »Die Histologie des Bogenapparates und des Steinsacks der Frösche«!) beschrieben habe, giebt er einen kurzen, ziemlich dicken Nervenzweig nach oben an eine leichte, ampullenartige Erweiterung des Utriculus dicht hinter der Ampullen- mündung (Taf. XXVI. Figg. 7 ce: und 9 k.). Diese Erweiterung mit sammt dem Nerven ist schon von Deiters gesehen; zu gleicher Zeit er— wähnt er aber einer ähnlichen an der Insertionsstelle der Enden des vorderen und hinteren halbeirkelförmigen Ganals, welche zu entdecken mir niemals geglückt ist, obgleich ich auch keine Quelle der Täuschung für Deiters angeben kann. Er beschränkt sich freilich nur auf die blosse Erwähnung, ohne namentlich auf das histologische Detail näher einzugehen. Der Recessus wird auch, wie die einzelnen Theile der Schnecke, von verdichtetem Bindegewebe umgeben und bildet eine 7)71.0 Das Gehörorgan der Frösche. 379 elliptische Schale, die unten etwas eingeschnürt, oben aber weiter ist. Diese kleine Erweiterung, die ich an Deırers anschliessend Recessus utrieuli nennen will, ist von dem grössten Interesse und muss von allen Theilen der Pars vestibularis unsere Aufmerksamkeit am meisten auf sich ziehen. Die Wandung des Utrieulus besteht aus demselben Gewebe, dem _ wir schon so oft bei den verschiedensten Thieren im Gehörorgane be- gegnet' sind. Es gehört seiner Entwickelung nach in die Classe der -_ Bindesubstanzen und zeigt sich als homogenes Gewebe, in dem bei den - Fröschen nur noch spärlicher, wie bei den höheren Thieren,, spindel- _förmige Zellelemente von den mannigfaltigsten Formen und Grössen eingesprengt sind (Taf. XXVI. Figg. 12 c. und 13 a.). An dem Theil der Wandung, welche der Schädelhöhle zugekehrt ist, ist das Gewebe _ etwas dicker, wie an den entgegengesetzten, äusseren Parthien und setzt sich gegen das Lumen des Utrieulus mit einem schmalen Basal- | saume ab, der dieselbe Dicke wie in den Ampullen hat. Bekleidet wird die Wand von einem einfachen, niedrigen Pflasterepithel , welches un- regelmässig polygonal (Taf. XXVl. Fig. 15 a.) mit ziemlich grossen, rundlichen oder länglich runden, auch wohl spindelförmigen Kernen und kleinen Kernkörperchen in seinem Aussehen sich eng an das an- - schliesst, welches ich aus den Bogengängen und Ampullen beschrieben habe. Auch die Grösse ist gleich. Mit Ausnahme des Recessus habe ich nirgends Abweichungen in der Form des Epithels gesehen. Es zieht sich sowohl in die Wandungen der Bogengänge wie in die frontale _Ampulle und bekleidet auch die Wandungen der Apertura utriculi. Hier habe ich jedoch einer Eigenthümlichkeit Erwähnung zu thun. Während die Aussenfläche der Wandung der Pars vestibularis niemals eine Epithelbekleidung zeigt, sondern wie bei den Ampullen und Be gengängen mit dem Periost durch dichter oder minder dicht gedrängt stehende Bindegewebszellen verbunden ist, bekleiden die Pflaster- _epithelzellen auch den Theil der äusseren Wandfläche, der innerhalb ler Anheftungsstellen der zarten Membran des Tegmentum vasculosum der Umgebung der Apertura utrieuli liegt (Taf. XXVM. Fig. 27 c.). Bietet so der Utrieulus überall dasselbe histologische Aussehen, so ird das Bild in dem Theil, der als Recessus beschrieben worden ist, dert. Wir sahen an dieser elliptischen Einsenkung, wie überall an den Theilen, zu denen Nerven treten, die Periostbekleidung einen Tr scrordentlichen Reichthum an Pigmentzellen besitzen. Eine dunkle, lliche Zellanhäufung, die im lebenden Zustande eine leicht gelbliche ing darbietet, eine Macula acustica, zeigt sich im Recessus, von demselben’ Aussehen, wie ich es von dem Steinsack beschrieben | 3830 Dr. ©, Hasse, ” (Taf. XXVI. Fig. 11b.). Der an diese Macula herantretende kurze, dicke -Nervenast (Taf. XXVIl. Fig. 14a.) strahlt so wie dort in Bündel getheilt gegen dieselbe aus, und tritt in die Wandung ein, wo wir ihn alsbald weiter verfolgen werden. Die Wandung des Utrieulus verdiekt sich allmählich in der Nähe des Recessus , die Gefässe, die sonst ausserhalb‘ }iegen, verlaufen jetzt in der Mitte des Gewebes (Taf. XXVI. Fig. 12 d.), während der Basalsaum seine Dicke unverändert behält. Mit der Ver- änderung.in der Dicke der Wandung geht noch eine Veränderung im Epithel Hand in Hand. Das Pflasterepithel welches an den übrigen Orten den Utrieulus auskleidet (Taf. XX VI. Fig. 12:.), nimmt allmählich an Höhe zu und wird eylindrisch (Taf. XXVI. Fig. 14 b.). Auch der Kern verliert seine Lage. Lag er früher im Grunde der Zelle, so rückt er jetzt allmählich empor und an der Grenze der dunklen Zellen- anhäufung der Macula acustica, liegt er in der Mitte derselben. Das. Epithel des Gehörflecks selber lässt schon auf Flächenansichten zwei Zeilformen erkennen, denen wir auch im Steinsacke begegnet sind. Grössere, dunkle, in der Mitte oft mit einem glänzenden Pünctehen versehen, umgeben von kleineren, rundlichen, deren Zahl sich nicht mit Sicherheit feststellen lässt. Ein Querschnitt giebt uns vollkommenen Aufschluss, dass wir es auch hier wieder mit denselben Formen des‘ Epithels zu thun haben, die wir bei den verschiedensten Thieren an den verschiedensten Orten, wo die Fasern des Acusticus sich aus- breiten, getroffen haben. Wir haben es auch hier wieder mit von Zahn- zellen umgebenen Stäbchenzellen, von derselben Form und Grösse, wie die, welche ich aus den Ampullen und dem Steinsack beschrieben, zu thun. Die Stäbchenzellen (Taf. XXVl. Fig. 13 f.) zeigen auch hier wieder die schon so oft besprochenen einzelnen Theile, den im Grunde in einer bauchigen Anschwellung liegenden Kern, die obere, ver- schmälerte Zellparthie (Taf. XXVI. Fig. 13 g.), die mit einem freien Basalsaume (Taf. XXVI. Fig. 13 h.) endet, aus dem ein langes, spitz auslaufendes Haar (Taf. XXVI. Fig. 129.) hervorgeht. Es sind äusserst leicht vergängliche und veränderliche Gebilde ohne ausgeprägte Zell- membran, ebenso die sie isolirenden Zahnzellen (Taf. XXVL. Fig. 13b.), deren Kern im Grunde der Zelle am Basalsaume liegt (Taf. XXVl. Fig. 13 k.), und deren Protoplasmakörper an der Stelle der bauchigen Auftreibung der Stäbchenzelle eine Einschnürung zeigend, sich bis an das Niveau. des Basalsaumes derselben emporstreckt. In dieses Epithel hinein begeben sich die Nervenfäserchen und hier ist es mir wieder seglückt, den Zusammenhang mit den Stäbchenzellen nachzuweisen (Taf. XXVI. Fig. 13 d.). Nachdem der zur Macula gehende Nervenast | ‚Taf. XXVI. Fig. 12 a.) in die knorpelige Wandung eingetreten in ein- Das Gehörorgan der Frösche. | 381 zelne Bündelchen zerfallen ist, lösen diese sich in ihre einzelnen ° Fasern auf, die mehr oder minder schräg die Knorpelsubstanz durch- setzend, auch leicht gewunden (Taf. XXVI. Fig. 13 c.), ohne Theilung und ohne Verbindungen einzugehen, bis nahe unter den Basalsaum verlaufen. Zeigten sie bis dahin ein doppeltcontourirtes Aussehen, welches an Alkoholpräparaten weniger deutlich zu Tage tritt, so ver- lieren sie jetzt ihren doppelten Contour und bekommen das Aussehen blasser Nervenfäserchen,, ohne dass ich damit glaube, dass diese einer zarten Scheide gänzlich entbehren, da ich auch hier wieder das allmäh- liche Verschwinden der doppelten Contouren und das Verschmelzen des äussersten Randcontour mit dem Contour der blassen Nervenfaser sehen konnte. Dicht unter dem Basalsaume biegen die Fasern, indem sie während ihres schrägen Verlaufs etwas über den Bereich des Nervenepithels hinübergetreten sind, bogenförmig gegen dasselbe um (Taf. XXVI. Fig. 125.), ohne damit Endschlingen zu bilden und durch- setzen dann einzeln den Basalsaum, um ins Nervenepithel zu treten. Hier nehmen sie zwischen den Zahnzellen oftmals einen längeren Ver- lauf, um dann erst aufzusteigen und bilden auch hier wieder gleichsam einen intraepithelialen Plexus, theilen sich aber nicht und gehen auch keine Anastomose ein, sondern begeben sich jede für sich an das untere Ende einer Stäbchenzelle. Es glückt natürlich nur äusserst selten, den Zusammenhang zu constatiren, das Hineintreten der Nervenfasern ins Epithel lässt sich dagegen leicht nachweisen , verhältnissmässig leicht auch der fadenartige Fortsatz der Stäbchenzelle, der sich in seinem Aussehen in Nichts von dem der blassen Nervenfaser unterscheidet. Auf dem Nervenepithel ruht nun noch ein Gebilde, eine glashelle Membran, über deren wahre Natur ich jedoch nicht zu einem vollstän- digen Abschlusse gelangt bin. Es ist mir nicht gelungen, eine Ent- ‚scheidung darüber zu treffen, ob wir es mit einer einer Membrana tectoria imlichen Bildung oder mit einer Otolithenmasse zu thun haben, die bei der Behandlung mit bestimmten Reagentien sich verdichtet und die Ötolithen fahren lässt, wie ich das von der Otolithenmembran des ‚Steinsacks vermuthet. Es ist ausserordentlich schwierig, darüber zur Klarheit zu kommen. Bei der Herausnahme des Gehörorgans ist eine Zerrung der Theile, sei sie auch noch so gering, nicht zu vermeiden, und sie genügt schon, um in dem Steinsack den lockeren Zusammen- hang der Otolithen mit ihrer Matrix aufzuheben und zu bewirken, dass sie sich nach allen Orten im Gehörbläschen vertheilen und durch die | Apertura utrieuli selbst in die Ampullen und Bogengänge dringen. Da ist es ‚denn selbst bei der günstigsten Präparation nicht leicht zu sagen, ob wir, wenn wir der glashellen Membran der Macula acustica des © 382 Dr. €. Hasse, Utriculus Otolithen aufgelagert finden, es mit Bildungen aus dem Stein- sack oder mit eigenen Krystallisationen in der Membran zu thun haben. Künftigen, glücklicheren Forschern mag die Entscheidung vorbehalten sein. Namentlich in Osmiumsäure stellte sich die aufgelagerte, helle Masse stets homogen mit Eindrücken von der verschiedensten Form, in die die Haare der Stäbchenzellen hineinragten. versehen, dar. Je nach dem Grade der Einwirkung traten sie bald stärker, bald schwächer zu Tage. Dies der Bau der Pars vestibularis und ich wende mich jetzt zu der Betrachtung der Pars cochlearis, der zweiten Abtheilung des Gehörbläschens in meinem Schema. An dieser, welche man, ob- gleich es auf dem ersten Blick nicht so scheint, bei eingehender Untersuchung als selbständiges Bläschen ansehen muss, können wir zum leichteren Verständniss der schwierigen Verhältnisse, wie ich es schon früher andeutete, eine äussere dem Foramen ovale, und eine innere der Schädelhöhle zugekehrte Wandung unterscheiden, die schon in ihrem äusseren Aussehen Differenzen darbieten, ohne dass damit eine strenge Scheidung an bestimmten Puncten durchzuführen wäre. Es findet ein ganz allmählicher Uebergang statt. Der äusseren Wand gehören, wie früher erwähnt, das Tegmentum vasculosum, die von Leypıs !) zuerst entdeckte Pars basilaris oder der Knorpelrahmen und die Lagena der Schnecke an, die alle als Verdickungen derselben an bestimmten Stellen zu betrachten sind, während der übrige Theil der Wandung als äussere Decke des Steinsacks zu betrachten ist. Die innere Wand wird dann von einem eigenthümlichen Schneckentheil, dem Anfangstheil und dann von der Macula acustica des Steinsacks eingenommen. Die zuerst genannten Theile lassen sich wegen der ausserordentlichen Zartheit des Theils der Wandung, welcher zum Tegmentum vasculosum gehörend, sich in der Umgebung der Apertura utriculi befestigt und desjenigen Theils, der die äussere Decke des Steinsacks bildet und die Verbindung mit dem Anfangs- und den übrigen Schneckentheilen vermittelt, leicht isoliren und zur Seite schlagen, wie das in,Fig. 8 (Taf. XXVl.) geschehen ist, wo die mit b, ce und g be- zeichneten Theile die isolirbaren Abtheilungen sind. Somit bleiben dann der Wand des Utriculus anhaftend und unter einander zusammen- hängend, die Macula acustica des Steinsacks und der Anfangstheil zurück. | _ Der Bau des Steinsacks ist schon in meiner letzten Arbeit?) Gegen- stand ausführlicher Beschreibung gewesen, und ich habe derselben 4) Lehrbuch der Histologie. 2) l.c, - | | Das Gehörorgan der Frösche. 383 nur Weniges hinzuzusetzen, soweit es eben die Verbindungen mit den benachbarten Theilen betrifft. Der verdickte Theil der Wand in der Umgebung der Macula acustica, in der die Nervenausbreitung statt- findet, und auf deren Aussenfläche sich wieder eine starke Pigment- zellenanhäufung im Perioste findet, ' ist dort mit der inneren Wandung des Utriculus verwachsen, wo wir die Apertura auftreten sehen (Taf. XXVI. Fig. 9 m.) und lehnt sich somit auf der einen Seite an die Wand derjenigen Abtheilung der Pars vestibularis, in der die zu- sammenstehenden Ampullen münden, während sie nach der Seite der freistehenden Ampulle, also nach hinten, in die Wandung des Anfangs- theiles der Schnecke übergeht. Der freie Rand der verdickten Parthien des Steinsacks, wie er durch Isolation in Fig. 9 Taf. XXVI. dargestellt ist, geht in eine ausserordentlich zarte Membran über, die als äussere Umhüllung der Otolithenmasse auftritt und mit dem Tegmentum vas- culosum sowohl, wie mit den übrigen Schneckentheilen in Verbin- dung steht. Die Knorpelnatur der der Schädelhöhle zugekehrten Wand des Steinsacks verliert sich allmählich, um in die zarte Umhüllungs- membran überzugehen, die dem Foramen ovale zugekehrt, den Schall- schwingungen den geringst möglichen Widerstand leistet. Die histo- logische Structur ist schon früher besprochen. Die Abgrenzung zwischen der Umgebung der Macula acustica des Steinsacks einerseits, dem Schneckentheil und dem Utriculus andererseits, wird an den der Schädelhöhle zugekehrten Wänden durch Einschnürungen oder Furchen gebildet. Die gegen den Anfangstheil ist am tiefsten, so dass hier der- selben entsprechend eine Scheidewand zu Stande kommt, wie ich sie schematisch in der Fig. 5 (Taf. XXVI.) gezeichnet. Dieselbe erreicht nicht die gegenüber one Wand, und somit ist es möglich, aus der Vertiefung, in der die Macula liegt, in den Anfangstheil zu gerathen. Ich wende mich jetzt zu der Beschreibung der einzelnen Theile der Schnecke und zuerst zum Anfangstheil, welcher der unteren Wand des Utriculus fest anhaftend, nicht wie die anderen Abschnitte, leicht isolirbar ist. Deiters!) hat denselben zuerst entdeckt, allein was die Lagerung desselben betrifft, so kann ich mich mit seiner Zeichnung "durchaus nicht einverstanden erklären, und ich glaube überhaupt nach den kurzen Andeutungen, die er darüber gegeben, kaum, dass er den- selben in Verbindung mit den übrigen so gesehen hat, wie er es ab- bildet, und dass seine Figur in dieser Beziehung dur as schematisch ist. Der Theil kommt nur dann zu Gesicht, wenn man die übrigen Schneckenbestandtheile mit der vorderen Wand des Gehörbläschens u hat. Die gröberen Verhältnisse beschreibt er kurz folgender- 384 Dr, 6. Hasse, maassen.: »Es ıst eine länglich ovale Schale. Ein mittlerer Wulst trennt dieselbe in zwei ungleich grosse Hälften, deren grössere dem Stein- sack zunächst liegt. Ueber diesen Wulst tritt der verhältnissmässig grosse Nervenzweig, der sich dann theilt und zu jeder der beiden Hälften herabtriit«. Diese kurze Beschreibung ist vollkommen zu- ireffend, wenn auch nicht genügend. Es ist allerdings eine ovale Schale, . deren Längsdurchmesser von vorne nach hinten verläuft (Taf. XXVI. Fig. 90. u. 17). Ueber die Oeffnung derselben zieht sich eine Brücke von unten nach oben (Taf. XXVI. Figg. 9 n. und 17 a.) in der der zu diesem Schneckentheile gehende Nervenast eingeschlossen ist (Taf. XXVI. Fig. 26 a.). Da diese Brücke nicht genau im kleinsten Durchmesser der ovalen Eingangsöffnung der Schale verläuft, so wird dieselbe in eine hintere, kleinere und in eine vordere, grössere Abthei- lung geschieden (Taf. XXVI. Fig. 17 d. k.). Dieser Anfangstheil der Schnecke erstreckt sich von der Einmündungsstelle der frontalen Am- pulle bis ungefähr zur Mitte der Apertura utriculi und ist, wie gesagt, mit seiner oberen Wand vollkommen mit der unteren des Utrieulus verschmolzen, so dass man auf successiven Querschnitten (Taf. XXVMH. Figg. 25, 26 und 28) constant an der oberen Fläche. der Scheide- wand di Epithel des Vestibulartheils zu Gesicht. bekommt (Taf. XXV1. Figg.259,26c,28f.). Wir werden auf diese Beziehungen alsbald aus- führlicher zu sprechen kommen. Die Tiefe der Schale ist nicht überall gleichmässig, sie nimmt successive von vorne nach hinten gegen die frontale Ampulle hin ab, wie es sich leicht an Querschnitten (Taf. XXVIl. Figg. 25, 26 und 28) und an Flächenansichten (Taf. XXVI. Fig. 17 k.) constatiren lässt. Steigen in der grösseren Abtheilung die Wände üherall steil aus dem Boden in die Höhe, so verflacht sich namentlich die hin- terste Wandung in der kleineren Hälfte ausserordentlich und liegt mit dem Boden fast in einer Ebene. Die Dicke der Wandungen ist auch ' durchaus nicht überall die gleiche, weder in der kleineren, noch in der grösseren Abtheilung. Der Boden zeigt sich dünn und sehr durch- ! scheinend (Taf. XXV1. Fig. 17 d. und Taf. XXVII. Fig. 25), nimmt da- ! gegen unter der Brücke’ etwas an Dicke zu, um sich darauf in der kleineren Abtheilung zu verdünnen. Die Wandung, die dem Anfangs- theil mit dem Utriculus gemeinschaftlich ist, zeigt sich dicker wie der Boden, jedoch nimmt auch diese gegen die Brücke hin an Dicke zu, | um dann unmittelbar hinter derselben in der kleinen Abtheilung ! den grössten Durchmesser zu erreichen, und sich ziemlich plötzlich) | gegen die hintere Wandung hin zu ver imneti: Die der Utrieularwand | gegenüberstehende Wandung nimmt vom Boden ab allmählich an Dicke | zu (Taf, XXVI. Fig. 15 a.), jedoch findet sich unter der Brücke der! Das Gehörorgan der Frösche. 385 grösste Durchmesser mehr in der Nähe des Bodens (Taf. XXVII. Fig. 26), verdünnt sich dagegen ausserordentlich rasch in der kleineren Abthei- lung (Taf. XXVI. Fig. 17%. u. Taf. XXVI. Fig. 28e.). Der Durchmesser der Wandung steht in einer gewissen Beziehung zur Ausbreitung des Nerven. Ueberall dort, und das gilt für alle Theile des Gehörorgans der Batrachier, wo Nerven sich ausbreiten, gewinnt dieselbe ihre grösste Dicke, daher sich auch das Gehörbläschen in den Theilen, die der Ein- trittsstelle der Nerven durch die innere Schädelwand zugekehrt sind, am resistentesten erweist. Was die Höhe der Wandungen betrifft, so nimmt diese successive von der grösseren Abtheilung gegen die kleinere hin ab. Die Brücke geht mit einer leichten Verbreiterung in die Utricularwandung des Anfangstheiles über. Durch die obere Wand mehr an den Boden sich haltend, ziehen einzelne Gefässe (Taf. XXVNM. Fig. 20 h.). Die Masse der dem Boden des knöchernen Gehäuses an- liegenden Wand der Schale geht in der grösseren Abtheilung ziemlich plötzlich, in der kleineren, entsprechend dem schon vorhandenen ge- ringeren Durchmesser, mehr allmählich in eine äusserst zarte Membran über, die den Anfangstheil der Schnecke, theils mit der benachbarten Abtheilung derselben, theils mit der zarten Membran des Steinsacks verbindet und somit als Theil der dem Foramen ovale zugekehrten dünnen Wandung anzusehen ist. Was die Structur der Wandungen der Schale betrifft, so ist sie ganz dieselbe wie an den bisher beschriebenen Theilen des Gehör- bläschens. Wir haben auch hier wieder die homogene Masse mit ein- gestreuten, spindelförmigen Zellen und eingelagerten Gefässen oder wahrscheinlich nur in die Substanz eingegrabenen Blutcanälen, die Sich gegen das freie Lumen der Schale mit einem Basalsaume (Taf. XXVIl. Fig. 24 b.) von der früher angegebenen Dicke absetzt. Diesem Saume ‚sitzt nun ein Epithel auf, welches unsere grösste Aufmerksamkeit vom vergleichend anatomischen Standpuncte aus in Anspruch zu nehmen ge- eignet ist, und welches in drei verschiedenen Formen als Pflasterepithel, als eylindrische Zahnzellen und als Stäbchenzellen auftritt. Von der zweiten Form möchte ich dann noch die Zahnzellen der Papilla acustica abtrennen. Als Papilla acustica bezeichne ich diejenige Stelle der Wandung der Schale, in der der Nervenast sich ausbreitet, und die ‚ von dem alsbald zu erwähnenden Nervenepithel bekleidet ist. Zu, diesen Zellformen, denselben aufliegend, kommt dann noch die Mem- ‚ brana tectoria. | ‚Das Pflasterepithel ist vollständig dasselbe wie im Utriculus. ‚ Niedrige, leicht granulirte Zellen, mit dem Kern im Grunde, un- | regelmässig polygonal, bekleiden den Boden, die untere Wand der | Zeitschr. f, wissensch. Zoologie. XVII. Bd 25 386 Dr. ©. Hasse, Schale (Taf. XXVI. Fig. 255.) und ziehen sich an der grösseren Abthei- lung auch ein kleines Stück an der oberen Wand empor, um dann wegen der Papille eine Unterbrechung zu erleiden. Sie setzen sich darauf meistens wieder im äusseren Theil derselben fort (Taf. XXVIL Fig. 25/.). Dort, wo sich die Brücke über den Anfangstheil hinüberschlägt, ist die obere Wand ohne Pflasterepithelüberzug, dagegen bekleidet es, die unteren Parthien der Innenseite der Brücke (Taf. XXVI. Fig. 26 g.), während die oberen von andersartigen Zellen bedeckt werden. Auch in der kleineren Abtheilung bleibt der grösste Theil der oberen Wan- dung frei, jedoch ziehen diese Zellen eine kleine Strecke vom Boden empor und treten wieder in den äussersten Parthieen auf (Taf. XXVL. Fig. 28 d.). Die Fortsetzung der knorpeligen Wandung der Schale, die äusserst zarte Membran, die die Verbindung mit den benachbarten Theilen vermittelt und zur äusseren Decke des Gehörbläschens gehört, ist ebenfalls von den Pflasterzellen bekleidet (Taf. XXVI. Fig. 17 b.), jedoch nehmen sie hier etwas an Durchmesser zu, und bekommen ein etwas regelmässiger polygonales Ansehen. Die Membran geht dadurch aus dem Knorpel hervor, dass die homogene Intercellularsubstanz ab- nimmt, die Zellen spärlicher und spärlicher werden und schliesslich nur in weiten Zwischenräumen zu finden sind. Da der Anfangstheil der Schnecke bis zur Mitte der Apertura utriculi ragt und die untere Wand dieser Lücke, wie ja überhaupt die untere Wandung der Pars vestibularis beiden Theilen gemeinsam ist, so wird man an dieser Stelle aus der Höhlung der Schale in den Utriculus gelangen können. Dieser Theil der Wandung muss also gleichsam als unvollständige Scheide- wand zwischen den beiden sonst von einander abgeschlossenen Hohl- räumen emporragen. In der That ist dies der Fall und es bekundet sich schon in den Epithelverhältnissen. Wir sehen an dieser Stelle das Epithel des Utrieulus über die obere Wand in die grössere Abtheilung der Schale hineinziehen (Taf. XXVIl. Fig. 25 f.), während das mit dem jenseits der Apertur gelegenen Reste des grösseren Abschnittes und der kleineren Hälfte, wo beide Räume von einander abgeschlossen sind, nicht der Fall ist (Taf. XXVI. Fig. 28). Zwischen der Pflasterepithel- bekleidung der oberen Schalenwandung und der des Utriculus (Taf. XXVI. Fig. 28 f.) findet also hier kein Uebergang statt. A priori sollte man annehmen, dass dasselbe mit der Brücke der Fall sein würde, da auch sie sich jenseits der Apertura findet, und dennoch sehen wir auf der äusseren Fläche derselben (Taf. XXVII. Fig. 26 b.) das charakteristische Pflasterepitbel auftreten. Diese Erscheinung ist indessen leicht aufzuklären. Wir wissen, dass im weiteren Umkreise der Apertura utriculi an der äusseren Wand eine zarte Membran sich Das Gehörorgan der Frösche. 387 anheftet, die dem Tegmentum vasculosum angehört (Taf. XXVI. Fig. 276.) und sahen, dass die Theile der Aussenwand, die innerhalb der An- heftungsstelle dieser Membran liegen, mit Pflasterepithelzellen bekleidet waren (Taf. XXVIl. Fig. 24 e.). Da nun die Anheftung sich auch jen- seits der Brücke gegen die frontale Ampulle hin findet, so ist es er- klärlich, dass dieselbe mit in den Bereich der von Epithel bekleideten Wand gezogen wird. Ein Uebergang dieses Epithels (Taf. XXVil. Fig. 25 b.) in das des Utriculus kann aber auf Querschnitten nicht sicht- bar werden, weil die beiden Räume der Schale und der Pars vestibu- laris an dieser Stelle vollkommen abgeschlossen sind. So weit die Pflasterepithelauskleidung, und ich wende mich jetzt zu der Betrachtung der anderen Formen. Deıters, der die Pflasterzellen einfach mit dem Namen des indifferenten Epithels belegt, erwähnt der anderen auch nur ganz kurz und sagt anlässlich der Nervenfasern, dass dieselben an cylindrische der Wand innen ansitzende Zellen stossen, an welchen er bis dahin keine haarförmigen Fortsätze wahrnehmen konnte. Sie sind nach ihm gross, haben einen trüben Inhalt und einen grossen runden Kern. Ihre Ansatzstelle soll einen etwas erhabenen Wulst an der inneren Oberfläche derWand bilden. Deiters giebt dann eine Abbildung dieser Verhältnisse in seiner Fig. 16, jedoch nur eine Flächenansicht und keinen Querschnitt. Was nun meine Befunde betrifft, die weit entfernt sind, alle ein- schlägigen ausserordentlich schwierigen Verhältnisse zum Abschluss gebracht zu haben, so gehen sie weiter wie die Derrers’schen und ‘weichen in wesentlichen Puncten von seinen Angaben ab. Wir haben es, wie erwähnt, mit dreiZellformen, mit Zahnzellen aus der Umgebung der Papilla acustica und mit Zahnzellen und Stäbchenzellen innerhalb ‚derselben zu thun, die alle drei den Cylinderzellen angehören. In der _ grösseren Abtheilung nehmen die vom Boden an der oberen Wand emporsteigenden Pflasterzellen (Taf. XXVII. Fig. 25) eine andere Form , an. Wie in der Nähe der Macula acustica des Utrieulus- und des Stein- sacks werden sie allmählich höher, ihr Kern rückt gegen die Mitte der ‚ Zelle empor und wir bekommen allmählich schöne, helle, glasklare, \ durchsichtige Cylinderzellen, die sich in ihrer Form in Nichts von den aus der Schnecke der Vögel beschriebenen, der Membrana tectoria zur An- ' heftung dienenden Zahnzellen jenseits der Papilla spiralis unterscheiden (Baf. XX VI. Fig. 23 b.). Nicht immer stellen sie sich so ausserordentlich glashell und klar dar, am häufigsten habe ich sie so an Alkoholpräparaten | gesehen, während sie sich in Osmiumsäure und MüLzer'scher Flüssigkeit ) etwas veränderten und ein dunkles, granulirtes Aussehen annahmen. Diese Zellen werden dann von einer dunklen Epithelmasse abgelöst, 257 388 Dr. 0. Hasse, die den Pflasterzellen gegenüber sich papillenartig erhebt und die, wie Deiters erwähnt, der etwas verdickten Wandung aufsitzen. Diese Masse der Papilla acustica wird dann jenseits wieder durch die soeben erwähnten Zahnzellen fortgesetzt (Taf. XXVI. Fig. 25 f.). Sie bekleiden auch noch die oberen Parthieen an der Innenwand der Brücke (Taf. XXVI. 26 f.) und hier werden sie oft auf ähnliche Weise sichtbar, wie DEıters es abbildet, als glashelle übereinander liegende Zellen- reihen. Sie ziehen sich dann ebenfalls in die kleinere Abtheilung der Schale hinein und bekleiden hier sowohl vorne, wie hinten die obere Wand (Taf. XXVII. Fig. 28 c.). | | Sie werden, wie gesagt, durch die Zellenmasse der von mir soge- nannten Papilla acustica unterbrochen. Was diese betrifft, so bin ich über ihre Form und ihre Ausdehnung nicht vollkommen ins Klare ge- kommen. Es ist mir weder durch Flächen- noch durch Querschnitte gelungen, ein Gesammtbild derselben zu construiren. Die Schwierig- keiten, die sich einem entgegenstellen, sind nicht gering zu achten, und ich muss es zukünftigen Forschern überlassen, in diesen interes- santen Puncten mehr Licht zu schaffen, wie es mir gelungen. Das Reagens, welches am günstigsten für eine Entscheidung sein würde, die Osmiumsäure, die die Zellmasse der Papille intensiver färbt, wie ihre Umgebung, hat mich hier theilweise im Stich gelassen, der An- fangstheil liegt so tief im Gehörbläschen, dass die Flüssigkeit hierher zuletzt dringt und nicht mehr mit voller Intensität wirken kann. Alkohol und Mürzr’sche Flüssigkeit machen auch häufig die umgeben- den Zellen so dunkel und granulirt, dass die Grenzen der Papille sich ausserordentlich verwaschen darstellen und auch die gewöhnlichen Methoden der Tinction führen keine sichere Unterscheidung herbei. Ich kann nur ein ungefähres Bild der Verhältnisse geben. Da die obere Wand, der die Papilla acustica anhaftet, nicht eine ebene Fläche, son- dern leicht nach oben gekrümmt ist (Taf. XXVI. Fig. 17), so muss die Papille dieser Krümmung folgen. Ihre stärkste Biegung bekommt sie aber, indem sie etwas auf die Seitenwandungen hinübergreift. Zu | gleicher Zeit liegt die Papille nicht überall in gleicher Entfernung vom | - Boden der Schale, wie es Querschnitte, theilweise auch Flächenschnitte am besten zeigen. Unter der Brücke und zu beiden Seiten derselben ist die grösste Erhebung vom Boden und zwar in dem Grade, dass die Päpille eine kleine Strecke der Innenfläche der Brücke einnimmt (Taf. XXVI. Fig. 26 e.), senkt sich jedoch auf beiden Seiten mehr gegen den Boden und erreicht denselben am ehesten in der kleineren Abtheilung, ohne jedoch auf ihn überzugehen. Die Flächenansicht ee (Taf. XXVI. Fig. 18) bestätigt dies, allein, wenn ich jetzt Angaben über en Een nennen er P n N RE _ Das Gehörorgan der Frösche. 389 die Breite der Papille an verschiedenen Stellen machen soll, so können die aus den angeführten Gründen, weil eben die Grenzen sich nicht deutlich zeigen, nur lückenhaft sein. Es ist mir vorgekommen, als nehme der Durchmesser der Papille continuirlich von der grösseren bis zur kleineren Abtheilung hin ab, jedoch bin ich keineswegs überzeugt, dass spätere Untersuchungen diese Anschauung bewahrheiten: werden und die Fig. 18 (Taf. XXVII.) wird vielleicht noch einigen Modificationen unterworfen werden müssen. Das Verhalten muss also einstweilen in suspenso gelassen werden. 2 So wenig ich nun über die Form der Papille ins Klare gekommen bin, so deutlich ist es mir gelungen, die histologischen Charaktere des Epithels derselben nachzuweisen. Wir haben auch hier wieder das- selbe Verhalten wie bei den Cristae acusticae der Ampullen, den Maculae acusticae des Utrieulus und des Steinsacks. Stäbchenzellen abwechselnd mit Zahnzellen. Es ist nicht ein einfach haarloses Gylinderepithel, wie Deiters es beschreibt. Schon eine Flächenansicht (Taf. XXVI. Fig. 19) giebt uns Aufschluss über die beiden Zellformen. Dunklere, grössere Zellen mit, einem hellen , lichten Pünctehen, dem Ausdruck des Haares in der Mitte (Taf. XXVI. Fig. 19 d.), umgeben von kleineren, helleren Zellen, deren Zahl ich nicht genau feststellen konnte. Die Zellgrenzen der Zahnzellen sind wegen Mangels einer Zellmembran undeutlich, während die Contouren der Stäbchenzellen, die wahrscheinlich eine äusserst zarte Membran besitzen, schärfer sich abheben. Ein Quer- schnitt belehrt uns vollends, dass es die gleichen, schon oft beschrie- benen Gebilde sind. Die unten bauchig angeschwollenen Stäbchen- zellen (Taf. XXVIU. Fig. 24 e.), gegen das freie Lumen hin mit einem Basalsaume (Taf. XXVI. Fig. 24 f.) abgesetzt, der sich in ein spitzes, leicht gekrümmtes Haar (Taf. XXVI. Fig. 24 9.) auszieht. Der grosse, runde Kern mit Kernkörperchen im Grunde der Zelle, gegen den Basal- saum der Knorpelwandung hin ein kleiner, auf kürzere oder längere Strecke isolirbarer Fortsatz, von dem Aussehen eines blassen Nerven- fädchens, das Ganze isolirt durch die Zahnzelle der Papilla acustica mit ihrem nahe am Basalsaume liegenden, den unteren Theil der Zelle fast ganz ausfüllenden Kern. = Bevor ich auf das letzte Gebilde des Anfangstheils der Schnecke, die Membrana tectoria, eingehe, möge es mir gestattet sein, die Nerven- verhältnisse einer näheren Betrachtung zu unterwerfen. Der Nerven- zweig des Nervus cochlearis begiebt sich, an der Unterfläche der Schale emporsteigend, in die Knorpelbrücke (Taf. XXVI. Fig. 17a.) und durch- ‚ setzt dieselbe mit seinen doppeltcontourirten Fasern als ungetheilter ‚Stamm (Taf. XXVII. Fig. 26 @.). An der oberen Wand angekommen, 390 Dr. C. Hasse, spaltet er sich alsbald in zwei Aeste (Taf. XXVI. Fig. 17 f., Taf. XX VII. Fig. 20 b. u. c.), die als dunkle, allmählich spitz auslaufende Streifen im der oberen Wandung sichtbar werden. Der für die grössere Ab- theilung bestimmte Ast (Taf. XXVII. Fig. 20 c.) hat einen mehr gerade gestreckten Verlauf und zerfällt alsbald in einzelne Bündel, während der für die kleine Abtheilung bestimmte (Taf. XXV1l. Fig. 20 ce.) bis gegen sein Ende hin als ein sich verschmälernder Zweig zu erkennen ist, der namentlich gegen den Boden hin Fasern abgiebt, die theilweise senkrecht gegen denselben verlaufen, theilweise nach innen gegen den Verbreitungsbezirk des Astes der grösseren Abtheilung sich hinschlagen. Diese Art und Weise der Nervenausbreitung kann ich nicht mit meinen | bisherigen Anschauungen der Form der Papilla acustica zusammen- reimen, und weil ich glaube, dass die Nervenfasern nicht weit über den Bereich des Nervenepithels gehen, so möchte hauptsächlich aus diesem Grunde die vorhin gegebene Beschreibung nicht ganz stichhaltig sein. Die einzelnen Nervenbündelchen zerfallen nun alsbald in ein- zelne Fasern, die gegen den Basalsaum der Wandung der Schale auf- steigen und mehr oder minder dicht unter diesem ihr doppeltcontourirtes Aussehen verlieren und auf dieselbe Weise in blasse Fäserchen über- gehen, wie ich es an anderen Orten beschrieben. Auch bei diesen Fasern bin ich geneigt, eine äussere äusserst zarte Scheide anzunehmen. Dieselben durchbohren dann auch hier einzeln den Basalsaum, theilen sich nicht und gehen auch keine Verbindungen mit einander ein, bil- den aber auch hier gleichsam einen intraepithelialen Plexus, um sich dann wahrscheinlich an das untere Ende der Stäbchenzellen zu be- geben. Mit vollkommener Sicherheit habe ich an dieser Stelle die Ver- bindung nicht nachzuweisen vermocht, wenn mir auch Bilder zu Ge- sicht kamen, die dafür sprachen. Zweifle ich wegen der vollkommenen Bebereinstimmung im Bau des Nervenepithels mit dem anderer Orten auch keineswegs an der Verbindung der Stäbchenzellen mit den blassen Nervenfäserchen, so bedarf es für diese Stelle doch noch eines speciellen Nachweises. Ich wende mich nun zu einem der interessantesten Gebilde in der Schnecke der Batrachier, der Membrana tectoria, worüber uns Deıters zuerst Aufklärung gegeben. Er beschreibt dieselbe sowohl als zum | Anfangstheile der Schnecke, wie zum Knorpelrahmen gehörig folgender- ! maassen: »Sie scheint den Zellen der beiden Standorte vollkommen | anzuliegen, jedoch so locker, dass man niemals Spuren ihres Be- 7 festigungsortes sieht. Sie ist ausserordentlich schwer präparirbar. Es |! ist wie bei den Vögeln, eine helle, glänzende Glasmembran, die wohl ! mehr als eine Guticularmembran aufzufassen ist. Sie schrumpft in. 7 Das Gehörorgan der Frösche. 391 Chromsäure und chromsaurem Kali. Meist ist sie gefaltet und aufgerollt und zeigt die Verhältnisse schwer. Es ist eine lange, dünne, nicht überall gleichmässig gebaute Membran. Die vordere Parthie erscheint an den Rändern in radiäre Falten gelegt, die eine fast kreisförmige Peripherie beschreiben. Hier ist die Membran mehr homogen und nur sparsam mit Löchern versehen, die nach innen von den Falten im ganzen mittleren Theil der Membran zunehmen. Man hat ein ein- faches Maschennetz rundlicher Löcher von schmäleren oder breiteren glänzenden, hyalinen Balken umgeben. Nach hinten nehmen die Oeff- nungen wieder an Grösse ab, und man erhält wieder eine homogene aber minder glänzende Parthie, die eigenthümlich fein gestreift ist. Der andere grossfaltige Theil scheint Deıters dem Knorpelrahmen an- zugehören. Die Membran soll in der Mitte eine Krümmung machen, um in den Anfangstheil der Schnecke zu kommen, jedoch nahm Driters sie nur in der grösseren der beiden Abtheilungen wahr. Auch bei diesem Theil bin ich noch nicht zum vollkommenen Ab- schluss gekommen und ist auch hier für kommende Untersuchungen ein reiches Gebiet von höchstem Interesse für die vergleichende Ana- tomie und Physiologie des Gehörorgans. Ich stimme Deiters vollkommen bei, wenn er sagt, dass es schwierig sei, diesen Theil zu conserviren und vor allen Dingen in der normalen Lage zu erhalten. Letzteres ist mir weder auf Flächen- noch auf Querschnitten vollständig gelungen, so dass ich kein endgültiges Urtheil darüber abzugeben vermag, wie weit die Membrana tectoria reicht und ob sie, wie es mir jedoch wahr- scheinlich ist, über die Papilla acustica bis an die Grenzen der Zahn- zellen in deren Umgebung reicht. So viel jedoch ist sicher, dass die Membran in der ganzen Ausdehnung der Papilla acustica deren Epithel unmittelbar aufliegt. Es ist mir jedoch nie gelungen, die Deıters’schen Ansaben zu bestätigen, dass dieselbe nämlich in die Pars basilaris hinein- page, sondern ich habe sie immer nur auf den Anfangstheil beschränkt gefunden, ohne dass damit ein ganz gleiches Gebilde, wie wir alsbald ‚sehen werden, dem Knorpelrahmen fehlte. Dieselbe ist auch nicht blos ‚auf die grössere Abtheilung beschränkt, sondern reicht, so weit das ‚Nervenepithel geht, auch in die kleinere Hälfte hinein, und zwar läuft ‚sie unter der Brücke weg (Taf. XXVI. Fig. 17 eu.i.). Mit der Beschrei- ' bung, welche Deiters dann von der histologischen Structur gegeben, ' kann ich mich auch nicht ganz einverstanden erklären und auch dis ' Form seiner Membran stimmt nicht ganz mit der von mir gefundenen überein. Bei der Isolirung des Anfangstheils hebt sich die Membran ' oft an einer Stelle etwas von dem Epithel ab, und man bekommt sie dann theilweise von der Fläche zu Gesicht. Man sieht dann, wie sie 392 Dr, C. Hasse, sich nach den beiden äussersten Enden hin etwas verschmälert (Taf. XXVI. Fig. 17 eu. ı.), dagegen unter der Brücke ihre grösste Breite gewinnt; doch findet die Abnahme an Breite schneller in der kleinen, wie in der grösseren Abtheilung statt. Es scheint dann ferner, als ob unter der Brücke sowohl nach oben, innen, wie nach unten Aufsätze auf der Membran sich fänden, von denen der eine dem Nervenepithel unter der Brücke, der andere den Zahnzellen an der Innenwand derselben aufsässe. Isolirt man jedoch die Membran, was mir nur in äusserst selte- nen Fällen gut gelungen ist (Taf. XXVII. Fig. 22), so bemerkt man, dass von dem breitesten Theil der unter der Brücke liegt, ab die Membran in einer leichten Krümmung zungenförmig in die grössere Abtheilung sich erstreckt, und dann mit einer leichten Verbreiterung abgerundet endet. Der Theil dagegen, der,in der kleineren Hälfte der Schale liegt, spitzt sich plötzlich mit abgerundeten Seitenflächen zu. Ueber den unter der Brücke gelegenen Theil bin ich nicht ganz ins Reine ge- kommen, und mag es wohl daher rühren, dass die Membran , worüber auch schon Deiters klagt, sich in Falten legt, was bei dem längeren Verlaufe von der Innenfläche der Brücke auf das Nervenepithel der oberen Wand noch mehr befördert wird, und so sieht man wenigstens die beiden Anhänge, deren ich vorhin erwähnte, und die ebenfalls eine mehr dreieckig zugespitzte Gestalt besitzen, gegen einander gebogen, den einen durch die Masse des anderen durchschimmern. Es ist mir niemals, trotz öfterer darauf gerichteter Bemühungen gelungen , diese beiden dreieckigen zusammengefalteten Anhänge auseinander zu bringen. Vergleicht man die soeben beschriebene Form der Membrana tectoria dieses Schneckentheils mit der Form der Papilla acustica, so wird man leicht auf dem ersten Blick die starke Abweichung erkennen, und das hat auch mich in dem Gedanken bestärkt, dass die Membran auf den Zahnzellen jenseits der Papille ruht und an ihnen befestigt ist. Was die histologische Structur betrifft, so trifft Deiters’ Beschreibung derselben als einer glashellen, glänzenden Membran vollkommen zu. Ich habe keine Gelegenheit gehabt, sie im frischen Zustande in Serum zu untersuchen, so dass ich über ihre wirkliche Gonsistenz nichts aus- zusagen vermag, es standen mir nur Ösmiumsäure und Alkoholpräparate zu Gebote. Diese zeigten sie ziemlich derb und schwer zerreissbar. Ueber die Dicke der Membran vermag ich leider noch keine sicheren Angaben zu machen, jedoch ist es mir vorgekommen, als ob der Theil, der unter der Brücke und in der kleineren Abtheilung liegt, einen grösseren Durchmesser als der in der grösseren Abtheilung besitzt. Auch das Aussehen ist insofern different, als die Durchsichtigkeit der | Membran durch mehr.oder minder stark ausgeprägte Granulationen am | Das Gehörorgan der Frösche. « 393 diesen Stellen getrüht ist. Ueber die Oberfläche derselben ziehen Streifen, die an den verschiedenen Orten verschieden angeordnet sind, jedoch an keiner Stelle gänzlich fehlen. Sie sind nicht, wie wir es an der entsprechenden Membran der Vögel so ausgezeichnet sehen, genau parallel angeordnet, sondern verlaufen mehr oder minder unregelmässig, über den in der grösseren Hälfte liegenden Theil transversal, in dem etwas verbreiterten abgerundeten Ende, wie es DeITErs in der ent- sprechenden Stelle zeichnet, radienartig convergirend. Auf der unter der Brücke gelegenen Abtheilung der Membran sind die Streifen nur undeutlich ausgeprägt und verlaufen ebenso wie über den Theil, der in der kleineren Hälfte liegt, fast wirtelartig angeordnet in Bogen. So scharf ausgeprägt concentrisch und in einem so starken Bogen, wie Deirters es von dem anderen Ende zeichnet, habe ich jedoch die Streifen nicht laufen sehen. Während die beiden Enden der Löcher nicht ganz entbehren, wie Dsiters es annimmt, die nur sparsamer und weniger ausgeprägt sind, nehmen dieselben dagegen an Schärfe ihrer Gontouren und an Zahl gegen die Mitte der Membran zu. jedoch sind sie unregel- mässig angeordnet und nur mühsam lässt sich eine der Streifung ent- sprechende Anordnung herausbringen , und das auch nur da, wo die- selben wie in der grösseren Abtheilung der Schale stärker ausgeprägt sind. Die Löcher haben einen verschiedenen Durchmesser und eine verschiedene Form, klein und gross finden sie sich dicht neben einan- der, neben schön rundlichen, unregelmässige, selbst eckige Formen, häufig solche, die ein dreieckiges Aussehen besitzen. Bei stärkerer Vergrösserung stellen sich die Löcher als die Mündungen von schief in die homogene Masse eingebetteten Gruben dar, die mit ihrem blind- sackigen Grunde eine Art Kuppel darstellen (Taf. XXVI. Fig. 21). Die ‚schiefe Stellung des Eindrucks in der Substanz ist mehr oder minder ausgeprägt. Gelingt es an Querschnitten durch das Epithel der Papilla acustica die Membrana tectoria so ziemlich in ihrer Lage zu erhalten, so bemerkt man wie der Rand der Oefinung dem Basalsaume der Stäbchenzellen aufruht und das Haar in die Grube hineinragt, deren Schiefrichtung sich nach der verschiedenen Schiefstellung der einzelnen | Haare richtet. An den zwischen den einzelnen Eindrücken auf der ' Oberfläche verlaufenden Leisten ist es mir nicht gelungen, Eindrücke | der Zahnzellen wahrzunehmen. Dies der Bau des so eigenthümlich gestalteten Organs des Anfangs- theils, der ein integrirender Bestandtheil der inneren Wandung des ., gesammten Gehörbläschens ist, und ich wende mich jetzt zur Beschrei- ' bung derjenigen Theile, die der äusseren Wand desselben angehören, Theile, die sämmtlich schon von Derrters zur Schnecke gerechnet wur- ct 394 Dr. ©. Hasse, den. Die äussere Wandung des Gehörbläschens, die zum Theil durch die äussere Wand des Utriculus gebildet wird und theilweise knorpelig er- scheint, theilweise aber auch als äusserst zarte Membran in der Umgebung der Apertura utrieuli beginnt (Taf. XXVI. Fig. 27 b.) und sich nun über den Anfangstheil der Schnecke und die Macula acustica des Steinsacks hinüberschlägt, zeigt, wie erwähnt, an bestimmten Stellen knorpelartige Verdickungen,, die eine bestimmte Form besitzen und diese wollen wir jetzt einer näheren Betrachtung unterwerfen, und unter denen zuerst das von mir sogenannte Tegmentum vasculosum. Deıters erwähnt des- selben, wie ich schon früher sagte, nur als eines kleinen Anhangs zum Knorpelrahmen als einen Recessus mit stark entwickelten Gapillar- gefässen und einem Epithel, welches ihm in seinem Aussehen sehr dem Epithel des Tegmentum vasculosum bei den Vögeln zu gleichen schien. Die in der Umgebung der Apertura utriculi entspringende äusserst zarte Membran, die sich ja auch über den Anfangstheil der Schnecke hinüber- erstreckt, zeigt dieselben histologischen Charaktere, wie die oberhalb der Macula acustica des Steinsacks, was nicht zu verwundern ist, da sie ja beide Theile der äusseren Gehörbläschenwand sind. Die Epithel- hekleidung besteht aus Pflasterzellen, die in ihrer Form mit den an anderen Orten übereinstimmen, nur dass sie hier etwas grösser und regelmässiger polygonal sind. Die Membran geht oberhalb der Apertura utriculi und dem Anfangstheil der Schnecke in einen schalenförmig gekrümmten Theil über, der schräg von oben und vorn, nach hinten und unten sich erstreckend der frontalen Ampulle sich nähert, wie ich es schon früher erwähnt. Diese mit ihrer CGonvexität nach aussen ‚sehende Schale ist das Tegmentum vasculosum (Taf. XXVI. Fig. 6 2.). Die Schale ist oval und an ihren Rändern (Taf. XXVI. Fig. 31 a.) haftet die eben erwähnte zarte Membran. Sie bildet gleichsam eine Decke über der Apertur und dem Anfangstheil der Schnecke. Das auf der Aussenwandung mittelst der bekannten Bindegewebszellen festhaftende Periost zeigt hier nur sparsame Pigmentzellen. Ein besonderer Reich- thum an Gapillargefässen, wie DEITERs es erwähnt, ist mir nicht auf- gefallen, doch standen mir keine injicirten Präparate zu Gebote. Die! Wandung, die in der Mitte am stärksten ist (Taf. XXVII. Fig. 29), nimmt allmählich gegen die Ränder der Schale ab und verliert sich in die/ dünne Membran. Es ist hier dasselbe Verhältniss wie beim Steinsack.| Die Wand ist knorpelartig und zeigt histologisch keine Differenzen von! den verdickten Stellen an anderen Orten des Gehörbläschens. Der] Basalsaum fehlt auch hier nicht, und diesem sitzt ein Epithel auf, welches schon bei der Betrachtung von der Fläche Unterschiede von allen anderen bisher beschriebenen Zellformen zeigt. Das Ausseh Das Gehörorgan der Frösche. 395 nähert sich dem der Zellen des Tegmentum vasculosum der Vögel. Es ist ein gelblich gefärbtes Epithel, bestehend aus einzelnen unregel- mässig polygonalen, ziemlich hohen Pflasterzellen (Taf. XX VII. Fig. 29 a. und 30), deren Zellgrenzen nur schwer zu erkennen sind. Im Grunde besitzen sie einen grossen, meistens rundlichen, dunkel granulirten Kern mit kleinem Kernkörperchen. Das Protoplasma der Zellen ist leicht körnig getrübt. Am besten lassen sich die Zellen mit denen der gelben Pigmentflecke aus den Ampullen des Frosches vergleichen. Nach dieser Betrachtung des sogenannten Tegmentum vasculosum wende ich mich zu dem folgenden Schneckentheil, der ebenfalls der äusseren Wandung des Gehörbläschens angehört, der Pars basilarıs oder dem von Deıters sogenannten Knorpelrahmen, dessen Lagerungs- weise ich schon früher angedeutet. Nach unten und hinten gewandt, liegt er am Uebergange der äusseren in die innere Wand, dicht unter- halb und an der frontalen Ampulle, ausgezeichnet durch den Pigment- reichthum des seine Aussenfläche bedeckenden Periostes und dadurch, dass durch seine Masse in das Innere eine rundliche Oeffnung zu führen scheint, die schon dem blossen Auge bei aufmerksamer Betrachtung nicht entgehen wird. Deıters hat diesem Theil eine etwas ausführ- lichere Betrachtung gewidmet, die ich jetzt in ihren wichtigsten Sätzen folgen lassen will: »Es ist ein kreisrunder Ring mit einem rundlichen oder etwas länglichen Lumen. Der Rahmen hat ein äusseres und ein "inneres Lumen. Es ist ein gleichmässiger Ring, bei dem man nicht wie bei den höheren Thieren von zwei constituirenden Schenkeln - sprechen kann. Die Oeffnung wird von einem Periostbeleg verschlossen. " Die Schnecke ist hier ein integrirender Bestandtheil des Vorhofs ge- “ worden, in dessen Raum sie so unmittelbar übergeht, dass nicht ein- ‘mal ein Verschluss durch eine einem Tegmentum vasculosum ent- ‘sprechende Bildung stattfindet. Eine membranöse Verbindung des Lumens des Knorpelrahmens, also eine Membrana basilarıs, oder gar ‚ eine Lamina spiralis giebt es nicht mehr. Die specifischen Theile sind ‚ auf einen Epithelbeleg des inneren Raumes des Rahmens redueirt, der ‚dem folgenden Theile, der Lagena zunächst charakteristische Formen "zeigt. An der Sielle, wo ein einfaches, feines Nervenfädchen zu dem I} Knorpelrahmen tritt, sieht man längliche, eylindrische Zellen der inneren "Oberfläche aufsitzen, an denen auch Haare wahrgenommen werden können. Ini Uebrigen besitzt die innere Fläche des Ralfmens ein ein- Ei | ‚faches Epithel kleiner rundlicher Zellen, welche zuweilen etwas granulirt | = ‚Das feine Nervenfädchen besitzt bis fast zur Grenze der inneren Wand doppeltcontourirte Fasern, die sich zuspitzend ihren dunklen | ‚Contour verlieren und mit feinster Spitze an der Grenze unmittelbar 396 + Dr.6. Hasse, gegenüber einer der Haarzellen zu enden scheinen. In diese Abtheilung der Schnecke ragt dann noch ein Theil der Lamina fenestrata, die Deiters im Frosche zuerst und namentlich im Anfangstheil der Schnecke entdeckte.« | So weit die Deiters’sche Beschreibung, die wiederum ein Zeugniss der seltenen Beobachtungsgabe ihres Autors zeigt, ohne dass damit doch der Gegenstand, was auch keineswegs seine Absicht war und sein konnte, da er wesentlich nur Anregungen zu neuen Forschungen dei wollte, erschöpft wurde. Wie alle in dieser Abhandlung ausführlicher beschriebenen Ab- theilungen ebenfalls nur eine Verdickung der Wand des Gehörbläschens an einer bestimmten Stelle sieht die Pars basilaris in die Höhle des Bläschens und wird auf der Aussenfläche desselben sichtbar. Lag der Anfangstheil der Schnecke an der inneren Wand, so befindet sich dieser Theil demselben gerade gegenüber, an der äusseren und unteren Wand, mit demselben durch eine zarte Membran, welcher die Fortsetzung der unteren Wand des Anfangstheils der Schnecke darstellt (Taf. XXV1. Fig. 47 b.) in Verbindung. Der Knorpelrahmen mitsammt dem Teg- mentum vasculosum lässt sich leicht durch Zerreissen des Theils der äusseren Wandung, der sich über die Macula acustica des Steinsacks wölbt, und sich an die der Verbindung mit dem Anfangstheil entgegen- gesetzte Wandung der Pars basilaris inserirt (Taf. XXVM. Fig. 34 b.), zurückschlagen (Taf. XXVIl. Fig. 8 c. g.), so dass man die Innenfläche zu Gesicht bekommt. Sie werden gleichsam wie eine Thür um die Angel, um die untere Wand des Anfangstheils zurückgeklappt, was eben nur auf Grund der Zartheit der verbindenden Membran möglich ist. Man bekommt auf diese Weise auch den Anfangstheil in seiner ganzen Ausdehnung zu Gesicht. Nicht so leicht ist die Verbindung, einerseits mit dem Tegmentum vasculosum, andererseits mit der Lagena zu trennen, doch ist Letztere aus später zu erklärenden Gründen etwas lockerer. Eine leichte Einschnürung, in der reichliche Bindegewebs- zellen zur Verbindung mit dem an dieser Stelle reichlich mit Pigment- zellen versehenen Periost sich finden, kennzeichnet schon äusserlich die Grenze zwischen Tegmentum und Pars basilaris, die bei der Be- trachtung von der Innenfläche noch dadurch sich deutlicher markirt, dass sich zwischen beiden eine unvollständige Scheidewand, eine Firste erhebt (Taf. XXVII. Fig. 31 h. und Taf. XXVII. Fig. 33), die sich be= sonders auf Längsschnitten deutlich darstellt (Taf. XXVII. Fig. 39 d. und 41 9.), und die man als Theil der Wand dem Knorpelrahmen zu- zählen kann. Eine ähnliche Erhebung (Taf. XXVII. Fig. 32e.), die als die entgegengesetzte Wand des Basilartheils anzusehen ist, bildet die Das Gehörorgan der Frösche. 397 Grenze zwischen diesem und dem folgenden Theile, zeigt sich jedoch breiter, wie die erstere (Taf. XXVIN. Fig. 39 e. und 41 d.). So kann man aus einem Schneckentheil in den anderen kommen. Wenn nun Deiters den Knorpelrahmen als mit einem Loch in der Mitte versehen beschreibt, so dass man aus dem perilymphatischen Raume zwischen der knöchernen Wand des Gehörbläschens mit seinem Periost und der äusseren des häutigen, in das Innere desselben gelangen kann, so ist das gewiss nicht richtig, wenn auch der verschliessende Theil ausser- ordentlich zart ist. Das bei oberflächlicher Betrachtung klar zu Tage tretende und die Pars basilaris charakterisirende Loch ist von einer äusserst zarten Membran, der Membrana basilaris, ausgefüllt (Taf. XXVIH. Fig. 32 g., 33 d. und 36.d.). Sie ist straff an der Peripherie der Lücke der Knorpelwandung ausgespannt, zerreisst leicht, lässt sich jedoch bei einiger Vorsicht im Präpariren leicht zu Gesicht bringen. Man _ kann die Sache folgendermaassen auffassen. Während sich die äussere Wandung des Gehörbläschens an einer bestimmten Stelle ringartig knorpelig verdickt, bleibt die äusserst zarte Membran.in der Mitte des Ringes unverändert. Ihre Anheftungsstellen liegen der äusseren Ober- fläche des Basilartheils viel näher, und somit haben wir es auch hier mit einem schalenartigen Organ zu thun, dessen Wände stark verdickt, knorpelartig sind, während der Boden durch eine feine Membran ge- bildet wird. Die Knorpelwandungen des Rahmens fallen nun nicht überall gleich steil gegen die den Boden bildende Membrana basilaris ab. Der Theil der Wand, der die Grenze gegen das Tegmentum vas- culosum bildet (Taf. XXVIl. Fig. 34d., 359g. und 39.d.) fällt steil gegen den Boden ab, während die entgegengesetzte Wand, die die Grenze ‚I gegen die Lagena bildet, allmählich emporsteigt, abgeflachter erscheint, ‚jedoch auch nicht überall gleichmässig. Am steilsten erhebt sich der Theil, der die zarte Verbindungsmembran mit dem Anfangstheil der Schnecke trägt, dessen Masse ein kurzer starker Nervenast durchsetzt _ (Taf. XXVIN. Fig. 33 d.), während der dem Nerven entgegenstehende U Theil des Knorpelrahmens (Taf. XXVII. Fig. 33 e.) sich weit mehr ver- h Nacht (Taf. XXVII. Fig. 33e.). Dies Verhältniss wird namentlich auch "auf Quer- (Taf. XXVIM. Fig. 34 u. 35) uno Längsschnitten (Taf. XXVII. Fig. #1 d.) deutlich. Auf diesem weniger starken Abfall der Wan- dungen gegen die Membrana basilaris an bestimmten Stellen beruht es, dass man an successiven Querschnitten hier zuerst die Knorpel voll- i kommen ungetrennt findet, während sich darauf ein Verhalten zeigt, wie es bei der Schnecke der Vögel die Regel ist, wo wir ja zwei erst an F der Lagena wieder vereinigte Knorpel hatten, die durch die Membrana basilaris verbunden wurden. Ein Bild, wie es Fig. 35 (Taf. XXVIM.) N 398 Dr, €. Hasse, darbietet, erinnert aufs Lebhafteste an die früher bei den Vögeln!) ge- schilderten Verhältnisse. Der histologische Bau der Pars basilaris bietet auch mancherlei interessante Puncte, und schon bei der Structur der Knorpelwandungen treffen wir auf Eigenthümlichkeiten, die den gleichartigen Theilen an anderen Orten fehlen. Die gegen das Tegmentum vasculosum gewandte, steil abfallende Wand des Rahmens zeigt vor allem eine zarte, radiäre Streifung (Taf. XXVII. Fig. 33 a., 34 u. 35«.), die schwerlich in einer Faserung ihren Grund hat, sondern in einer eigenthümlichen Anord- nung der auch hier in einer homogenen Intercellularsubstanz ein- gehbetteten spindelförmigen Zellen. Derrers hat in seiner Fig. 12 auch eine Andeutung dieses Verhaltens gegeben. Während sie an den anderen Theilen des Knorpelrahmens und den übrigen verdickten Stellen des Gehörbläschens (Taf. XXVII. Fig. 35.) mehr unregelmässig ın der Substanz verstreut liegen, ordnen sie sich hier in Reihen und senden ihre Ausläufer in radiärer Richtung aus. Diesen möchte ich dann die feine Streifung der Wandung zuschreiben. Dort, wo sich die Membrana basilaris an den Knorpel anheftet, zeigt dieser eine scharfe Leiste, die rings um die Peripherie herumzieht. Gegen das freie Lumen ist der Knorpel auch hier wieder mit einem zarten Basalsaum von früher angegebener Dicke abgesetzt, und dieser zeigt nun höchst interessante Beziehungen zur Membrana basilaris, die auch mit Bezug auf die in ıneiner Abhandlung: »Beiträge zur Entwickelung der Gewebe der häutigen Vogelschnecke«?) dargelegten entwickelungsgeschichtlichen Verhältnisse der Membran von weittragender Bedeutung sein möchten. Die Membrana basilaris ist hier nämlich nichts Anderes als die Fort- setzung des Basalsaumes, dem an dieser Stelle die knorpelige Unterlage fehlt. Das Verhalten ist nichts weniger als leicht. zu constatiren, und ich verdanke diese Aufklärung auch mehr einem glücklichen Zufall als einer besonderen Technik in der Schnittführung. Wegen der ausser- ordentlichen Zartheit der Membran gelang es mir nur äusserst selten, einen Querschnitt derselben zu Gesicht zu bekommen, am häufigsten zeigt sie sich von der Fläche, und nur hie und da gelingt es, wenn die Membran sich faltet, an optischen Querschnitten über die Dicke der Membran Aufschluss zu bekommen. Im glücklichen Fall, wie Fig. 36 (Taf. XXVIIL) einen darstellt, sieht man, wie der Basalsaum des Knorpels in derselben Dicke unmittelbar in die feine Membran über- geht (Taf. XXVII. Fig. 36) und der optische Querschnitt belehrt uns, dass die Dicke in der ganzen Ausdehnung dieselbe bleibt (Taf. XXVIH. 4) Die Schnecke der Vögel. Diese Zeitschr. Bd. XVII. 1 Heft. r 2) Diese Zeitschrift. Bd. XVII. “ Das Gehörorgan der Frösche, 399 Fig. 36g.). Die Membran ist wie der Basalsaum vollkommen structurlos und etwa auftretende Streifen rühren von einer Faltung in der Membran her. Von der Structurlosigkeit überzeugt man sich am besten, wenn man den intacten Knorpelrahmen von der Fläche betrachtet, da dann die Membran in der natürlichen Spannung ist. Querschnitte verwirren leicht. Der Aussenfläche der Membran haften keine Gebilde irgend welcher Art an. Anders dagegen die Innenfläche, die eine Zellen- bekleidung zeigt, worauf ich alsbald zurückkomme. Sahen wir bei den Vögeln die Basilarmembran sich dadurch entwickeln, dass die embryo- nalen Zellen des Schneckenrohrs, nachdem sie auf der ganzen Innen- fläche einen Basalsaum abgesondert, an zwei Stellen den Knorpel bildeten, in der späteren Scala tympani aber unter dem Basalsaum Fortsätze trieben, die sich zusammenlegend, eine elastische Membran bildeten, an der später fast keine Spur der ursprünglichen Bildungs- zellen sich findet, so wird auch wohl hier, da wir es mit denselben Geweben zu thun haben, der Bildungsvorgang ein ähnlicher sein. Während sich der grösste Theil der embryonalen Zellen zum Knorpel - rahmen ausbildet, nachdem sie überall eine Basalmembran abgeschie- den, verschwindet an einer bestimmten Stelle ein Theil derselben, ohne unter dem Basalsaume Fortsätze zu treiben, und somit haben wir statt der. aus elastischen Fasern oder Röhren zusammengesetzten Basilar— membran der Vögel eine Membrana basilaris, die aus einer abgeschie- denen Cuticularmasse besteht. Ich halte mich fest überzeugt, dass eine "nähere Untersuchung des Entwickelungsvorganges bei den Fröschen ‘ein solches Resultat ergeben wird. Die Innenfläche des Knorpelrahmens ist bis auf den Theil, der in U den Bereich der Nervenausbreitung fällt, mit einem einfachen Pflaster- Fepithel bekleidet, welches sich noch über die Vorsprünge, einerseits 4 wischen Rahmen und Tegmentum vasculosum, andererseits zwischen Pars basilaris und Lagena, erstreckt. Der Uebergang in die etwas an- ‚ders gearteten Zellen des Tegments ist ein allmählicher, indem die Pf asterzellen etwas an Höhe zunehmen und in ihrem Protoplasma immer mehr granulirt erscheinen. Die Zellen entsprechen vollkommen ‚denen, die wir von den Wandungen des Utriculus und des Anfangs- heils der Schnecke kennen gelernt haben. Sie sind unregelmässig polygonal (Taf. XXVIN. Fig. 40), leicht granulirt, mit rundem oder länglich rundem Kern und Kernkörperchen im Grunde. Die Pflaster- zellen, die der Fortsetzung der Knorpelwandung den zarten Membranen zur Verbindung mit dem Anfangstheil der Schnecke und der äusseren ‚Wand des Steinsacks aufsitzen, haben den Charakter der Zellen der ‚einen Membranen des Gehörbläschens überhaupt, sind grösser, regel- iR 400 Dr. ©. Hasse, mässiger polygonal und minder granulirt. Dasselbe gilt auch von der Bekleidung der Innenfläche der Membrana basilarıs (Taf. XXVIM. Fig. 33 d.). Das Epithel ist mir an dieser Stelle vergänglicher erschienen, wie an anderen Orten. Die Zellen fallen leicht ab, oder das Protoplasma derselben verschwindet entweder ganz oder theilweise, und nur der Kern bleibt der Membran anhaftend zurück (Taf.-XXVIM. Fig. 36 f.). Hie und da kann es auf den ersten Blick scheinen, als hätte auch die Aussenfläche eine Epithelbekleidung, allein bei näherer Betrachtung erkennt man aus den Helligkeitsdifferenzen (Taf. XXVII. Fig. 36 h.), dass die Membran Falten geworfen hat und Theile von Zellen oder ganze Gebilde durch die Falte verdeckt dem Beobachter zu Gesicht kommen. Dort, wo der Nerv die Knorpelwandung durchsetzt, ändert das bekleidende Epithel seinen Charakter, ähnlich wie im Anfangstheil der Schnecke an der entsprechenden Stelle. Es wird höher, so dass wir auch hier von einer Papilla acustica sprechen können. Auch hier können wir drei Zellformen unterscheiden, Zahnzellen aus der Umgebung der Papilla und Zahn und Stäbchenzellen der Papilla selbst. Wie weit sich das veränderte Epithel erstreckt, ist mir nicht ganz klar geworden, und ich möchte diesen interessanten Punct der näheren Betrachtung kom- mender Forscher empfehlen. Ein Hinderniss für die Beobachtung, namentlich von der Fläche, bietet der dunkle, den Knorpel durch- setzende Nervenzweig. Ich halte es für möglich, dass derselbe sich aus dem Knorpelrahmen über die zarte Verbindungsmembran in die kleinere Abtheilung des Anfangstheils der Schnecke hineinzieht, und somit eine Verbindung beider Papillae acusticae zu Stande kommt. Hie und da sind mir Bilder zu Gesicht gekommen, die für ein hohes Hinaufsteigen der Zellen der Papille an der Wandung der Pars basilaris sprechen, allein zu einer endgültigen Entscheidung über eine weitere Ausdehnung bin ich, wie gesagt, nicht gekommen (Taf. XXVIM. Fig. 33 und 34 c.). Die Form der Papille ist, soweit ich gesehen, die eines Halbmondes, welcher mit der Goncavität gegen die Membrana basilaris sieht und seine Convexität gegen den Anfangstheil der Schnecke wendet. Das Epithel der Papille ist ausserordentlich vergänglich und © besonders schwer gelingt es, Querschnitte desselben zu erhalten, da es sich leicht von der Knorpelwandung ablöst. Wie an den übrigen U Stellen des Gehörbläschens, an denen Nerven ihre Verbreitung finden, verliert auch hier das Pflasterepithel, wie vorhin erwähnt, seinen Charakter. Es wird höher und höher und zu gleicher Zeit er- hebt sich auch hier der Kern aus dem Grunde allmählich gegen die Mitte der Zelle (Taf. XX VII. Fig. 38 b.), und schliesslich haben wir es! Das tehörorgan der Frösche. 401 mit einem ausgeprägten hohen Cylinderepithel, den Zahnzellen aus der Umgebung der Papille zu thun. Das Protoplasma der einzelnen Zellen zeigt sich namentlich bei schwacher Einwirkung der Osmiumsäure und Mürrer’schen Flüssigkeit mehr oder minder granulirt. Bei Alkohol- präparaten habe ich jedoch hie und da Andeutungen eines Verhaltens, wie im Anfangstheil der Schnecke gesehen, wo ja die Zahnzellen sich als glashelle, vollkommen durchsichtige Cylinder darstellten. Dieses Cylinderepithel wird alsbald von den Zellen der Papille abgelöst, die - in derselben Anordnung, wie in den Ampullen, den Maculae acusticae "und dem Anfangstheil der Schnecke auftreten (Taf. XXVII. Fig. 37 a. d. und 38). Es ist sehr schwierig, sich über die wahre Natur dieses Epithels Rechenschaft zu geben. Es ist mir vorgekommen, als seien die Zellen, Stäbchen- und Zahnzellen, hier niedriger und gedrungener, wie an anderen Orten, doch weiss ich nicht, wie viel ich auf Rechnung der Behandlungsmethode setzen soll. Jeder einzelne Theil tritt aber klar hervor. An der Stäbchenzelle der Basalsaum mit dem Härchen, der bauchigen Auftreibung in der Gegend des Kerns; an den Zahn- zellen die entsprechende Einschnürung. Es ist mir nicht gelungen, an dieser Stelle das Epithel in seine einzelnen Elemente zu zerlegen und somit ist mir auch kein einer blassen Nervenfaser ähnlicher unterer Zellfortsatz zu Gesicht gekommen. Der zum Nervenepithel gehende Ast, der aus dem Nervus cochlearis kommt, durchbohrt ausserordentlich schräge, anfangs ungetheilt, den - Theil der Knorpelwandung, der dem Anfangstheil der Schnecke am _ mächsten liegt (Taf. XXVII. Fig. 32 a., 33 b. und 41 c.), und zerfällt - darauf in mehrere dicht neben einander liegende Bündel, die dann nicht _ weit vom Basalsaume entfernt in einzelne Fasern zerfallen. Auch hier sind die einzelnen Fasern im Nervenaste und in den einzelnen Bündeln bis dicht unter der Basalmembran doppelt contourirt, verlieren dann ‚ihren doppelten Contour und durchbohren senkrecht ne schräge den Saum als blasse Fasern, von denen dasselbe gilt, was ich an anderen Stellen von ihnen und ir Scheide sagte, und treten dann ins Epithel. F v ie sie dort enden, habe ich nicht gesehen, so wenig Zweifel ich auch "wegen der vollständigen Uebereinstimmung mit den Verhältnissen an a deren Orten hege, dass auch hier ein Zusammenhang der isolirten "ungetheilten Fasern mit den Stäbchenzellen stattfindet. Auf dem Epithel der Papilla acustica und den umgebenden Zahn- 1 n ruht nun eine Membran, die Deiters im Zusammenhange mit der »s Anfangstheils der Schnecke gesehen hat. Mir ist es niemals ge- | n, einen solchen Zusammenhang nachzuweisen. Würde sich bei späteren. Untersuchungen herausstellen, dass das Epithel der beiden | Zeitschr. i. wissensch. Zoologie: XVIIL. Bd. | 26 402 Dr. 0. Hasse, Papillen zusammenhängt, so wäre ein, wenn auch lockerer Zusammen- hang der aufliegenden Membranen wohl mehr als wahrscheinlich, und Deiters’ Beobachiungen würden dann einen erhöhten Werth bekommen. ich habe aber diese Membran, die ich die Membrana tectoria des Basilar- iheils nennen will, immer selbständig gesehen. Sie liegt dem Epithel desselben sehr locker auf und verschiebt sich ausserordentlich leicht, jedoch ist es mir hier besser wie im Anfangstheil der Schnecke ge- lungen, die Theile in situ zu sehen. Sie erstreckt sich jenseits der Papille über das Epithel demselben anliegend (Taf. XXVII. Fig. 38), und besitzt eine halbmond- oder nagelförmige Gestalt, entsprechend der Form der Papille, und ist in demselben Sinne gekrümmt wie diese. Diese Membrana tectoria ist eine von den Zahnzellen in der Umgebung der Papille bis zur Mitte derselben allmählich an Dicke zunehmende, vollkommen durchsichtige , resistente Membran von homogenem Ge- füge, ohne in ihrem Inneren eingeschlossene Otolithen, die, wenn sie in den Knorpelrahmen hineingeschwemmt werden, leicht sich von der Oberfläche entfernen lassen. Dort, wo die Membran oberhalb der Zellen der Papille liegt, sieht man in ihre Substanz Ganäle gegraben, in die die Haare der Stäbchenzellen hineinragen. Sie dringen mehr oder minder schräg in die Membran, entsprechend der Stellung des Haares und der Lage der Stäbchenzellen, zu denen sie gehören (Taf. XXVII. Fig. 38 c.). Diese Canäle umfassen wie weite Säcke die Härchen und ruhen mit den Rändern der Eingangsöffnung dem Basal- saum auf. Die Ränder, die die einzelnen Gruben von einander trennen, sind relativ dünn und markiren sich auf der Oberfläche der Membran als durchschimmernde, lichte, schmale Streifen (Taf. XX VII. Fig. 38d.). Das blind geschlossene Ende der Gruben sieht man auch wegen ihres schrägen Verlaufs auf der Oberfläche durchschimmern. Sie bewirken I ein Aussehen wie das, welches Deitsrs an einer Stelle seinerMembrana tectoria als grossfaltig bezeichnet und in seiner Fig. 13 zeichnet. Es gehört diese Faltung nach ihm dem Theil an, der sich im Knorpel- rahmen befindet. Wir müssen nun noch der letzten Abtheilung der Schnecke der | Lagena eingehendere Beachtung schenken, einem Theil der, wie früher erwähnt, mit den übrigen in lockerer Verbindung stehend, an dem Uebergang der äusseren in die innere Wand, hinten, jedoch mehr letzterer angehörig, gelagert ist, und zwar so, dass er den Anblick des Anfangstheils hemmt. Man erkennt ihn bei der Betrachtung der inneren ‚Wand als einen rundlichen Körper, zu dem ein fächerförmig sich ver- | breitender Nerv geht, der mit seinen Fasern 'hoch an den Seitenwan- | dungen emporsteigt, so dass, im Profil gesehen, gleichsam eine Huf- | Das Gehörorgan der Frösche. 403 eisenform zum Vorschein kommt (Taf. XXVI. Fig. 5 e.). Natürlich ist auch dieser Theil durch eine starke Anhäufung von Pigmentzellen im Periost ausgezeichnet. Die Verbindung mit der Unterwand des An- fangstheils der Schnecke ist ein» ausserordentlich lockere, mittelst der früher erwähnten zarten, membranösen Fortsetzung der knorpeligen Wandung. Die Verbindung mit der Pars basilaris ist dagegen fester, jedoch, wie früher schon gesagt, trennbar und diese leichte Isolirbarkeit beruht auf der tiefen Einschnürung zwischen den Wandungen dieser beiden Schneckentheile, die weit die zwischen Tegmentum vasculosum und Knorpelrahmen übertrifft (Taf. XXVIN. Fig. 3% /.). Es ist eine Ein- schnürung, die auch hier wieder mit reichlichem bindegewebigen Netz - werk zur Verbindung mit dem Periost ausgefüllt ist und in deren Maschen sich reichliche Pigmentzellen finden. Deirers beschreibt die gröberen Verhältnisse dieses Theils folgendermaassen : »Die Lagena ist eine micht ganz regelmässige, ovale Schale mit mässig dicker Wand und einem inneren, grossen Lumen, welches in die Höhle des Alveus communis sieht. Aeussere und innere Fläche stimmen nicht ganz überein, die innere ist an manchen Stellen, besonders wo das charakte- ristische Epithel gelegen ist, etwas vorspringend. Die ganze Convexität stösst an das lockere, sehr pigmentirte Bindegewebe des Alveus. Nur an der einen Stelle sieht man einen unmittelbaren Uebergang in das Gewebe'des Knorpelrahmens. Diese Uebergangsstelle liegt nicht ganz in der Höhe der Convexität, sondern etwas tiefer, man erkennt daher schon mit blossem Auge an dieser Stelle eine kleine Einkerbung, welche das hier noch stärker pigmentirte Bindegewebe auskleidet.« Diese Beschreibung Drırers’ stimmt vollkommen mit meinen An- ‚schauungen, die ich schon zum Theil dargelegt. Es ist dieser Theil ausserordentlich viel selbständiger, als alle übrigen Schneckenpartieen, und das rührt von den tiefen Einschnürungen her, die sich zwischen "diesem und den benachbarten Theilen finden, so dass wir die Lagena förmlich als eine kugelige Ausbuchtung der Wand des allgemeinen " Gehörbläschens mit einigermaassen engem Hals, welcher die Communi- -eation des inneren Lumens mit dem des Gehörbläschens vermittelt, ansehen können (Taf. XXVII. Fig. 31 k.). Entsprechend der tiefen Ein- ; ung gegen den Knorpelrahmen , die ja auch Deiters erwähnt, haben wir als Grenze die leistenartige Erhebung, die ich als Theil der "Knorpelwandung des Rahmens ausführlich beschrieb, und von der wir | sahen, dass sie auf der der Nervenausbreitung entgegengesetzten Seite "ausserordentlich viel’ niedriger verlief. Es ist, wie Deiters richtig be- merkt, eine Schale, deren Ränder im gleichen Niveau stehen (Taf. XX VII. Fig. 39), so dass man auf dem Querschnitt zu dem Glauben verleitet { 20 404 Dr. C. Hasse, werden könnte, man habe es mit einem allseitig von Knorpeligen Wandungen umschlossenen Theil zu thun. Es hat gleichsam ein Dach und einen Boden, wenn man als Boden den Theil der Wandung an- sieht, an dem der Nerv sich ausbreitet.- während die übrigen Schnecken- abtheilungen mehr oder minder tiefe: rinnenartig ausgehöhlte Organe repräsentirten, deren Lumina in offener weiter Communication mit dem Binnenraume des Gehörbläschens standen. Deiters bemerkt sehr richtig, dass die Wandung der Lagena nicht überall von gleicher Dicke, es findet sich gleichsam ein Recessus an der inneren Fläche, wodurch die Wandung hier am dünnsten erscheint und diese Stelle entspricht in der That dem nervenfreien Theile. Was den Bau der Wand der Lagena betrifft, so sagt Drırers, dass dieselbe dem constituirenden Gewebe der halbeirkelförmigen Canäle ähnele, nur noch solider sei. »Ein knorpelhartes Binde- gewebe mit homogener, glänzender Intercellularsubstanz, in welcher man sternförmige Zellelemente, mit kleinem Zellkörper und langen Ausläufern unterscheiden kann. Diese Zellen sind nie pigmentirt.« Diese Beschreibung ist vollkommen zutreffend und habe ich ihr Nichts hinzuzufügen (Tafel XXVIM. Fig. 43 a.). Eine solche Anordnung der Zelien und ihrer Ausläufer in radiären Reihen , wie wir es an der Pars basilarıs sehen, habe ich hier nie gesehen. Die Zellen sind eben auch hier wie an den anderen Stellen unregelmässig in der Substanz 'zer- streut. Auch in der Lagena ist die Knorpelsubstanz gegen das innere Lumen mit einem feinen Basalsaum abgesetzt (Taf. XXVIH. Fig. 43 b. und 44 d.). Der Nerv tritt als ungetheilter Zweig an die Innenfläche | der Lagena, durchsetzt hier die Knorpelsubstanz und geht theilweise, wie erwähnt, an den Seitenwandungen empor und erreicht sogar die nach aussen gekehrte gegenüberstehende Wand, was man namentlich an Längsschnitten zu constatiren im Stande ist. Es umgreift also der ; Nerv diesen Schneckentheil, der gleichsam wie eine Blume in ihrem Kelche dem Nervenast mit seinen Fasern aufsitzt. Was nun den Ver- lauf innerhalb der Knorpelsubstanz betrifft, so erwähnt Drimers, dass ‚sie auch hier pinselförmig ausstrahlen, mit ihren feinsten Fäden sich der innersten Grenze der Wand nähern und fein auslaufend hier ihre | dunklen Contouren verlieren. Die Beschreibung ist im grossen Ganzen | richtig. Sehr kurz vor seinem Eintritt in den Knorpel zerfällt der | Nervenast in kleinere, dicht nebeneinander hegende Bündel und diese | lösen sich, wenn sie in die Masse eingetreten, in ihre einzelnen, doppelt! contourirten Fasern auf, die in verschiedener Dicke (Taf. XXVII. Fig. 42! und 44), bald mehr gestreckt und senkrecht, bald schräge und ge-| schlängelt gegen den Basalsaum verlaufen, sich durcheinander wirren j f Das Gehörorgan der Frösche. 405 und einen reichen Plexus bilden (Taf. XXVIU. Fig. 43). Eine Verbin- dung der Fasern findet niemals statt, jede Faser läuft für sich, von der anderen isolirt. Ebenso wenig zeigt sich eine Theilung. Es ist ein Bild ganz dem entsprechend, welches die Crista acustica in den Ampullen der Frösche darbietet. In der Nähe des Basalsaumes angelangt, ver- lieren die dunklen Fasern auf die schon oft beschriebene Weise ihr dunkelcontourirtes Aussehen, spitzen sich zu einer blassen Faser zu - (Taf. XXVIM. Fig. 44 b.), die nun senkrecht oder schräge dem Basal- - saum zuläuft und ihn durchbohrt, häufig auch noch dicht unter diesem sich faltenförmig umbiegt, horizontal eine Strecke weit verläuft, um dann wieder aufsteigend hindurchzutreten. | So weit das Verhalten der Nerven bis zu ihrem Eintritt ins Epithel. - Dieses ist, wie es auch schon Deiters angiebt, mit Ausnahme der Stelle - der Wandung, an der der Nerv seine Ausbreitung findet, ein einfaches | Pflasterepithel, von ganz demselben Aussehen, wie ich es unter An- derem auch aus der Pars basilaris beschrieben und die Abbildung, die ich in Fig. 40 (Taf. XXVIH.) von ihnen gegeben, ist auch hier vollkommen zutreffend. Es sind kleine, polygonale Zellen mit dem - Kern im Grunde (Taf. XXVIN. Fig. 43 c.). Auch der Recessus, dessen — ieh erwähnt, ist von denselben ausgekleidet.- Nur dort, wo der Nerv sich ausbreitet, ändert es seinen Charakter, indem es auch hier jedoch viemlich rasch an Höhe zunimmt, eylindrisch wird (Taf. XX VII. Fig. #1 und 43) und dann vom Nervenepithel abgelöst wird. Dieses ist von -Deirers näher beschrieben und abgebildet worden. Er sagt, dass dort, - wo die Nervenfasern sich ausbreiten, sich vor Allem cylindrische mit ihrer spitzen Basis der Wand aufsitzende Zellen finden, welche regel- _ mässig eins, vielleicht auch mehrere Haare tragen. Zwischen ihren _ Ansätzen scheint sich eine zweite Lage kleiner Zellen zu befinden, _ deren Kerne nicht eben schwer zu sehen sind, die er aber nicht in voll- _ kommener Integrität erhalten konnte. Die Spitzen der eylindrischen Zellen stehen an der inneren Wand in nächster Beziehung zu den feinen Enden der Gehörnerven,, jedoch will er einen Zusammenhang nicht mit Bestimmtheit behaupten. Das Bild, welches Dkiters Fig. 15 ' giebt, ist ausserordentlich charakteristisch, noch mehr aber, wie - wir sogleich sehen werden, seine Flächenansicht Fig. 14. Er zeichnet dort ähnlich, wie er es beim Steinsack gethan, eine Reihe discret stehender Elemente, während er die zwischenliegenden Theile unbe- stimmt lässt. In der That sind diese ausserordentlich schwer zu sehen, und nur der aufmerksamsten Beobachtung gelingt es, an diesem Orte die constituirenden Elemente klar zu Gesicht zu bekommen, und dann taucht wieder dasselbe Verhältniss auf, welches ich schon so oft be- 406 Dr. 6, Hasse, schrieben, die dunkleren Stäbchenzellen mit den in unbestimmbarer Anzahl sie umgebenden lichteren Zahnzellen. Die bei Derrers discret stehenden Elemente repräsentiren meine Stäbchenzellen, während die dazwischen liegende Masse durch die Zahnzellen eingenommen wird (Taf. XXVIH. Fig. 42a. u.c.). Die Grenzcontouren der einzelnen Zahn- sellen sind ausserordentlich verwaschen und fliessen häufig in einan- der, so. dass man auch hier zu der Annahme-des Mangels einer Membran geführt wird: Der Querschnitt hebi vollends jeden Zweifel. Wir haben, wie an anderen Orten der Nervenausbreitung auch hier abwechselnd Stäbchen- und Zahnzellen (Taf. XXVIH. Fig. 44 eu. h.) mit denselben charakteristischen Theilen, wie in den Ampullen, dem Utriculus, dem Steinsack, dem Anfangstheil der Schnecke und der Pars basilaris. Jede Stäbchenzelle mit ihrem unteren nervenfaserähnlichen Fortsatz, ihrem Basalsaum, dem daraus hervorgehenden, spitz aus- laufenden Haar, der unteren bauchigen Anschwellung und der ent- sprechenden Einschnürung an der Zahnzelle, die ihren Kern im Grunde am Basalsaum des Knorpels zeigt. Das Härchen der Stäbchenzelle zeigt sich bei der Betrachtung von der Fläche auch hier häufig äls ein glän- zendes Pünctichen in der Mitte der dunkleren Kreise (Taf. XXVM. Fig. 42 b.). In dieses Epithel hinein begeben sich nach Durchbohrung des Basalsaumes die feinen Nervenfädchen , bilden auch hier gleichsam einen sub- oder intraepithelialen Plexus, ohne dass die einzelnen Fasern sich theilen oder .mit einander verbinden, allein es ist mir nicht gelungen, den Zusammenhang mit den, zelligen Theilen mit Bestimmtheit zu sehen, so oft mir auch Bilder zu Gesicht kamen, die für einen solchen zu sprechen schienen. Die vollständige Ueberein- stimmung im Bau des Nervenepithels lässt es jedoch mehr wie wahr- scheinlich erscheinen, dass eine Verbindung der blassen Fasern mit den Stäbchenzellen, wie in der Macula acustica des Utriculus statt- findet. Dem Nervenepithel ruht auch hier eine durchsichtige, homogene Membran auf, von der ich nicht mit Bestimmtheit behaupten kann, dass sie sich über die Grenzen des Nervenepithels auf das cylindrisch ge- wordene Pfiasterepithel erstreckt. Ich glaube nicht. Deımers bemerkt anlässlich dieses Gebildes, dass die Höhlung der Lagena wohl nur mit Flüssigkeit gefüllt sei, da man bei vorsichtiger Präparation keine Oto- lithen finde. Es finde sich auch keine die Lamina fenestrata fortsetzende Bildung in diesem Schneckentheil. Freilich ist diese Membran keine Fortsetzung der Membrana tectoria, und sie löst sich ausserordentlich leicht von ihrer Unterlage ab, allein sie ist constant vorhanden, nur darüber herrscht bei mir einiger Zweifel, ob nicht in ihrer Masse Oto- Das Gehörorgan der Frösche. 407 lithen eingeschlossen sind, oder wenigstens ihr aufliegen. Es ist sehwer, darüber zur Entscheidung zu kommen, da selbst bei vor- sichtigster Präparation aus dem Steinsack leicht eine Menge loser Oto- lithen hereingeschwemmt werden, allein hie und da habe ich doch, wie in dem Utriculus, einzelne Otolithen in der Masse gefunden, ebenso häufig fand ich sie freilich nicht, allein es mag sein, dass die ursprüng- lich weiche Membran bei Behandlung mit Reagentien dieselben fahren lässt, wie ich es auch vom Steinsack vermuthete, und dass dieselbe zu einer mehr consistenten Masse wird. Die Membran ist, wie gesagt, homogen, structurlos, klar und durchsichtig und auf dem Querschnitt leicht gestreift (Taf. XXVIM. Fig. 40 d.), als der Ausdruck blind ge- schlossener Ganäle, in die die Härchen der Stäbchenzellen hineinragen. Da diese kürzer sind und mehr einen geraden, parallelen Verlauf haben, so ist die Membran auch mehr parallel gestreift. Zum Schluss dieser speciellen Beschreibung des Baues des’Gehör- apparates der Frösche möchte ich noch einen Blick auf die histologische Structur des Nervus cochlearis werfen, welcher, wie wir wissen, _ neben dem Nervus vestibularis in der Einschnürung zwischen dem Anfangstheil der Schnecke, der Lagena und der Pars basilaris verläuft, brückenförmig den Anfangstheil mit einem Zweig überwölbt und zwei Zweige zu den beiden anderen Abitheilungen giebt, um sein Ende an der frontalen Ampulle zu finden. Waren bei dem Ramus vestibularis - die zwei eonstituirenden Elemente, die Ganglienzellen und die doppelt contourirten Nervenfasern durcheinander gelagert, so häufen sich erstere _ an der innern Schädelwand, so dass sie in ihrer Anordnung lebhaft an ein Ganglion erinnern, während ein Theil der Nervenfasern für sich an der Stelle, wo der Ast an dem häutigen Gehörbläschen lagert, - sich findet (Taf. XXVI. Fig. 15 au. b.) Die Ganglienzellen bieten ganz . ’ dasselbe Aussehen und dieselbe Form dar, wie ich es vom Ranus vesti- bularis beschrieben. Auch hier ist es mir nicht gelungen, irgend welche eomplicirte Structur der Zellen nachzuweisen. Ob die einzelnen Ganglienzellen und Nervenfasern durch ein Bindegewebsneiz von ‚einander isolirt- sind oder nicht, habe ich auch hier nicht endgültig entscheiden können, während die allgemeine Umhüllungsmembran - relativ leicht nachzuweisen ist. Dies der Bau des Gehörorgans der Frösche. Werfen wir nun einen ' Blick auf das Hauptresultat dieser mühevollen Untersuchung , so ist es jedenfalls das, dass es mir auch hier gelungen ist, eine vollkommene Uebereinstimmung im Bau des Epithels, in weichem die Fasern des - Acustieus sich ausbreiten, an allen Theilen des Gehörapparates zu erzielen und nicht blos dies, sondern auch eine vollkommene Uebereinstimmung 408 Dr. 0. Hasse, mit denselben Theilen ın allen einzelnen Organen des Gehörapparates der Vögel und des Epithels der Gristae acusticae der Ampullen und der Macula acustica im Utriculus der Säuger nachzuweisen. Ist es mir auch hier nicht überall gelungen , den Zusammenhang der Nerven mit den durch Zahnzellen isolirten Stäbchenzellen darzuthun,, so findet er doch nachgewiesenermaassen an einigen Orten statt und lässt somit die Wahrscheinlichkeit der Verbindung an den übrigen Stellen sehr in den Vordergrund treten, so dass auch hier das schon früher auf- gestellte Princeip Geltung haben würde, dass nämlich die von einander isolirten Nervenfasern aus-einer Ganglienzelle hervorgegangen , ohne Theilung und ohne Verbindung mit einander je zu einer durch andere Zellelemente isolirten Stäbchenzelle gehen. Diese Zellen sind überall auf dieselbe Weise gebaut und ein schwingungsfähiger Aufsatz, ein Gehör-. härchen, ragt auch hier, wie bei den Ampullen frei in die Endolymphe, oder wie bei dem Steinsack und wahrscheinlich bei dem Utrieulus und der Lagena in eine mit einem Otolithenkrystallhrei erfüllte homogene Masse, oder in eine vollkommen homogene Membrana tectoria, wie ım Anfangstheil der Schnecke und in der Pars basilaris. Somit ist es auch für die Frösche mehr als wahrscheinlich, dass die Tonempfindungen zuerst und vor allem durch Wellenbewegung in der Endolymphe und Schwingungen in der Otolithenmasse und der Membrana tectoria erregt werden, die wieder Schwingungen der Gehörhärchen bewirken, durch die dann direct der Nervenvorgang ausgelöst wird. ‘Für eine neue Classe von Wirbelthieren hat also, soweit es das Zustandekommen der Gehörempfindungen betrifft, eine Theorie Geltung, die ursprünglich nur für die Gruppe der Vögel aufgestellt wurde, eine Theorie, die auch auf die Ampullen und den Utriculus der Säugethiere ausgedehnt werden muss. Welche Bedeutung hat das nun für die Schnecke derselben Thiere und für das Gehörorgan des Menschen? Einen solchen Schluss zu ziehen und zu sagen, dass das, was für die Gehörorgane der Vögel und Frösche und für den Bogenapparat der Säuger gilt, auch für den Menschen und für die Schnecke der Säuger und der anderen Wirbel- thiere Geltung haben muss, ist allzukühn, allein es ist doch immer ein Wahrscheinlichkeitsschluss erlaubt, und den wage ich auch jetzt wie- der zu machen. Ich glaube mich um so mehr dazu berechtigt, weil die Erkenntniss des Baues des Gehörorgans der Menschen noch weit davon entfernt ist, auch nur einen einigermaassen befriedigenden Abschluss zu bieten. Es ist möglich, dass sich bei ihnen principielle Abweichungen im Bau finden, dass eine andere Endigungsweise des Nerven namentlich in der Schnecke vorhanden ist, und ich bin gewiss weit davon entfernt, mich gegen eine solche Möglichkeit zu verschliessen, allein es ist mir Das Gehörorgan der Frösche, 409 nicht wahrscheinlich. Der neueste Untersucher Mıppenporp : »Het vliezig slakkenhuis in zienere woerding en in den ontwikkelnden Toestand« !) hat in einer sehr fleissigen Arbeit, theils die schon bekannten Befunde bestätigt, theils neue wichtige Angaben gemacht, die, wenn sie sich bewahrheiten, allerdings die Möglichkeit einer anderen Endigungsweise des Acustieus in der Schnecke wenigstens zur Gewissheit erheben, allein, so wenig ich mir erlaube, an der Richtigkeit seiner positiven Befunde zu zweifeln, so bin ich doch für einmal nicht geneigt, ihm auf dem Gebiet seiner Hypothesen zu folgen. Er nimmt folgende Endigungs- weise der Gehörnerven an. Die feinsten Fäserchen sollen nach ihrem Eintritt in die Scala media sich mit kleinen Endganglienzellen verbin- den, die Derrers als zum Bindegewebe gehörig unterhalb der innersten Haarzellen beschrieben hat. Von diesen sollen dann feine, varicöse Fädchen zwischen den Haarzellen, ohne sich mit ihnen zu verbinden, emporziehen. Dort lässt er sie zunächst frei enden. Das Positive an dem Befunde ist, dass sich ein Zellennetzwerk unter den innersten Haarzellen befindet und Fortsätze zwischen diesen emporschickt, das Hypothetische, dass sie mit den feinen Nervenfasern auf der unteren Seite in Verbindung stehen sollen. Er geräth da, wie gesagt, in Gonfliet mit Deıters, der diese Gebilde als zum Bindegewebe gehörig betrachtet. - Mir fehlen alle Anhaltspuncte wegen Mangels eigener Untersuchungen, - um mich für oder gegen eine Ansicht bestimmt zu entscheiden, und - somit darf ich mir keine Kritik der Mınpenporr'schen Angaben erlauben, allein ich kann nicht läugnen, dass es mich mehr auf Deirers’, als auf - seine Seite zieht, und dazu hat mich namentlich die Minpennorr’sche Ahbildung Fig. 26 gebracht. Ich wurde durch dieselbe lebhaft an Bil- - der erinnert, die ich bei den Vögeln aus der Papilla spiralis der Schnecke bekommen, und welche ich in meiner Abhandlung?) : »Nachträge zur - Anatomie der Vogelschnecke« beschrieben. Dort sahen wir feine Fäd- 7 ehen zwischen den Stäbchenzellen emporragen, die hie und da Varico- ./ sitäten zeigen können, und die von Kerngebilden unterhalb derselben i ausgingen. Diese Kerngebilde mit ihren Fortsätzen, die förmlich ein I netzartiges Stratum zwischen Stäbchenzellen und Basilarmembran bil- _ den, waren die Ueberreste der im embryonalen Zustande zwischen den Stäbehenzellen wohl entwickelten Zahnzellen, die durch die auswach- hEr Sn 0 = | se den Nervenendapparate und die Nervenfäserchen in ihren oberen ‘7 und unteren Protoplasmafortsätzen verkümmerten oder zusammen- I gedrückt wurden, so dass allein die Kerne mit etwas Protoplasma um © | E 4) Gröningen 1867. '2) Diese Zeitschrift. Bd. XVIl. EN 5 “al. Mr A410 Dr, 6. Hasse, sie herum ın der ursprünglichen Form zurückblieben , wie ich es aus- führlich in meiner Arbeit: »Beiträge zur Entwickelung der Gewebe der häutigen Vogelschnecke«!) beschrieben habe. Ich möchte von diesem Gesichtspuncte aus den weit vorgedrungenen Forscher auffordern, seine embryologischen Studien auf die Gewebe weiter auszudehnen und zu sehen, ob nicht etwas Aehnliches beim Menschen vorkommt. Die Uebereinstimmung in den Bildern ist zu frappani, und ich habe ausserdem Deiters’ Deutung als Bindegewebe, die meiner Vermuthung mehr Stütze verleiht. Ist sie richtig, nun dann ist für den Menschen nicht ausgeschlossen, dass dennoch die Haar- oder Stäbchenzellen Nervenenden sind. Es bleibt mir nun noch übrig, die Aehnlichkeiten, die sich zwischen den einzelnen Theilen des Gehörorgans der Batrachier und denen der höheren Thiere finden, nachzuweisen. Es ist wirklich überraschend, auf wie ausserordentliche Weise dieselben trotz des auf dem ersten Blick so differenten Aussehens einander entsprechen. Auch Deirers hat darauf aufmerksam gemacht, und es gelingt an der Hand der Ent- wiekelungsgeschichte die eine Form aus der anderen zu construiren. (sehen wir von dem einfacher, embryonalen Gehörbläsehen der höheren Thiere aus, so wissen wir durch KörLıker ?), dass die einzelnen Theile und namentlich die Schnecke durch Hervorstülpungen gebildet werden. Es tritt zuerst ein blindgeschlossenes, gestrecktes Rohr auf, dessen Form aufs Lebhafteste an die Schnecke der Vögel erinnert und sich erst später windet. Das Rohr steht mit dem Bläschen durch den Ganalis reuniens in offener Communication. Durch Abschnürungen zerfällt dann dieses wiederum in zwei Abschnitte, in den Utriculus und den Sacculus, welchem ersteren die Ampullen und Bogengänge angehören, während mit letzterem die Schnecke in Verbindung steht. Zu jeder dieser Abtheilungen treten dann besondere Aeste des Acusticus. Bei den Vögeln tritt keine Theilung des Gehörbläschens auf, und die Schnecke bleibt gleichsam auf embryonaler Stufe stehen, zeigt sich ge- streckt. Wie ist es nun bei den’Fröschen? Ampullen und Bogengänge sind bei den Fröschen ebenso differenzirt, wie bei den höheren Thieren, aber alle übrigen Theile, mit Ausnahme der Lagena, erheben sich nicht über das Niveau des Gehörbläschens. Es findet keine Hervorstülpung statt, die die Theile zu selbständigen, nur durch enge Mündungen mit den übrigen Theilen communieirenden Gebilden machen. Die Theile sind gleichsam zurückgesunken und zeigen sich nur .als Verdickungen I 2) Entwickelungsgeschichlte. Das behörorgan der Frösche, 411 in der Wand, so dass sıe in das innere Lumen des Gehörbläschens hineinsehen. Alle Theile sind aber, wie wir gleich sehen werden, vor- handen. Die Uebereinstimmung geht aber, abgesehen von der Schnecke, weiter. Das Gehörbläschen zerfällt durch Einschnürung oder vielmehr Auftreten einer Scheidewand in zwei gesonderte Säckchen. In dem einen münden die Ampullen und die Bogengänge, dem anderen gehören die Schneckentheile und der Steinsack an. Beide communiciren mit einander durch eine enge Oeffnung, die Apertura atriculi, und über sie weg wölbt sich dann das sogenannte Tegmentum vasculosum , welches gleichsam ein Dach über den gemeinsamen Hohlraum der Schnecke und des Steinsacks bildet. Man kann es, wie auch Deiters es gethan, als eine Andeutung des Tegmentum vasculosum der Vögel ansehen, somit auch als ein Analogon der Membrana Reissneri. Ein Ganalis reuniens im Sinne der höheren Thiere fehlt, wenn man nicht die zarte 1 Wandung jenseits der Schneckentheile, der dieselben mit der Macula | acustica des Steinsacks verbindet, als solchen ansehen will. So können - wir denn mit Recht von einem Utrieulus und einem Sacculus sprechen. - Der Utrieulus ist die Abtheilung des Gehörbläschens, in der die Am- pullen und Bogengänge münden, der Sacculus der Theil, den wir als Steinsack haben kennen gelernt. Es möchte überflüssig sein, auf die Uebereinstimmung im Bau der Ampullen, der Bogengänge, der Maeula acustica des Utriculus und des Steinsacks zwischen Batrachiern und höheren Wirbelthieren hinzuweisen, sie ist in den wesentlichsten Theile eine so vollständige, als man nur wünschen kann, namentlich - ım Bau des Nervenepithels. Nicht so einleuchtend auf dem ersten Blick - sind die Analogien der Schneckentheile mit denen höherer Wirbel- thiere. ’ | Werfen wir noch einen Blick aui das vorhin erwähnte Entwicke- lungsschema, so ist es begreiflich, dass das Ende der Schnecke hei dem Zurücksinken der Theile in die Wand des allgemeinen Gehör- bläschens zuletzt verschwinden und von allen Theilen die grösste - Selbständigkeit besitzen muss. In der That ist dies der Fall, und das Schema, welches ich gegeben, scheint sich nicht allzuweit von den _ wirklichen Verhältnissen zu entfernen, denn, wenn wir in der Thier- reihe aufwärts gehen und das Gehörorgan der Schildkröten betrachten, welches Deiters') theilweise mit in den Bereich seiner Beobachtungen gezogen hat, so ist bei diesen die Selbständigkeit des Endes der Schnecke noch grösser, und es scheinen noch andere Theile mit differenzirt zu sein, so dass wir ein mehr den Vögeln sich näherndes Verhalten haben, ‘wo sich ja die Schnecke vollkommen selbständig aus dem Sack heraus- ke: } \ j b 412 Dr, ©. Hasse, gebildet hat. Der entwickelten Auffassung des Baues des Gehörorgans in der Thierreihe abwärts entsprechend muss derjenige Theil, welcher den Anfang der Schnecke bildet, am innigsten der Wand des Gehör- bläschens angehören, und in der That ist dies mit dem Theil, den ich Anfangstheil der Schnecke genannt habe, und über den der Nervenast sich auf so eigenthümliche Weise brückenartig hinüberwölbt, der Fall. "Ueber ihm steht gleichsam als Dach das Tegmentum vaseulosum der Schnecke, welches sich im Umkreise der Apertura utriculi ansetzt. Zwischen diesen beiden Theilen ist nun die Pars basilaris eingeschoben. Die hei den Vögeln selbständige Schnecke sehen wir eine halbe Win- dung vollführen. Man kann etwas Aehnliches auch bei den Fröschen nachweisen. Auch hier ist die Schnecke gewunden und zwar, wenn man, wie ich es muss, die grössere Hälfte des Anfangstheils als Beginn nehmen will so, dass die Schneckentheile aus der Ebene, die der inneren Schädelwand am nächsten liegt, nach aussen und etwas nach hinten sich wenden, und darauf mit ihrem Ende der Lagena der Innen- fläche sich wieder nähern. : Diese Windung wird sich am deutlichsten zeigen, wenn Deiters’ Angaben über den Zusammenhang der beiden Membranae tectoriae des Anfangstheils und des Knorpelrahmens, den ich freilich nie gesehen, sich als richtig erweisen sollte. Die Art und Weise der Lagerung des Anfangstheils ist nun nicht der einzige Grund, warum ich ihn mit diesem Namen belege. Es ist namentlich das Verhalten des Knorpels und des Nervenepithels. Im Anfang der Schnecke sehen wir auch die heiden Knorpel zusammenstossen und gleichsam eine Schale bilden. Dieser Process der Verschmelzung ist bei den Fröschen ausser- ordentlich viel weiter gediehen , und man sieht keine Spur einer Mem- brana basilaris, höchstens eine Verdünnung der Knorpelwand an der Stelle, wo sie sich befinden sollte. Wir sahen ferner bei den Vögeln das Nervenepithel schmal beginnen , und dies ist auch der Fall mit der Papilla acustica. Während sie nun aber bei den Vögeln continuirlich an Breite zunahm, ein Umstand, worauf ich das grösste Gewicht heim Zustandekommen der Tonempfindungen legen zu müssen glaubte, da durch ausgedehntere Schwingungen der Membrana tectoria immer mehr Stäbchenzellen in Mitleidenschaft geriethen, so ist eine solche successive, wahrscheinlich gesetzmässige Zunahme bei den Baträchiern, wie es scheint, nicht da, wenigstens findet sie sich nicht, wenn man sich nach der Form der Membrana tectoria richtet. Sie folgt keinem Gesetz, und vielleicht möchte das eine geringere Fähigkeit der Frösche im Wahr- nehmen von Tönen bedingen. Die Membrana teetoria sahen wir bei den Vögeln von den Zahnzellen des Knorpels als Gutieularbildung aus- ” gehen und sich über das Nervenepithel’bis an dessen Grenze erstrecken, p Das Gehörorgan der Frösche. 413 bei den Fröschen ruht sie auch im Anfangstheil den Zahnzellen auf, jedoch finden sich diese nicht blos auf einer Seite der Papilla acustia, sondern auf beiden, und dadurch ist eine wichtige Differenz gegeben. Durch die Art der Anheftung der Membran möchte wohl ein geringerer Grad von Schwingungsfähigkeit bedingt sein, als bei einer, die nur an dem einen Ende befestigt, am anderen dagegen vollkommen frei ist. Cortische Zellen fehlen hier, ebenso wohl wie bei den Vögeln und das Nervenepithel hat sich in seinem Aussehen mehr dem an anderen Orten genähert. Die Pars basilaris lässt sich auf den ersten Blick in Analogie bringen, sie repräsentirt den Basilartheil der Vogelschnecke, denn sie trägt ja die Membrana basilaris, die freilich in ihrem Bau abweicht, indem sie nur dem Basalsaum derselben als gleichwerthig anzusehen ist, während die unterliegenden elastischen Fasern, die dort die Haupt- masse bilden und eine so eigenthümliche Entwickelung zeigten, fehlen. Das Nervenepithel erhebt sich bei den Vögeln nach Art der Papilla spiralis oberhalb des Durchtrittes der Nerven durch den Knorpel. Die Membrana basilaris bleibt hier frei. Cortrsche Zellen fehlen. Die Membrana tectoria liegt auch hier den Zahnzellen zu beiden Seiten des Nervenepithels ohne ein freies Ende an. Aehnlich wie bei den Vögeln das Tegmentum vasculosum, das Analogon der Membrana Reissneri, dem Knorpel anhaftet, so auch hier der Schneckentheil, dessen Zellen in ihrer Farbe an die Gebilde des Tegments erinnern. Bei den Vögeln schliessen sich die Knorpel dann wieder zur Lagena und dasselbe ist bei den Fröschen der Fall, und die Uebereinstimmung im Bau ist hier wie dort, eine vollkommene, namentlich, wenn es ge- lingt, Otolithen in der homogenen, dem Nervenepithel aufliegenden Membran nachzuweisen. Hier wie dort die abwechselnd stehenden Zahn- und Stäbchenzellen mit ihren Härchen in die Membrana tectoria ragend. Die indifferenten Cylinderzellen,, die sich bei den Vögeln in dem ganzen Bereich der Schnecke von Anfang bis zur Lagena finden, sind durch indifferentes Pflasterepithel ersetzt. Alle wichtigen Theile, -Stäbehen und Zahnzellen, sowohl aus der Papilla selbst, als aus deren "Umgebung und Membrana tectoria sind vorhanden, überall fehlen da- gegen die Gortrschen Zellen. Das bedingt den wichtigsten Unterschied von den Säugern und Menschen. Selbst die Nervenäste bieten in ihrem Bau Uebereinstimmungen. Sehen wir nicht auch bei den Fröschen im Nervus cochlearis die Andeutung eines Ganglion, und dann sehen wir nicht auch bei den Fröschen dem Foramen ovale die ausserordentlich zarte Wandung des Gehörbläschens zugekehrt, die den Schallwellen den geringst möglichen Widerstand leistet, so dass dieselben ungetrübt im Gehörbläschen die Endolymphe, die Membrana tectoria und die 414 Dr. 0. Hasse, Otolithenmasse und dadurch die Gehörhärchen in Schwingungen ver- setzen und so den Nervenvorgang auslösen können ? Das Wesen im Bau ist dasselbe geblieben, nur das Unwesentliche ist mannigfach modificirt, und die Art und Weise, wie die einzelnen Theile angeordnet sind. Wie weit nun auch die Veränderungen in der letzten Wirbelthierclasse bei den Fischen gehen, das wäre ein Gegenstand für eine höchst interessante Forschung und hoffentlich ist mir Zeit vergönnt, recht bald diesen interessanten Punct in Angriff zu nehmen, und ebenso die Thiere höherer Ordnung, Reptilien, Schildkröten und Krokodile, um somit die verbindenden Glieder der Kette einzufügen, und um womöglich das allgemeine Prineip im Bau des Gehörapparates auch hier bestätigt zu finden, das Herantreten des isolirten Nervenfadens an eine isolirte, mit einem schwingenden Haar versehene Zelle, deren Haar entweder in eine schwingende Membran oder frei in die Endolymphe hineinragt. Würzburg, März 1868. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVI. Fig. t. Natürliche ‚Grösse. Schädel eines Frosches von der Seite gesehen und | etwas um seine Längsaxe gedreht. a Foramen ovale. 5b Sagittal gestellter Bogengang. c Frontal gestellter Bogengang. d Horizontaler Bogengang. e Foramen magnum oceipitis. Fig. 2. Vergr. %/,. Decke der Bogengänge und Ampullen abgehoben, um die häutigen Theile in ihrer Lage zu zeigen. Von oben und etwas von der Seite gesehen. a Foramen ovale in der Verkürzung. 5 Der häutige sagit- | tale Bogengang. c Der frontale Bogengang. d Der horizontale Bogengang. e Die Ampulie des sagittalen Bogengangs. fDie Ampulle des horizontalen Bogengangs. g Ampulie des frontalen Bogengangs. | Fig. 3. Vergr. ®0),. Querschnitt durch einen knöchernen und häutigen Bogen- gang, um die Excentricität des Letzteren zu zeigen. a Knorpelige Wan- dung. 5 Häutiger Bogengang. Alkoholpräparat. . Vergr. %)/,. Querschnitt durch den knorpeligen Bogengang mit der Periostbekleidung. «a Knorpelige Wandung. b Losgelöstes Periost mit eingestreuten Kerngebilden. Alkoholpräparat. 7 “T) RR P=2 Fig. Fig. or I Das Gehörorgan der Frösche. 415 . Vergr. 6). Das’ gesammte häutige Gehörorgan des Frosches von der der Schädelwand zugekehrten Fläche gesehen. «a Sagittaler Bogengane. b Ampulle des sagittalen Bogengangs. c Horizontale Ampulle. d Der Steinsack mit dem an ihm sich ausbreitenden Nervenaste. e Lagena oder Ende der Schnecke mit dem dazu gehörenden Nervenaste. / Ampulle des frontalen Bogengangs. g Stamm „des Nervus acusticus. Osmiumsäure- präparat. . Vergr. 6/),. Der gesammte häutige Gehörapparat des Frosches von der dem Foramen ovale zugekehrten Seite aus gesehen. a Ämpulle des fron- talen Bogengangs. b Tegmentum vasculosum der Schnecke. c Pars basi- laris der Schnecke. d Steinsack oder Sacculus des Frosches. e Ampulle des horizontalen Bogengangs. g Sagittaler Bogengang. Ah Die Vereinigung der beiden verticalen Bogengänge. i Frontaler Bogengang. %k Horizontaler Bogengang. Osmiumsäurepräparat. . Vergr. ®/,. Die Ausbreitung des Nervus vestibularis von der der inneren Schädelwand zugekehrten Seite gesehen. a Stamm des Nervus vestibu- laris. 5 Die zum Steinsacke oder dem Sacculus gehende und in dessen Macula acustica sich ausbreitende Aeste. .c Der zur Macula acustica des Utriculus gehende Nervenasti. e Der Nervenast der Crista acustica der horizontalen Ampulle. d Der zur Crista acustica der sagittalen Ampulle gehende Nervenast. f, g Durchscheinende Pigmentflecke jenseits der Cristae der beiden Ampullen. Osmiumsäurepräparat. . Vergr. 3/,. Die Ausbreitung des Nervus cochlearis. Die Schnecke ist aus ihrer Verbindung mit dem Steinsack (Saceulus und dem Utriculus) abgelöst, und das Tegmentum vasculosum, die Pars basilaris und die Lagena sind gegen den Steinsack zurückgeschlagen, um den Beginn der Schnecke zu zeigen. a Stamm des Nervus cochlearis. b Der an der Lagena sich ausbreitende Ast. c Der zur Pars basilaris gehende Nerven- zweig. d Der brückenförmig über den Anfang der Schnecke herüber- gehende Nervenast. e Der zur frontalen Ampulle verlaufende Endast des Schneckennerven. / Die durchscheinende Crista acustica der frontalen Ampulle. Osmiumsäurepräparat. . Vergr. 2/,. Das häutige Gehörorgan nach Abtragung der Ampullen und Bogengänge, des Tegmentum vasculosum, der Pars basilaris, der Lagena, der Schnecke und der dem Foramen ovale zugekehrten zarten Wandung des Sacculus (Steinsack). «a Der durchschnittene sagittale Bogengang. b Der durchschnittene frontale Bogengang. c Deren Vereinigung. d Der durchschnittene horizontale Bogengang an seiner Einmündung in den Utrieulus. f Gemeinschaftliche Mündung der horizontalen und sagittalen Ampulle in den Utriculus. g Wand des Utriculus an der Stelle des abge- lösten Tegmentum vasculosum der Schnecke. h Grund des Utriculus. i Unvollständige Scheidewand des Utriculus, unterhalb welcher die Ampullen, oberhalb welcher die Bogengänge in denselben münden. k Nervenausbreitung an der Macula acustica des Utriculus. 2 Der Stamm der zur horizontalen und sagittalen Ampulle gehenden Nervenäste, m Zum Steinsack sich begebende Nervenzweige. n Brückenförmig über den Anfang der Schnecke sich hinüberschlagender Ast des Nervus cochlearis. o Der Anfangstheil der Schnecke. Osmiumsäurepräparat. Fig. Fig a 15. 4416. BR . Vergr. %/,. Querschnitt durch die Macula acustica des Ütriculus. den Basalsaum durchbohrendes und sich an eine Stäbchenzelle begeben- ..Vergr. 700/,. Dem Basalsaum aufsitzende Gruppe von Zellen aus der Um- Dr. 6. Hasse, . Vergr. /,. Das häutige Gehörorgan, von dem äusser den in voriger Figur angegebenen Theilen noch die Decke des Utriculus, der nach aussen ge- kehrte Theil der Bogengänge, ferner der Theil, der die Einmündung der horizontalen und sagittalen Ampulle deckt, abgetragen ist, um die Scheidewand zu zeigen, unter der die frontale Ampulle mündet. a Die vereinigten verticalen Bogengänge. b Schwache Firste zwischen ihnen und der Einmündung des horizontalen Bogengangs. c Horizontaler Bogen- gang. d Unvollständige Scheidewand des Utriculus. e Einmündung der abgeschnittenen frontalen Ampulle in den Utriculus. f Einmündung der vereinigten horizontalen und sagittalen Ampulle in den Utriculus. g Steinsack abgeschnitten. A Der zu den zusammenliegenden Ampullen sehende Nervenast. i Ast für den Schneckenanfang. Osmiumsäure- präpäaraät. Vergr. 1%/,. Die Nervenausbreitung an der Macula acustica des Utriculus. a Der zum Utriculus gehende Nervenast. 5 Macula acustica mit dem darauf sitzenden Nervenepithel. c Epithelzellen mit der Umgebung der Macula acustica, .d Zellbekleidung der übrigen Utricularwandung. e Pig- mentzellen. Osmiumsäurepräparat. a Utricularast des Nervus vestibularis. 5 Die sich zuspitzenden,, in blasse Fasern auslaufenden dunkelrandigen Nervenfäden. c Knorpelwandung des Utriculus. d Gefässe. e Basalsaum. f Zellen aus der Umgebung der Macula acustica. g Nervenepithel. A Schwache Leiste, die der unvoll- ständigen Scheidewand Fig. 410 d gegenüber steht. © Pflasterepithel der Utricularwandung. Osmiumsäurepräparat. Vergr. 70/,. Theil eines Querschnittes durch die Macula acustica des Utriculus, um das Nervenepithel, dessen Härchen und dessen Otolithen- masse jedoch abgefallen ist, zu zeigen. u Knorpelwandung des Utriculus. b Basalsaum. c Plexus der dunkelrandigen Nervenfäserchen und blasses, des Nervenfäserchen. e Undeutlicher Uebergang einer dunkelrandigen ir eine blasse Faser. f Kern einer Stäbchenzelle. g Oberer Theil einer Stäbchenzelle. k Verdickungssaum, i Zahnzelle. k Kern einer Zahnzelle. Alkoholpräparat. gebung der Macula acustica des Utriculus. a Basalsaum. db Cylinder- zelle. ce In der Mitte liegender Kern derselben. Osmiumsäurepräparat. Vergr. 30/,. Gruppe von Pflasterzellen der Utricularwand. Alkohol- präparat. Vergr. 300/,. Querschnitt durch den Nervus cochlearis. a Ganglienzellen, die gleichsam zu einem Ganglion cochleare vereinigt sind. b Nerven- fäserchen. Alkoholpräparat. ; Vergr. %/,. Der Anfang der Schnecke aus der Verbindung mit den übrigen Theilen losgelöst von oben gesehen. «a Brückenförmig über den Anfangstheil der Schnecke hinübergehender Nervenast. 5 Zarte in Falten gelegte Verbindungsmembran mit dem benachbarten Theilen. e Aeussere Wandung des Schneckenanfangs mit dem bekleidenden Epithel. d Grund des Anfangstheils. e Losgelöste Membrana tectoria (Corrı). f Ausbrei- tung des Nerven. g Nervenepithel. A Das unterhalb der Nervenbrücke Fig, . Fig "Fig. 18, y2: 20. 2. M, 23. . 24. . 25. Das Gehörorgan der Frösche, 417 fortziehende Epithel. © In die kleinere Abtheilung des Schneckenanfangs ragender Theil der Membrana tectoria % Die in der Wand der Pars basilaris übergehende Wandung des Anfangstheils . der Schnecke Osmiumsäurepräparat. Tafel XXVII. Vergr. 140/,. Durch eınen Längsschnitt getrennte Hälfte des Anfangs- theils der Schnecke von der Innenfläche gesehen, um die Ausbreitung des Nervenepithels zu zeigen. a Der durchschnittene, brückenförmig hinübergehende Nervenast. b Die Ausbreitung des Nervenepithels in der srösseren Abtheilung des Anfangstheils der Schnecke. c Dieselbe in der kleineren in den Basilartheil der Schnecke übergehenden Abtheilung. d Zahnzellen. e Die Epithelzellenauskleidung im Grunde. Osmiumsäure- präparat. Vergr, 700/,. Stück der Nervenepithelausbreitung (Papilla acustica) des Anfangstheils der Schnecke von der Fläche gesehen. a Stäbchenzelle, b Glänzendes Pünctchen als Ausdruck des Gehörhaares. c Kreisförmig die Stäbchenzellen umgebende Zahnzellen der Papille. Osmiumsäure- präparat. Vergr. %/,. Durch einen Längsschnitt getrennte Hälfte des Anfangstheils der Schnecke von der Innenfläche nach Ablösung des Nervenepithels ge- sehen, um die Nervenausbreitung zu zeigen. a Durchschnittener , unge- theilter Nervenstamm. b Zweig desselben, der sich an die grössere Ab- theilung begiebt, c Derselbe an die kleinere Abtheilung gehende Zweig, der auch die mittleren Parthien versorgt. Osmiumsäurepräparat. Vergr. 700/,. Stück der Membrana tectoria stark vergrössert. a Eindruck in die leicht streifige, klare Grundmasse db der Membrana tectoria, die mit freien Rändern dem Verdickungssaum der Stäbchenzellen aufruht und in den das Haar hineinragt. Alkoholpräparat. . Vergr. 140/,. Die vollständig conservirte Membrana tectoria aus dem An- fangstheil der Schnecke. a Die leicht streifige Grundsubstanz der Mem- bran. db Eindrücke von den Härchen der Stäbchenzellen herrührend. Alkoholpräparat. Vergr. 140/,. Längsschnitt durch die obere Wand des Anfangstheils der Schnecke (Fig. 48) etwas unterhalb der Nervenepithelausbreitung. a Knorpelige Wandung. b Die Zahnzellen aus der Umgebung der Papilla acustica. c Die Pflasterepithelzellen aus dem Anfangstheil der Schnecke. d Die Pflasterzellen des Utriculus. Alkoholpräparat. Vergr. 70/,. Stück des Nervenepithels aus dem Anfangstheil der Schnecke. a Knorpelmasse. b Basalsaum. c Blasse zum Basalsaum ver- laufende Nervenfaser. d Kern einer Stäbchenzelle. e Oberer Theil einer Stäbchenzelle. f Verdickungssaum einer Stäbchenzelle. g Haar der Stäbchenzelle. A Zwischenliegende Zahnzellen mit dem Kern im Grunde. Alkoholpräparat. 5 Vergr. %/,. Querschnitt durch die grössere Abtheilung des Anfangstheils der Schnecke. a Untere Knorpelwandung. b Pflasterzellen, welche die- selbe bekleiden. ce Basalsaum. d Nervenepithel der oberen Wand. eGegen das Nervenepithel aufsteigende Zahnzellen. f Pflasterzellen- Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. . 27 418 Fig. Fig. 26. 3. 29, g. 30. 734, 33, . Vergr. %/,. Die Stelle, wo das Tegmentum vasculosum von dem Utri- .. Vergr. %),. Querschhitt durch die kleinere Abtheilung des Anfangstheils. “ d Entgegengesetzte Wand der ablösbaren Schneckentheile. e Eingang in . Vergr. %/,. Pars basilaris und Lagena der Schnecke isolirt und zugleich Dr. C. Hasse, bekleidung der oberen Wand. g Pflasterzellenbekleidung des Utriculus. Osmiumsäurepräparat. Vergr. %/,. Querschnitt aus der Gegend des Anfangstheils der Schnecke, wo sich der Nervenast brückenförmig hinüberschlägt. « Brückenförmig. hinübergehender Nervenast. b Pflasterepithelbekleidung der äusseren Brückenfläche. c Pflasterzellen des Utriculus. d Nervenfaserausbreitung. e Nervenepithel. f Unter der Brücke sich hinziehende Zahnzellen. g Pflasterzellen der inneren Brückenfläche. h Gefässe. Osmiumsäure- präparat. culus losgelöst ist, vergrössert. a Knorpelwandung des Utriculus. b Zurückgebliebene Läppchen des losgelösten Tegmentum vasculosum. c Epithelbekleidung auf der Aussenfläche der äusseren Utricularwand. d Durchschnittene Knorpelmasse. e Grund des Utriculus. f Nervenaus- breitung am Anfangstheil der Schnecke. Osmiumsäurepräparat. der Schnecke. a Nerfvenausbreitung. b Nervenepithel. e Zahnzellen aus der Umgebung desselben. d Pflasterzellenbekleidung. e Grund der Ab- theilung von der Fläche gesehen. f Pflasterepithelien des Utriculus. Osmiumsäurepräparat. Vergr. %/,. Querschnitt durch das Tegmentum vasculosum der Schnecke. a Knorpelwandung desselben. b Pflasterzellenbekleidung. e Pigmentzellen. Präparat aus Osmiumsäure. Vergr. 3%/,. Gruppe von Pflasterepilhelzellen des Tegmentum vasculosum von.der Fläche gesehen. Osmiumsäurepräparat. Vergr. 22/,. Die von dem übrigen Gehörorgan ablösbaren Theile der Schnecke isolirt. a Tegmentum vasculosum. Db Fasern der zarten der Macula acustica des Steinsacks (Sacculus) gegenüberliegenden Membran, Fi: die sich mit der einen Wandung der Schneckentheile ce verbindet. die Lagena. f Nervenast, welcher an die Pars basilaris der Schnecke zieht. g Zar Lagena gehender Nervenast. h Leiste zwischen Tegmentum vascu- losum und Pars basilaris. © Membrana basilaris. k Decke der Lagena Osmiumsäurepräparat. * Tafel XXVIII. die Decke der Lagena abgetrennt, so dass man die Nervenausbreitung in derselben zu Gesicht bekommt. a Der zur Pars basilaris gehende Ast des Nervus cochlearis. 5 Zur: frontalen Ampulle gehender Nervenast. d Die Ausbreitung des Nerven und Nervenepithels in der Lagena. e Firste zwischen Pars basilaris und Lagena. f In die Wandung des Sacculus übergehende Wand der losgelösten Schneckentheile. g Membrana basi- laris. Osmiumsäurepräparat. 3 Vergr. 2®/,. Pars basilaris der Schnecke isolirt und von der Fläche ge- sehen. . a Knorpelwand derselben. 5b Der zu ihr gehende Nervenzweig. c Nervenepithel des Basilartheils.. d Membrana basilaris mit ihrer Zell- bekleidung. e Pflasterepithelzellen beim Uebergange in die Lagena. Fig. 34. . laris, so dass der Knorpel derselben noch zusammenhängt. «a Knorpel- . 38. 8. 36. Das Gehörorgan der Frösche. | 419 f Leiste zwischen Pars basilaris und Lagena mit dessen Epithelausklei- dung und durchschimmernden Pigmentzellen. Osmiumsäurepräparat. Vergr. %/,.: Schnitt durch die Pars basilaris jenseits der Membrana basi- wandung. 5 Pflasterzellenbekleidung. ce Verändertes Nervenepithel. d Pig- mentzellen. Osmiumsäurepräparat. Vergr. %/,. Schnitt durch denselben Schneckentheil, so dass die Mem- brana basilarıs getroffen ist und der Knorpel getrennt. «a Knorpeltheil dem dreieckigen Knorpel der Vögel entsprechend. db Knorpel, welcher dem Nervenknorpel der Vögel entspricht. e Membrana basilaris von der Fläche. d Verändertes Nervenepithel. e Nervenfasern. f Pflasterzellen- bekleidung. g Pflasterzellen der entgegenstehenden Knorpelwand. Osmiumsäurepräparat. Vergr. 3%/,. Stück eines Querschnitts vom Nervenknorpel und der Membrana basilaris. «a Knorpelmasse.. b Basalsaum. c Veränderte Pflasterzellen des Knorpels. d Falte der Membrana basilaris. f Veränderte Epithelzelle auf der Höhe der Falte. g Optischer Querschnitt der Basilar- membran. A” Theilweise auf der hinteren Seite der Falte sitzende ver- änderte Epithelzelle.e Osmiumsäurepräparat. . Vergr. 3%/,. Nervenepithelgruppe der Pars basilaris im Querschnitt. a Stäbchenzelle. d Zahnzelle. Osmiumsäurepräparat. . Vergr. 30%0/,. Losgelöstes Nervenepithel sammt Umgebung mit der darauf ruhenden Membrana tectoria. a Nervenepithel. db Zahnzellen aus der Umgebung der Papilla acustica aus dem Zusammenhange gelöst. c Ein- drücke in der Membrana tectoria zur Aufnahme der Härchen. d Härchen der Stäbehenzellen. e Auf der Fläche der Membrana tectoria durchschim- mernde Contouren der Eindrücke der Härchen. Osmiumsäurepräparat. Vergr. %/,. Längsschnitt durch die losgelösten Theile der Schnecke von der inneren Fläche gesehen. a Tegmentum vasculosum mit der Epithel- bekleidung. b Fetzen der feinen der Macula acustica gegenüberstehenden Membran des Sacculus. c Pars basilaris. d Leiste zwischen Tegmentum und Pars basilaris. eLeiste zwischen Pars basilaris und Lagena. fPeriost und maschiges Bindegewebe zur Verbindung mit dem Knorpel der Schnecke. g Wand der Lagena mit Pflasterzellen bekleidet. Ah Plexus der in den Knorpel getretenen Nervenfasern. © Nervenepithel. k An einer Stelle etwas losgelöste dem Nervenepithel aufliegende Otolithenmasse. Osmiuinsäurepräparat. Vergr. 3%/,. Gruppe von Pflasterzellen, welche die Seitenwandungen der Pars basilaris und der Lagena bekleiden. Osmiumsäurepräparat. 100/,. Feiner Längsschnitt durch die losgelösten Theile der Schnecke. a Nervenfasern, die sich in der Lagena ausbreiten. b Nervenepithel der Lagena. c Nervenfasern des Basilartheils. d Leiste zwischen dem Basilar- theil und der Lagena e Pflasterzellen der Pars basilaris. f Verändertes Nervenepithel des Basilartheils. g Leiste zwischen der Pars basilaris und dem Tegmentum vasculosum. h Pflasterzellen der Leiste, Osmiumsäure- präparat. 2 70/,. Nervenepithel der Lagena von der Fläche gesehen. a Stäbchen- zelle.e db Dunkles Pünctchen als Ausdruck des Haares. c Die Stäbchen- zellen umgebenden Zahnzellen. Osmiumsäurepräparat, 27% 420 Fig. 43. Fig. 44. Fig. 45. Dr. 6. Hasse, Das Gehörorgan der Frösche. Vergr. %/,. Querschnitt durch die Lagena. a Knorpelwand der Lagena. b Basalsaum. c Pflasterzellen der Lagena. d Zur Lagena tretende Nerven- fasern. e Plexus der Nervenfasern innerhalb des Knorpels. f Nerven- epithel. Alkoholpräparat. EN Vergr. 7%/,. Stück eines Querschnitts durch die Lagena mit dem Nerven- epithel. a Dunkelrandige Nervenfaser. b Blasse Nervenfaser, auf der der äussere Contour der dunklen Faser allmählich übergeht. e Kerngebilde der Knorpelwandung. d Basalsaum. e Stäbchenzelle. f Verdickungssaum der Stäbchenzelle.. g Haar derselben. h Kern der zwischenliegenden Zahnzelle.. Osmiumsäurepräparat. | Vergr. 10/,. Stück eines Querschnitts durch die Lagena. a Plexus dunkel- randiger Nervenfasern. 5 Nervenepithel. ce Otolithenmasse, aus der die Otolithen gefallen sind. d Feine Streifung der Otolithenmasse als Aus- druck der Höhlungen für die Härchen der Stäbcehenzellen. Osmium- säurepräparat. Taf. MU b re Paas de, nLoR | j =. | 6 — a ö “ , e * t „ ef 2 \ E 3 ö 7 B — < < Tr r x - Ki z B = N £ # 5 $ EN, E = n « — ? D ‘ + E RR fi 2 „u + r = S x DL ı 2, ».: . Zeitschrift f. naffensch all Zoologie. Bd. KM. U Veber eine fossile Eunicee aus Solenhofen (Eunicites avitus), nebst Bemerkungen über fossile Würmer überhaupt. Von E. Ehlers, M. D. Privatdocent und Prosector am anatomischen Institut zu Göttingen. Mit Tafel XXIX. In der Göttinger paläontologischen Sammlung befindet sich eine aus der älteren Universitätssammlung stammende Platte aus Solenhofen mit dem Abdruck eines Annelidenkörpers. Bei dem grossen Interesse, wel- ches ihres bis jetzt wenig bekannten Vorkommens wegen fossile Wurm- -reste darbieten, unternahm ich eine Untersuchung dieses Gegenstandes, und bin meinem verehrten Freunde, Herrn Prof. v. Sersacn zu Dank verpflichtet für die Bereitwilligkeit, mit welcher er mir sowohl dies Unicum anvertraute, als auch über einige mir sonst ferner liegende ‘ Dinge Aufschluss gab. Ich knüpfe an die Darstellung dieses einzelnen Falles eine kritische Zusammenstellung der Fossile, welche mit Recht ‚oder Unrecht als Würmer gedeutet sind, und wenn mir auch wahr- scheinlich viele in der umfangreichen paläontologischen Literatur ent- ‚ haltene Einzelheiten entgangen sind, so hat dieser Versuch doch viel- leicht einigen Werth, da er das vorhandene Material sichtet und einzelne neue Anschauungen eröffnet. -— Der Wurmkörper, welcher im schwach vertieften Abdrucke auf dieser Platte erhalten ist, liegt in der Weise gekrümmt, dass das breitere als Kopfende zu bezeichnende Stück gegen das stark verschmälerte u hin ern ist. Die Breite des Körpers ist am eine bedeutendere a 492 EB. Ehlers, apparat, welcher eine genauere Darstellung verlangt. An den Seiten des Körpers zieht sich jederseits eine Reihe von braunen oder rost- farbenen, rundlichen Flecken und stachelförmigen Spitzen entlang, welche die Segmentirung des Körpers anzeigen; an. der Stelle, wo das Vorderende des Körpers sich rückwärts biegt, läuft diese Reihe von Stacheln quer über den Abdruck des Körpers hinweg, und man er- kennt mit Leichtigkeit daran, dass hier der Thierkörper eine derartige Drehung in sich erfahren hat, dass die im Vordertheile aufwärts sehende Körperfläche von da an abwärts gewandt ist, eine Drehung, wie sie in dem weichen Körper eines Wurmes mit Leichtigkeit erfolgt, und auch bei den Bewegungen der lebenden Thiere sehr oft zu Stande kommt. Im letzten Viertel des Körpers vermisst man die Flankenreihen der Flecke und Stacheln (Fig. 1). Ich habe versucht. eine Bestimmung der Grösse des Thieres zu erhalten, um darnach eine Vergleichung mit lebenden Euniceen anstellen zu können!). Die mit einem Faden ausgeführte Längenmessung kann aus dem Grunde zu keinem ganz genauen Resultat gelangen, als in dem Abdrucke das vordere Körperende durch die Kiefer bezeichnet wird, und es nicht zu ersehen ist, ob die Kiefer in diesem Falle innerhalb oder ausserhalb der Leibeshöhlung liegen, ob wir das Thier mit ausgestrecktem oder. eingezogenem Rüssel vor uns liegen haben. Allein die Differenz, welche durch diese veränderte Lage des Kieferapparates bedingt wer- den kann, ist gegenüber den individuellen Schwankungen in der Grösse der lebenden Thiere ganz unerheblich, und man darf wohl, ohne viel zu versäumen, statt des fehlenden Kopflappens, der sonst bei diesen Würmern das Vorderende begrenzt, den Vorderrand der Kiefer als die Spitze des Thierkörpers ansehen. Dann fand ich die Körperlänge — 139 Mm., die Breite des Körperabdruckes betrug im vorderen Theile mit Einschluss der erwähnten Flecken an den Seitenrändern 4,7 Mm., am Anfang des hinteren Körperdrittels 4 Mm., und am Schwanzende | 1,3 Mm. Diese Grössenangaben erhalten für die Vergleichung eine grössere Wichtigkeit, wenn es gelingt, eine auch nur annähernde Be- | stimmung der Zahl der Segmente zu machen , welche den Körper zu- sammensetzen ; dafür geben die Stacheln, welche an den Seiten des Körpers stehen, einen Anhaltspunet; sie stellen, wie ich unten aus- führen werde, die Stütznadeln der einzelnen Ruder dar, und ihre Zahl bestimmt daher die Zahl der Segmente. Da diese Stacheln in ziemlich” gleichmässigen Abständen von einander stehen, ich im vorderen 4) Eine ausführliche Darstellung der anatomischen Verhältnisse der Euniceen, welche hier in Frage kommen, ist in der im Erscheinen begriffenen zweiten Ab= theilung meiner »Borstenwürmer« p. 269— 397 gegeben. {ER Ueber eine fossile Eunicee etc. 423 Körpertheile auf einer Länge des Körperabdruckes von 4 Mm. 9 auch 10 Nadeln, weiter hinten auf der gleichen Strecke 8 Nadeln fand, so berechnet sich darnach die Gesammtzahl der Segmente auf 312. Was nun die Gesammtform des Körpers, zumal die Verschmälerung des Körpers gegen das Afterende hin betrifft, so stimmt diese am meisten mit Exemplaren der E. Harassii überein; hier fand ich aber bei einem Thiere von 160 Mm. Länge und 6 Mm. grösster Breite 195 Segmente, bei einem anderen von 120 Mm. Länge und 4,5 Mm. Breite 180 Seg- mente, und es ergiebt sich daraus, dass diese fossile Art bei annähernd gleicher Grösse zahlreichere und dem entsprechend kürzere Segmente besitzt; eine übereinstimmend grosse Zahl von Segmenten sehen wir dagegen bei E. siciliensis,; welche auch durch die Kürze ihrer Körper- glieder ausgezeichnet ist; so finde ich bei einem Thiere dieser Art, welches 444 Mm. lang, allerdings nur 2 Mm. breit ist, 35% Segmente, Zahlen, welche mit denen des Solenhofener Thieres recht gut überein- stimmen; allein der Gesammthabitus der E. siciliensis ist im Allge- meinen von dem unserer Art abweichend, da bei der ersteren keine so erhebliche Breitenabnahme gegen das hintere Körperende hin erfolgt. Wir kommen zu dem Schluss, dass der Körper des Wurmes, welcher hier im Abdruck auf der solenhofener Platte vorliegt, im Habitus mit dem der E. Harassii und deren Verwandten übereinstimmt, in der grossen Zahl und der Kürze der Segmente dagegen die Verhältnisse der E. siciliensis besessen hat. Es bedarf kaum einer besonderen Erwäh- nung, dass hieraus noch nicht hervorgeht, dass der Wurm zu der Gat- tung Eunice gehöre, denn es ist immerhin denkbar, dass auch in den verwandten Gättungen, welche sich durch die Form der weicheren im Abdruck nicht erhaltenen Körpertheile von Eunice unterscheiden, Arten vorgekommen sein mögen, welche diese Grössenverhältnisse besessen haben; ich zog zur Vergleichung aus den mir bekannt gewordenen und hier in Frage kommenden Euniceen gerade diese Arten der Gattung Eunice heran, weil ich in keiner der anderen Gattungen (Diopatra - Opuphis, Marphysa, Lysidice) gleich gut übereinstimmende Verhältnisse - der Körpergrösse und Segmentzahl gefunden habe. % Von den Einzelheiten, welche sich in dem Abdrucke erhalten haben, erwähne ich zuerst die braunen oder rostfarbenen Stacheln und Ü eBlstken, 'welche an den Seiten des Körperabdruckes stehen. In beiden handelt es sich, so viel ich wenigstens habe erkennen können, nur um Abdrücke, nieht um erhaltene Körpertheile; da aber von den übrigen _ Theilen der Körperwand nichts erhalten ist, sondern deren von weicher _ Substanz gebildete Einzelheiten zu Grunde gegangen sind, so ist die _ Vermuthung gerechtfertigt, dass diese Flecken und Stacheln sich vor “ BR x ji g % hr. sa ee a 424° E. Ehlers, allem deshalb so scharf gezeichnet erhalten haben, weil sie von einem widerstandsfähigen Pigmente gefärbt waren. — Ueber die Bedeutung der Stacheln wird man sich leicht verständigen. Die gleiche Form, die Lagerung in gleichmässigen Abständen von einander an den Seiten des Körpers deuten darauf hin, dass es sich hier um Gebilde handle, welche an einem gleichförmig gegliederten Körper regelmässig wieder- holt sind. Solche sind in den Rudern oder Fussstummeln eines Wurm- körpers zu suchen, und deren festeste und am leichtesten zu erhaltende Theile sind die Borstenbündel und deren Stütznadeln, beide aus der- berem Chitin gebildet. Untersucht man mit einer Lupe die Stacheln des Wurmabdruckes, so erkennt man sofort, dass es gerade, schlank zugespitzte Nadeln sind, deren Spitze nach auswärts, deren dickeres Ende gegen das Innere des Körpers gerichtet ist. Zugleich erkennt man dann auf das deutlichste, dass viele dieser stachelförmigen Gebilde aus zwei eng an einander liegenden Nadeln bestehen, welche zumal in dem Falle besonders deutlich zu erkennen sind, wo beide der Länge nach sich an einander verschoben haben. Bisweilen fand ich in einem ge- ringen Abstande von diesen :Nadeln eine kleinere, deren Richtung meistens von derjenigen der Hauptnadeln abwich. Die Länge der Haupt- nadeln betrug 4 Mm. — Diese Nadeln erkläre ich für die Aciculae oder Stütznadeln, welche zu den Borstenbündeln der Ruder gehören; denn die hier beobachteten Verhältnisse finden sich bei den Aciculae der lebenden Euniceen wieder oder lassen sich aus diesen erklären. Die meiste Uebereinstimmung zeigt das Verhalten der. Stütznadeln in der Gattung Eunice, und zwar wähle ich als Vergleich die E. Harassii; in dieser besitzen die Ruder zwei Bündel ungleicher Borsten und zu dem oberen der Bündel gehören zwei eng aneinander liegende gerade, zu dem unteren eine etwas gekrümmte Stütznadel. Diese Stütznadeln sind tief schwarz gefärbt. Die zusammenliegenden grossen Nadeln des Abdruckes stimmen in ihrem Verhalten ganz mit den Stütznadeln des oberen Bündels überein, die einige Male vorkommende, neben diesen gelegene kleinere Nadel gehört vielleicht einem unteren Bündel an. In der Grösse .der Aciculae herrscht Uebereinstimmung zwischen der lebenden und der fossilen Art, denn bei einem Thiere der Eunice Harassii, dessen Grösse mit derjenigen der fossilen Art übereinstimmt, war die Länge der geraden Stütznadeln gleichfalls 1 Mm. oder wenig darüber. Die starke Pigmentirung der Stütznadeln von Eunice Harassiüi berechtigt zu der Annahme, dass auch in der fossilen Art die Nadeln gefärbt gewesen sind, und sich in Folge dessen auf dem Abdrucke so | deutlich ausprägen. Wenn auf der Platte, im hinteren Theile des Kör- pers die Stütznadeln etwas weiter von einander entfernt sind als im Ueber eine fossile Eunicee ete. 425 vorderen Theile, so finden wir damit das bei lebenden Thieren nicht selten beobachtete Vorkommen wiederholt, dass die hinteren Körper- segmente etwas länger sind als die vorderen. Das ganz spärliche Aul- treten der Stütznadeln im Endtheile des Körpers der fossilen Art kann auf einem schlechten Erhaltung ;szustande ber uhen, doch ist auch, nach _ meinen Beobachtungen an RR Arten, die Annahme zulässig, dass die Stütznadeln, wie andere Körpertheile, in den hinteren Theilen des - Körpers weit schwächer als in den vorderen gefärbt waren. | Neben den Stütznadeln liegen die farbigen Flecke, deren _ Deutung weniger sicher ist. Das Verhalten dieser Flecke ist in der Länge des Körperabdruckes nicht ganz gleich. An den Seiten des die Kiefer _ bergenden Körpertheiles und etwas darüber hinaus nach hinten, wo - bereits Stütznadeln zu erkennen sind, fehlen die Flecke. Dann treten sie _ auf anfänglich dunkelfarbiger als weiterhin, nahe an den Stütznadeln gelegen, bisweilen selbst von den Stütznadeln gekreuzt, so dass sie _ unter diesen zu liegen scheinen. Die vorderen Flecke sind längsoval, E ungefähr ein Drittel länger als breit, und dunkelbraun; etwa von da, wo die Kantendrehung des Körpers erfolgt, werden die Flecke heller, lieht rostfarben, und haben nun die Form eines spitz dreieckigen E Blattes, welches wohl doppelt so lang als an der Basis breit ist, die Spitze nach aussen, die Basis nach innen wendet. Dann erlöschen sie bald völlig, so dass in den hinteren zwei Dritteln des Körpers diese I Flecke ganz fehlen. Die Länge der Flecke ist stets bedeutend kleiner : als die der Stütznadeln, durchschnittlich beträgt sie wohl nur 0,5 Mm. — Wenn die Annahme berechtigt ist, dass die Erhaltung der Aciculae auf Rechnung deren Pigmentirung zu setzen ist, so wird man bei * _ einem Versuch, diese Flecke zu deuten, im Ruder der lebenden Arten | nach Gebilden in der Nähe der Stütznadel zu suchen haben, welche durch eine starke Färbung gleich gut erhalten werden könden, Dass Bes Anhänge des Ruder, wie Cirren, oder Theile der Ruderwand seien, welche in dem Alslmıck eine ala Zeichnung hinterlassen hätten, ist en nicht wahrscheinlich, da sonst nirgends Reste der Körperwand ol erhalten haben. Eher könnte man vermuthen, dass die bisweilen in gefärbten Borstenbündel als Ganzes kei: Eindrücke hinter- En. allein dagegen spricht die scharf begrenzte Form der Flecke. Ich halte für am wahrscheinlichsten , dass diese Flecke ihren Ursprung den dunkelpigmentirten birn- ner flaschenförmigen Gebilden ver- nken, welche in solcher scharf begrenzten Gestalt bei einer Anzahl von Arten der Gattung Eunice unter der Haut der Rückenfläche am Eingange in die Ruderhöhlung und über den Stütznadeln gelegen sind. Nach meiner Ansicht sind diese durch ihr schwarzes Pigment ausge- 426 E. Ehlers, zeichneten Körper die Segmentalorgane. Bei Thieren der E. Harassii, welche die gleiche Grösse wie das im Abdruck vorliegende Thier be- sitzen, stimmen die Segmentalorgane sowohl in ihrer absoluten Grösse, wie in ihrem Verhältniss zu den Stütznadeln völlig mit der Grösse der hier in Rede stehenden Flecke überein. Dass wir sie auf der Solen- hofener Platte neben den ersten vorderen Stütznadeln vermissen, spricht für die Richtigkeit meiner Deutung, denn bei der E. Harassii sind gleichfalls in den ersten fünf Rudern, in denjenigen, deren Seg- mente den Kieferapparat enthalten, diese Organe kaum entwickelt, jedenfalls durch den Mangel an Pigment ausgezeichnet, und daher für eine Erhaltung, wie sie hier vorliegt, nicht geeignet. Das Fehlen der Flecke neben den Stütznadeln des hinteren Körpertheiles kann auf einen schlechten Erhaltungszustand zurückgeführt werden , findet aber auch darin eine Erklärung, dass auch bei den lebenden Thieren die Segmentalorgane der hinteren Segmente einen bedeutend geringeren Piementgehalt besitzen als die des vorderen Körperabschnittes; in den meisten Fällen sind allerdings die Segmentalorgane weiterhin am Körper ausgebildet und sichtbar als hier in dem fossilen Körper. Auf alle Fälle findet sich, wenn man die lebenden Euniceen in Betracht zieht, neben den Stütznadeln kein anderes Gebilde, welches so stark gefärbte Flecke hätte hinterlassen können, als diese von dunklem Pig- ment erfüllten Segmentalorgane. Ich komme zur Darstellung der für die Erkenntniss dieser Körperreste wichtigsten Theile: des Kieferapparates. Die Familie der Euniceen charakterisirt sich durch den Kieferapparat, welcher aus einem viel- stückigen Oberkiefer und einem aus zwei paarigen Stücken bestehen- den Unterkiefer zusammengesetzt ist. Alle Theile des Kieferapparates bestehen aus derben Chitinplatten, welche bald mehr bald weniger tief gefärbt, theils auch durch die Einlagerung von Kalksalzen fest werden. Diese letztere Eigenschaft ist da, wo es sich um die Erhaltung der Theile im fossilen Zustande handelt, von grösster Wichtigkeit, da sich die mit Kalk durchsetzten Stücke, zumal wie in unserem Falle in den feinkörnigen solerhofener Platten, völlig erhalten, während die nicht verkalkten Chitinplatten nur in Form von Abdrücken zurückbleiben, die durch vorhandene Pigmente allerdings stärker hervorgehoben wer- den. — Nach der Form des ganzen Kieferapparates unterscheide ich in der Familie der Euniceen die Gruppe der labidognathen von derjenigen der prionognathen Euniceen, und ohne auf die in der Kieferform aus- 7 gesprochenen Unterschiede hier weiter einzugehen, will ich nur be= | merken, dass nach den hier im Abdrucke erhaltenen Kieferstücken | diese solenhofener Art unzweifelhaft als eine labidognathe Eunicee zu | Ueber eine fossile Eunicee ete, 497 erkennen ist. Ober- und Unterkiefer liegen bei diesen Thieren über- einander, in unserem Falle ist dieses nicht der Fall, sondern beide Theile haben sich so gegen einander verschoben, dass der Unterkiefer (Fig. 2. U) vor dem Oberkiefer (Fig, 2. 0) liegt. Der Oberkiefer besteht bei den lebenden Arten aus zwei am weitesten nach hinten gelegenen mitihrenmedianen Rändern zusammenstossenden Platten, den »Trägern«. An deren vorderen Rand schliessen sich die Kieferstücke an, welche ich »Zangen« nenne, wegen ihrer in solcher Weise gestalteten haken- förmigen Endstücke. Vor und zum Theil unterhalb der Zangen liegen zwei schalenförmige gewölbte Stücke von meist dreieckigem Umriss, deren Spitze nach vorn gewandt ist und deren einander zugewandte, mediane Kanten oder Schneide mit Zahneinschnitten besetzt sind. Diese Theile bezeichne ich als »Zähne«. Vor ihnen und zwar meist im Halbkreise, liegen Platten, welche ich, je nachdem sie gezähnelt sind oder nicht, als Säge- oder Reibplatten unterscheide; von diesen Platten besitzt eine Anzahl von Gattungen, welche sich um Eunice gruppiren, in der einen Hälfte des Oberkiefers eine unpaare mehr als in der an- deren Hälfte. Alle diese Theile verkalken nach meinen Erfahrungen nur selten, am leichtesten noch die schneidenden Ränder der Zähne und Platten, dagegen sind sie nicht selten ganz oder an bestimmten Stellen stark von Pigment gefärbt. Auf dem vorliegenden Abdrucke sind diese Kieferstücke nur so weit erhalten, dass man zum Theil ihre Begrenzungen erkennen kann, die von ihnen bedeckten Flächen er- scheinen weisser als die übrigen Theile der Platte, doch habe ich dar- nach nicht entscheiden mögen, ob hier verkalkte Reste oder nur Ab- drücke vorliegen. Aus der Lage des Unterkiefers ergieht sich, dass die ventwale Fläche des ganzen Kieferapparates nach oben gewandt ist, dieser Theil des Wurmkörpers daher auf dem Rücken liegend gedacht werden muss. Zur ersten Erkennung des Kiefertheiles führt hier eine ‚kleine, durch braunes Pigment hervorgehobene Tförmige Zeichnung, vor welcher in einigem Abstande symmetrisch zwei gleichförmige, ‚braune Flecke stehen. Die Tförmige Zeichnung (Fig. 2.0!) giebt die ‚Ränder der Träger an, und zwar der Längsstrich derselben deren | mediane zusammenstossenden Ränder, der quere Strich dagegen den Vorderrand, auf welchem die Basaltheile der Zangen stehen. Gerade hier Pigment zu finden, ist nicht auflällig, denn bei wenig ausgedehnter -) Färbung des Oberkiefers sind es gerade diese Stellen, welche am | Meisten pigmentirt sind. Geht man von diesen Rändern aus, so findet man bei einer etwa achtfachen Vergrösserung auch die laterale Begren- zung der Träger und sieht, dass jeder derselben eine dreieckige, mit ‚der Spitze nach hinten gewandte Platte bildet; ich glaube aber, dass 438 E. Ehlers, dieses nicht den ganzen Träger vorstellt, sondern nur die mediane Hälfte derselben, da bei den meisten der labidognathen Euniceen der . Träger aus einer solchen medianen, dreieckigen Platte besteht, an deren lateraler Kante sich ein schwach muldenförmig gewölbtes Stück ergänzend anlegt. Etwas derartiges ist allerdings neben dem einen Träger erhalten, doch nicht so bestimmt, um eine sichere Deutung zu- zulassen. — Vor dem vorderen pigmentirten Rande der Träger erkenne ich auf der linken Hälfte deutlich das Basalstück einer Zange, während dlas der enigegengesetzten Hälfte weniger scharf ausgeprägt ist, die oben erwähnten symmetrischen braunen Flecke (Fig. 202) entsprechen der Stelle, an welcher von dem Basaltheil der Zange das hakenförmige Endstück ausgeht, und wo dieser Theil der Zange sich an die mediane untere Ecke des Zahnes anlegt; gerade die Stelle ist nicht selten bei sonst geringer Färbung stärker pigmentirt, und auf eine solche Pigment- anhäufung möchte ich diese Flecke zurückführen, ohne zu bestimmen, ob sie der Zange oder dem Zahn, welche hier zusammenstossen, an- sehören. — Vor diesen Theilen liegen paarig angeordnet und durch die weissliche Färbung hervortretend, Stücke, deren Erhaltungszustand nicht cin solcher ist, dass man sie mit Sicherheit bestimmen könnte (Fig. 203) '). Der allgemeine Umriss ist der Art, dass man wohl darin die Form der Zähne wiedererkennen kann, und ich glaube auf der Schneide des linken Zahnes sogar zwei Sägezähne unterscheiden zu können. Beide Stücke, welche ich als Reste der Zähne anspreche, weichen in ihrem: vorderen Theile auseinander, dazwischen liegt nun ein kleineres Stück, welches die Stelle der unpaaren Sägeplatte einnehmen würde, aller- dings ebenso gut ein verdrücktes und abgebrochenes Kieferstück sein kann. Völlige Sicherheit ist bei dem Erhaltungszustande des Stückes über diese zuletzt erwähnten Theile nicht zu erhalten; allein die gut wahrnehmbare Form der Träger und des Grundtheiles der Zange zu- sammen mit der Gesammtform der übrigen, wenn auch im Einzelnen nicht erkennbaren Kiefertheile, lässt kaum einen Zweifel darüber hbe- stehen, dass die Form des ganzen Oberkiefers diejenige der labidogna- then Euniceen ist. | Dies wird vollends bestätigt durch die Bildung des besser er- haltenen Unterkiefers. Bei den erwähnten Euniceen bestehen die beiden völlig übereinstimmenden- Stücke, welche den Unterkiefer bilden, jedes aus einem hinteren schmalen plattenförmigen oder 4) Die Abbildung giebt nicht alle von mir beschriebenen Details; diese waren nur bei stärkerer Vergrösserung und besonders günstig auffallendem Licht zu er- kennen. Der Zeichner hat genau nur das, was er bei 4facher Vergrösserung er- kannte, wiedergegeben. Ueber eine fossile Eunicee etc. 429 auch stabförmigen Theile, welcher nach hinten spitz ausläuft, auf seiner vorderen Kante ein erweitertes Stück trägt, welches nicht selten wie aufgesetzt erscheint, und das Schneidestück des Unterkiefers bildet. Dieses Stück ist es, welches besonders häufig durch Aufnahme von Kalk erhärtet, und dann bei den lebenden Arten bisweilen durch seine weisse emailleglänzende Farbe ausgezeichnet ist. Auch in unserem Falle ist dieses Stück auf der einen Hälfte völlig, und zwar nicht als Abdruck, sondern offenbar durch seine Verkalkung körperlich erhalten, so dass es mit seiner charakteristischen Form über die Fläche der Platte hervorspringt; vor den entsprechenden anderen Hälfte ist von diesem Schneidestücke nur ein Theil erhalten, das Uebrige scheint durch Bruch verloren gegangen zu sein. Die Zeichnung (Fig. 2. U) zeigt die Form dieses Schneidestückes besser, als eine Beschreibung es vermag. Da wo die Schneidestücke beider Unterkieferhälften zusammenstossen, sind sie zu einer schwachen Firste erhoben; daraus geht hervor, dass die ventrale Fläche des Kieferapparates nach oben gewandt ist, denn diese springt stets mehr oder weniger stark convex hervor, während die dorsale Fläche der Unterkieferschneiden bald mehr, bald weniger schalenförmig gehöhlt ist. Aber nicht nur dies Schneidestück ist erhalten, sondern man erkennt hinter demselben in der Platte ein deutlich begrenztes Stück, welches spitz dreieckig nach hinten ausläuft und offenbar das Endstück des Unterkiefers darstellt. Die Form dieses Unterkiefers entspricht aus dem Kreise der labidognathen Euniceen am meisten derjenigen, wie sie sich in den Gattungen Eunice, Marphysa und Lysidice findet; die bereits mehrfach erwähnte E. Harassii, noch - mehr aber eine andere Art des Mittelmeeres, E. rubrocincta (m), zeigen k Verhältnisse, welche fast genau mit denen dieser fossilen Art überein- ie stimmen. Es zeigt sich das auch in den Grössenverhältnissen; denn eine möglichst genaue Schätzung der Länge des Ober- und en des fossilen Wurmes ergab 4 Mm., die gleiche Länge, wejche ich bei # Exemplaren der E. Harassii Ende deren Körpergrösse die gleiche ist, $ wie in diesem Thiere; und Men kommt in der fossilen, wie in der _ lebenden Art auf die Länge des äusseren Randes des Senke: _ im Unterkiefer 1 Mm. in Eine Zusammenfassung der Resultate, welche aus der Vergleichung des Abdruckes mit lebenden Borstenwürmern hervorgehen , berechtigt zu dem Schluss, dass diese Ueberreste auf der Schieferplatte einem $ _Wurme Inkdkörsn, dessen nächste Verwandte im Kreise der labidogna- then Euniceen zu suchen sind. Eine nähere Bestimmung der Gattung ist, da wir die Gattungscharaktere der lebenden Thiere den hier nicht _ erhaltenen Weichtheilen entlehnen, immer misslich ; doch scheint es mir 430 B. Ehlers, am wahrscheinlichsten , dass es die Gattungen Eunice, Marphysa und Lysidice sind, welche nach dem Bau der Kiefer unserem Thiere am nächsten stehen würden. Die Bezeichnung Eunicites avitus, welche ich für dies Thier in Vorschlag bringe, soll dieses Verhältniss an- deuten. Die Zahl der bis jeyzt bekannt gewordenen fossilen Gebilde, welche auf die Anwesenheit von Würmern in den früheren geologischen Epochen hinweisen, wird eine geringe, sobald man die darüber ge- machten Angaben einer genaueren Kritik unterwirft. Als Anhaltspunct und für den Nachweis der älteren Literatur benutze ich die in Bronn’s Index!) und Morrıs’ Catalogue?) gegebene Zusammenstellung der dort als Würmer angesprochenen Gattungen, deren Zahl sich durch einige später veröffentlichte Mittheilungen etwas vergrössert. Ueber eine An- zahl dieser Fossile kann ich nur nach den gegebenen Abbildungen urtheilen, und verhehle mir die Unsicherheit eines Urtheiles in solchen Fällen nicht. Die Anwesenheit der Borstenwürmer, Annelida polychaeta, giebt sich vom Silur?) an in den verschiedenen Erdschichten durch die wohl- erhaltenen Röhren zu erkennen, in denen die Arten der Gattung Ser- pula und deren Verwandte wohnten. Deren charakteristische Form hat sich um so besser erhalten, als die Röhren aus Kalk bestehen; von dem Körper der einstigen Bewohner dieser Röhren sind in nur wenigen Fällen die Deckel bekannt geworden, . welche auf dem Ende des einen Tentakels stehen, in vielen Fällen völlig verkalkt sind, und zum Verschluss der Röhre dienen. Die Aufmerksamkeit der Paläontologen hat sich diesem Gegenstande bis jetzt weniger zugewandt als er es ver- dient; denn es wird die Berücksichtigung der Deckel in manchen Fällen einen sicherern Schluss auf die fragliche Art gestatten, als ihn die Röhre zu liefern vermag. Es hat für den vorliegenden Zweck keine Bedeutung auf das Detail der fossilen Serpulaarten einzugehen, und im Einzelnen zu untersuchen, ob die beschriebenen Röhren alle von 4) Bros, Index palaeontologicus. Abth. 2. 4849. p. 546. 2) Morrıs, Gatalogue of british fossils. Ed. Il. 185%. p. 94. Von den hier auf- gezählten Arten habe ich die Beschreibung der Arenicola Bınnev, Manch. Mem. 40. t. 1. f. A2. nicht gesehen, da die angezogene Zeitschrift weder auf der Berliner noch auf der hiesigen Bibliothek war. Eine fossile Arenicola aus der Kohle ist von vorn. herein verdächtig. 3) Spirorbis Lewisii (Sow.) Murcaison ‚' Siluria 485%. Pl. 46. f. 2. — S. lituus (Hısınger) siehe Bronn, Lethaea geognostica. Bd. 1. p. 521. | Deber eine fossile Eunicee ete, 431 _ Würmern herrühren. — Die Gattungen Cornulites (ScnLorrn.) und Ten- taeulites (Scnrorrn.) rechnet man jetzt zu den Pteropoden; zu den Mollusken gehören ferner wie Vermieularia, Vermetus, so auch wohl - die von Broxx und Morris aufgeführten fossilen Arten der Gattung Ditrupa (Berk.), einer Gattung, deren lebende Arten in den systema- tischen Verzeichnissen der Anneliden zu den Serpuleen gezählt werden. Als Wurmröhre kann auch wohl das aus dem Oolifh stammende Petrefact gedeutet werden, welches Münster als Terebella lapilloides bezeichnete; ich urtheile nach der Abbildung desselben bei GoLpruss'), will aber bemerken, dass die Benennung Terebella doch eigentlich mehr ausdrückt, als man nach dem fraglichen Objecte anzunehmen berechtigt ist; denn gesetzt den Fall, es handle sich hier um eine von - Würmern und nicht von Phryganeenlarven aus Steinchen gebaute Röhre, so kann dieselbe nicht nur von Terebella und deren Ver- wandten, sondern auch von Arten der zu den Euniceen gehörenden - Gattung Onuphis verfertigt sein. Sehr zweifelhaft ist mir die Deutung - der von Terguem?) als Röhren einer Terebella liasiaca beschriebenen _ Gebilde. — Neben den Wurmröhren erwähne ich die Gebilde, welche 5 man in verschiedenen Schichten als Gänge oder Spuren von Würmern - bezeichnet) ; ich bin nicht im Stande, über den Werth dieser Deutung zu urtheilen, die eine Stütze in den Mittheilungen erhält, welche Weruerere ?) über die Gänge von Lumbrieinen aus dem Londoner Thon gemacht hat. Das von Priexinser®) gefundene und von ihm als die - Röhren eines Tubifex antiquus angesprochene Gebilde bezeichnet Bronn als ein corpus omnino dubiosum, ein Ausdruck , welcher nach der von - Prieninser gegebenen Beschreibung und Abbildung des Gegenstandes als völlig gerechtfertigt erscheint. 2. land 4) GoLpruss, Petrefacta. 4826. Vol. I. p, 242. tab. 74. Fig. 16. 2) Terqguem, Paleontologie de l’&lage inferieure de la formation liasique. Me- _ moires de la societe geologique de France. Ser. Il. T.V. 4854. p. 33%, PI.XXVLf. 3. 3) efr. J. W. Sırrer, On Annelide-burrow and Surface Marking from the _ Cambrian Rocks of the Longmynd. Quarterly Journal of the geological Society of London, Vol. 43. 4857. p. 499 — 206. - Kınanan, On Annelidoid tracks in the rocks of Bray Head. Natural History Review. Vol. 4. 1857. Proceed. Soc. p. 20. 22, Pl. I. Fig. 4—5. — Kınanan, On Haughtonia a. n. g. of Cambrian Fossils from _ Bray Head County of Wicklow. Natural History Review. Vol. 6. 4359 Proceed. Soc. p- 309 — 313. — (E. v. Otto, Fossile Würmer im Quadersandstein. Allgem. sutsch. nalurh. Zeitung. N. F. Bd. I. 4855. p. 307 ist mir unbekannt geblieben.) £ 4) J. W. WETHERELL, Notice of the oceurrence of recent worm tracks in the upper part of the London clay formation near Highgate. Journal of the Proceedings olthe Linnean Society, of London, Vol. 3. 4858, Zool. p. 34. 32. % 5) Würtembergische Jahreshefte. Bd. I. 1845, p. 4159. t. IT. Fig. 5, BR = 432 E. Ehlers, Es liegt ın der Beschaffenheit der leicht vergänglichen weichen Wurmkörper, dass gegenüber der weiten Verbreitung fossiler Serpula- röhren nur selten die Reste der Würmer selbst gefunden, oder von den Sammilern ihrer Geringfügigkeit wegen unberücksichtigt gelassen sind. Der älteste mir bekannt gewordene Fund einer fossilen Annelide ist in unserem Falle um so mehr hervorzuheben, als er möglicherweise mit dem oben beschriebenen Euniecites zusammenfällt. Es ist dies der von GerMmar !) beschriebene Geophilus proavus, welcher bei Kelheim gefun- den war. Die Abbildung dieses Fossiles zeigt einen langgestreckten Körper, an dessen Seiten in gleichmässigen Abständen Stacheln liegen, und dessen vorderes Ende mit einem kieferähnlichen Apparat endet. GERMAR, als trefflicher Entomolog bekannt, hält sich bei der Deutung des Körpers an die ihm nahe liegenden Gegenstände, und stellt das Thier als Geophilus in den Kreis der Scolopendrinen, indem er die Stacheln als Fusspaare erklärt, in dem kieferähnlichen Apparate aber die Platte finden will, welche den Kopf von unten her deckt, d. h. die Kinnplatte, welche bei diesen Myriapoden am zweiten Thoracalsegmente durch die Verschmelzung der Basalstücke des zweiten Gliedmaassen- paares entsteht. Der Kopf und die Fresswerkzeuge, aber auch die ge- gliederten klauenförmigen Anhänge der Kinnplatte sollen dann verloren gegangen sein. Dieser Anschauung lassen sich gewichtige Einwürfe entgegenstellen. Zunächst hätte man erwarten dürfen, dass in einer Formation, welche die Körper von Insecten so gut erhalten hat, auch die aus derben Chitinplatten gebildete Leibeswand eines Scolopender nicht so völlig verloren gegangen wäre, wie es hier der Fall ist. Dann aber ist es völlig unzulässig, in den einfachen ungegliederten Stacheln, wie sie die Abbildung des Geophilus zeigt, die Fusspaare eines Scolo- penders zu sehen, deren Gliederung sich unzweifelhaft, wie bei den sonst hier vorkommenden Insecten, erhalten haben würde. Erklären wir den Abdruck für denjenigen eines Wurmkörpers, so ist es nicht auffallend, dass die weiche Körperwand verschwunden ist, und die als Fusspaare gedeuteten Stacheln entsprechen dann sehr viel besser den Stütznadeln in den einzelnen Segmenten. Dann wird auch die Erklärung des Vorderendes sich leichter fügen; wir brauchen nicht anzunehmen, dass der Kopf und die starken Fresswerkzeuge eines Scolopenders verloren gegangen seien, denn selbst bei der geringen Ausführung lässt die Abbildung ganz gut erkennen, dass die vermeint- liche Kinnplatte sehr viel besser dem in beiden Hälften erhaltenen Unterkiefer einer Eunicee entspricht; dass der dazu gehörige Ober- 4) GERMAR, Beschreibung einiger neuen fossilen Inseeten. in Münster, Beiträge zur Petrefactenkunde. Heft 5. 1842. p. 89. Taf. IX. Fig. 9. Ueber eine fossile Eunicee ete, 433 ‚kiefer nicht zu Tage liegt, wie in dem oben beschriebenen Falle , giebt keinen Anstoss, da bei der normalen Lage beider Theile zu einander, der Unterkiefer den Oberkiefer deekt und verbirgt, so wie man die Fresswerkzeuge von der ventralen Fläche her beschaut. Hierauf ge- stützt erkläre ich den Geophilus proavus für eine Eunicee; es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass sie derselben Art angehört, wie das oben beschriebene Thier; so weit wie ich ohne Anschauung des Original- exemplares urtheilen kann, ergiebt sich nur der eine Unterschied, dass | die Acieulae der Gernar’schen Art weiter auseinander stehen als es in der oben beschriebenen der Fall ist; darnach könnte man annehmen, dass die erstere längere Segmente gehabt habe als die zweite, allein | es ist zu berücksichtigen, dass bei dem Eintritt der Fäulniss in dem | todten Wurmkörper fast immer eine Dehnung der Segmente erfolgt, ‚#° und je nach dem Grade derselben können die Stütznadeln mehr oder ‘# weniger weit von einander entfernt werden. Eine genaue Untersuchung ‚3° der Form des Unterkiefers bei dem Geophilus proavus, so wie eine ein- ‚9° gehende Berücksichtigung der Stütznadeln, bei welcher sich vielleicht r i auch die Flecke finden werden, welche ich auf das Pigment der Seg- - mentalorgane zurückführe, wird über die Artidentität zu entscheiden _ haben, vorläufig halte ich es für besser, meine Art von der älteren - durch einen Speciesnamen zu unterscheiden. — Dass Geophilus eine ächte Annelide sei, ist übrigens bereits von Marsn!) erwähnt, der das im Berliner Museum befindliche Originalexemplar »(vielleicht Gegen- - druck des abgebildeten Stückes)« untersucht hat. Aus dem Solenhofener Schiefer stammt ferner der Abdruck einer anderen chaetopoden Annelide, welche Marsn?) unter dem Namen - Ischyracanthus Grubeanus beschrieben hat; er giebt sich als solcher dureh die erhaltenen Stütznadeln zu erkennen. Diese erreichen an dem 51/," langen Körper eine Länge von 5 Mm., eine an ihnen erkenn- bare Längsfurche macht es wahrscheinlich, dass der einfach erschei- nende Stachel aus zwei eng aneinander liegenden Stütznadeln besteht. Marsu will den Geophilus proavus (Gerw.) zu dieser neuen Gattung Ischyracanthus ziehen, die sich von allen lebenden Anneliden wesent- lich unterscheiden soll. Worauf diese Ansichten sich stützen, vermag ieh nicht einzusehen; so lange als von dem Ischyracanthus nicht ein iefertragendes Kopfende nachgewiesen wird, kann man ihn nicht mit nicites vereinigen. Den gewählten Namen wird man, um überhaupt sine Bezeichnung zu haben, vorläufig um so lieber behalten, als er nichts präjudicirt. 4) Zeitschrift d. deutsch. geolog. Gesellschaft. Bd. XVII. 41865. p. 267. 2) a.a. 0. - Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 28 ’ 2» 2 ss» mn 7232 »-» mu ww - 434 E. Ehlers, Einer jüngeren Formation gehören die fossılen Anneliden an, welche MassaLonGo !) in einer, wie es scheint, wenig bekannten Arbeit aus den Schichten des Monte Bolca beschrieben hat. Ich stelle von ihnen hier diejenigen voran, welche ich zu den Euniceen rechnen möchte, da sie ausser den Stütznadeln zu beiden Seiten des Körperabdruckes am Vorderende einen aus mehreren Theilen zusammengesetzten Apparat tragen, den ich als Kieferapparat ansehe, soweit die Abbildungen ein Urtheil darüber gestatten; ob die von Massaronso als Fühler bezeich- neten Fortsätze des Vorderendes solche sind, will ich dahin gestellt sein lassen. Massarongo hat die Thiere als Nereites Gazolae?), N. affinis?) und N. Jani?) bezeichnet. Es ist vielleicht besser, auch diese Arten zu Eunicites zu stellen, bis eine Untersuchung der Original- exemplare oder wenigstens von dem gleichen Fundorte stammender Exemplare über den Werth meiner Angabe entscheidet. — Die Massa- ıonso’sche Arbeit enthält Beschreibungen anderer Fossile, welche nach dem Eindruck zu urtheilen den die Abbildungen machen , Anne- liden angehören. Es scheint, dass in einigen dieser Fälle auch die Weichtheile der Würmer Abdrücke hinterlassen haben, die zu einer Vergleichung mit lebenden Anneliden auffordern. Das ist vor Allem Nereites Heerii°) (Massar.), welche an die Verhältnisse einer Nephthys erinnert, sobald man annehmen darf, dass das Kopf- und Schwanz- ende in der hier gezeichneten Form wirklich die äusseren Körperformen eines Wurmes darstellen; dann würde das Vorderende dem Kopflappen mit den beiden vorderen Fühlern, das in eine einfache Spitze aus- laufende Schwanzende dem unpaaren Aftereirrus einer Nephthys ent- sprechen; auffallend sind ferner bei dieser Art die scheinbar scharf ausgeprägten, an der Spitze eingeschnittenen seitlichen Fortsätze des Körpers, deren Form an Ruder erinnert. Diese finden sich in ganz ähnlicher Weise, nur länger gestreckt, an der Nereites dasiaeformis ®) (MassAar.) wieder, der am häufigsten in diesen Schichten vorkommen- den Art, von welcher allerdings ein bestimmter Kopftheil nicht bekannt geworden ist. Nereites thoraeformis?) (Massar.) macht als Ganzes den entschiedenen Eindruck einer Annelide, das Gleiche lässt sich von den 4) MassaLoneo, Monografia delle nereidi fossili del M. Bolca. Con 6 tavole litografiche. Verona 1855. 8. £ 2).,3:.:3..0. p. 15. Tav.E: 3) a.a. 0. p. 23. Tav. VI. Fig. A. 4) a.a. ©. p. 22. Tav. VI. Fig. 2. 5).a.a. 0. p. 25 Tav..V. Kie.1. 2, 6) ara. 0..p..20: Tav;IH, Fig. A. Tay. IV. Eig. 4.3, 7), a.a.0:p.19% Tay all E08. 3, Ueber eine fossile Eunicee ete, 435 als N. intermedia') (Massar.) bezeichneten Stücken, weniger von der N. Hesionoides?) (Massar.) sagen. Ich erwähne diese Sachen ausführ- licher, weil gerade durch den scheinbar vortrefflichen Erhaltungs- zustand einige Zweifel in mir angeregt sind, ob hier wirklich die Weichtheile von Würmern Abdrücke hinterlassen haben, oder ob nicht die frühere Ansicht MassaronGo’s, dass diese Gebilde Pflanzen seien, vorzuziehen ist, und weil ich deshalb von Neuem die Aufmerksamkeit auf diese Fossile des M. Bolca lenken möchte. In den Kreis unserer jetzigen Fauna gehören sehr wahrscheinlich die von Sars°) beschriebenen Anneliden, welche den Kern von festen Knollen bilden, die an vielen Orten Norwegens im Mergel aus der Glacialformation gefunden wurden. Neben den noch jetzt in der Nord- see lebenden Arten Spirorbis nautiloides (Lam.), Pomatoceros trieuspis (Puır.), Placostegus politus (Sars), Protula borealis (Sars), zählt Sars vier verschiedene Arten frei lebender Anneliden auf, die er in den Kreis der Nereiden, Phyllodoceen oder Aricieen stellen möchte. Sie gewähren dadurch ein besonderes Interesse, dass sie zeigen, wie unter günstigen, allerdings unbekannten Verhältnissen selbst weiche Körper- theile in ihren Formen erhalten bleiben können. Ich komme nun zu der Aufzählung einer Reihe von Formen, welche mit Unrecht als Borstenwürmer angesehen sind. Die in den silurischen Gesteinen vorkommenden Fossile, welche Murenison !) als Nereites und Myrianites bezeichnete, deuten durch ihre Benennung an, dass man in ihnen Reste von Anneliden zu haben wähnte; Me. CGov?®) fügte als neue Annelidengattung Crossopodia hinzu. Nachdem Beyrıcn®) "Nereites und die dazu gehörigen Gattungen als Verwandte der Grapto- lithen, oder als Thiere, welche den Seefedern entsprächen, bezeichnet ‚hatte, sprach Grinırz ?) mit Bestimmtheit aus, dass diese altsilurischen ‚Formen keine Würmer seien, vielmehr Graptolithinen mit einer ‚sehr weichen oder ganz fehlenden Axe. An mehreren Exemplaren habe ‚er sogar die Oeffnungen ihrer Polypenzellen erkannt. Dem entsprechend 4) MassaLonGo, a. a. 0.p.A7. Tav. II, Fig. 3. 3)..a. a. O. p. 18. Tav. II. Fig. 4. - 3) Sars, Om de in Norge forekommende fossile dyrelevninger fra quartaer- ıoden. Christiania 1865. 4. p. 30—33. Tab. I. Fig. 46—20. Tab. 1. 21—28. 4) MurcuHison, The Silurian System. London 4839. p. 700. Pl. 27. 5) Mc. Coy, On some new Protozoic Annulata. Annals and Magazine of natur, istory. Ser. 2. Vol. 7. A851. p. 394—396. 6) Zeitschrift d. deutsch. geolog. Gesellschaft. Bd. I. 4849. p. 399. Bd. II. 1850. p. 70. 7) H. B. Geinıtz, Die Versteinerungen der Grauwackenformation. Heft 1. Leipzig 1852. p. 19. * 28 + ro 436 | B. Ehlers, änderte er den bedeutungsvollen Namen in Nereograpsus, der mit der neuen Deutung vielfach Aufnahme gefunden hat. Ich würde über diese Gebilde hier in Kürze hinweggehen können , wenn nicht gerade der-. selbe Paläontologe mit noch grösserer Entschiedenheit als er früher Nereites aus dem Kreise der Würmer entfernt hatte, neuerdings!) die gleichen Gebilde als Anneliden bezeichnet, und sie sogar mit Sicher- heit auf jetzt lebende Gattungen zurückführt. So werden denn nun die Gattungen Phyllodocites, Crossopodia, Nereites und Myrianites als Vertreter der Nereideae, die Gattung Naites als Vertreter der Familie Naideae aus der silurischen Formation aufgestellt. Die Fossile, welche, wenn wir Naites (Gein.) zunächst ausschliessen, hier in Frage kommen, sind lang gestreckte, unregelmässig, oft auch in recht engen Windungen geschlängelte Gebilde, welche ein unpaares, einfaches oder auch wohl gegliedertes Mittelstück besitzen, an dessen Seiten blattartige Fortsätze stehen, bald eng an einander (Grossopodia, Phyllodocites) bald weiter von einander entfernt. Dass darin eine Aehnlichkeit mit dem Körper einer Annelide liegt, welche grosse Ruderfortsätze trägt, Kann nicht geleugnet werden, zumal wenn man als Vergleichsobjeet nur die Abbildungen von Anneliden heranzieht. Es wären hier also der Körper und die Ruderfortsätze von Anneliden I w erhalten, Theile, die ganz aus weichen , leicht zerstörbaren Substanzen bestehen, während die viel festeren Körpertheile, die Stütznadeln und Borsten, von den nicht allen Gattungen zukommenden Kiefern zu schweigen, nicht erhalten, wenigstens bis jetzt nicht nachgewiesen sind. Vergebens sucht man unter den fossilen Thierkörpern der gleichen Formation nach einem ähnlichen Vorkommen, nirgends findet sich eine Spur von weichen Körpertheilen erhalten; sind ja bis jetzt nicht einmal die Füsse der Trilobiten, welche sehr wahrscheinlich aus einem festeren chitinähnlichen Gewebe bestanden, als es der Wurm- körper besitzt, mit Sicherheit nachgewiesen. Gehen wir auf die ein- zelnen Gattungen ein, die Geinitz als Anneliden ansieht, so hat er zu- nächst Crossopodia mit keiner lebenden Gattung verglichen, und es 4 dürfte selbst mit dem besten Willen und bei der lebhaftesten Phantasie I schwer fallen, aus irgend einem Körper der uns bis jetzt bekannten‘ ‘ Anneliden eine solche Form abzuleiten; Nereites wird dagegen mit Nereis verglichen, da deren Ruder in gleicher Weise vorragen, als es die seitlichen Fortsätze der Nereites thun; ich gestehe, dass ich ver- \ 4) Geimıtz und Liege, Ueber ein Aequivalent der takonischen Schiefer Nord- 3 amerika’s in Deutschland. I. Geinıtz , Die organischen Ueberreste im Dachschiefer a von Wurzbach bei Lobenstein. p. 1—9. Verhandlungen d. k. 1 hBBP RE" Carolin. deutsch. Academie d. Naturforsch. Bd. 33. 1867. Ueber eine fossile Eunicee etc. 437 sebens bemüht gewesen, sowohl in den vorliegenden Abbildungen wie “ an mehreren Exemplaren dieser Fossile auch nur eine Aehnlichkeit zwischen dem Ruder einer Nereis oder einer verwandten Gattung und den Seitenfortsätzen von Nereites aufzufinden. Noch kühner ist aber der Versuch, die als Phyllodoeites beschriebenen Fossile mit der Gat- tung Phyllodoce zu vergleichen; hier sollen die blattförmigen Rücken- cirren die seitlichen, bisweilen den Körper deckenden Fortsätze bilden; aber es ist dabei jedenfalls nicht berücksichtigt, dass diese blättrigen Fortsätze der Phyllodoceen dünne hautähnliche Gebilde sind, welche hei denı ersten Eintreten der Fäulniss vom Körper des Thieres abfallen und zu Grunde gehen; die Polynoinen mit ihren derberen Elytren hätten ein viel passenderes Vergleichsobject geliefert, wenn nicht auch diese so leicht ihre Elytren verlören. Alle derartige Versuche, diese Gebilde auf Anneliden zurückzuführen, sind nach unseren jetzigen Kenntnissen dieser Thiere als vollkommen unhaltbar zurückzuweisen. Wenn Geiirz sie von ten Graptolithinen entfernt, so ist das nach meiner Ansicht völlig gerechtfertigt; denn mag man die Graptholithen als Sertularien oder als Pennatulinen auffassen , so werden diese Gat- tungen Nereites, Myrianites, Phyllodoeftes nicht wohl dahin zu rechnen sein, da man, von der auflallenden Grösse und Form ganz abgesehen, die charakteristischen Zellenöffnungen an ihnen nicht nitehweisen kann. In Uebereinstimmung damit hat J. Harı bereits eine andere Deutung versucht und vausgesprochen, dass sowohl Nemapodia tenuissima (Enm.) als Nereograpsus tenuissimus (GEin.) nur von Spuren einer Schnecke herrühren mögen«'), allein Geinıtz bemerkt dagegen wohl mit Recht, dass die Begrenzung gerade dieser Eindrücke zu scharf erscheine, um diese Ansicht theilen zu können. Murcnison ?) ist neuerdings der Mei- nung, dass man in manchen Fällen die Spuren von Würmern vor sich habe; Fährten unserer lebenden Borstenwürmer sind aber, so viel ich gesehen, nur einfache Furchen, in denen die Ruder keine besonderen Abdrücke hinterlassen. Prof. v. Sersacn theilte mir mündlich mit, dass “er die fraglichen Gebilde als Spuren von Krebsen ansehe, welche mit ihren Füssen die seitlichen Anhänge, mit dem Körper die Axe der Ne- ‚reites gebildet hätten; und wenn diese Erklärung auch durch das häufige Vorkommen von Trilobiten in gleichen Schichten mit Nereites u. A. scheinbar unterstützt wird, so scheint sie mir doch in den Fällen nicht annehmbar, wo die Anhänge auf der einen Seite des Körpers zu- sammengedrängt, auf der andern von einander gespreitzt sind. Das deutet offenbar auf die Anwesenheit einer biegsamen Axe, welche dem | 4) Ich entnehme diese Bemerkung dem Aufsatz von GEInITz a. a. 0. p. 8. P 2) Murcaison, Siluria 1854. p. 200, 438 E. Ehlers, ganzen Gebilde ausgiebige Beugungen gestattete. Ich möchte zur ge- naueren Prüfung eine andere Deutung dieser Gebilde empfehlen, mit der Beschränkung jedoch , dass ich nicht der Meinung bin, dass alles, was unter dem Namen Nereites, Myrianites u. s. w. beschrieben ist, dadurch seine Erklärung finden kann, dass aber in vielen Fällen, in welchen eine biegsame Axe von seitlichen Fortsätzen überragt wird, diese Deutung zulässig sein wird. Ich sehe in diesen Gebilden , mögen sie gross oder klein, wenig oder stark geschlängelt sein, die Laich- händer von Schnecken, und zwar habe ich hier zunächst den Fall vor Augen, welchen Lexp!) in seinen Untersuchungen über die Hüllen der Molluskeneier mit folgenden Worten beschreibt: »Les enveloppes d’oeufs, en forme de sacs aplatis sont attachees les unes derriere les autres le long d’un ligament eEpais, cartilagineux, que est le product de l’animal, ce qui donne a ensemble quelque ressemblance avec un ver annele.« Das biegsame Band, an welchem die blattartigen Eikapseln in regel- mässiger Folge gereiht sind, bildet die Axe im’Körper der Nereites, die Eikapseln die seitlichen Vorsprünge; liegt in den fossilen Gebilden das xsemeinsame Band nach oben, so tritt die Axe des Körpers deutlich hervor; liegen die Eikapseln nach oben, so werden die fossilen Körper die Bilder gewähren, welche Grinırz von der Phyllodoecites Jacksoni (Emn.) 2) geliefert hat. Die Zuspitzung dieser Körper nach den beiden Enden hin, oder der Abschluss derselben mit blattähnlichen Anhängen, passt völlig zu dem Verhalten der Laichbänder; auch die frühere An- gabe von Geinitz, welche ihn veranlasste, Nereites zu den Graptolithinen zu ziehen, dass er nämlich auf den Seitenanhängen Oeflnungen erkannt habe, lässt sich erklären, da wir wissen, dass diese Eikapseln mit einer gewissen Regelmässigkeit geöffnet werden, um die entwickelten Jungen austreten zu lassen. Es bliebe noch die Frage, ob es denkbar ist, dass diese Laichbänder fossil erhalten werden können; ich glaube die Frage bejahen zu dürfen, denn ich glaube die lederartig zähe Be- schaffenheit des gemeinsamen Bandes wie der Eikapseln leistet, wie 4 man sich am Meere leicht von den so oft an den Strand geworfenen 4). Lunp, Recherches sur les enveloppes d’oeufs des Mollusques gasteropodes pectinibranches, avec des observations physiologiques sur les embryons qui y sont contenus. Annales des sciences naturelles. Zoolog, Ser. II. T. 1. 41834. p. 108. — In älteren zoologischen Sammlungen finden sich solche Laichbänder nicht selten irocken aufbewahrt; im Göttinger zoologıschen Museum ist ein solches, welches im fossilen Zustande recht wohl die Verhältnisse einer Phyllodoeites (GEın.) zeigen würde. Abbildungen von Laichbändern dieser Form sind meines Wissens in der Neuzeit nicht bekannt gemacht Die beste mir-bekannte Abbildung findet sich in Baster Natuurkundige Uitspanvingen. Erste Stukje. Haarlem 1759. Tab. VI. Fig, 2 Be 2). 2..4.0. Tal a Eiern Ueber eine fossile Eunicee ete. 439 Massen der Eikapseln von Buceinum überzeugt, der Fäulniss an- dauernden Widerstand. Ich habe ferner die Ueberzeugung, dass in vielen Fällen, in welchen der Körper dieser Nereitesformen in Win- dungen hin und her gelegt ist, wir die ursprüngliche Lagerung vor uns haben, in welcher dieses Laichband abgesetzt wurde. Von welcher der im Silur vertretenen Schnecken die verschiedenen Laichbänder stammen, wir. sich vielleicht aus dem Nebeneinandervorkommen, und aus dem Vergleich mit lebenden Arten bestimmen lassen. Die Form der Laichbänder selbst gestattet keinen allgemeinen Schluss auf die Erzeuger derselben. Was für ein Gebilde der von Geiitz!) als Naites beschriebene Körper ist, kann ich nicht enträthseln; wenn auch die dort als Borsten bezeichneten stachelartigen Fortsätze des Körpers an Annelidenborsten erinnern können, so muss ich doch aus den bereits oben erörterten Gründen mich dagegen erklären, dass hier eine Nais von gigantischen Formen vorliege; aus dem als Kopf angesprochenen Stücke dieses Fos- siles das Kopfende eines Wurmes herauszudeuten, kann nur einer starken Phantasie gelingen, welche in demselben Körper auch noch den Darm und die Blutgefässe aufzufinden vermag. Es mag hier erwähnt werden, dass nach einer Angabe von MoRrrıs ?) Mr. Arkınson bei Haltwhistle und Mr. Tare bei Howick im Kohlen- gebirge Ueberbleibsel einer Annelide gefunden haben, welche der lebenden Eunice (Leodice) gigantea gleichen sollte; da aber diese Mit- theilung in der zweiten Auflage des Morrıs’schen Catalogs weggefallen ist, so beruht die Angabe wohl auf einem Irrthume und bedarf keiner weiteren Berücksichtigung. PorrLock ’) fand im Silur von Fermanagh zweizinkige Stacheln in Haufen zusammen, und vermuthet in ihnen die Borsten von Aphrodita. Die von ihm gegebene Abbildung gestattet über die Natur dieser An- häufungen kein Urtheil, um so weniger, da eine Grössenangabe der "Gebilde fehlt. Eher noch als an Annelidenborsten möchte ich an die "Spiculae einer Spongie denken. ’ Unter dem Namen Scolicia prisca hat QuATREFAGES ?) aus der Kreide der Bai von St. Sebastian ein Thier beschrieben, in en er den Darın und die Dissepimente zu erkennen glaubt; Budefereälze waren ve «4 7, 4) GEinıTz, a.a. O.p. 8. Taf. II. Fig. 2. 2) Morris, Catalogue of british fossils. Ed. I. 4843. p. 67, er 3) PortLock, On the geology of the county of Ba, 1843. 8, p. 362. Pi. XXIV. Fig. 8. 4) QUATREFAGES,, Note sur la Scolicia prisca. Annales des sciences naturelles. La 3; T. 12. Zool. 1849. p. 265. ig ev 440 E. Ehlers, nicht vorhanden, daher stellt Quarrrraces das Thier zu den Apoda, meint aber, dass es sich am meisten der jetzt lebenden Gruppe der Annelides errantes nähere. Eine Abbildung ist nicht gegeben, aber schon aus der Beschreibung scheint mir die Unsicherheit einer solchen Bestimmung hinlänglich hervorzugehen. Der Vollständigkeit wegen sei hier die von ©. G. Costa!) be- schriebene, zu den Anneliden gerechnete Sarcionota proboseidata er- wähnt; ein aus dem Kalkgebirge von Pietraroia stammender, mir unverständlieher Körper. Aus der Gruppe der Egel oder discophoren Anneliden sind einige Fossile beschrieben, deren Deutung mir im hohen Grade zweifelhaft zu sein scheint. Es sind dies die von Münster ?2) aus dem solenhofener: Schiefer beschriebenen Hirudella angusta und H. tenuis; zu denen OÖ. G. Costa?) aus dem Kalk von Pietraroia eine dritte Art, Hirudella laticauda gesellt hat; bei allen drei Arten ist weder in der Abbildung noch in der Beschreibung irgend ein Anhaltspunct gegeben, welcher die Deutung dieser Körper als Egel rechtfertigen könnte. Unter dem Namen Helminthodes antiquus hat dann Marsn?*) »ein zur Classe der Würmer gehörendes und anscheinend dem Blutegel nahe verwandtes Petrefact« aus Solenhofen bekannt gemacht; in ihm soll der Darmeanal erhalten sein, und eine deutliche Verengerung besitzen, ähnlich der- jenigen,, welche bei den Blutegeln vorkommt. Da eine weitere Be- schreibung des Gegenstandes versprochen ist, in welcher vielleicht bessere Stützen für die angeführte Deutung beigebracht werden, so halte ich mein Urtheil darüber zurück. Aus der Glasse der Gephyreen habe ich den Fall zu erwähnen, dass Sars°’) vermuthungsweise einen von ihm in einem Mergelknollen gefundenen wurmartigen Körper als ein mit Chaetoderma verwandtes Thier bezeichnet. Dass Nematoden im fossilen Zustande uns erhalten sind, ist durch ° einen Fall, welcher der Beschreibung nach als unzweifelhaft erscheint, bekannt geworden. C. v. Heypen®) beschreibt als Mermis antiqua einen | 4) 0. G. Costa, Palaeontologia del regno di Napoli. Parte Il. Napoli 1854—56. p. 355. Tav. XXVII. Fig. 42. 4 2) Münster, Ueber einige neue fossile schalenlose Cephalopoden und eine neue ) Gattung Ringelwürmer. Beiträge zur Petrefactenkunde. Heft V. 1842. p. 98. 99. £ | 3) 0. G. Costa, Palaeontologia del regno di Napoli a. a. O. p. 356. Tav. I W XXVIl. Fig. 43. 4 4) Zeitschrift der deutsch. geolog. Gesellschaft. Bd. XIV. 4864. p. 363. I SILLIMAn, American Journal of science and arts. Ser. TI. Vol. XXX VIl. 4864. p. +4 5) Sars, a. a. 0. p. 30. Taf. 1. Fig. 14. 45. 6) C. v. Heypen, Mermis antiqua, ein fossiler Eingeweidewurm. Entom 0- Fi; Ueber eine fossile Eunicee etc, 441 etwa einen Zoll langen Wurm von der Dicke eines starken "Menschen- haares, ‘welcher aus dem After eines aus der rheinischen Braunkohle stammenden Käfers, Hesthesis immortua (L. v. H.) hervorragte. Die feste und derbe Körperwand, welche die jetzt lebenden Mermisarten besitzen, lässt annehmen, dass diese Thierkörper sich fossil erhalten können, und wenn, wie in diesem Falle, ein solches Gebilde aus dem After eines Käfers hervorragt, so ist die gegebene Deutung um so ge- rechtfertigter. Aus den übrigen Glassen der Würmer ist im fossilen Zustande, wie das aus dem weichen und rasch vergänglichen Gewebe dieser Thiere leicht erklärlich ist, nichts erhalten. Dass die als Nemertites (Murca.) aus den silurischen Schichten beschriebenen Petrefacten nichts mit Nemertinen zu thun haben, bedarf keiner Erwähnung; vielleicht lassen auch diese Gebilde in manchen Fällen eine Deutung als Laich- bänder zu, wenigstens machen sie, wenn sie in engen regelmässigen Windungen liegen, den Eindruck, welchen die einfachen Eischnüre mancher Schnecken gewähren. Die Lumbricaria benannten, früher als Würmer bezeichneten Reste, welche so häufig in den solenhofener Schiefern vorkommen, sind bereits früher als von Fischen herrührende CGoprolithen bezeichnet; diese Erklärungsweise ist jedenfalls der andern, wonach die Körper Fischdärme, Gololithen, sein sollten, bedeutend vorzuziehen ; denn es ist nicht wohl zu erklären, wie der Darm eines Fisches frei werden und sich in solcher Form erhalten sollte; auch die Deutung, dass es sich um die ausgeworfenen Eingeweide von Holothurien handle, scheint mir zu gesucht. Der Umstand, dass in diesen Lumbricarien Stücke von Gräten und anderen festen Theilen erhalten sind, spricht durchaus nicht dagegen, dass es Kothmassen seien, die allerdings wohl nicht alle von Fischen herzurühren brauchen. Die von ConnyBEARE!) als »organic impressions« beschriebenen Körper, welche Bronn unter den Würmern aufführt, lassen sich zum Theil (Fig. I—4. 8.) auf Rhizoxenia (Ense.), eine Gattung der Aleyo- narien, von denen die lebende Rh. filiformis (Sars) ?) Kalkkörper be- sitzt, oder auf die fossile Gattung Rhizangia (Enw. & H.)*) zurückführen. logische Zeitung. Jahrg. 21, Stettin 4860. p. 38. MEyEr und Dunker, Palaeonto- _ graphica. Bd: X. 1861—63. p. 72. Taf. X. Fig. 36. 4) W.ConnYBEARE, On the Origin of a remarkable class of organic impressions _ oecurring in Nodules of flint. Transactions of the geological society. Vol. Il. 1814. Op. 328. Pl. 44. 2) Sars, Fauna littoralis Norvegiae. HeftI. 4846. p. 65—67. Tab. X. Fig.13—16. 3) MıLnEe Epwarns et J. Haıme, Recherches sur les polypiers. Annales des 442 E. Ehlers, Die Arten der Gattung Talpına (Hagenow), welche von Bronn unter den Würmern aufgezählt werden , sind nach den Originalexemplaren, welche Prof. v. SeEsacn mir zeigte, jedenfalls hohrende Spongien , wie es schon früher behauptet worden ist. — Entobia antiqua und cretacea, die ich nur aus den von PorrLock !) gegebenen Abbildungen kenne, sind nach Morrıs ebenfalls zu den Schwämmen zu rechnen. Für die zeitliche Verbreitung der Würmer erhalten wir hieraus den Schluss, dass Anneliden , welche feste Röhren bauen, bereits im Silur auftreten, dass aber frei lebende Würmer zuerst aus dem Jura- Meere uns bekannt geworden sind; in beiden Fällen bieten die fossilen Reste, so weit sie erhalten sind, keinerlei Eigenthümlichkeit, durch welche sie von den jetzt lebenden abweichen. Wenn aber die feste Röhren bauenden Würmer in früheren Schichten erscheinen, als die frei lebenden, so ist das nicht im mindesten ein Beweis für eine frühere oder spätere Entstehung der einen oder der anderen. Ein Meer, wel- ches die Bedingungen für das Leben der Röhren bauenden Würmer hietet, besitzt jedenfalls auch Alles, was für die Entwickelung und Erhaltung der frei lebenden Würmer nöthig ist. Finden wir deren Reste in den älteren Schichten nicht erhalten, so erklärt sich das aus der Vergänglichkeit, welche die Körper dieser Thiere besitzen. Ob es gelingen wird, in den älteren Formationen auch von diesen Thieren mit Sicherheit Ueberbleibsel nachzuweisen, scheint nach unseren augen- blieklichen Kenntnissen zweifelhaft, wiewohl es nicht unmöglich ist, dass auch hier die festeren Chitingebilde oder die verkalkten Kiefer kenntlich erhalten sind; dass dagegen aus der Fundgrube des solen- hofener Jura und aus den jüngeren Formationen eine reichere Ausbeute dieser frei lebenden Borstenwürmer zu heben sein wird, steht meines Erachtens sicher zu erwarten, sobald sich die Aufmerksamkeit der Paläontologen diesem Gegenstande mehr zuwenden wird. Vielleicht würde schon eine genaue Durchmusterung der grösseren, an solen- hofener Sachen reichen paläontologischen Sammlungen manches über- sehene oder, weil unverstanden, unberücksichtigt gelassene Stück zu Tage fördern. In dieser Richtung eine Anregung zu geben, war gleich- falls ein Zweck dieses Aufsatzes. Göttingen, Mai 1868. science. natur. Ser. II. Zool. T. 12. 4849. p 479. — T. 10. 1848. p. 228. Pl. 7. Eins ;7. | 4) PorTLock, Report on the Geology of the County of Londonderry. Lond. 1843. p. 359. Pl. XXI. Fig. 5. 5a. iu N Zeitschr 1’ wıssZool. XV. Bd Ta£ XXX. 2 eg = Lk Anst v JO Bech ‚Laipng, f | 2 Ueber eine fossile Eunigee etc. 443 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIX. Eunicites avitus, in natürlicher Grösse. In der Lithographie sind die Stacheln an den Seiten des Körpers, zumal im mittleren und hinteren Theile zu breit ausgefallen. Der Kieferapparat des Thieres. Vergr. 4. O Oberkiefer, O1 Träger, O2 die braunen Flecke, welche dem Basalstücke der Zange oder dem Zahne an- gehören, O3 schalenförmiger Abdruck des Zahnes. U Unterkiefer, von dem das vordere Schneidestück der einen Hälfte yöllig erhalten ist. Studien an Acariden. Von Edouard Claparede, Professor der vergleichenden Anatomie zu Genf. Mit Tafel XXX—XL. | | | |; Seit einigen Jahren mit anatomisch-embryologischen Unter- suchungen über Acariden beschäftigt, bin ich aus dem Grunde grossen i Schwierigkeiten begegnet, weil diese Thiergruppe in zoologischer Be- ziehung noch sehr mangelhaft bekannt ist. Ausser einigen vortrefflichen "Abhandlungen von Dusarvın, Ducks, NicoLet, Ropın, BruzeLius, PAGEN- STECHER und den leisen Untersuchungen über die Krätzmilben, - besitzen wir über die meisten Acaridenfamilien nur sehr dürftige Br gaben. Namentlich gewährt das grosse Arachnidenwerk von Koch eine 57 icht sehr hoch anzuschlagende wissenschaftliche Hülfe, denn wenn auch dem Verfasser desselben ein ziemlich feines Gefühl und glück- her Einblick in das Verhältniss der Familien und Gattungen zu ein- der nicht abzusprechen ist, so scheinen doch in sehr vielen Fällen von ihm aufgestellten Species ganz unbestimmbar. Scharfe Unter- eidungsmerkmale sind ihm völlig entgangen, während er in Facies- bildungen freilich Vortreflliches geleistet hat. Neben Kocn# ist in zug auf Wassermilben der treffliche Orto Fr. Mürzer zu stellen, Icher an und für sich ein weit genauerer Beobachter war, als sein chfolger, dem er aber mit Rücksicht auf die Bestimmbarkeit der von n aufgestellten Species kaum voransteht. Die Untersuchungsmittel, he damals diesem ausgezeichneten Forscher zur Verfügung stan- n, waren unzureichend, um eine scharfe Sonderung der Arten zu atten. Daher sind viele Hydrachnidenarten des MürLer noch weniger rkennen, als Kocn’sche Species. | M iz E:- Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 29 446 Prof. Edonard Claparede, Dieser Mangel an zoologischen Hülfsquellen brachte mich allmählich „dahin, die Acariden auch in Bezug auf Systematik genauer zu studiren. Das Material häuft sich aber täglich mehr an und fühle ich jeden Augenblick tiefer, dass ich nur am Anfang stehe, denn die Zahl dieser Thierchen ist wahrhaft unermesslich. Ich sehe ein, dass die Be- | herrschung dieser an Zahl so bedeutenden Gruppe meine Kräfte über- steigt und dass ich vielleicht nimmer zu einer befriedigenden zoolo- gischen Bearbeitung derselben gelangen werde. Indessen ist mir während dieser Untersuchungen mehreres Unerwartete und Auffallende begegnet, das der Veröffentlichung wohl werth ist. Ich habe mich daher entschlossen, einzelne Kapitel aus meinen Untersuchungen und zwar solche, die sich einer verhältnissmässigen Vollständigkeit rühmen dürfen, herauszunehmen und schüchtern in die Welt zu schicken. Auf diese Weise sind folgende unzusammenhängende Bruchstücke entstan- den, denen später andere wohl folgen dürften. 1. Beiträge zur Kenntniss der Gattung Atax iin zoologisch- anatomischer und entwickelungsgeschichtlicher Hinsicht. a. Systematische Vorbemerkungen. Die Gattung Atax wurde zuerst von Farrıcıus!) aufgestellt, der sie aber so weitläufig auffasste, dass sie ziemlich alle Hydrachniden in sich vereinigte. Von Ducks aber wurde der Begriff der Gattung ein- geschränkt, indem er sie folgendermaassen charakterisirte : »Palpi longi, articulus 4% longior, 5"* unguiformis; mandibulae unguiculatae; rostrum breve; corpus infiatum; oculi distantes, coxae posteriores latissimae; vulvae labia utrinque 3 stemmatibus ornata. Larvae hexapodae, aquaticae, adulto dissimiles.« Diese Diagnose wird sich freilich einige Abänderungen gefallen lassen müssen, wenn sie auch im Allgemeinen eine ganz vortreflliche zu nennen ist. Die besseren optischen, uns jetzt zu Gebote stehenden Untersuchungsmittel lassen kaum das fünfte Palpenglied als nagel- förmig bezeichnen, insofern als dessen Spitze mitunter mit dorn- artigen Fortsätzen bewaffnet ist.“ Indessen wollte Dveks durch den Ausdruck unguiformis die einfachen Palpen der scheerenlosen Ataxarten im Gegensatz zu den zusammengesetzteren der Diplodonten kurz bezeichnet wissen, bei welchen das fünfte Glied in einen dem 41) Systema antliatorum. p. 364. Studien an’Acariden. 447 fünften Gliede scheerenartig entgegenstehenden Fortsatz ausläuft. Eine bedeutendere Abänderung der Diagnose des trefflichen Forschers wird in Betreff der Zahl der um die Generationsorgane stehenden Saugnäpfe, vorgenommen werden müssen. Dveis bezeichnet diese Organe als drei Paar um die Scheidenlippen stehender Stemmaten. Es werden aber dieselben bei beiden Geschlechtern, also eben sowohl um die männ- liche, wie um die weibliche Geschlechtsöffnung herum, angetroffen, und es kann deren Anzahl durchaus keinen Gattungscharakter abgeben, denn nicht nur ist diese Zahl bei sonst ungemein nahe verwandten Arten eine verschiedene, sondern sie wechselt auch mitunter bei ver- schiedenen Individuen einer und derselben Species. Es bewahrheitet sich auch hier ein sehr bekanntes Naturgesetz, dass nämlich die Wich- tigkeit der Zahlenverhältnisse sich umgekehrt wie die Grösse der Zahl verhält: so lange die Anzahl der Saugnäpfe nur eine geringe ist, d. h. z.B. nur vier bis sechs Paar beträgt, dann bleibt dieselbe ganz unver- änderlich; sobald aber diese Zahl in die Höhe, z. B. bis in die dreissig oder vierzig wächst, dann wird sie sehr veränderlich, nicht nur bei verschiedenen Individuen einer und derselben Species, sondern auch bei einem und demselben Individuum insofern, als die Zahl der Saug- näpfe rechts und links eine verschiedene ist. Das Merkmal der Saug- napfzahl muss demnach bei der Dusks’schen Diagnose wegfallen. Es behält gleichwohl dasselbe in vielen Fällen eine grosse Wichtigkeit in der Unterscheidung der Arten, wenn man auch den Umstand nicht aus dem Auge verlieren darf, dass diese Zahl bei verschiedenen Entwicke- lungsstadien einer und derselben Art wechseln kann. Mit diesen wenigen Verbesserungen darf Ducks’ Diagnose bei- behalten werden. Kock hat zwar versucht, dieselbe zu vervoll- ständigen, indem er zahlreichere Merkmale in Betracht zog, und er be- ‚schränkte demnach den Begriff! der Gattung Atax. Indessen ist der Versuch dieses Schriftstellers kein glücklicher zu nennen, insofern als ‚die neu hinzugenommenen Charaktere theils Ginrichtig, theils unwesent- lich und unbeständig sind. Koch berücksichtigt nämlich z. B. die Lage ‚der Saugnäpfe, die Anwesenheit von Zähnchen am vorletzten Taster- ‚glied und die Art und Weise, wie die Fussborsten eingelenkt sind. Die "Saugnäpfe nennt er Rückenstigmen, eine jedenfalls irrige Benennung nicht nur bezüglich der Function, sondern auch in Betreff der Lagerung. Die Saugnäpfe liegen in der Regel an der Bauchseite, ziemlich nahe am Hinterende. Selbst wenn sie am meisten nach hinten gerückt sind, "wenigstens bei allen von mir untersuchten Species, darf man sie höch- ‚stens Steiss- niemals aber Rück ennäpfe nennen. In Bezug auf den Taster unterscheidet Koch zwei Zähnchen und e 29 * Es En es 448 Prof. Edomard Olaparede, ein schief auswärts stehendes Aestchen am vorletzten Gliede. Ich finde zwar bei den meisten Species, vielleicht gar bei Allen am genannten Gliede drei eigenthümliche Organe, welche bei manchen Arten sogleich ins Auge fallen, bei anderen aber nur mit Hülfe der stärksten Ver- grösserungen zu entdecken sind. Es sind dieselben als modificirte Haare zu betrachten. Sie bestehen in der Regel aus einem kleinen Höcker mit dergestalt abgestutzter Spitze, dass die Endfläche wie mit einem Ringwall umgeben ist, aus dessen Mitte ein höchst feines, ein- faches Härchen herausschaut, welches Koch .unbekannt blieb. Bei gewissen Arten ist der eine von diesen drei Höckern mehr entwickelt, als die beiden anderen, und stellt dadurch einen eylindrischen Fortsatz dar, aus dessen abgestutzter ringwallartig umkränzter Spitze das feine Härchen hervorragt. Dieser Fortsatz ist Kocn's schief auswärts stehendes Aestchen. Indessen ist die Ausbildung des einen Höckers zu einem Fortsatze bei verschiedenen Species dem Grade nach sehr wechselnd, und ist es unmöglich , diesen Charakter zur Bezeich- nung einer Gattung zu benutzen. Kocn betrachtet endlich die eigenthümliche Bezahnung der Füsse des vorderen Paares, wobei auf jedem Zähnchen eine bewegliche Stachelborste sitzt, als charakteristisch für die Gattung. Es sitzt aber in der Regel bei den Hydrachniden jedes Haar auf einem leichten ring- wallartigen Wärzchen der Guticula und die sogenannten Zähnchen am vorderen Fusspaar sind morphologisch nichts Anderes als solche ver- längerte Wärzchen. Diese Verlängerung kann bei sonst sehr nahe ver- wandten Species oder gar bei verschiedenen Verwandlungsstadien einer und derselben Art eine sehr verschiedene sein oder selbst mit- unter gänzlich wegfallen. Auch BruzeLivs') schreibt der Anwesenheit von Zähnen am vor- deren Fusspaare und von einem äusseren und zwei inneren Höckern am vorletzten Tasterglied die Bedeutung von Gattungsmerkmalen zu. Ich bin übrigens weit davon entfernt, die Beständigkeit des zweiten Charakters zu unterschätzen, vielmehr behaupte ich, dass in vielen, vielleicht gar in allen Fällen, wo der eine Höcker abwesend erscheint, derselbe vermittelst einer stärkeren Vergrösserung entdeckt werden | kann. Ich kann daher die Gattung Nesaea Koc#, welche auch in BruzeLius’ ausgezeichneter Schrift angenommen wird, nicht für be- a rechtigt ansehen, denn sie fusst hauptsächlich auf der wahrscheinlich scheinbaren Anwesenheit von nur zwei Höckern am vorletzten Taster- glied. 9 u 4) Beskrifning öfver Hydrachnider som förekomma inom Skäne, akademisk a Afhandling af Racnar MAGnus BruzeLius. Lund 4854. p. 8, nt Studien an Acariden. 449 Ich glaube daher zur einfacheren Dusis’schen Diagnose mit den wenigen oben angedeuteten Verbesserungen zurückkehren zu dürfen. b. Ueber Artunterschiede in der Gattung Atax und über die Lebensweise dieser Milben. Die Arten der Gattung Atax sind sehr zahlreich. Von ©. F. Mürner’s Hydrachnen sind viele dahin zu rechnen, und Kocn zählt 21 Species in der Gattung Atax nebst 28 in der mit derselben wahrscheinlich zu . vereinigenden Gattung Nesaea auf. Diese Zahlen sind vorläufig offen- bar viel zu hoch gegriffen. Sowohl Mürıfk wie Kocn legten sehr viel Gewicht auf die Farbenverhältnisse, welche gerade bei diesen Hydrach- niden ganz werthlos sind. So ist z. B. die vielen Species eigenthüm- liche weisse Rückenzeichnung mit grosser Emsigkeit zur Unterschei- dung von Arten benutzt worden. Es rührt aber dieselbe von einem bisher, so viel ich weiss, als solchem unbeschriebenen Excretionsorgane her, und wechselt daher in Bezug auf Gestalt und Volum, je nachdem das Secret in grösserer oder geringerer Menge angehäuft ist, sowie auch nach der Zeit der letzten Ausleerung des Organs. Die ursprüng- liche Form des Excretionsorgans ist bei den meisten Species Y förmig, kann aber sehr verunstaltet werden. Ausserdem sind die verschiedenen Verwandlungsstadien jeder Species bisher von keinem Forscher als solche berücksichtigt, und geradezu zu besonderen Arten gestempelt worden. Bruzerius hat bereits einige Koen'sche Arten mit Recht fallen lassen, und viele andere scheinen mir eben so unhaltbar zu sein. Die Ataxarten sind ohne Ausnahme Wasserbewohner, ausserdem leben einige als Epizoen auf anderen Wasserthieren, namentlich auf Muscheln. Ich werde in dieser Abhandlung diejenigen Arten ganz be- sonders berücksichtigen, welche auf Najaden schmarotzen. Sonder- barer Weise sind dieselben allen Schriftstellern entgangen, die sich mit - Species dieser Gattung beschäftigten, so MÜLLER, Dusks, Koch, BruzeELius. Dagegen wurden sie von vielen Anderen erwähnt oder gar studirt, die sich offenbar nur gelegentlich damit befassten, weil sie bei Unter- suchung der Muscheln zufällig auf die Schmarotzer stiessen. Zuerst beschrieb Bonz diese Parasiten unter dem Namen Acarus ypsilo- _ Phorus bereits im Jahr 1783'), darauf folgte Rarhke mit seinem Trombidium notatum, Preirrer (1825) mit seinem Limnochares Anodontae, Bir mit seiner Hydrachna concharum, Vogt, wel- 4) Observatio X Christophi Gottlieb Bonz. Nova Acta physico medica Acad. Caes. Leop. Carolinae. Nat. cur. cont. Ephemerides etc. VII. Norim- berg. 1783. p. 52. & 47 450 | Prof, Edouard Glaparede, cher die Eier des Schmarotzers beschrieb, und endlich van BENEDEn, dem wir eine ausführliche Schrift über die Entwickelungsgeschichte von »Atax ypsilophorus« verdanken. Ist stets dasselbe Thier unter diesen verschiedenen Namen gemeint worden? Van BEneDen bejaht. ohne Zaudern diese Frage, und vielleicht hat er Recht. Ich selbst kenne diese Parasiten der Najaden beinahe nur durch die Untersuchung von Muscheln aus dem Flüsschen Seime bei Genf, und zwar sowohl von Anodonta cellensis wie von Unio batavus. Beide Muschelarten sind regelmässig von Hydrachniden geplagt und zwar jede von einer besonderen Species. Diese beiden Ataxarten sind bereits mit blossem . Auge leicht zu unterscheiden, schon aus dem Grunde, weil zwischen beiden ein wenigstens ebenso bedeutender Grössenunterschied besteht, wie zwischen ihren Wirthen. Die Gestalt ist auch eine ganz ver- schiedene. Mit Hülfe des Mikroskops erscheinen aber Abweichungen dieser beiden Formen von einander in grosser Anzahl, namentlich fällt ein leicht zu beobachtendes Merkmal gleich ins Auge, die Anzahl näm- lich der Saugnäpfe um die Geschlechtsöffnung. Es beträgt nämlich dieselbe regelmässig zehn, d. h. fünf jederseits, bei den ausgebildeten Schmarotzern der Unionen, während sie beim Parasiten der Anodonten zwischen 30 und 40 schwankt. Der Fall ist mir noch nie begegnet, dass der regelmässige Schmarotzer der Unionen entweder als Larve oder als ausgebildetes Individuum in einer Anodonte ausnahmsweise vorkam oder umgekehrt. Dagegen habe ich in seltenen Fällen bei den Unionen eine dritte Schmarotzerform angetroffen, die ich, wie ich es später zeigen werde, für die Larve des Atax crassipes Koch (Hydrachna crassipes O. F. Mürrrr) halten muss. Welche von diesen drei Species haben die verschiedenen oben angeführten Schriftsteller vor Augen gehabt? Offenbar den Anodonten- schmarotzer. Alle erwähnen die Anodonten als die Wirthe der Hy- drachniden. Die Abbildungen lassen meist keinen Zweifel zu, am wenigsten die allerersten, nämlich die vorzüglichen Abbildungen des Bonz!) so wenig wie diejenigen von PFrırrer und von Bär. Dagegen scheinen van BEnzDen’s Abbildungen nach dem Schmarotzer der Unionen entworfen zu sein, wenigstens stellt seine 28. Figur ein Lagerungs- verhältniss der Saugnäpfe dar, wie es für diese Art ganz charakteristisch ist. Nun sagt der Verfasser ausdrücklich, er habe seine Hydrachniden in Anodonten gefunden. Ist ihm vielleicht dabei ein Schreibfehler mit unterlaufen, indem er Anodonta anstatt Unio schrieb, oder schmarotzt wirklich dasselbe Thier in Belgien auf Anodonten, welches in Genf auf 4) van BENEDEN schreibt durchweg Buntz, während dieser Schriftsteller wirk- lich Bonz hiess. Studien an Acariden, 451 Unionen lebt? Diese Frage mag vorläufig unbeantwortet bleiben. Wie dem auch sei, so gebührt der Name Atax ypsilophorus einzig und allein dem Acarus ypsilophorus Bonz, d. h. dem Genfer Anodonten- schmarotzer mit den vielen Saugnäpfen, und die Namen Trombidium notatum, Limnochares Anodontae, Hydrachna concharum sind als einfache Synonymen desselben zu betrachten. Der Unionen- schmarotzer wäre dagegen jetzt zu benennen, obgleich er vielleicht bereits von Bonz gesehen wurde. Nachdem nämlich dieser Forscher das Schmarotzen seines Acarus ypsilophorus auf dem Mytilus eygneus Linnaei angegeben, setzt er Folgendes hinzu: »Eundem Acarum sed unicum saltem in Mya pictorum Linn. reperi, frustra deinde quaesitum in multis hujus speciei individuis: igitur Myae quoque incolam dicere, nondum audeo.« Es ist freilich zweifelhaft, ob dieses einzige Individuum unserer vermeintlichen kleineren Art an- gehörte, vielmehr sollte man, angesichts der behaupteten Seltenheit des Thieres bei Unionen, meinen, dass die sehr kleinen Parasiten der Genfer Unionen dem Bonz entgangen sind, wenigstens ist es auffallend, dass mir noch keine Unio vorgekommen ist, welche nicht mehrere Atax beherbergte. Jedenfalls scheint es mir ganz angemessen, diesen Schmarotzer der Unionen fortan Atax Bonzi zu benennen. Dr Zur Entwickelungsgeschichte des Atax Bonzi. Die Schmarotzermilbe der Unionen scheint nur selten aus der Mantelhöhle der Muschel herauszukommen. Sie wird stets in grosser Anzahl daselbst angetroffen und scheint ihre Eier das ganze Jahr hin- durch zu legen. Es werden dieselben von der Muiter wahrscheinlich vermittelst der weiter unten zu beschreibenden Scheidenbewaflnung in das Gewebe der Muschelkieme hineingeführt. Sowohl Mutterthiere wie Eier sind sehr lebenskräftig. Bei Muscheln, die wochenlang ausser- "halb des Wassers in der Dürre gelegen und halb ausgetrocknet dem Tode langsam entgegengehen, findet man die Milben zwar durch Ver- dunstung erstarrt, jedoch beim ersten Wasserzusatz sehr schnell wie- der lebendig und die Eier entwickelungsfähig werden. Letztere findet "man bald vereinzelt, bald zu kleinen Gruppen (bis 8 oder 12) vereinigt. Nur ausnahmsweise habe ich sie im Gewebe des Mantels oder der Mundtientakeln angetroffen. . Die Entwickelung von Atax ist bereits von van BENEDEN in grossen Zügen dargestellt worden. Ich darf indessen behaupten, dass die Un- tersuchung des berühmten Forschers eine nur sehr flüchtige gewesen, | - so dass er, ohne sich merkliche Fehler zur Schuld kommen zu lassen, 452 Prof, Edouard Claparede, das Merkwürdigste gänzlich übersah. Es ist ihm zum Beispiel ent- gangen, dass aus dem ursprünglichen Ei keine Larve, sondern ein eiähnliches Gebilde herausschlüpft, das ich am besten als Deutovum bezeichnen werde. Erst aus diesem Deutovum kommt die sechsfüssige Larve hervor, welche sich nach einer Rückkehr zu. einem eiähnlichen Zustande in eine zweite von van BENEDEN ebenfalls übersehene Larven- form verwandelt. Erst aus dieser zweiten Larve bildet sich das reife Stadium durch Metamorphose hervor. Wir werden daher am passend- sten bei der Entwickelung von Atax fünf Stadien unterscheiden: 1. Entwickelung im Ei und Bildung des Deutovums; 2. Entwickelung innerhalb des Deutovums; 3. erste Larvenform; 4. Rückkehr zu einem eiähnlichen Zustande und Bildung der zweiten Larvenform; 5. Bildung des ausgebildeten Thieres. 4. Stadium. Entwickelung im Ei und Bildung des Deutovums. Das frisch gelegte Ei (Taf. XXX. Fig. 1) ist ein 0,17 Mm. langes, nicht drehrundes, sondern von der einen Seite etwas abgeplattetes Ovoid. Die flachere Seite ist Rücken-, die mehr convexe dagegen Bauchfläche, wie es sich bei der späteren Entwickelung ergiebt, denn die Lage des Embryo bleibt stets dieselbe während der ganzen Ent- wickelung und die halbe Umdrehung der meisten Insecten, so wie auch in etwas verändertem Sinne der Spinnenembryonen innerhalb des Eies findet hier kein Analogon. Die ziemlich feste, schalenartige Dotterhaut enthält eine bei durchfallendem Lichte sehr dunkle Emulsion, deren scheinbare Tropfen sich bei sehr starker Vergrösserung als Gruppen von aneinander gedrückten, zähen, körnigen Massen ausnehmen. Es war mir, im Widerspruch mit van BEnepen’s Angaben, niemals möglich, das Keimbläschen im gelegten Eie zu entdecken, selbst nicht in den reifen aus dem Mutterleibe entnommenen Eiern, während dasselbe bei den wachsenden Eichen des Ovariums als ein blasiges, rundliches, helles Gebilde leicht wahrzunehmen ist. Die Schalenhaut habe ich trotz ihres verhältnissmässig sehr späten Auftretens innerhalb des Mutter- leibes als Dotterhaut bezeichnet, indem ich dadurch die vollständige Abwesenheit einer zweiten Haut zwischen Schale und Dotter aus- drücklich hervorheben möchte. Es erscheint nämlich sehr bald — wie wir es sehen werden — eine solche Zwischenhaut, die aber nicht von vornherein existirt, sondern als ein secundäres Product zu betrachten ist. Das frisch gelegte Ei lässt beim Zerdrücken niemals eine zweite Haut zum Vorschein kommen. ' Ueber die Bildung des Blastoderms bin ich ebenso wie van BENEDEN zu keinem befriedigenden Resultate gelangt, Der Gegenstand ist zu Studien an Acariden. 453 ungünstig, indessen wird diese Lücke nicht zu schmerzlich gefühlt werden, da ich im Stande war bei anderen Acariden die erste Bildung der Keimhaut Schritt für Schritt zu verfolgen. Bei Atax nahm ich stets das Blastoderm erst dann wahr, als es bereits eine dünne, durch- sichtige, aus winzigen mehrschichtigen Zellchen bestehende, das Ei rund umschliessende Haut bildete. Sehr bald verdickt sich diese Haut (Taf. XXX. Fig. 2 bl.) am Kopf- und Schwanzpole, so wie auch an der ganzen Bauchseite, während sie sich am Rücken sehr verdünnt. So entsteht eine Art Bauchwulst, welche allmählich in die Seitentheile der Keimhaut übergeht. Zu derselben Zeit zieht sich das Ei zusammen, so dass ein durch eine farblose Flüssigkeit erfüllter Raum zwischen Schalenhaut und Blastoderm entsteht (Taf. XXX. Fig. 3), wobei der Bauchwulst sich wellenartig der Quere nach faltet und eine undeutliche Theilung in Ursegmente erkennen lässt. Zugleich wird das ganze Ei ‘von einer feinen Membran der Zwischenhaut (Taf. XXX. Fig. 3 dm.) umhülit, worauf ich bereits anspielte. Mein erster Gedanke war, in diesem Häutchen ein Homologon der Schutzmembran zu sehen, die uns bei Insecten durch meisterhafte Untersuchungen bekannt wurde. Ich meine Weısmann’s Faltenblatt, dessen Bildung etwas richtiger von Mecznıkow (in ähnlicher Weise auch von C. Kuprrer) unter der Bezeich- nung eines Amnion dargestellt wurde. Allein ein näheres Eingehen in diesen Gegenstand liess mich bald die Unzulässigkeit dieses Vergleiches | erkennen. Die Amnionbildung der Insecten ist mir sehr wohl bekannt. ‚Ich habe sie namentlich bei verschiedenen Zweiflüglern und den Läusen | verfolgt, wie ich es nächstens zu veröffentlichen gedenke. Bei allen diesen Insecten ist das Amnion, wie Meczuıkow und KuprFer es sehr ‚richtig darstellten, eine zelligeMembran, wie es auch zu erwarten war, da sie durch eine Sonderung von der Keimhaut entsteht. Dagegen ist ‚die Zwischenhaut bei Ataxeiern durchaus homogen und structurlos. ‚Ihr Entstehen hängt zwar mit der Ausbildung der Keimhaut zusammen, "indessen kann sie nur als eine von derselben abgesonderte Lage, also ‚als ein Secret betrachtet werden. Es spielt übrigens diese Zwischen- ‚haut bei der Entwickelung eine ganz andere Rolle als das Amnion, in- dem sie später zur Hülle des Deutovums wird). 4) Mit dieser Zwischenhaut ist vielleicht die von Dourn (Die embryonale "EntwickelungdesAsellusaquaticus — Diese Zeitschr. XV1l. 1867. p. 224) | bei Asellus aquaticus erwähnte structurlose innere Eihaut vergleichbar, "welche der Angabe dieses Forschers gemäss dem Chorion anliegt. Ob aber diese Haut bei Asellus als ein secundäres Product anzusehen ist, erscheint noch frag- lieh. Ohne diese Frage aufzuwerfen, bemerkt nur Dr. Donrn, dass diese Membran anfänglich nur schwer zu erkennen sei. 454 Prof. Edouard Glaparede, Unter dem Schutze der Zwischenhaut bildet sich dann der Bauch- wulst weiter aus, indem er sich bedeutend verdickt und sich vorn in breite Kopfplatten (Taf. XXX. Fig. A—7 Ic.) ausbreitet. An der Stelle des Ueberganges in die Kopfplatten biegt sich der Bauchwulst winkel- artig vor (Taf. XXX. Fig. 4—6 ag.). Zu dieser Zeit erscheinen die Gliedmaassen als fünf Paar aus dem Bauchwulste gleichzeitig hervor- wachsende Knöpfe, die sich sehr bald wurstartig verlängern. Morpho- logisch entspricht das erste Paar den Mandibeln und das zweite den Tastern, die übrigen stellen die drei ersten Paar Füsse vor. vAn BENEDEN sah bereits diese keimenden Extremitäten, giebt aber irrthümlich deren Zahl zu vier Paar an, indem er das vorderste als einen unpaarigen Höcker auflasst und als Kopf beschreibt. Nichtsdestoweniger deutet er das zweite von ihm als erstes bezeichnete Extremitätenpaar ganz richtig als Taster. Von Mandibeln ist demnach bei ihm keine Rede, eine Lücke, die ihm nicht aufgefallen zu sein scheint. In diesem Auftreten von fünf Extremitätenpaaren, wovon das erste als Mandibeln aufzufassen ist, stimmt die Gattung Atax mit allen anderen von mir auf ihre Ent- wickelung untersuchten Acariden überein. Ursprünglich ist der Bauchwulst einfach. Indessen zeigt sich bald seine Zusammensetzung aus zwei symmetrischen Hälften, indem eme Dotterfirste (Taf. XXX. Fig. 7 df.) zwischen beide eindringt, ohne jedoch eine vollkommene Trennung hervorzubringen. Diese Dotterfirste ist zwischen den Kopfplatten am stärksten ausgebildet. Sie verstreicht aber nach kurzer Zeit, während der Bauchwulst vorn an Dicke bedeu- tend zunimmt. Es bildet sich auch nun innerhalb der Embryonalanlage und zwar unter dem Kopftheile eine Höhle (Taf. XXX. Fig. 12 Ih.), die erste Spur der Bauchhöhle. Dadurch trennt sich von der Leibeswandung eine Schicht, welche fortan als Hülle des Dotterrestes, d. h. als erste Anlage der Darm- und Leberwand erscheint. Der Mund zeigt sich als eine kleine Einsenkung hinter den Mandibeln, jedoch habe ich die weitere Einstülpung derselben nicht Schritt für Schritt verfolgen können. Die anfangs einander vollkommen gleichen Extremitätenpaare fangen nun an Verschiedenheiten in der weiteren Ausbildung zu zeigen. Am wenigsten haben sich die Mandibeln (Taf. XXX. Fig. 8—10 md.) verlängert. Sie ziehen sich kugelig zusammen und rücken näher zu- | sammen, um sich endlich dicht an einander zu legen (Taf. XXX. Fig. | 11—12 md.). Wahrscheinlich sah van BEnzDEn dieses Stadium allem | und verkannte deswegen das ursprüngliche Doppeltsein dieses vorder— sten Extremitätenpaares. Die Tasteranlagen bleiben ebenfalls sehr bald | im Wachsthume zurück, rücken allmählich an die Mandibeln und con- vergiren mit ihren Spitzen gegen einander (Taf. XXX. Fig. 11—12 mx.) | Studien an Acariden. 455 Die drei wurstförmigen Fusspaare schnüren sich stellenweise ein und bringen auf diese Weise eine undeutliche Gliederung hervor. Jede Extremität zählt zuerst nur drei Glieder (Taf. XXX. Fig. 8 und 10), später aber vier und endlich fünf (Taf. XXX. Fig. 11—12). Vom Bauchwulste aus hat sich im vorderen Theile des Embryo ein dicker, einen Theil des Dotterrestes verdrängender Auswuchs allmählich hervorgebildet, die Anlage nämlich der Speiseröhre und des Magens, mit dem sie umringenden Nervensysteme (Taf. XXX. Fig. I1 sp.). Endlich erscheinen die Augen als zwei Paar runde, aus vielen regel- mässig gelagerten rothen Pünctchen bestehende Pigmentflecke (Taf. XXX. Fig. 11 oc.). Linsen sind noch nicht vorhanden. Mit diesem Erscheinen der Augenflecke schliesst gewöhnlich die Entwickelung innerhalb des Eies ab, indem die Eischale zerplatzt. Dieses Platzen findet jedoch nicht bei allen Embryonen zu einer und derselben Entwickelungszeit statt, da ich nicht selten zerplatzte Eier beohachtete, bei welchen die Bildung der Augen noch nicht begonnen hatte. Während dieser Vorgänge ist die Zwischenhaut nicht unverändert geblieben. Vielmehr hat sie sich bedeutend ausgedehnt, und weil sie innerhalb der Eischale keinen genügenden Raum fand, in viele Falten gelegt (Taf. XXX. Fig. 11 u. 12). Der zwischen dem Embryo und dieser Zwischenhaut bestehende Raum ist mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt, worin einzelne amöbenartige Gebilde langsam hin und her kriechen (Taf. XXX. Fig. 12 amb.). Es sind dieselben, wie ich es weiter unten ausführlich beweisen werde, wahre Blutkörperchen, wesshalb ich sie als Hämamöben bezeichnen will. Der Embryo wird also von wirklichem Blute umspült. Dass die Himamöben durch Ablösung einzelner Zellen von der Keimhaut ursprünglich abstammen, ist im höchsten Grade wahrscheinlich, jedoch wollte es mir nicht glücken, den Vorgang selbst ‘zu sehen. Im Augenblick, wo das Ei platzt, dehnt sich die Zwischenhaut durch Aufsaugen von Wasser sehr rasch aus, so dass der Beobachter ein bedeutend grösseres Ei zwischen den Schalenfragmenten des primi- liven Eies vor Augen zu haben glaubt. Dies ist das Deutovum (Taf. XXX. Fig. 13). 2. Stadium. Entwickelung innerhalb des Deutovums. | Das Deutovum y) trifft man meist von den Bauchstücken der Schalen- } haut umgeben (Taf. XXX. Fig. 13, Taf. XXXI. Fig. #). Seine Gestalt 1) Dieses Deutovum ist offenbar mit den bekannten unbeweglichen Embryonen innerhalb der Bruttasche von Mysis vergleichbar. Die Deutovummembran ent- spricht demnach der Larvenhaut dieser Embryonen, so wie auch der von Fritz 456 Prof, Edouard Claparede, lässt sich am besten als breit kahnförmig bezeichnen. Von der Seite gesehen (Taf. XXX. Fig. 14) läuft dasselbe an beiden Enden in eine abgerundete Spitze aus, von denen die vordere stumpfer und nach der Bauchseite etwas gebogen erscheint. Die Rückenseite ist stark gewölbt, die Bauchseite mehr abgeflacht, wenn auch convex. Von der Bauch- (Taf. XXX. Fig. 13) oder Rückenseite (Taf. XXXI. Fig. 1) gesehen, erscheint das Deutovum verhältnissmässig sehr breit, verschmälert sich | aber plötzlich nach vorn zu, um in einen stumpfen Kegel auszulaufen. Diese eigenthümliche Gestalt ist sehr beständig und wird sehr rasch nach dem Platzen der Eischale durch Wassereinsaugung der Membran angenommen. Die Länge des Deutovums beträgt 0,22 Mm., während das eigentliche Ei nur 0,17 Mm. lang war. Die Breite beträgt etwa a 0,15, die Dicke 0,10 Mm. Der Embryo hat natürlich während der Ausdehnung des Deutovums seine Gestalt ein wenig verändern müssen. Er ist breiter und flacher geworden. Die denselben umspülende Blutmenge hat durch Wasser- zusatz bedeutend zugenommen. Auch vermehren sich die Himamöben auf mir unbekannte Weise sehr schnell und kriechen ziemlich lebhaft umher. Nach einiger Zeit kommen einzelne zur Ruhe und ziehen sich dabei kugelig zusammen. Wenn die Zahl dieser ruhenden Hämamöben eine ziemlich beträchtliche ist, so können dieselben, indem sie dicht an einander gedrängt sind, einer der Deutovummembran anliegenden Epithelschicht täuschend ähneln. | Die Leibeshöhle dehnt sich im Embryo allmählich aus, wobei sie jedoch vorn (Taf. XXX. Fig. 13 !h.) am geräumigsten erscheint. Sie wird durch zahlreiche Protoplasmafäden durchsetzt, welche eine Ver- bindung zwischen der Leibeswand und der inneren Visceralmasse ver- mitteln. Die Gestalt des von einer dünnen, zelligen Schicht umgebenen Dotterrestes nähert sich immermehr derjenigen des Lebermagens der künftigen Larve, indem sich derselbe sowohl vorn wie hinten aus- buchtet, und die Seitenlappen sich immer deutlicher ausbilden. Die } Bauchwand des Embryo bleibt dabei noch immer viel dicker als die Rückenwand. 3 Die Gliedmaassen bleiben eine Zeit lang auf der Entwickelungs- 4 | MürLzer (Für Darwin, Leipzig 1864. p. 46) bei Ligia und anderen Isopoden "U erwähnten sogenannten Larvenhaut. Ich erkenne sie ebenfalls in Doarv’sinnerer 5 RE Eihaut bei Asellus aquaticus (loc. eit. p. 224), nicht aber in der sogen. Larvenhaut desselben Schriftstellers, die von ihm, aber meiner Meinung nach, ohne genügenden Grund der Larvenhaut von Frırz MüLLer parallelisirt wird. 4 Jedenfalls wird die äussere Eihaut von Asellus während der Entwickelung zer sprengt, wie Donrn. es hervorhebt, so dass der Embryo nur noch von der inneren Eihaut, wie der Ataxembryo von der Deutovummembran umschlossen wird, Studien an Acariden. 457 stufe stehen, die wir im Ei beschrieben, nur grenzen sich die Fuss- glieder immer deutlicher ab. Bald aber nimmt man an Mandibeln und Tastern eine Veränderung wahr, welche bereits innerhalb des Eies eingeleitet worden war. Ich meine das Aneinanderrücken dieser vier ' Extremitäten bis zum völligen Verwachsen derselben zu einem un- paarigen Rüssel (Taf. XXXI. Fig. 2 R.), dessen Zusammensetzung aus zwei symmetrischen Hälften nur durch eine mediane Längsfurche an- ‚ gedeutet wird. Die von den Mandibeln beim Ei gänzlich getrennten Taster verwachsen also mit denselben während des Deutovumstadiums und sind bei der ersten Larve durchaus nicht sichtbar. Erst bei dem " zweiten Larvenstadium und dem reifen Zustande gehen diese heiden , Extremitätenpaare wieder auseinander. Dieses zeitweilige Verschwin- ' den von typischen Theilen, welche später wieder zum Vorschein kom- men, ist wahrhaft erstaunlich. Es steht aber diese merkwürdige Er- scheinung nicht vereinzelt da, indem uns bereits Wrısmann auf ähnliche | Verhältnisse in der Entwickelung der Musciden aufmerksam machte. In diese Zeit fällt das erste Auftreten von Haaren sowohl an den Füssen, wie am Rüssel und Steissende. Es sind dieselben weiche, verhältnissmässig dicke Fortsätze der Hautschicht. Die an allen Füssen leicht bemerkbare axiale Höhle konnte ich nicht bis in die Haare hinein verfolgen. | Der Schlundring (Taf. XXXI. Fig. Ang.) wird nun als eine zellige ‚ Masse um die Speiseröhre unterscheidbar. Auch sitzen die beiden Augen jederseits auf einem ovalen zelligen Haufen, wahrscheinlich ‚ einem Sehganglion. Die vier Linsen treten auf. Die hintere Ausbuch- tung der Leber wird immer tiefer, und zahlreiche dunkle Körnchen ‚ treten in diesem Raume auf, als erste Spur des Excretionsorgans. ‚Die erste Larve ist jetzt so zu sagen fertig und verweilt noch eine ; Zeit lang im Deutovum zum Festwerden ihrer Tegumente. Die Guticula | erscheint nämlich erst jetzt als eine höchst zarte, die Oberfläche der | Gewebe dicht umschliessende Membran, welche auch jedem Haarschafte |. seine Bekleidung liefert. An manchen Stellen verdickt sich diese Guti- | eula sehr bedeutend und bringt auf diese Weise eine Art Panzer her- ‚ vor, an welchem drei Theile, nämlich Kopfkappe, Rücken- und Bauch- schild zu unterscheiden sind. Die Kopfkappe (Taf. XXXI. Fig. 4 R.) ist ‚ ganz glatt und bedeckt schalenartig die Oberseite des Rüssels. Unter ‚ derselben ragt die eigenthümliche aus zwei hakenförmigen Mandibeln (Taf. XXXI. Fig. 54.) und langen Haargruppen (B) bestehende Rüssel- bewaffnung hervor. — Der Rückenschild (Taf. XXXI. Fig. 4 rs.) ist } eine ovale, vorn etwas schmäler werdende Platte, deren Oberfläche "durch zwei einander unter schiefem Winkel kreuzende Furchensysteme 458 Prof, Edouard Glaparede, rhombenartig gezeichnet erscheint. Dieses Rückenschild trägt einige Borsten, deren charakteristische Lage (Taf. XXX1. Fig. 4 u. 6) aus den Abbildungen erhellt. Der Bauchschild (Taf. XXXI. Fig. 5) hat’ eine ähnliche Gestalt wie der Rückenschild, mit dem Unterschiede, dass er hinten tief aus- geschnitten ist und in zwei Spitzen ausläuft. Ausserdem ist derselbe durch eine mediane und zwei vordere schiefe Furchen in vier Stücke getheilt. Die beiden vorderen Schildstücke (Taf. XXXI. Fig.55bs!) sind bedeutend kleiner als die hinteren (bs?) und bilden zusammen eine kartenherzförmige Figur. Sie verdecken die Ansatzstelle des vorderen Fusspaares und tragen je ein dickes Haar. Die beiden hinteren grösseren Schildstücke werden theilweise durch die anliegenden Gliedmaassen verdeckt. Es fällt indessen nicht schwer, auf jedem derselben ein ge- waltiges, auf rundlicher Warzd sitzendes Haar wahrzunehmen. In der Tiefe des hinteren Ausschnitts trägt jedes Stück einen Zahn, von wel- chem aus eine quere Leiste sich über die Schildfläche hinwegzieht. Der Bauchschild ist ebenso rhombenartig gezeichnet wie der Rücken- schild. Viel weicher und zarter als die beschriebenen Schilder sind die dazwischen liegenden Cuticulartheile, welche ebenfalls an ganz be- stimmten Stellen Haare tragen. Namentlich zeichnet sich die After- gegend — welche dem Ausschnitt des Bauchschildes entspricht — durch den Reichthum an Haaren aus, deren Lage aus Fig. 5 (Taf. XXXI.) er- sichtlich ist. Die beiden längsten und dicksten Haare (y) liegen kreuz- weise umgeschlagen der Bauchfläche dicht an. Die oben beschriebenen Guticulartheile prägen sich immer deut- licher aus. Anfangs sind die Grenzen der Schilder kaum bemerkbar, später aber werden die Ränder immer schärfer ausgesprochen und die dickeren Theile nehmen eine gelbliche Färbung an. Die Larve beginnt sich nun im Deutovum zu bewegen, die Mem- bran reisst entzwei und das Thier tritt heraus. 3. Stadium. Erste Larvenform. Die freigewordene sechsfüssige Larve (Taf. XXXI. Fig. 6) läuft sogleich davon. Sie lässt alle Theile leicht erkennen, die wir bereits innerhalb des Deutovums wahrgenommen. Die Füsse sind fünfgliederig mit zwei Krallen an der Spitze. Die Haarrüstung ist an den verschie- denen Gliedmaassen ungleich und zwar an den Hinterfüssen am stärksfen ausgebildet. Der Körper streckt sich ein wenig und erscheint dabei etwas schmächtiger als früher: Dadurch verrücken sich die Cutieular- Studien an Acariden, 459 theile ein klein wenig, so dass in der Rückenansicht die Spitzen der Bauchschilder nach hinten etwas hervorschauen (Taf. XXXI. Fig. 6 bs.). Die langen, beim Embryo nach vorn umgeschlagenen Afterborsten (8) schlagen sich nach hinten zurück und ragen weit über das Hinterende heraus. Speiseröhre, Magen, Leber und Secretionsorgan sind leicht kenntlich. Namentlich zeichnet sich die Leber durch eine eigenthüm- liche Gestalt aus, welche bei den weiteren Entwickelungsstadien nicht ‚wieder auftritt. Es besteht nämlich dieselbe aus zwei mit ihren con- caven Seiten einander zugekehrten halbmondförmigen Hälften, die in der Mitte durch einen breiten Strang brückenartig mit einander ver- bunden sind. Das in den Mastdarm unmittelbar mündende Excretions- organ (ec) ist voll kleiner, in beständiger Molecularbewegung begriflener Körperchen. Das hastige, unruhige Hin- und Herrennen ist dieser Larve sehr eigen, dauert aber nur kurze Zeit, wenigstens traf ich keine einzige auf ihrer Wanderung und beobachtete ich nur diejenigen, die unter meinen Augen aus dem Deutovum hervorgekrochen waren. Die zahl- - reichen in den Kiemen der Unionen vorkommenden Larven dieses Stadiums haben bereits alle ihre Bewegungsvermögen eingebüssi und sind in der Verwandlung begriffen. Wir dürfen demnach wohl an- nehmen, dass die Schwärmzeit dieser Larve in der Mantelhöhle der Muschel nur wenige Augenblicke dauert, worauf sich das Thier wieder in das Kiemengewebe einbohrt, um seiner weiteren Entwickelung entgegenzugehen. Sobald sich die Larve zur Ruhe begeben hat, treten an derselben sehr merkwürdige Gestaltsveränderungen auf, da sich die weichen, zwischen Rücken- und Bauchschild liegenden Cuticulartheile gewaltig ausdehnen und Wasser aufsaugen. Dadurch nimmt das Thier bedeutend an Grösse zu und wird zugleich vollkommen kugelrund. Das aufgenommene Wasser dringt keinesweges in die Organgewebe hinein, sondern sammelt Sich unter der Cuticula an,- welche demnach von den weichen Theilen abgehoben wird, und zwar in einem solehen Grade, dass die Füsse aus ihren chitinösen Hüllen wie die Finger aus einem Handschuhe heraus- gehoben werden und sich in den Kugelraum zurückziehen. Die Ge- webe scheinen dabei einen eigenthümlichen Erweichungszustand ein- zugehen, indem sie nicht so scharf wie früher von einander gesondert erscheinen. Die weichen Fuss- und Rüsseltheile werden förmlich ein- gezogen, so dass die Gliedmaassen nur noch als dieke, unförmliche, warzenartige Klumpen am kugelig gewordenen Thiere erscheinen, an welchem die Leber durch ihre eigenthümliche Gestalt und besondere Färbung noch immer kenntlich bleibt, Das Thier schwimmt also nun 460 Prof, Edouard Claparede, als kugeliger Klumpen in der die weitabstehende Cuticularhülle er- | füllenden Flüssigkeit. Letztere darf wohl als Blut angesprochen wer- | den, wenigstens vermehren sich die darin kriechenden Hämamöben dergestalt, dass sie zu einem wirklichen Heere anwachsen. a Der Durchmesser der Kugel beträgt mehr als anderthalbmal die Länge der primitiven Larve. Ihr Ursprung bleibt daran kenntlich, dass j die verschiedenen Schildstücke, sowohl Rücken- (Taf. XXXI. Fig.7rs.) wie Bauchschild (Taf. XXXI. Fig. 8bs.!u. bs.2) mit den Fussscheiden % an der Hülle hängen bleiben. Nicht selten aber fallen die Fussscheiden und mehrere Schildstücke ab, so dass man verführt werden könnte, das ganze Gebilde für ein in der Entwickelung begriffenes Ei zu halten. Gleichwohl lehrt bald ein noch anhaftendes Schildstück und die vielen der Hülle aufsitzenden Haare das Richtigere. Die vielen Haare der früheren Aftergegend bleiben meist sitzen, mit Ausnahme der beiden grösseren und dickeren, welche regelmässig abfallen, deren frühere J Lage aber am Persistiren der kreisförmigen Warzen (Taf. XXAXI Fig. 8y'.) 7 worauf sie gesessen, stets zu erkennen ist. Nun treibt das zur Kugel gewordene Thier seine Gliedmaassen N wieder hervor (Taf. XXXI. Fig. 7). Anfangs sitzen sie als Knöpfe der ° Bauchseite an, bald aber wachsen sie in wurstförmige, von der Blut- flüssigkeit umspülte Gebilde aus, deren Zahl nicht blos drei, sondern vier Paare beträgt. Der Rüssel drängt sich ebenfalls wieder Hera und treibt aus seiner Unterseite wurstförmige Gebilde, die keimenden Taster, hervor. Die Theile bestehen alle aus winzigen, hellen Zellen, deren | Kern nur bei den stärksten Vergrösserungen wahrzunehmen sind. ; Selbst zur Zeit, wo ein axialer Raum mit einigen darin schwimmenden | Hämamöben in den Füssen erscheint, sind noch keine Muskeln vorhanzg den. Das Gewebe besteht aus ganz gleichartigen Zellen. ° Die Leber verändert ihre Gestalt in auflallender Weise, indem die” convexe Seite der halbmondförmigen, bei der Larve beschriebenen | Seitentheile durch Einschnürungen gelappt erscheint. Ausserdem wächst BR aus dem mittleren, queren brückenartigen Leberstrang ein breiter Lappen (Taf. XXXI. Fig. 7 h.?) hervor, der sich nach vorn bis in die Nähe der 1 Rüsselwurzel hinzieht. Dieser mitklete Leberlappen ist am Vorderrande am dicksten, nach hinten zu dagegen blattartig verdünnt. Das Exere= tionsorgan Tal. XXXI. Fig. Tex.) nimmt rasch an Grösse zu und wimmelt von kleinen, zitternden Körperchen, denen es seine schöne, weisse Farbe verdankt. er Die sich hervorbildenden Gliedmaassen sind zuerst kurz und dick | und zerfallen durch ringförmige Einschnürungen in gleichmässige, un- | deutliche Glieder. Allmählich aber verlängern sich dieselben, indem |} Studien an Acariden. 461 sie zugleich dünner werden und erreichen die verschiedenen Glieder eine verschiedene Ausbildung; zugleich wachsen die zuerst vollkommen weichen Haare und Krallen hervor. Wegen der Enge des Raumes müssen sich die Füsse vielfältig biegen und krümmen. Das hinterste Fusspaar (Taf. XXX. Fig. 8 P#.), welches die grösste Länge erreicht, biegt sich auch am seltsamsten, und dessen Endkrallen kommen ganz vorn unter die Kopfkappe der Hülle zu liegen. Das am weitesten nach hinten liegende Krallenglied gehört dem dritten Fusspaare (P3) an. Die Krallenglieder des zweiten und ersten Fusspaares nehmen eine mittlere Lage an. Die zweite Larve liegt nun in der Hüllenhaut fertig, und ver- weilt noch einige Zeit darin, um ihre Guticularhaut abzusondern. Bald fängt sie an sich zu bewegen, und die Füsse gegen die Hülle anzu- stemmen, bis letztere zerreisst und das Thier herausschlüpft. 4. Stadium. Zweite Larvenform. Die zweite Larve, die Nymphe in Dusarpın’s Sinne, bietet bereits die grösste Aehnlichkeit mit der ausgebildeten Form, .da sie achtfüssig und mit Maxillartastern und Mandibeln ausgerüstet ist. Sie unter- scheidet sich aber auch sehr leicht nicht nur durch die verhältnissmässig längeren Füsse, sondern auch durch die Anwesenheit von nur vier Genitalnäpfen nahe am Hinterende, während die Zahl derselben beim | ausgebildeten Thiere zehn beträgt. Taf. XXXI. Fig. 1 stellt die etwas zusammengedrückte Chitinhaut der zweiten Larvenform der Unterseite dar. Es fällt sogleich an der- selben eine eigenthümliche Guillochirung der Epimeren auf, welche für diese Species sowohl in diesem Larven- wie im reifen Zustande sehr’ charakteristisch ist. Die Epimeren der beiden ersten Fusspaare sind jederseits zu einer dreieckigen Platte (ep!) mit einander vereinigt und senden ein Epidema (epd) nach hinten bis zu den vereinigten Epimeren der beiden hinteren Fusspaare. Letztere bilden eine nahezu viereckige Platte (ep?). Diese Epimeralplatten tragen einzelne Haare, deren sehr ‚ beständige Lage aus der Abbildung ersichtlich ist. Jeder Fuss ist sechs- nicht aber fünfgliederig wie bei der ersten Larvenform. Am längsten ‚ ist das hinterste Fusspaar, am kürzesten dagegen das vorderste. Bei ‚ allen Gliedern ist das Basalglied — die sog. Coxa!) — am kürzesten. Am meisten wechselt die Länge des Krallengliedes, welches beim hin- ' tersten Fusspaare am längsten ist; darauf folgt bezüglich der Länge dieses Endgliedes das zweite, dann das dritte und endlich das erste | ) | | 4) Mehrere Schriftsteller betrachten zwar bei den Acariden die Epimeren als & | die E. Hüften, was entschieden unrichtig ist. Zeitschr. f, wissensch. Zoologie. XVIIT. Bd. 30 462 Prof. Edonard Olaparede, r % Fusspaar. Die Gestalt dieses Krallengliedes ist für die Species sehr charakteristisch. Es läuft dasselbe in zwei flügelartige Seitenfortsätze aus, die sich nach der Streckseite zu divergirend erheben, so dass sie eine thalförmige Vertiefung einfassen, welche zur Aufnahme und zum Schutze der zurückgeschlagenen Krallen dient (Taf. XXXIl. Fig. 8, 9, 10). Diese Flügelfarisätze sind nicht vollkommen symmetrisch, da der hintere zwei Haare, der vordere dagegen nur eines auf der Spitze trägt. Die Doppelkralle ist zwischen den beiden Fortsätzen.eingelenkt. Jede Kralle ist nicht einfach, wie beim ersten Larvenstadium, sondern an der Spitze in zwei ungleiche Aesichen gespalten. Dicht neben der Doppelkralle und zwar auf der Basis des vorderen Flügelfortsatzes sitzt ein kleiner, birnförmiger Knopf, dessen Bedeutung freilich ganz unklar ist, welcher aber zur Unterscheidung von verwandten Arten wichtig erscheint (Taf. XXX. Fig. 8—11). Der Kopf ähnelt demjenigen der ersten Larve durchaus nicht, da- gegen ist er demjenigen des ausgebildeten Thieres sehr ähnlich. Auf der Unterseite umfasst der verdickte Rand des sogen. Camerostoms einen etwas vorspringenden Theil, dessen Bauchwand durch die Ver- schmelzung des Cardinaltheiles der Maxillen gebildet erscheint, wenig- stens trägt dieser Theil vorn die langen, fünfgliederigen Maxillartaster (Taf. XXXI. Fig. I mat.). Das letzte Tasterglied ist etwas gebogen, und dessen Spitze lässt bei starker Vergrösserung eine Andeutung der eigenthümlichen Bezahnung erblicken, die wir beim ausgebildeten Thiere beschreiben werden. Beim vorletzten Gliede sind die drei Höckerchen mit überaus feinen Härchen versehen , wovon bereits die Rede war. Die übrigen Tasterhaare sind dick und kurz befiedert. Zwischen den Basalgliedern der Maxillartaster erhebt sich das sog. Epistomum, an dessen Unterseite die beiden Mandibelspitzen aus zwei länglichen Gruben hervorschauen. Zwischen denselben zeigt sich die Mundöffnung als eine feine, nicht immer leicht bemerkliche Längsspalte. Durch einen vorsichtig ausgeübten Druck werden die Mandibeln aus ihren Höhlen leicht hervorgedrängt. Sie erscheinen dann als braune, schmale, 0,03 Mm. lange, leicht gebogene Haken, deren etwas ver- breiterte Basis mit regelmässigen, wellenartigen Streifen geziert ist. Diese Mandibeln (Taf. XXX. Fig. 13) sind denjenigen des vollkommenen Thieres durchaus gleich. Sie liegen in ihren Gruben dergestalt, dass die concave Schneide des Hakens nach oben gerichtet ist. Die Rückenfläche der zweiten Larve ist bereits derjenigen des aus- gebildeten Thieres vollkommen gleich. Wir können uns demnach be- gnügen, vorläufig auf den beireffenden Paragraphen zu verweisen. Gehirn, Darmcanal, Leber und Secretionsorgan sind ebenfalls wie beim a me Do Studien an Acariden, 463 reifen Thiere gebildet. Es fehlt jede Spur von eigentlichen Generations- organen, jedoch deutet eine spaltförmige Grube mit zwei Haftnäpfen (Taf. XXX. Fig. I ac.) jederseits auf die künftige Stelle der Gene- rationsöffnung. Die verschiedene Bildung der Haare verdient wohl angesichts der von Hensen bei Crustaceen gewonnenen Resultate eine nähere Berück- sichtigung. Am Leibe, sowohl auf der Rücken- wie auf der Bauch-- fläche, sind alle Haare überaus fein und einfach, capillär wie diejenigen des vorletzten Tastergliedes. Sie sind auf einem kreisförmigen Wärz- chen eingelenkt, neben welchem bei den meisten regelmässig ein zweites Wärzchen steht. Dieses zweite Wärzchen, welches nicht nur bei Atax Bonzi, sondern auch bei den andern Arten der Gattung vorkommt, bezog ich zuerst auf ein Ersatzhaar. Dem ist aber nicht so, indem das Wärzchen wohl von einem Porencanal durchbohrt ist, jedoch kein Haar trägt. Dagegen führt der Porencanal in eine unter der Hypo- dermis liegende Drüse. Diese Drüsen will ich als Haardrüsen be- zeichnen, obwohl ich durch diesen Namen nicht die Function derselben ausgedrückt wissen möchte, sondern nur die Thatsache, dass sie regel- mässig an der Basis die Haare nach aussen münden. Die Bildung dieser Drüsen beobachtet man am schönsten bei der jungen, in der ausgedehn- ten Haut der ersten Larve (Taf. XXXIU. Fig. 16.) noch eingeschlossenen zweiten Larvenform (A). Hier enthält ursprünglich das Excretionsorgan (eac) noch sehr wenige Körnchen, und es erscheint dasselbe als ein durch- sichtiger trapezoidaler Raum zwischen den hintersten Leberlappen (A). Das Organ ist mit einer farblosen Flüssigkeit erfüllt, worin blasse Kugeln schwimmen. Die höchst feinen, stärker lichtbrechenden Secret- körnchen sammeln sich kranzartig um diese Kugeln herum, deren Zahl aber zu gering ist, um dem Organe seine Durchsichtigkeit zu nehmen. Wenn man demnach das Thier von der Rückseite ansieht, so sieht man bei oberflächlicher Einstellung der Linsen die Haare und die perforirten Wärzchen (hd) der Rückenwand sich sehr deutlich auf den hellen Hintergrund projieiren. Es fällt dann sogleich ins Auge, dass jedes Wärzchen vermittelst seines Porencanals mit einer Gruppe von kleinen sackförmigen Follikeln in Verbindung gesetzt wird. Sobald diese Bildung einmal wahrgenommen worden, so fällt es nicht schwer, sie bei allen Entwickelungsstufen der Wasserspinnen zu erkennen, ja | es kommt sogar nicht selten vor, dass der Beobachter von der activen | Entleerung des Secrets Zeuge wird. So kommt dies z. B. regelmässig ‚ dann vor, wenn man einen ausgebildeten Atax durch Zusetzen von einer Spur von Creosot allmählich tödtet. Dann sieht man die beschriebenen Follikel sich energisch und krampfhaft zusammenziehen und ein kör- 30 * 464 Prof. Edouard Claparede, niges Secret ausstossen. Die Zusammenziehung rührt einzig und allein von der homogenen, protoplasmaähnlichen Follikelwand ohne Zuthun von musculösen Organen her. Diese Haardrüsen oder wenigstens deren Ausführungsporen sind dem scharfen Auge von Dusarpın nicht entgangen, obgleich er sie missdeutete. Er hielt sie für sogenannte Stigmaten zur Kinführung von Luft in Tracheen !). An den Füssen sind die Haare bedeutend dicker und weniger gleich- förmig insofern, als sich die meisten gegen die Spitze zu verdünnen. An der Streckseite ferner sind sie meist viel kürzer als an der Beuge- seite. Ihre Oberfläche erscheint ganz glatt, indessen entdeckt man bei vielen mit Hülfe einer 8—900maligen Vergrösserung eine höchst zarte, aus zwei Reihen von überaus feinen Wimpern bestehende Befiederung. Sie kommt aber nicht allen Fusshaaren zu. Ich bemerkte sie stets auf den längsten Haaren der Beugeseite, jedoch kommt sie ebenfalls vielen kurzen Haaren der Streckseite zu. Die kurzen dicken Haare des zweiten und dritten Tastergliedes zeigen ebenfalls eine kurze Befiederung, welche sogar leichter zu erkennen ist. Die Thätigkeit der zweiten Larvenform scheint der Dauer nach eine ziemlich beschränkte zu sein, wenigstens ist die Zahl der in activer Wanderung beobachteten, im Verhältniss zu den vielen in der Ver- wandlung begriffenen eine sehr geringe. Die Larve scheint sich nach kurzer Zeit in das Kiemengewebe wieder hineinzubohren, um eine weitere Metamorphose einzugehen. Es wiederholen sich nun sehr ähn- liche Vorgänge wie bei der Verwandlung der ersten Larvenform in die zweite, indem sich die Guticula durch Wasseraufsaugung sehr stark ausdehnt, und von den weichen Geweben abhebt. Die weichen Fuss-, Taster- und Mundtheile werden aus ihren chitinösen Scheiden heraus- gezogen, wobei sie sich stark verkürzen und zusammenziehen und sich ihre Gewebearten in ein gleichförmiges Zellengewebe auflösen. Leber und Excretionsorgane bleiben indessen stets sehr deutlich gesondert. In der das zusammengezogene Thier umspülenden Flüssigkeit vermehren 4) Die bezügliche Stelle bei Dusarvın lautet folgendermaassen: Chez les Atax, les Hydrachnes et les Limnochares le systeme expiratoire est presque sem- blable a celui du Trombidion; mais comme il n’y a plus ıci de poils plumeux pour agir par une grande surface sur les elements de l’air, il y aura des stomates analogues A ceux des vegetaux, c’est a dire fermes par une membrane tres delicate et sous chacun desquels se trouve une sorte de cage globuleuse qui forme un reseau semblable a celui du Trombidion; a cöt& de chaque stomate se trouve constamment unpoilsimple, qui parait aussi @tre en rapport avec ce pelit appareil (Annales des sc. nat. 1845. Tome III, p. 18). Die angeblichen Sto- maten stellen offenbar die Ausführungsporen, die »cages globuleuses« die eigent- lichen Hautdrüsen vor. EEE nu SET, Studien an Acariden. 465 sich die Hämamöben ausserordentlich rasch. Nach einiger Zeit dehnen sich die klumpenartig eingezogenen Gliedmaassen allmählich wieder aus (Taf. XXX. Fig. 2 und 3). Ihre zuerst verhältnissmässig sehr kurzen und einander ziemlich gleichen Glieder entwickeln sich in ver- schiedenem Grade. Sie biegen sich und legen sich an die Bauchfläche, indessen in ganz anderer Ordnung als bei der Verwandlung der ersten Larve in die zweite. Das längste, nämlich das hinterste Fusspaar Taf. XXXI. Fig. 3 P®), biegt sich nach innen, dringt unter die gebogenen anderen Fusspaare quer bis zur Mittellinie, und krümmt sich endlich unter einem rechten Winkel nach hinten. Dadurch kommen die beiden Krallenglieder des hintersten Fusspaares dicht an die Mittellinie des Bauches zu liegen. Die Krallenglieder der anderen Füsse liegen jeder- seits nach aussen von demjenigen des vierten Paares, und zwar zuerst das Krällenglied des ersten, darauf dasjenige des zweiten, und am meisten nach aussen dasjenige des dritten Fusspaares. Die Maxillar- taster (mact) richten sich schnurgerade nach vorn bis zur Hüllenhaut und biegen sich dann nach innen zurück. Der aus zwei symmetrischen Hälften bestehende Rüssel ragt sehr stark hervor, bildet sich aber allmählich wieder zurück, da er beim Ausschlüpfen des Thieres in der Rückenansicht kaum vorsteht. — Während dieser Veränderungen hat ‚sich die ausgedehnte Haut der zweiten Larve zu einem ellipsoiden Körper herangebildet, so dass das Ganze einem in der Entwickelung begriffenen Eie wiederum gleich sieht. Es fallen nämlich in der Regel die Füsse, die Taster und die Mandibeln ab. Nur eine oder mehrere Epimeralplatten (Taf. XXXIl. Fig. 3ep?), sowie auch mitunter die Haft- näpfe (ac) der Larve bleiben an der übrigen Guticula hängen. Am ehesten persistiren die hinteren Epimeren, deren schöne Guillochirung das vorliegende Entwickelungsstadium von den anderen sogleich unter- scheiden lässt. Wenn sich einmal die verschwundenen Haare wieder hervorge- bildet haben, und eine neue Cuticula gebildet ist, durchbricht das reife Thier die Wand seines Gefängnisses und gelangt in die Kiemenhöhle des Wirthes. 5. Stadium. Das ausgebildete Thier. Die ausgebildeten Atax unterscheiden sich sofort von der zweiten Larvenform, selbst bei noch unreifen Geschlechtsorganen, dadurch, dass die Anzahl der Geschlechtsnäpfe nicht mehr vier, sondern zehn beträgt, ausserdem sind alle Gliedmaassen verhältnissmässig kürzer , mit etwas veränderter Vertheilung der Haare. Im Uebrigen ist mit Ausnahme des jetzt complicirteren und bei Männchen und Weibchen verschieden 466 Prof. Edoward Claparöde, gestalteten Geschlechtshofes die Aehnlichkeit mit der zweiten Larve überaus gross. ' Das Thier (Taf. XXXI. Fig. %) ist beinahe ebenso breit wie lang. Dessen Länge beträgt nämlich im Durchschnitt 0,7 Mm., und die Breite 0,6 Mm. Diese Grösse ist übrigens sehr schwankend und nimmt wahr- scheinlich mit dem Alter zu. Es ist wenigstens auffallend, dass die grössten Individuen nur bei alten Muscheln anzutreffen sind. Die jüngeren Unionen beherbergen stets nur eine verhältnissmässig geringe Anzahl Schmarotzerspinnen, und diese sind meist klein. Das Hautskelet bedarf wegen seiner Aehnlichkeit mit demjenigen der zweiten Larvenform nur einer kurzen Erwähnung. Die Merkmale der Epimeren, die Bildung des Gamerostoms, der Mandibeln und der Haare sind noch immer dieselben. Am Krallengliede der Füsse sind die den zurückgeschlagenen Krallen zum Schutze dienenden Seitenflügel verhältnissmässig etwas kleiner, jedoch im Ganzen ebenso gebildet, wie bei der Larve. Der vordere Flügel trägt noch das räthselhafte Knöpfchen. Am Taster ist das 0,04 Mm. lange Endglied (Taf. XXX. Fig. 42) mit drei Klauen versehen, deren längster der Streckseite, und deren kür- zester der Beugeseite am nächsten liegt. Der Basaltheil jeder Klaue dringt durch die Cuticularhülle des Gliedes bis in dessen inneren Raum hinein. Am vorletzten Gliede sind die drei Höckerchen mit darauf- sitzendem Haare so winzig, dass sie Koch gewiss entgangen wären, so dass er unserer Wasserspinne keine Stelle bei der Gattung Atax hätte anweisen können. Der Geschlechtshof ist nicht wie bei so vielen Acarıden zwischen den Epimeren gelegen, also nicht dem Thorax angehörig, sondern er nimmt den hintersten, durchaus abdominalen Theil der Bauchseite an. Der After ist noch weiter nach hinten gerückt und zwar in solchem Grade, dass er in der Bauchansicht nicht, wohl aber in der Rücken- ansicht sichtbar ist. Beim Weibchen ist der Geschlechtshof in der Mitte sehr tief ein- gedrückt. Aus der Tiefe dieser thalförmigen Vertiefung erheben sich als ein hoher schmaler Bergrücken die aneinandergeschlossenen Scham- lippen (Taf. XXXI. Fig. 5v.), deren jede am hintersten vorspringenden Ende zwei steife, kurze und dicke, aber an Grösse sehr ungleiche Haare (vh) trägt. Von dem Hinterende der Schamlippen geht jederseits eine eigenthümlich gekrümmte doppelte Chitinleiste (pp) nach aussen. Durch diese Doppelleiste wird der Geschlechtshof jederseits in eine vordere und eine hintere Hälfte getrennt, wovon diese drei (ac2), jene aber nur zwei Saugnäpfe (ac!) trägt. Die Lage dieser Saugnäpfe ist sehr beständig und durch Fig. 5 (Taf. XXXIL.) veranschaulicht. Studien an Acariden, 467 Gewöhnlich sind die Schamlippen so aneinander gedrückt, dass die Schamspalte nur als eine feine Linie erscheint (Taf. XXXI. Fig. 5). Gleichwohl gelingt es unter gewissen Umständen, die klaffende Ge- schlechtsöffnung (Taf. XXXU. Fig. 6) zu beobachten, so z. B. durch vorsichtig angewandten Druck, der aber nur selten zum Ziel führt. Eine bessere Hülfe gewährt das Zuseizen eines Tröpfchens Creosot. Im Todeskampf öffnet das Thier die Vulva ganz klaffend, indem die Schamlippen (Fig. 6 vp.) rechis und links umgeschlagen werden. Es zeigt sich jetzt bei der Flächenansicht, dass jede Schamlippe ein gleichschenkliges Dreieck bildet, an dessen oberem Winkel die steifen Börstchen sitzen. Das bedeutende Vorspringen der äusseren weiblichen Geschlechtstheile ist angesichts der durchaus nicht hervor- tretenden Organe beim Männchen wirklich sehr auffallend und erklärt sich wahrscheinlich dadurch, dass die steifen chitinösen Schamlippen mit stechenden Borsten bewaffnet, zum Einführen der Eier in das Kiemengewebe der Muschel benutzt werden. Das ganze hätte mithin vielmehr die Bedeutung eines Legeapparates als diejenige eines Copu- lationsorgans. Die Männchen unterscheiden sich sofort von den Weibchen durch das Fehlen des durch die Scheidenklappen gebildetem scharfen Kammes im Geschlechtshofe. Sonst ist die Aehnlichkeit zwischen beiden Ge- schlechtern sehr gross, indem die Haftnäpfe bei den Männchen (Fig. 7) ebenso gebildet und vertheilt sind wie bei den Weibchen. Es sind nämlich dieselben jederseits ebenfalls in zwei Gruppen von zwei vor- deren und drei hinteren vertheilt. Zwischen beiden aber fehlt die chitinöse Doppelleiste. Die Geschlechtsöffnung findet man oft klaffend, wobei ein chitinöses Gebilde (Fig. 7 p.) in der Tiefe erscheint, das wahrscheinlich als Penis zu deuten ist. Niemals aber sah ich dasselbe aus der Oeffnung herausragen. Beim Auseinanderklaffen erscheint die Geschlechtsspalte vorn breiter, hinten schmäler. Der vordere breitere Theil ist von zwei halbmondförmig gekrümmten Platten eingefasst, deren jede eine Reihe von Poren trägt. Aehnliche Porencanäle finde ich zwischen den Saugnäpfen vertheilt. Nicht selten quillt aus dieser männlichen Geschlechtsöffnung ein grosser Tropfen (Taf. XXXI. Fig. 7 gt) einer zähen, homogenen Substanz, der auch mitunter mit zwei aus gleicher Substanz bestehenden Anhängseln versehen ist. Sollte dies ein zur Bil- dung von Spermatophoren bestimmtes Secret sein? Ich muss jedoch bemerken, dass ich mitunter ähnliche Tropfen, zwar stets ohne An- hängsel aus der Schamspalte weiblicher Individuen hervorquellen sah. Innere Organe. Der Verdauungsapparat besteht aus einer geraden Speiseröhre, einem Magen, einer Leber und einem kurzen 468 Prof, Edouard Glaparede, Afterdarme. Der sogenannte Magen ist eine einfache Erweiterung der Speiseröhre, an welcher ich keine Seitentaschen wahrnehmen kann, wie sie von VAN Benepen bei Atax ypsilophorus beschrieben wur- den. Die Leber bildet die Hauptmasse des ganzen Apparates. Sie zeichnet sich durch eine braune Farbe aus, indessen ist die periphe- rische Schicht oft etwas heller. Der vordere Rand ist dreilappig und „war so, dass der Magen vom mittleren Lappen verdeckt wird. Der hintere Rand erscheint in der Rückenansicht einfach abgerundet. Das ist jedoch nur scheinbar, indem die Leber -sich nach hinten und aussen in zwei Lappen fortsetzt, die aber stets nach der Bauchseite umgeklappt bleiben. Dieses von mir wegen der Farbe und der drüsigen Beschaffenheit als Leber bezeichnete Organ muss übrigens als eine Abtheilung des Darmcanals (Lebermagen) betrachtet werden, da ich keinen anderen Weg für die Nahrungstheile zum After als durch die Leberhöhle finden kann. Das Beobachten der Nahrungstheilchen wäh- rend ihrer Wanderung durch die Verdauungsorgane gelingt nicht, in- dem das Thier nur flüssige Nahrung — wahrscheinlich Muschelblut — zu sich zu nehmen scheint. Mit dieser Beschaffenheit der Nahrung stimmt die ausnehmend kleine Afteröffnung überein. Auf der Leber liegt das meist Yförmige Excretionsorgan (Taf. XXXU. Fig. 4 ex.), dessen kreideweisse Farbe von den vielen kaum 1 Mikro- millimeter breiten, oscillirenden Secretkörperchen herrührt. Nicht selten gelingt es, die Ausleerung des Secrets durch die Afterspalte (an) zu beobachten. Der Mastdarm hängt nämlich, wie überhaupt bei den Acariden, mit dem Excretionsorgane zusammen und spielt demnach gewissermaassen die Rolle einer Gloake. Ueber die Bedeutung des Excretionsorganes scheint, wie gesagt, noch Niemand im Klaren ge- wesen zu sein. Wenn Dusarpın !) behauptete, dass sich auf dem Rücken vieler Acariden eine entweder weisse oder gelbliche Fettmasse wie ein gespaltener Streif unter der Guticula ausnimmt, so hatte er ohne Zweifel dieses Organ im Sinne. Vom Nervensysteme kenne ich nur das grosse, die Speiseröhre umgebende Ganglion, welches aus kleinen, nur 5 Mikrom. breiten kernführenden Zellen besteht. Ausserdem darf wohl ein von diesem Ganglion zu jedem Augenpaare sich hinziehender Strang als Sehnerv in Anspruch genommen werden. Als Sinnesorgane sind nur die Augen mit Bestimmtheit zu be- zeichnen. Jederseits sitzt ein Doppelauge mit zwei Linsen auf einem zelligen Körper, der vielleicht als Sehganglion zu betrachten ist. Der 1) Annales des Sciences naturelles, 1845. Tome III. p. 16. Studien an Acariden. 469 Durchmesser des Doppelauges beträgt 0,05 Mm., derjenige jeder Linse |6 Mmm. Das ursprünglich röthlich violette Augenpigment wird mit lem Alter vollkommen schwarz. Oft gelingt es, dasselbe durch Druck 'heilweise zu entfernen und eine zwischen Pigment und Linse liegende farblose Masse — wohl die innere Schicht der Retina — zu Tage zu befördern, deren Structur mir nicht klar geworden. Von jedem Doppel- auge geht ein rundlicher Strang schief nach hinten und innen, um sich an die Leibeswand zu befestigen. Es ist derselbe ein Muskel, dessen Zusammenziehungen ein Rotiren des Doppelauges hervorbringen. Jederseits des Gehirnes, dicht nach innen von einer stets leicht wahrzunehmenden Haardrüse, erscheint regelmässig eine wasserhelle Blase, deren Bedeutung mir unklar geblieben. Die vollkommene Ab- wesenheit von jedem festen Körper innerhalb dieses Organes lässt es kaum als Gehörblase deuten. Von. den Muskeln werde ich nur wenige anführen, da die vielen Extremitätenmuskeln bei anderen Species viel leichter zu beobachten sind und im nächsten Gapitel eine besondere Berücksichtigung finden werden. Am Auffallendsten sind einige Muskeln, welche gewisse Puncte der Leibeswandung unter einander, namentlich gewisse Stellen der Rückenwand mit anderen der Bauchwand verbinden. Einen solchen Muskel findet man an jeder Seite des vorderen, unpaarigen Leber- lappens, also in dem tiefen Einschnitte, welcher diesen medianen Lappen von den seitlichen trennt. Ein zweiter (msc!) liegt in einem seichten Ausschnitte des seitlichen Leberrandes. Beide Muskeln verlaufen in schiefer Richtung, so dass ihre obere Ansatzstelle viel weiter nach hinten zu liegen kommt, als die untere. Jenes Muskelpaar, welches bei Atax ypsilophorus der Anodonten ebenfalls vorkommt, scheint mir von van BENEDEN als Seitenanhänge des Magens gedeutet worden zu | sein. Es kann jedoch über die wahre Natur dieser dicken Bündel schöner, quergestreifter Muskelfasern kein Zweifel obwalten. Ein drittes, sehr auffallendes Muskelpaar (Taf. XXXN. Fig. 7 msc.) gehört der Bauchfläche des Thieres an und setzt sich einerseits an ein hin- teres Epidema der hinteren Epimeralplatte, andererseits an die Guticula, unweit des stumpfen durch den Uebergang des Seitenrandes des Thieres in den Hinterrand gebildeten Winkels. Dicht bei dieser Ansatzstelle befindet sich die colossale Haardrüse (hd.), wovon bereits die Rede war. Dieses Muskelpaar dient zur Verkürzung der hinteren Leibes- region. Geschlechtsdrüsen. Beim Männchen finde ich drei Paar Ho- den. Sie gehören der Bauchfläche an, sind aber auch in der Rücken- ‚ansicht zu sehen, da sie im grossen Blutraume — Leibeshöhle — zwischen 470 Prof, Edouard Glaparede, Leber und Leibeswand liegen. Das vordere Paar (Taf. XXXII. Fig. 4 !: liegt vor und unter den vorderen Seitenlappen der Leber, das hinter (t!) an jeder Seite des Afters, das mittlere (t?), welches zugleich da bedeutendste ist, an den Leberseiten. An jedem Hoden sind zwe Schichten, eine Rinden- und Markschicht zu unterscheiden. Bei durch. fallendem Lichte erscheint diese dunkler, jene farblos. Beide Schichte: bestehen aus kleinen, jedoch von einander sehr verschiedenen Zellen Ich habe sie von Atax ypsilophorus abgebildet, bei welchem si ganz ebenso aussehen, des grösseren Durchmessers wegen aber leichte zu beobachten sind. Die Zellen der Rindenschicht sind sphärisch un werden zum grössten Theile von einem blasigen, kreisförmigen Kern mit rundlichem Kernkörperchen erfüllt (Taf. XXXI. Fig. 14). Ihr Durch, messer beträgt durchschnittlich 5 Mmm. Einzelne darunter sin grösser und führen bis drei Kerne und selbst darüber. Die Zellen de Markschicht (Fig. 13) sind viel kleiner, denn sie übertreffen kaum eine Durchmesser von 2 Mmm. Sie sind sphärisch mit kleinem stabförmige Kerne. Vergeblich bemühte ich mich amoebenartige Bewegungen a denselben wahrzunehmen. Dass diese Organe als Hoden zu deute sind, ist kaum zu bezweifeln, da sie bei den Weibchen niemals vor kommen und bei den reifen Männchen regelmässig zu finden sind. Di Zellen der Markschicht sind demnach wohl als zellenförmige Zoosper mien zu deuten. Dass übrigens die Samenkörper bei vielen Acaride vollkommen bewegunsgslos sind, steht ausser Zweifel. Die Ausführungs gänge der drei Hodenpaare sind mir trotz vieler Nachforschungen un bekannt geblieben. Beim Weibchen liegen die Eierstöcke jederseits unter der Lebeı Sobald einige Eier reif werden, scheinen sie sich abzulösen und in’di Leibeshöhle zu gelangen, wo sie sich mit der Schale (Dotterhaut) um geben. Niemals konnte ich die Membran eines die Eier von der um spülenden Blutflüssigkeit trennenden Ausführungsganges wahrnehmer Ich muss dabei annehmen, dass die Vulva direct in die Leibeshöhl führt. Diese Abwesenheit des Eileiters scheint mir auch aus andere Gründen wahrscheinlich. Ich habe nämlich bereits des Tropfens eine zähen Substanz (Taf. XXXIl. Fig. 7 gt.) gedacht, der oftmals aus de Scheide hervorquillt. Nun bemerkte ich aber nicht selten, dass di Mitte dieses Tropfens durch eine viel dünnere Flüssigkeit — sehr wahr scheinlich Blut — eingenommen wird, in welche Haemamoeben dire« yon der Leibeshöhle aus eindringen. Diese Abwesenheit des Eileiter bei den Weibchen führt natürlich zur Vermuthung, dass die bis jet: vermissten Ausführungsgänge der Hoden bei den Männchen wohl nie mals gefunden werden dürften. x Studien an Acariden, 471 d. Bemerkungen über verwandte Arten, welche beim Studium der Entwickelung mit dem Atax Bonzi möglicherweise verwechselt werden können. Es hat für mich eine Zeit lang eine Ungewissheit bezüglich einer eitperiode der Entwickelungsgeschichte von Atax Bonzi deswegen eherrscht,, weil eine Verwechselung mit einem Entwickelungsstadium iner verwandten Species eingetreten war. Es kommt nämlich in den iemen von Unio batavus eine andere parasitische Wasserspinne or, die aber viel seltener als Atax Bonzi ist oder gar nur ausnahms- reise in der Muschel schmarotzt. Es scheint dieses Thier mit der ydrachna crassipes O0. F. MüLzer, Atax crassipes Bruzenivs lentisch zu sein, welche im fliessenden Wasser bei Genf sehr häufig t. Es war stets ein und dasselbe Entwickelungsstadium dieser Art, as ich in Unionen traf, entweder weil dieses Stadium allein uf ein Schmarotzerleben angewiesen ist, oder weil die weitere Ent- ickelung an andere Thiere gebunden ist. Ersteres scheint mir wegen er Häufigkeit dieser Wasserspinne im Flüsschen selbst das Wahr- heinlichere. Dieses parasitische Stadium ist dasjenige des Ueber- anges der ersten Larvenform in die zweite. Aus einer zur eiähnlichen estalt zurückgekehrten ersten Larve, die am anhängenden Rücken- nd Bauchschilde noch kenntlich ist, kommt mitunter eine zweite arvenform (Taf. XXXIM. Fig. 1) hervor, welche hochbeiniger und hlanker aussieht als sonst. Sie trägt übrigens die vier gewöhnlichen aftnäpfe am rudimentären Geschlechtshofe. Ein näheres Eingehen auf ie Strücturverhältnisse dieser Larve lehrt bald viele Eigenthümlich- eiten kennen, die der normalen zweiten Larve durchaus fremd sind. uerst fällt die Art und Weise der Einlenkung der Fussborsten auf, ıdem ein Theil derselben auf sehr stark vorspringenden Höckerchen itzt. Dies ist namentlich mit der langen Borste (Fig. I a.) an der eugeseite des zweiten Gliedes am ersten Fusspaare der Fall. Die orste sitzt ausserdem ganz lateral diesem Vorsprung auf, indem dieser uf der einen Seite eine tiefe, etwa bis zur Mitte reichende, von der pitze des Vorsprunges an allmählich schmäler und seichter werdende urche trägt (Fig. 2). Erst an der seichten Endstelle der Furche ist ie an der Wurzel dünnere Borste eingelenkt und zwar derart, dass ie bei grösstmöglicher Streckung in die Furche aufgenommen wird. iese eigenthümliche Einlenkungsweise kommt an mehreren anderen ingen Borsten vor, doch bei keiner so ausgeprägt wie bei diesem dem weiten Gliede des ersten Fusspaares angehörenden Haare, Freilich steht 472 Prof, Edonard Claparede, dieses Structurverhältniss nicht ganz vereinzelt da, indem bei mehrer anderen Ataxarten, selbst bei Atax Bonzi, manche Haare nicht en« ständig, sondern vielmehr seitlich auf einem Höcker der Cuticula sitze .Nur ist bei diesen Arten jeder Höcker so wenig vorspringend, da dieses Verhältniss nur bei scharfem Zusehen zu erkennen ist. D Haarschaft selbst ist bei unserer Art sehr eigenthümlich. Von ein Befiederung ist selbst bei den stärksten Vergrösserungen keine Spur : entdecken, dagegen bemerke ich bei vielen Haaren eine eigenthümlie Seulptur, welche bei Atax Bonzi durchaus fehlt. Es besteht diesell aus zwei Reihen von wenig vorspringenden, schief zur Achse g richteten Rippen (Taf. XXXIN. Fig. 3), welche sämmtlich der Beugesei angehören. Am ersten Fusspaare sind ausserdem die Haare dicker uı länger als bei Atax Bonzi. Am Leibe sind die dünnen, einfach Haare mit daneben stehenden Drüsenporen sowohl auf der Rückeı wie auf der Bauchfläche ähnlich vertheilt, wie bei Atax Bonzi, n unvergleichlich länger, so dass z. B. die Spitze des Haares am hinter: Rande der hinteren Epimerenplatte weit über das Steissende des Thier hinausragt. Die Doppelkrallen finde ich als einfach zugespitzt, nic aber als endspaltig in meinem Notizbuch gezeichnet. Die Epimerenplatten sind auch sehr charakteristisch. Die hintere den beiden hinteren Fusspaaren entsprechenden Epimerenplatten siı verhältnissmässig viel länger als bei Atax Bonzi, und von vorn na aussen ausgedehnt. Die Gestalt der vorderen Epimerenplatten ist au eine andere. Am meisten aber fällt das Ausbleiben der für die Epimer. des Atax Bonzi so charakteristische Guillochirung auf. Hier sind < Epimeren vollkommen glatt und sie lassen deswegen die sich an c Epidemen ansetzenden Streck- und Beugemuskeln (m) der Hüften s gleich unterscheiden, während diese Muskeln bei Atax Bonzi dur die Sceulptur der Guticula maskirt werden. Es fällt auch ein lang von der vorderen Epimerenplatte ausgesandies Epidema (Taf. XXXI Fig. I epd) sofort ins Auge, das unter die hintere Epimerenplatte bis z Mitte derselben dringt und zum Ansatze der Hüftmuskeln des zweit Fusspaares dient. Das entsprechende Epidema reicht bei Atax Bon nur bis zum vorderen Rande der hinteren Epimerenplatte. Am meisten aber ist das Thier durch die Gestaltung des Hinte randes seines Leibes ausgezeichnet, indem derselbe beiderseits in ein: winkelartigen Vorsprung (gl) ausgezogen ist; dadurch erscheint d Leib hinten wie abgestutzt. Die Höhle jedes Vorsprunges wird ve einer grossen Drüse eingenommen, welche an der Spitze nach aussı mündet (Taf. XXXII. Fig. 6). Das Gewebe dieser Drüse zeigt ei areoläre Anordnung; indem es aus grossen, spindelförmigen , kerı Studien an Acariden. 473 ihrenden Zellen mit dazwischen liegenden eine klare Flüssigkeit ent- altenden Räumen besteht. Zuerst wollte ich diese Drüse mit der jlossalen Haardrüse des Atax Bonzi parallelisiren, die hier zwar ‚was weiter nach hinten und aussen gerückt wäre. Auf eine solche omologie musste ich aber Verzicht leisten, da die gedachte Haardrüse it Porencanal und daneben liegendem Haare auch hier an der ge- öhnlichen Stelle, nur weniger entwickelt zu finden ist. Diese räthselhaften Drüsen — die ich als Steissdrüsen bezeichnen erde — sind es gerade, die mich bestimmen, diese viernapfige Larve it dem Atax crassipes zu identificiren. Diese sehr häufige Art ist imlich auch mit diesen Organen versehen, und die dadurch hervor-- rufenen sehr starken Vorsprünge am Steissende (Taf. XXXIM. Fig. 5 gl.) urden bereits von O. FrıeprıcHh MÜLLER Sehr kenntlich abgebildet. Die ıhl der Geschlechtsnäpfe ist hier sehr charakteristisch, indem sie nicht hn wie bei Atax Bonzi, sondern regelmässig zwölf beträgt. Dieses ichtige Kennzeichen blieb leider O. Fr. MüLzer unbekannt und Bruzr- us giebt nur an, er habe mehrere »Stigmata« am Hinterende wahr- nommen, ohne deren Zahl anzuführen. Auf der Abbildung des sehr 'nauen schwedischen Beobachters sind nur drei Näpfe jederseits ein- zeichnet. Ich möchte aber durchaus nicht einen specifischen Unter- hied zwischen der hiesigen und der in Skäne vorkommenden Form rauf begründen. Ich finde nämlich die Saugnäpfe zu Gruppen von drei vereinigt, und ihre Lageverhältnisse sind solche, dass bei der iuchansicht (Fig. 5) die vordere Gruppe allein ins Auge fällt, während e hintere Gruppe an den äussersten Rand zu liegen kommt, und dem- ıch wohl als endständig, kaum aber als bauch- oder rückenständig zeichnet werden dürfte. Zur besseren Orientirung in dieser Arten- iterscheidung habe ich das Hinterende eines reifen , weiblichen Indi- duums des Atax crassipes in der Bauchansicht abgebildet (Fig. 5). an erkennt hier sogleich die Schamspalte (v) mit den rüsselartig rspringenden Schamlippen, deren Spitze aber nicht wie bei Atax nzi mit zwei winzigen Börstchen, sondern mit drei dicken langen, er das Hinterende hinausragenden Haaren ausgerüstet ist. Die bei- n Gruppen von Saugnäpfen jederseits sind wie bei Atax Bonzi irch eine quere Cuticularfalte von einander getrennt, welche den innchen abgeht. Bei den Männchen kommen ebenfalls drei, jedoch viel innere Haare an jeder Seite der Geschlechtsöffnung vor. Der schmale in dem Hinterrande der nächsten Epimerenplatte ausgehende Muskel, n wir bei Atax Bonzi zum Einziehen des Hinterendes dienen sahen, ıdet sich auch bei Atax crassipes wieder. Ich stellte ihn (m) auf der chten Seite im Zustand der Verkürzung dar, wobei der rechte drüsige 474 Prof, Edoward Claparede, Vorsprung unter Bildung von Cuticularfalten eingezogen ist. Einige andere Muskeln dienen ausserdem zur Gestaltsveränderung des Hinter- endes. Auch bei dem reifen Atax crassipes kommt eine sehr gewaltige Haardrüse hinter der hinteren Epimeralplatte vor. Bemerkenswerth ist, dass der Porencanal durch zwei einander kreuzende Balken in vier Oefinungen getheilt wird. Eine ähnliche Drüse liegt an der entspre- chenden Stelle der Rückenseite (Fig. 7). Nach alle dem darf man wohl annehmen, dass sich Atax crassipes entweder regelmässig oder ausnahmsweise in den Kiemen von Unionen entwickelt, denn es kommt mir sehr wahrscheinlich vor, dass ich diese Species von dem Atax Bonzi sowohl im Ei-, wie im Deutovum- und ersien Larvenzustand nicht zu unterscheiden wusste. Der grosse Unter- schied in der Lebensweise beider Species aber besteht darin, dass Atax crassipes die Muschel bereits als zweite Larvenform verlässt, um fortan im Freien zu leben, während Atax Bonzi ihr ganzes Leben in der Kiemenhöhle des Wirthes zubringt. Vergleich von Atax Bonzi mit Atax ypsilophorus. | Obschon ich Atax ypsilophorus stets nur in Anodonten und Atax Bonzi nur in Unionen traf, so ist doch angesichts der grossen Aehnlichkeit der Lebensverhältnisse in den Kiemen beider Muscheln die Möglichkeit, dass beide Wasserspinnen in einem und demselben Muschelindividuum zufällig schmarotzen, nicht ganz von der Hand zu weisen. Andeutungen sind selbst da, wie ich oben anführte, dass diese Möglichkeit bereits verwirklicht wurde. Die ersten Entwickelungs- stadien werden sehr wahrscheinlich unschwer von einander getrennt werden können. Dagegen ist bei genügender Kenntniss beider Thier- formen eine Verwechselung.der weiteren Entwickelungsstadien kaum möglich. Es scheint mir demnach angemessen, ohne der Grösse zu ge- denken, einige der zur Unterscheidung beider Species verwendbaren Hauptmerkmale besonders hervorzuheben. Atax ypsilophorus zeichnet sich meist sehr auffallend durch die grosse Länge im Verhältnisse zur Breite aus, ein Kennzeichen jedoch, worauf kein zu grosses Gewicht zu legen ist, insofern, als bei sehr alten und schwangeren Weibchen der Leib viel kugeliger wird. Die hintere Epimerenplatte ist verhältnissmässig viel länger als bei Atax Bonzi. Ausserdem entbehrt sie sowohl wie die vordere Platte die eigenthüm- liche bei dieser Species beschriebene polygonale Guillochirung. Da- gegen erscheint bei starker Vergrösserung bei allen Epimeren eine sehr x Stndien an Acarideın, 475 feine Punctirung, welche wohl kaum messbaren Porencanälchen zuzu- schreiben ist. An allen Gliedmaassen tritt jedoch eine schön poly- gonale Zeichnung auf, welche aber nicht von einer Scuipiur der Guti- eula, sondern vielmehr von den pflasterartig vertheilten Zellen der Hypodermis herrührt. Diese Zeichnung wurde an dem einen Glied des Tasters (Taf. XXXIU. Fig. 13) allein gezeichnet, an den anderen da- gegen absichtlich weggelassen, um die Muskeln zur Anschauung kommen zu lassen. Die Haare sind am Leibe sehr fein, an den Füssen meist sehr dick und die an manchen derselben, bei sehr starker Vergrösserung wahrnehmbare Befiederung ist sehr kurz. Die drei Höcker mit darauf sitzenden Härchen am vorletzten Tasterglied (Fig. 13) sind viel stärker ausgeprägt als bei Atax Bonzi.- An manchen Stellen der Gliedmaassen, namentlich in grosser Anzahl am Krallengliede der Füsse und vereinzelt an der Streckseite der anderen Glieder treten feine Härchen auf, deren Einlenkungsweise eigenthümlich ist. Einem jeden derselben entspricht nämlich, wie bei den anderen Haaren, eine perforirte warzenförmige Erhöhung der Cuticula; der Haarschaft dringt aber durch den Poren- eanal durch (Fig. 12) und setzt sich noch eine Strecke unter die Guti- cula fort, wo er mit einer kleinen Anschwellung endigt. Dem Zu- 'sammenhange dieser eigenthümlichen Haare mit etwaigen nervösen Gebilden konnte ich nicht auf die Spur kommen. Die Doppelkrallen (Taf. XXXII. Fig. 10 a.) an den Füssen sind zweizinkig, mit beinahe gleich starken Zinken, und werden beim Zurückziehen in eine thalförmige Vertiefung zwischen zwei Flügelfort- sätzen (b) des Endgliedes aufgenommen, wie das für die Gattung typisch ist. Der bei Atax Bonzi beschriebene eigenthümliche Knopf neben dem Krallengelenk geht dem Atax ypsilophorus gänzlich ab, dagegen finde ich auf dem Rücken jedes Flügelfortsatzes ein kurzes keulenartig angeschwollenes Haar (c), welches durch die Guticula durchdringt (Fig. 41), unter welcher es gabelartig aufhört. Die Mandibeln (Fig. 14) sind mehr krallenförmig gebogen als bei Atax Bonzi, aber ebenfalls mit wellenartigen Streifen an der Basis versehen, von welcher ein breites Epidema zum Ansatz von Muskeln ausgeht. Am bezeichnendsten aber ist der am Hinterende liegende Ge- schlechtshof, indem die Geschlechtsöffnung von zwei nach hinten stark vorspringenden, zahlreiche Haftnäpfe tragenden Platten eingefasst wird. Taf. XXXII. Fig. 8 stellt’diesen Apparat in normaler Lage von der Bauchseite und zwar bei einem Weibchen dar. Diese Gopulationsplatten — hier Schamlippen — bilden einen abgestutzten, mit drei-Paar Haaren ' bewaffneten Kegel. Fig. 9 stellt denselben aber durch Druck abge- 476 | Prof. Edouard Claparede, flachten Apparat dar, um die Contour der Copulationsplatten deutlicher zur Ansicht zu bringen. Dahinter erscheint der After (a). Die Saugnäpfe sind am äusseren Rande jeder Platte unregelmässig vertheilt und deren Anzahl ist, — wie früher bereits gesagt wurde, — sehr unbeständig, ja ich sah sie von 28 bis 50 variiren und sehr selten, oder gar niemals, ist diese Zahl rechts und links gleich. e. Ueber die Muskelstructur bei Ataxarten. Bei allen Ataxarten scheinen die Muskeln gleich organisirt zu sein, da sie jedoch bei Atax ypsilophorus wegen der verhältnissmässig viel bedeutenderen Grösse leichter zu beobachten sind, so will ich mich bei meiner Darstellung hauptsächlich an diese Species halten. Von vorn herein muss ich aber bemerken, dass die Muskelstructur mit Leyoıe’s vortrefflicher Darstellung!) der Muskeln von Ixodes die grösste Uebereinstimmung zeigt. Die Muskeln bestehen aus schön gestreiften Cylindern, die von einem gemeinsamen, sehr zarten Sarcolemma um- geben sind und sich durch die Hypodermis hindurch an die Cuticula ansetzen. Am centralen Muskelende (Taf. XXXII. Fig. 10 1!) sind die Sehnen stets sehr kurz und stellen meist zahlreiche, von einander voll- kommen getrennte, selbst nicht immer parallele Chitinstäbe vor. Am peripherischen Ende (f?2) dagegen sind die Sehnen gewöhnlich sehr lang und bei jedem Muskel sind die vielen Chitinstäbe zu einem ein- zigen zusammenhängenden Bündel vereinigt (Fig. 15). An seinem Ur- sprunge ist jeder Stab zuerst etwas verdickt. | Sehr auffallend ist bei manchen Muskeln, besonders des Atax ypsilophorus, das Verhältniss der Länge zur Breite. So z. B. im Taster, wo die meisten Muskeln zwei bis drei Mal so breit wie lang sind, während die Sehnen dagegen sehr verlängert erscheinen (Taf. XXX. Fig. 13). Die Ursache der grossen Länge mancher Sehnen ergiebt sich aus den Lagerungsverhältnissen oft sehr einfach, so z. B. an den Stellen, wo Bewegungsübertragungen stattfinden, wie z. B. an gewissen Muskeln des Krallengliedes. Der Beugemuskel (Fig. 10 m.) der Doppelkralle z. B. liegt im vorletzten Fussglied an dessen Streckseite durch kurze Sehnenstäbchen (t!) angeheftet. Sein peripherisches Ende geht in eine lange Sehne über, welche über den oberen Rand des Endgliedes wie über eine Rolle weggeht, um sich bis zur Fussspitze zu begeben, wo sie sich an die Beugeseite des gemeinsamen Basalstückes der Doppel kralle ansetzt. Durch dieses Lagerungsverhältniss wird dieser Muskel nicht nur zum Beugemuskel der Kralle, sondern auch zum Streckmuskel j 4) Handbuch der vergleichenden Histologie. Studien an Acariden. 477 des ganzen Endgliedes gestempelt. Die Streckmuskeln (m?) der Krallen liegen dagegen im Endgliede selbst. Die Länge des Endgliedes jedes Fusspaares scheint bei allen Ataxarten eine sehr bestimmte zu sein. Sie beträgt in Mikromillimetern ausgedrückt bei Atax ypsilophorus für das erste Fusspaar 176, für das zweite 264, für das dritte 260 und für das vierte 440. Auch ist für das letzte Fusspaar die Sehne des Krallenbeugers 528 Mmm. lang, während die Totallänge des Muskels selbst nur circa 4100 Mmm. beträgt. \ f. Ueber Blut- und Atbmungsverhältnisse bei der Gattung Atax und den Acariden überhaupt. Ich habe bereits mehrmals unter dem Namen Haemamoeben kleiner, amoebenartiger Körper Erwähnung gethan, die in grosser Menge in der Hülle der verschiedenen Entwickelungsstadien von Atax Bonzi herumkriechen. Ich bemerkte sie zuerst im Deutovum und hielt sie anfangs für Parasiten. Von den Blutkörperchen der Unionen, die man leicht in demselben Präparate zugleich zur Untersuchung bekommt, unterscheiden sie sich leicht durch die weniger spitzigen Pseudopodien und die mehr fliessende Bewegungsart. Die meisten sind circa 5 bis 15 Mmm. breit, grobkörnig, mit einem hellen Kern versehen. Beim Vorwärtsrücken zieht sich das Hinterende mancher Exemplare in einen langen Schwanz aus (Taf. XXXII. Fig. 12a). Wenn die Haemamoeben aus der Ei- oder Deutovumhülle künstlich herausgedrückt werden, so kriechen sie im Blutserum der Muschel ganz munter fort. Ich gab mir sehr viel Mühe, um das erste Eindringen der muthmaasslichen Schma- rotzer zu erlappen. Zu dieser Untersuchung schienen die in der Ver- wandlung begriffenen Larven am geeignetsten,, da die Amoeben in den Scheiden der sich zurückziehenden Gliedmaassen zuerst erscheinen. Ich beobachtete daher eifrig die Füsse der zur Ruhe gekommenen Larven und dabei fiel es mir auf, dass, wenn sich die Weichtheile vom End- gliede eines Fusses zurückzuziehen anfangen, eine oder zwei Amoeben im freigelassenen Raum sofort zu sehen sind. Es wurde dadurch sehr unwahrscheinlich, dass die Amoeben von aussen eingedrungen seien, und wirklich lehrte ein genaueres Zusehen bald, dass bei allen Stadien, selbst bei ausgebildeten Individuen, Amoeben zwischen den Organen einherkriechen. Dass sie mir zuerst nur in der Hülle der verschiedenen Verwandlungsstadien auffielen, rührt einfach daher, dass sich die Amoeben zu dieser Zeit in der umspülenden Blutflüssigkeit ungemein vermehren und sich lebhafter bewegen. Es ist also unzweifelhaft, dass die Amoeben wahre Blutkörperchen darstellen, eine Auslegung, die heutzutage nichts Befremdendes an sich hat. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 34 478 Prof. Edouard Claparede, Bei anderen Hydrachniden fanden sich sogleich die Haemamoeben wieder, indessen um jede Möglichkeit eines Zweifels an der Richtigkeit der Deutung zu beseitigen, schien es wünschenswerth, diese Blut- körperchen auch bei anderen, nicht im Wasser lebenden Acariden zu erkennen. Dies ist mir auch bei mehreren Arten gelungen, obgleich die Beobachtung nicht bei allen Species eine ganz leichte ist. Indessen sind bei manchen, so z. B. beim Parasiten der Hypudaeen Listro- phorus Leuckarti Pac. die Bewegungen der in der Leibeshöhle Kriechenden Haemamoeben sehr leicht wahrnehmbar. Bei Atax, wie überhaupt bei Acariden, fehlt jegliche Spur von Herz und Gelässen. Das Blut umspült die Organe und tränkt deren Gewebe. Ein eigentlicher Kreislauf fehlt mithin vollständig und es treten nur die langsamen Wanderungen der Haemamoeben als vicariirende Erscheinung dafür auf. Bei anderen herz- und gefässlosen Thieren, linden wir entweder Flimmerorgane oder Gontractionen der Leibes- wand, welche einen mehr oder weniger effectiven Blutkreislauf zu Stande bringen. Hier aber fallen diese Ersatzfunctionen weg, selbst die zweite, denn die Leibeswand ist meist ziemlich starr. Die Wichtig- keit der Bewegungen der Haemamoeben scheint mir demnach nicht zu hoch angeschlagen werden zu können. | Die angeführten parasitischen Ataxarten besitzen keine Luftröhren und ich zweifelte lange Zeit vollständig an der Anwesenheit besonderer Athmungsorgane bei ihnen. Es haben wohl mehrere Schriftsteller, selbst van BEnepen und BruzeLius sogenannter Stigmaten bei Atax Er- wähnung gethan, es handelt sich aber stets nur um die schlecht ge- deuteten Geschlechtsnäpfe. Dagegen führte mich neuerdings eine ganz unerwartete Beobachtung auf den Gedanken, dass wenigstens Atax Bonzi eigenthümliche Respirationsorgane jedoch unter sehr befrem- dender Gestalt besitze. Lässt man eine schwache Lösung der von Max ScuuLzze mit Recht so hoch gepriesenen Ueberosmiumsäure auf einen lebenden Atax Bonzi einwirken, so färben sich fast unmittelbar darauf eine ganze Anzahl Blasen (Taf. XXXU. Fig. 4 osm.), die ziemlich regelmässig in beiden Körperhälften vertheilt sind. Das Leben des Thieres wird dadurch noch nicht beeinträchtigt. Die Haemamoeben fahren fort, ganz gemüthlich ‚herumzukriechen, und’ es dauert mitunter noch eine ganze Stunde, bevor sich andere Gewebe schwach tingiren. Dagegen erscheinen ge- nannte Blasen schwarzviolett mit eingestreuten tiefschwarzen Körnchen. Sie liegen in die Hypodermis eingelagert und springen in der Leibes- höhle sehr stark vor. Sie sind im Durchschnitt eirca 15 bis 35 Mmm. breit, und sowohl auf der Bauch- wie auf der Rückenfläche zerstreut. Studien an Acariden. 479 Die meisten liegen jedoch am Seitenrande. Ich zähle ihrer über dreissig. Nachdem die Anwesenheit und Lage dieser Organe mir bekannt ge- worden, suchte ich nach denselben auch ohne Hülfe der Ueberosmium-— säure und es fiel mir nicht besonders schwer, sie als höchst zarte und farblose Blasen von der umspülenden Blutflüssigkeit zu unterscheiden. ‚Die ganz besondere chemische Verwandtschaft für Sauerstoff zeichnet jedenfalls diese Organe vor allen anderen Gewebearten des Atax Bonzi aus. Es lag demnach nahe, in denselben besondere Apparate zum Einsaugen des Sauerstoffis aus dem umgebenden Wasser zu vermuthen. Die Blasen als nervöse Organe zu deuten, schien we-. niger gerathen, da weder Gehirn noch Augenganglien eine stärker reducirende Wirkung auf Osmiumsäure ausüben, als alle anderen Gewebe. Wie die Säure so schnell zu diesen Organen gelangt, sieht man nicht leicht ein. Die Cuticula ist verhältnissmässig ziemlich dick, da deren Durchmesser am Leibe durchschnittlich 5 Mmm. beträgt. Freilich ist sie an den Füssen, wo gerade keine sauerstoffaufnehmende Blasen vorkommen, viel dünner (nur 11/5 Mmm.). Mit besonderer Sorg- falt forschte ich nach etwaigen Porencanälen der Chitinhaut an den entsprechenden Stellen, es waren jedoch keine aufzufinden. Es ist aber einmal das Eindringen der Osmiumsäure bis zu den Blasen eine That- sache, und wie es auch zu Stande kommen möge — wahrscheinlich durch einfach diosmotische Vorgänge — so ist es sehr wohl möglich, dass das sauerstoffhaltige Wasser der Kiemenhöhle der Unionen bis zu den Bläschen des Schmarotzers gelangt. Eine so interessante Entdeckung darf wohl anspornen, nach ähn- lichen Verhältnissen bei verwandten Arten zu suchen. Ich habe bisher meine Forschungen nur auf Atax ypsilophorus ausgedehnt, und zu meinem grossen Erstaunen weder eine Spur von den Respirations- blasen, noch andere Organe, die sich durch eine besonders reducirende Einwirkung auf Osmiumsäure vor anderen Geweben auszeichneten, aufzufinden vermocht. Dagegen bin ich durch diese Untersuchung auf die Entdeckung von einem sehr merkwürdigen Apparate geführt wor- den, den ich bisher nur bei wenigen jungen Individuen kenne, der sich aber bei älteren Exemplaren wohl nur durch die Schwierigkeit der Beobachtung dem Auge entzieht. Ich meine ein System von sehr durchsichtigen Röhren, mit anscheinend chitinöser sehr zarter Wan- | dung, die eine wasserklare Flüssigkeit enthalten. Dieses Röhrensystem ist nur unter der Rückenhaut zu finden, und besteht jederseits aus ı einem Hauptistamme und einigen auf beiden Seiten vollkommen sym-- ‚ metrischen Zweigen. Sowohl Haupt- wie Nebenstämme endigen mit einer trompetenartigen Erweiterung, welche frei in der Leibeshöhle zu 31% 480 Prof, Edouard Olaparede, münden scheint. Jeder Haupistamm fängt gleich hinter dem Rüssel, nicht weit von der Mittellinie an. Eine Mündung des Apparates an dieser Stelle wahrzunehmen, ist mir aber noch nicht gelungen. Der Stamm beschreibt darauf einen Bogen mit auswärts gerichteter Con- vexität, zieht sich am Doppelauge nach aussen von demselben vorbei, krümmt sich wieder etwas nach innen und endigt etwa in der Mitte der Totallänge des Thieres. Kurz nach seinem Ursprunge giebt der Hauptstamm an der Aussenseite einen Zweig ab, der sich sogleich nach innen wendet und sehr bald gabelförmig aufhört. Ein zweiter Zweig entspringt kurz vor dem Doppelauge an der Innenseite des Haupt- stammes, begleitet denselben eine Zeit lang, wendet sich dann nach aussen, indem er den Hauptstamm kreuzt, und hört mit einer Erweite- rung auf. Der dritte Zweig entspringt beinahe in demselben Niveau, wie der zweite, aber von der Aussenseite des Hauptstammes, richtet sich nach hinten und aussen, indem er sich sehr rasch trompetenartig erweitert und hört dann auf. ich fühle, dass diese Angaben sehr dürftig sind, um so mehr als mir das Auffinden dieser Röhren nur bei wenigen Exemplaren gelingen wollte. Indessen steht für mich die Anwesenheit des Röhrensystems über alle Zweifel. Wasserröhren in denselben zu erblicken, ist eine sehr naheliegende Vermuthung, und diese Wasserröhren könnten kaum für etwas Anderes als Respirationsorgane gelten. Freilich lässt sich eine äussere Gestaltsähnlichkeit mit den Excretionsorganen vieler Würmer nicht ableugnen. Indessen sind die bei den Excretionsorganen der Würmer niemals fehlenden Wimpern hier durchaus nicht vorhan- den. Ausserdem übernimmt bereits das weisse ypsilonförmige Rücken- organ dieser Wasserspinne die Function eines Excretionsorgans. 2. Zur Entwickelung der Gattung Tetranychus. Nicht alle Acariden durchlaufen ein Deutovumstadium wie Atax, wenn auch manche andere Gattungen nicht nur ein Deutovum, sondern auch ein Tritovumstadium aufzuweisen haben, wie ich es später für die Myobien ausführlich zeigen werde. Die meisten Milben zeigen aber nichts ähnliches, und die sechsfüssige Larve schlüpft unmittelbar aus der Dotterhaut heraus. Dies scheint namentlich bei den meisten , viel- leicht bei allen Trombididen und bei vielen Sarcoptiden der Fall zu sein. ; | | Als Beispiel der Entwickelungsweise der Trombididen wähle ich | am liebsten den Tetranychus telarius, nicht nur weil keine Un- Studien au Acariden. 481 sicherheit in der Artbestimmung dieser Milbe herrscht, sondern auch weil es mir glückte, bei diesem Thiere die erste Bildung der Keimhaut zu belauschen. “Der Tetranychus telarius Dusss ist eine sehr häufige altbe- kannte Species, die Linn& bereits als Acarus telarius beschrieb. Dieses Thier erscheint bei den verschiedenen Schriftstellern bald unter diesem, bald unter jenem Gattungsnamen wieder, so als Trombidium telarium, T. tiliarum und T. socium bei Hermann, als Gamasus telarius bei LATkEiLLe u. Ss. f., indessen ist heutzutage seine Stellung in der Gattung Tetranychus Durour, namentlich seit Ducks’ Unter- suchungen unangefochten. ') In der neueren Zeit gab dieses Thier zu einer interessanten Ab- handlung von Seiten des Herrn Dr. E. Weser in Karlsruhe Veran- lassung. ?) Die Lebensweise dieser Milbe auf der Unterseite von verschiedenen Laub-, namentlich Lindenblättern, sowie die Hauptzüge der Organi- sation des Thieres kann ich als genügend bekannt voraussetzen. Bei den Geschlechtsmerkmalen muss ich aber einen Augenblick verweilen, ‘da sie bisher unberücksichtigt blieben. Ducss allein macht eine darauf bezügliche Bemerkung: »On peut prendre pour les mäles des in- dividus de petite taille, mais a huit pieds et de forme un peu plus ramassee, de couleur plus verdätre que les grands (Tr. socium d’Hrr- MANN pere), sur le dos desquels nous les avons vus plus d’une fois montes pour operer l’accouplement.« Aus der unbestimmt lautenden Ausdrucksweise »on peut prendre« etc. ersieht man, dass Ducis die besprochene Copulation durchaus nicht unmittelbar wahrnahm, son- dern sie als eine bevorstehende annehmen zu müssen glaubte. Die von diesem Forscher für Männchen erachteten Individuen ®) sind nämlich ‘durchaus keine reifen Männchen, sondern unreife, noch geschlechtslose achtfüssige Larven, und zwar sehr wahrscheinlich weibliche Larven gewesen. Die sechs- (Taf. XL. Fig. 14) und achtfüssigen Larven zeichnen 4) Die sehr mangelhaft beschriebene und schlecht abgebildete Milbe, welche SCHEUTEN als Flexipalpus tiliae in das System einführen möchte, ist nichts anderes, als diese altbekannte Spinnmilbe (Vgl. Einiges über Milben von A. SCHEUTEN in Bonn. — Archiv f. Naturgeschichte, XXIL. Jahrg. 1857. Bd. I. p. 404. Tafel VII.) 2) Ueber dieSpinnmilbe, Tetranychustelarius Dusczs nebst Be- merkungen über dieMilben überhaupt, vom Regimentsarzt Dr. E. WE- BER. — 22. Jahresbericht des Mannheimer Vereines f. Naturkunde. 4856. p. 20. 3) Dr. Weser fasst dieselben ebenfalls als Männchen auf, folgt aber hierin einfach dem Beispiel von Ducks ohne selbständige Beobachtungen über den Ge- schlechtsunterschied gemacht zu haben. 482 Prof. Edouard Glaparede, sich nämlich durch eine sehr gedrungene Form aus, von welcher die reifen Weibchen nur sehr wenig abweichen. Die reifen Männchen (Taf. XL. Fig. 15), welche Dusks offenbar entgingen, sind dagegen viel schmächtiger, namentlich nach hinten zu verschmälert. Ein zweites Unterscheidungsmerkmal liefert der Rüssel, welcher bei Männchen durchweg bedeutend länger als bei den Weibchen erscheint. Durch diese Gestaltverschiedenheit sind die beiden Geschlechter sofort zu unterscheiden. Dass meine Deutung dieser beiden Tetranychenformen eine rich- tige ist, geht aus der Betrachtung der Geschlechtstheile hervor. Die gedrungene Form erzeugt nämlich Eier und besitzt eine sehr einfache Geschlechtsöffnung. Die schmächtige Form dagegen ist mit einem Be- gattungsgliede und einem sehr wahrscheinlich als Hoden zu deutenden Drüsenpaare ausgerüstet, bringt aber niemals Eier hervor. Beim Männchen finden wir den ganzen Geschlechtsapparat in den hintersten Theil des Abdomens verlegt. Hier stellt der After (Taf. XL. Fig. 20) eine sehr kurze Spalte an der Leibesspitze dar, und das Be- gattungsglied (a) liegt unmittelbar vor derselben. Der aus der Geschlechts- öffnung hervorragende Theil des Gliedes sieht in der Flächenansicht kurz kegelförmig aus. In der Seitenansicht aber erscheint er haken- förmig nach vorne gebogen. Dieser Theil setzt sich in den Leib hinein als ein thalförmiger Stiel fort, der mit dem Ausführungsgange einer dickwandigen Tasche (b) in Verbindung steht. Diese Tasche fand ich in der Regel ganz leer, wahrscheinlich aber ist dieselbe als Samenblase auf- zufassen. An jeder Seite derselben liegt ein ovales, mit kleinen, durch- sichtigen, 4 Mmm. im Durchmesser haltenden Zellen erfülltes Organ (ce). Diese mit stäbchenförmigem Kerne versehenen Zellen halte ich für Zoospermien. Sie ähneln den Samenzellen anderer Milben vollkommen, sind auch ganz unbeweglich. Freilich ist das Fehlen einer charakte- ristischen Gestalt der Samenelemente bei den Acariden für das Er- kennen der Männchen sehr misslich. Der vollständige Mangel dieses Organes bei den Weibchen macht aber dessen Deutung als Hoden sehr annehmbar. Bei den Weibchen ist der Hinterleib viel breiter als bei den Männ- chen. Den After (Taf. XL. Fig. 18 a.) finde ich als eine Längsspalte auf einer hervorragenden Papille (Taf. XXXVII. Fig. 7 a.) mit zwei ‚Haaren jederseits. Die Streifensysteme der Guticula verlaufen auf der Papille mit den Rändern der Afterlippen ziemlich parallel. Unmittelbar vor dieser Afterpapille liegt eine ovale, quere Einsenkung des Ge- schlechtshofes (Taf. XL. Fig. 18 c.), wo das Streifensystem ‚quer ver- läuft, An den Rändern der Einsenkung gehen die Querstreifen unter ‚Studien an Acariden. 485 Faltenbildung in die verschieden gerichteten Streifen der benachbarten Theile über. Am vorderen Theile des Geschlechtshofes stehen zwei lange Haare auf, im hinteren Theile liegt die Vulva (b) als eine quer- selagerte Oeffnung. Die zahlreichen Falten am Rande des Geschlechts- hofes gestatten wahrscheinlich eine bedeutende Erweiterung der Vulva beim Eierlegen, denn diese Oeflnung ist gewöhnlich im Verhältniss zum Durchmesser der reifen Eier ungemein klein. Die inneren Ge- schlechtsorgane habe ich nur unvollständig erforscht. Ich kann nur bemerken, dass die Eier immer einzeln nach einander zur Reife ge- langen, eine Thatsache, welche auch Dr. Weser nicht entging. Was die übrigen Organisationsverhältnisse betrifft, so erlaube ich mir nur wenige Bemerkungen zur Vervollständigung und etwaigen Be- richtigung der Angaben meiner Vorgänger. Dvszs nimmt an, die Spinndrüsen von Tetranychus liegen in einer an der Hinterleibsspitze befindlichen Papille. Mir scheint, er habe sich bei diesem Ausspruche nur von Wahrscheinlichkeitsgründen, wegen der Verwandtschaft mit den Araneen, leiten lassen, denn an der an- gegebenen Stelle finde ich nur eine Papille, und zwar die Afterpapille, und gar nichts von einer Spinndrüse, wenngleich auch Dr. Weser einer solchen in dieser Gegend Erwähnung thut. Dagegen möchte ich viel lieber zwei im Vordertheile der Milbe liegende und am Endgliede der Taster nach aussen mündende Drüsen als Spinnorgane in Anspruch nehmen. Dass bei vielen Trombididen drüsige Organe in der Nähe der Mundhöhle vorkommen, ist schon längst bekannt, nur wurden sie von verschiedenen Beobachtern auf sehr verschiedene Weise aufgefasst. Treviranus !), der sie zuerst bei Trombidium holosericeum wahr- nahm, vermuthete in denselben — wenn er auch deren Ausführungs- gang vermisste — Speichelorgane. Dusarvın ?) lässt bei demselben Thiere die Ausführungsgänge dieser Drüsen an der Spitze der Mandibeln nach aussen münden und deutet sie demnach als Giftdrüsen. Tu. von Sır- B0LD®) beschreibt diese Drüsen der Trombididen als zwei farblose, schmale und gewundene Schläuche, welche sich zu einem dünnwan- digen, cylindrischen Giftbehälter erweitern und alsdann einen langen, engen Canal in die Klauenfühler, also in die Mandibeln senden. 4) Vermischte Schriften anatomischen und physiologischen Inhaltes. Göttingen 4816. Bd. 1. p. 48. G. R. TrevırAnus spricht übrigens von einem Büschel von Zotten, während bei Tetranychus die fragliche Drüse einen ° einfachen Schlauch darstelit. 2) Premier memoire sur les Acariens et en particulier sur l’appareil respira- toire et les organes de la manducalion chez plusieurs de ces animaux. — Annales des Sc. naturelles. 3. Serie. Tome Ill. 1845. p. 5. '3) Handbuch der vergleichenden Anatomie 1848. p. 539. 484 Prof. Edoward Claparede, PAGENSTECHER !) endlich verwirft die Dusarpın-Sırsorp’sche Ansicht, in- dem er jede Mündung eines Ausführungscanals an den Mandibeln leugnet und den Drüsengang unmittelbar in die Mundhöhle münden lässt. Er kehrt also zur Treviranus’schen Annahme zurück. Möglich ist es, dass bei verschiedenen Gattungen nicht mit einander vergleich- - bare Drüsenschläuche vorkommen. Jedenfalls finde ich bei Tetra- nychus zwei leicht bemerkbare Drüsenschläuche,, welche weder in die Mundhöhle noch in die Mandibeln münden, wohl aber je einen langen Ausführungsgang in den entsprechenden Taster senden. Dieser Gang dringt bis in das Endglied, wo mir freilich die winzige Mündung entgangen ist. Die Deutung dieser Drüsenschläuche als Speichelorgane fällt also weg. Es ist aber auch nicht sehr wahrscheinlich, dass man sie als Giftorgane anzusehen hat. Das Endglied der Taster (Taf. XL. Fig. 17 p.) ist zwar wohl mit einer dicken, kurzen Nadel und einem plumpen Haken versehen; indessen scheinen mir diese Anhänge viel zu kurz um der Beute Verletzungen beibringen zu können, dagegen möchten sie sehr wohl beim Richten der Spinnfäden Dienste leisten. Die Vermuthung, dass diese Tasterdrüsen als die Spinnorgane der Tetranychen anzusehen sind, verdient jedenfalls Beachtung. Eigenthümlich gebildet sind die Haftborsten, welche den Tetra- nvchen beim Fortbewegen behülflich zu sein scheinen. Man findet ihrer regelmässig vier am Endgliede jedes Fusses (Taf. XL. Fig. 19). Sie stellen sehr feine Borsten mit ausgebreiteter Spitze dar, so dass sie winzigen, sehr lang gestielten Haftscheiben gleichen. L£on Durour hielt sie irrthümlicher Weise für veränderte Krallen. Duszs dagegen, ohne deren eigenthümlicher Bildung zu erwähnen, unterscheidet sie als Borsten sehr wohl von der stets vorhandenen Doppelkralle. Die äusserste Spitze des Endgliedes ist, wie bei vielen Acariden, durch eine Querlinie vom Basaltheile gesondert und könnte demnach als ein besonderes Glied angesehen werden, was auch Dusarvın gethan hat, indem er nicht sechs, sondern sieben Fussglieder zählt. Dabei bemerkt er, dass die Haftborsten sich nicht an das siebente, sondern an das sechste Glied ansetzen, eine Angabe, die ich nicht bestätigen kann. Dr. Weser da- gegen hat das genaue Verhältniss schon gekannt und richtig dargestellt. Die einschlägige Abbildung und Beschreibung Scaeruten’s ist aber durchaus falsch. Die Bildung des Rüssels bei den Tetranychen ist wegen der offen- baren Verwandtschaft mit den Ixodiden interessant. Die verschmolzenen Ladentheile der Maxillen bilden nämlich einen conischen, zwischen 1) Beiträge zur Auatomie der Milben von Dr. H. A. PAGEnsSTECHBER 1860 p. Ah, Studien an Acariden, 485 - den dieken Maxillartastern eingefassten Zapfen (Taf. XL. Fig. 17 /.), der mit vielen winzigen Widerhaken bewaffnet ist. Die Aehnlichkeit mit dem feilenartigen Lippenfortsatz von Ixodes ist nicht zu verkennen. Die Lippe bildet durchaus keine Hohlrinne zur Aufnahme der Mandibeln. Es existirt vielmehr ein bedeutender Zwischenraum zwischen der Oberseite der Maxillarlippe und den aus der Unterseite des Epistoms Fig. 17 ep.) hervorragenden Mandibeln (md). Letztere sind, wie bekannt, stiletförmig und in einer gemeinschaftlichen, durch eine Verlängerung der Unterseite des Epistoms gebildeten Scheide (v) eingeschlossen. Nach hinten biegt sich jede Mandibel nach oben und wieder nach vorne, um im Vordertheil des Epistoms zu endigen. Jede stiletförmige Mandibel ist demnach eingliederig. !) Der Luftröhrenapparat der Tetranychen scheint von keinem For- scher näher untersucht worden zu sein. Dessen Beziehung zur Aussenwelt ist ein ganz anderer als bei Trombidium und wird wahrscheinlich zur Bildung einer Unterfamilie unter den Trombididen führen müssen, denn die Lage der Stigmaten ist im Allgemeinen bei verwandten Gattungen eine ganz beständige. Bei Trombidium sind die Luftstigmen bekanntlich paarig, und an der Innenseite der Man- dibeln gelegen. Bei Tetranychus existirt ein einziges, unpaariges Luftstigma (Fig. 15 st.) und zwar auf dem Rücken unweit dem Vorder- rande. Von diesem Stigma gehen zwei Tracheenpaare aus, die Haupt- stämme des Athmungsapparates. Das Vorderpaar ist verhältnissmässig unbedeutend und versorgt nur die Mundtheile; das Hinterpaar dagegen dringt bis zum hintersten Leibesende und sendet seine Aeste in die verschiedenen Fusspaare. Gehen wir nun zur Entwickelung der Tetranychuseier über. Die vollkommen kugeligen blassen Eier findet man mit Hülfe der Loupe immer vereinzelt an der Unterseite der Lindenblätter, gewöhnlich unmittelbar an den Blattrippen angeklebt. Sie sind 105 Mmm. breit mit einer farblosen, homogenen Dotterhaut umgeben, und mit einer ziemlich durchsichtigen Dotteremulsion erfüllt. In den eben gelegten Eiern vermochte ich kein Keimbläschen zu entdecken. Das erste Zeichen der Entwickelung besteht im Auftreten eines weissen, bei durchfallendem Lichte dunklen Körnchenhaufens an irgend einer Stelle der Dotterfläche (Taf. XL. Fig. I). Diese Körnchen sind un- gemein fein und einander so ziemlich gleich. Sobald ich diese - Körnchenhaufen bei einem Ei wahrnahm,, bemerkte ich auch jedes Mal einen hellen, rundlichen, 6 Mmm. breiten Fleck in der Mitte desselben. 4) SCHEUTEN Spricht irrthümlich von einer langen, vorstehenden »Saug- röhre.« 486 Prof. Edouard Claparede, Die weitere Entwickelung des Haufens wird zur Genüge beweisen, dass es sich um eine kernhaltige, hüllenlose Zelle mit körnigem Protoplasma handelt, aus welcher die ganze Keimhaut stammt. Es wäre demnach von höchstem Interesse gewesen, wenn ich die Abstammung des hellen : Kernes dieser ersten Zelle hätte nachweisen können. Indessen war es mir unmöglich, zu einer Ueberzeugung bezüglich dieses Punctes zu gelangen. Ob dieser Kern das zur Dotteroberfläche gewanderte Keim- bläschen oder ein neugebildetes Organ sei, steht also vorläufig dahin. Diese hüllenlose Zelle geht von nun an eine solche Entwickelung ein, dass man sie als einen Bildungsdotter dem übrigen Nahrungsdotter gegenüber betrachten muss. Sie erfährt nämlich eine förmliche Seg- mentirung. Zuerst theilt sie sich in zwei Stücke, darauf in vier, acht, sechzehn und so weiter (Taf. XL. Fig. 2—5). Bei jedesmaliger Theilung schnürt sich zuerst der Kern, und darauf der Körnchenhaufen ein. So lange nun vier Zellen vorhanden sind, nehmen sie nur die eine Eiseite ein, sobald aber die Zahl der Zellen bis acht gewachsen ist (Fig. 3), findet man sie ziemlich gleichmässig auf der Eifläche: zerstreut. Eine jede dieser acht Zellen ist kaum kleiner wie die Urzelle, von welcher alle stammen, so dass ich eine Vermehrung der Substanz des Bildungs- dotters auf Kosten des Nahrungsdotters annehmen muss. Bei weiterer Theilung werden freilich die Zellen allmählich kleiner, bleiben aber immer von einander gesondert (Fig. 4). Die Grenzen jeder Zelle sind übrigens sehr unbestimmt, indem das körnige Protoplasma in der Mitte der Zelle am dicksten ist, und gegen die Peripherie sehr rasch ab- nimmt, so dass endlich nur noch vereinzelte Körnchen die excentrischen Theile der Zelle darstellen. Selbst bei einer bis zu 64 gewachsenen Zellenzahl bleiben körnchenfreie Räume zwischen den Zellen übrig. Später aber, bei noch grösserer Zellenzahl (Fig. 5) stossen die Zellen unmittelbar an einander und bilden eine einschichtige Keimhaut. Von sogenannten Richtungshläschen oder Polzellen ist bei dieser Genese des Blastoderms durchaus keine Rede. Bei keiner anderen Milbenart traf ich bis jetzt Eier, die sich zum Studium der Keimhautbildung so gut eigneten wie diejenigen des Tetranychus telarius. Bei den Tetranychen aber ist es eine leichte Sache, diesen Vorgang zu verfolgen. Man ersieht aus obiger Dar- stellung, dass die Furchung , wie bei vielen anderen Arthropoden,, auf ein oberflächliches Blastem beschränkt ist. Nur ist die Art und Weise der Entstehung des Blastoderms in den meisten Fällen nicht in den allerersten Stadien verfolgt worden, und einfach als eine Keimhaut- bildung ohne eigentliche Dotterfurchung dargestellt worden, was man übrigens mit vollem Recht thun darf, So ist es von KÖLLIKER, ZADDAcH, Studien an Acariden. 487 Leuckarr und vielen anderen für die Insecten, so wie auch von mir für dieSpinnen geschehen. Auch darf man sich wundern, dass Rosın!) im Jahr 1862 vor der Academie des Sciences de Paris diese jedem An- fänger bekannte Thatsache als eine sehr wichtige von ihm eben ge- machte Entdeckung darstellt. 2) "Wenn alle Beobachter darin übereinstimmen, dass bei vielen Arthropoden die Keimhautbildung ohne eigentliche Furchung zu Stande kommt, so ist dennoch die Auffassung des Vorganges selbst von dieser ind jener Seite eine sehr verschiedene gewesen. Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Keimhaut unmittelbar als eine den ganzen Dotter umhüllende Membran, sei es durch das Wandern an die Peri- pherie von vielen vom Keimbläschen abgeleiteten Kernen, oder durch freie Zellenbildung, oder endlich, wie sich Rosın ausdrückt, durch Zellenknospung an der Oberfläche der Dottersubstanz entsteht. Selbst die neuesten Beobachter, vor allen die beiden ausgezeichneten Forscher, denen wir bezüglich der Embryologie der Articulaten so viel zu ver- danken haben, Weısmann nämlich und Meeznırow, weichen in ihrer Darstellung der Blastodermbildung sehr bedeutend von einander ab. WEismann®) spricht sich geradezu für eine freie Zellenbildung in einem sogenannten Keimhautblastem aus. Meczuıkow*) dagegen beobachtete bei verschiedenen Insecten (Miastor, Aphis), wie das Keimbläschen in viele sogenannte Keimkerne zerfällt, die sich dann an die Peripherie begeben, um die Kerne der Keimhautzellen zu bilden. Es ist aller- dings misslich, anzunehmen, dass die Keimhaut durch zwei ganz ver-— schiedene Processe zu Stande kommen könne. Indessen möchte ich vorläufig die beiden, wenn auch von einander so abweichenden Vor- sänge für möglich halten. Die Richtigkeit des von Meczuıkow beobach- jeten Zerfallens des Keimbläschens in Keimkerne hat man keinen Grund 4) Comptes rendus de l’Academie des Sciences. Paris 1862. Seance du 20 Janvier. . 8 2) In einem späteren Aufsatz (Memoire sur la production des: cellules du blastoderme chez quelques articules. — Journal de la physiologie 1862. p. 349) scheint allerdings Rosın selbst über die Aechtheit seiner Entdeckung einige Zweifel zu spüren. »Lors m&me que ces faits eussent ete deja observes, so drückt er sich wenigstens aus, on ne pouvait les interpreter exactement, tant qu’on ignorait encore le mode de naissance des globules polaires etc.« Die späteren Beobachter, Weısmann, Mecznıkow und Andere übergehen diese Ansprüche von Rosın mit Stillschweigen. 3) Die Entwickelung der Dipteren von Dr. Ausust Weısmann. Leipzig 1864. pP. 6. 48 und 93. Abdruck aus dieser Zeitschrift. Bd. XIII. und XIV. 4) Embryologische Studien an Insecten von ELıas Mecznıkow. Leipzig 1866, pP. 23 und 50, 488 Prof, Edonard Claparede, zu bezweifeln. Dass aber bei anderen Insecten eine freie Zellengenese nach Weısmann’s Schema vorkommen könne, das scheint mir aus den Beobachtungen von MEeznIkow selbst bei Aspidiotus nerii hervor- zugehen. Dieser Forscher sah nämlich die im peripherischen Blastem eingelagerten Kerne der späteren Blastodermzellen plötzlich zum Vor- schein kommen. Dieser Fall spricht offenbar zu Gunsten von Weıs- MANN’ Ss Deutung. Indessen erklärt es Mecznıkow — offenbar durch theoretische Gründe geleitet — für wahrscheinlich, dass die Kerne sich früher bilden, als man sie wahrnimmt, und dass sie demnach vom Keimbläschen wohl abstammen mögen. Den strengen Beweis. aber bleibt er uns schuldig. ') Obige Beobachtungen über die Keimhautbildung bei Tetranychus scheinen zwar mehr zu Gunsten von Mecznıkow’s Darstellung zu sprechen. Die Blastodermzellen entstehen hier nicht durch freie Zellen- bildung, sondern stammen durch Theilung von einer einzigen Urzelle. Aber wie entstand diese Urzelle selbst? Hier kann sich natürlich der ganze Streit von vorne an wieder entspinnen, denn der Kern dieser Zelle kann ebensowohl das zur Oberfläche gewanderte Keimbläschen als ein frei entstandenes Gebilde sein. Dass ich bei eben gelegten Eiern das Keimbläschen vermisste, hat hier nichts zu sagen, da sich dasselbe in der Mitte der Dotteremulsion dem Blick sehr leicht entziehen kann. Die Urmutterzelle des ganzen Blastoderms sah ich also nicht vom Keim- hläschen abstammen, dass sie aber von demselben wirklich abstammt, hat für. mich durchaus nichts Unwahrscheinliches. Wichtig aber ist die Thatsache, "dass selbst in diesem Falle, die Beobachtungen von Weıs- “MANN, RosIn u. A. vorläufig ganz ausser Acht gelassen, keine voll- kommene Einheit in der Bildung der Keimhaut durch weitere Ent- wickelung des Keimbläschens besteht, denn MEcznıkow sah bei Miastor und Aphis die Keimkerne in der Mitte des Dotters durch Zerfallen des Keimbläschens entstehen, und sich erst darauf an die Peripherie be- geben, um sich mit dem Keimhautblastem zu umgeben, während bei Tetranychus zuerst eine einzige Zelle an der Dotteroberfläche erscheint. | 4) Ich erinnere daran, dass ich bereits im Jahre 1862 (Rech. sur le devel. des Araignees. Utrecht 1862), die Bildungsweise der Keimhaut gerade wie später Weısmann bei den Museiden und Mecznıkow bei Aspidiotus darstellte. Nur liess ich mich — wie Meczxıkow es auch thut -- dahin verleiten, einiger theoretischen - Gründe wegen anzunehmen, dass die plötzlich erschienenen Blastodermkerne auf irgend eine Weise vom Keimbläschen abstammen möchten. Rosm hat mit Recht darauf erwidert, dass einer solchen Deutung nur der beschränkte Werth eines Postulats einer unbewiesenen Theorie, nicht aber: die Wichtigkeit einer Beobach- tung zukomme. Studien an Acariden. 489 Die weitere Entwickelung der Keimhaut zur Bildung der Embryo- nalanlage und der zuerst knopfartigen Gliedmaassen scheint nichts Besonderes darzubieten, und den ähnlichen Vorgängen bei anderen Milben durchaus ähnlich zu sein. Da indessen das Sammeln der stets vereinzelten Tetranychuseier eine sehr zeitraubende Sache ist, so habe ich diese Entwickelungsstadien nicht so vollständig verfolgt, wie bei anderen Arten. Ich verweise daher auf meine Darstellung dieser Vor- gänge bei Atax, Myobia und Tyroglyphus und wende mich so- gleich zum Zeitpunct, wo die paarigen Mandibeln- und Maxillenanlagen sich zu einem unpaarigen Rüssel vereinigt haben, und wo die keimen- den Füsse sich wurstförmig verlängern, indem sie sich nach hinten krümmen und durch schwache Einschnürungen eine Andeutung von Gliederung zeigen. Zu dieser Zeit ist bereits der Dotierrest (Taf. XL. Fig. 8&—12 d.) in den Mittel- und Hinterleib zurückgedrängt, und er- scheint vorn drei-, hinten zweilappig, eine Gestalt, welche dem des Magensackes des ausgebildeten Thieres gleich ist. Nun treten die Augen als zwei rothe Pigmenthaufen (a) auf, in welchen bald je eine rundliche, Mmm. breite Linse erscheint. Vor dem Auge zeigt sich auch jederseits eine kleine Kapsel (b), welche einen birnförmigen Körper einschliesst. Ein länglicher Körnchenhaufen erscheint stets im Zusammenhang mit der Kapsel. Die Bedeutung dieser 11 Mmm. langen Kapsel ist völlig räthselhaft. Es liegt nahe, ein Hörorgan darin zu vermuthen, die nähere Begründung einer solchen Ansicht aber wäre schwer durchzu- führen. Jedes Zittern geht dem vermuthlichen Otolithen ab, wie übrigens die Abwesenheit von Flimmerorganen bei einem Arthropoden zu erwarten war. Da ich dieses räthselhafte Organ bei keinem Embryo vermisste, so suchte ich auch bei den Larven und ausgebildeten Te- tranychen nach demselben, jedoch vergebens. Die Untersuchung des sich immer weiter entwickelnden Embryo wird\nun dadurch erschwert, dass einige sehr beständige Falten (f} der Dotterhaut auftreten, welche sich — wegen Lufteinschlusses — als schwarze, bei der Beobachtung sehr störende Streifen ausnehmen. Die zuerst sich bildende Falte läuft quer über den Rüssel weg. Darauf erscheinen vier und später sechs oder gar acht andere Falten, deren Richtung gerade senkrecht auf der Querfalte steht. Jede von diesen Längsfalten entspringt von der Querfalte selbst und setzt sich nach der Bauchseite des Embryo fort. Trotz der aus diesen lufthaltigen Falten erwachsenden Schwierigkeiten kann man das allmähliche Auswachsen der Füsse und Taster verfolgen , sowie das Auftreten der stiletförmigen Mandibeln als dünner Streifen innerhalb der Rüsselmasse. Auch das Hervorwachsen der Fuss- und Rückenhaare erscheint sehr deutlich. 490 Prof, Edouard Claparede, Als Zeichen der innersalb des Embryo vor sich gehenden chemischen Umwandlungen erscheint die Bildung einer Reihe von Concrementen (Fig. 13 ex) auf der Mittellinie des Rückens, einer Stelle, welche dem als Excretionsorgan functionirenden Mastdarme des ausgebildeten Thieres völlig entspricht. Die sechsfüssige Larve liegt nun fertig da, und das Reissen der Dotterhaut wird genügen, um sie in Freiheit zu setzen. Niemals war ich Zeuge des spontanen Zerreissens dieser Membran. Dies ist auch nicht nöthig, um dreist behaupten zu dürfen, dass keine Häutung innerhalb des Eies stattfindet, und dass hier kein der Deutovum- und Tritovambildung vergleichbarer Vorgang existirt. Nach den in Cuvıer's Regne animal illustr& (Arachnides Taf. 27) von Ducks veröffentlichten Abbildungen des Leptus autumnalis (Acarus autumnalis Suaw) stimmt dieses Thier in der Fuss- und Rüsselbildung mit Tetranychus telarıus vollkommen überein. Es ist daher unmöglich , diese Milbe von den Tetranychen generisch zu trennen. 3. Zur Entwickelungsgeschichte der Tyroglypbhen. Die Käsemilbe ist von sehr vielen Beobachtern untersucht worden, indessen wurde sie von den Meisten sehr oberflächlich studirt und nicht selten mit verwandten Species verwechselt. Dem sehr genauen Rosın ') war es vorbehalten, die erste gründliche Schilderung dieses so gemeinen Thierchens zu liefern und die Richtigkeit seiner ausgezeich- neten Darstellung kann ich vollständig verbürgen. Nur die Bedeutung der ihm übrigens sehr wohl bekannten Seitenblasen als Excretions- organe und die Anwesenheit eines Ausführungsganges derselben blieben ihm unbekannt. ?) Unter dem Namen Käsemilbe werden übrigens meist zweierlei Arten, nämlich Tyroglyphus Siro Gervaıs (Acarus Siro Linn.) und T. longior GervaAıs verstanden, wovon jene von Rosın allein, diese von Rosın mit Fumouze zusammen), genau untersucht 4) Memoire zoologique el anatomique sur diverses especes d’Acariens de la famille des Sarcoptides par Ca. Rosın. Bullet. de la Soc.imper des natur. de Moscou, Tome XXXIl. 4. partie 4860. p. 184, 9) Ich verweise zum näheren Studium dieser Organe auf das folgende die mit Hypopusmännchen versehenen Tyroglyphen betreffendes Capitel. 3) M&moire anatomique et zoologique sur les Acariens des Genres Cheyle- tus, Glyciphagus et Tyroglyphus par M, M. A. Fumouze et CH. RoBın. — Journal de l’anatomie et de la physiologie publie par M. Cn. Rosın IV, 1867. p. 582. | | Studien an Acariden, 491 wurde. Beide finde ich sehr häufig auf verschiedenen Käsearten bald allein, bald in Gesellschaft von einigen anderen Arten oder gar Gattungen. !) In Betreff der Entwickelung verhalten sich die Käsemilben T. Siro und T. longior durchaus gleich, so dass ich mich in meiner Dar- stellung auf erstere Art beschränken werde. Die ellipsoidalen Eier findet man auf dem Käse zerstreut, von der Dotterhaut umhüllt. Ihre Länge beträgt etwa 0,12 Mm., ihre Breite nur 0,08 Mm. Auch hier ist mir die erste Bildung der Keimhaut entgangen. Ich lernte sie erst-dann kennen, als sie bereits eine den ganzen Dotter umhüllende aus mehreren Zellenschichten bestehende Membran dar- 4) Es ist kaum begreiflich, wie ein sonst mit den Milben so vertrauter Forscher wie PAGENSTECHER, kurz nach der Veröffentlichung der oben citirten sehr genauen Abhandlung von Rosın einige Untersuchungen erscheinen liess, die er grösstentheils besser unterdrückt hätte. (Einiges zur Anatomie von Tyro- glyphus Siro von Ar. PAGENSTECHER. Diese Zeitschr. Bd. XI. Fig. 420). Nicht nur sind seine Abbildungen nach zerdrückten Individuen angefertigt worden, so dass die Mandibeln luxirt sind und verschiedene Haare auf der Bauchfläche ge- zeichnet werden — so z. B. die Epistomhaare — welche der Rückenfläche ange- hören, sondern es haben sich auch manche Irrthümer mit eingeschlichen, die heutzutage ganz seltsam klingen. In Bezug z. B. auf die bei beiden Geschlechtern anders gestalteten, zwischen den hinteren Epimeren gelagerten Skeletstücke meint PAGENSTECHER, es habe Rosın dieselben fälschlich als Begattungsorgane gedeutet. Er bezweifelt, dass sich zwischen denselben die Geschlechtsöffnung befinde und glaubt, dieselbe liege beim Männchen zwischen den Haftnäpfen und beim Weib- chen entsprechend kurz vor dem After als einfache Längsspalte. Diese Zweifel sind aber durchaus nicht gerechtfertigt, und wer mit verschiedenen Formen von Tyroglyphen und verwandten Gattungen einigermaassen vertraut geworden, kann keinen Augenblick über die Richtigkeit von Rosın’s Deutung im Zweifel sein. PAGENSTECHER’S Einwand, dass so feste Skeletstücke, wenigstens beim Weibchen bei der Grösse der Eier den Gebrauch der Geschlechtsöffnung erschweren würden, hat für denjenigen nur ein geringes Gewicht, welcher dem Hervorstülpen der ge- waltigen Scheide zwischen diese anscheinend so starren Schamlippeu nur einmal zugeschaut hat. PAGENSTECHErR bemerkt auch »die bei beiden Geschlechtern neben diesem medianen Stücke quer liegenden kleinen Plättchen, welche Rosın auch als Saugnäpfe deutet, hätten gar nicht das Aussehen von solchen.« Hätte er aber selbst dem Hervorstülpen dieser Organe zugesehen, so hätte er gewiss seine Zweifel aufgegeben. PAGENSTECHER erwähnt übrigens beim Weibchen zwei solche »querliegende Plättchen« jederseits, beim Männchen dagegen drei, während Robın ‚jederseits zwei Saugnäpfe bei beiden Geschlechtern angiebt. Die Richtigkeit der Angabe liegt wiederum auf Rosın’s Seite. PAGENSTECHER bemerkt zwar, seine Untersuchungen reichen in eine viel frühere Zeit zurück als die Veröffentlichung von Rosın’s Arbeit; es ist aber zu bedauern, dass Rosın’s widersprechende Re- sultate ihn nicht dazu anspornten, seine Untersuchung noch einmal vorzunehmen, bevor er selbst zur Veröffentlichung schritt, 492 Prof. Edouard Clapartde, stellte. Diese Keimhaut verdickt sich sehr rasch auf der Bauchseite und an dem Kopfende, so dass der Dotter in die hintere Eihälfte zurück- gedrängt wird (Taf. XXXVIM. Fig. I). Die Gliedmaassen treten dann als rundliche Knöpfe an der Bauchseite der Vorderhälfte des Embryo auf. Ihre Zahl beträgt fünf Paare, deren vorderstes (Fig. 4 md! und md?) als Mandibelpaar, das folgende (mx) als Maxillen und die übrigen (P! bis P3) als Füsse zu deuten sind. Bei der weiteren Entwickelung rücken allmählich die Maxillen nach vorne (Fig.2), während die Man- dibeln am vorderen Polende unverrückt bleiben. Bald gelangen sogar die Maxillen an die Seite der Mandibeln (Fig. 3). In dieser Zeit gliedert sich das Vorderende des Embryo durch drei Furchen. Die drei auf diese Weise differenzirten Segmente sind offenbar Thoraxsegmente, denn es entspricht ein jedes derselben einem Fusspaare. Dieses ursprüngliche Auftreten von drei Brustsegmenten ist um so beachtens- werther, als beim ausgebildeten Thiere nur noch eine einzige Furche am Leibe und zwar zwischen dem zweiten und dritten Fusspaare be- merkbar bleibt. Die an einander gerückten Maxillen und Mandibularknöpfe gehen nun einen Verschmelzungsprocess (Fig. 4 und 5) zur Bildung des Rüssels (R) ein. Eine Längsmittellinie deutet noch die Zusammen- setzung dieses Organes aus zwei paarigen Hälften an, und ein dicker, seitlicher Knopf (Fig. 4 p) vertritt den späteren Taster. Die Verschmel- zung wird bald so innig, dass an eine Unterscheidung der früheren vordersten zwei Extremitätenpaare nicht mehr zu denken ist. Erst später tritt in diesem homogenen Rüssel eine Sonderung ein, wodurch die Maxillarlippe und die Mandibeln als besondere, wenn auch sehr veränderte Organe wieder differenzirt werden. Die den künftigen Füssen entsprechenden Knopfpaare verwandeln sich allmählich in wurstförmige, an die Bauchfläche angedrückte Wülste (Fig. 4), welche zuerst in der Richtung von hinten nach vorne gegen einander convergiren. Bei fortgesetztem Wachsthume biegen sich die beiden Vorderpaare nach hinten um, indem an denselben eine deutliche Gliederung hervortritt und sich die Borsten ausbilden (Fig. 5). Das Hinterpaar bleibt aber während der ganzen Entwickelung mit der Spitze nach vorn gerichtet, so dass endlich das Endglied beinahe bis an den Rüssel reicht. Dieses Hinterpaar liegt zunächst an den Bauch angedrückt, die beiden anderen liegen darüber. In dieser Zeit wird die Afterspalte deutlich. Nachdem sich der Embryo mit einer Chitinlage überzogen hat, schlüpft derselbe als sechsfüssige Larve heraus. Diese Larve (Fig. 6) stellt bereits die Hauptzüge der ausgebildeten Form dar, wenn auch Studien an Acariden. 493 der Geschlechtsapparat noch vollständig fehlt. Sie zeichnet sich in- dessen durch die Anwesenheit eines provisorischen Organes aus, wel- ches trotz seiner noch problematischen Function einer besonderen Berücksichtigung wohl werth ist, denn ich vermisse dasselbe bei keiner sechsfüssigen Larve der Gattung Tyroglyphus und einiger ver- wandten Gattungen. Ich meine nämlich ein Paar eylindrische, dicht vor den Epimeren des zweiten Fusspaares sitzende Stiele (Fig. 6 a). Jeder Stiel ist mit beweglicher Basis an der Brustfläche eingelenkt. Er läuft nicht spitz aus, sondern endigt mit einem kleinen kugelförmigen Aufsatz. i Bei eintretender Häutung ziehen sich sowohl Rüssel wie Füsse aus ihren Chitinscheiden heraus. Die verschwundene Eintheilung des Thorax in drei Segmente tritt an dem weichen Thiere wieder hervor und die achtfüssige Milbe bildet sich allmählich unter dem Schutze der sechsfüssigen Larvenhaut hervor. Diese achtfüssige zweite Larve ent- behrt aber des Bruststiels vollständig. 4. Die Gattung Hypopus Duge£s als Männchenform mancher Tyroglyphen. Die Gattung Hypopus wurde zuerst (1834) von Ducks für eine auf einer Histerart schmarotzende Acaride aufgestellt, bei welcher er die Mandibeln vermisste und den Rüssel blos aus einer anscheinend mit den Tastern verschmolzenen Lippe bestehend fand. Zugleich brachte dieser Forscher zwei früher bekannte Acarusformen unter den- selben Gattungsbegriff. Lton Durour beschrieb darauf (1839) zwei an- dere Species derselben Gattung, welche ebenfalls auf Insecten schma- rotzen. Koch (1843) nahm die neue Gattung in sein Arachnidenwerk auf und bereicherte sie ebenfalls mit ein Paar Species. In demselben Jahre traf Dusarnın auf einem Bienenflügel einen kleinen Schmarotzer, den er unter dem Gattungsnamen Anoetus beschrieb, eine Gattung, die er später wieder einzog, indem er sich überzeugte, dass es sich um einen wirklichen Hypopus handelte. Ein Jahr darauf erschien GervAIs wieder mit einer neuen Hypopusart. Aber erst 1849 wurde die Gattung Hypopus mit grosser Sorgfalt untersucht und zwar von Dusarvın, der das Verzeichniss derselben um zehn neue Formen be- _ reicherie, die er aber in zwei Abtheilungen vertheilte, wovon jede den Werth einer eigenen Gattung haben dürfte. Mit einer einzigen Aus- nahme schmarotzten alle diese verschiedenen Arten entweder auf In- secten oder auf Myriapoden, eine ausserdem auf einer Erdmaus (Arvicola). Zeitschr, f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd, 32 494 Prof, Edouard Olaparede, In seiner ausgezeichneten Abhandlung bestätigt Dusarpın die von Duszs bereits hervorgehobene Abwesenheit von Mandibeln bei Hypo- pus, verneint ausserdem das Vorkommen jeder Mundöffnung und zeigt, dass die vielen bei verschiedenen Hypopusarten bemerkten Saugnäpfe zum Anhaften an den Wirth dienen. Zugleich erwähnte er eine sehr beachtenswerthe Beobachtung, die ihn zu einer bedeutungs- vollen, aber aller Wahrscheinlichkeit nach verfrühten Schlussfolgerung führte. Er traf nämlich unter einigen auf Moos vorkommenden Hy- popusindividuen der einzigen von ihm beobachteten nicht schma- rotzenden Art, manche halb vertrocknete Exemplare, deren Hülle im Inneren eine mit Tastern und Scheerenmandibeln bewaffnete weiche Acaridenform barg. In der Nähe liefen Gamasen herum. Sollten nicht, fragt sich der diesmal wenigstens etwas zu sanguinische Forscher, die Hypopusformen blosse Larven von Gamasiden sein? Die meisten Hypopus schmarotzen auf Insecten, gerade wie viele Gamasen. Ueberall wo er Hypopus fand, da waren auch die Gamasiden nicht weit. Es schien Alles — trotz der Achtzahl der Füsse bei Hypopus —— ganz genau zu stimmen und wurden so die Hypopus zum Larven- zustande der Gamasiden gestempelt. Lasst uns Dusarnın’s Worte selbst vorführen: »Il devenait done visible pour moi«, so drückt er sich aus, »que ces Hypopus sans bouche, sans accroissement possible, vivant fixes par leurs ventouses sur des surfaces polies qui ne peuvent rien leur fournir, il devenait, dis je, visible pour moi que ces Hypopus n’etaient que des larves ou plutöt si l’on peut s’exprimer ainsi des oeufs munis de pieds et doues de mouvement, dans l’interieur desquels, sans aliments venus du dehors, le jeune Gamase doit se former aux depens seulement de la substance contenue.« Wir bedauern, dass uns Dusarnın keine genauere Beschreibung, nicht einmal eine Zeichnung, eine flüchtige Skizze dieser angeblichen Verwandlung eines Hypopus in einen Gamasus zurückliess. Diese Lücke fühle ich jetzt sehr schmerzlich, wo ich der Angabe des trefl- lichen Forschers durchaus widersprechen und den Hypopusformen eine ganz andere Bedeutung vindieiren muss. Gegen Dusarnın's Ansicht streiten von vorn herein manche Be- denken, die aber diesem Forscher nicht klar geworden zu sein scheinen, oder gar seltsamer Weise von ihm als Beweise für seine Theorie aus- gebeutet wurden. Zuerst sind die Hypopus achtfüssig, während alle bis jetzt bekannten ersten Larvenzustände der Acariden eine geringere Zahl Füsse aufweisen. Dann aber ist die Vorstellung einer mundlosen, der Nahrungsaufnahme und des Wachsthums ganz unfähigen Larve wenigstens eine sehr ungewöhnliche, obschon Dusarnın gerade in diesen Studien an Acariden. 495 merkwürdigen Verhältnissen einen Grund mehr findet, die Hypopus- formen für unreif zu erklären. Ein solcher Zustand wäre jedenfalls mehr mit dem Nymphenzustande der Insecten zu vergleichen. Gleichwohl kommt diesen theoretischen Bedenken gegen DuJardın’s Auffassung nur ein beschränkter Werth zu. Ueberzeugender dagegen sind die Resultate der Beobachtungen, zu deren Darstellung ich nun übergehe. Zuerst lehrt die Dusarpın zwar unbekannt gebliebene Ent- wickelungsgeschichte der Gamasiden, dass diese Acariden das Ei unter der Gestalt von sechsfüssigen Larven verlassen, welche bereits alle Hauptmerkmale der reifen Thiere besitzen und durchaus keine Aehn- lichkeit mit Hypopus zeigen. Diese meine Behauptung werde ich hoffentlich später in einer Abhandlung über Gamasiden näher begrün- den, vorläufig aber mag ihre sehr bestimmte Aufstellung genügen. Allerdings wäre es möglich, dass unter den unzähligen Gamasiden, die überall in der Natur und zwar unter den verschiedensten Umständen zu finden sind, einzelne Arten sich durch exceptionelle Entwickelung und zwar durch Hypopuslarven auszeichneten. Insofern ist folgende Beobachtung von hoher Bedeutung, welche den Beweis liefert, dass die Hypopus keine Larven, sondern reife Männchen sind, deren Weib- chen mit der Gattung Tyroglyphus in allen Hauptmerkmalen über- einstimmen. In der Nähe von Genf trifft man sehr häufig eine Acarusform, welche sich in. modernden vegetabilischen Substanzen oft massenhaft vermehrt, so in Kartoflel- und Georginenknollen, in halb verfaulten Kohlstrünken u. s. w. Sie scheint bisher nicht beschrieben worden zu sein, steht aber dem Tyroglyphus siculus Fumouze et Rosın und dem T. entomophagus LaBouLsine sehr nahe. Ein genauer Vergleich der Haarstellung und Haargestalt sowohl am Leibe wie an den Füssen lehrt aber sehr bald diese drei Arten von einander unterscheiden. Dass unsere Milbe (Taf. XXXV. Fig. 1) der Gattung Tyroglyphus LATREILLE, wie sie noch neuerdings von Ropın und LAasouLsine!) und wiederum von Rosın und Fumouze ?) charakterisirt wurde, angehört, ist nicht zu bezweifeln.°) Der rothfarbige, conische Rüssel steht schief 4) Observations anatomiques sur le genre Tyroglyphus par M. M. Ar. LABouL- _ BENE et Ca. Rosın. Annales de la Societe entomologique de France. Paris 4862. t. I. p. 317. 3) M&moire anatomique et zoologique sur les Acariens par M. M. A. FumouzE et Ca. Rosın. 2. Partie. Journal de l’anatomie et de la physiologie. 1867. p. 561. 3) Es ist wahrhaft erstaunend, wie sich alte und neue Irrthümer — trotz der ausgezeichneten Untersuchungen von mehreren Forschern, vor allen von Rosın 32% 496 Prof, Edouard Claparede, nach unten gerichtet und ist mit kurzen, schmalen, dreigliedrigen Tastern versehen. Die Scheerenmandibeln sind bezahnt und an der ° Basis angeschwollen. Die Epimeren des vorderen Fusspaares sind mit einander vereinigt, die anderen bleiben dagegen getrennt. Die Scham- lippen sind von zwei Saugnäpfen jederseits begleitet. Eine Furche zieht sich zwischen zweitem und drittem Fusspaare rund um den Leib herum. Die Füsse sind rostfarbig, behaart, mit verhältnissmässig kurzem Endgliede und tragen eine einfache Kralle. Alle diese Charaktere stim- men mit der Diagnose der Gattung Tyroglyphus überein. Eine ein- zige Abweichung vermag ich anzugeben, die Verkümmerung nämlich der kleinen am letzten Fussgliede der ächten Tyroglyphen vorkon- menden Garunkel. Dieses Merkmal ist freilich an sich werthlos, da diese Carunkel bei den verschiedenen Tyroglyphusarten sehr ungleich entwickelt und oft kaum wahrnehmbar ist. !) Die Grösse der geschlechtsreifen eiereinschliessenden Individuen variirt ganz ungemein und zwar von 2/, zu 2 Mm. Specifische Merk- male der Art kann man mehrere anführen. Vor allen Dingen reicht die Afterspalte (Taf. XXXV. Fig. I a) beinahe bis zum Hinterende, und hört dicht vor einem kleinen, rundlichen, unpaarigen Saugnapfe (b) auf, dessen Anwesenheit bei keiner anderen Species mir bekannt ist, denn die Saugnäpfe an der Afterspalte der Tyroglyphenmännchen sind stets und LABOULBENE — in die Diagnose der Gattung Tyroglyphus fortwährend ein- schleichen. So finde ich in einem der neuesten Handbücher der Zoologie (Hand- buch von PETERS, CARUS und GERSTÄCKER. Bd. Il. p. 345), die Anwesenheit eines langgestielten Saugnapfes an der Spitze jedes Fusses als charakteristisch für die Gattung Acarus Lin. (Tyroglyphus Lark.) hervorgehoben. Dabei wird die Käsemilbe als Typus der Gattung angeführt, ein Thier, welches bekanntlich jeden Saugnapfes an den Füssen ermangelt. Die Sarcopten sind freilich nicht viel glück- licher gewesen, daSarcoptes scabiei noch im Jahre 1868 von CrAus (Grund- züge der Zoologie p. 245) mit stiletförmigen Mandibeln beschert wird, während bekanntlich alle Sarcoptiden scheerenförmige Mandibeln besitzen. 4) Da unsere Milbe auch auf Kartoffelknollen,, und zwar ziemlich häufig, an- zutreffen ist, so könnte man versucht werden, dieselbe mit einer der von ver- schiedenen Schriftstellern bei der Kartoffelfäule erwähnten Milben zu identifieiren. Diess ist aber nicht möglich. Die beiden Milbenarten, denen man eine Zeit lang die Kartoffelfäule zuschreiben wollte, sind nämlich Glyeiphagus fecularum Guzrin und Tyroglyphus feculae RAyEr. Nun ist jene Species ganz entschie- den ein ächter Glyciphagus.und kein Tyroglyphus, während diese zwar eine grosse Gestaltähnlichkeit mit den Tyroglyphen darbietet, jedoch mit dieser Gattung — wenigstens nach Herıng’s schlechter Abbildung (Jahreshefte des Vereins für vaterländ. Naturkunde in Würtemberg. 2. Jahrg. 1847 p. 122) — durchaus nicht vereinigt werden darf, da jeder Fuss mit einem langgestielten Arolium ver- sehen erscheint, Dieses Merkmal ist bekanntlich den ächten Tyroglyphen durchaus fremd. Studien an Acariden, 497 paarig. Diesen Saugnapf vermisse ich übrigens bei allen Jugendzu- ständen der Art. Das Endglied der Füsse — sogenannter Tarsus der Autoren — ist sehr kurz (Taf. XXXV. Fig. 13) und ausser den Haaren mit einigen kräftigen conischen Zähnen bewaffnet. Am Vorderfusse ist dieses Endglied, wie bei vielen anderen Tyroglyphen, mit einem eigen- thümlichen, dicken, blassen, kurzen, cylindrischen, auf flacher Warze sitzendem Haargebilde versehen, nur trägt hier diese Warze zwei solche Haargebilde (Fig. 13 a) ein grösseres und ein kleineres neben einander. Beide gehen den anderen Fusspaaren ab. Am Leibe sind die Haare verhältnissmässig kurz, namentlich sind ihrer hinten eigentlich nur zwei an beiden Seiten des hinteren Theiles der Afterspalte be- sonders entwickelt. Andere Haare sind an den Seiten der Afterspalte überhaupt nicht zu sehen. Die Vulva bietet nichts besonderes dar. Ihre Länge ist sehr wechselnd, die Stellung aber der beiden Haare an jeder Schamlippe eine sehr bestimmte. Durch die geschlossenen Schamlippen bemerkt man wie bei anderen Tyroglyphen, einen tiefer liegenden Kranz von Falten (Fig. 9 b), durch welche die Lage der Scheide angedeutet wird. Das Hervorstülpen der letzteren zu beobachten, gelang mir mehrmals, wobei die unerwarteten Dimensionen derselben mich in Erstaunen ver- setzten. Bei dieser Erscheinung klaffen die Schamlippen (Fig. 9 a) stark _ auseinander und der gewaltige Scheidenceylinder mit seinem Strahlen- kranze von Falten drängt sich hervor (Fig. 10).!) Die verhältnissmässig geringe Länge der zugleich ausgestülpten Saugnäpfe (b, b) an beiden Seiten, lässt kaum begreifen, wie diese Organe die Bauchfläche des Männchens bei der Copulation erreichen können. Es ist aber dabei nicht zu vergessen, dass sich die entsprechenden Saugnäpfe des Männchens während der Begattung ebenfalls stark hervorstülpen. Die Excretionstaschen (Fig. 1 ex) liegen an beiden Seiten des Ab- domens und die Mündung ihres Ausführungsganges ist mit einem ver- diekten braunen Ringe der Guticula umgeben (Fig. 11 c). Unter dem - Namen von Excretionstaschen verstehe ich nämlich ein Paar taschen- förmige Organe, die ich bei keiner Species von Tyroglyphen, Glyci- phagen und verwandter Gattungen, überhaupt bei keinem ächten -_ Sarcoptiden vermisse, und die bisher übersehen oder vielmehr falsch aufgefasst wurden. Es können nämlich diese Organe dem Beobachter _ durchaus nicht entgehen, indem sie sich bei den meisten Arten, so z.B. bei der Käsemilbe, als zwei grosse, stark lichtbrechende, ölartige Tropfen A) Ich hoffe, dass diese sehr naturgetreue Abbildung Prof. PAGENSTECHER über- zeugen wird, dass die sogenannte Vulva der Tyroglyphen diesen Namen wirklich verdient, 498 Prof, Edouard Claparede, ausnehmen. Dieses Aussehen rührt vom zähen Secrete (Taf. XXXV. Fig. 11b) desOrgans her, welches stets von einer Membran eingeschlossen ist. Bald ist diese Membran (Fig. 44 c) zart und farblos, wie bei der uns jetzt beschäftigenden Milbe, so dass sie leicht übersehen wird, bald aber ist sie kapselartig verdickt und braun gefärbt. Ich kenne übrigens Arten, bei welchen sowohl Membran wie eingeschlossenes Secret farblos und sehr schwach lichtbrechend sind. Die meisten Schriftsteller scheinen kein besonderes Gewicht auf diese Organe gelegt zu haben, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach für blosse Fettansammlungen hielten. Dass aber die so deutliche Ausmündung des Ausführungs- ganges so ausgezeichneten Beobachtern wie Rosın und FumouzE ent- gehen konnte, ist allerdings wunderbar. Verschiedene Beobachter haben diese Excretionsorgane für einen Respirationsapparat gehalten, so Turrın!) und in neuerer Zeit FürstEngErG?) und PAGENSTECHER?). Ein solcher Irrthum ist kaum begreiflich. Die ächten Sarcoptiden be- sitzen niemals Athmungswerkzeuge. Es haben sich viele ausgezeich- nete Beobachter mit den Krätzmilben abgegeben, ohne des Respirations- systems zu gedenken, eine scheinbare Lücke, welche FÜRSTENBERG nicht aufgefallen zu sein scheint, als er selbst zur Beschreibung der Athmungswerkzeuge der Sarcoptiden schritt. Er beschreibt nämlich sogenannte Luftsäcke ausführlich, welche nichts anders sind, als die hier gemeinten Excretionstaschen. Es werden übrigens dieselben ebenfalls von KüchenmEister bei Sarcopten als Respirationspuncte be- zeichnet. Was FürstenserG aber über das Ein- und Austreten von Luft erzählt, ist mir unbegreiflich, da ich bei keiner Species Luft in diese Organe eintreten sah. Der stark lichtbrechende Inhalt derselben, der sich leicht herausdrücken lässt, ist nämlich keine Luft, sondern ein Tropfen einer zähen fettartig glänzenden Substanz, die Rosın bereits sehr richtig als eine Flüssigkeit bezeichnet hat. Auch PAGENSTECHER fasst irrthümlich bei Tyroglyphus Siro die Excretionsorgane als »Luftstigmen« auf. Die Deutung dieser Organe als drüsige Excretions- taschen scheint mir einer Rechtfertigung kaum zu bedürfen, und zwar 1) Wenigstens vermuthe ich, dass Turrın (Comptes rendus de l’Academie des Sciences de Paris. Tome V, 1837 p. 672) diese Organe im Sinne hat, wenn er den Acariden »deux poches pulmonaires laterales« zuschreibt. Indessen wurden gerade diese Excretionstaschen bei der die Turrın'sche Abhandlung begleitenden Zeich- nung eines Glyciphagus (Acarus horridus Turrın) ganz ausser Acht ge- lassen. 3) Die Krätzmilben der Menschen und Thiere von M. H. F. FÜRSTENBERG. Leipzig 1864. p. 192. 3) Einiges zur Anatomie von Tyroglyphus Siro von Dr. H. A. PAGen- . STECHER. Diese Zeitschr. Bd. XI. p. 121. Studien an Acariden. 499 nicht nur wegen des Secrets und der Lage der Ausmündung , sondern auch wegen des vollständigen Mangels eines schlauchförmigen, oft ver- ästelten Excretionsorganes bei diesen Acariden, wie ich es bei den meisten anderen Acaridenfamilien — so bei Gamasiden, Trombididen, Ixodiden — fast regelmässig antrefle. Dieses Excretionsorgan ist zwar bisber von den meisten Beobachtern ebenfalls übersehen oder wohl auch als Fettkörper gedeutet worden, ist aber nichtsdestoweniger da.) Es ist mir jedenfalls bisher keine Gattung bekannt, bei welcher seitliche, sich direct nach aussen öfinende Exeretionstaschen und schlauchförmige in den Mastdarm mündende Absonderungsschläuche zugleich vorkämen. Dagegen finde ich bei jeder Milbe entweder den einen oder den anderen Apparat entwickelt. Sehr auffallend war es mir, von dieser Milbe stets nur Weibchen zu bekommen. Ich untersuchte hunderte und hunderte von Indi- viduen, ohne dass mir ein einziges Männchen’ in die Hände fiel. Ich neigte daher zur Ansicht, dass ich mit einer parthenogenetischen Art - zu thun hätte. Bei dieser Untersuchung zog ein Hypopus (Taf. XXXV. Fig. 6—8), der stets mit dem Tyroglyphus zusammen vorkam, meine Aufmerksamkeit auf sich, indem ich hoffte, bei dieser Species Düsar- pin’s Angaben zu bestätigen. Niemals aber gelangte ich dazu, .einen in der Verwandlung begriffenen Hypopus zu finden, und die Beziehung dieses Thieres zu einem Gamasus wurde durch keinen Umstand wahrscheinlich gemacht. Drei Jahre lang habe ich Tyroglyphen und Hypopus auf Hyacinthenzwiebeln in meinem Arbeitszimmer gezogen, ohne dass jemals ein einziger Gamasus unter denselben auftrat. Niehtsdestoweniger waren die Hypopus einer besonderen Auf- merksamkeit werth schon deswegen, weil sie zu tausenden und zwar alle von gleicher Grösse vorhanden waren. Jugendzustände oder in der Verwandlung begriffene Individuen waren nicht aufzufinden. Ge- - schlechtsunterschiede konnte ich nicht wahrnehmen, indem alle Exem- plare einander durchaus gleich erschienen. Ausserdem war es bei keinem Individuum möglich, Eier ausfindig zu machen. Die Vermeh- rungsweise des Hypopus erschien mithin höchst räthselhaft, um so mehr als keine Möglichkeit des Wachsthums bei der äussersten Starrheit des 1) Bei Halarachne halichoeri, einer den Gamasiden nahe verwandten Gattung beschreibt jedoch Aııman einen in das Rectum jederseits mündenden ' Canal, der aus dem ersten Fusspaar hervorkommt und eine weisse undurchsichtige Substanz (Harnsäure) enthält. (Cf. Annals and Mag. of nat. History. Vol. XX. 1847, p. 47. Taf. II und III). Diese Beschreibung halte ich für sehr richtig, da ich das Excretionsorgan bei allen Gamasiden und vielen anderen Milben ganz ebenso gebildet fand. Typisch aber sendet das Excretionsorgan einen Ast in jeden Fuss hinein. Diesen Apparat hat bereits Leynıe gekannt. (S. den Nachtrag), 900 Prof, Edouard Claparede, Hautpanzers ohne vorherige Häutung denkbar schien. Die Annahme drängte sich mir immer mehr auf, dass die Jugendzustände des Hy- popus unter ganz anderer Gestalt zu suchen seien. Ich fühlte mich geneigter, einem bis jetzt unterschätzten Umstande eine grössere Auf- merksamkeit zu schenken, demjenigen nämlich, dass sehr oft Hypopus- exemplare auf dem Rücken der weit grösseren Tyroglyphen sitzend gefunden werden, und zwar so, dass sie vermittelst ihrer Saugnäpfe förmlich angesaugt sind. Es schien mir am gerathensten, die Entwickelung des Tyroglyphus ‘zu verfolgen, da dessen successive den ausgebildeten Weibchen von vorn herein durchaus ähnliche Jugendzustände sehr leicht in grosser Menge zu beschaffen waren. Nun löste sich das Räthsel sehr bald auf. Ich fand nämlich die sechsfüssigen Larven und beobachtete in den- selben die Entwickelung der zweiten achtfüssigen Larve. Ich verfolgte diese zweite Larvenform, und war Zeuge der Bildung von reifen Weib- chen in manchen derselben, in anderen dagegen von Hypopusindividuen. Es konnte kein Zweifel mehr obwalten, der Hypopus gehört zum Entwickelungscyclus von Tyroglyphus. Fassen wir nun den ganzen Entwickelungsvorgang näher ins Auge, damit kein Zweifel über die Richtigkeit meiner Deutung ob- walten möge. | Aus den Eiern des Tyroglyphus kommt eine sechsfüssige Larve hervor, welche mit dem entsprechenden Entwickelungsstadium der Käsemilbe die grösste Aehnlichkeit hat. An derselben sind die Grenzen der drei Thoracalsegmente durch zwei Ringfurchen angedeutet. Alle Haare sind verhältnissmässig kurz, die Füsse carunkellos, jede Spur von Generationsöffnung fehlt. Dicht vor den Epimeren des zweiten Fussgliedes sitzt der hin- und herpendelnde Bruststiel, den ich beim sechsfüssigen Stadium keiner Tyroglyphus- und Glyciphagusart, über- haupt bei keiner eigentlichen Acaride (Sarcoptiden nicht mit inbegriffen), vermisse. In jeder anderen Beziehung ist die Aehnlichkeit mit dem reifen Tyroglyphus weibchen sehr gross. Bei bevorstehender Verwandlung ziehen sich die weichen Fuss- und Rüsselbeine aus ihren Chitinscheiden und werden als dicke haar- und fortsatzlose Klumpen an den Leib angezogen. An dem weichen, conischen Rüssel ist namentlich jede Spur von Lippe, Tastern und Man- dibeln verschwunden. Nun wachsen die Gliedmassen und Rüsseltheile unter dem Schutze der Larvenhaut allmählich wieder hervor, die Haare bilden sich wieder, kurz alle bei der Käsemilbe beschriebenen Vor- gänge wiederholen sich auf gleiche Weise, bis die achtfüssige zweite Larvenform (Taf. XXXV. Fig. 2und 3) hervorkriecht. Die Aehnlichkeit Studien an Acariden. 501 derselben (Nymphenstadium von Dusarpın, Rosın u. A.) mit dem ausgebildeten Weibchen ist noch grösser als bei der ersten Larvenform. Die Vertheilung der Haare ist nämlich dieselbe, und selbst die Ge- schlechtsöffnung ist vorhanden. Die Bruststiele sind verschwunden. Die beiden einzigen Unterschiede von den reifen Individuen sind zuerst der Mangel des Saugnapfes hinter der Afterspalte, dann die Anwesen- heit von nur einem, nicht von zwei Saugnäpfen (Taf. XXXV. Fig. 3a) jederseits der Geschlechtsöffnung. Dieses Merkmal ist für dieses Sta- dium höchst charakteristisch, so dass ich dasselbe gern als zweinäpfiges Stadium bezeichnen möchte. Die beiden Saugnäpfe stehen niemals in gleicher Höhe, sondern der linke ist regelmässig mehr nach vorn gelegen, als der rechte. Die Einleitung in die weitere Metamorphose geschieht bei dieser zwei- näpfigen Larve auf ganz gewöhnliche Weise, so dass bei allen Individuen die Weichtheile sich zu einem Klumpen mit knollenartigen Gliedmaassen zusammenziehen. Nach und nach wachsen hei einigen Exemplaren alle Gliedmaassen, Rüsseltheile und Haare wieder hervor, so dass ein viernäpfiges Weibchen in der zweinäpfigen Larvenhülle erscheint. Das Thier ist jedoch keineswegs vollkommen reif, indem die Geschlechts- öffnung trotz der Anwesenheit der vier Näpfe eine kurze Längsspalte ohne die charakteristischen Schamlippen und ohne Scheidencylinder darstellt. Erst nach der folgenden Häutung sind die Geschlechtstheile wirklich reif. Bei anderen achtfüssigen Larven aber nehmen die Weich- theile bei dem Vorgange der Metamorphose eine ganz andere Gestalt an. Das eingeschlossene Thier (Fig. 4 und 5) wird schildkrötenartig mit Rücken- und Bauchschild, die beiden hinteren Fusspaare rücken sehr weit nach hinten, alle Gliedmaassen bleiben kurz und dick, der Rüssel erscheint ganz verkümmert und wird von dem plattenartig ausgezogenen Vorderrande des Rückens überragt; am Hintertheile endlich treten viele Saugnäpfe auf. Viel auffälliger als durch diese abweichende Gestalt wird später das eingeschlossene Thier durch seine nach und nach dunkler werdende Färbung. Die Weibchen sind ganz farblos, mit Ausnahme der rostfarbigen Epimeren und Rüsseltheile. Der in der zweinäpfigen Larvenhaut eingeschlossene Hypopus nimmt aber einen zuerst rosafarbigen Schimmer an, der sehr bald ins Rosenrothe oder gar Braunrothe übergeht. Die Unähnlichkeit des eingeschlossenen Hy- popus und der einschliessenden zweinäpfigen Larvenhülle fällt dem- nach sofort ins Auge. Nun tritt der Hypopus aus seiner Larvenhülle heraus, und seine Grösse bleibt von nun an unverändert, während das reife Weibchen noch lange Zeit an Volumen zunimmt. Dass der Hypopus ein dem reifen 502 Prof. Edonard Claparede, Tyroglyphusweibchen zu parallelisirendes Stadium einer und derselben Species darstellt, ist nicht mehr zu bezweifeln, und dass dieses Stadium als reifes Männchen zu betrachten ist, scheint kaum beanstandet wer- den zu können. Freilich sind mir die Hoden dieses Thieres unbekannt geblieben. Die relative Undurchsichtigkeit, die Starrheit und Härte des Chitinpanzers bereiten der Beobachtung bei Untersuchung der inneren Theile schwer zu überwindende Hindernisse, um so mehr, als wir kein sicheres Kriterium zur Erkenntniss der Zoospermien besitzen, welche bei den meisten, vielleicht bei allen Acariden als einfache, durch nichts ausgezeichnete Zellen auftreten. Wenn man aber das Erscheinen innerhalb einer Tyroglyphuslarve, die aufhörende Entwickelung, das nicht weiter fortgesetzte Wachsthum, die niemals vorkommende Her- vorbringung von Eiern , kurz, alle erwähnten Umstände erwägt, so ist an der Männchennatur des Hypopus keinen Augenblick zu zweifeln. Wir wollen uns nun zu einer näheren Betrachtung des Hypopus selbst wenden, namentlich um die Merkmale hervorzuheben , welche zur Unterscheidung von verwandten Species dienen dürften. Des Hypopus Rücken isf stark convex (Taf. XXXV. Fig. 6 u. 7), sein Bauch (Fig. 8) dagegen ganz flach. Die Chitinhaut ist zu einem dicken Panzer erstarrt, in welchem man daher einen gewölbten Rücken- (a) und flachen Bauchschild (b) unterscheiden kann. Beide Schilder sind übrigens von einander nicht getrennt, sondern gehen am scharfen Leibesrande in einander über. Ein breites, längsgestreistes Ghitinband (Fig. 8 d) läuft rund um das Thier herum und vermittelt den Uebergang von dem einen Schilde zum anderen. Dieses Band ist auch kein für sich bestehendes Gebilde, sondern nur der verdünnte und streifig gewordene Rand des Bauchschildes. Wenn man durch Druck den Panzer in Stücke bricht, so bleiben die Theile des streifigen Bandes an den entsprechenden Bruchstücken des Bauchschildes hängen. Die Contour des Thieres ist oval, mit etwas spitz ausgezogenem Vorderende. Dieses ausgezogene Vorderende ist zugleich sehr zu- sammengedrückt, so dass hier Bauch- und Rückenschild sich beinahe berühren, und eine einzige Platte (Fig. 6 und 7) mit fast vollständigem Schwunde der Leibeshöhle darstellen, eine Platte, die man vielleicht am besten als. Vorderschild bezeichnen kann. Die Grenze zwischen Vorderschild und eigentlichem Rückenschilde wird durch eine tiefe Furche gebildet, hinter welcher sich der sich vom Bauche zur Bildung der Leibeshöhle entfernende Rückenschild sehr rasch hervorwölbt. Der hinter der Furche stark ansteigende Theil bildet eine Art gestreiftes, dem gestreiften Saume:des Bauchschildes durchaus gleichendes Quer- band (Fig. 6e). Dieser Saum scheint weicher zu sein, als der übrige Studien an Acariden. 505 Panzer, und durch leichte Faltenhildung eine gewisse Beweglichkeit des Vorderschildes dem Rückenschilde gegenüber zuzulassen. Der Rücken- schild ist durchaus glatt, mit wenigen kurzen Haaren versehen. Auf der Unterseite ist die Grenze zwischen Vorderschild und Bauch- schild durch eine schwache Querlinie kaum angedeutet. Jenem sitzen Rüssel und Vorderfusspaar, diesem die übrigen Füsse auf. Der Rüssel ist zu einer dreieckigen Chitinplatte (Taf. XXXV. Fig. 7und8) reducirt, mit zwei längeren Borsten an der Spitze und zwei kürzeren, auf einem Absatze sitzenden an der Seite. Diese Chitinplatte kann füglich als eine veränderte Lippe angesehen werden, aber ohne jede Spur von Tastern. Sie sitzt in einer Grube des Vorderschildes, welche als das eigentliche Camerostom zu betrachten ist. Von Mandibeln ist durchaus nichts, gar nicht einmal ein verkümmertes Chitinstück zu schen. In der Seiten- ansicht (Fig. 7) sieht man am besten, wie sich die Lippe als dünne Platte erhebt und vom Rande des Vorderschildes überragt wird, wel- cher die Rolle des Epistoms übernimmt und wirklich ein Borstenpaar, wie das Epistom der meisten Acariden trägt. Ebenso wenig wie Du- JARDIN vermochte ich eine Mundöffnung wahrzunehmen, obschon ich deren Abwesenheit nicht als vollkommen abgemacht betrachte. Eine winzige Oeffnung im Grunde des Camerostoms unter der wenig durch- sichtigen Lippe dürfte sich immerhin dem Auge leicht entziehen. Die Epimeren (Fig. 8 ep) des vorderen Fusspaares sind zu einem unpaarigen Dreieck mit langer, nach hinten ausgezogener Spitze zu- sammengeschmolzen. Die anderen Epimeren bleiben von einander ge- sondert, wenn sie auch, namentlich die hintersten,, bis zur Mittellinie reichen. Die beiden ersten Fusspaare sind viergliederig (Fig. 12) und sowohl am Basal- wie am vorletzten Gliede mit einer langen Borste ver- sehen. Andere kurze Haare sowohl, wie dicke, conische Dornen kommen an den verschiedenen Gliedern vor. Das Endglied .endigt mit einer schwachgebogenen Kralle und einem kleinen, sehr langgestielten Saugnapfe (Fig. 12 a). Die beiden hinteren Fusspaare sind dadurch anscheinend fünf- oder gar sechsgliederig geworden, dass sich einer- seits ein Theil des Epimers als besonderes Stück abgelöst hat, und andererseits das Endglied durch eine Quertheilung in zwei Stücke zerfallen ist. Dieses Endglied endigt hier einfach mit einer Kralle, der langgestielte Saugnapf fehlt durchaus. Zwischen den Epimeren des hinteren Fusspaares : zwei Chitin- platten vom Bauchschilde als besondere Stücke abgelöst. Das sind — wie die Vergleichung mit anderen Acariden lehrt — offenbar die Ge- nitalplatten (Fig. 8 9). Sie grenzen in der Mittellinie an einander, nur eine feine Genitalspalte zwischen. sich lassend. Diese Spaltöffnung ist 504 Prof, Edonard Claparede, mit einem verdickten Rande versehen, an dessen Seite rechts und links ein kleiner Saugnapf sitzt. Es gelang mir niemals, das Klaffen der Genitalplatten wahrzunehmen. Gleich hinter den Genitalplatten befindet sich ein elliptischer, mit acht Saugnäpfen und vier Gruben versehener Hof, der unstreitig der Aftergegend anderer Acariden entspricht. Es erscheint auch wirklich ein feiner Längsstreif in der Mittellinie des Hofes, ob aber derselbe als wirkliche Afterspalte oder nur als rudimentäre Spur derselben zu be- trachten ist, steht dahin. Vermittelst dieser Saugnäpfe heftet sich der Hypopus an fremde Gegenstände. Hinter dem Hofe ragen drei Fort- sätze, zwei seitliche und ein unpaariger über die Bauchfläche hervor. Die seitlichen sind eylindrisch, an der Basis mit einem Zahne versehen. Der mittlere Fortsatz ist verhältnissmässig kürzer, breiter und an der Spitze ausgeschweift. Ueber die inneren Organisationsverhältnisse habe ich nur wenig zu melden. Der grösste Theil der Leibeshöhle wird durch ein körner- reiches Organ eingenommen, welches mit der sogenannten Leber der anderen Acariden die grösste Aehnlichkeit hat und derselben offenbar entspricht. Vorn zieht sich dasselbe in zwei Seitenlappen aus, zwischen denen ein hellerer Raum zurückbleibt. In diesem Raume eine Speise- röhre oder ein Nervensystem zu entdecken, das wollte mir niemals glücken. Wenn ein eigentlicher Verdauungsapparat dem Hypopus ab- geht — wie dies wirklich der Fall zu sein scheint — dann muss dieses Organ als eine Art Fettkörper angesehen werden. Noch sind die Ex- cretionstaschen (ex) zu erwähnen, welche an beiden Seiten wie bei den Weibchen vorkommen. Nachdem die Lebensgeschichte unseres Hypopus uns in ihren Hauptzügen klar geworden ist, so drängt sich .die Frage unwillkürlich auf, ob’auch allen anderen Hypopusarten ein ähnlicher Lebenslauf und eine ähnliche Beziehung zu Tyroglyphen zukommt. Eine bejahende Antwort hätte für mich nichts Unwahrscheinliches, wenn auch die meisten bisher beschriebenen Hypopusarten auf Inseeten schmarotzen, also unter Bedingungen, wo das Vorkommen von Tyroglyphen nicht von vorn herein wahrscheinlich erscheint. Möglich auch, dass eine ganze Reihe von verwandten Gattungen Hypopusmännchen besitzen können. Dabei ist nicht zu vergessen, dass FürstenBerc unter dem Namen Homopus elephantis eine auf Elephas schmarotzende Milbe beschrieben hat!) , die man unbedingt zu Hypopus zählen würde, wenn nicht der Verfasser diesem Parasiten ein Paar winzige Scheeren- 4) Die Krätzmilben der Menschen und Thiere von M. H. F. FÜRSTENBERG, Leipzig 4861. p. 223. Taf. VII. Fig. 80 und 81. s Studien an Acariden. 505 mandibeln zuschriebe. Leider sind weder Beschreibung noch Zeichnung derart, dass sie mir jeden Zweifel an der Anwesenheit fraglicher Man- _dibeln benehmen. ‘) Falls sich aber die Angabe als richtig erweisen sollte, so hätten wir in den Hypopusarten nur verkümmerte Homopus- formen. Es wäre dann sehr wahrscheinlich, dass die Homopusarten tyroglyphenähnliche Stadien während ihrer Entwickelung durchlaufen, FÜRSTENBERG bemerkt jedoch, er habe bei seinen Homopus keine Eier— stöcke finden können, so dass diese Thiere unreife Formen darstellen möchten ; für mich aber ist es ein Grund zu vermuthen, er habe wahre Hypopiden — also nur Männchen — unter den Augen gehabt. Wie sind nun unsere Thiere im System zu benennen? Sollen sie mit der Gattung Tyroglyphus vereinigt werden oder davon getrennt bleiben ??) Am besten, so scheint es mir, wird man diejenigen Arten von den ächten Tyroglyphen trennen, deren Männchen die Hypopus- form annehmen. Für diese Gattung mag vorläufig der Name Hypopus beibehalten werden, der mir ganz passend scheint, so lange nicht be- wiesen worden, dass generisch verschiedene Weibchen Hypopusformen ' als Männchenform haben. Die oben untersuchte Art möge Hypopus Dujardinii heissen. Es ist nämlich dieselbe offenbar eine neue Art, welche zwar mit dem auf Hummeln schmarotzenden H. laevis Dus. die grösste Aehnlichkeit besitzt, von demselben aber durch die Zahl und Vertheilung der Saugnäpfe abweicht. Zum Beweis, dass noch andere Hypopusformen nicht nothwendig darauf angewiesen sind, ein Schmarotzerieben zu führen , so lasse ich 4) Es ist übrigens sehr auffallend, dass in FÜRSTENBERG’S sonst so sorgfältigem Werke in Bezug auf die Mandibeln sehr seltsame Irrthümer aufgenommen wurden, So beschreibt und zeichnet dieser Schriftsteller bei manchen Sarcopten — so z. B. _ Sarcoptesscabiei, S. minor, S. caprae etc. — die Mandibeln als zwei Paar Scheeren, eine Ansicht die bereits früher von Boursvienon und DELAFOND ver- treten wurde. Damit wäre demnach gesagt, dass diese Milben ein Gliedmaassen- paar mehr als die übrigen Acariden besitzen würden, eine gar auffallende Ab- weichung, welche vom Gesichtspuncte der vergleichenden Anatomie aus nicht leicht zu erklären wäre. FÜRSTENBERG Scheint an dieser Anomalie keinen Anstoss zu nehmen, und nicht einmal zu ahnen, dass seine Darstellung etwas höchst uner- wartetes und auffallendes enthält. Meiner Ansicht nach wurde FÜRSTENBERG, wie BoURGUIGNON und DELAFOND durch eine Täuschung irre geleitet, indem er einige In- dividuen bei bevorstehender Häutung queischte und das normale sich innerhalb ‚ der alten Mandibeln wiedererzeugende Mandibelpaar als ein zweites Mandibelpaar | ansah. 2) Das war also ein glücklicher Griff von GERvAIs (WALKENAER’S Insectes Apleres Tome III. p. 260), als dieser Forscher bereits im Jahre 1844 die Hypopen als Untergattung der Gattung Tyroglyphus unterordnete. Einen zureichenden Grund für eine solche Annahme konnte man freilich damals kaum einsehen. hu 506 Prof, Edonard Clapartde, die Abbildung einer anderen sehr kleinen Art folgen (Taf. XXXV. Fig. 6), die ich überall in Gesellschaft des H. Dujardinii, nur viel seltener antraf. Diese zweite Art, welche H. Dugesii heissen mag, hat übrigens die grösste Aehnlichkeit mit dem H. filieum Dus., einer ebenfalls kein Schmarotzerleben führenden Art. Ich hätte sogar beide Formen, trotz einer kleinen Verschiedenheit in der Lage der Saugnäpfe, unbedingt mit einander vereinigt, wenn nicht H. Dugesii am vor- deren sehr eigenthümlich gestalteten Fusspaare einen sehr deutlichen, langgestielten Saugnapf trüge. Nach den sehr sorgfältigen Zeichnungen von DusAarpın zu urtheilen, hätte ihm ein so auflälliges Kennzeichen nicht entgehen können. Nun möchte ich mir noch einige Bemerkungen für diejenigen erlauben, die obige Resultate einer Nachprüfung unterziehen werden. Es können nämlich sehr leicht Verwechselungen stattfinden, welche, so lange man deren Möglichkeit nicht ahnt, den Gang der Untersuchung hemmen. Mit H. Dujardinii zusammen fand ich regelmässig, wenn auch vereinzelt, auf Kartoffel- und Georginenknollen einen anderen tyroglyphenähnlichen Acarus, dessen Entwickelungsstadien sehr leicht mit denjenigen des Hypopus verwechselt werden. Der beste Schutz gegen solche Verwechselung ist eine sehr genaue Kenntniss der frag- lichen Milbe. Ich theile deswegen eine genaue Abbildung sowohl des Männchens (Taf. XXXVII. Fig. 8), wie des Weibchens (Fig. 9) mit. Diese Milbe glaube ich als besondere Gattung von den eigentlichen Tyroglyphen trennen zu dürfen. Sie unterscheidet sich nämlich von denselben durch zwei sehr augenfällige Kennzeichen. Zuerst kommen die beiden rechts und links der Afterspalte sitzenden grossen Saug- näpfe beiden Geschlechtern zu, während sie bei den ächten Tyro- glyphen das männliche Geschlecht allein auszeichnen. Ausserdem ist beim Weibchen (Fig. 9) das dritte Fusspaar ganz eigenthümlich umge- I wandelt und stellt ungemein dicke, bei der Begattung wahrscheinlich F eine Rolle übernehmende Greiffüsse dar. Durch diese übermässige |] Entwickelung des dritten Fusspaares wird das vierte viel weiter nach hinten zurückgedrängt als bei den Tyroglyphen. Dasselbe gilt von der Scheide. Diese neue Gattung führe ich in das System unter dem Namen | Rhizoglyphus. Die Species möchte ich dem Zoologen widmen, welcher die Tyroglyphen bisher am genauesten untersucht hat. Sie mag also R. Robini heissen. Als specifische Kennzeichen dieser Art I kann ich die ausgezeichnete Dicke der Dornen am Vorderfuss, am # Endgliede der Füsse das Vorhandensein einer eigenthümlichen Borste, welche bei starker Vergrösserung als lanzenförmig verbreitert erscheint 7 (Fig. 41 a), einen dreieckigen platten, besonders beim Männchen ent- Studien an Acariden. 507 wickelten Anhang an den Saugnäpfen neben dem After und die Ver- theilung der Haare, besonders anführen. Ausserdem ist noch die ausserordentliche Entwickelung der Epidemen an den Epimeren her- vorzuheben,, namentlich am dritten Fusspaare des Weibchens, wo das Epidem zackig ausgeschnitten ist. Auch ist die Gestalt des Begattungs- gliedes (Taf. XNXXVIM. Fig. 10) beim Männchen charakteristisch. Zum Schlusse will ich noch bemerken, dass Scurank eine Milbe unter dem Namen Acarus Acarorum beschrieb!), welche auf Acarus crassipes Linn. schmarotzen soll. Nach der sehr kurzen Diagnose könnte es sich sehr wohl um einen Hypopus handeln, ein Gedanke, der sofort bei mir aufstieg, weil die Hypopusmännchen auf ihren Weibchen sehr gerne herumklettern. Wenn Scurank als Acarus erassipes dieselbe Milbe bezeichnet, wie Linn£, so ist dieselbe ein Gamasus und die Frage der Verwandtschaft mancher Hypopus mit den Gamasiden tritt wieder in den Vordergrund. Die Identität beider Milben ist aber durchaus nicht ausgemacht und ich muss bemerken, dass ich auf dem bei Genf durchaus nicht selten vorkommenden Gamasus erassipes noch nie Hypopusformen fand. 5. Zur Entwickelungsgeschichte der Hoplophoren. Die Gattung Hoplophora Kocn wurde von ihrem Entdecker unter seine Käfermilben Garabodiden untergebracht, eine Familie, welche mit den Oribatiden anderer Schriftsteller, wie Dusks, NicoLrr u. A. zusammenfällt. Mit der natürlichen Stellung dieser Familie im System haben sich wenige Zoologen beschäftigt. In den neuesten Handbüchern, wie denjenigen von GERSTÄCKER und CLaus, werden sowohl Gamasiden wie Ixodiden zwischen Oribatiden und eigentliche Acariden oder Sar- coptiden eingeschoben. Aus älteren Werken ist hierüber nur wenig zu lernen. Gervaıs zählt die verschiedenen Acaridengattungen in der fol- genden Reihenfolge auf: Bdella, Trombidium, Hydrachna, Gamasus, Ixodes, Tyroglyphus, Oribata. Ob er aber diese Reihenfolge für eine vollkommen naturgemässe hält, steht dahin. Jedenfalls scheint sie mir vor der eben erwähnten den Vorzug zu ver- ' dienen. Es ist daher interessant, nachzuweisen, wie es hier geschehen soll, dass manche Oribatiden einen acarusähnlichen Zustand in der Jugend durchlaufen , eine Erscheinung, welche sowohl den Gamasiden wie den Ixodiden durchaus fremd ist, so dass wir mit Gervaıs die Ori- batiden als die nächsten Verwandten der Acariden unmittelbar neben 4) Enumeratio insectorum Austriae. Augustae Vindelicorum 1781. p. 52%, 508 Prof. Edonard Glaparede, denselben im System anzuführen haben. Allerdings könnte man mir sofort einwenden, dass Oribatiden luftröhrenführende Milben sind, während die Acariden der besonderen Athmungsorgane ermangeln. Darauf könnte ich antworten, dass der An- oder Abwesenheit von Re- spirationswerkzeugen nicht immer, selbst unter den Milben nicht, eine sehr grosse Wichtigkeit zuzuschreiben ist, indem z. B. unter den Hydrachniden Arten mit und ohne Luftröhren neben einander vor- kommen. Für die Unwesentlichkeit dieses Merkmales in dem uns beschäftigenden Falle spricht aber noch viel deutlicher der Umstand, dass bei der jetzt zu untersuchenden Hoplophora das reife Stadium allein sich des Besitzes von Athmungswerkzeugen erfreut, die jüngeren Stadien aber derselben vollkommen ermangeln. Vor zwei Jahren richtete sich zufällig meine Aufmerksamkeit auf bohrende Acariden, welche in grosser Anzahl in feuchtem , morschem Fichtenholz zu finden waren. Die Bohrgänge zeigten meist eine mit den Holzfasern parallele Richtung. Nur selten mündete ein Gang in den anderen, indem die meisten — auf sehr langen Strecken wenig- stens — vollkommen abgesondert erschienen. Zweierlei Milben kamen im Fichtenholz vor, nämlich ein grösseres, halbdurchsichtiges, weisses, sehr weiches acarusähnliches Wesen (Taf. XXXIV. Fig. 5) und eine kleinere, braune, hartbeschalte, meist kugelig zusammengerollte Form (Taf. XXXIV. Fig. 9 und 10), die sich bald als eine Hoplophora er- gab. Beide Formen fand ich nur selten zusammen, da meist ein ein- ziges Individuum in jedem Bohrgange hauste, so dass an einen gene- tischen Zusammenhang zwischen beiden nicht sofort zu denken war, um so weniger, als nicht die geringste Familienähnlichkeit zwischen denselben zu bestehen schien. Bevor ich zu der Darstellung der entwickelungsgeschichtlichen Be- ziehungen dieser beiden Acaridenformen übergehe, wollen wir dieselben näher in Augenschein nelımen. Ich fange mit der Hoplophora an. Unsere Hoplophora ist mit einem dieken, harten, unbiegsamen, braunen Panzer bedeckt, an dem dreierlei Theile, wie bei anderen Hoplophoren, nämlich Bauch- (Fig. 9 und 10 a!), Rücken- (c) und Vorderschild (b) zu unterscheiden sind. Sowohl Rücken- wie Vorder- schild bestehen aus je einem Stücke. Der Bauchschild dagegen ist aus vier Stücken, nämlich zwei Vorder- (a) oder Genitalplatten und zwei Hinter- oder Afterplatten (a!) zusammengesetzt. Der Rückenschild ist sehr stark gewölbt. Stellt man sich ein Hühnerei vor, dem die Scheitelkuppel schief abgeschnitten und ein Theil der einen Seite weg- gebrochen wurde, so bekommt man ein ungefähres Bild des Rücken- schildes. Die abgeschnittene Kuppel und die weggebrochene Seite der Studien an Acariden. 509 Eischale stellen dann den Vorder- und den Bauchschild vor. Die drei Schilder können sich nämlich so an einander legen, dass die Hoplophora ein eiförmiges, nach allen Seiten nur harte Schildfläche bietendes Ding vorstellt (Fig. 9). Nur die vom Bauchschilde eingenommene Seite des eiförmigen Wesens stört das Bild insofern, als jede von den vier das- selbe zusammensetzenden Platten für sich gewölbt ist, so dass diese Seite eine Längs- und eine Querfurche — die Grenzen der vier Platten — aufweist, ohne der um das Gesammtschild laufenden Furche zu gedenken. Sobald das Thier erschrickt, so nimmt es diese eiförmige Gestalt an. Nach einiger Zeit aber lüftet es langsam den Vorderschild (Fig. 10) und die bisher unter demselben zusammengeschlagenen Füsse strecken sich zwischen den Rändern von Bauch- und Vorderschild behutsam hervor, worauf die Hoplophora anfängt sehr unbehülflich herumzu- kriechen (Fig. 44). Das Lüften des Vorderschildes geschieht derart, . dass sich dasselbe um den Mittelpunct seines an dem Vorderrande des Rückenschildes grenzenden Hinterrandes charniermässig bewegt. Durch diese sonderbare Gestaltung des Panzers erscheinen die vier Fusspaare ganz’ nach vorne gerückt (Fig. 14). Bei gestreckter Stellung des Thieres bilden der Rücken- und Bauchschild einen dem Abdomen allein entsprechenden Kasten, während der viel kleinere, davorliegende vom Vorderschilde beschützte Theil eigentlich der Gephalothorax ist. _ Bei solcher übermässiger Entwickelung des Hinterleibes im Vergleiche zum Vorderleib ist es nicht zu verwundern, dass die Bewegungen des Thieres so unbehülflich erscheinen, und dass der Leib bei so hoch- gewölbtem Rücken leicht nach rechts oder nach links umfällt. An allen Panzerstücken sind die Ränder verdickt, so dass sie unter dem Mikroskope von einem dunkleren Saume umgeben erscheinen. Die Oberfläche ist mit einer feinen, von sehr schmalen Porencanälen herrührenden Punctirung geziert. Feine Härchen stehen ziemlich regel- . mässig über den ganzen Rückenschild zerstreut, einige sind auch auf dem Vorderschilde und auf beiden Seiten der Mittellinie auf dem Bauch- schilde zu finden. Alle Haare stehen auf kleinen von einem breiteren Porencanale durchbohrten Wärzchen. Die unter dem Vorderschilde versteckten Mundtheile bestehen aus einer Maxillarlippe (Fig. 12 und 14 a) mit ausgebildeten Tastern (b), einer Ligula (Fig. 12 c) und den Scheerenmandibeln (Fig. 14 c). Die _ Maxillarlippe besteht aus zwei nur im hinteren Theile zusammen- gewachsenen Hälften, denn vorne klaffen sie stark auseinander, so dass man sie sehr leicht für zwei Maxillen halten könnte. Gerade bei diesen Hoplophoren kann man sich demnach überzeugen, dass die sogenannte Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 33 510 Prof, Edouard Clapartde, Lippe der Acariden aus den zusammengewachsenen Gardinaltheilen der Maxillen entstanden ist, wie dies bereits von Dusts, Dusarpın und Anderen sehr richtig bemerkt worden. Den Namen von Maxillen ver- dient übrigens auch hier diese Lippe vom physiologischen Standpuncte aus durchaus nicht, denn beide Hälften sind — wegen der gegen- seitigen Verwachsung des hinteren Theiles auf der Mittellinie — gegen einander unbeweglich. Die äusseren Seitenränder der Lippe sind sehr verdickt und bilden sogar eine sich über die Lippenfläche erhebende verticale Platte, welche sich in der Seitenansicht (Taf. XXXIV. Fig. 4% a) täuschend wie eine Maxille ausnimmt und zwar um so mehr, als die gegen einander gerichteten Vorderenden der Cardinaltheile bezahnt sind. Wegen dieser Bildung ist die Lippenrinne, in welcher die Man- dibeln hin und her gleiten, sehr flach, obwohl mit erhabenen Seiten- rändern versehen. Die untere Lippenfläche ist durch schiefe, verdickte Linien in vier Felder getheilt, deren jedes wie bei den meisten Acariden ein Haar trägt. Nach hinten und aussen verlängert sich das hintere _ Lippenfeld in einen starken Gelenkfortsatz (Fig. 12 d). Der Taster (Fig. 12 b und 14 b) ist jederseits neben dem äusseren Rande und zwar in einer Grube der oberen Fläche der Maxillarlippe eingelenkt. Er besteht aus fünf Gliedern, deren zweites von unten das dickste und längste ist, während die folgenden allmählich sowohl an Dicke wie an Breite abnehmen. Die beiden Endglieder sind mit Haaren reichlich versehen. Diese Taster sind, wie man sieht, viel länger und beweglicher als diejenigen der Surosptideni Die Ligula ist eine dreieckige, auf der Lippe rubende und über den vorderen Ausschnitt derselben hinausragende Platte, welche aus zwei paarigen, zwei Haare tragenden Stücken zusammengesetzt ist. Welchem Theile der höchst zusammengesetzten Mundtheile der Gama- siden diese Ligula entspricht, ist mir noch nicht klar. Die Mandibeln (Fig. 13) ähneln denjenigen der ächten Acariden oder Sarcoptiden durchaus. Sie bestehen aus nur zwei scheerenarltig - zusammengefügten Gliedern. Das kurze, den beweglichen Scheeren- arm darstellende Endglied ist — wie bei den mit Scheerenmandibeln versehenen Milben überhaupt — das untere. Das Basalglied verlängert sich über die Verbindungsstelle mit dem Endglied hinaus, um den oberen Scheerenarm zu bilden. Die Schneidekante beider Scheeren- arme ist bezahnt. Der obere Rand des Basalgliedes trägt zwei Härchen. Die vier Fusspaare stehen gleich hinter der Lippe eingelenkt und zwar so zusammengedrängt, dass deren rudimentäre Epimeren nicht leicht zu entdecken sind. Jeder Fuss ist fünfgliederig und endigt mit einer einzigen kräftigen Kralle (Taf. XXXIV. Fig. 11). Das Basal- oder a Studien an Acariden. 511 Hüftglied ist kurz und dick, das zweite ist am längsten und cylindrisch gebildet. Die innere Organisation zu ermitteln, fällt wegen der Undurch- siehtigkeit und Brüchigkeit des Panzers ziemlich schwer. Der Darm- canal scheint von demjenigen der verwandten Sarcoptiden nicht abzu- weichen. Der After liegt auf der Mittellinie unter den Afterplatten, welche zum Hinausfördern der Kothballen auseinanderklaffen. Ob der Eierstock einfach oder doppelt ist, wurde mir bisher nicht klar, da ich stets nur einzelne, bereits ziemlich entwickelte Eier traf. Am deut- lichsten wurde mir die}Bildung der Begattungsorgane, die ich bei allen Individuen gleich beschaffen fand. In der Regel ist nichts davon zu sehen, weil der ganze Apparat unter den undurchsichtigen Genital- platten liegt. Nicht selten aber nahm ich den Augenblick wahr, wo beide Platten auseinanderklaflten und sich der gewaltige Gopulations- apparat dazwischen hervordrängte (Taf. XXXVI. Fig. 5). Es besteht an aus dem Begattungsceylinder (@) und den Haftnäpfen (bb!). Letztere erscheinen als weiche, dicke, langgestielte Knöpfe, deren Oberfläche sich napfförmig auszuhöhlen vermag. Im Ganzen scheinen deren sechs vorhanden zu sein, die sich aber selten alle zugleich her- vordrängen. Der Geschlechtseylinder zeigt eine ziemlich verwickelte Structur. Es besteht derselbe aus einer breiten, kurzen, weichen eylindrischen Röhre, aus deren Inneren ein schief abgestutzter, mit einzelnen Haaren ausgerüsteter Kegel herausschaut. Ueber die abge- stutzte Fläche des Kegels hinaus ragt ausserdem noch ein conischer Zapfen. Das Ganze hätte ich von vorn herein viel lieber für ein männ- liches Begattungsglied als für eine Vulva gehalten. Indessen enthielten beinahe alle darauf untersuchten Individuen Eier. Wenn nicht daher die Hoplophoren als Zwitter zu betrachten sind, eine Annahme, zu welcher wir durchaus nicht berechtigt sind, dann muss man den Apparat als Vulva und Scheide deuten. NıcoLrer beschrieb übrigens bereits in seinen prächtigen Untersuchungen über die Oribatiden eine ähnlich gebaute, mit Haaren besetzte Vulva bei der verwandten Gattung Hermannia. Dusarnın deutet bei der Gattung Oribata die beiden Plattenpaare der Bauchfläche auf andere Weise, indem er die hinteren Platten als Legeplatten, und die zwischen den beiden vorderen sich hervor- drängende Röhre als männliches Glied auffasst. Indessen übersieht er dabei den After gänzlich. Ausserdem bringt er keine überzeugende Beweise für seine wenigstens aus dem Grunde unwahrscheinlich er- scheinende Deutung, weil andere hermaphroditische Milben vorläufig ganz unbekannt sind. Diesen Irrthum vermied der treffliche NicoLkr, 33 * 512 Prof. Edouard Claparede, welcher bei allen Oribatiden, und so namentlich bei den Hoplophoren ° die Geschlechtsmündung von der dahinter liegenden Afteröffnung wohl zu unterscheiden wusste. f Sehr wunderbar ist der Athmungsapparat. Die beiden Luft- stigmaten befinden sich an der bei anderen Hoplophoren gewohnten Stelle (Taf. XXXIV. Fig. 9 dund 10 d), nämlich unter dem hinteren Theile des Seitenrandes des Vorderschildes. Sie sind kreisrund mit verdicktem Peritrema (Fig. 45 a) und stehen mit’ je einem eigenthüm- lichen Haare (Fig. 15 5) in Verbindung.- Dieses besteht aus einem allmählich breiter werdenden Schafte, der in ein lanzenförmiges Blatt übergeht. Das ganze Gebilde ist etwa 28 Mmm. lang. Den Schaft hielt ich zuerst für eine Zuleitungsröhre für die Luft. Den inneren Canal konnte ich indessen nicht wahrnehmen. Eine besondere Vorrichtung dient zum Schutze dieses Gebildes beim Zusammenschliessen der Schilder. Der Rand des Rückenschildes erscheint nämlich an der ent- sprechenden Stelle durch einen Ausschnitt seiner inneren Fläche ver- dünnt, so dass sich die lanzenförmige Borste in die dadurch hervor- gebrachte Höhle (Fig. 14 g) zurückziehen kann. Sie liegt hier vor jeder ' etwaigen Verletzung geschützt. Mit den Luftstigmaten hängen keine eigentlichen Tracheen zusammen, und vergebens würde man nach denselben in den verschiedenen Organen suchen. Dagegen gehen von jeder Stigmaöffnung drei kurze, röhrenförmige, nach hinten gerichtete blinde Taschen aus (Fig. 15 c). Nun sind wohl diese mit Luft erfüllten Taschen als rudimentäre Luftröhren zu betrachten, jedoch übertrifft deren Länge kaum den Durchmesser des Stigma selbst. Damit ist der ganze Apparat beschrieben. Er ist so höchst rudimentär, dass ich wohl sagen darf, diese Hoplophora stelle in Bezug auf die Athmungs- werkzeuge eine Mittelstufe zwischen den tracheenführenden Milben und den tracheenlosen Formen dar. Die Aehnlichkeit dieses kleinen Appa- rates mit der sogenannten Lunge einer Lungenspinne ist übrigens nicht zu verkennen. Wie man Tracheenspinnen bereits kannte, so haben wir nun auch Lungenacariden. Nachdem wir die Hoplophora genauer kennen gelernt haben, wollen wir uns zu der anderen in demselben Fichtenholze wohnenden Milbenform (Taf. XXXIV. Fig. 5) wenden.. Dieselbe erreicht im aus- gebildeten Zustande eine viel bedeutendere Grösse, als die Hoplophoren. Sie, zeichnet sich durch die äusserste Weichheit und Farblosigkeit der Tegumente aus. Die Spitze der Mandibeln und der Lippe, so wie auch ein dünner an der Grenze zwischen Epistom und eigentlichem Leibe jederseits als Epidema zum Ansatz von Muskeln dienender Chitinstreifen (ep) sind schwach gelb gefärbt. Die der Leber der anderen Acariden Studien an Acariden, 513 entsprechende Wandung des Darmcanals ist voll fettartiger Tropfen und erscheint dadurch milchweiss. Unter dem Mikroskope nimmt sie sich dagegen bei durchfallendem Licht sehr dunkel aus. Diese Milbe benimmt sich in ihrer ganzen Erscheinung durchaus acarusmässig. Die Abwesenheit jedes Panzers lässt dagegen beim ersten Anblicke keine Aehnlichkeit mit der Hoplophora merken. Der Rücken ist sehr stark gewölbt, so dass der Leib eigentlich höher als breit ist (Taf. XXXIV. Fig. 4). Das Epistom ist sehr lang und könnte beinahe als Kopf betrachtet werden. Dasselbe trägt auf dem Rücken die beiden, fast bei allen Acariden an dieser Stelle vorkommenden Haare. Der Rüssel ist nach unten schief gerichtet und die gewaltigen Scheeren- mandibeln (Fig. 4 a und 6. a) ragen sehr bedeutend über den Epistom- rand hinaus. Beim Vorwärtsschreiten schiebt das Thier die beiden Mandibeln abwechselnd vor- und rückwärts, so dass es dieselben als Stütz- oder gar als Klammerfüsse zu benutzen scheint. Diese Scheerenmandibeln zeichnen sich durch nichts Eigenthüm- liches aus. Sie ähneln denjenigen der Hoplophora in hohem Grade, indem das dicke, den unteren Scheerenarm bildende Endglied viel breiter ist als der den oberen Scheerenarm darstellende Fortsatz des Basalgliedes. Die beiden Haare stehen ebenfalls hier auf dem oberen Mandibelrande. | Am wenigsten acarusähnlich ist unstreitig die Maxillarlippe, welche dagegen in der Bildung sowohl des Cardinaltheiles wie des Tasters eine auffallende Aehnlichkeit mit der Hoplophora darbietet. Diese, wegen der verhältnissmässigen Farblosigkeit und verschiedenen Con- sistenz nicht sogleich hervortretende Uebereinstimmung prägt sich immer schärfer aus, je mehr man seine Aufmerksamkeit auf die blosse Form richtet. In der Fussbildung ist die Aehnlichkeit mit der Hoplophora weniger zu erkennen, indem an den vorderen Fusspaaren das End- glied mit einer stark gebogenen, ganz anders geformten Kralle ver- sehen ist, hinter welcher ausserdem eine zweite schlankere steht (Fig. 3 und 6). Die Füsse stehen in zwei Gruppen zu je zwei Paaren beisammen. i | Der After zeigt sich als eine von zwei linearen Lippen eingefasste Spalte auf einem vorspringenden Pygidium (Fig. 5 a) am äussersten Hinterende der Bauchfläche. Mehrere Härchen stehen beiderseits. Die - Geschlechtsöffnung ist ebenfalls eine Längsspalte auf einer breiten, flachen , hinter dem letzten Fusspaare liegenden Erhöhung. Aus der Oefinung stülpen sich mitunter langgestielte, fernrohrartig einziehbare Näpfe, deren Stiele sich verschiedenartig hin- und herkrümmen. Die 514 Prof, Edouard Claparede, Zahl dieser bei geschlossener Geschlechtsspalte kaum wahrnehmbaren Organe scheint sich auf sechs zu belaufen. Sehr auffallend war es mir, dass selbst unter den grössten Indi- viduen dieser Acarusform kein einziges eierenthaltendes Individuum zu finden war. Die Häufigkeit des Thieres im morschen Fichtenholze und der Umstand, dass Individuen in allen Entwickelungsstadien von der sechsfüssigen Larve an stets zur Hand waren, liess es wahr- scheinlich erscheinen, dass neue Generationen immerfort erschienen. Woher aber diese neuen Generationen kamen, war räthselhaft. Auf der anderen Seite war mir die Beobachtung wichtig, dass Entwickelungs- stadien der Hoplophora niemals vorkamen. Alle Individuen boten genau dieselben Grössenverhältnisse dar, kleine Exemplare waren nicht auf- zutreiben. Die Unmöglichkeit, Männchen der Hoplophora zu finden, war auch zu beherzigen, denn alle Individuen waren in Bezug auf Generationsorgane gleich gebildet und die Meisten enthielten Eier. Meine früheren Beobachtungen bezüglich der Entwickelung des Hypopus führten mich auf die Vermuthung, ob nicht ein genetischer Zusammenhang zwischen der Hoplophora und der Acarusform bestehen möge. Ich suchte demnach sehr eifrig nach einem entscheidenden Sta- dium, wie dasjenige des in einer tyroglyphähnlichen Larve enthaltenen Hypopus es gewesen. Allein das Auftreiben eines solchen Stadiums glückte mir — aus einem weiter zu erwähnenden Grunde — zuerst nicht. Ich wandte mich daher zum Studium der Entwickelung der Eier bei den Hoplophoren. Diese Milben gelten bekanntlich für lebendig- gebärend. Dies ist wenigstens insofern richtig, als der grösste Theil der Entwickelung innerhalb des Mutterthieres vor sich geht. Indessen wird das Ei noch vor der vollständigen Ausbildung der Larve gelegt'). Die innerhalb des Mutterthieres sich entwickelnden Eier sind etwa 0,3 Mm. lang, ovoid mit abgeflachter Bauchseite. Die erste Bildung des Blasto- derms blieb mir unbekannt. Stets fand ich eine die Bauchseite und das Kopfende des Eies bereits einnehmende Embryonalanlage, deren blasse, durchsichtige Farbe gegen die dunkle, undurchsichtige, bei auflallendem Lichte milchweisse Farbe des mit fettähnlichen Tropfen erfüllten Dottegs abstach (Taf. XXXIV. Fig. 5). Die Eihülle war sehr dünn und eigenthümlich gefaltet. Zwei kleine, halbkreisförmige Ver- dickungen dieser Haut zeichneten regelmässig die Schultergegend des Embryo aus (Fig. 4 aund 2 a). An der Embryonalanlage unterschied man bereits bei den in der Entwickelung am meisten fortgeschrittenen Exemplaren sechs Paar vorspringende Wülste. Die beiden vordersten 4) NicoL£et bemerkt bereits sehr richtig, die Oribatiden seien eierlegend, der Embryo schlüpfe aber aus dem gelegten Ei sofort aus. Studien an Acariden. 515 Paare stellen vier kleine, beinahe eben so lange wie breite Erhöhungen dar, und sind offenbar als Mandibeln (Taf. XXXIV. Fig. 2 md) und Maxillen (mx) aufzufassen. Darauf folgen drei Paar conische, quer- gerichtete Fortsätze, die Füsse (P!, P2, P®\. Endlich stellt das hinterste Wulstpaar (pg) zwei neben einander liegende dreieckige Gebilde, die beiden Hälften des Pygidiums dar. Wie gesagt werden die Eier in diesem Zustande gelegt und das Suchen nach den vereinzelten Eiern in den Bohrgängen der Hoplo- phoren ist eine sehr mühsame Sache. Ich kam wohl zur Ueberzeugung, dass aus sehr ähnlichen Eiern sechsfüssige Larven herauskamen, welche die grösste Aehnlichkeit mit der oben beschriebenen Acarusform hatten ; aber, war ich berechtigt, diese Eier mit denjenigen der Hoplophoren sofort zu identificiren? Die Wahrscheinlichkeit war wohl da, eine voll- kommene Gewissheit aber nicht. Interessant war es jedenfalls für mich, dass die sechsfüssigen Larven die nämlichen, eigenthümlichen Bruststiele mit Endkugel besassen , welche mir bereits als gewöhnliche Erscheinung bei den sechsfüssigen Larven der echten Acariden (Tyro- glyphen) nicht aber anderer Milbenfamilien wohlbekannt waren. Auch hier sass der Bruststiel jederseits zwischen dem zweiten und dem dritten Fusse. Endlich schritt ich zu einem entscheidenden Experimente. Ich suchte mir zwanzig Exemplare der räthselhaften Acarusform und legte dieselben auf ein Stück halbverfaultes auf Anwesenheit von etwaigen Milben sehr genau untersuchtes Fichtenholz. Das ganze verschloss ich in einer feuchten Flasche, die drei Wochen lang unberührt blieb. Nach dieser Zeit nahm ich das Holz aus der Flasche heraus. Die Milben ‚waren meist nicht zu sehen. Sie hatten sich eingebohrt und ich musste sie ausgraben. Zu meiner grossen Freude fand ich nur zwölf acarus- ähnliche Individuen , dagegen sieben Hoplophoren. Eine Verwandlung von sieben Stück hatte demnach stattgefunden und ein anderes Indi- viduum wurde vermisst. | Indessen war mir dadurch das Wesen der Verwandlung selbst noch nicht klar geworden. Ich wiederholte daher das Experiment, in- dem ich zugleich eine grössere Anzahl Individuen in Untersuchung zog. 'So kam ich auf die Spur des Verwandlungsstadiums und erkannte bald die Ursache meines früheren fruchtlosen Suchens. Die Kenntniss der Umwandlung des braunen in eine farblose, tyroglyphenähnliche Larve eingeschlossenen Hypopus hatte mich nämlich irre geleitet, indem ieh ebenfalls die braune Hoplophora in der acarusähnlichen Larve zu finden ‚hoffte. Nun aber enisteht in der schwachgefärbten Larve eine voll- kommen farblose Hoplophora, innerhalb welcher der Darmcanal das- 516 Prof, Edouard Glaparede, selbe milchweisse Aussehen noch eine Zeit lang behält wie im Larven- zustande (Taf. XXXIV. Fig. 7). Die werdende Hoplophora entzieht sich demnach sehr leicht dem forschenden Auge. Das noch vollkommen weiche Thier (Fig. 8) verlässt in diesem Zustande die Larvenhaut. Alle Eigenthümlichkeiten der Hoplophora sind bereits an ihm zu erkennen. Die Theile sind aber noch ungemein zart. Das Thier liegt eine Zeit lang ziemlich unbeweglich da. Allmählich verdickt sich der Panzer, der auch fester wird; indessen bleibt er noch immer farblos. Erst später wird er schwach rosafarbig, dann röthlich und endlich ganz braun. i Die Frage war also erledigt. Die acarusähnliche Form und die Hoplophora stehen in einem genetischen Verhältnisse zu einander, und zwar entsteht die Hoplophora in dem bereits achtfüssigen Acarus. Ein sehr wichtiger Punct bleibt aber noch immer zweifelhaft. Bei allen meinen Experimenten haben sich mehrere Acaren, und zwar gerade sehr grosse Individuen nicht verwandelt. — Wie sind diese Individuen zu betrachten? etwa als Männchen? Sehr auffallend ist es jedenfalls, dass ich bis jetzt bei Hoplophoren keinen Geschlechtsunterschied auf- finden konnte, und dass die grosse Mehrzahl der Individuen Eier ent- hält. Ich konnte zwar auch bei der Acarusform keinen Hoden ausfindig machen, aber das Erkennen des Hodens hat, wie gesagt, bei Acariden etwas missliches, insofern als die zellenförmigen Samenelemente nichts Charakteristisches darbieten. Wie dem auch sein möge, so steht das wichtige Factum fest , dass Hoplophoren ein acarusähnliches, panzerloses Stadium durchmachen, welches seine Verwandtschaft zu den echten Acariden nicht nur in der allgemeinen Körpergestalt und Abwesenheit der Athmungsorgane, son- dern auch in der Anwesenheit der so charakteristischen Bruststiele der sechsfüssigen Larve kund giebt. Was die Bezeichnung der von mir untersuchten Species anbetrifft, so halte ich nicht für gerathen, einen neuen Speciesnamen für dieselbe zu bilden. Sie ist zwar mit keiner der Kocw’schen Arten zu identifieiren. Dagegen zeigt sie eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit mit der Hoplophora nitens Nic., welche in Nicorer’s ausgezeichneter Ab- handlung über die Familie der Oribatiden!) beschrieben wird. Leider ist die von diesem Forscher gelieferte Beschreibung sehr kurz gefasst, und die Abbildungen lassen manches zu wünschen übrig. NicoLer’s Species sollte übrigens nicht Hoplophora nitens, sondern Hoplo- 4) Histoire naturelle des Acariens qui se trouvent aux environs de Paris par M. H. NıcoLet. — Archives du museum d’hist. nat. de Paris 4854—1855. Tome VII. p. 384, — Studien an Acariden. 517 phora dasypus heissen, wenn sich des Verfassers Meinung, seine Art sei mit Dusis’ Oribates dasypus identisch, als begründet erweisen sollte. Jedenfalls erkenne ich die von mir beobachtete Art in Perry's Phthiracarus contractilis!), einer gut beschriebenen Species, welche Nıcor£r völlig entging, und deren Namen das Vorrecht der Priorität für sich hat. Perry bildete für dieses Thier die Familie der Phthiracarea, welche eigentlich nur die Gattung Phthiracarus selbst enthält. Ich sehe aber keinen Grund ein, um sie von der Familie der Oribatiden zu trennen. Die Diagnose der Familie, welche auch für die Gattung gelten mag, lautet bei Perry folgendermaassen: »Ein vorne verschmälerter, ziemlich flacher Kopf ist beweglich an der mit dem Hinterleibe verwachsenen Brust eingelenkt. Brust und Bauch sind von einem sehr grossen, ovalen, gewölbten, unten ausgeschnittenen Panzer bedeckt, unter welchen der Kopf eingeschlagen werden kann. Keine ' Augen, Mundtheile zum Saugen gebildet. An der Brust acht sechs- gliederige, gleichgebildete Gangfüsse von !/, der Körperlänge; erstes Glied kurz, zweites am längsten, die übrigen gleich lang, allmählich | dünner, in drei zarte Klauen geendet. Bedeckungen hornig, glatt, glänzend.« er Mit Ausnahme von zwei Kennzeichen, den saugenden Mundtheilen nämlich und den dreigetheilten Klauen kann diese Diagnose für die | Gattung Hoplophora gelten. Diesen beiden Kennzeichen aber vermag ‚ ich keine Wichtigkeit beizulegen. Der Ausdruck saugende Mund- theile?) ist ein sehr unbestimmter und ich denke nicht, dass der Ver- fasser dadurch stechende, nadelförmige Mandibeln habe bezeichnen wollen. Scheerenmandibeln, wie sie bei Hoplophoren vorkommen, ‚ obgleich wirkliche Kauorgane, können dennoch gelegentlich zum ‚ Saugen dienen. Die Klauen sind bei Hoplophoren einfach, bei Phthira- ‚carus giebt sie Perry als dreifach an. In Anbetracht aber der sonst so ' grossen Uebereinstimmung des Phthiracarus contractilis mit ‚ meinen Hoplophoren darf ich wohl annehmen, dieser Forscher habe ‚ sich einen Irrthum zu Schulden kommen lassen. Auf meine Anfrage ‚ sandte mir Prof. Perry seine bereits im Jahre 1830 angefertigten Zeich- ‚ nungen des fraglichen Phthiracarus mit der Erlaubniss, dieselben zu P4 N 4) Allgemeine Naturgeschichte als philosophische und Humanitätswissen- ‚ schaft für Naturforscher, Philosophen und das höher gebildete Publikum. Be- arbeitet von Maxım. Perry. 3. Bd. Bern 4844, p. 874. 2) Dieser Ausdruck ist sogar bei den Acariden so willkürlich angewendet werden, dass er allmählich ganz sinnlos geworden ist. Wie viele Schriftsteller ' sprechen z. B. von saugenden Mundtheilen bei den Sarcopten , während sich diese N Thierchen ihre Gänge in die Haut ganz offenbar hineinnagen. . 5 u 518 Prof, Edouard Claparöde, publieiren. Ich theile dieselben auf Taf. XXXVI. Fig. 15 —19 mit. | Wie man sieht, sind dieselben nur sehr schwach (12 Mal) vergrössert, | und der Fuss (Fig. 19) namentlich nach so kleinem Maassstabe ausge- führt, dass die Kralle als eine dreifache nicht einmal zu erkennen ist. ' Ich vermuthe, dass Perry sich beim Niederschreiben' seines Buches durch die Erinnerung an die verwandte Gattung Eremaeus, bei | welcher die Klauen wirklich dreifach sind, täuschen liess. | Ueber die Identität meinerHoplophora mit dem Phthiracarus | contractilis waltetfür mich kaum ein Zweifel ob, um so mehr als Perry, wie mir derselbe schreibt, seinen Phthiracarus in ganz ähnlichen Verhältnissen traf wie ich meine Hoplophoren, nämlich »meist ganz un- beweglich am Holz sitzend und saugend«. Dem GattungsnamenHoplo- phora gebührt aber jedenfalls das Prioritätsrecht, da Koch denselben in seiner Uebersicht des Arachnidensystems bereits 1837 aufstellte, während Perty’s Diagnose der Gattung Phthiracarus erst in das Jahr‘ 1841 fällt. Zwar bemerkt dieser Schriftsteller {) im Jahre 1855, er habe unsere Milbe bereits1830 unter den Namen Phthiracarus contrac- tilis an entomologische Freunde versendet. Allein es scheint mir kaum diese Versendung als eine Art von Veröffentlichung gelten zu dürfen, und! der übrigens eingebürgerte Name Hoplophora scheint mir beibehalten ) werden zu müssen. Dagegen nehme ich Prrry’s Speciesnamen unbe-- dingt an und bezeichne unsere Hoplophora als Hoplophora con- tractilis (Phthiracarus contractilis Perry; Hoplophoranitens NICOLET). | Zum Schlusse darf ich nicht verschweigen dass uns bereits NICOLET in seinen ausgezeichneten Untersuchungen viele wichtige Mittheilungen über die Entwicklung und die Verwandlungen verschiedener Oribatiden gegeben. Er zog auch eine Hoplophorenart die Hoplophora magna} in den Kreis seiner Untersuchungen und bildete sowohl die Eier, wie die Larven derselben ab. Daraus ersehe ich, dass die Entwickelungs- geschichte der Hoplophora magna eine sehr grosse Aehnlichkeit mit: derjenigen vonHoplophora contractilis haben muss. Nicorer bil-7 det dieLarven in sehr kleinem Maasstabe ab, so dass deren Organisation" nicht einleuchtet: Sie scheinen zwar eine grössere Aehnlichkeit mit! dem ausgebildeten Thiere zu besitzen als es bei H. contractilis deıl Fall ist, indessen ist die Acarusgestalt auch nicht ganz zu verkennen.l Sehr befremdend war für mich Nıcorrr’s Aeusserung, dass die Hoplo-! phoren — eine einzige Ausnahme unter den Oribatiden — als achtfüs- | 4) Specielle Zoologie (aus Acassız, GouLp und M. Perry’s Zoologie mit beson:! derer Rücksicht auf den'Bau, die Entwickelung u. s. w. der noch lebenden un«) der urweltlichen Thierformen). Stuttgart 1855. p. 404. El Studien an Acariden. 519 sige Larven aus dem Ei hervorkriechen. Dies gilt für H. contractilis jedenfalls nicht, da die Larven derselben vor der ersten Häutung sechs- füssig sind; ausserdem besitzen sie die eigenthümlichen Bruststiele, welche den sechsfüssigen Larven allein der Tyroglyphen auch zu- kommen. In Cuviers Regne animal illustr& (Arachnides Tafel 26) liefert Dusks sehr schöne Abbildungen von seiner Oribata decumana, welche unserer Hoplophora contractilis sehr nahe kommt. Der _ einzige specifische Unterschied besteht darin, dass die Endklaue jedes Fusses bei Duc&s’ Art gespalten oder stark bezahnt erscheint, ein Merk- mal, welches der Hoplophora contractilis durchaus abgeht. Ducks hat übrigens nicht nur die äussere Gestalt der Milbe, sondern auch die Zusammensetzung der Lippe sehr richtig dargestellt. Ob er aber seine Oribata decumanain Kocn’s Hoplophora decumana (Herrıch- Schärrer’s Deutschland’s Arachniden 2. Heft, 9) mit Recht zu erkennen glaubt, steht dahin, denn Kocn’s Abbildung ist zu ungenügend, um die Artbestimmung zu ermöglichen. 6. Anatomisches und Entwicklungsgeschichtliches über Myobia musculi (Pediculus muris musculi SCHRANK, Myobia coarctata Hkypzn). a. Zoologisches und Anatomisches. - Eine sehr merkwürdige in mehrerer Beziehung gar anomale Milbe schmarotzt auf jeder Hausmaus und wurde, wie es scheint, bisher von | sehr wenigen Forschern beachtet. Ich meine den Pediculus muris musculi Schrank. Es erfreuten sich überhaupt die auf diesem Haus- ) thiere vorkommenden parasitischen Milben keiner besonderen Würdigung | von ‘Seiten der Naturforscher. Ausser Schrask’s Pediculus und einem von Gerzach !) abgebildeten Sarcoptes hat nur noch Koc# unter dem Namen Dermaleichus musculinus eine Milbe der Hausmaus sehr . schlecht abgebildet und fügt als Bemerkung »nicht häufig« hinzu. Nun aber finde ich in Genf den Dermaleichus musculinus, für wel- ‚chen ich die Gattung Myocoptes bilden werde, auf jeder Maus ohne / Ausnahme und zwar stets in sehr grosser Anzahl und unter zwei Ge- j stalten , da die Männchen von den Weibchen sehr stark abweichen. | 1) Krätze und Räude entomologisch und klinisch bearbeitet von A. C. GERLACH. Berlin‘ 1857. Taf. VII. Fig. 44. Diese mir unbekannte Art scheint ein echter Sar- Y coptes zu sein, fe | ıl 920 Prof. Edouard Claparede, Kocn scheint aber nur die Weibchen gekannt zu haben. Dieselbe Milbe findet man auch hie und da auf Hypudaeus arvalis und häufiger noch auf Spitzmäusen. Scarank's Pediculus musculi dagegen fand ich stets nur auf Mäusen, mit einer einzigen Ausnahme, wo ich zwei vereinzelte Exemplare auf Hypudaeus traf. Die Vertheilung dieser | Schmarotzer auf Mäusen ist eine höchst regelmässige. SCHRANK'S Pediculi | hausen nur auf.der Schnautze, dem Kopfe, um die Ohren herum und | ausnahmsweise bis zur Halsgegend, fast niemals aber weiter. nach hinten. Die Myocopten dagegen beschränken sich auf die Abdominal- | region, und zwar sowohl am Rücken wie am Bauche. Gewöhnlich be- steht also ein ziemlich breiter, beide Milbenregionen von einander | trennender Gürtel, wo keine Schmarotzer oder wenigstens nur ein Paar | Gamasiden zu finden sind. Scurank’s Pediculi sind wegen der bedeu- | tenderen Grösse stets leichter zu finden. Im heutigen Systeme muss | diese Art rechtmässig Myobia musculi heissen. Die Gattung Myobia!) wurde nämlich von Hryven aufgestellt, aber sehr ungenügend charakte- risirt. Aus der von diesem Verfasser herausgegebenen Tabelle ersieht | man, dass seine Myobien nur sechs Lauffüsse besitzen, und dass deren | Taster anhanglos sind. Eine einzige Species wird unter dem Namen! Myobiacoarctata erwähnt, einer Bezeichnung, die auf die fragliche‘ Milbe sehr gut passt. Als synonym wird Scnrane’s Pediculus mus-' culi aufgeführt. Durch Gervaıs?2) aber wurde ein Irrthum in die! Wissenschaft eingeführt, welcher seitdem in verschiedene Handbücher‘ überging °), indem dieser Schriftsteller den Pediculus muris mus- culi Schrank als Synonym des Sarcoptes oder Dermaleichus musculinus Koch anführte. Eine Vergleichung von Scarank’s Ab-' bildungen und Beschreibung ?) mit der von Koca gelieferten Figur nebst) Diagnose?) lässt aber sogleich diese Vereinigung als ganz unzulässig) erscheinen. Es handelt sich offenbar um zwei ganz verschiedene Gat- tungen, und der Pediculus von Scurank ist nur als Synonym der Myobia coarctata Hevven, nicht aber des Dermaleichus mus-5, culinus Kocn anzusehen. Ausser‘ Schrank und von Hrypen scheint? sich übrigens kein anderer Beobachter mit den Myobien abgegeben zu 4) Versuch einer systematischen Eintheilung der Acariden von C. von Hevosal Isis 1826. p. 643. ' 2) Insectes apteres. Tome III. p. 265. 3) So z. B. in van ver Horven’s Handbuch der Zoologie. Deutsche Ausgabe) 1. p. 556. 4) Francıscı DE PAuLA Scarank doct. theol. enumeratio insectorum Austriad indigenorum. Augustae Vindelicorum 4781. p. 504. Tab. I. Fig. 5—7. k . 5) Herrıcn-ScnHÄrrer’s Deutschlands Crustaceen, Myriopoden und Arachnidel fasc. 5. Tab. 43, in | Studien an Acariden. 521 haben, ‘wenn nicht Kocn’s Dermaleichus lemninus!) hierher zu ziehen ist, was ich freilich für höchst wahrscheinlich halte. Unter diesem Namen beschreibt nämlich und bildet Kocn# eine auf Hypudaeus schmarotzende Milbe ab, deren Bild die grösste Aehnlichkeit mit einem ' Männchen von Myobia musculi darbietet. Das Vorkommen auf ‚ Hypudaeus lässt es als sehr wahrscheinlich erscheinen, dass es sich ' wirklich um eine Myobia handelt, dann aber hat der Verfasser das ‘ Vorderfusspaar sehr phantastisch abgebildet und die ganze Zeichnung steht denjenigen von Sonrank bedeutend nach. Sowohl die anatomischen Verhältnisse der ausgebildeten Myobia, | wie die Entwickelung des Thieres innerhalb des Eies bieten manches Befremdende dar. Wir wollen daher beide nach einander in Augen- ' schein nehmen. | Beschreibung der Weibchen. Der Leib dieser Milbe zeigt wegen habitueller, von Schrank bereits hervorgehobener Faltenbildung " der Integumente eine ziemlich complicirte Gestalt?) , die sich besser , durch Abbildungen (Taf. XXXVII. Fig. 1 und 2) als durch Beschrei- ' bungen veranschaulichen lässt. Fig. 2 stellt ein Weibchen von der ge- " wöhnlichen Gestalt in der Rückenansicht, Fig. 4 dagegen ein ausnahms- " weise breites Individuum von der Bauchseite dar. Die Füsse'sind an "der Seite selbst eingelenkt, mit durchaus rudimentären Epimeren. "Diese Art und Weise der Einlenkung der Gliedmaassen kann Einen bei ‘der Unterscheidung von Bauch- und Rückenfläche eine Zeit lang in © Verlegenheit bringen. Die beim Kriechen nach unten gekehrte Fläche “ wird am natürlichsten als Bauch, die entgegengesetzte mit dicken, langen Haaren besetzte dagegen als Rücken gedeutet, und so verhält es N sich auch wirklich. Nun aber gehört die Vulva (Fig. 2v) der © Rückenfläche an, eine bis jetzt einzig dastehende Aus- "nahme bei Milben. Sie liegt zwar in der hinteren Portion des © Hinterleibes, indessen rückt beim Männchen die Geschlechtsöffnung " (Fig. 3 p) bis auf den Vordertheil des Rückens. Bei anderen Milben ist "zwar die Lage der Geschlechtsöffnung nicht ganz fest, man findet sie "nämlich bald mehr, bald weniger nach hinten gerückt, aber stets auf der Bauchfläche vor der Afterspalte. Zuerst dachte ich, dass bei Myobia die Geschlechtsöffnung noch weiter nach hinten gerückt sei als sonst, ‚so dass sie rückenständig erscheint. Dann aber hätte der After an ‚dieser Verrückung keinen Theil genommen, denn ich finde denselben (Fig. 2 an) genau endständig. Das gegenseitige Lagerungsverhältniss E 12 Oefinungen ist demnach allenfalls gestört. Auch habe ich an ı 4) Loc. cit. fasc. 33. Tab. 5. 2) Darauf bezieht sich der Speciesname coaretata HEypen. 522 Prof. Edouard: Glaparede, die Möglichkeit gedacht, dass das Thier auf dem Rücken krieche, wenn auch ein näheres Eingehen auf die Organisationsverhältnisse der Füsse diese Ansicht durchaus nicht unterstützt. Allein die Thatsache, dass die Lippe der unteren Fläche angehört, lehrt mit Bestimmtheit, dass diese die wahre Bauchfläche ist. Die Lage der Geschlechtsöffnung auf dem Rücken bleibt daher als eine ganz zweifellose, wenngleich sehr räthselhafte Thatsache. Beim ersten Anblick erscheint das reife Thier sechsfüssig, wie von HeyDen auch dasselbe auffasst. Schrank zählte es deswegen den Pedi- culinen zu. Dies ist aber nur scheinbar und rührt daher, dass das vordere Fusspaar (Taf. XXXVI. Fig. 4 und 2 P!) eine sehr abweichende Gestalt angenommen, und ganz nach vorn gerücktiist, so dass es nicht sogleich als das Homologon der anderen Fusspaare aufgefasst wird: eorpus forcipiforme in utroque latere, so nennt es ScHRank. Die drei normalen Fusspaare (P? bis Pt) stellen cylindrische Gliedmaassen dar, an denen das erste gleich auf das Epimer folgende Glied eine sehr lange Borste auf der Rückseite trägt. Das Endglied ist mit einer ein- zigen, schlanken, nur an der Spitze gebogenen Kralle bewaffnet, ohne jede Spur von Arolium oder von Carunkel. An der Unterseite ist jedes Fussglied mit mehreren in einer Querreihe sitzenden Haaren versehen. Das vordere Fusspaar stellt sehr eigenthümlich gebildete Klammer- organe dar. Es sind dieselben am Vorderende des Körpers eingelenkt, welches quer abgestutzt ist. Zwischen den beiden einander parallelen Klammerfüssen befindet sich der Rüssel (Taf. XXXVM. Fig. ka), dessen convexer Aussenrand einer concaven Krümmung des benachbarten Fusstheiles entspricht. Jeder Klammerfuss besteht aus nur drei Glie- dern. Das Basalglied (s!) ist ganz ungemein dick und ebenso. breit $ oder gar breiter wie lang. Das zweite Glied (s?) ist noch kürzer, bräunlich gefärbt und zeigt an der unregelmässigen, wellenartig ge- streiften Platte, welche auf der Bauchseite einen breiten, kurzen, stumpfen Zahnfortsatz (d) trägt, einen Ausschnitt. Das etwa Sförmig gekrümmte Endglied (s?) sitzt in einem Gelenkausschnitte des vorigen mit nach der Bauchseite gerichteter freier Spitze. Das Grundstück des’ Endgliedes ist besonders auf der Rückseite mit zahlreichen, steifen Borsten besetzt! Der braunröthlich gefärbte Endtheil dagegen ist borstenlos aber mit erhabenen parallelen Rippen versehen. Durch die Hakenform des Endgliedes wird der Mangel einer Kralle an demselben ersetzt. Das Thier klammert sich nämlich vermittelst desselben an die Haare des Wirthes. Indem es dieses Endglied nach unten krümmt, wird das Ausgleiten des Haares (Taf. XXXVM. Fig. 4 C) durch An- drücken desselben an den stumpfen Zahn des Basalgliedes vollständig Studien an Acariden. / 523 verhütet. Wenn sich einmal die Myobia an ein oder gar vermittelst der beiden Klammerfüsse an zwei Haare angeklammert hat, kann sie mit _ Hülfe der Gehfüsse auf- und niedersteigen, ohne Gefahr, vom Wirthe abgeschüttelt zu werden. !) ‘ Der kegelförmige Rüssel (Taf. XXXVI. Fig. 4a) liegt zwischen den Klammerfüssen verborgen und kann nur bei starker Vergrösserung er- forscht werden. »Corpus lanceolatum acutum« bezeichnet ihn Schrank trefflich. An der Anwesenheit von Tastern habe ich lange gezweifelt. Diese Maxillaranhänge sind nämlich ganz rudimentär und stellen winzige, der Lippe dicht angedrückte Zapfen (Taf. XXXVIl. Fig. 4 b) dar, deren ‚jeder ein nur bei sehr starker Vergrösserung wahrnehmbares Härchen trägt. Diese Taster sind demnach noch viel rudimentärer als bei den Sarcoptiden. Die beiden Maxillarhälften sind zu einer gleichmässigen Lippe verschmolzen, an der die bei fast allen Acariden vorkommenden beiden Borstenpaare zu erkennen sind. Das hintere Paar ist bedeutend länger als: das vordere. Das Epistom ist dagegen glatt und haarlos. Am Vorderende des Rüssels befindet sich die winzige Mund- öffnung,, aus welcher ein eigenthümlicher Stechapparat herauskommt. Derselbe besteht aus einer sehr zarten, zwei lange Nadeln enthaltenden Röhre (c). Die Nadeln (m) stellen offenbar metamorphosirte Mandibeln dar. Man kann sie nach hinten zu durch den Rüssel bis in den Vorder- leib verfolgen, wo sie auf einem eigenithümlichen Stäbchengerüst ruhen. Dieser Stechapparat, welcher Koch gänzlich entging, war be- ‚ reits dem Schrank sehr wohl bekannt, wenn ihm auch dessen feinere Zusammensetzung wegen der damals unzureichenden Untersuchungs- mittel: verborgen bleiben musste. Seine Abbildungen zeigen den stechenden Rüssel ganz vortrefflich, auch finde ich im Texte die voll- kommen richtige Bemerkung »bulbis pilorum sese adlfigit fortissime, 4) In der Hauptsache hat Scarank diese Verhältnisse sehr richtig dargestellt. Die bezügliche Stelle lautet folgendermaassen : »Antice in loco capitis, in medio ‚ corpusculum lanceolatum, acutum; in cujus utroque latere corpus forcipiforme ; corpus hoc basi angustius, apice nonnihil latius , latere interiori pollice fixo brevi, ;# latere vero exteriori unco mobili instructum;; si uncus iste apertus sit, potest enim | insectum ejus apicem pro lubitu pollici fixo admovere, non inepte cultros hortu- I lanorum purgandis noxiis surculis inservientium refert. Hoc maxime instrumento ‚ sese insectum istud muris pilis adfigit.« Dieser vortreffllichen Beschreibung gegen- über ist Kocn’s Darstellung des Vorderfusspaares bei seinem Dermaleichus (er sich aus, sehr dick, unten bauchig vorgezogen, fast blasenförmig, die übrigen 1 Glieder sehr klein, dünn und kurz«, und die Abbildung ist noch weit schlechter ! [a die Beschreibung, indem sie Schreitfüsse, die von den folgenden Fusspaaren ' kaum abweichen, darstellt. 524 Prof. Edouard Claparede, ore in bulbum inserto.« Die Chitinhaut des Leibes erscheint durch rippenartig vorspringende Querleisten gestreift, ähnlich wie bei den Sarcopten und so vielen anderen Milben. Eine sehr bedeutende Ver- dickung, die sogar in einen starken, stumpfen, vorspringenden Zahn aus- läuft, zeigt sie jederseits im Niveau des zweiten Fusspaares (Taf. XXXVIl. Fig. I pru. Apr). Ob vielleicht diese Verdickung als Epimer dieses zweiten Fusspaares aufzufassen sei, ist mir noch nicht klar. Haargebilde sitzen auf der Chitinhaut in grosser Anzahl. Die beiden längsten gehören dem Hinterrande. Deren Länge beträgt bis 0,27 Mm., d. h. eben so viel wie die Leibeslänge. Auf der Rückenseite sitzen ungemein dicke, kegelförmige, regelmässig nach hinten gerichtete Haare, achtzehn an der Zahl (Fig. 2). Das vordere Paar derselben ist das längste und dickste. Alle diese Haargebilde der Rückenfläche bieten ein besonderes streifiges Aussehen dar, so dass man sie leicht für zusammengeleimte Faser- büschel halten könnte. !) Einige viel feinere und kürzere Härchen zeichnen den Geschlechtshof aus. Ausserdem sitzt ein starker, bei der Befestigung der Eier an die Mäusehaare im Augenblicke des Eierlegens wahrscheinlich sich betheiligender Haken (Fig. 2 we) rechts und links von der Vulva. An der Unterseite (Fig. 1) findet man zwar auch Haar- gebilde. Die meisten sind aber sehr winzig. Nur zwei Haarpaare der mittleren Bauchregion erreichen eine bedeutende Länge. Von den inneren Organen ist zunächst der Darmcanal zu erwähnen. Die Speiseröhre mündet unmittelbar in eine mit vier Blinddärmen ver- sehene Magentasche (Fig. I st). Zwei Blinddärme sind nach vorn und zwei nach hinten gerichtet. Der Lage und der Gestalt nach entspricht diese Magentasche der sogenannten Leber vieler anderen Acariden, indessen ist die Wand derselben nicht verdickt und bietet kein drüsiges Aussehen dar. Zwischen den beiden hinteren Magenblinddärmen liegt eine mit Körnchen erfüllte birnförmige Tasche (Fig. I ex), welche dem Excretionsorgane anderer Acariden gleichzustellen ist. Ob diese Tasche als ein vom Enddarme gesondertes Organ oder als eine blosse Erweite- rung desselben aufzufassen sei, habe ich nicht mit Bestimmtheit er- mittelt. Die Eierstöcke (ov) sind paarig, etwa im Niveau des dritten Fuss- paares gelegen. Sie bestehen aus einem Haufen kleiner mitKeimbläschen versehener Eichen. Niemals bildet sich mehr als ein Ei zugleich zur Reife heran. Das auf diese Weise bevorzugte Ei löst sich von dem einen Eierstock ab, und rückt bis zur Mittellinie, wo es sehr rasch an 4) Diese ungewöhnlich dicken Haare liegen meist dem Leibe an. Daraus er- klärt sich Scarane’s Irrthum,, der sie fast gänzlich übersah. »Pilis corpus fere destituitur«, sagt er. Studien an Acariden. 525 Umfang zunimmt (Taf. XXXVI. Fig. 1 00), indem es sich mit tropfen- artigen Kugeln erfüllt und mit einer Membran umgiebt. Dabei ver- schwindet das Keimbläschen sehr bald, ob durch wirkliches Auflösen oder durch blosses Unscheinbarwerden wegen der sich ansammelnden Dotterkugeln,, ist ungewiss. Zuerst bleibt das Ei kugelig, bald aber verlängert es sich nach einer bestimmten Richtung hin und stellt ein eylindrisches Gebilde dar, das sich durch die Leibeshöhle von’ der Wurzel des dritten Fusspaares an bis zum After hinzieht. Einen das sich ausbildende Ei einschliessenden Uterus vermochte ich nicht wahr- zunehmen, vielmehr schien mir dasselbe stets frei in der Leibeshöhle zu liegen. An beiden Seiten der Abdominalregion liegen gewöhnlich Ansammlungen von fettartigen Tropfen, die wohl als eine Art Fettkörper anzusehen sind. Vielleicht liefert diese Aufspeicherung von Nahrungs- stoff das Material zur raschen Bildung der Eier. Endlich ist noch das Athmungssystem zu besprechen. Myobia ist nämlich eine Tracheenmilbe. Das ganze Luftröhrensystem besitzt nur zwei an der Rüsselbasis und zwar auf der Rückenseite derselben ge- legene Stigmaten (Fig. 1 sig). Eine jede Oeffnung ist elliptisch und nur 2—3 Mmm. lang. Die aus den Stigmaten entstehenden Haupttracheen convergiren nach hinten und vereinigen sich sehr bald zu einem un- paarigen Stamme. Diese Vereinigung ist übrigens blos eine scheinbare, indem sich dieser Stamm bei starker Vergrösserung in ein ganzes Büschel fein geschlängelter Luftröhren auflöst, eine Bildung, die eben- falls allen bedeutenden Verästelungen des Tracheensystems zukommt. Der mittlere Stamm theilt sich wiederum in drei Tracheenbündel, die sich bis in die hinterste Leibesregion fortsetzen und ihre Zweige bis in die Gliedmaassen hinein senden. Beschreibung der Männchen. Trotz einer grossen Aehn- lichkeit mit den Weibchen in der Gesammtgestalt, unterscheiden sich die Männchen (Fig. 3) sogleich nicht nur durch die Geschlechtstheile, sondern auch durch die Vertheilung der Rückenborsten und durch die Gestalt des Hinterleibes. Der Leib endigt nämlich nicht breit abge- rundet wie bei den Weibchen, sondern verschmälert sich plötzlich, um mit einem kleinen conischen Afterfortsatze (pa) zu endigen. Auf diesem Fortsatze sitzen die beiden Endborsten, welche demnach viel näher an einander gerückt erscheinen, als bei den Weibchen. Die Rückenborsten sind verhältnissmässig viel dünner als bei den Weib- chen, auch in bedeutend geringerer Anzahl, indem ich deren nur neun zähle. Das Vorkommen einer unpaarigen Borste auf dem Hinterleibe ist für das männliche Geschlecht charakteristisch. Die männliche Geschlechitsöffnung (Fig. 3 p) liegt auf einem me- Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 34 526 Prof, Edouard Claparede, dianen Hügel, zwischen zweitem und drittem Fusspaare auf dem Rücken!). Aus derselben kommt eine lange, sehr spitz auslaufende Chitinröhre (Taf. XXXVI. Fig. 3 r), offenbar die Ruthe, welche bis in den hinteren Theil des Körpers dringt. Diese Ruthe erreicht etwa zwei Drittel der Gesammtlänge des Körpers. Nach hinten zu erweitert sie sich allmählich und endigt mit einer kleinen Anschwellung. Die Ruthenspitze schaut stets aus der Geschlechtsöffnung heraus und ver- mag nicht vollständig eingezogen zu werden. Ueber den Hoden und die Zoospermien bin ieh noch zu keinem Resultat gekommen. In jeder anderen Beziehung, wie Fuss- und Rüsselbildung, Be- schaffenheit des Darmeanals, Vertheilung der Tracheen u. s. w., ist die Uebereinstimmung mit den Weibchen eine vollständige. ' b. Entwiekelungsgeschichte der Myobien. Die Entwickelung von Myobia ist dadurch sehr merkwürdig, dass dem Auftreten der sechsfüssigen Larve nicht nur, wie bei Atax, ein Deutovum-, sondern sogar noch ein Tritovumstadium vorangeht. In sofern verdient sie wohl eine ganz besondere Beachtung. Die gelegten Eier sind lang eiförmig, von einer Eischale umgeben, die am hinteren Pole in einen conischen, zur Anheftung an ein Mäuse- haar dienenden Aufsatz übergeht. Deren Länge beträgt 0,17 Mm. Vielleicht würde man die Schale am besten als Dotterhaut bezeichnen, da keine andere, den Dotter umhüllende Membran vorhanden ist. Der conische Aufsatz muss im Augenblicke des Eierlegens noch weich und klebrig sein, so dass dessen zähe Substanz einen Haarschaft mit Leichtigkeit umschliesst und um denselben eintrocknet. Stets findet man nämlich den Aufsatz von einem Mäusehaare durchsetzt und zwar so, dass der Aufsatz der Haarzwiebel am nächsten liegt. Die Bildung der Keimhaut ist mir entgangen und wird wegen der allzugrossen Durchsichtigkeit dieser Membran nicht leicht verfolgt wer- den. Ich nahm sie stets als eine farblose, zellige, den emulsionartigen Dotter rund umschliessende Membran wahr. Zuerst ist sie überall gleichmässig dick, bald aber nimmt sie auf der Bauchseite bedeu- tend an Dicke zu, während sie an der entgegengesetzten Seite sehr dünn bleibt. Die verdickte Seite entspricht dem Bauchstreifen anderer Arthropoden, sie spaltet sich aber niemals in zwei parallele Längs- streifen. Durch Querfurchen zerfällt bald die Embryonalanlage in sechs Querwülste, deren fünf vordere einen Cephalothorax und der sechste 4) Dieser Hügel wurde auch von Scarank als ein dunkler Fleck wahrgenom- men, den er aber für ein Herz hielt. Studien an Acariden. 597 das Abdomen vorstellt (Taf. XXXVI. Fig. 1), denn nach kurzer Zeit sprossen an der Oberfläche von jedem der fünf vorderen Wülste ein Paar zuerst kuppel-, bald aber knopfförmig werdende Fortsätze her- vor, welche fünf Paar Gliedmaassen (Fig. 2 und folgende) nämlich Mandibeln (md), Maxillen (m&) und die Fusspaare (p!p2p?) darstellen. . Das Vorderende der Embryonalanlage verlängert sich nach vorne zu, indem es sich nach der Rückseite zurückschlägt und bringt auf diese Weise eine Art Kopfplatte (lc) zu Stande. Diese Kopfplatte verdickt sich sehr rasch, so dass der ganze Vordertheil des Eies von einer Verdickung der Keimhaut eingenommen wird, während der Dotter (vt) nach hinten zurückgedrängt wird. Zugleich haben sich die Füsse wurstförmig verlängert und nach hinten gerichtet. Auch tritt eine derartige Zusammenziehung der Keimanlage ein, dass die Glied- maassen allmählich nach der oberen Eispitze zu wandern (Fig. 3 u. A). Das ursprünglich an der Bauchseite gelegene Mandibelpaar wird da- durch ganz endständig (Fig. 4). Bei dieser Wanderung rücken die sich aufrichtenden Mandibeln und Maxillen dicht an einander und ver- schmelzen endlich zu einem conischen, aus zwei Hälften bestehenden Rüsselfortsatze (Fig. 5 und 6 R), eine Erscheinung, der wir bereits bei der Entwickelung von Atax und Tyroglyphus begegneten. !) Nun tritt ein Stillstand in der Ausbildung der Organe ein und wird eine sehr merkwürdige zu einem scheinbaren Schwunde der Glied- maassen führende Veränderung allmählich eingeleitet. Die drei Fusspaare legen sich nämlich an die Bauchfläche an, und flachen sich nach und nach so ab, dass sie über diese Bauchfläche kaum noch hervorragen. Bald stellt der ganze Embryo einen eiförmigen anhanglosen Körper mit 4) Dass die Mandibeln und die Maxillen sich ursprünglich aus paarigen den keimenden Füssen durchaus gleichen Anlagen entwickeln, ist übrigens ein sich bei allen Milbenembryonen bewahrheitendes Gesetz. Milbenembryonen scheinen aber bisher ausser von vAn BENEDEn (Atax) nur noch von BOURGUIGNON einiger- maassen kenntlich abgebildet worden zu sein und zwar Embryonen von Sar- eoptesscabiei. Zwei Figuren sind namentlich bei diesem Schriftsteller (vgl. Traite entomologique et pathologique de la gale de !Yhomme par Mr. le Dr. Bourcvicnon Pl. VII. Fig. 44 et 45 in Me&moires des Savants etrangers. Tome XII, 4854) wohl zu erkennen, sind aber von demselben ganz missdeutet worden. Bei seiner Figur 44 hat zwar BourcuiGnon den Vorder- theil als solchen richtig erkannt, indessen deutet er die Anlage der Mandibeln als erstes, diejenige der Maxillen als zweites Fusspaar, während ihm die eigentlichen Füsse entgangen sind. Bei Fig. 45 hat dagegen der Verfasser den Vordertheil ganz verkehrt für den Hintertheil gehalten. Er nimmt demnach die Anlage des dritten Fusspaares für diejenige des ersten in Anspruch. Die Maxillen deutet er nun als '»follicules pileux lateraux« und die Mandibeln als »cellules isol&es pleines de granules.« 34 * 928 Prof, Edonard Claparede, spitzem Vorderpole (Taf. XXXVI. Fig. 6 u. 7) vor. In diesem Zustande sondert die Körperoberfläche eine Cuticula ab, von welcher ein zahn- artiger Fortsatz (Fig. 6 d) ausgeht, der in die Gewebe der Nackengegend gleich hinter dem Rüssel eindringt. Dieser als eine blosse Verdickung der Gutieula zu betrachtende Fortsatz besteht aus zwei dicht an einander gedrückten, symmetrischen Hälften. Nun reisst der Kopfpol der Eischale entzwei und der Vordertheil des Embryo streckt sich durch die Rissöffnung heraus (Fig. 8). Ich zweille nicht, dass dem oben beschriebenen zahnartigen Fortsatze eine ähnliche physiologische Bedeutung zukommt, wie dem Eizahne der Ringelnatter, d. h. dass er den Vorderpol der Eischale durehschneidet. Wie dem auch sei, so ziehen sich unmittelbar darauf die Weichtheile von der embryonalen Gutieula zurück, so dass diese sich in Folge dieser Häutung als eine einen Embryo einschliessende Eihaut ausnimmt (Fig. 9 dt). Dieses Entwickelungsstadium ist mit dem Deutovum von Atax durchaus zu vergleichen. Auch werde ich dasselbe mit dem- selben Namen bezeichnen. An dem im Deutovum eingeschlossenen Embryo ist von inneren Örganen nur wenig zu unterscheiden. Die ovale zwischen den zwei llörnern der zurückbleibenden Dottermasse eingefasste Zellenmasse ist offenbar die in der Bildung begriffene Pharynxmasse, also Vorderdarm (Fig. 9 und 40 ia). Hinten zeigt die Dottermasse einen kleinen Aus- schnitt, in welchem sich eine kugelige Ansammlung von stark licht- brechenden Körnchen, das Rudiment eines Exeretionsorgans (er) zu erkennen giebt. Bei der eintretenden Zusammenziehung des Embryo im Deutovum, wachsen die Gliedmaassen wieder hervor {Fig. 9) und da die Zu- sammenziehung hauptsächlich die Rückseite des Thieres betriflt, so ändern allmählich die Füsse ihre Lage, indem deren Spitze einen Bogen nach vorne zu beschreibt. Vorher waren sie nach hinten, jetzt aber nach vorn gerichtet. Das Vorderpaar (p!) bildet namentlich zwei gerade nach dem Pole des Deutovum gerichtete conische Zapfen, welche den Rüssel (R) zwischen sich fassen. Nun aber tritt wiederum ein Stadium ein (Fig. 44), wo die Gliedmaassen gleichsam eingezogen werden, oder wenigstens verstreichen (Fig. 41), und wo der sich streckende Embryo den Kopfpol der Deutovummempbran durchbricht. Darauf ziehen sich abermals die Weichtheile von der Guticula zurück, so dass der Embryo noch immer in einer eiähnlichen Membran eingeschlossen erscheint. Diesen Zustand nenne ich das Tritovum. Im Tritovum ist demnach der Embryo von drei Häuten umschlossen. Zuerst nach aussen die Eischale (Fig. 120»), darauf die Deutovummembran (dt), welche in der Eischale Studien an Acariden, 529 wie ein Ei im Eibecher sitzt, endlich nach innen die Tritovummembran (Taf. XXXVI. Fig. 12 {1), welche dasselbe Verhältniss zum Deutovum zeigt, wie dieses zur Eischale. Den Augenblick des Durchbrechens des Tritovum konnte ich nicht wahrnehmen. Ich glaube aber ein ähnliches Durchschneiden durch ein hartes Gebilde für die Deutovummembran wie für die Eischale annehmen zu dürfen. Bereits innerhalb des Ei- oder Deutovumstadiums bildet sich ein stark lichtbrechendes, halb- kreisförmiges Gebilde (Fig. 10d), an der Bauchfläche hinter der Rüssel- basis. Später findet man dieses Gebilde an der Haut des Tritovum hängen, gerade wie den Rückenzahn an der Haut des Deutovum. Nicht unwahrscheinlich erscheint es mir demnach, dass dieses harte Organ eine ähnliche Rolle beim Durchbruche des Deutovum spielt, wie der Rückenzahn beim Durchbruche der Eischale. Im Tritovum nehmen die Füsse ihre delinitive Gestalt an. Die Vorderfüsse namentlich krümmen sich hakenförmig gegen einander (Fig. 12 p!) und nehmen sich wie Theile des Kopfes aus. Die Rücken- und Bauchborsten wachsen hervor (Fig. 13). Die langen Afterborsten findet man umgeschlagen, der Bauchfläche anliegend. In der Pharynx- masse sondern sich harte Stäbchen ab, nämlich der Stechapparat mit seinem Gerüste (Fig. 13 pr). Nun ist die sechsfüssige Larve fertig. Sie durchbricht die zarte Haut des Tritovum und zeigt bereits (Fig. 14) eine grosse Achnlichkeit mit dem ausgebildeten Thiere. Die Klammerfüsse (p!) sind zwar noch sehr plump gestaltet und die fehlenden Hinterfüsse durch unansehn- liche Knöpfe vertreten. Sehr auffallend ist bei diesen Larven die be- deutende Entwickelung des Stechapparates, welcher denjenigen des reifen Thieres nicht nur an relativer, sondern auch an absoluter Grösse übertrifft. Die weiblichen Larven sind am breiten Hinterleibe von den männlichen mit conisch zugespitztem Hinterende sogleich zu unter- scheiden. Wie viele Häutungen die Larve bis zur vollständigen Reife durchmachen muss, ist ungewiss. Man triffi Zwischenstadien, bei welchen die Hinterfüsse als stark vorspringende Zapfen mit röhren- förmigem nach hinten gerichtetem Fortsatze angelegt sind. Im Ganzen ist, wie man sieht, die embryonale Entwickelung von Myobia eine ziemlich einfache und regelmässige, mit dem allerdings sehr unerwarteten Umstande,, dass diese Milbe zwei embryonale Häutungen ‚durchmacht. Es muss nämlich offenbar das Auftreten eines Deulovum- oder gar eines Tritovumstadiums bei verschiedenen Acariden als das Resultat von embryonalen Häutungen aufgefasst werden, wie ich es bereits durch den Vergleich des Deutovum bei Atax mit dem Larven- zustande von Mysis und Ligia andeutete. 530 Prof. Edouard Claparede, c. Ueber Verwandtschaftsverhältnisse der Myobien. Welche sind wohl die nächsten Verwandten der Myobien? Trotz der oberflächlichen Gestaltähnlichkeit mit Sarcoptiden haben die My- obien mit dieser Familie gar nichts zu schaffen. Das Fehlen von Scheeren- mandibeln und überhaupt die ganze Rüsselbildung deutet auf ganz an- dere Beziehungen. Aber selbst unter den Milben mit nadelförmigen Mandibeln befinden sich keine, welche eine unmittelbare Verwandtschaft mit Myobien zeigten. Das sonderbare Stähbchengerüst des Stechappa- rates ist mir bei keiner sonstigen Milbe bekannt. Auch die Beschaflen- heit und Lage der Begattungsorgane steht allein für sich da. Eine ziemlich grosse Aehnlichkeit zeigt dagegen dieser Stechapparat mit den Mundtheilen anderer Arachniden, nämlich mancher Arctiscoiden, zunächst den Gattungen Echiniscus und Lydella. Ich erinnere nur an die vor zwei Jahren von M. ScnuLtze veröffentlichte Abbildung des Kauapparates seines Echiniscus Sigismundi.!) Andere Beziehungen zu dieser interessanten Gruppe finde ich freilich nicht. Am zweckmäs- sigsten scheint es mir für dieMyobien eine besondere Familie zu bilden, welche unter den Milben die auffallendsten Merkmale einer_Verwandt- schaft mit den Arctiscoiden zeigt. 7. Einiges über Myocoptes musculinus (Dermaleichus musculinus Koecn). Ich habe bereits oben bei Gelegenheit der Lebensverhältnisse von Myobia musculi einiges über das Schmarotzerleben desDermaleichus musculinus Kocn erwähnt. Hier beabsichtige ich noch etwas über die Organisationsverhältnisse dieser Milbe mitzutkeilen, da eine nähere Kenntniss derselben zum Verständnisse des Schlusskapitels dieses Aufsatzes durchaus erforderlich ist. Die Gattung Dermaleichus wurde von Kocn?} bereits im Jahre 1842 aufgestellt. Sie ist aber nur sehr oberflächlich gekannt, wenn auch der Begründer derselben 32 Arten unter diesem Gattungsnamen erwähnt. Diese Arten sind eben durchaus nicht alle mit einander nahe verwandt, und werden in eine Anzahl von Genera vertheilt werden müssen. Die Diagnose der Gattung ist ziemlich weitläufig, wenn auch ungenügend. Sie lautet nämlich dermassen : »Körper: von mancherlei Umrissformen, »Vorder- und Hinterleib gewöhnlich sehr undeutlich von einander unter- 4) Echiniscus Sigismundi, ein Arctiscoide der Nordsee von MAx SCHULTZE. Archiv f. Mikr, Anatomie Bd.1.p. 428. Taf. XXVl. 2) Uebersicht des Arachnidensystems von C. Kock. Drittes Heft. Nürnberg 1842, p. 122. ° Studien an Acariden. 531 = »schieden oder nur durch eine feine Seitenkerbe angedeutet, der Hinter- »leib meistens stark hinter der Einlenkung der vier Hinterbeine, be- »sonders beim Weibchen, verlängert; die Fläche mehr oder weniger »mit langen, oft sehr langen Haaren besetzt, und weniggewölbt. Augen »nicht sichtbar. Rüssel und Taster: versteckt, letztere selten und »nur mit der Spitze etwas über die Schnauze vortretend. Beine: beim »Manne die vier vordern gleichlang, meistens verdickt und ziemlich »deutlich gegliedert; das erste Paar der vier Hinterbeine in der Regel »sehr lang, dabei oft schr dick und schr ungleich gegliedert, zum Gehen »ungeschickt, das Endglied krallenförmig. Beim Weibe die acht Beine »in der Regel gleichlang, davon die vier vorderen wie die des Mannes »gestaltet, die vier hintern aber einander ganz gleich, sehr dünn und »zum Gehen geschickt. Krallenbläschen: deutlich, mässig gross, yan der Wurzel fein gestielt.« Bei dieser Diagnose sind manche der wichtigsten Merkmale ganz unberücksiehtigt geblieben. Von den Mandibeln z.B. erfahren wir nicht einmal ob sie nadel- oder scheerenförmig sind. Koca# stellt wohl seine Dermaleichen zur Familie der Sarcoptiden, bei welcher erfahrungs- gemäss die Mandibeln stets scheerenförmig sind, ein Charakter, der zwar von Kocu mit Stillschweigen übergangen, von Rosın aber mit Recht als für die Familie massgebend hervorgehoben wurde. Von Kocn’s Derma- leichen aber besitzen sehr viele Arten keine scheeren- sondern nur nadelförmige Mandibeln, so dass ihre Vereinigung mit den Sarcoptiden keine ganz glückliche ist. Für welche Arten nun ist die Bezeichnung Dermaleichus beizube- halten? In erster Linie meiner Meinung nach für den Acarus pas- serinus DE Geer!), den Kocn in seiner Uebersicht des Arachniden- systems zum Typus der Gattung Dermaleichus erkor. Leider ist mir diese Species aus eigner Anschauung nicht bekannt), so dass ich auf eine Revision der Gattungscharakter der ächten Dermaleichen vorläufig verzichten muss. So viel ist nur aus den schlechten vorhandenen Ah- hildungen ersichtlich, dass dieses Thier in Bezug auf Fussbildung eine ziemliche Uebereinstimmung mit Kocw’s Diagnose zeigt, wenn auch kei- F 4) Gervaıs (Insectes apteres p. 263) vereinigt mit dieser Art den Acarusche- !opus Hermann. Nach den vorhandenen Abbildungen des letzteren (die beste in Memoire apterologique par Jean Frederic Hermann Strasbourg, an Xll. 180% pl. 3 Fig. 7) wird es freilich eine leichte Sache sein das Thbier wiederzuerkennen. Die Gatlungsmerkmale können aber ohne eine erneuerte Untersuchung unmöglich fest- gestellt werden. 2) Es frägt sich übrigens, ob dieser Name Dermaleichus nicht dem Gat- tungsnamen Analges Nırzscn, welchem die Priorität gehört, weichen muss. 3932 Prof. Edouard Claparede, neswegs fest steht, dass dieses Schriftstellers Bezeichnung der beiden Geschlechter eine richtige gewesen sei. Was den Dermaleichus musculinus Koen betrifft, den ich hier näher in Betracht ziehen will, so gehört er wahrscheinlich nicht in dieselbe Gattung wie der Dermaleichus passerinus. Ich bilde demnach für ihn die Gattung Myocoptes, welche hauptsächlich durch die Umwandlung des dritten und gelegentlich auch des vierten Fuss- paares in Klammerorgane, sowie durch die Gestalt der Mandibeln charakterisirt wird, welche niemals scheerenförmig sind, sondern drei- eckige an der Spitze leicht umgebogene Platten darstellen. Die Species nenne ich demnach Myocoptes musculinus = Dermaleichus musculinus Kocn. j Von diesem Myocoptes hat uns Kocn unter dem Namen von Sar- coptes musculinus eine sehr schlechte Abbildung in Herrıen-ScuÄr- FER’S »DDeutschlands Grustaceen Myriapoden und Arachniden« (Heft V, 13) geliefert. Ueber das Geschlecht des abgebildeten Individuums hat sich dieser Schriftsteller nicht geäussert. Es ist aber trotz der Abenteuer- lichkeit der Figur nicht zweifelhaft, dass es sich um ein Weibchen han- delte, denn der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern ist bei My- ocoptes sehr augenfällig. Beschreibung der Weibchen. Die Weibchen (Taf. XXXIX. Fig. 2) sind stark deprimirte Milben mit convexer Rücken- und concaver Bauchfläche. Die beiden ersten Brustsegmente sind von den folgenden durch eine Furche gesondert, die besonders am Rücken als eine wahre Gliederung zu erkennen ist. Die Bauchfläche zerfällt inzwei Abtheilungen, eine vordere platte und eine hintere gestreifte. Diese ist das Abdomen jene die Brust. An der Brust sind die Epimeren bemerklich, von denen selbst das Vorderpaar sich nicht bis zur Mittellinie erstreckt. Am hin- teren Brusttheile erscheint die Vulva (Fig. 2 v.). Die beiden Scheiden- lippen sind hier sehr bedeutend aus einander gewichen und stellen eine ‘in der Mitte nach vorn etwas eingezogene Querlinie dar. Zwei Härchen sitzen sowohl vor wie hinter derselben. Ein Haar istebenfalls am Hinter- ende jedes Epimers zu sehen. — Das Abdomen zeigt viele erhabene Chitinleisten, deren scharfer Rand wie bei vielen Sarcoptiden mit zahn- artigen Fortsätzen geziert ist. Diese Leisten bilden drei Hauptlinien- . systeme. Der Vordertheil des Abdomens wird nämlich von Querleisten, die Seiten des Hintertheils dagegen von bogenförmigen Längsleisten mit nach aussen gerichteter Concavität eingenommen. Die Afterspalte liegt sehr nahe am Hinterende. Ein Härchenpaar steht vor derselben. Rechts und links davon sind die kräftigen, langen Hinterborsten eingepflanzt. Die Rückenfläche (Fig. 1, sechsfüssige Larve) zeigt zwei Leistensysteme Studien an Acariden. 5383 der Cuticula, sowohl auf dem Thorax wie auf dem Abdomen. Die Seitentheile werden nämlich von wellenförmigen dicht neben einander laufenden Länssleisten eingenommen. Das Mittelfeld zeigt dagegen viel sehwächere und seltenere Querleisten. Ausser den beiden Epistom- - haaren findet man Jederseits auf dieser Rückenfläche eine Reihe kräftiger Haare. Das grösste llaar ist hier die sog. Schulterborste, neben welcher eine zweite viel kleinere sitzt. Der Rüssel (Taf. XXXIX. Fig. 9) ist 0,033 Mm. lang, an der Basis ebenfalls eirca 0,030 breit, und besteht aus einer Maxillarlippe mit zwei eingliederigen Tastern. Jeder Taster (b) läuft knopfförmig aus und trägt ein winziges Härchen. Wie bei den Sarcoptiden bildet die Lippe eine Hohlrinne, in welcherdie Mandibeln sich auf- und niederschieben. Jede Mandibel (c) ist dreieckig mit hakenförmig nach unten gebogener Spitze. Man kann sie demnach als eine Sarcoptenmandibel ansehen , welcher der untere Scheerenarm, also das Endglied abgeht. Die Füsse sind fünfgliedrig. Die beiden Vorderpaare verdünnen sich gleichmässig bis zur Spitze, welche mit einem Arolium und meh- reren Haaren ausgerüstet ist. Unter diesen Haaren zeichnet sich eines durch seine grössereDicke und schwache Krümmung aus. Das ist oflen- bar eine sehr schlanke Kralle. Die beiden hinteren Fusspaare sind zu Klammerwerkzeugen um- gewandelt. Sie sind sehr breit und comprimirt. Das zweite Glied, wel- ches das längste ist, erscheint an der Basis verdickt und verdünnt sich an der Spitze. Es trägt dasselbe zwei Zähnchen, am Hinterrand aber keine Haare. Die verschiedenen Glieder jedes Klammerfusses (Fig. 8) sind so an einander eingelenkt, dass sie beim Schliessen einen voll- kommenen Ring darstellen. Taf. XXXIX. Fig. 3 stellt ein Weibchen von vorn mit geschlossenen Klammerfüssen dar. Die Milbe klammert sich vermittelst dieser beiden Fusspaare an die Haare des Wirthes, an die sie dadurch gewissermassen lose angebunden wird, während sie vermit- telst der beiden Vorderpaare auf und abspaziert. Im Leibesinneren ist der Verdauungsapparat leicht wahrnehmbar. Er besteht aus einer cylindrischen Speiseröhre, die in einen sich all- mählich zum Darmrohre verdünnenden Magen (Fig. 2 st) mündet. So- wohl Magen wie Darmwand sind verhältnissmässig dünn und beinahe farblos. Der sog. Leberüberzug so vieler anderen Milben fehlt hier voll- ständig. Von Magenblinddärmen ist auch nichts zu sehen. Unter der ' Speiseröhre liegt ein breites blasses Organ {n), das wohl als Nerven- ganglion zu deuten ist. Die Eier scheinen ganz frei in der Leibeshöhle zu liegen. Es kommt ‚ stets nur Eines zur gleichen Zeit zur Reife. Das reife Ei ist eylindrisch, 994 Prof. Edouard Olaparede, nimmt die ganze Länge des Abdomens ein und dringt sogar bis in den Thorax ein. Das Excretionsorgan nähert sich demjenigen der Gamasiden. Es besteht dasselbe aus einem zahlreiche winzige .Körnchen enthaltenden Schlauche jederseits (Taf. XXXIX. Fig. a). Beide Schläuche vereinigen sich in einen gemeinschaftlichen Raum (b), der unmittelbar in den Mast- darm mündet. Beschreibung der Männchen. Die Männchen (Taf. XXXIX. Fig. 4 u. 5) weichen in der äusseren Gestalt von den Weibchen sehr be- deutend ab. DerLeib ist verhältnissmässig kürzer und gedrungen. Am meisten fällt der Unterschied in der Fussbildung auf. Das dritie Fuss- paar ist nämlich allein in ein Klammerorgan verwandelt, welches aber demjenigen der Weibchen durchaus gleich ist. Dagegen nehmen die Füsse des hintersten Paares eine sehr eigenthümliche Gestalt an. An der Basis sind sie dick, scheinbar angeschwollen und nehmen kegel- förmig nach der Spitze an Durchmesser ab. Sie sind stets nach der Bauchfläche bogenartig gekrümmt und erscheinen nur wenig bewegungs— fähig. Es werden dieselben von der Milbe meist ganz passiv nachge- schleppt. Das Endglied (Fig. 7) ist mit einem kleinen Haken bewallnet der vielleicht von der Milbe wie eine Schiflsanker benutzt wird, um sich in die Haut des Wirthes einzuhaken. Die Bauchfläche (Fig. 5) ist noch bedeutender ausgehöhlt als bei den Weibchen. Der Hinterleib stellt namentlich eine unten concave Platte dar, welche zwischen den Hinterfüssen eingeengt wird. Dessen Hinterrand läuft in einen zweizipfligen mit mehreren auf der Rücken- seite sitzenden Borsten verschenen Fortsatz aus. Die Unterseite des Hinterleibes trägt zwei winzige Haftnäpfchen und zeigt nach vorne von denselben, zwischen den Epimeren des hinteren Fusspaares das männ- liche Glied. Dieses sitzt in einer Grube und besteht aus einem haken- förmigen Hauptstücke mit nach vorne gerichteter Spitze und aus zwei Seitenflügeln (Fig. 6.). Die Chitinleisten der Cuticula sind auf der Bauchfläche kaum an- gedeutet, dagegen auf dem Rücken leicht wahrnehmbar. Stets aber sind dieselben schwächer als bei den Weibchen und ohne zahnartige Fort- sätze. Auf der Mittellinie des Hinterleibes (Fig. 4.) erscheint eine band- arlige nach vorn zu gegabelte Verdickung der Guticula, welche dem Weibchen durchaus abgeht. Studien an Acariden. 585 8. FürDarwın. Betrachtungen über dieKlammerorgane mancher Acariden. In seinem schätzenswerthen Werke »Für Darwın« wusste Fritz Mürrer die Abweichungen in der Einrichtung der Athmungswerkzeuge bei verschiedenen Landkrabben zu Gunsten von Darww’s Theorie auf sehr geniale Weise zu verwerthen. Diese Krabben gehören nämlich zu den verschiedensten Familien, deren Scheidung von einander ohne Zweifel in weit frühere Zeit zu setzen ist als die Gewohnheit einzelner ihrer Mitglieder das Wasser zu verlassen. Die auf Luftathmung bezüg- lichen Einrichtungen könnten also nicht von einem gemeinsamen Stamm- vater ererbt, also kaum in übereinstimmender Weisegebaut sein. Fände sich eine solche nicht auf zufällige Aehnlichkeit zurückführbare Ueber- einstimmung, so würde sie als Beweis gegen die Richtigkeit der Darwın- schen Ansichten in die Wage zu legen sein. Frırz MüLzer aber zeigte auf sehr scharfsinnige Weise, wie in diesem Falle der Befund weit ent- fernt solche Widersprüche zu bieten, vielmehr im vollsten Einklange steht mit dem, was sich aus Darwın's Lehre voraussagen liess. Manche Organisationsverhältnisse der Milben lassen sich ganz auf dieselbe Weise zu einer Beweisführung zu Gunsten der Darwın’schen Theorie verwerthen. Als Beispiel davon will ich hier die Aufmerksam-— keit der Morphologen auf die höchst interessanten Einrichtungen lenken, welche bei gewissen Schmarotzermilben zum Anklammern an die Haare des Wirthes dienen. Die Beobachtung lehrt, dass es für parasitische auf Haaren herumkletterndeMilben von der grössten Wichtigkeit ist, eine Vorrichtung zu besitzen, wodurch sie ein Haar ringförmig umfassen können, an dem sie dann mit Hülfe ikrer Bewegungsorgane ohne Gefahr des Herunterfallens auf- und abklettern können. Sie befinden sich in derselben Lage wie ein durch seine Kette an einen frei um einen Mast beweglichen Ring gebundener Affe, der wohl die verschiedensten Künste verrichten, nicht aber sich vom Mast entfernen kann. Nun gehören die verschiedenen Schmarotzermilben sehr verschie- denen Unterfamilien oder gar Familien an und viele dieser parasitischen ‚Gattungen sind mit nicht schmarotzenden Formen viel näher verwandt als mit andern Schmarotzermilben. Es ist mithin für die Descendenz- theorie uumöglich alle parasitischen Milben von einer ursprünglichen Stammform abzuleiten, die sich an das Schmarotzerleben gewöhnt hätte, schon bevor sich die verschiedenen Milbenfamilien von einander ge- schieden. Vielmehr muss diese Theorie annehmen, dass in verschie- denen Familien gewisse Formen sich ganz unabhängig von einander den Verhältnissen des Parasitismus anpassten. Wenn aber diese Theorie zu 996 | Prof. Edouard Claparede, einer solchen Annahme befugt ist, so folgt daraus unmittelbar, dass die Klammerorgane — die als Erzeugnisse des Schmarotzerlebens anzusehen sind — keine Einheit der Bildung zeigen dürfen. Eine tief greifende Uebereinstimmung in den Organisations- und Lageverhältnissen dieser Klammerwerkzeuge würde unstreitig gegen Darwın’s Theorie zu deuten sein. Nun aber finden wir, dass trotz einer oberflächlichen von der physiologischen Leistung der Organe nothwendig herrührenden Aehn- lichkeit die Klammerwerkzeuge der parasitischen Milben einander durch- aus nicht homolog sind und dies spricht offenbar zu Gunsten des Dar- winismus. Ziehen wir zur Rechtfertigung dieser Angabe die auf den Haaren der häufigsten Nagethiere am gewöhnlichsten schmarotzenden Milben, also die Gattungen Myobia v. Hrypen, Listrophorus Pae. und My- ocoptes Crprp. in Betracht. Diese Gattungen begreifen nur solche Milben, die zwar auf der Oberfläche von Nagern schmarotzen, die sich aber niemals in die Haut einbohren. Alle sind mit Klammerorganen zum Festhalten der Haare versehen, die zwar alle gleich zweckmässig erscheinen, jedoch einander durchaus nicht homolog sind. BeiMyobia ist es, wie oben gezeigt wurde, das vorderste Fusspaar, welches die Rolle des Klammerorgans spielt. Bei Myocoptes gehört diese Function dem dritten (Männchen und Larven) oder auch zugleich dem vierten (Weibchen) Fusspaare an. Bei Listrophorus endlich stellt die umge- wandelte Lippe das Klammerorgan vor. Die Gattung Listrophorus wurde von PAGENSTECHER aufgestellt, der uns mit zwei Arten L. Leuckarti und L. gibbus bekannt machte!), welche auch in Genf, erstere auf Hypudaeus, letztere auf Kaninchen sehr häufig sind. Die sehr merkwürdige Bildung der Lippe bei diesen Thieren konnte dem Heidelberger Anatomen nicht entgehen, der sehr richtig die beiden Hälften derLippe als schaufelartige Gebilde bezeichnet (daher Listrophorus —= Schaufelträger). Die Function dieser modi- ficirten Lippe entging aber Paısenstecaer vollständig: »Durch die Art, so »drückt er sich aus — wie diese Organe sich von der Seite darstellen, »könnte man auch leicht bewogen werden, dieselben für sehr kräftige »schabende Werkzeuge zu nehmen, während sie nach dem Bilde, welches »sie nach unten gewähren, in solcher Weise nur noch sehr mässige »Dienste zu leisten im Stande sein dürften, eher vergleichbar häutigen »Kiefern von Insecten.« Aus PAGEnstecaer’s Aufsatz ersehen wir alse 4) Listrophorus Leuckarti ein neues Geschlecht von Dr. H. A. PAGENSTECHER (Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bil. XI. p. 109) — Listrophorus gibbus nebst nach- träglichen Bemerkungen über Listrophorus Leuckarti, von Dr. H. A. PAGENSTECHER in Heidelberg (Ibid. p. 156). ? Studien an Acariden. 537 wohl, , wozu die schaufelartigen Lippenhälften untauglich sind, nicht aber wie dieselben von der Milbe benutzt werden. !) Dass es sich um Klammerorgane handelt, ist aber leicht zu beobachten. Das Thier fasst ein Hypudaeushaar, indem es die concaven vorerst auseinander ge- brachten Lippenhälften (Taf. XXXIX. Fig. 10 ma), um den Haarschaft gegen aneinander drückt (Fig. 14). Das Haar wird demnach von der geschlossenen Lippe ringartig umfasst und das nun sicher angebundene Thier kann sich das Haar entlang vermittelst seiner Füsse auf- und niederbewegen. Die Lippenhälften bewegen sich gegen einander gerade wie Inseetenmaxillen, eine Einrichtung, die trotz ihrer Seltenheit bei Acariden nicht allzu wunderbar erscheint, da die sogenannte Lippe der Milben eigentlich durch die verschmolzenen Gardinaltheile zweier Maxillen entstanden ist. Bei jeder Häutung wird der Listrophorus ganz unbeweglich, nach- dem er ein Hypudaeushaar vermittelst seiner Lippenschaufeln umfasst hat. Dieses Anklammern scheint ein wahrhaft krampfhaftes zu sein, so dass man unter diesen Umständen die Milbe vom Haarschafte ohne Zerreissung durchaus nicht ablösen kann. Es bleibt ja nach voll- brachter Häutung die verlassene Haut am Haare hängen, und trocknet an der Stelle ein; bald wird durch äussere: Einwirkungen diese leere Haut fetzenweise weggerissen, jedoch bleibt regelmässig die dickere Cuticula der Lippe, (der rudimentären Mandibeln und des Epistoms am Schafte sitzen (Fig. 41) als Zeichen der an dieser Stelle früher statt- gehabten Häutung eines Listrophorus. Merkwürdiger Weise wählen die meisten. Listrophorusindividuen zum Festsitzen während der Häutung solche Haare am liebsten, die bereits von anderen Individuen besetzt worden sind. Sie sitzen dann dicht an einander gedrängt, und 4) In diesen interessanten und reichhaltigen Abhandlungen stosse ıch auf manche Angaben und Darstellungen, mit denen ich durchaus nicht einverstanden sein kann. So zeichnet PAGENSTECHER einen Saugnapf jederseits der Afterspalte auch beim Weibchen, während diese Organe den Männchen allein zukommen. In Bezug auf die Generalionsorgane hat aber der Verfasser am meisten geirrt. Wie bei den meisten anderen Milben, so verkennt er auch hier den Geschlechtsporus und die Begattungsorgane. Jenen verlegt er dicht vor die Afterspalle, wo man aber vergebens nach ihm suchen würde, diese verkennt er gänzlich. Die Generalionsöffnung liegt nämlich hier wie bei den meisten Milben zwischen den Epimeren des letzten Fusspaares. Die hier befindlichen Begattungsorgane hält PAGENSTECHER für Chitinleisten, wodurch die Ausdehnung des Körpers beschränkt werde. Die Verschiedenheit des Gerüsles je nach dem Geschlecht scheint ihm kaum aufgefallen zu sein. Dass ihm aber beim Männchen die Ruthe entzehen konnte, ist schwer begreiflich, denn dieselbe wird niemals eingezogen und ragt über die Bauchfläche sehr stark hervor. In der Seitenansicht (Taf. XXXIX. Fig. 42) erscheint sogar dieses Begattungsglied wie eine gefährliche Walle, 958 Prof. Edouard Olaparede, ° man findet häufig solche Haare, die mit einer Reihe von sechs oder gar acht Listrophorusköpfen besetzt sind, während die Haarschäfte mit dem Ueberbleibsel einer einzigen Häutung verhältnissmässig viel seltener sind. In allen bisher angeführten Beispielen waren die Klammerorgane zwar einander — im Sinne der speciellen Homologie — nicht homolog, jedoch immer modifieirte Extremitäten, entweder Füsse oder Maxillen (Lippe). Indessen scheinen mitunter noch ganz andere Körper- theile in Klammerwerkzeuge umgewandelt werden zu können. Dies ist namentlich mit der Aftergegend der Fall. Ich kenne zwar kein ein- ziges Beispiel einer solchen Umwandlung aus eigener Anschauung, jedoch finde ich bei Dusarpın die Beschreibung und Abbildung eines sehr interessanten Falles, der keinen Zweifel zulässt. Es handelt sich um eine Milbe, welche der berühmte Forscher der Gattung Hypopus zwar beizählt, welche aber mit derselben offenbar nichts zu thun hat. Dieses Thier schmarotzt auf der Wurzelmaus (Arvicola subterranea) und zeigt auf der Hinterseite des Hinterleibes zwei gestreifte, schaufel- förmige Lippen, womit es sich an die Haare des Wirthes anklammert. Dusarnın betrachtet — wahrscheinlich mit Recht — diese eigenthüm- lichen Lippen als hervorgegangen aus einer Umwandlung der bei so vielen Milben an den Seiten des Afters vorkommenden Haftnäpfe. Nach der Abbildung scheint dieser Klammerapparat der Gestalt nach eine grosse Aehnlichkeit mit den Lippenschaufeln von Listrophorus darzubieten. Das Postulat der Darwın'schen Theorie ist, wie man aus der vorher- gehenden Schilderung ersieht, vollkommen erfüllt. Die Klammerwerk- zeuge der verschiedenen von einander aller Wahrscheinlichkeit nach nicht unmittelbar abstammenden Milbengattungen bieten wohl eine äussere, durch die Anpassungsverhältnisse leicht erklärbare Aehnlich- keit, gind aber im Grunde durchaus verschieden. Nachtrag. Erst während des Druckes dieses Aufsatzes bemerke ich, dass Leyvis die Gestalt des Exeretionsapparates bei Ixodes testu- dinis und Gamasus coleopteratorum bereits ganz richtig be- schrieben hat {vgl.: Zum feineren Bau der Arthropoden von Franz Leypis , in Mürrer’s Archiv 1855, p. 466). Stndien an Acariden. 539 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXX. Entwickelung von Atax Bonzi CLprD. bl Keimhaut. mo Schale oder Dotterhaut. ıad Mandibeln. mx Maxillen. p!p?p? Die drei Fusspaare. lc Kopfplatten. Ih Leibeshöhle. sp Gemeinschafiliche Anlage der Speise- dm Zwischenhaut. röhre und Nervensystems, df Dotterfirste. bw Bauchwulst. sz Stirnzapfen. ag Einknickung des Bauchwulstes. amb Haemamoeben. oc Augen. 4. Das abgelegte Ei von der rechten Seite. °2%/,. 2. Das Ei nach Bildung der Keimhaut von der rechten Seite. 2%/,. 3. Das Ei mit der ersten Andeutung der Segmente von der rechten Seite. 2%/,. 4 bis 6. Das Ei von der rechten Seite zur Veranschaulichung der Bildung 8 © der Gliedmaassen. ?%/,. . Dasselbe Stadium wie Fig. 6 von der Rückenseite. 20/,. Dasselbe von der Bauchseite. 2%),. Das Ei von der Rückenseite zur Zeit der grössten Ausbildung der Kopf- platten. 2%). 10. Dasselbe von der rechten Seite. 2%),. 44. Weiter entwickeltes Ei mit Faltenbildung der Zwischenhaut. 2%/,. 12. Dasselbe von der rechten Seite, 2%/,. 13. Das durch Sprengung der Eischale zu Tage tretende Deutovum. 25/,. 44: Das Deutovum von der‘linken Seite. 25). Tafel XXX1I. Entwickelung von Atax Bonzi. R Rüssel der ersten Larve. R! Rüssel der zweiten Larve. p!p?p3 Füsse der ersten Larve. P! P2 P3 P4 Füsse der zweiten Larve. bs! Vorderstück des Bauchschildes. ds? Hinterstück des Bauchschildes. ng Nervenganglion. rs Rückenschild. h Lebermagen. h! Seitenfortsatz des Lebermagens. ex Excretionsorgan. an After. «aß Die Borsten am Rüssel. A Die hakenförmigen Mandibeln. y Die langen Afterborsten. y! Die Ansatzwarzen der langen After- w Mundöffnung. borsten. Die übrigen Bezeichnungen wie auf voriger Tafel. 1. Das Deutovum sogleich nach dem Sprengen der Eischale von der Rücken- seite gesehen. 28/,. 2. Deutovum von der linken Seite zur Zeit der Bildung des Se 540 0 1 9 Prof. Edouard Claparede, . Deutovum von der Bauchseite. Der Rüssel ist ausgebildet und die Chitin- schilder werden angelegt. /,. . Deutovum nach vollständiger Ausbildung der Chitinschilder. Rücken- ansicht. ;j,. . Dasselbe in der Bauchansicht. 3;j,. . Ausgeschlüpfte erste Larvenform. %/,. . Die zur eiähnlichen Gestalt zurückgekommene Larvenhaut mit darin ein- geschlossener zweiter Larvenform von der Rückenseite. /,. . Aehnliches etwas älteres Stadium, Bauchansicht. 2&j/,. . Rüssel der ersten Larvenform von unten. 3j/,. . Isolirte Mandibel der ersten Larvenform. 3j,. . Rüssel einer noch weichen, innerhalb der ersten Larve eingeschlossenen zweiten Larvenform 3%)... . Endglied eines Tasters der reifen Atax Bonzi. 65/,. . Samenzellen aus der Markschicht der Hoden. 12%/,. . Zellen aus der Rindenschicht eines Hodens. %/,, Tafel XXXIH. Entwickelung der Atax Bonzi. P!—P:% Füsse des ausgebildeten Thieres. mzt Maxillartaster. hd Hautdrüsen. hpd Hypodermis. an After. osm Osmiumblasen. msc! ns? Zwei von der Bauch- zur Rückenfläche reichende Muskeln. ms? Augenmuskel. msc* Muskel an der Bauchseite des Abdomens. {!? 2 Die drei Hodenpaare. - ac Haftnäpfe der zweiten Larvenform. ac! ac? Die beiden Gruppen von Haftnäpfen beim ausgebildeten Thiere. pp Die Chitinfalten am Geschlechtshof der ©. - gt Tropfen einer zähen Substanz. v Vulva (geschlossen). vp Scheidenklappen. ch Haare an der Spitze der Scheidenklappen. ve Klaffende Vulva. Ep! Vordere Epimerenplatte. Ep? Hintere Epimerenplatte. epd Epidema. Die übrigen Bezeichnungen wie auf den vorigen Tafeln. . Zweite Larvenform (Hautskelet) von der Bauchseite. 19,. . Zur eiähnlichen Gestalt zurückgekehrie zweite Larvenform mit der darin eingeschlossenen Anlage des reifen Thieres von der Rückenseite. 12/,. 3. Dieselbe von der Bauchseite. 13/,. . Reifes Männchen in der Rückenansicht. 1®j/,. Fig. 5 ie. 6 Fig. 7 Fig. 8 Bi. Fig. 40 Fig. 44 Fig. 42 Fig. 43 Fie. 1. Fig. .; 2. Fig Fig. 4 Fig. 8 Fig. 6 Fiei:i 7 Fie.:. 8. Fig. 9 Fig. 10. Fig. 44 ‚Fig. 412 Fig, 43. Fig. 44. Studien an Äcariden. 541 . Hinterende eines reifen Weibchens von der Bauchseite. 125/,. . Dasselbe etwas zerdrückt mit klaffender Vulva. 13/,. | . Hinterende eines reifen Männchens von unten. 180/,. . Endglied eines Fusses mit ausgebreiteten Flügelfortsätzen von der Streck- seite (zweite Larvenform). 380/,. . Dasselbe von der Seite (reifes Individuum). ?&/,. . Dasselbe mit zurückgeschlagenen Krallen. 36J,. . Dasselbe von der Beugeseite. 36jJ;. . Vier Haemamoeben. 580/,. . Mandibel eines reifen Individuums. #%/,. Pr Tafel XXXII. Zur Anatomie der Gattung Atax. Viernäpfige Larve von Atax crassipes von unten. a Gliedfortsatz mit Haargelenk ; m die sich an die Epimerenplatten ansetzenden Muskeln der Füsse; epd Epidema zum Ansatz von Muskeln des zweiten Fusspaares ; gl hintere Papillen mit der Mündung einer Drüse. 18/,. Der Fortsatz am zweiten Glied des‘ Vorderfusses von demselben stärker vergrössert; a Grube zur Aufnahme des Haares bei grösstmöglicher Streckung desselben. 3. Die Haarspitze sehr stark vergrössert. . Ein Haftinapf von Atax ypsilophorus. aChitinöser Napf; 5 weicher, eontractiler Schlauch, der sich durch die am Grunde des Saugnapfes ge- legene Oefinung o zum Napf herausstülpen kann. 24%/,. . Hinterende eines Weibehens von Atax cerassipes von der Bauchseite. v Vulva; m Zurückziehmuskel der drüsenhaltigen Papille gl; f Mündung einer Haardrüse ; Ep hintere Epimerenplatte; ov reife Eier. 177/ı. . Eine der hinteren Papillen von Atax crassipes mit der entsprechen- den Drüse. 3%/,. Eine Haardrüse von Atax crassipes. 55). Hinterende von Atax ypsilophorus von der Bauchseite; ®» Eingang zur Vulva; gp Genitalplatten. 30%/,. . Dasselbe zerdrückt, um die beiden Genitalplatten in toto zu zeigen. Die Anzahl der Haftnäpfe ist auf der rechten Platte grösser als auf der linken. aAfter. 15/,. | Ein Theil eines Hinterfusses von Atax ypsilophorus. a Doppelkralle; b Seitenflügel zum Schutze derselben während der Retraction; c die bei- den eigenthümlichen kolbigen Haargebilde; m Beugemuskel der Doppel- kralle; it! dessen obere Ansatzsehnen;, 2? dessen untere zur Kralle sich begebende Sehne, m? Retractor der Kralle. 20/.. . Eines der beiden kolbigen Haargebilde an den Seitenflügeln des Endgliedes der Füsse. Ebendaher. 50%/,. . Eines der Härchen am Endglied der Füsse, mit Gelenkwärzchen. 5W%/,. Maxillartaster von Atax ypsilophorus. Die polygonale Zeichnung der Hülle wurde an den drei oberen Gliedern weggelassen. a, b, c die drei auf Höckern sitzenden Härchen ; m Muskeln, £ Sehnen. 13%/,. Eine Mandibel von Atax ypsilephorus. 38%/,. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 35 542 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 45. 16. Prof. Edouard Glaparede, Ein Muskel aus den Füssen von Atax ypsilophorus. m Muskel; b die zu einer Sehne (ft) zusammentretenden Chitinstäbe. 30/,. Hintertheil einer in der Verwandlung begriffenen zweiten Larve von Atax Bonzi von der Rückenseite gesehen. ZL Die zur Hülle des ausgebildeten Thieres (4) gewordene Larvenhaut; hd Haardrüsen; ex Excretionsorgan; an After; h Leber; A! deren Hinterlappen , -A? nach der Bauchseite um- geschlagenes Leberläppchen ; amb Haemamoeben. 130),. Tafel XXXIV. Entwickelungsgeschichte von Hoplophora contractilis. . Ein aus dem Mutterleibe herauspräparirtes, in der Entwickelung be- griffenes Ei. a Halbmondförmige verdickte Ealte an der Eihaut; vt Dotter; rv Bauchwulst; Ic Kopftheil. 220). . Dasselbe bei weiter fortgeschrittener Entwickelung; a und vt wie vorhin; md Anlage der Mandibeln; mx der Maxillen; P1iP2P3 der Füsse; pg des Pygidiums. 220). . Vierfüssige acarusmässige Larve von der rechten Seite. 5}. . Dieselbe in der Rückenansicht , « Grundglied der Mandibel. 3/,. . Ausgebildete Larve. «After; v Geschlechtsöffnung mit ausgestreckten eylindrischen Haftpapillen; ep Epidema; m Muskeln; %k Kothballen; amb Haemamoeben. #;/,. . Vorderende der Larve von der linken Seite. a Linke, a! rechte Scheeren- mandibel, 5 linker, 5! rechter Maxillartaster; ce! Cardinaltheile der Maxillen (Lippe) ; ep Epistom; Pl linker Vorderfuss. 6. . In der Verwandlung begriffene Larve. A Larvenhülle; B die in derselben enthaltene, noch weiche Hoplophora. 3j,. . Weiche, farblose aus der Larvenhaut eben ausgekrochene Hoplophora mit klaffenden Genitalplaiten und ausgestreckten Haftpapillen. «a Genital- platten; a! Afterplatten; 5 Vorderschild; c Rückenschild ; d Athmungs- organ; md Mandibel; mx Maxille (Lippenhälfte). #/. . Ausgebildete Hoplophora mit angedrücktem Vorderschild von der ‚linken Seite gesehen. Buchstaben wie bei Fig. 8. #%j,. . Ausgebildete Hoplophora mit gelüftetem Vorderschild in der Rückenlage. Bezeichnungen wie bei Fig. 8. 3%. . Vorderfuss einer ausgebildeten Hoplophora. Dj. . Rüssel einer ausgebildeten Hoplophora von der Bauchseite gesehen. a Cardinaltheil der Maxillarlippe; a! maxillenartiger Fortsatz desselben ; b Maxillartaster; ce Ligula; d Gelenkfortsatz. 6&j,. . Scheerenmandibel von Hoplophora contractilis; «a Endglied (unterer Scheerenarm) derselben. 13/,. . Vorderende einer ausgestreckten Hoplophora von der rechten Seite. a Cardinaltheil der Maxillarlippe; db der theilweise durch das Vorder- schild schimmernde rechte Maxillartaster ; e Scheerenmandibeln ; d Vor- derschild; e Vordertlheil des Rückenschildes ; flanzenförmige Borste am Luftstigma; g Grube zur Aufnahme derselben. 38/,. . Ein Stück des Randes des Vorderschildes von unten gesehen. a Peritrema ! des Luftstigma; db lanzenförmige Borste; c die drei Respirationstaschen ; d Verdickter Rand des Vorderschildes. 1235/,. Studien an Acariden. 543 Taf. XXXV. Verwandlungsgeschichte von Hypopus Dujardinii. Fig. A. Reifes Weibchen in der-Rückenlage. «a Afterspalte; 5 Haftnapf; v Vulva; ex Excretionsorgan ; ov Reifes Ei. 6). Fig. 2. Vierfüssige Larve in der Bauchlage. 130),. Fig. 3. Dieselbe in der Rückenlage. «a Die beiden Saugnäpfe an der Geschlechts- spalte. 15/,. Fig. 4. Eine Larve mit darin auftretendem Hypopusmännchen in der Seiten- ansicht. 130/,. Fig. 5. Aehnliches Verwandlungsstadium in der Rückenlage. 210). Fig. 6. Freigewordenes Männchen ın der Rückenansicht. a Rückenschild; e Rückenschild ; e Streifiger Gelenksaum am Rückenschild, h Leber oder Fettkörper ; ex Excretionsorgan. 210/,. Fig. 7. Dasselbe von der rechten Seite; a und c wie vorhin; Dd Bauchschild ; d Streifiger Saum an demselben; f dreieckige Lippe. 210). Fig. 8. Dasselbe in der Bauchansicht; db, d und f wie vorhin; g Genitalplatten ; ep dreieckige durch die vereinigten Epimeren der Vorderfüsse gebildete Platte; ex Excretionsorgane. 210). Fig. 9. Copulationsapparat eines reifen Weibchens. a Die beiden chitinösen Schamlippen; D Strahliger Faltenkranz des Scheidencylinders; cc! die zurückgezogenen Saugnäpfe. 260/,. Fig. 40. Hervorgestülpter Scheidencylinder in der Profilansicht; «a Scheiden- eingang; bb! die hervorgestülpten Saugnäpfe. 47/,. Fig. 41. Ein Excretionsorgan eines Weibchens; a Membranöse Wand; Db Zähe Secretmasse; ce Mündung des Ausführungsganges nach aussen; d Rand des Abdomens. 180/,. Fig. 12. Vorderfuss eines Männchens. a Langgestielier Saugnapf. 300),. Fig. 43. Endglied eines Vorderfusses beim Weibchen, a eigenthümliches Haar- gebilde. 180/,. Tafel XXXVI. a Entwickelungsreihe von Myobia musculi; 5bHoplophora contractilis. ov Eihaut oder Schale, vt Dotter, bb Keimhaut, Ic Kopfplatte, md Anlage der Mandibeln, ma Anlage der Maxillen, p!-»p3 Anlage der Füsse, RR Rüssel, ia Anlage des Vorderdarms, ex Excretionsorgan, dt Membran des Deutovums, tt Membran des Tritovums, a Rückenzahn, d! Bauchzahn, pr Stechender Rüsselapparat, st Magen. \ Fig. 4. Ein Ei von Myobia mit Andeutung einer Segmentbildung (!— 5). 39/1. " Fig. 2. Das Ei zur Zeit des Hervorkeimens der Gliedmaassen, von der rechten | Seite gesehen. 35/,. Fig. 3 und 4. Das Ei von der rechten Seite bei allmählicher Wanderung der Gliedmaassen nach dem Vorderpol zu. 3j/,. 36* Prof, Edouard Clapar&de, . Das Ei nach der Bildung des Rüssels durch Verschmelzung der Mandibel- und Maxillenanlage. Rückenansicht. 38;/,. . Der Embryo in der Profilansicht nach dem Verstreichen der an die Bauchfläche angedrückten Fussanlagen. 35),. 7. Dasselbe in der Bauchansicht. 38j/,. sh. Hu, Ab, AR .A8, . 4193: Die . Das in der Eischale wie in einem Eibecher sitzende Deutovum. Rücken- ansicht. 35/,. . Das Deutovum in der Profilansicht, zur Zeit, wo sich die Gliedmaassen von der Bauchfläche wieder abheben. 385j,. . Dasselbe in der Bauchansicht. 385/. . Der Embryo im Deutovum mit an die Bauchfläche wieder angedrückten Gliedmaassen. Bauchansicht. 3j/,. . Das durch die Deutovummembran durchbrochene Tritovum in der Rückenansicht. 35jJ,. . Dasselbe zur Zeit der Bildung des stechenden Rüsselapparates. Rücken- ansicht. 385j. Die aus dem Tritovum seit kurzer Zeit hervorgekrochene sechsfüssige Larve. 38/,. Hoplophora contractilis in der Rückenlage. 12/.. Dieselbe in der Bauchlage. 12). Dieselbe in der Profilansicht. 12/ı. Dieselbe mit angedrücktem Vorderschild in der Profilansicht. 12/,. Ein Fuss derselben Hoplophora. 30/J;. Figuren 45 bis 19 verdanke ich dem Herrn Prof. Max PErTy in Bern. Tafel XXXVIL. Fig. 1—4 betreffen Myobia musculi, P! bis P& die vier Fusspaare, R die stechende Rüsselbewaffnung. . Myobia musculi © von der Bauchseite. Pr seitlicher Fortsatz ; st Ma- gen; ex Excretionsorgan; tr Luftröhren ; ov Ovarium; 00 ein im Wachs- thum begriffenes Ei; ad Fettkörper. 25). . Dieselbe in der Rückenansicht. sig Luftstigmen;; ir Luftröhren; v Vulva; uc Geschlechtshaken ; an After. 172). . Myobia musculi & in der Rückenansicht. pa Afterfortsatz; p Ge- schlechtshügel und Porus; r Ruthe. 17/,. . Vordertheil einer Myobia von der Bauchseite Das Thier hat sich ver- mittelst des rechten Klammerfusses an ein Haar seines Wirthes festgehakt. a Rüssel; db rudimentäre Maxillartaster; ce Mandibularscheide (Epistom ?) ; m nadelförmige Mandibeln; s! Basalglied des Klammerfusses; s? Zweites Glied desselben mit seinem Zahnfortsatz d; s? hakenförmiges Endglied; C Haar eines Hypudaeus. 50/,. . Copulationsapparat von Hoplophora contractilis bei klaffenden Genitalplatten. A Linke Genitalplatte; a Copulationsglied (Scheide) ; b, b! die herausgestreckten Haftpapillen. 135). . Hypopus Dugesii. Männchen von der Bauchseite. 270/,. 7. Hinterende von Tetranychustelarius @ in der Profilansicht. a After- „ papille. Fig. Fig. Fig. Studien an Acariden. 545 Tafel XXXVIII. Tyroglyphus und Rhizoglyphus. 4 bis5. Der Embryo von Tyroglyphus siro im Ei. md (md! rechte, oe oa no a = w m BD md2 linke) Mandibularanlage; mx Maxillenanlage; P! P2 P3 Anlagen der drei Fusspaare; R Rüssel; p Maxillartaster; v£ Dotterrest. . Sechsfüssige Larve von Tyroglyphus siro; a provisorischer Brust- stiel; 5 Kothballen. . Rhizoglyphus Robini in der Rückenansicht. . RhizoglyphusRobini ä in der Bauchansicht. . RhizoglyphusRobini © in der Bauchansicht. Au SR SE Ruthe von Rhizoglyp.hus Robini. Endtheil des Vorderfusses von demselben ; a lanzenförmige Borste, Tafel XXXIX. Myocoptes musculinus und Listrophorus Leuckarti. . Larve von Myocoptes musculinus in der Rückenansicht. «a Die beiden Exeretionsschläuche ; b deren gemeinschaftlicher Theil. #8/,. Reifes Weibchen von Myocoptes in der Bauchansicht. a After; v Vulva; n Nervensystem ; st Magen, oo im Wachsthum begriffenes Ei. 33/,. . Dasselbe von vorne gesehen mit geschlossenen Klammerfüssen. 39),. Myocoptes musculinus 5. Rückenansicht. 38j,. . Dasselbe. Bauchansicht. 38),. . Ruthe von Myocoptes in der Profilansicht. 585/,. . Endstück eines Hinterfusses von Myocoptes $. Profilansicht. 385/,. . Klammerfuss von demselben. a Profil-, b Seitenansicht. 50/,. . Rüssel von Myocoptes musculinus von der Bauchseite gesehen. a Maxillarlippe; 6 Taster; ce Mandibel. 500),. . Listrophorus Leuckarti 5 in der Bauchansicht; ep Epistom; ‘md rudimentäre Mandibeln; m& schaufelförmige Maxillen; r Ruthe; ac Haftnäpfe; a Afterspalte. 3%). . Vordertheil eines an einem Haare von Hypudaeus hängenden Listro- phorus. .EpEpistom; mx die um das Haar zusammengeschlagenen Hälften der Maxillarlippe. 3%). . Ein Theil eines Listrophorus dä in der Profilansicht (rechte Seite). P3 Drittes Fusspaar ; Ep3 dessen Epimer ; Pt viertes Fusspaar ; Ep* dessen Epimer; r Ruthe. 36;/,. Tafel XL. Tetranychus telarius. . Ein Ei mit oberflächlichem einzelligen Bildungsdotter. 30%,. . Dasselbe nach der Theilung des Bildungsdotters in zwei Zellen. 350/,. . Dasselbe im Stadium des achtzelligen Bildungsdotters. 30/,. Dasselbe nach fortgeschrittener Theilung der Zellen des Bildungs- dotters. 30). Dasselbe bei vollständiger Bildung der Keimhaut. 350/,. 546 Prof. Edouard Glaparede, Studien an Acariden. Fig. 6 bis 12. Entwickelungsreihe des Embryos. md Mandibel; mx Maxille; P!—P3 Füsse ; a Auge; b Kapsel nebst birnförmigem Körper; d der sich zur Leber umbildende Dotterrest, f Falten der Dotterhaut mit Luftein- schluss; ex Excretballen. 350/,. Fig 6 bis 9 und Fig. 41. Der Embryo von vorne gesehen. Fig. 40. Der Embryo von der linken Seite. Fig. 42 und 13. Der Embryo von der Rückenseite. 3%). Fig. 44. Sechsfüssige Larve in der Bauchlage; tr Tracheenstamm; ex Excret- ballen. 28%). Fig. 15. Das Männchen in der Bauchlage ; st Luftstigma , md nadelförmige Man- dibeln; ex Excretballen. 212/,. Fig. 16. Der Rüssel von unten. 37J,. Fig. 17. Der Rüssel schräg von der linken Seite gesehen. md Mandibeln,; v deren Scheide; ep Epistom; p Taster; ! Ligula. 5W/,. Fig. 18. Hintheil des Abdomens beim Weibchen. Bauchansicht. a Afterpapille mit Afterspalte; c Geschlechtshof; b Vulva. 30/,. Fig. 419. Endglied eines Fusses. 560/,. Fig. 20. Hintertheil des Abdomens beim Männchen. Bauchansicht. «a Ruthe; bSamenblase; ce Hoden; d After. 315). Fig. 21. Samenzellen aus dem Hoden. 57J:. Reitsche f wiss.Rool Ba AV]ll. EA Dlaparcdo delt a Sn a ‚Ba. XV. Zeitschr. f; wiss.Zool. > in Aue I@ Buch Lapng hr ar = ve S 3 B42//M Zool. Bd. JE m15S. Ar Zeitscı Eillaparzäe ar Lich Ansun),0.Bach, Deinaj; ae Lin Anst v0 Ban Lüpzig ü . 3 Den er RB FRE nn u „er atschr. fi wuss. Zool, Bel AVID: 2 1 Buch Li = 53 E | & 7 N J | Al : . S . Ei .OIparade da 7 Zeitschr. f vviss. Zool. Bad II. Taf XIXIX., Lith.Anst.ud.G. Bach Leipzig, Per Ah PS | Ai 6, 2 ee ee Fe - en } en ; - \ | vo e; a ee \ RS, AN RUN Zeitschr f wiss Zadl. Bal KV: Lit AnstnA0 Bass, Lee, Zur Entwickelungsgeschichte des Regenwurms (Lumbricus agricola Hoffm.). Von Fritz Ratzel und Dr. M. Warschawsky. Mit Tafel XLI. A. Die Eiablage. Die Eier von Lumbricus werden in der Zahl von 2—6 in ein gemeinsames Cocon abgelegt, welches von dem sogenannten Gürtel gebildet wird. Dieser Gürtel ist das Product der Hautdrüsen mehrerer Segmente, welche denjenigen Segmenten, welche die samen- und eierbereitenden Organe einschliessen, nahe liegen. Sollen die Eier ab- gelegt werden, so wird dieser Gürtel durch heftige Bewegungen des Körpers nach vorn, also über den Kopf weg abgestreift und nimmt wohl auf sich, eingehüllt in der sehr zähen, gelbbraunen Eiweissmasse, die Eier und ein Bündel Samenfäden mit, welches aus einer der Samentaschen beigegeben wird. Ist der Gürtel vom Körper abgestreitft, so schliesst er sich an den beiden offenen Enden durch Zusammen- faltung, wodurch an diesen eine Art Nabel entsteht, und umgiebt nun sänzlich wasserdicht seinen Inhalt. Bemerkenswerth ist, dass der Wurm, nachdem er den Gocon gebildet, auf dessen jetzt noch weicher, weisslicher Masse mit den Lippen herumtupft, wahrscheinlich um dem Werk die letzte Vollendung zu geben. Raruke!) berichtet ähnliches von Nephelis, von welcher er auch die Bildung des Gürtels ähnlich beschreibt. Das so gebildete Cocon bildet nun einen meist ziemlich regelmässigen, eiförmigen Körper, an beiden Polen genabelt, von gelber Farbe und lederartiger Gonsistenz, dessen Grösse für die Art, welche 4) Entwickelung der Hirudineen. p. 5 und 6. 548 Fritz Ratzel und Dr. N. Warschawsky, wir vorzugsweise im Auge haben, Lumbricus agricola Horrm., den Durchmesser ven 3 Mm. nicht überschreitet. — Alle Lumbrieiden scheinen ihre Gocons am liebsten in Wasser oder an sehr feuchte Orte abzulegen: wo eine Pfütze in der Nähe ist, wird man in der Erde ver- gchens nach denselben suchen, während man auf dem Grunde der Gewässer sie nie vergebens . Ueber das oben erwähnte Bündel Semenkı wäre noch zu be- merken, dass es in eine weisslich glänzende, gallertige Masse eingehüllt ist, mit welcher es einen Klumpen von 0,17 Mm. Durchmesser bildet; Reste solcher Gebilde, die man füglich Spermatophoren nennen kann, findet man oft noch neben dem schon weit entwickelten Embryo. Ob diese Samenmasse längere Zeit vor der Eiablage in die Samentasche eingebracht wurde, oder ob die Befruchtung derselben kurz vorher- geht, konnte nicht nachgewiesen werden; da man aber so häufig die Samentaschen von Samenfäden erfüllt findet, erscheint das Erstere wahrscheinlich. 2. Die Dotterzerklüftunse. Die Eier, welche man in einem solchen CGocon findet, sind aus einer grauweissen Körnchenmasse gebildet und von einer feinen Mem- bran umgeben; sie umschliessen ein sehr deutliches Keimbläschen, das seinerseits einen Keimkern mit einem oder zwei Keimflecken ent- hält. Die Grösse der Eier ist nicht allein für dieselbe Art, sondern sogar für die gleichzeitig von demselben Individuum Abo gten ver- schieden; als mittlere Länge kann man 0,13, als Breite 0,1 Mm. an- nehmen; die Grösse des Keimbläschens ist dagegen constanter, es hat einen Durchmesser von 0,02 Mm., der Keimkern von 0,006 Mm. Von den Eiern eines Gocons entwickelt sich in der Regel nur eines; unter mehreren hundert Cocons die wir öffneten, wurden nur zwei Fälle beobachtet, in denen in einem CGocon zwei Embryonen sich befanden. Die Eier, weiche nicht zur Entwickelung gelangen, behalten ihr Keim- bläschen, das jedoch bald undeutlich im Umriss wird, als solches; aber sie sind an eigenthümlichen Faltungen der sie umgebenden Eihaut leicht als dem Untergange geweiht zu erkennen, obwohl man sie als geschrumpfte, hlasse Körper oft noch in sehr späten Stadien des Embryonallebens antrifft; endlich werden sie dann vom Embryo aul- gezehrt. Was nun die Entwickelung des befruchteten Eies anbelangt, so beginnt diese mit dem Untergang des Keimbläschens, oder besser mit dem Aufgeben von dessen bisher so scharf umschriebener Form, ausser- dem mit der Bildung eines helleren, nicht sehr breiten Streifens, welcher Zur Entwickelungsgeschiehte des Regenwurms, 549 in der: Mitte des Eies auftritt und sich nach beiden Seiten hin ver- längert, ohne den Rand zu erreichen. Fig. 1 stellt dieses Stadium dar. Das Keimbläschen ist als stark lichtbrechender, unregelmässig strahliger Fleck etwas excentrisch gelegen; nach unten von ihm der erwähnte Streif, dessen Ränder ziemlich parallel verlaufend, ihm ein regelmässig bandartiges Anschen verleihen. Dieser Streif hat seiner ganzen Be- schaffenheit nach eine eigenthümliche Masse zur Grundlage, und ist nicht ausschliesslich das Resultat des Auseinanderweichens der Dotter- substanz an dieser Stelle. Seine Bedeutung ist nicht klar geworden, er verschwindet nach dem in Fig. 2 dargestellten Stadium ohne Spur, wenn nicht vielleicht die in Fig. 5 angedeutete Zweitheilung des Zer- klüftungsproduets auf ihn zurückzuführen ist, was den Grösse- und Lageverhältnissen nach nicht unwahrscheinlich ist. Die weitere Veränderung stellt Fig. 2 dar. Sie besteht im Deut- licherwerden und der Verlängerung des erwähnten hellen Streifens und im Auftreten einer Anzahl von eben so hellen, runden Flecken, deren mittlerer Durchmesser 0,013 Mm. beträgt, und welche kugeligen Aussonderungen plasmatischer Masse im Innern des Dotters ihr Dasein verdanken. Die Lagerung dieser Bildungen zeigt eine gewisse Regel- mässigkeit in der Hinsicht, als sie nicht in der Peripherie des Eies vor- kommen, sondern drei deutliche Gruppen vor, über und unter dem hellen Streifen bilden. Das Keimbläschen ist in ähnlicher Erscheinung wie auf der vorigen Stufe vorhanden. Fig. 3 stellt Keimbläschen und hellen Streif als sändich ver- schwunden dar, dagegen haben sich die hellen Kugeln im Innern des Eies sehr stark vermehrt, sind in demselben nach allen Richtungen hin verbreitet und geben seinem Umriss ein welliges Ansehen. Das äusserlich hervortretendste Moment der Unterscheidung von den vorher- schenden Stufen ist die Bildung eines ziemlich beträchtlichen Zwischen- raumes zwischen Ei und Eihaut, welche durch die Ausdehnung der letzteren vorzüglich, in sehr geringem Grade durch eine Zusammen- ziehung, welche das Ei erleidet, zu erklären ist. Die Flüssigkeit, welche diesen Raum ausfüllt, ist von gallertiger CGonsistenz,, sie stammt ohne Zweifel von dem Eiweiss, das das Ei umgiebt, ab, unterscheidet sich nunmehr aber von ihm durch vollkommene Farblosigkeit. In dieser | Flüssigkeit schwimmen ein oder zwei Körperchen, offenbar dem Ei ursprünglich angehörig, die man als Gallertklümpchen bezeichnen kann, welche mehrere Dotterkörnchen einschliessen ; ihr Durchmesser ist nie mehr als 0,01 Mm. Diese Körperchen sind ohne Zweifel identisch mit | dem, was man nach Frırz Mürner’s Vorgang Richtungsbläschen genannt | hat; wir stimmen in Bezug auf ihre Entstehung vollkommen mit dem 550 Fritz Ratzel und Dr. M. Warschawsky, überein, was Rarnke über sie sagt, dass sie nämlich einen aus der Doitermasse durch Zusammenziehung dieser ausgetriebenen flüssigen Bestandtheil darstellen. !) Fig. 4 stellt einen dem eben beschriebenen ganz ähnlichen Embryo, aber in etwas anderer Lage dar, was in Fig. 3 dem Beschauer entgegensieht, das ist hier nach oben gewendet; es stellt sich dadurch die Keilform des Eies klar vor. Offenbar hat die Zu- sammenziehung hier in einer Richtung vorwiegend gewirkt und wurde dadurch eine Seite des Eies gleichsam abgeschrägt. Der mittlere Durch- messer des Dotters ist nunmehr 0,12 Mm. in der Länge und 0,08 Mm. in der Breite; der Durchmesser des ganzen Eies dagegen ist nun ziem- lich constant bis zum Verschwinden der Hülle 0,16 Mm- Die vierte Stufe (Fig. 5) zeigt die Dottermasse in der Bildung der »hellen Kugeln« untergegangen. Nun ist das Ganze ein Haufe von Ballen, oder vielmehr zwei Haufen, nämlich ein kleinerer einem grösseren gleichsam aufsitzend, von ihm durch eine leichte Abschnürung getrennt, das ganze annähernd einer Kugel von 0,072 — 0,09 Mm. Durchmesser entsprechend. Die Ballen messen 0,04 — 0,015 Mm. und entbehren, obwohl gegen Druck sehr resistent, offenbar einer Hülle, wie ihr durch Grübchen und Einschnitte unregelmässiger Umriss anzeigt; sie erscheinen im Gegentheil wie aus einer festen Gallertmasse heraus- geschnitten und schliessen je einige Dotterkörnchen ein. Trotz der anscheinend lockern Zusammensetzung hat das ganze Gonglomerat eine constante Form; eine Zwischensubstanz, die die einzelnen Ballen ver- bände, ist nicht vorhanden. Wohl schwimmen einige Ballen losgelöst in der farblosen Eiweissmasse, aber bei der festen Form des Dotters darf man wohl annehmen, dass sie in die Kategorie der Richtungs- bläschen, d. h. von bei Zusammenziehung ausgestossenen Theilen gehören. Die vier nun folgenden Entwickelungsstufen zeigen den Zerfall des Dotters in seine Elemente und die Bildung gänzlich neuer (d. h. was die Form anbelangt) Dinge. Fig. 6 zeigt das Dotterballeneonglomerat aufgelöst und theilweise zerfallend; es sind einzelne Ballen nicht mehr zu unterscheiden, sondern das Ganze ist eine ziemlich blasse Masse von wenig scharfem, unregelmässigen Umriss, welche mit Dotter- körnchen erfüllt ist; einige Stücke sind im Begriff sich abzulösen. Im Innern des zerfallenden Dotters aber bemerken wir zwei neu gebildete Körper, gebildet durch kugelförmige Ansammlung dunkler Körnchen; die dunkle Farbe dieser Kugeln und der Umstand, dass sie durch einen sie umgebenden, hellen Raum wie durch einem Hof von der übrigen Masse abgegrenzt sind, macht sie aus dieser scharf sich abheben. Indessen 1) Raruxe, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Hirudineen. S. 8, 9. Zur Entwickelungsgesehichte des Regenwurms. 551 sind sie wohl kaum als von Bedeutung zu erachten, sondern als Er- scheinungen, die in besonderer Weise den Zerfall des Dotters begleiten. Die nächste Figur (7) zeigt uns den Zerfall fortgeschritten. Die helle Eiweissmasse, welche zwischen Dotter und Eihaut sich befindet, ist von einzelnen Dotterkörnchen ganz erfüllt, der Umriss des Dotters ist noch viel unregelmässiger und zerrissener, als vorhin, er erscheint wie ein Gerüst aus ziemlich fester Masse, aus dem der Inhalt (die Körnchen) ausgefallen ist, denn unter Druck entfernen sich die Körnchen von ihm und entblössen seine zerrissenen CGontouren; das Ganze ist dabei in zwei ungleich grosse Theile zerfallen, welche jedoch zusammen einen grösseren Durchmesser haben (wie das auch für die vorige Stufe gilt), als das ursprüngliche Ballenconglomerat. Der kleinere Abschnitt zeigt einige Gruben, wie wenn aus ihm grössere Körper ausgefallen wären, sollte dieses auf, die vorhin erwähnten kugelförmigen Anhäufungen von dunkeln Körnchen zu beziehen sein ? In Figur 8 haben wir zugleich mit dem Bild des Zerfalls das der Neubildung. Der Dotter ist hier völlig Ruine geworden; alle seine Umrisse sind zerrissen und zerklüftet, seine Oberfläche von Höhlen und Schrunden durchsetzt, er geht der völligen Auflösung entgegen, während um ihn her und noch mehr gegen die Peripherie des Eies hin die Neubildung in vollem Zuge ist. In der den Dotter umgebenden Eiweissmasse sind nämlich die Dotterkörnchen fast gänzlich aufgelöst, so dass sie eine zwar trübe aber ziemlich homogene Masse darstellt; dagegen sondern sich in ihr hellere Kugein von geringem Durchmesser ab, welche zwar in ihrer Form schon zu erkennen, aber von schwachem Umrisse sind, so dass sie mehr den Eindruck hellerer Flecken in der dunkleren Grundmasse machen. Gegenüber dieser beginnenden Neu- bildung ist die weitere Auflösung des Dotterrestes nur noch eine unter- geordnete Sache, und scheint von Zufälligkeiten abzuhängen, wenigstens fand derselbe sich in einer Falle in dem Stadium, welches der Fig. #1 entspricht, während auf der gleich zu erwähnenden, diesem vorher- gehenden Stufe er sich meist nicht mehr nachweisen liess. In Fig. 9 ist die Neubildung weiter fortgeschritten und giebt dem Eiein eigenthümliches Ansehen. Dieses ist nämlich ganz erfüllt von einer grossen Anzahl kleinerer und grösserer, hell weissglänzender Kugeln, die ohne Spur von Kern oder Hülle nur von geringer Menge feinkörniger Masse umgeben sind; ihr Durchmesser steigt von 0,006 bis 0,05 Mm., sie beharren in ihrer Form auch bei gelindem Druck einige Zeit, fliessen aber dann bald in einander. Von der nun folgenden Fig. 10 an haben wir den endgültigen Embryo als deutlich umschriebene Bildung; es ist der mit Z bezeichnete, ° 552 Fritz Ratzel und Dr. M. Warschawsky, eben sowohl durch die scharfen Gontouren seiner ganzen Gestalt als die der ihn bildenden Elemente ausgezeichnet. Seine Form lässt sich am besten bezeichnen als eine Kugel, aus der eine kleinere Halbkugel sich heraushebt; seine Länge ist 0,07, die Breite etwas weniger. Die Elemente, die ihn zusammensetzen, sind scharf eontourirte, kern- und hüllenlose Plasmakugeln von durchschnittlich 0,008 Mm. Durchmesser, deren Inhalt hell ist, wie die verschwindend geringe Masse, in der sie eingebettet sind. Neben diesem designirten Embryo liegen nun noch einige ähnliche Kugeleonglomerate, und zwar in diesem Fall zwei von 0,035 Mm. Durchmesser und eines von 0,02 Mm.; aber die sie zu- sammensetzenden Kugeln sind öfters bedeutend grösser und in jedem Fall blässer und viel weniger scharf umschrieben als die des Embryo; auch sind die Gonglomerate immer ohne Spur von Differenzirung. Sie sind offenbar nichts weiter als einfache Reste der Plasmamassen von der vorigen Stufe und wir treffen sie, immer undeutlicher werdend, auch noch auf den folgenden Stufen der Entwickelung. Die ganze Masse endlich, in welche diese Bildungen eingelagert sind, scheint sich deutlich als Zerfallproduct eines Theils der in Fig. 9 abgebildeten hellen Kugeln zu charakterisiren ; wir sehen nämlich eine Anzahl Kreisförmiger Contouren, welche gebildet werden durch Anordnung der dunkleren Masse um hellere, kreisrunde Flecken, die wohl die Reste der früheren Kugeln darstellen. Die nun folgenden Formen des Embryo folgen deutlich aus der eben beschriebenen. Die wesentlichen Veränderungen sind folgende: Der Embryo ist in Fig. 11 bis zu einem Durchmesser von 0,082 Mm. gewachsen; die grössere der Kugeln, welche auf der vorigen Stufe ihn zusammensetzten, hat sich in zwei gleiche Hälften getheilt; eine weitere Differenzirung ist nicht zu bemerken. In Fig. 12 dagegen sehen wir den Embryo noch bedeutender gewachsen, so dass sein Durchmesser 0,11 Mm. beträgt; eine weitere Theilung hat nicht stattgefunden , aber in jedem der drei Abschnitte sehen wir eine Zelle mit deutlichem Kern, von 0,02% Mm. Durchmesser , diese drei Zellen liegen sehr nahe hei einander und treten mit scharfen Gontouren aus der Masse hervor, bei Anwendung leichten Druckes, während sie vorher nur undeutliche Flecken zu sein schienen: Ein Anzeichen, dass sie in der Tiefe der Masse ruhen. Auf der folgenden und letzten Stufe der Dotterzerklüftung, welche in Fig. 13 dargestellt ist, ist der abgesonderte, kleinere der drei Klüftungsballen seinerseits in drei keilförmige Abschnitte zerfallen, von denen jeder eine Zelle von 0,01 Mm. Durchmesser umschliesst, wäh- rend die früher: vorhandene grössere Zelle verschwunden, allem An- scheine nach in diese drei kleineren zerfallen ist. Nachträglich möge hier Zur Entwiekelungsgeschichte des Regenwurms, 553 noch bemerkt werden, dass auch auf den drei letzterwähnten Stufen der Entwickelung noch stets die Reste der Plasmakugeln in verschie- denen Graden von Grösse und Schärfe des Umrisses neben dem Embryo ; getroffen werden, und dass die Masse, auf welcher der Embryo in - Fig. 11 zu ruhen scheint, offenbar in die Glasse der Dotterruinen gehört, wie wir sie in Fig. 7 und 8 gesehen haben. Werfen wir einen Blick auf die im Vorhergehenden geschilderte - Entwickelungsreihe zurück , so lassen sich die Vorgänge in ihrer Ge- ; sammtheit zusammenfassen als Auflösung des Dotters zu einer Plasma- masse und Bildung des Embryo aus dieser durch eine Art von Zu- sammenballung vorTheilen derselben. Wenn wir nun auch alle der Neubildung vorangehenden Processe als auf diese Auflösung des Dotters ' hinzielend erachten, so geben wir doch damit nicht den Begriff der ' Furchung für dieselben auf. So betrachten wir ganz besonders das Dotterballenconglomerat von Fig. 5 als ein Product der Furchung des _ gesammten Dotters, da es uns im Grunde dasselbe zu sein scheint, ob ‚die Veränderungen, welche man als Zerklüftung bezeichnet, schritt- weise oder mit einem Male eintreten. Ferner ist auch im Begriff der Dotterfurchung nicht mit inbegriffen, dass aus dem Furchungsproduct unmittelbar der Embryo sich zu bilden habe, hat man doch den Process, welcher im Säugethierei der Auflösung des Dotters vorhergeht, stets Furchung genannt, ohne Rücksicht auf das, was nachfolgt. So können wir also wohl sagen: der Dotier erfährt eine totale Furchung und löst sich dann in eine Plasmamasse auf, aus der der Embryo sich bildet. — Was die Bildung des Embryo angeht, so dürfen wir wohl unbedenklich vor der in Fig. 10 dargestellten Stufe eine annehmen, ' auf welcher der Embryo ebenfalls blos eine kugelförmige Anhäufung ‚ kleinerer Plasmakugeln ist, wie sie in abgeblasster Weise die um ihn | liegenden derartigen Conglomerate zeigen. Waren aber diese Bildungen | einander gleich, wie kam es, dass gerade die eine davon zum Embryo wurde? Die am Schluss unserer Darstellung beschriebene Missbildung scheint zu beweisen, dass eine ursprüngliche Gleichberechtigung dieser ' Bildungen zur Entwickelung vorhanden ist, denn sie kann wohl nur durch frühe Verwachsung zweier Embryonalkugeln entstanden sein. Eine solche Embryonalkugel also wird zum Embryo; aber durch einen Process, den wir mit der Dotterfurchung nicht analogisiren zu können glauben. Für diese Meinung haben wir vorzüglich folgende Gründe: 1. Eine totale Furchüng ist schon vorausgegangen; 2. Ein Zerfall der Embryokugel in neue Elemente ist nicht die Folge der Erscheinungen, welche ihre Entwickelung bietet. Rarnke hat am Eie von Nephelis eine Reihe von Vorgängen als 554 Fritz Ratzel und Dr. M. Warschawsky, Furchung desselben beschrieben, welche denen, die unsere Embryonal- kugel in ihrer Entwickelung zum Embryo bietet, nicht ferne stehen. Der Dotter theilt sich in zwei Theile, wovon einer sich schneller ver- grössert als der andere, und sich ebenfalls theilt, worauf endlich auch jener erste Theil sich halbirt; es entstehen so vier Kugeln, welche nicht “ weiter zerfallen, sondern auf und in welchen die Ausbildung des Embryo statt hat, und in welchen auch helle, runde Flecke in der Mitte auftreten, die an die Zellen der Embryonalkugel erinnern. Ehe wir die Entwickelungsreihe des Regenwurmeies, welche der Bildung der Embryonalkugeln vorangeht (Fig. 4—9) genügend kannten, waren wir denn auch beständig bemüht, alle Erscheinungen“uf die von Nephelis beschriebenen zurückzuführen, welche durch Forscher, wie Rarnkz und LEUCKART, gestützt wurden; aber bald erkannten wir, dass eine, weite Kluft die Entwickelung des Regenwurmeies von der des Nephelis- eies trenne. Nun warf sich die Frage auf, ob die Veränderungen, welche das Nephelisei durchmache, wirklich mit einer Furchung im gewöhnlichen Wortsinn zu vergleichen seien. Dieses musste verneint werden. Zwar ist die Vermuthung stark, dass wohl auch der Ent- wickelung des Nepheliseies eine grössere Reihe von Veränderungen vorangehe, als Rarukz beschrieben hat. Indessen, da positive That- sachen uns nicht zu Gebote stehen, und wir keinen Grund haben, die Angaben so tüchtiger Forscher von vornherein zu bezweifeln, so be- gnügen wir uns, zu constätiren, dass auf dem jetzigen Standpunct der Kenntnisse die erste Entwickelung beider Thiere sehr weit verschie- den ist. Vom Ei der Glepsine kennen wir durch die Raruke-Leuckarr’sche Darstellung und durch eigene Beobachtungen die ersten Entwickelungs- stufen sehr vollständig. Die Furchung schreitet durch 2, 3, 4, 6 Thei- lung zur vollkommenen Zerklüftung des Dotters fort, auf. welchem dann unmittelbar die Anlage des Embryo geschieht. Auch diese Erschei- nungen stehen also weit ab von denen, welche das Regenwurmei bietet. Ziehen wir zum Schluss noch die Entwickelungsgeschichte der Gestoden und Trematoden zur Vergleichung herbei, so scheinen sich hier die Erscheinungen weniger fremd gegenüber zu stehen. Aber das ist nur der Anschein, im Grunde ist auch hier eine Analogie nicht zu erkennen. Bekanntlich ist in den Eiern dieser Thiere der seiner Be- schaffenheit und Function nach sogenannte Dotter von der Furchung ausgeschlossen, und ist es das Keimbläschen — oder wie Einige meinen eine an dessen Stelle tretende Neubildung die sogenannte Keimzelle — welches die Furchung erleidet und allein den Embryo bildet. Der Dotter bleibt unthätig und wird zu secundären Zwecken verwendet im DW FRn “ Zur Entwiekelungsgeschichte des Regenwurms,. 555 Laufe der Entwickelung. Nun haben wir aber deutlich das Keim- bläschen als solches verschwinden gesehen, und erkannten gerade in diesem Vorgang die erste Stufe der Entwickelung des Eies, sahen auch nie von einer der Neubildungen einen Charakter annehmen, der uns berechtigt hätte, in ihr eine Keimzelle zu erkennen. Wenn man freilich die Abbildungen betrachtet, welche einen aus dem Keimbläschen ent- wickelten Gestodenembryo neben dem Reste ungefurchten Dotters dar- stellt!) und damit vergleicht das in unserer Figur 14 dargestellte Stadium, da könnte man wohl an eine sehr naheliegende Vergleichung denken, aber Alles, was vorausgegangen,, widerspricht einer solchen Meinung; der Regenwurmembryo ist das Product des Dotters und des Keimbläschens. | Wenn es blos das Ziel der Wissenschaft wäre, die Erscheinungen unter einheitliche Begriffe zu bringen, so würden wir nun glauben müssen, dass unsere Arbeit bisher nutzlos gewesen; aber bis heute steht die Zoologie noch nicht auf diesem allerdings sehr wünschens- werthen Standpunct, und wird sich noch lange begnügen müssen, in ' den meisten Gebieten die Thatsache zu verzeichnen; wir wünschen, ‚ dass uns das hier gelungen sei, und hoffen, dass nunmehr begonnene vergleichende Untersuchungen der Entwickelung anderer Lumbrieiden bald ein helleres Licht auch auf die verwandten Gruppen werfen werden. 3. Entwickelung der Leibesform und der Primitiv- streifen. Diejenige Entwickelungsstufe , mit welcher wir die Darstellung der Entwickelung des Dotters zum Embryo beendigt haben, steht dem Wurm wie er das Cocon verlässt noch so ferne, dass wir schon a priori eine Reihe bedeutender Veränderungen annehmen müssen, um diese Kluft auszufüllen. Aber bei den im Eingang erwähnten Schwierigkeiten der Untersuchung musste die Reihe noch lückenhaft bleiben, wenn auch der Weg, welchen die Entwickelung nimmt, im Allgemeinen fest- gestellt werden konnte. Die zuletzt beschriebene Form des Embryo war aus fünf Stücken zusammengesetzt, welchen die Zellen, die sie enthielten, an Zahl ent- sprachen; in dem nun folgenden Stadium der Entwickelung haben sich die Zellen der zwei grossen Abschnitte von zwei auf fünf vermehrt und sind dabei zugleich etwas kleiner geworden, zwischen diese Abschnitte aber und die drei kleineren schiebt sich ein neuer, sechster ein, wel- cher zwei kleine Zellen enthält; dabei ist die ganze Masse des Embryo, die die Zellen umgiebt, dunkler geworden und hat die scharfen Gon— A) z. B. in Leuckart’s Parasiten. Bd. #. p. 185. 556 Fritz Ratzel und Dr. M. Warschawsky, touren und das fettglänzende Ansehen gegen eine mehr körnelige, trübe Beschaffenheit vertauscht. Die Zellbildung schreitet im Laufe der nächsten Entwickelung fort, aber nicht mehr wie vorher in der Tiefe, sondern an der Oberfläche, wo die sie umgebende Masse sich in der Art um sie gruppirt, dass eine polygonale Aneinanderlagerung entsteht; dadurch entsteht ein den ganzen Embryo umgebendes Gebilde, das man für die Anlage der Epidermis und der epidermoidalen Bildungen nehmen kann. Unter dieser Hülle geht jedoch die Entwickelung der eigentlichen Organe stetig vor sich, und zwar in erster Reihe auf der Basis der sogenannten Primitivstreifen. Die Primitivstreifen des Regenwurms gleichen im Allgemeinen denen von Nephelis und Clepsine, unterscheiden sich aber von diesen durch ihre innige Beziehung zu zwei sehr grossen Zellen, welche die beiden Streiien an ihrem Hinterende verbinden, und durch die schon sehr früh, wahrscheinlich von Anfang an stattfindende Verbindung dieser Streifen in dem Kopfsegment vermittelst des Gehirnes und des Schlundrings. Wir werden auf diese Unterschiede noch zurückkommen. — Die erste Spur der Primitivstreifen sehen wir in den Zellen auf- treten, welche später ihr Hinterende verbinden. Fig. 15 zeigt diese Zellen in einem Embryo von 0,085 Mm. Durchmesser, sie selbst messen 0,025 Mm., ihre Kerne 0,01 Mm., ihr Inhalt ist dunkel, körnig, so dass der Kern mit seinem Kernkörperchen sich scharf von ihm abhebt; die übrige Körpermasse des Embryo ist in mehrere polygonale Abschnitte, wenigstens auf der Oberfläche zerfallen, deren jeder eine Zelle um- schliesst. Daneben tritt aber noch eine neue Bildung auf in Gestalt eines hellfettglänzenden Streifens, der die den Zellen entgegengesetzte Hälfte des Embryo im Halbkreis umzieht (Fig. 15 A), und welcher in der Flächenansjcht sich als eine unter der allgemeinen Hülle des Embryo gelegene Schicht von unregelmässig fünfeckigem Umriss darstellt. Was die Verbindung dieses Entwickelungsstadiums mit dem vorhergehenden anbelangt, so weisen alle Thatsachen darauf hin, dass die Stelle, wo die beiden grossen Zellen liegen, dem Theil des vorher beschriebenen Embryo entspreche, welcher nach oben von der Linie aa liegt und in die drei Abschnitte zerfällt. Auf der nächstfolgenden Stufe (Fig. 16) ist die Zerfällung der ober- flächlichen Schicht des Embryo in. polygonale, Zellen umschliessende Stücke weiter geschritten,, die grossen Zellen sind durch Vermehrung ihres Inhaltes auf 0,035 Mm. gewachsen, wobei aber ihr Kern sich gleich geblieben, der halbkreisförmige Streif’endlich ist in eine Anzahl hellglänzender,, kernhaltiger Zellen aufgelöst, und von ihm aus scheint der ganze Inhalt des Embryo in solche Zellen sich umzubilden, denn Zur Entwickelungsgeschichte des Regenwurms, 557 bei Anwendung von Reagentien erscheint derselbe in Kugeln geballt, die diesen Zellen an Grösse gleichen, von welchen aber letztere durch stärkere Lichtbrechung und deutlichen Kern sich hinreichend unter- scheiden. Dabei ist auch der Embryo selbst zu einem Durchmesser von 0,1 Mm. angewachsen. Fig. 17 zeigt die Primitivstreifen gebildet. Man sieht nämlich bei Zusatz von Essigsäure deutlich zwei in ihrem Verlauf breiter werdende und divergirende Streifen von Zellen von den zwei grossen, vorhin beschriebenen Zellen ausgehen und sich über und unter einer Oeffnung vereinigen, welche man als Mundöffnung betrachten muss. Die ein- zelnen Zellen dieser Streifen sind 0,012 Mm. gross, ihre Kerne, die ein deutliches Kernkörperchen umschliessen, messen 0,008 Mm. Der ganze Körperinhalt des Embryo ist in die vorhin erwähnten hellen Kugeln von 0,02 Mm. Durchmesser umgewandelt und von ihm heben sich die Primitivstreifen sehr deutlich ab. Woraus hat sich nun diese Zellen- masse, die wir als Primitivstreifen bezeichnen, entwickelt? Die An- nahme liegt am nächsten, dass die bei aa (Fig. 16) liegenden Zellen, welche im Halbkreis den Embryo umgaben und sehr nahe an die bei- den grossen Zellen herantraten, welche wir in so naher Beziehung zu den späteren Primitivstreifen stehen sahen, den Stoff zu dieser eigen- thümlichen Bildung geliefert haben. So lange wir wenigstens nicht die Gelegenheit haben, die einzelnen Vorgänge selbst zu verfolgen, wie sie sich auseinander ergeben, so lange ist diese Annahme diejenige, welche am meisten Wahrscheinlichkeit hat. Erwähnen wir nun, ehe wir die weitere Entwickelung der Primitivstreifen verfolgen, zweier symmetrisch gelegener Organe, welche kleine Hügel auf den Primitivstreifen, durch Vermehrung von deren Zellen gebildet, darstellen, und mit Wimper- haaren besetzt sind; sie liegen in einer Linie mit dem oberen Rand der Mundöffnung und können als Wimperlappen bezeichnet werden, welche ‚ ähnlich wie die Wimpersegel einiger Gastropoden als Ueberbleibsel eines freien Embryonallebens zu betrachten sind (Fig. 17 w). Die Primitivstreifen entwickeln sich sowohl durch Wachsthum als ‚durch Differenzirung. Das Wachsthum in der Längsrichtung bestimmt in der ersten Zeit, so lange nicht der ganze Embryo von den Primitiv- streifen umwachsen ist, eine Hervortreibung der Bauchseite desselben, „weil eben das Wachsthum hier vorwiegend vor sich geht; wenn jedoch eine Länge von 0,4—0,5 Mm. erreicht ist, hört diese Ungleichheit auf. In Fig. 18 sehen wir einen Embryo von 0,2 Mm. Länge von der Seite, wodurch wir auch nur einen der Primitivstreifen in seinem Verlaufe sehen. Von der am Hinterende gelegenen grossen Zelle an erstreckt ‚I sich verbreiternd der Primitivstreifen sich bis zum Mund, verschmälert Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII, Bd. 36 558 Fritz Ratzel und Dr. M. Warschawsky, sich hier, um über demselben sich wieder auszubreiten und mit dem Gehirn abzuschliessen. Ueber dem Gehirn sehen wir einen hellen Raum zwischen der oberflächlichen Körperhülle und der Körpermasse des Embryo, welcher durch Contractionen des letzteren sehr erweitert werden kann. Die Zellen, welche den Primitivstreifen bilden, sehen wir genauer in Fig. 19; die grossen Zellen (c); von denen sie aus- gehen, haben- 9,03 — 0,04 Mm. im Durchmesser und sind noch ganz von der eigenthümlichen Beschaffenheit, welche wir bei ihrer ersten Beschreibung dargelegt; an sie reihen sich die Zellen der Primitiv- streifen in der ebenfalls schon früher beschriebenen Gestalt, erst höch- stens zu zwei neben einander, später bis auf sechs in einer Reihe sich vermehrend. Eine Differenzirung hat in diesem Stadium noch nicht stattgefunden, wenn etwa als solche nicht die ringförmige Einfassung der Mundöffnung durch Zellen des Primitivstreifens zu betrachten ist; sondern sie tritt erst in Embryonen von fortgeschrittenerer Entwickelung auf und zwar zuerst als Absonderung einzelner Bänder in der Quer- richtung, als Segmentirung, welcher bald eine Absonderung in der Längsrichtung folgt, wodurch die gegeneinander gekehrten Ränder der Primitivstreifen abgeschnitten werden in einer Breite von 0,02 Mm., und wodurch auf jedes einzelne der Segmente ein Paar sich gegenüber liegender viereckiger Plättehen kommen, aus einer grösseren Anzahl Zellen zusammengesetzt. In Fig. 20 sind diese Plättchen mit 'n be- zeichnet, die übrigen Theile der Primitivstreifen mit m. Aber in dieser Figur zeigt sich die Differenzirung bedeutend weiter geschritten, als wir sie eben geschildert; die Primitivstreifen haben in ihrer ganzen Länge sich so weit genähert, dass ein heller Zwischenraum von 0,02 Mm. Breite sich vom Kopfe zum Schwanzende zwischen ihnen auf der Bauchseite hinzieht und es beginnt nun auf der Fläche, welche diese Linie und die ihr zu beiden Seiten angrenzenden Längsbänder vier- eckiger Plättchen bilden, eine Scheidung, welche auf die Sonderung des Nerven- vom Muskelsysteme hinausläuft. Dieses Stadium sehen wir in Fig. 20 von der Innenseite dargestellt, von einem Embryo, wel- cher 0,5— 0,6 Mm. lang war: Die Quermuskeln sehen wir deutlich. ausgebildet, sie bestehen aus langen, bandartigen Fasern von 0,004 bis 0,006 Mm. Breite und haben zwischen sich häufige, länglich ovale Kerne, welche mit körnigem Inhalt erfüllt sind und ebenfalls in Fasern auslaufen. In den vorhin beschriebenen viereckigen Plättchen aber hat eine Zellvermehrung stattgefunden, welche an der Innenseite eines jeden dieser Plättchen einen Zellhaufen erzeugt hat, welcher die Form einer halben Ellipse bietet, indem er nach aussen (diese Bezeichnung init Bezug auf die Figur gewählt) eine bogenförmige, nach innen aber Zur Entwickelungsgeschichte des Regenwurms. 559 eine mit der Längsaxe parallele Begrenzung zeigt; diese Zellhaufen sind mit g bezeichnet und treten besonders nach Essigsäurezusatz sehr deutlich hervor , ziemlich viel dunkler erscheinend als ihre Umgebung, was wohl in der grösseren Zusammenhäufung seine Ursache haben mag. Gemeinsam mit dem zwischen ihnen verlaufenden hellen Bande (A) heben sie sich von den eigentlichen Primitivstreifen ab, welche mit ihrer Muskelschicht unter ihnen hinweg in der ventralen Mittellinie, wie in der dorsalen,, zusammentreffen und so den Muskelschlauch ver- vollständigen. In Fig. 21, welche das Gehirn, den Schlundring und einen Theil des Bauchmarkes eines gegen 2 Mm. langen Embryo dar- stellt, nähern sich schon ganz die Verhältnisse des Baues denen des erwachsenen Wurmes. Indem wir die Zellhaufen g als Haufen von Ganglienzellen betrachten und der Masse h, über welche eine dünne Schicht Ganglienzellen stets hinwegzieht, eine zum grösseren Theil secundäre Bedeutung als einer Art Bindegewebe beilegen , gelangen wir zu Resultaten über den Bau des Nervensystems dieser Thiere, welche weit abliegen von dem, was in dieser Hinsicht CLArArEpeE in seinen mit Recht berühmten, meisterhaften Arbeiten über die Oli- eochaeten gesagt hat. Er fasst dort seine Forschungen über das Nerven- system der Oligochaeten dahin zusammen , dass ausser den supraoeso- phagialen Ganglien nur noch in den ersten Segmenten ganglionäre An- schwellungen vorkämen und der Bauchstrang im Uebrigen ein Nerven- strang mit einem Axencylinder sei.!} Wir werden später auf diese Ansicht zurückkommen und wollten nur vorläufig feststellen, dass sie mit der Entwickelung des Norvensystems nicht in Einklang zu bringen ist; nach letzterer dürften Nervenstrang und Axencylinder als neben- sächliche Theile erscheinen, gegenüber den in jedem Segmente in je einem Paar vertretenen Ganglienzellenhaufen. Die Gattung Lumbricus stimmt übrigens in Bezug jauf'das Nervensystem in den wesentlichsten Puncten mit den übrigen Oligochaeten überein. Bemerkenswerth ist es nun, dass unseren Untersuchungen zu Folge auch der Schlundring keine blosse Commissur ist, sondern dass jeder Bogen desselben ein Paar Ganglienzellenhaufen besitzt, welche ihn wesentlich als Fort- setzung des Bauchmarkes und nicht als blosses secundäres Ver- bindungsmittel charakterisiren, und dass fernerhin auch das Gehirn- offenbar auf die Grundlage eines paarigen Ganglienzellenhaufens eben- falls zurückzuführen ist. Uns scheint als ob aus diesen Thatsachen bedeutsame Schlüsse für das’ morphologische Verhältniss des Kopf- segmentes zu den-übrigen Körpersegmenten zu ziehen seien, doch wollen wir an diesem Orte nur darauf hinweisen, dass die grosse 4) CrArArkoE, Recherches anatomiques sur les Oligochetes. p. 9. 36 * 560 Fritz Ratzel und Dr. M. Warschawsky, Analogie im Bau des Schlundrings, Gehirns und Bauchmarkes im embryonalen Zustande, unserer schon oben ausgesprochenen Ver- muthung, dass diese Theile gleichzeitig und zusammenhängend angelegt würden, zur Stütze gereichen dürfte, dass also die Primitivstreifen nicht vor der Mundöffnung plötzlich aufhören, wie wir das von anderen Thieren, auch Würmern, wissen, sondern dass sie vorne über dem Mund an der Stelle, wo aus ihnen später das Gehirn entsteht, sich mit einander verbinden. Wir kommen zum Schluss auf die grossen Zellen (c) zurück, welche wir als Ausgangspunct und hintere Verbindung der Primitiv- streifen kennen gelernt haben. In der Beziehung, in der wir sie zu den Primitivstreifen stehen gesehen, glaubten wir ihre einzige nach- weisbare Function erblicken zu sollen, im Gegensatz besonders zu Rarake, welcher sie als Anlage des hinteren Saugnapfes in Nephelis und Glepsine deutete. Leuckarr hat diese Deutung als unrichtig nach- gewiesen, hat dafür aber eine andere, auf seine Untersuchungen an Hirudo gestützte, an deren Stelle gesetzt, nach welcher er diesen Zellen die Function von Urnieren zutheilt. Auch mit dieser Deutung können wir uns nicht einverstanden erklären. Diese Zellen sind vor allem nichts weiter als einfache Zellen, und die eifrigsten Nachforschungen konnten uns nur in unserer Ansicht bestärken, dass man ihnen keine Drüsenfunction zusprechen könne, was doch die erste Anforderung von Urnieren sein müsste; ferner persistiren sie auch noch lange, wenn die ‚Segmentalorgane die, wenn irgend ein Analogon der Nieren zu suchen ist, gewiss als solches gelten müssen, in den vorderen Seg- menten schon längst entwickelt sind. Diese Umstände bestimmen uns, der jedenfalls nicht unbedingt zu verwerfenden Annahme Le£uckarr’s vor der Hand nicht zuzustimmen, sondern unsere Meinung über diese oft besprochenen Gebilde dahin zusammenzufassen, dass diese Zellen die hintere Verbindung der Primitivstreifen vermitteln, dass sie vor den Primitivstreifen schon vorhanden sind, und mit ihnen wahrscheinlich in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, dass endlich das Längenwachsthum der Primitivstreifen von ihrem Rande her vor sich gehe, indem dort die neuen Zellen eingeschoben werden. — Als thatsächliche Ergänzung dessen, was wir über die grossen Zellen gesagt haben, möge hier nachgetragen werden, dass einige Mal eine derselben zwei Kerne umschloss, dass aber immer nur zwei wirkliche Zellen vorhanden sind; &s ist das deshalb won Bedeu- tung, weil wir von Raruke wissen, dass Nephelis drei, Clepsine sechs solcher »colossalen« Zellen, wie er sie nennt, im embryonalen Zustande besitzt. — Zur Entwigkelungsgeschichte des Regenwurms. 561 Zur Entwickelung des Darmes haben wir die einfache Thatsache zu verzeichnen, dass das Lumen desselben lange Zeit, besonders so lange der After nicht durchgebrochen, sehr gering ist; in Fig. 18 ist es durch die helle, länglich ovale Stelle d bezeichnet; bei der Präpa- ration sieht man, dass die Körpermasse sich schon um ihn verdichtet hat und offenbar im Begriff ist, ein festeres Gewebe um ihn zu bilden ; wir glauben daher nicht, dass die Vermuthung Rırnke’s, die Primitiv- streifen nähmen Theil an der Darmbildung, begründet sei. Wir haben oben ein Paar Wimperlappen beschrieben und tragen dem nach, dass dieselben bald verschwinden und einem medianen Wimperstreif Platz machen, der vom oberen Rande der Mundöffnung bis zum Hinterende der Primitivstreifen sich an der Bauchseite hinzieht; in dem Stadium , welches Fig. 18 darstellt ist dieser Streif recht deut- lich entwickelt, verschwindet aber mit der fortschreitenden Streckung des Körpers. 4. Entwickelung der Segmentalorgane. Wenn der Embryo gegen 0,3 Mm. Länge erreicht hat und die Segmentirung deutlich zu werden anfängt, sehen wir in den dem Kopf- segment unmittelbar folgenden Segmenten Ansammlungen glänzender Zellen mit kleinem Kern, welche sich da, wo sie zuerst aufgetreten, stark vermehren und vergrössern und mit der gegen das Schwanzende fortschreitenden Segmentirung nach hinten in den neuen Segmenten ebenfalls auftreten. Die Grösse der einzelnen Zellen schwankt von 0,03—0,05 Mm., die Kerne aber messen constant 0,006 Mm. und ent- halten je mehrere Körnchen, aber kein besonderes Kernkörperchen. Bei näherer Untersuchung zeigt sich nun, dass diese auffallenden Zell- haufen jeweils um einen schlingenförmigen Canal (Fig. 22 s) sich gruppiren, welcher auf der Bauchseite nach aussen mündet. Dieser Canal besteht aus zwei Zellreihen, welche durch ihr Zusammentreten den Canal an seinem der Mündung entgegengesetzten Ende schliessen. Die einzelnen Zellen enthalten je einen Kern mit deutlichem Kern- körperchen, ihr übriger Inhalt erscheint körnig. Die Breite des Canals ist 0,04 Mm., sein Lumen unbedeutend. Die Beschaffenheit des fertig entwickelten Segmentalorgans erlaubt den Schluss auf die weitere Entwickelung dieser Anlage: dort ist nämlich ein flimmernder Canal L ’ vorhanden, an welchen von Zeit zu Zeit eine Zelle von ähnlicher Be- schaffenheit wie die das embryonale Segmentalorgan umlagernden sich anlegt; die dichte Aneinanderlagerung der den Canal bildenden Zellen macht später einem Auseinandertreten mit freierer Entwickelung Platz, es wird dadurch die bedeutende Verlängerung des Canals, welcher 562 Fritz Ratzel u. Dr. M. Warschawsky, Zur Entwiekelungsgesch.-d. Regenwurms. sich zusammenknäuelt, vorzüglich ermöglicht; endlich besitzt das fertige Segmentalorgan auch eine innere Mündung, welche dem embryo- nalen fehlte. 9. Entwickelung der Borsten. In Fig. 20 sehen wir in einer Entfernung von 0,085 Mm. resp. 0,1 Mm. von der Mittellinie der Primitivstreifen eine Doppelreihe heller Bläschen, von welchen auf jedes Segment zwei kommen, herabziehen, jedes Bläschen hat 0,015 Mm. Durchmesser und ist von einer scharf umschriebenen, dunkelkörnigen Masse erfüllt. Sehen wir diese bei starker Vergrösserung in ihrer Regelmässigkeit cocardenartig erschei- nenden Gebilde näher auf ihren Inhalt an, so zeigt es sich bald, dass die der Mittellinie zu gelegenen jedes Paares eine Differenzirung des Inhaltes zeigen in der Art, dass dem dunkelkörnigen Ballen eine helle Spitze aufsitzt, dieses führt uns auf die Spur: Wir haben es mit den Anlagen der ventralen Borstenreihen zu thun. Fig. 23 zeigt eine etwas weiter entwickelte Borste. Die dorsalen Borstenreihen sind zu der gleichen Zeit auch gleich weit entwickelt wie die ventralen: ein Beweis der Unabhängiskeit dieser Bildungen von den Primitivstreifen. 6. Eigenthümliche Missbildune. Fig. 24 stellt ein vollkommenes Doppelthier dar. Die Verhältnisse der einzelnen Theile desselben sind so zu denken, dass eine Linie oo, die ursprünglich zu einem Thiere gehörigen Stücke von denen des andern trennte, so dass also jedes Dreieck oco ein einzelnes Thier dar- stellt. Wir sehen also die Primitivstreifen beider Thiere an ihren vor- deren Enden zu zwei Gehirnen zusammentreten, deren jedes zur Hälfte einem, zur Hälfte dem anderen derselben zugehört; so sind auch zwei Mundöffnungen vorhanden. Dieses Wesen hat die schon beträchtliche Länge von 0,55 Mm. erreicht und bewegte sich ganz wie ein normaler Embryo. Erklärung der Abbildungen. Tafel XLI. Fig. A—9. Furchungsprocess. Vergr. 200. Fig. 40-44. Bildung und früheste Veränderungen des Embryo. Vergr. 200. Fig. 15—%1. Entwickelung des Primitivstreifen und des Nervensystems. Vergr. 200, Fig. 22. Entwickelung der Segmentalorgane. Vergr. 200. Fig. 23. Entwickelung der Borsten. Vergr. 400. Fig. 24. Missbildung. Vergr. 50. Kertschrift I. uijjenschafll. Zoologie. Ba. | E- -. } ’ } t e: Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. Von Dr. Fritz Ratzel in Carlsruhe. Mit Tafel XL. 1. Die Eierstöcke. A. Entwickelung der Eier am Eierstock. In seiner Arbeit über die Entwickelung des Regenwurms sagt p’Üpekem: Was die Entwickelung des Eies im Körper des Thieres an- belangt, so geschieht dieselbe wahrscheinlich bei allen unsern Anne- liden in derselben Weise, es bildet sich nämlich zuerst das Keim- hläschen, um welches herum der Dotter und die Dotterhaut dann entstehen. !) — Die Aufgabe der folgenden Darstellung ist, zu beweisen, dass die Entwickelung des Eies bis zu seiner Reife nicht in der von p’Upzkem angegebenen Weise sich vollziehe. Ich hahe nur die eine Be- merkung vorauszuschicken, dass ich meine Untersuchungen auf die Gattungen Lumbriculus,, Stylodrilus, Enchytraeus, Limnodrilus und Tubifex ausgedehnt habe, während ich die Verhältnisse von Lumbricus für jetzt nicht berücksichtigte. Die angegebenen Maasse beziehen sich der Gleichförmigkeit wegen nur auf Eier von Tubifex rivulorun Lam. Die Eier, wie sie noch unentwickelt in Form kleiner Zellen den jungen Eierstock zusammensetzen, haben einen Durchmesser von 0,006 Mm. und zeigen keine weitere Differenzirung, als in einen hellen Kern, einen homogenen, feinkörnigen Inhalt und eine Hülle. Von 4) wÜpeken, Developpement du Lombric terrestre. Memoires couronnes par ’Acad. de Belgique. Taf. XXVI. p. 67. 564 Dr. Fritz Ratzel, diesen Theilen repräsentirt der Kern den künftigen Keimfleck, der Inhalt das Keimbläschen und den Dotter, die Hülle die Dotter- oder Eihaut. In Eiern von 0,008 Mm. Durchmesser ist die Scheidung dieser Theile schon so weit vorgeschritten, dass man eine dünne peripherische Dotterzone von einer helleren, den Kern umlagernden und das Keim- bläschen vorbildenden Masse zu unterscheiden vermag. Auf dieser Stufe hat die Keimbläschenmasse 0,006 Mm., der Kern 0,0015 Mm. Durchmesser. Die weitere Entwickelung el in Bezug auf das Grössenwachsthum als auf die stofflichen Veränderungen ist nun für jeden der Haupttheile des Eies: Keimfleck, Keimbläschen und Dotter verschieden und verdient gesonderte Darstellung; während nämlich Dotter und Keimfleck neben dem einfachen Wachsthum sich auch in Bezug auf die Form schon frühe verändern, erfährt das Keimbläschen eine Formveränderung erst auf der letzten Stufe seiner Entwickelung. Was das Wachsthum der Theile anbetrifft, so giebt folgende aus einer ausgedehnten Beobachtungsreihe gezogene Vergleichung einen Ueber- blick: Das ganze Ei. +0,12: 0,17. 0,2477 0,28 70,32 058 Keimbläschen 0,026 0,031 0,035 0,039 0,05 0,08 Keimfleck 0,008 0,01 0,013 0,014 0,016 0,018 Gehen wir nun über zur Betrachtung der materiellen Veränderungen der einzelnen Theile des Eies, so erscheinen diejenigen, welche der Dotter bietet, als die schon oberflächlich auffallendsten. Von der Ent- wickelungsstufe, auf der wir überhaupt Dotter zu unterscheiden ver- mögen bis zu einer Eigrösse von 0,1 Mm. erscheint der Dotter als eine gelbliche, zartkörnige Masse; ist aber annähernd diese Grösse über- schritten, so stellen sich in ihm eigenthümliche Körper ein, welche be- deutend grösser sind als die vorher vorhandenen Elemente. Es sind das gegen Druck resistente, runde bis elliptische Körper, die von licht- bräunlicher Farbe sind und durch tiefe Einschnitte, Furchen und Rin- gelung eine Entstehung aus Zusammenhäufung kleinerer Elemente anzudeuten scheinen; der Durchmesser dieser Körperchen kann bis auf 0,004 Mm. steigen. Indem im Beginne ihres Auftretens dieselben in zerstreuten Häufchen im Dotter sich zeigen, geben sie diesem durch ihre dunklere Farbe ein eigenthümlich geflecktes Ansehen. Durch Be- handlung mit verdünnter Essigsäure werden diese Körper entfärbt, quellen auf und lösen sich endlich. In den zur Ablage reifen Eiern besteht‘der Dotter — abgesehen natürlich von seinem mehr flüssigen Bestandtheil, dem Liquor oder Plasma vitelli — ganz aus diesen Bil- dungen, die von der verschiedensten Grösse vorkommen, die ange- Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 565 gebenen aber nicht überschreiten; nur ihre Form ist jetzt durchweg eine mehr kugelrunde geworden, indem die langgestreckten Theilchen verschwunden sind. | Die Veränderungen des Keimbläschens erstrecken sich nur in sofern auf die äussere Form, als in den Eiern, welche zur Ablage reif sind und durchschnittlich 0,4 — 0,5 Mm. im Durchmesser haben, es seine bisher innegehabte und durch die membranöse Hülle gegen den Dotter scharf abgegrenzte Kugelform aufgiebt und zu einem länglichen Körper wird, der in seiner grösseren Axe bis 0,1 Mm. Durchmesser erreicht. Dieser Körper hat eine beträchtliche Cohärenz und ist von sehr elastischer Beschaffenheit, indem er bei Ausfliessenlassen des Ei- inhaltes durch Anwendung gelinden Druckes unter vollständiger Bei- behaltung seiner Form und Grösse aus der Eihaut hervortritt; in Bezug auf seine Zusammensetzung zeigt er die eigenthümliche Erscheinung, dass sein mittlerer Theil im Vergleich mit den Polen kugelförmig an- geschwollen ist und eine meridionale Streifung zeigt, die bei näherer Betrachtung sich als das Resultat des Vorhandenseins einer häutigen Hülle an dieser Stelle erweist. Da der übrige Theil dieses Körpers, des modificirten Keimbläschens, keine Spur von Hülle aufweist, die mediane Anschwellung aber auch in ihren Grösseverhältnissen sehr gut mit dem Keimbläschen stimmt, so möchte die ganze Bildung zu be- trachten sein als entstanden durch Anlagerung von Plasmamassen an zwei entgegengesetzten Polen des Keimbläschens. Wir kommen endlich zu den Veränderungen in der Form des Keimfleckes. Dieses Gebilde, das in den jüngsten Eiern als heller Fleck erscheint, der vollkommen an den Kern mancher Zellen erinnert, stellt sich beim Heranwachsen als ein hüllenloses, unregelmässig begrenztes Klümpchen aus blasser Masse dar und verliert bis zu seinem Ver- schwinden diesen Charakter des grubigen, unregelmässigen Umrisses, der eben als ein Zeichen des Mangels von gesonderter Hülle betrachtet werden kann, nicht. Im Laufe seines Wachsthums verändert der Keim- fleck seine ziemlich kreisrunde Form in eine längliche, welcher Vorgang stets von einer Abschnürung eines Theiles der Masse, welche bis zur vollkommenen Zweitheilung gehen kann, begleitet ist; dadurch kommt es, dass in einem vorgerückten Stadium der Eientwickelung sehr oft zwei Keimflecke vorhanden sind; eine ursprüngliche Duplicität des Keimfleckes erwies sich für die von mir untersuchten Würmer als sehr selten. Eine weitere Differenzirung findet nun im Innern der Masse statt, indem sich nämlich scharf umrandete Ringe und Höhlungen zeigen; das vermehrte Auftreten dieser Bildungen aber scheint den Untergang des Keimflecks herbeizuführen, denn mit dem Beginn der 966 Dr. Fritz Ratzel, oben beschriebenen Verlängerung des Keimbläschens findet man keine Spur:mehr von demselben. on diesem Entwickelungsgang ergeben sich folgende ee Das Ei ist von Anfang an mit allen seinen Theilen vorhanden und n Entwickelung des Dotters und der Dotterhaut erscheint daher nur als Resultat inneren Wachsthumes und der damit verbundenen Differenzirung, keineswegs aber einer Anlagerung von aussen um ein ursprünglich vorhandenes Keimbläschen. . 2. Das Keimbläschen verschwindet vor der Eiablage nicht; im (egentheil deuten alle die beobachteten Vorgänge darauf hin, dass die Veränderung, die es auf der letzten Stufe seiner Entwickelung im Körper erfährt, den Beginn einer neuen, der embryonalen Entwickelungs- reihe vorstellt. B. Die Eierstöcke von Enchytraeus HENLE. Diejenigen Zoologen , welche sich vor mir mit der Gattung Enchy- traeus beschäftigt und auf die Eierstöcke derselben Rücksicht genommen haben, stellten diese Organe stets als weit abweichend dar von dem Charakter, den sie in den übrigen Oligochaeten bieten. In diesen allen nämlich sind die Eierstöcke ein paariges Gebilde in Form zweier Haufen von Eizellen, welche, an .einem Dissepimente befestigt, in einem Seg- mente einander gegenüber liegen, und von denen jedes mit einer mehr oder weniger bestimmt hervortretenden Hülle umgeben ist. In Enchy- traeus aber deutete man Gruppen von Eizellen, welche in einer grösseren Anzahl von Segmenten flottirend gefunden werden, und an denen sich je ein Ei zur Reife entwickelt, als Eierstöcke und läugnet das Vor- kommen paariger Anordnung. So die Ansicht Crararzor’s!) und Buch- noLz’s.?) Etwas abweichend ist die Meinung p’Unsren’s, welcher diese sogenannten flottirenden Ovarien ganz richtig blos als Eizellengruppen gelten lässt, dabei aber einen häutigen Sack, der sie alle umgeben soll, als Ovar in Anspruch nimmt. °) Dieser Sack ist aber nichts weiter als die durch Druck der angehäuften Geschlechtsproducte nach hinten ge- drängten Dissepimente verschiedener Segmente. Nun hatten sich mir schon gelegentlich der in einem andern Hefte dieser Zeitschrift ver- öffentlichten Arbeit über Enchytraeus vermicularis Zweifel aufgedrängt über diese nur scheinbar den Thatsachen entsprechenden Deutungen ; 1) CLAPAREDE, Recherches anatomiques sur les Oligochetes. p. 56. Taf. 3. Fig. #0. 2) BuchuoLz, Beiträge zur Anatomie der Gattung Enchytraeus. Schriften der physik. ökonom. Gesellschaft in Königsberg. Jahrg. 3. 1862. 3) D’ÜDEKEM, a. a.0..p. 66. 22, vr En .— - nn er Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 567 zu eigentlicher, bestimmter Nachforschung wurde ich aber durch die Entdeckung des merkwürdigen Dimorphismus der Eierstöcke, den ich weiter unten beschreiben werde, angetrieben; ich suchte nach einer - Form der Eierstöcke, die übereinstimme mit der der sonst so eng ver- wandten übrigen Oligochaeten und fand sie denn auch. Oeffnet man nämlich einen geschlechtlich noch nicht ganz ent- wickelten Enchytraeus, d. h. einen solchen, in welchem man mit blossem Auge noch nicht die als weisse Flecken hervortretenden reifen Eier bemerkt, so sieht man im zwölften Segment dicht neben dem viel- fach zusammengerollten Ausführungsgang der Receptacula seminis zwei keilförmige Zellmassen , je eine zu jeder Seite des Darmes , welche sich sogleich als Haufen von Eizellen darstellen. Die einzelnen Eichen gleichen vollkommen den jüngsten der oben von Tubifex beschriebenen und in keinem ist noch eine weitere Differenzirung als die von Keim- fleck und Zellinhalt und Hülle zu bemerken; umgeben sind diese Ei- zellenhaufen von einer deutlichen, structurlosen Hülle. Dass sie später in eine grosse Anzahl von Eizellengruppen zerfallen werden, davon zeigen jetzt diese Organe nur eine leise, Andeutung in leichten Ein- schnitten, welche kleinere Portionen: oberflächlich sondern. Mit dem Waechsthum jedoch der einzelnen Eier, das bis zur anfangenden Son- derung des Keimbläschens und einer schmalen peripherischen Dotter- zone ein ziemlich gleichmässiges im ganzen Eierstock ist, beginnt die weitere Zerfällung. Allem Anschein nach wächst die den ganzen Eier- stock umgebende Membran nicht so rasch, wie die von ihr umgebenen Gebilde, sie platzt daher bei sehr heftigem Wachsthum dieser , oder wird wenigstens eine traubige.Form erhalten bei langsamerem Wachs- thum derselben. Im ersteren Fall, den wir am deutlichsten bei Enchy- traeus Galba Horrsm. beobachten, fallen sämmtliche Eizellen zu Ballen von 0,06—0,1 gruppirt in die Leibeshöhle und es existirt kein eigent- licher Eierstock mehr, dagegen haben wir eine grosse Anzahl von Ei- zellengruppen,, wie Fig. I eine darstellt, an: welchen sich meist ein, seltener mehrere Eier gleichzeitig entwickeln. Den zweiten Fall, den einer wenigstens theilweise traubigen Ausbildung zeigt unter allen von mir untersuchten Arten von Enchytraeus, bis jetzt blos Enchytraeus Pagenstecheri n. sp. Hier sind die Theile der Hülle, welche den ein- zelnen Eizellengruppen zukommen von diesen an einem Ende zu ziem- lich langen Stielen ausgezogen: daneben liegen aber auch weniger stark angewachsene Eizellengruppen, die gar keine Ausziehung der Hülle zeigen und damit die Ursache dieser traubigen Bildung deutlich anzu- deuten scheinen. Da das Bestehen und der Zerfallprocess der Eierstöcke nur eine kurze , der flottirende Zustand der Eizellengruppen aber eine 968 Dr. Fritz Ratzel, sehr viel längere Zeit dauert, so erklärt sich leicht, wie man lange Zeit in Bezug auf diese Thatsachen einer irrthümlichen Auffassung huldigen konnte. C. Dimorphismus der Eierstöcke in Tubifex. Der Dimorphismus der Organe, welcher früher weniger beachtet wurde, fordert auf dem heutigen Standpunct der theoretisch-zoologischen Ansichten ein besonders eingehendes Studium, da er für diese An- sichten eine sehr fruchtbare Bedeutung hat; indem wir hier einen Fall von Dimorphismus in Bezug auf innere Organe berichten , welche ihrer Natur nach der Variabilität nicht sehr unterworfen sind, glauben wir einen nicht werthlosen Beitrag zu liefern zu der Zahl ähnlicher, meist an äussern Organen beobachteter Fälle. In Tubifex rivulorum Lan. treten die Eierstöcke in zweierlei Form auf. Die gewöhnlichere, die, welche bis jetzt stets als die einzige bei dieser Gattung auftretende beschrieben worden ist, wollen wir hier nur kurz erwähnen. Die Eierstöcke sind hier ein Paar birnförmige Organe, deren jedes von einer besonderen Hülle umschlossen wird, und welche am Dissepimente befestigt einander gegenüber im elften Segmente liegen. Die in diesen Ovarien sich entwickelnden Eier liegen an der einen etwas ausgebuchteten Seite in der Art, dass die grössten, d. h. die reifsten, am weitesten unten liegen, während die weniger reifen in ziemlich regelmässiger Reihenfolge sich bis zur Spitze auf- thürmen. Die meist regelmässige Abstufung der Umrisse dieser Eier giebt dem ganzen Eierstock das charakteristische Ansehen, welches in Fig. 3 dargestellt ist. Die reifen Eier werden wohl durch Platzen der Hülle entleert. — Wir wollen diese Form des Eierstocks die erste oder Hauptform nennen. Statt ihrer kommt nun zwar viel seltener — nach Beobachtungen an 150 Individuen im Verhältniss von 1:42 —, aber doch constant eine Form vor, die wir die zweite oder Enchytraeusform nennen können. Es ist dies die in Fig. 4 dargestellte Form; Lage und feinerer Bau stimmen durchaus überein mit der ersten Form; auch hier haben wir eine Anhäufung von Eizellen im elften Segment zu jeder Seite des Darmes. Die einzelnen Eichen sind hier zu Klumpen von 0,06—0,08 Mm. Durchmesser geballt, welche nur von der gemeinsamen Membran um- schlossen lose neben einander liegen, und von denen ein Theil schon zu flottirenden Ovarien geworden, in der Leibeshöhle umhertreibt und Eier an sich zur Reife entwickelt. Wir haben hier also ganz das Ver- hältniss, wie wir es von Enchytraeus als das normale kennen gelernt Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten, 569 ' haben, und es ist aus diesem Grunde, dass wir dieser Form den Namen Enchytraeusform beigelegt haben. Was man mit grosser Wahrscheinlichkeit als die Ursache dieser merkwürdigen Zerklüftung der Eierstöcke betrachten könne, haben wir schon gelegentlich der Darstellung derselben Organe von Enchytraeus bezeichnet; in diesem Fall ist das aber nur die nähere Ursache und wir fühlen uns genöthigt, weiter zu fragen: Warum tritt diese Er- scheinung gelegentlich in diesem Wurme auf, in welchem sie in der Mehrzahl der Fälle nicht in einer Spur sich bemerklich macht? Der Ansicht, wir hätten es mit einem pathologischen Falle zu thun, tritt die anscheinend ganz normale Beschaffenheit der übrigen Organisation und die grosse Regelmässigkeit des Auftretens dieser Bildung in Bezug auf ihre Durchführung und die Zahl der damit behafteten Individuen ent- gegen; einer solchen Ansicht kann man ferner entgegen halten, dass in mehr denn 100 Individuen von Limnodrilus, diesem mit Tubifex so nahe verwandten und mit ihm an einerlei Oertlichkeiten vermischt lebenden Wurm, kein Fall von Enchytraeusform des Eierstocks zu beobachten war. Ob wir aber andererseits in diesem Dimorphismus einen Fall von Atavismus, von Rückschlagsbildung erkennen dürfen, ist natürlich eine Frage, die nur mit einem mehr oder weniger grossen Grade von Wahrscheinlichkeit beantwortet werden kann. Ich glaube wenigstens, dass wir dieser Ansicht Raum geben dürfen, bis wir etwa eine näher‘liegende Ursache der eigenthümlichen Variation nachzuweisen vermögen. Jedenfalls sind Tubifex und Enchytraeus, wenn auch inner- halb der Gruppe der Oligochaeten weit von einander abstehend, doch andererseits nahe genug verwandt, um eine solche Rückschlagshildung als möglich erscheinen zu lassen. Auch das Auftreten von Atavismus dürfte noch Gelegenheitsursachen beanspruchen. 2. Sinnesorgane. Wir kannten bis vor kurzer Zeit von Sinnesorganen der Oligochaeten nichts weiter als die rudimentären Augen der Naiden; da machte Buch- HoLz!) zuerst auf eigenthümliche drüsenartige Gebilde in der Haut und besonders der Oberlippe von einer Art Enchytraeus aufmerksam, welche er als kleine, unregelmässig geformte, meist strahlige oder kolbige Körper beschrieb, die einen feinkörnigen Inhalt besitzen; er nannte diese Bildungen Tastkörperchen. Später erweiterte Leypıs die Kenntniss dieser Körperchen, indem er sie in fast allen einheimischen Oligochaeten nachwies; er spricht sich über ihre Deutung folgendermaassen aus: 4) BucunoLz, a. a. 0. n 570 Dr. Fritz Ratzel, »Sie sind morphologisch als einzellige Drüsen anzusprechen, wie ich sie denn auch in meinen Tafeln zur vergleichenden Anatomie so genannt habe. An beiden vorhin bezeichneten Würmern liess sich deutlich er- kennen, dass sie Säckehen darstellen mit einem Nueleus und dass ihr Ausführungsgang zu einem sogenannten Porencanal der Cuticula wird. BucHHoLz ist, geneigt, sie in eine gewisse Beziehung zum Tastsinn zu stellen, wegen ihrer Verbreitung in der Haut und namentlich wegen ihres zahlreichen Vorkommens in der Oberlippe; wobei er auch nicht unterlässt, darauf hinzuweisen, dass vom. vorderen Theil des Kopf- ganglions zwei ziemlich beträchtliche Nervenstämme abgehen , welche sich in die Substanz der Oberlippe verbreiten. Ich selbst hatte mitzu- theilen, dass ich Streifen von wahrscheinlich nervöser Natur an diese »Hautdrüsen« übergehen sah! Alles zusammengerechnet könnte uns zu dem Gedanken führen, dass wir es mit Sinnesorganen zu thun haben, welche unter dem Bild einer Drüse auftreten.«') ‘Ferner hat Leyvıs diese »Tastorgane« von Enchytraeus latus Levvıc auch abgebildet. ?) Auf diesem noch ziemlich schmalen Standpuncte unserer Kennt- nisse von den Sinnesorganen der Oligochaeten ist es mir von hohem Interesse gewesen , in zwei verschiedenen Gattungen dieser Thiere Or- gane zu beobachten, welchen man in einem Fall in Bezug auf ihre Lage und Vertheilung, im andern in Bezug auf ihre feinere Structur ohne jeden Zweifel berechtigt ist, den Namen von Sinnesorganen -zuzu- erkennen. A. Sinnesorgane von Lumbriculus variegatus GRUBE. Betrachtet man die Bauchseite eines Lumbriculus variegatus, so sieht man bei den meisten Individuen schon mit blossem Auge einen scharf umgrenzten weissen Streifen in der Mittellinie des Bauches nach hinten ziehen, der nach hinten zu schwächer wird und meist vor dem Schwanzende schon ganz verschwindet. Bei näherer Betrachtung zeigt sich dieser Streif zusammengesetzt aus unregelmässigen Flecken, die scharf umrandet sind und Anhäufungen weisser, körniger Masse sind. Der Durchmesser der Einzelnen schwankt von den kleinsten Dimen- sionen bis 0,008 Mm., die Form aber ist sehr mannigfaltig. Man trifft am häufigsten polygonale und keulenförmige Bildungen , und zwar be- merkt man in vielen Fällen keine weitere Zusammensetzung, als die aus zahlreichen feinen Körnchen, in den meisten aber scheinen diese 1) Fr. Levpie, Ueber Phreoryctes Menkeanus Horrm. M. SCHULTZE’S Archiv für mikr. Anatomie. Bd. 4. p. 260. 2) Fr. Leypie, Tafeln zur vergleichenden Anatomie. T. 4 Fig. 2%: Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 571 Körnerhäufchen lichte Stellen einzuschliessen, ein Verhältniss, das bei der Betrachtung der Sinnesorgane von Stylodrilus klarer werden wird. Aus der Structur dieser Bildungen allein liesse sich demnach wohl ein sicherer Schluss auf ihren physiologischen Werth nicht machen, dafür kommt uns aber ihre Vertheilung in desto entschiedenerer Weise zu Hülfe. In den vorderen Segmenten stehen die weissen Flecken sehr gedrängt und werden nach hinten zu mehr zerstreut, so dass auf je ‚ eines der hinteren Segmente im Durchschnitt 2— 4 derselben kommen ; ' sie fehlen aber ganz in denjenigen Segmenten, welche Neubildungen ' des hinteren Körpertheiles vorstellen und oft die Hälfte der ganzen EEE 9 EEE ' Körperlänge einnehmen, sich auch schon durch ihre hellrothe Farbe von dem übrigen pechbraunen Körper für das blosse Auge unter- ' scheiden. Nirgends gehen diese Bildungen über die von der Lage des Bauchmärks gegebenen Grenzen hinaus, weder an den Seitenrändern noch vorn: hier wie dort — dies zeigt Fig. 6 — sind sie scharf abge- schnitten. Am auffallendsten ist diese Beschränkung an dem Vorder- ende des Körpers. Am Vorderrande des zweiten Segmentes theilt sich nämlich das Bauchmark in die beiden Aeste des Schlundringes, welche im’ersten Segmente zur Rückenseite hinaufsteigen, um in demselben zum Gehirn zusammenzutreten, wir haben also an der Bauchseite des ersten Segmentes kein Bauchmark und zugleich hören auch die weissen Körper scharf abgeschnitten am Vorderrand des zweiten Segmentes auf. Diese Erscheinung, verbunden mit der scharfen seitlichen Begrenzung dieser Bildungen, muss naturgemäss auf die Annahme eines mehr als zufälligen Zusammenhanges derselben mit dem Bauchmark führen. Denn wären es blos Hautdrüsen, als welche man sie mit Lrypıs am ehesten deuten könnte, warum gehen sie seitlich nicht über die vom Bauchmark gegebenen Grenzen hinaus, und besonders, warum eı- strecken sie sich nicht auch auf das erste Segment, d. h. bis zum Munde hin? Es liegt ohne Zweifel in diesen beiden Momenten hin- reichender Grund vor, diese Gebilde als Organe aufzufassen, welche mit dem Nervensystem in inniger Beziehung stehen, wo dann ferner die Auffassung derselben als Organe des Tastsinnes am nächsten liegt. Allerdings können wir nicht mit Sicherheit behaupten , Nervenfasern zu ihnen hin verfolgt zu haben, obwohl der Schein oft dafür sprach ; aber bei der Complicirtheit des Faserverlaufes in und an dem Bauch- mark und der Schwierigkeit der Präparation will das nicht viel heissen, zumal auf andere Weise ein weiteres Criterium des Zusämmenhanges dieser Organe mit dem Bauchmark gewonnen wurde. Präparirt man nämlich letzteres vorsichtig von seinen Verbindungen mit der Körper- wand ab, so bleiben öfters solche »Tastorgane« an der ventralen Fläche 572 Dr. Fritz Ratzel, des Bauchmarkes hängen, was jedenfalls als Zeichen einer innigen Ver- bindung beider gedeutet werden kann. B. Sinnesorgane von Stylodrilus Heringianus Claparede. Die Gattung Stylodrilus steht mit Lumbriculus in einer sehr nahen Verbindung, wie wir durch die Arbeiten CLarartoe’s, des Begründers und bis jetzt einzigen Beschreibers dieser Gattung erfahren haben. In beiden sind alle Gefässschlingen contractil, die samenausführenden Gänge gegabelt, die Borsten zum Verwechseln ähnlich, und — wie wir hinzufügen können — das Nervensystem ganz nach demselben Typus gebaut. Es war natürlich, dass, nachdem Lumbriculus an seiner Bauch- seite die merkwürdigen Tastorgane aufgewiesen hatte, ich auch in Stylodrilus nach ihnen suchte, und es gelang mir denn auch in dem einzigen Individuum, das ich hier auftreiben konnte dieselben nach- zuweisen und zwar in einer Form, welche auf die, in welcher sie in Lumbriculus auftreten, ein helles Licht wirft. An dem Exemplar, welches ich untersuchte, waren diese Organe viel weniger massenhaft vorhanden als in Lumbriculus, sie stellten sich schon dem blossen Auge nur als zerstreute Puncte, nicht als markirte Linie dar, besassen jedoch dieselbe mattweisse Farbe. Auch hier durch die vom Bauchmark ge- gebenen Grenzen eingeengt, kamen sie doch nicht in allen Segmenten vor; während sie zu starken, Häufchen im zweiten, dritten und vierten Segment zusammengedrängt waren, traten sie nur vereinzelt in den folgenden Segmenten auf, fehlten hier zuweilen schon und verschwan- den in dem hinteren Körpertheil, der hier keine Neubildung ist. Die Form war die einer Kugel, an einem Ende etwas abgeplattet, am an- dern zu einer Spitze ausgezogen, welche in einen mit dem Bauchmark im Zusammenhang stehenden Nervenfaden überging; die Grenzen der Form waren scharf umschrieben. Der mittlere Durchmesser war 0,012, das in Fig. 7 abgebildete Organ hatte jedoch 0,018 und 0,015 Mm. Durchmesser. Auch in diesen Organen tritt die Körnchensubstanz als der massigste Bestandtheil auf, doch tritt an dem abgeplatteten Pole ein neues Element hinzu, das man eben sowohl als einen eingelagerten hellen Körper, als wie als eine blosse Vertiefung deuten könnte; ein bestimmtes Urtheil lässt sich nach der geringen Zahl der untersuchten Fälle nicht fassen, aber dem Augenscheine nach möchte ich die erstere Ansicht als die richtigere bezeichnen, nach welcher ein heller Körper in die weisse Körnchenmasse eingelagert ist. Dennoch kann man aber wohl nicht an einen lichtbrechenden Körper denken, da die weisse Farbe des Pigmentes, die ventrale Lage der Organe, das Leben des sie Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten, 573 besitzenden Wurmes in der Erde dagegen spricht; wir gehen wohl auch hier am sichersten, wenn wir diesen Organen den Werth von Tastorganen beimessen. Die Resultate vorstehender Untersuchungen sind diese: 1. Lumbriculus variegatus GrupE hat Sinnesorgane, welche sich durch ihre Vertheilung und ihren Zusammenhang mit dem Nerven- system deutlich als solche manifestiren, und zugleich mit Hautdrüsen in ihrem Bau grosse Aehnlichkeit haben. 2. Stylodrilus Heringianus OLarar. hat Sinnesorgane, welche aus denselben Gründen, wie die von Lumbriculus, als solche bezeichnet werden können, welche aber zugleich in ihrem Bau den Charakter von Hautdrüsen gänzlich aufgegeben haben. 3. Nervensystem. Die Grundlagen unserer Kenntnisse vom Nervensystem der Oligo- chaeten verdanken wir Leyoie’s Arbeiten auf diesem Gebiete!). Die Resultate derselben lassen sich dahin zusammenfassen, dass sowohl Bauchmark als Gehirn ursprünglich paarige, in der Mittellinie zu- sammengetretene Gebilde sind; dass beide aus Ganglienzellen und fibrillärer Substanz zusammengesetzt sind, und besonders auch, dass das Bauchmark in seinem ganzen Verlaufe Ganglienzellen in symme- trischen Anhäufungen enthält. Letztere Thatsache ist um so mehr zu betonen, als Crarırtpe das Bauchmark irrthümlich als einen blos an seinem Vorderende mit Ganglienhaufen versehenen Faserstrang dar- stellte. ?2) Leypıc hat ferner für alle Oligochaeten, die er untersuchte, das Vorhandensein eines vom Schlundring ausgehenden und auf dem vorderen Darmtheil sich verbreitenden Nervengeflechtes nachgewiesen. Diesen grundlegenden Forschungen konnte ich mehrere Ergänzungen hinzufügen, indem ich zuerst für Enchytraeus die Verbindung eines bis dahin problematischen Organes mit dem Schlundring und seine Zugehörigkeit zum Nervensystem nachwies®), und darauf die Ent- wickelung des Nervensystems in Lumbricus verfolgte*), wobei es mir 4) Fr. Leypıs, Ueber das Nervensystem der Anneliden. REICHERT’S und Du Boıs Reymonp’s Archiv. 4862, p. 90—424. — Fr. Leypıc, Vom Bau des thierischen Körpers. Erster Band, erste Hälfte. 1864. p. 438 ff. p. 168 . 2) CrAPaRrkEDE , Recherches anatomiques sur les Oligochetes. p. 8. Tafel 111. Fig. 5.u..8. 3) Frırz RATzeL, Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis. Diese Zeitschr. Bd. 48. p. 99—108. 4) Frırz RAarzen und Dr. M. WarscHawskv, Zur Entwickelung von Lumbricus agricola. Diese Zeitschr. Bd. 48. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVIU. Bd. 37 574 Dr. Fritz Ratzel, gelang, die Ansicht Leypie’s, die er aus anatomischen Thatsachen ge- schöpft, dass dem Nervensystem der Oligochaeten ein durchaus paariger Charakter eigen sei, durch die Entwickelung zu beweisen, wo ich ferner zu Ansichten über das Verhältniss von Muskel- und Nervensubstanz bei diesen Thieren kam, welche ich an einem andern Orte ausführlich darlegen werde, wo ich endlich auch über die Deutung des sogenannten Axenstrangs und die morphologische Auffassung des Schlundringes Thatsachen und Ansichten niedergelegt habe. Hier beabsichtige ich nun zu der oben erwähnten Darstellung des sogenannten Schlund- nervensystems von Enchytraeus einige Nachträge zu liefern, die syste- matische Bedeutung des Gentralnervensystems verschiedener Oligo- chaeten zu betonen und zuletzt einige neue Thatsachen zur Anatomie des Nervensystems von Lumbriculus variegatus beizubringen. A. Der feinere Bau des Schlundnervensystems von Enchytraeus HENLE. In meinen vorhin erwähnten Beiträgen zur Anatomie von Enchy- traeus vermicularis habe ich zum ersten Mal das Wesen der drei Paare von Zellencomplexen, welche untereinander durch Längscommissuren verbunden auf der Rückenseite des Darmes im vierten, sechsten und siebenten Segmente liegen, der Erkenntniss näher gebracht, indem ich nachwies, dass nach vorne die diese eigenthümlichen Bildungen ver- bindenden Längsstränge in den Schlundring übergehen, nachdem sie sich mehrmals verästelt hatten, und ich habe sie sowohl wegen dieser Verbindung, als auch ihres feineren Baues wegen als Theile des Nerven- systems, angesprochen und ihnen den Namen Schlundnervensystem beigelegt. Von. der Richtigkeit der dieser Deutung zu Grunde gelegten Beobachtungen habe ich mich neuerdings wieder überzeugt und möchte nun hier noch Einiges über den feineren Bau dieser Organe hier nach- tragen. In den symmetrischen Knoten, welche ich in meiner der er- wähnten Arbeit beigegebenen Tafel mit den Buchstaben a, b, c,d,e und f bezeichnet habe!), liegen unipolare Zellen von 0,04 — 0,024 Mm. Durchmesser, welche alle einen bläschenförmigen Kern mit einem weissglänzenden Kernkörperchen enthalten. In den grössten Zellen hat der Kern 0,008, das Kernkörperchen 0,003 Mm. Durchmesser, der übrige Zellinhalt ist kein homogener, sondern man sieht in ihm wolken- oder faltenartige Dunkelheiten, über welche man nur in soweit klar wird, als sie. mit verdünnter Essigsäure behandelt, zusammen- schrumpfen und sammt dem Kern sich als unregelmässige Masse an 4) Fritz RArzerL, Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis. Diese Zeitschr. Bd. 18. Tafel VI. Fig. 1a und Ab. Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 575 eine Stelle der Innenwand der Zelle anlegen. Fig. 8a zeigt eine un- versehrte, Fig. 8b eine mit Essigsäure behandelte Zelle dieser Art; der stielartig ausgezogene eine Pol dieser Zellen bietet weiter keine Be- sonderheiten. So eigenthümlich nun diese Zellen sich verhalten, so klar scheint uns die Structur der die einzelnen Knotenpaare verbinden- den und nach vorn in eine Anzahl Aeste sich auflösenden Längsstränge zu sein, indem dieselbe ganz und gar übereinstimmt mit der der Gen- traltheile des Nervensystems. In Fig. 9 haben wir die in der oben an- geführten Tafel mit h bezeichnete Partie eines Längsstranges mit Rück- sicht auf ihre feinere Structur dargestellt. Wir sehen hier in der »fibrillären Punctsubstanz«, wie Levpig ganz treffend die faserigen , mit Knötchen durchsäeten Elemente des Nervensystems nennt, einen Haufen spindelförmiger Zellen eingelagert, welche in hohem Grade den bipolaren Ganglienzellen des Bauchmarkes entsprechen. Solche Ein- lagerungen finden seltener in der Continuität der Stränge, regelmässig aber in den jeder Verästelung vorangehenden Anschwellungen der- selben statt, und es ist mir in den weiter nach vorn gelegenen An- häufungen gelungen, wirkliche Ausläufer an beiden Polen dieser spindelförmigen Zellen zu beobachten, also die bipolare Natur derselben festzustellen ; neben diesen Zellen finden in den Anschwellungen sich Häufchen gelblicher Körnermasse. Da die einzelnen spindelförmigen Zellen ganz mit der normalen Form der Ganglienzellen, wie sie weiter unten vom Bauchmark des Lumbriculus beschrieben werden wird, übereinstimmt, so verweise ich auf die Beschreibung jener. Soweit meine Kenntniss der Gattung Enchytraeus reicht, kömmt dieses Schlund- nervensystem in allen Alterszuständen und allen Arten vor und bietet für die Bestimmung der Gattung das untrüglichste und am leichtesten aufzufindende Merkmal, sowohl wegen der Gonstanz des Vorkommens als auch der hervortretenden Grösse halber. In andern Oligochaeten beobachtete ich Spuren dieser Organe in Lumbriculus und Nais mit ziemlicher Sicherheit. Als möglicherweise mit der starken Ausbildung des Schlundnervensystems im Zusammenhang stehend, erwähne ich hier noch der Thatsache,, dass die Gattung Enchytraeus die einzige mir bekannte Oligochaetengattung ist, welche an der Basis des Schlund- ringes keine Ganglienhaufen angelagert besitzt, sondern in der die beiden Stränge des Schlundringes sich aus blosser Fasersubstanz zu- sammensetzen. B. Nervensystem von Lumbriculus variegatus GRUBE. Leypıe hat in seinen trefflichen Arbeiten über das Nervensystem der Oligochaeten auch das von Lumbriculus beschrieben und abge- 37 * 576 Dr. Fritz Ratzel, bildet!), was ich daher hier gebe, soll nur die Angaben des trefflichen Forschers in einigen Puncten ergänzen. Das Bauchmark sowohl als das Gehirn von Lumbriculus haben sehr charakteristische Merkmale, deren systematischen Werth wir unten mit einigen Worten hervorheben wer- den. Fig. 10 stellt beide Theile dar. Das Gehirn besteht aus zwei Ganglienhaufen, die dem Schlundring gleichsam aufgesetzt sind, indem dieser unter ihnen weggeht, und welche durch eine schmale Schicht von Ganglienzellen untereinander verbunden sind; dieselben sind be-' merkenswerth durch ihre Massenhaftigkeit und die histologischen Ver- schiedenheiten der sie zusammensetzenden Elemente. Das Gehirn eines erwachsenen Thieres hat 0,3 Mm. Breite und der Durchmesser eines Ganglienhaufens in der Längsaxe beträgt 0,1 Mm. Die das Gehirn zu- sammensetzenden Ganglienzellen stimmen in ihrer grossen Masse überein mit denen des Bauchmarks, wir wollen solche als kleine Ganglienzellen bezeichnen. Es sind spindelförmige, unipolare und bipolare Zellen, von höchstens 0,01 Mm. grösstem Durchmesser, in denen der Kern eine Ansammlung fettartig glänzender Körnchen darstellt und keinen Kern- körper aufweist, dabei die Hauptmasse der Zelle ausmacht , indem die Hülle meist nur eine schmale, helle Zone darstellt, welche in die Aus- läufer übergeht. Diese kleinen Ganglienzellen bilden ausschliesslich die Ganglienhaufen des Bauchmarkes und zum überwiegenden Theile auch die des Gehirnes. Aber in letzterem sind zwischen sie grössere Zellen eingebettet, welche ich als grosse Ganglienzellen unterscheide. Diese Zellen, welche ich stets nur als unipolar oder apolar nachweisen konnte, haben von 0,015—0,025 Mm. Durchmesser, einen zartkörnigen Inhalt, einen Kern von 0,008—0,042 Mm. Durchmesser mit dunklerem, ebenfalls feinkörnigem Inhalt, endlich ein Kernkörperchen von starker Lichtbrechung und nicht über 0,0015 Mm. Durchmesser; sie sie sind auf das Gehirn beschränkt und kommen in diesem nur in beschränkter Anzahl vor. Die Gommissuren schliessen in ihrem Gewebe keine zelligen Elemente ein, sondern bestehen aus dem, was wir vorhin schon mit Leyoie fibrilläre Puncetsubstanz genannt haben. Von dieser Substanz aber liegen im Gehirn und Bauchmark, sowie in dem Schlundring eigenthümliche Bildungen,, die man bei Zerfaserung dieser Partien mit der Nadel in nicht geringer Anzahl erhält, blasse glatte Gylinder mit einem zu elliptischer Form angeschwollenen Ende, oder einer ebenso geformten Anschwellung in der Continuität des Cylinders. Fig. 14 stellt solche Körper dar. Es gelingt nicht seiten, den Faden oder Cylinder 4) Fr. Leypie, Tafeln zur vergleichenden Anatomie. Tafel 4. Fig. 6. — Fr. L£eyDıiG, Vom Bau des thierischen Körpers. Bd. 4. Erste Hälfte. p. 471. Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 577 auf 0,02 Mm. Länge zu verfolgen, während die Anschwellung 0,004 Mm. Länge und Breite nicht übersteigt. Von den Fasern der eigentlichen fibrillären Nervensubstanz unterscheiden sich diese Bildungen sehr leicht durch den ganz glatten und schwach contourirten Umriss und das allgemeine, blasse Ansehen. Diese Körper schienen in mehreren Fällen von dem unversehrten Gehirn und Bauchmark gegen die Pe- ripherie hin zu verlaufen, vielleicht also, dass sie peripherische Nerven- endigungen darstellen. — Gehen wir in unserer Betrachtung der allge- meineren Form des Bauchmarkes weiter, so sehen wir an der Stelle, wo dieses in die CGommissuren des Schlundringes sich gabelt, sowohl an der Aussen- als der Innenseite des dadurch gebildeten Winkels je ein Paar Ganglienhaufen angelegt, welche sich eine kleine Strecke weit an den Strängen des Schlundringes gegen das Gehirn hinaufziehen. Es folgen dann am Bauchstrang paarige symmetrische Haufen von Ganglienzellen, die wesentlich seitlich liegen, sich aber nach der dor- salen Seite mehr hinaufziehen, als nach der ventralen. Die äusseren Umrisse dieser Ganglienhaufen zeigen eine grosse Gleichförmigkeit, sie sind nur am Vorderende des Bauchstranges etwas breiter, unterscheiden sich aber im Uebrigen gar nicht von einander: In der Mittellinie des Bauchmarkes verläuft nun ein Gebilde, welches oft dargestellt und be- sprochen wurde!), in seiner Bedeutung aber noch nicht gekannt ist; es stellt sich als ein an dem Vorderende sich gabelnder Strang mit deutlich doppelt contourirten Rändern dar, in dessen Mitte drei an- scheinend homogene Fasern verlaufen, die aber nur durch Reagentien und Druck zur Erscheinung kommen; die Meinung, die ich bis jetzt über dieses Gebilde zu fassen vermochte, beschränkt sich darauf, dass ich dasselbe als das Product der Entwickelung des Bauchstranges aus zwei von den Seiten her zusammentretenden Hälften betrachte, wie ich das in der Arbeit über die Entwickelung von Lumbricus agricola des Nähern ausgeführt. ©. Systematische Bedeutung des Nervensystems. Es giebt unter den Oligochaeten kein Organ, das den Zusammen- hang einzelner grösserer natürlicher Gruppen deutlicher ausspräche, als das Nervensystem, während es andererseits wieder durch die Con- stanz der Form und der relativen Grössenverhältnisse in vielen Fällen ein höchst werthvolles Werkzeug der Artunterscheidung abgiebt. So sind Lumbriculus und Stylodrilus, deren Verwandtschaft schon CLara- 1) Fr. Leyoıc, Vom Bau des thierischen Körpers. Bd. 4, Erste Hälfte. p. 470. CLAPAREDE, a. a. OÖ. p. 9. 978 Dr. Fritz Ratzel, REDE erkannte !), durch nichts so innig verbunden, als durch ihr Nerven- system, so dass mit wenigen Modificationen die Fig. 10 auch das Nerven- system von Stylodrilus repräsentiren könnte. Den beiden gemeinsamen Typus dieses Organsystemes kann man bezeichnen in dieser Art: Die Commissur des Schlundringes tritt an der Basis des Gehirns deutlich hervor, auf ihr ruhen die Ganglienhaufen des Gehirns, aus grossen und kleinen Ganglienzellen bestehend: an der Innen- und Aussenseite des Winkels, den die am Vorderende des Bauchmarks zusammentretenden Stränge des Schlundringes bilden, liegt je ein Paar von Ganglienzellen- gruppen; der Ganglienbeleg des Bauchmarks ist ein gleichförmiger in Bezug auf den äusseren Umriss und tritt keine Portion irgend eines Segmentes vor der andern zu sehr hervor, um diese Gleichförmigkeit stören zu können. — Auch für die Arten der Gattung Enchytraeus lässt sich ein gemeinsamer Typus unschwer finden; man vergleiche die Fig. 12 und‘43, welche die vorderen Abschnitte der Nervensysteme von Enchytraeus galba Horrm. (Fig. 12) und Enchytraeus Pagenstecheri n. sp. (Fig. 13) darstellen und endlich die Abbildung, welche Levnıc von dem entsprechenden Theil des Nervensystems von Enchytraeus latus Levvic giebt?) und-man wird das Gemeinsame leicht herausfinden: Eine sehr wenig ausgeprägte Paarigkeit des Gehirns, Mangel der Ganglienzellen an der Basis des Schlundringes, sehr starke Ausdehnung des Bauchmarks an seinem Vorderende durch Ganglienzellenbeleg und allmählicher Uebergang in regelmässigere Gestaltung des Bauchmarks, nachdem im fünften und sechsten Segment noch einmal eine merkliche Ausdehnung stattgefunden hatte, welche wohl in Bezug steht zu den nur bei Enchytraeus im fünften Segment liegenden Samentaschen. Auch die nahe verwandten Tubifex und Limnodrilus haben einen ge- meinsamen Typus des Nervensystems, den wir jedoch seiner hervor- tretenden Eigenthümlichkeiten wegen auf eine spätere Schilderung ver- schieben, hier nur so viel bemerkend, dass hier gänzlich ganglienfreie Strecken des Bauchmarks abwechseln mit ausserordentlich starken Ganglienhaufen an anderen Puncten, und dass in den peripherischen Theilen des Nervensystems bedeutende Einlagerungen von Ganglien- zellen stattfinden, — Erscheinungen, die wir in anderen Oligochaeten nicht kennen. 4) CLAPAREDE a. a. OÖ. p 5 giebt die beiden gemeinsamen Charaktere in dieser Form: Toutes les anses vasculaires contractiles, au nombre de deux par segment. Crochets stmples, rarement un peu bifides, formant deux rangees de chaque cöte. Als ferner gemeinsam wird angegeben: Lage der Receptacula seminis im neunten, der männlichen Geschlechtsöffnungen im zehnten, der Eileiter im zwölften Segment, Gabelung der Vasa deferentia. ] 2) Fr. Leypıe, Tafeln zur vergleichenden Anatomie. Taf. 4. Fig. 2. Z Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 579 k. Das Blutgefässsystem. CLAPAREDE war es, der unsere Kenntnisse vom Gefässsystem der Oligochaeten zuerst zu einem gewissen Grad von Vollständigkeit brachte, während gerade über diesen Punct Alles im Dunkeln gelegen hatte, wie es noch heute mit denjenigen Oligochaeten der Fall ist, welche CGLarı- REDE in seinem fruchtbaren Werke: Recherches sur les Oligochetes nicht behandelt hat z. B. der Gattung Nais. Wer so von Grund auf zu bauen hat, dem entgeht Manches, was nicht gerade zu den Haupt- puncten der Untersuchung gehört, zumal in diesem Falle, in welchem man bedenken muss, dass für die Untersuchung des Gefässsystems das treffliche Mittel der Präparation unanwendbar ist, und dass man die Gefässe nicht besser studiren kann als in ihrer natürlichen Function und Lage am lebenden Thier. Kein Wunder also, wenn wir im Nach- folgenden in den Stand gesetzt sind, zu den Grararkpe’schen Angaben einige Nachträge und Verbesserungen zu liefern, theils sogar einiges Neue zu bieten. Ehe wir jedoch zu den Einzelheiten übergehen, wollen wir einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken. Die Hauptstämme des Gefässsystems in den Oligochaeten sind ein Rücken- und ein Bauchgefäss, von welchen das erstere immer contraetil ist und stets bis in das erste Segment reicht, wo es sich gabelt und in zwei Aeste auseinander geht, welche sich zuweilen noch im ersten, meist aber erst in dem dritten bis achten zu einem medianen und ventralen Hauptgefässstamm vereinigen. Diese Einrichtung ist so allge- mein, dass man unwillkürlich erinnert wird an die Verbindung des ventralen Theiles des Nervensystems mit dem dorsalen vermittelst der Schlundcommissur, welche der Verbindung der beiden Hauptgefäss- stämme sehr ähnlich und eben so allgemein ist. Da wir nun in der Entwickelungsgeschichte von Lumbricus gesehen haben, wie Bauch- mark, Schlundring und Gehirn eine gemeinsame Anlage in den soge- nannten Primitivstreifen besitzen, wie auch das ganze Muskelsystem und die Segmentalorgane auf dem Boden dieser Primitivstreifen sich entwickeln, so halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass auch die Parallele, welche Gefäss- und Nervensystem in der angedeuteten Weise bieten, auf die Entwickelung aus dem Primitivstreifen zurückzuführen sei. Das Rückengefäss ist nicht in allen seinen Theilen gleich contractil, dieses sieht man sehr deutlich in Enchytraeus und es ist der Unter- schied auch in Fig. 17 und 18 versinnlicht. Fig. 17 zeigt ein Stück aus dem stark contractilen, Fig. 18 aus dem fast nicht contractilen, dem Kopfe nahe gelegenen Theile. Während in dem letzteren wir einfache, wellige Umrisse mit sinuösen Erweiterungen haben, tritt uns in dem 980 Dr. Fritz Ratzel, ersteren eine sehr eigenthümliche Bildung enigegen. Wir sehen in ge- ringen, regelmässigen Entfernungen von einander massige Bildungen von Biscuitform quer über dem Gefässe anliegen und letzteres an jeder solchen Stelle eingeschnürt, während jedesmal in den Intervallen ein Paar der den Darm bekleidenden Drüsenzellen liegt, wie sie wohl auf allen Gefässen zerstreut vorkommen. Man wird kaum fehl gehen, wenn man die das Gefäss einschnürenden, biscuitförmigen Bildungen für Ringe von Muskelsubstanz hält, welche das Gefäss in regelmässigen Abständen umgeben und deren durch die Contraction etwas hervor- stehende Ränder die Biscuitform geben. Eine leichte Querstreifung, welche man beobachtet, und die wir ja schon früher für Enchytraeus als allgemein vorkommend nachgewiesen haben!), scheint die obige Deutung ausser Zweifel zu setzen. Diese eigenthümliche Bildung des Rückengefässes habe ich bis jetzt wegen der günstigen Gelegenheit, die Enchytraeus in dieser Hinsicht der Beobachtung bietet, nur an diesem beobachtet, doch habe ich Andeutungen, dass Aehnliches in Lumbricus und in Lumbriculus vorkomme. — Was die Con- tractilität der von den Hauptgefässstämmen abgehenden Gefäss- schlingen betrifft, so wird diese auf andere Weise bewirkt, als die des eben beschriebenen Rückengefässes. Fig. 19 stellt eine derartige contractile Gefässschlinge von Lumbriculus dar; wir sehen den doppelten Contour des Randes und in diesem Rande spindelförmige Zellen, welche Anschwellungen des Umrisses hervorbringen. Diese Zellen gleichen in hohem Grade den bipolaren, kleineren Ganglien- zellen, die wir früher beschrieben; ihre Hülle ist eine schmale Zone, welche nicht einen, sondern viele Ausläufer abgiebt, die auf der Ge- fässwand sich verzweigen und dieser ein Ansehen geben, als ob sie mit zahlreichen Queräderchen überzogen sei. Ich hatte früher nie einen Zweifel, dass das Muskelzellen seien, welche eben die Contractilität bewirkten, zumal ich fand, dass GLarArkDe diese Zellen ganz in der- selben Weise deutete?); um so mehr war ich erstaunt, sie von Levpıe in einer ganz verschiedenen Richtung ausgelegt zu sehen, nämlich als eine Tunica adventitia®); dennoch konnte ich meine frühere Ansicht nicht aufgeben und will nur kurz die Gründe angeben, welche mich bestimmten, sie überhaupt zu fassen. Die beschriebenen Zellen, die der Gefässwand aussen aufliegen, stehen in einem bestimmten Ver- 4) Fritz RATzer,, Beiträge zur Anatomie von Enchytraeus vermicularis. Diese Zeitschr. Bd 18. p. 407. 2) CLAPAREDE, a. a. 0. p. M. 3) Fr. Leypıg, Ueber Phreoryctes Menkeanus Horrm. SCHULTZE’S Archiv für mikr. Anatomie. A. Bd. p. 278. Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten, 581 hältniss zur Contractilität der Gefässe; wir finden sie höchst selten, wo die Gefässe wenig contractil wie in Enchytraeus, sehr häufig wo die- selben sehr contractil sind, wie in Lumbricus; ja in Ghaetogaster haben wir sogar ein für mich noch überzeugenderes Beispiel, dort sind ein Paar Gefässschlingen — in Fig. 16 mit c bezeichnet — in einem Grade contractil, dass sie wirklich als das Hauptbewegungsorgan des Blutes, das Rückengefäss nicht ausgenommen, angesehen werden müssen, und sie sind dicht besäet mit solchen Zellen, während die übrigen Gefässe deren fast ganz entbehren. Nach diesen Fällen müsste man, wenn man diese Zellen als Tunica adventitia, als Bindegewebsgebilde deuten wollte und eine ihnen unterliegende Muskelschicht annähme, consequent auch zugeben, dass dieselben in demselben Verhältniss reichlicher auftreten als das Muskelgewebe energischer functionirt. Da ich aber zu einer solchen Annahme keinen Grund sehe, und eben so wenig be- greife, warum diese Zellen keine Muskelzellen sein sollten, so halte ich meine Ansicht aufrecht und werde bei einer ausführlicheren Darstellung des Muskelgewebes der Oligochaeten weitere Beweise für dieselbe bei- bringen. A. Gefässsystem von Lumbriculus variegatus GRUBE. Cıararkpe beschreibt das Gefässsystem dieses Wurmes in folgen- der Weise: Es ist ein dorsaler und ein ventraler Gefässstamm vorhan- den, beide sind in jedem Segment durch ein Paar Gefässschlingen ver- bunden, wovon die eine (anse intestinale, Darmschlinge) im hinteren Theile des Segmentes den Darm eng umschliesst, und nur in den vor- dersten Segmenten fehlt, während die andere (Anse periviscerale, Ein- geweideschlinge) weniger eng den Darm umschliesst, in allen Seg- menten ohne Ausnahme vorkömmt und der hauptsächliche Träger der contractilen blinden Gefässanhänge ist, während die Darmschlinge nur wenige blinde Anhänge besitzt!). — An dieser Beschreibung glauben wir einige nicht ganz unwesentliche Berichtigungen vornehmen zu müssen. Unseren Untersuchungen zu Folge kommt nämlich die Ein- geweideschlinge keineswegs in allen Segmenten vor, sondern fehlt in den vorderen Segmenten, in welchen sie vertreten wird durch die Darmschlinge, welche aber dann ihrerseits in den folgenden Segmenten verschwindet. Die näheren Verhältnisse, die hierbei obwalten, sind diese: In den fünfzehn vordersten Segmenten haben wir blos diejenigen Gefässschlingen, welche Crarırtoe als Anses intestinales bezeichnet, sie sind hier zum Theil stark verzweigt und besonders in den acht 4) CLAPAREDE, a. a. O. p. 41. Tafel 4. Fig. 4, 582 Dr. Fritz Ratzel, vordersten Segmenten bilden sie das schöne Gefässneiz, welches Fig. 14 darstellt, und in welchem der segmentale Charakter der einzelnen Ge- fässzweige zwar etwas verwischt aber doch im Ganzen wohl zu er- kennen ist; in den zwischen dem achten und fünfzehnten gelegenen Segmenten tritt die Verästelung nach und nach zurück, indem zuerst die Verbindungen der Gefässschlingen zweier auf einander folgender Segmente aufhören, dann vom elften Segmente an die Verästelungen nur noch unregelmässig auftreten. Die Schlingen selbst sind bis zum fünfundzwanzigsten Segment noch recht deutlich sichtbar, legen sich aber enger um den Darm und verschwinden endlich unter dessen Zell- beleg gänzlich. Vom funfzehnten Segmente an treten unterdessen vor diesen eben beschriebenen Darmschlingen liegend die Eingeweide- schlingen auf, weiche ich aber als eigentliche Ringgefässe, die das dorsale und ventrale Hauptgefäss verbinden sollen, nicht betrachten kann, sondern welche ich als blinde Anhänge des Rückengefässes auf- fasse. Diese sehr charakteristischen Bildungen treten zuerst im fünf- zehnten Segment in Form von einfachen Schläuchen auf, auf welche schon jetzt ein starker Beleg der Darmdrüsenzellen sich erstreckt; diese Schläuche, indem sie sich nach und nach stärker verästeln, erfüllen zuletzt mit bis funfzehn Blindsäckchen auf jeder Seite des Darmes den ganzen Raum zwischen Darm und Körperwand. Auf dieser Stufe der Entwickelung pulsiren sie auch sehr stark, während davon in ihrem ersten Auftreten keine Spur bemerklich ist, wo sie dann freilich mehr den Eindruck von blinden Taschen des Darmes als von Gefässen machen, wie sie auch Gruse auffasste. Ich komme zum Schluss darauf zurück, dass eine Verbindung der Eingeweideschlingen mit dem Bauch- gefässe zu beobachten, mir niemals möglich war, dass ich auch schon a priori im Hinblick auf die beim ersten Auftreten dieser Bildungen statthabenden Verhältnisse eine solche Verbindung bezweifeln würde. Wäre nämlich eine solche vorhanden, so würde sie wohl zuerst in Form eines einfachen Rückengefässes vorhanden sein, an welchem dann nach und nach die Blindsäckchen sich ausstülpten. Ich habe mich aber im Gegentheil überzeugt, dass im Anfange die Eingeweide- schlingen in Form einfacher, blindsackartiger Ausstülpungen des Rückengefässes vorhanden sind, und sich nur in der Richtung ent- wickeln, dass eine immer grössere Verästelung durch Ausstülpung neuer Blindsäckchen eintritt. Ich möchte nach diesen Thatsachen die Verhältnisse des Gefässsystems in Lumbricus variegatus in folgender Weise darstellen: In allen Segmenten kömmt eine Verbindung des Rücken- mit dem Bauchgefässe durch eine contractile Gefässschlinge zu Stande, welche Gefässschlinge in den zwölf vorderen Segmenten Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten, 583 reich verästelt, in den weiter hinten gelegenen aber einfach. ist. Ausserdem tritt vom funfzehnten Segment an ein Anhang des Rücken- gefässes paarig in jedem Segmente hinzu, welcher blind endet, sich stark verästelt, sehr contraetil ist, und auf welchem der Drüsenbeleg des Darmes sich fortsetzt; auch das Rückengefäss trägt diesen Beleg ausser in den acht vorderen Segmenten, das Bauchgefäss aber und die Darmschlingen der fünfundzwanzig vorderen Segmente sind frei von ihm. Das Blut von Lumbricus variegatus ist intensiv roth. B. Gefässsystem von Enchytraeus. Das Gefässsystem von Enchytraeus ist höchst einfach, da es blos eine das Bauch- und Rückengefäss verbindende Schlinge in jedem, Segment besitzt; bemerkenswerth ist hier nur die Art, wie die Gefäss- schlingen in den vorderen Segmenten sich verhalten. Im dritten Seg- ment findet nämlich eine Gabelung des Bauchgefässes statt und in demselben Segment entspringen vom Rückengefäss zwei Paar Gefäss- schlingen, wovon die eine noch in diesem, die andere im zweiten Seg- ment sich mit dem Bauchgefäss verbindet, während in das erste Seg- ment nur die Vereinigung des Bauch- und Rückengefässes an ihren Vorderenden fällt. Crarartpe giebt als Charakter des Gefässsystems von Enchytraeus auch noch an, dass keine Gefässschlinge contractil sei!), was nicht richtig ist, wenn ÜLAPAREDE, wie er es ihut, die den Gefässwänden anliegenden Zellen als Muskelzellen auffasst, denn die Gefässschlingen von Enchytraeus sind, wenn auch spärlich mit solchen Zellen besetzt und zeigen dem entsprechend auch leichte Gontractionen. Die Blutflüssigkeit von Enchytraeus ist sowohl von CLararkpe ?) als von p’Upegem ?) als farblos bezeichnet worden und CrArırkpe glaubt einen Hauptunterschied zwischen Enchytraeus und Pachydrilus darin zu finden, dass das Blut von Pachydrilus roth sei; indessen hat schon Hente in seiner Beschreibung des Enchytraeus albidus*) darauf hin- gewiesen, dass diese Art röthliches Blut habe und ich selbst habe in Enchytraeus Pagenstecheri n. sp. entschieden gelbliches Blut gefunden. C. Gefässsystem von Chaetogaster Limnaei v. BAER. In Bezug auf das Gefässsystem dieses Wurmes ist ein ziemlich augenfälliger Irrthum zu verbessern, welchen p’Üpekem in seiner 4) CLAPAREDE, a. a. 0. p. 5. 2) CLAPAREDE, a. a. 0. p.5. . 3) D’ÜDEREM, Nouvelle Classification des Anneldes setigeres abranches. p. 14. 4) MüLter’s Archiv 4837. p. 84. TE PEPEERTET. EEE DEREN 584 Dr. Fritz Ratzel, Diagnose gemacht!) und CLAPAREDE in der seinigen ?) allerdings mit be- sonderer Berufung auf die Autorität n’Unzrew’s wiederholt hat. Es heisst nämlich in beiden Diagnosen, CGhaetogaster habe keine contractilen Gefässschlingen. Nun hatten wir schon vorhin Ursache, auf die sehr starke Contractilität des vordersten Paares der Gefässschlingen dieses Wurmes aufmerksam zu machen; dieselbe ist nämlich so stark, dass schon C. E. von Bär, der Begründer der Gattung die betreffenden Schlingen als Herzen, Carı Voer dieselben als Schleuderorgane be- zeichnet. Im Uebrigen kommt auf jedes Segment dieses Wurmes wie bei Enchytraeus blos eine Gefässschlinge. Auch Chaetogaster diaphanus GRUYTHUISEN hat contractile Gefässschlingen. Es wäre demnach die Gattungsdiagnose abzuändern. 5. Die Körperflüssigkeit. Die Körperflüssigkeit ist der dunkelste Punct in unserer Kenntniss der Anneliden. Indessen mit dem Nachweis, den ich über Constanz in Form und Grösse der geformten Elemente derselben in Bezug auf Gattungen und Arten liefern werde (s. u. die Beschreibung der Arten von Enchytraeus) dürfte wenigstens ein kleiner Schritt zur Aufhellung der Verhältnisse dieser Flüssigkeit gemacht sein. Es scheint mir damit vor Allem die Meinung, dass diese Flüssigkeit ein Auswurfsstoff oder ein untergeordnetes Gewebselement sei, nicht mehr haltbar. Für ein Analogon des Fettkörpers der Insecten, wie Hrxır die Körperflüssigkeit nahm), oder des bindegewebigen Körperparenchyms, wie ERLERS sie deutete ?), wären wenigstens die Unterschiede der Grösse und Form für einzelne Gattungen und Arten, und die Gonstanz dieser Verhält- nisse für die Individuen einer Art, überraschend. Indessen. giebt es einige Thatsachen, welche geeignet erscheinen, uns eine richtigere Deutung an die Hand zu geben. Wo, wie in Lumbriculus, ein reicher Beleg von Darmdrüsenzellen die Blutgefässe überzieht, da fehlt die Körperflüssigkeit wenigstens in ihren geformten Elementen fast gänzlich, umgekehrt wo eine solche Ausdehnung des Beleges nicht stattfindet, wie in Enchytraeus, ist die Körperflüssigkeit gerade in ihren festeren Elementen ungemein reichlich entwickelt. Ferner besteht eine innige Beziehung zwischen der Grösse der Darmdrüsenzellen, welche den Darm von aussen umgeben und den geformten Elementen der Körper- flüssigkeit; endlich kann man nicht selten die Entstehung von solchen 4) D’ÜDEREM, Nouvelle Classification des Annelides setigeres abranches. 2) CLAPAREDE a. a. O. p. 5. ) ) 3) Hente, Ueber Enchytraeus. MürLer’s Archiv 1837. p. 82. 4) Enters, Die Borstenwürmer 1864. p. 25. ' Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 585 Elementen aus den Darmdrüsenzellen durch Ausscheidung, vielleicht (für Tubifex und Limnodrilus) auch durch Ablösung der Zellen selbst auf verschiedenen Stufen beobachten. Betrachten wir nun die Elemente der Körperflüssigkeit, so finden wir sie bestehend aus einer Plasma-- masse, die der Hülle entbehrt und einen blassen Kern im Mittelpuncte besitzt und welche mehr oder weniger grosse Mengen von Fettkörnchen umschliesst; die so gebildeten Körper können kugelrund bis scheiben- förmig, kreisrund bis lanzettlich geformt sein. Das Resultat der kurzen Erörterung fassen wir also zusammen: 4. Die geformten Elemente der Körperflüssigkeit entstehen aus dem Beleg der äusseren Darmwand mit Drüsenzellen durch Ausschei- dung; wahrscheinlich auch in einigen Fällen durch Ablösung ganzer Zellen. 2. Die Function der Körperflüssigkeit besteht in der Vermittelung des Stoffaustausches zwischen Verdauungs- und Circulationssystem. 6. Zur systematischen Kenntniss der Oligochaeten. Indem wir die Ergebnisse unserer anatomisch-physiologischen Forschungen auf das Gebiet der systematischen Zoologie übertragen, haben wir stets die grösste Sicherheit, sie möglichst schnell und nützlich verwandt zu sehen und die Wissenschaft wahrhaft gefördert zu haben; denn in unserer Wissenschaft muss die Systematik gleichsam die Controle bilden, indem sie den Boden abgiebt, auf welchem die Thatsachen von allen Seiten herzuströmen und sich gegen einander abschätzen lassen. Es ist aber auch noch der Vortheil vorhanden, dass das, was systematisch benutzt wurde, durch viel mehr Hände geht, viel bekannter wird und mehr Chancen der Bestätigung und Berich- tigung hat, als das in zootomischen Einzelarbeiten niedergelegte Ma- terial. Endlich erinnern wir auch daran noch, dass das System ein Ausdruck des natürlichen Stammbaumes sein soll, dieses aber nur kann, wenn wir alle unsere Kenntnisse sogleich auf seine Fortbildung anwenden. A. Lumbriculus GRUBE. Diese Gattung wurde mit der Species L. variegatus von GRruBE!) aufgestellt, nachdem schon Mürter in seiner Historia vermium die Art als Lumbricus variegatus unterschieden hatte. Einige Irrthümer, welche GrupeE in der Beschreibung der Art begangen hatte, verbesserte GLAPA- 4) Wırsmann’s Archiv. 4844. Bd. 4. p. 207. 586 Dr. Fritz Ratzel, REDE!) und stellte die Hauptpuncte unserer Kenntnisse von diesem Wurme fest. Ich konnte diesem Vorangehenden einige Ergänzungen in Bezug auf das Gefässsystem, das Nervensystem und die Sinnesorgane hinzufügen. Wir kennen bis jetzt nur die eine oben genannte Art dieser Gattung; zwar hat nach p’ÜDEREw’s Mittheilung 2) Leipy eine amerikanische Art beschrieben, welche durch die Zahl der Blind- säckchen des Rückengefässes und die Körpergrösse charakterisirt sein soll, da aber gerade diese Verhältnisse es sind, welche in der gewöhn- lichen Art so ungemein variabel sind, so wird es besser sein, einst- weilen diese Art als besondere nicht anzuerkennen. Auch CLAPArEDE hat besonders in Bezug auf Unterschiede in der Zahl der Segmente und der Borsten Zweifel ausgesprochen, ob nicht die von ihm seinen Untei'- suchungen zu Grunde gelegte Art von der Gruse’schen verschieden sei. Indessen gerade die Unterschiede, welche CLArArkDE hier betont, be- ruhen auf sehr veränderlichen Verhältnissen. So besonders die, welche in. Zahl und Form der Borsten beobachtet werden. Ich habe mich übrigens überzeugt, dass die Bildung von. Widerhaken an der Spitze der Borsten von Lumbriculus variegatus, oder vielmehr deren Gabelung das normale Vorkommen ist, das zwar sehr verwischt sein kann, selten aber gänzlich verschwunden ist; ferner auch, dass das Vorkommen von einem Paar Reserveborsten neben dem normalen Paar von .Borsten ebenfalls als ein fast regelmässiges Vorkommen betrachtet werden kann. — Eine Eigenthümlichkeit unseres Wurmes, die ich noch in keiner Beschreibung desselben erwähnt gefunden , obwohl sie in ihrem Auf- treten sehr constant und in hohem Grade charakteristisch ist, betrifft die starke Verbreitung grünen Farbstoffs in der Haut und den Muskel- schichten. Es kommen Ablagerungen solchen Farbstoffes in allen Seg- menten, ausgenommen die am Hinterende neu gebildeten vor, aber sie sind am ausgedehntesten in den sechs bis zehn vordersten Segmenten, wo sie als in der Längsaxe verlaufende unregelmässige Streifen auf- treten und schon für das blosse Auge diesem Theile des Wtirmes eine schwarzgrüne Farbe verleihen. Wie erwähnt, ist diese Färbung so constant, dass man sie wenigstens als einen der Speciescharaktere be- zeichnen kann. | B. Enchytraeus HENLE. Die Systematik dieser Gattung war eine sehr verwirrte bis zum Erscheinen von Leynıg’s Arbeit über das Nervensystem der Anneliden°), 4) CLAPAREDE, a. a. O. p. 38. ; 2) D’Ünekem, Nouvelle Classification des Annelides setigeres. (Me&moires de l’Academie de Belgique. T. XXXI. p. 13. 3) pu Boıs Reymonp’s und REıcHerr’s Archiv. 1862. p. 9%. € — — ÖL nee Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 587 wo endlich wenigstens zwei Arten, und zwar glücklicherweise die in unseren Gegenden häufigsten, in einer Weise beschrieben worden sind, dass man sie wiedererkennen und leicht unterscheiden kann. Wir be- sitzen ausserdem Beschreibungen von einzelnen Arten von Henze !), dessen Art ich mit ziemlicher Sicherheit wiederzuerkennen vermochte, Ed von L£uckArT?), Leipy®), D’ÜDEREM!) und Bucnnorz°®), und wenn man, - was wahrscheinlich mit Recht geschehen kann, die CGLarırkpe'sche Gattung Pachydrilus mit Enchytraeus vereinigen wird, so werden wir eine stattliche Anzahl von Arten in dieser Gattung besitzen. In diesem Wachsthum der Artenzahl können wir aber nur eine Aufforderung er- blicken, mit um so grösserer Schärfe die schon vorhandenen und zu- sänglichen zu charakierisiren, indem sonst gerade in diesem Anwachsen eine sich stets vergrössernde Ursache von Verwirrung in Bezug auf die verschiedenen Eigenschaften gegeben würde. Wir haben es deshalb im Nachfolgenden versucht, neben der Beschreibung einer neuen Art die Charaktere von drei älteren Arten nach verschiedenen Richtungen hin genau festzustellen. Aenderungen in der Gattungsdiagnose von Enchytraeus sind nöthig geworden in Bezug auf die von mir zuerst beschriebenen dorsalen Anhänge des Nervensystems, die Speichel- drüsen, die Eierstöcke, die Körperflüssigkeit, die Blutfarbe — in Bezug auf welche Verhältnisse ich auf meine frühere Arbeit über Enchytraeus und diejenigen Partien vorliegender Arbeit, die sich mit Enchytraeus beschäftigen , verweise. Enchytraeus Pagenstecheri Rartzer®) Fig. 21, 13u.205. Die mittlere Länge des Wurmes ist 12 Mm., die Breite 0,5 Mm., die Form des Körpers ist eine rein cylindrische, das Kopfende zugespitzt, das Schwanzende abgestumpft; die Oberlippe ist keineswegs scharf vom ersten Segment abgesetzt, sondern geht gleichmässig in dieses über. Der Körper erscheint nirgends für das blosse Auge durchscheinend oder wachsglänzend, sondern ist überall opak, gelblichweiss, in der hinteren Hälfte stärker zu gelb hinneigend. Die Zahl der Stacheln ‚schwankt von 6—10, die häufigsten Zahlen sind 7 und 8, alle sind gleich lang. Ihre Länge beträgt 0,08 Mm., ihre Form ist gerade, mit leichter Biegung an der scharfen Spitze. Das Gehirn zeigt an seinem Hinterrande einen leichten Einschnitt, die Breite verhält sich an ihm 4) Mürrer’s Archiv. 4837. p. 74. 2) "Frey und LrvckArr, Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere. p. 150. 3) D’ÜDEREM, a. a. ©. p. 17. 4) DÜDEKEM, a.a. O. p. 16. 5) BucHhnoLz, a.a. 0. 6) Herrn Professor Dr. A. PAGENSTECHER, meinem verehrten Lehrer, gewidmet. 588 Dr. Fritz Ratzel, zur Länge wie 12:44. Die Farbe des Blutes ist eine licht ockergelbe. Die Samentaschen bilden niemals blindsackförmige Ausstülpungen, ‘ sondern behalten stets die für andere Arten vorübergehende Flaschen- form.!) Die Eierstöcke zerfallen nicht mit einem Male in einzelne Ei- ) zellengruppen, sondern ein Theil derselben geht in einen traubigen Zustand über und bleibt als solcher noch längere Zeit an dem Dissepi- mente hängen, wenn der übrige Theil schon im Leibesraum flottirt. Die geformten Theile der Körperflüssigkeit sind sehr schmal, lanzett- förmig, enthalten sehr zahlreiche Fettkörnchen und haben bei 0,03 Mm. Länge, 0,01 Breite im Durchschnitt (Fig. 20 b). | | | Die Lebensweise dieses Wurmes weicht in eigenthümlicher Weise von der der übrigen Arten derselben Gattung ab, indem ich denselben sowohl im Alt-Rhein bei Carlsruhe, als auch in Tümpeln bei Heidel- berg immer nur an Wasserpflanzen lebend traf, wo er in fast allen Fällen sich unter der morschen Rinde abgestorbener Theile aufhielt. Dem gegenüber contrastirt das Leben von Enchytraeus galba und latus in der Erde und das von Enchytraeus albidus zwischen faulenden, feuchten Blättern bedeutend genug. Enchytraeus latus Levvie?) Fig. 20 a. Der trefflichen Beschrei- bung, welche Levnie gegeben hat, habe ich nur noch hinzuzufügen, dass diese Art sowohl an Breite als an Länge die übrigen weit übertrifft, | sie kann bis 3 Ctm. Länge erreichen; ferner dass die Formelemente der | Körperflüssigkeit hier ebenfalls charakteristisch sind (Fig. 20a). Sie | sind nämlich elliptisch, von sehr gleichmässiger Grösse und scharfem Umriss, von 0,03—0,04 Mm. grösstem Durchmesser, stark mit Fett- | körnchen erfüllt. Die Zahl der Stacheln ist hier ziemlich regelmässig, sechs in jedem Bündel. Der Wurm lebt in der Erde an denselben Orten mit E. galba Horrn. Enchytraeus galba Horrm.°) Fig. 21, 20c, 42. Die mittlere Länge dieser in unseren Gegenden häufigsten Art ist 1,5 Mm., sie theilt mit der vorigen die Zuspitzung an beiden Körperenden,, ihre Oberlippe ist viel schmäler als das erste Segment und setzt sich daher scharf gegen dieses ab; die Farbe ist eine graugelbe, der Körper fast in allen Theilen 'wachsartig glänzend und durchscheinend, dabei viel härter, d.h. resistenter, als der der beiden vorigen und der nachfolgenden Art. In 4) Diese Zeitschr. Bd. 48. Tafel VII. Fig. 1—3. 2) nu Boıs Reymond’s und REıcHErT’S Archiv. 1862. p. 94. Levpıe, Tafeln zur vergleichenden Anatomie. Taf. iV. Fig. 2. Erklärungsblatt p. 44. 3) WıesMmann’s Archiv. 4843. Bd. I. p. 194. Da die früher von mir ange- nommene Species Enchytraeus vermicularis Hexte theils zu dieser Art, theils zu Enchytraeus albidus HEnLe zu stellen ist, so beziehe ich nun alle meine Angaben in der mehrfach citirien Arbeit über Enchytraeus auf Enchytraeus galba Horrn. Aber B Hi Fr Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 589 Bezug auf die Borsten verweise ich auf Leyvie’s Beschreibung, das Ge- hirn entbehrt des Einschnittes, seine Breite verhält sich zur Länge wie 14:45. Die Samentaschen geschlechtsreifer Thiere tragen vier bis fünf säckchenförmige, blinde Ausstülpungen, in welchen Ballen von Samen- fäden rotiren. Die Eierstöcke durchlaufen während des Zerfallprocesses keinen traubenförmigen Zustand, sondern die Eizellenklumpen fallen alle zumal in die Leibeshöhle. Die Elemente der Körperflüssigkeit haben eine elliptische, gestreckte Form, meist an beiden Polen zuge- spitzt und zeichnen sich ausser durch diese Form noch besonders da- durch aus, dass sie nur geringe Mengen von Fettkörnchen enthalten und darum fast durchsichtig sind (Fig. 20 c). Hierin mag auch die Ursache der allgemeinen Durchscheinendheit des Körpers beruhen. Das Blut ist farblos. Enchytraeus albidus Hrnıe!) Fig. 23. Dieses ist die Art, welche zuerst beschrieben und auf welche die Gattung gegründet wurde, die Länge beträgt nicht über 8 Mm., die Breite nicht über 0,2 Mm. Die Zahl der Stacheln ist 3—4, doch so, dass in den ventralen Reihen ge- wöhnlich eine mehr sich befindet; sie sind an der Basis etwas gebogen, an der Spitze scharf und haben 0,03 Mm. Länge. Die Oberlippe ist durch ihren gedrückt halbkreisförmigen Umriss wohl charakterisirt und gegen das erste Segment nicht abgesetzt. Die Samentaschen besitzen die Flaschenform, entbehren der Blindsäckchen. Die Elemente der Körperflüssigkeit stimmen am Meisten mit denen von Enchytraeus Pagenstecheri, sie sind ebenfalls fettkörnchenreich und von gestreckten Formen. Die Eierstöcke folgen dem Typus des Enchytraeus galba Horrm. Das Blut ist von ziegelrother Farbe. C: Limnodrilus ÜLAPAREDE. Diese Gattung wurde von CLAPAREDE aufgestellt?), indem er sie aus der alten Lamarcr’schen Gattung Tubifex ausschied, welcher sie in- dessen doch stets am nächsten steht. Die Hauptunterscheidungsmerk- male sind für Limnodrilus das Fehlen der langen, grannenartigen Borsten der vorderen Segmente, der Besitz eines cutanen Gefässsystems und die Einschiebung einer Chitinröhre in den der Mündung nächst- gelegenen Theil des Vas deferens. Nachdem CrarAripe a. a. O, schon zwei Arten dieser Gattung unterschieden hat, können wir hiermit diesen eine dritte hinzufügen, welche gemeinsam mit den anderen Arten und mit Tubifex im Albflüsschen bei Carlsruhe gefunden wurde. 4) MürLer’s Archiv. 4837. p. 74. Tafel VT. 2) CLAPAREDE, a.a. O. p. 27. Tafel I. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XVII. Bd. 38 590 Dr, Fritz Ratzel, Limnodrilus Glaparedianus RarzeL!). Die Länge dieses Wurmes ist in geschlechtsreifen Individuen durchschnittlich 6 Ctm., seine Borsten sind an der Spitze gespalten und variiren in der Zahl von 6—8, sinken aber in den hinteren Segmenten noch auf eine geringere Zahl herab. Die dem Vas deferens eingefügte Chitinröhre ist sehr be- deutend länger als in den zwei anderen Arten, sie erreicht 4 Mm. Länge bei nur 0,035 Mm. grösster Breite, und ihr der Ausmündung zuge- kehrtes Ende ist zu einem abgerundet dreieckigen Rande aufgewulstet. Die Blutgefässe folgen in ihrer Anordnung dem den Gattungen Limno- drilus und Tubifex gemeinsamen Plane; ein den Darm eng um- schliessendes Gefäss, Darmschlinge, und eine zu einer langen Schlinge ausgezogene Eingeweideschlinge, verbinden in jedem Segmente das Rücken- mit dem Bauchgefässe. Letztere Gefässschlinge aber bildet in den hinteren Segmenten des Körpers, indem sie in jedem Segmente jederseits des Darmes vier Bogen bildet, die zwischen die Muskel- schichten treten, das cutane Gefässsystem, welches in dieser Form unserer Art charakteristisch ist. Die Samentaschen (Fig. 24) zeigen ebenfalls eine eigenthümliche Form, indem vor der Hauptanschwellung und über derselben je eine Einschnürung stattfindet, wodurch das Endtheil sich von der Hauptabtheilung scharf abhebt und zwischen dieser und dem quergerunzelten Ausführungsgang wiederum eine kleine Anschwellung gelegen ist. Indessen sowohl in Bezug auf diese Form als auf die von Crarırkpe abgebildeten können wir die Bemerkung . nicht unterdrücken, dass dieselben alle nichts mehr als die mittleren Formerscheinungen darstellen; wenn das von allen Abbildungen natur- geschichtlicher Gegenstände wahr ist, so ist es in ganz wörtlichem Sinne in unserem Falle zu nehmen. Wir können eine Samentasche in einem Limnodrilus finden, welche der Einschnürung des Endes ent- behrt und haben doch Limnodrilus Glaparedianus vor uns, wir wer- den aber sicher in der grössten Zahl der Individuen dieser Art die be- schriebene Form vorfinden. 4) Herrn Prof. CLAPAREDE in Genf, dem Begründer unserer Kenntniss der Oli- sochaeten, gewidmet, Beiträge zur anatomischen und systematischen Kenntniss der Oligochaeten. 591 ee DD ao 89% au => wn—m > Pe Pi — —_ => I [e>] or EI DD le] Erklärung der Abbildungen. Tafel XLII. . Flottirender Eierstock von Enchytraeus galba Horrw. 300 Vergr. . Theil eines traubigen Eierstocks von Ench. Pagenstecheri RATzEL. 300 V. . Hauptform des Eierstocks von Tubifex rivulorum Lan. 80 V. . Enchytraeusform des Eierstocks von demselben Thiere. 80 V. . Zur Ablage reifes Ei von demselben Thiere. 60 V. . Bauchseite von Lumbriculus variegatus mit den Sinnesorganen. . Sinnesorgane von Stylodrilus Heringianus Crap. 500 V. . Unipolare Zellen aus den dorsalen Knotenpaaren von E. galba H. 500 V. . Längsstrang aus dem Schlundnervensystem desselben Thieres. 150 V. . Gehirn und Bauchmark von Lumbriculus variegatus GruBE. 400 V. . Eigenthümliche Elemente aus dem Gehirn desselben Thieres. 500 V. * . Gehirn und Bauchmark von Enchytraeus galba Horrm. 400 V.- . Gehirn und Bauchmark von Enchytraeus Pagenstecheri RAtzer. 100 V. . Verästelung der Darmgefässschlingen in den acht vordern Segmenten von Lumbriculus variegatus GrUBE. . Gefässsystem von Enchytraeus albidus HEnLE in den vier vorderen Seg- menten. . Gefässsystem von Chaetogaster Limnaei v. Baer in den zwei vorderen Segmenten. . Gontractiles Rückengefäss aus der Körpermitte von Enchytraeus galba. „ Dasselbe aus den vorderen Segmenten. . Gontractile Gefässschlinge von Lumbriculus variegatus GRUBE. . Formelemente der Körperflüssigkeit von Enchytraeus. a von Enchytraeus latus LEypıG ; b von Enchytraeus Pagenstecheri RATzEr ; ce von Enchytraeus galba Horrm. 200 V. . Umriss des vorderen Körperendes von Ench. Pagenstecheri Ratzer. 400 V. . Dasselbe von Enchytraeus galba Horrm. 400 V. . Dasselbe von Enchytraeus albidus HExtE. 400 V. Samentasche von Limnodrilus Claparedianus RATZEL, 40 V, = ei \ 3 23 / ze I= ie j - £ Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. an EN ENTE ON A AN E ; i a ii a u © E N £ A K 4 an. I m We. Me i 1.8 | Du | | | | | | | ! ! N ea a ALLER er re Ser: = Br IR KEN er ee HR 17 BEER ro GR Sg BR = S, x ES en SS Rn r Der Sa a, Ike N. RE Fer BERFES ar ch 5% en Be Te ud Sr a ee Ir