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Zeitschrift

WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE-

herausgegeben

Carl ‚Theodor v. „Siebold, und

Albert v. Kölliker,

Professor an der Universität zu Würzburg,

unter der Redaktion von

Ernst Ehlers,

Professor an der Universität zu Göttingen

NG . AL HIST Hünfunddreissigster Band.

Mit 35 Tafeln und 9 Holzschnitten.

LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1881.

Inhalt des fünfunddreissigsten Bandes.

Erstes Heft. Ausgegeben den 6. November 1880.

Seite Über die Verwandtschaftsbeziehungen der an Von H. v. Ihering. Bi ueklelzschnitt:\.... .... . .....”. ; RL SE Sale A Über den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des Tectum opticum der Knochenfische. Von J. Bellonei. (Mit Taf. I und II.) . 23

Das Riechorgan der Landpulmonaten. Von D. Sochaczewer. (Mit Taf. III.) 30 Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina Be

Gehäuse. Von Fritz Müller. (Mit Taf. IV und V.). ...... re Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. Von W. Marshall.

BR ara MIT: und: 4, Holzsehnitt.)... 2... 2 30.2 lade ea 288 Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. Von W. Krause. (Mit Taf. IX

und 2 Holzschnitten).. .. nennen en. 180 Das Fußnervensystem der Paludina vivipara.. Von H. Simroth. (Mit A

ESSEN or ee ee

Zweites Heft. Ausgegeben den 1. Februar 1881.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. Von H. Adler. (Mit

ah Zelle ee Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. BomeHe N irchrow. (Mit Taf. XIII und XIV.). : 20.2 42 0.200 2 282.2 247

Untersuchungen über Orthonectiden. Von E. Metschnikoff. (Mit Taf. XV.) 282

Beiträge zur Kenntnis der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera und des centralen peripherischen und sympathischen Nervensystems der Raupen.

Be Gasse (Mit Ware XML)... 2.020... 0.20% Über die Paarung und Fortpflanzung der Scyllium-Arten. Von H. Bolau. (Mit 2 Holzschnitten.) . . ..... Ser Ss ee

Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. Von N. Kleinen ers . 326

IV Drittes Heft. Ausgegeben den 22. April 1881.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. Ein Beitrag Zur Erkenntnis der Einheit des Molluskentypus. Von J. W. Spengel. (Mit

Seite

Taf. XVII-XIX und 2 Holzschnitten.). N NS Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. Von O. Bütschli. (Mit i Taf. XX und XXI.) . : 384 Untersuchüngen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Zehnte Mittheilung. Corticium candelabrum ©. Schmidt. Von F.E. Schulze. (Mit Taf. XXI). EHEETE : : u RN Ba Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata Von A.Gruber. (Mit Taf. XXIII) 434 Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. VonB.Ulianin. (MitTaf. XXIV.) 440 Über Molluskenaugen mit ale A Von P. Fraisse, (Mit Taf. XXV und XXVI.) A 5 Re U] Die Eiweißdrüsen der han a VonP.A.Loos. a Taf. XXVII.) 478 Viertes Heft. Ausgegeben den 14. Juni 1881. Der Bau der Stigmen bei den Insekten. Von OÖ. Krancher. (Mit Taf. XXVIII und XXIX.) : ..805 Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. Von H. Ludwig . 575 Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. Von F. Könike. (Mit Taf. XXX, Fig. 1—6.). . 600 Revision von H. Lebert’s Hydrachniden des Genfer Sees. Von F. Könike. (Mit Fig. 7 auf Taf. XXX.). . 643 Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. Von ©. Bütschli. (Mit Taf. XXX1I.) ee a a a Studien über Bopyriden. Von R. Kossmann. alt Taf. XXXII—XXXV.) I. Gigantione Moebii und Allgemeines über die Mundwerkzeuge der Bopyriden . 652 Il. Bopyrina Virbii; Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Meta- morphose der Bopyriden. . 666

| Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Gephalopoden.

Von

Dr. H. von Ihering.

Mit 1 Holzschnitt.

Die Gruppe der Gephalopoden ist wohl diejenige Klasse der Mollus- ken, welche von jeher in bevorzugtem Grade die Aufmerksamkeit der Zoologen gefesselt hat. Man wird das leicht begreiflich finden, wenn man erwägt, dass die Tintenfische die höchstorganisirten Geschöpfe unter den Mollusken, ja unter den Wirbellosen überhaupt enthalten, dass die systematische Gliederung innerhalb der Gruppe eine sehr ein- fache markirte ist und endlich fossile Überreste aus allen Schichten in einer Fülle und Mannigfaltigkeit der Formen erhalten sind, welche wohl von keiner anderen Abtheilung des Thierreiches übertroffen wird. Man könnte unter solchen Umständen leicht der Meinung sein, es würde dementsprechend auch die Stellung dieser interessanten Geschöpfe im System am besten erkannt sein, überhaupt ihre Stammesentwicklung uns klarer vorliegen als jene zahlreicher anderen Thiergruppen. Schein- bar trifft das auch zu aber auch nur scheinbar, in Wahrheit bietet

keine Abtheilung der Mollusken so viel Schwierigkeiten dar, ist uns ' keine, wie ich darzulegen denke, zur Zeit so räthselhaft als die- jenige der Gephalopoden.

| Es kommen für uns dabei zwei verschiedene Fragen in Betracht, | einmal die Deutung der Theile des Gofhalopedenikerpärs, dann die zwischen den Gephalopoden und den übrigen Mollusken obwaltenden Beziehungen. Die erstere Frage hat | vorzugsweise die gesammten morphologischen Verhältnisse der Gepha- | lopoden zu beachten und auf Grund der innerhalb der Klasse zur Beob- , achtung kommenden Verschiedenheiten die Deutung der einzelnen Theile festzustellen. Nach dieser Richtung hin ist, glaube ich, in den letzten

Jahren viel geschehen und an Stelle mehr oder minder glücklicher Ver- Zeitschrift £. wissensch, Zoologie. XXXV. Bd. 4

9) H. von Ihering,

muthungen schon vielfach der feste Boden gesicherter Deutungen ge- treten. Die verschiedenen Theile des Gephalopodenleibes sind bekannt- lich in sehr verschiedener Weise aufgefasst worden. Lov&n nahm zuerst den Trichter als Fuß in Anspruch, bezog aber die Arme auf das Velum, wogegen L£vckArt die Arme zuerst richtig als Gebilde besonderer Art, den Kopfkegeln von Clio vergleichbar in Anspruch nahm, aber mit dem Fuße nicht nur den Trichter, sondern auch die vorderen Kopflappen des Sepia-Embryo in Verbindung brachte. Huxıry deutete Arme wie Trichter als Theile des Fußes, den Trichter mit den Epipodien vergleichend. Letzte- rer Annahme hat sich noch Grenacner angeschlossen, welcher das Proto- podium, die eigentliche Hauptmasse und Grundlage des »Fußes« den Gephalopoden fehlen lässt und in ihren Armen ein modifieirtes Velum er- blickt. Ich habe in meinem Werke über das Nervensystem der Mollusken diese Ansichten eingehend diskutirt und gehe daher hier nicht darauf ein. Wenn dieselben alle nicht zu gesicherten Deutungen gelangen konnten, so lag das wohl darin, dass alle jene Forscher vorzugsweise die Ent- wickiungsgeschichte zum Ausgange ihrer Betrachtungen gemacht haben. Nun ist aber die Entwicklung der Gephalopodeneier durch den Verlust des freien Larvenstadium und die massenhafte Anhäufung des Nahrungs- dotters so sehr modificirt, dass sie selbst der Erklärung noch sehr be- dürftig ist, nicht aber der Erklärung des Gephalopodenleibes zum Aus- gang dienen kann. Erst wenn dereinst die Entwicklungsgeschichte des Nautilus bekannt ist, wird es wohl möglich sein die Brücke zu schlagen zwischen der Embryologie der Gephalopoden und der übrigen Mollusken. Bis dahin aber, so Jange die wichtigste Form hinsichtlich der Embryolo-

gie absolut unbekannt ist, kann die vergleichende Embryologie nicht |

den Ausgangspunkt für die morphologische Betrachtung bilden, was übrigens nicht einmal nöthig ist, weil noch ein anderer Weg offen steht, jener, der von mir eingeschlagen wurde und der in der Beurtheilung der morphologischen Dignität der Organe auf Grund ihrer Innervation be- steht. Da die Pedalganglien nur die zum Fuße gehörigen Theile inner- viren, so werden bei den Tintenfischen die vom Pedalganglion innervir- ten Theile den Fuß repräsentiren. Auf Grund erneuter Untersuchung des Nervensystems des Nautilus war es möglich die volle Übereinstim-

mung mit dem bei Gastropoden und Pieropoden so häufig angetroffenen

Typus zu erweisen und aus der Vergleichung des Centralnervensystems

von Nautilus und den Dibranchiaten gelang es, den Beweis dafür abzu- F | leiten, dass die Ganglien für die Armnerven innerhalb der Reihe der

bekannten Gephalopoden eine Translokation von der dorsalen gegen die

ventrale Seite hin erleiden, wodurch zu dem Pedal- und dem Visceral- i Ganglion bei den Dihranchiaten noch eine dritte vorderste Abtheilung

Über die Verwandischaftsbeziehungen der Cephalopoden. 3

hinzukommt, das Brachialganglion. Es haben mithin die Arme nichts mit dem Fuße zu thun ; für ihre von LeuckArr befürwortete Vergleichung mit den Kopfkegeln oder Gephaloconen von Glio war der Befund ver- wendbar, den die Untersuchung des peripherischen Nervensystems von Clio lieferte, indem sich die Nervenstämme der Gephaloconen an der Basis durch Kommissuren verbunden zeigten wie bei den Dibranchiaten.

Da diese Ergebnisse, welche aus der vergleichenden Anatomie des Nervensystem abgeleitet wurden, von nachfolgenden das Nervensystem und die Anatomie der Gephalopoden überhaupt behandelnden Autoren wie Diett und Brock acceptirt worden sind, auch schon in GEGENBAUR’S Grundriss weiteren Kreisen vorgetragen wurden, und so viel ich weiß, von keiner Seite ein Widerspruch dagegen sich erhoben hat, so dürfte wohl kein Grund vorliegen, nochmals darauf zurückzukommen. Dage- gen werden einige Bemerkungen über Trichter und Trichterklappe am Platze sein. Aus der vergleichenden Anatomie wie aus der Embryologie geht, wie ich seiner Zeit nachwies, hervor, dass die bei Nautilus be- kanntlich noch nicht zur Röhre verwachsenen Trichterhälften den Flossen oder Pteropodien der Pteropoden entsprechen, wogegen die Trichterklappe in dem mittleren unpaaren Theile des Fußes von Clio, dem sog. Hals- kragen ihr Homologon hat, während GrEnAcHER in dem hinteren Zipfel des Halskragens das Protopodium sah. Ich glaube nachgewiesen zu haben, dass dieser Zipfel bei eingehenderer Vergleichung so wie auch embryologisch sich als ein unwesentlicher Theil, als eine Differenzirung am Protopodium darstellt, und mithin am Pteropodenfuße keinesfalls mehr als zwei Theile, nämlich das unpaare mittlere Protopodium und das in der Mittellinie verbundene Paar der Flossen oder Pieropodien zu unterscheiden sind. Damit ergeben sich sehr einfache Anhaltspunkte für die Vergleichung mit den Gephalopoden, deren Trichter ja auch aus zwei seitlichen Hälften entsteht und innen einen unpaaren Theil, die Klappe, trägt, welche einem in zwei gleiche Seitenhälften gegliederten Protopo- dium entspricht. So lange man für das Verständnis der Gephalopoden die Pteropoden heranzieht, dürfte dies wohl die einfache gegebene Er- klärung der Verhältnisse bleiben. Wir werden nun aber im Folgenden sehen, dass von einer näheren Verwandtschaft der Pteropoden und Gephalopoden nicht die Rede sein kann, und hier mithin nur eine äußer- liche Ähnlichkeit vorliegt, nur von Analogie die Rede sein kann. Ist dem aber so, dann kann auch der eben angeführte Vergleich nicht bis in die Einzelheiten weiter durchgeführt werden, und kann nur so viel gesagt werden, dass in ganz analoger Weise wie bei den Pteropoden eine Differenzirung der einzelnen Theile des Gephalopodenfußes statige- funden hat und mithin Trichter und Flossen nicht als streng homologe

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4 H. von Ihering,

oder homogenetische, sondern höchstens als homöogenetische Organe können angesehen werden.

Für das Verständnis des Gephalopodenorganismus hat man meines Wissens immer nur die Pieropoden als die einzigen dafür allenfalls in Betracht kommenden Mollusken zum Vergleiche herangezogen. Es ist daher wohl leicht begreiflich, dass auch ich auf Grund der oben ange- führten Verhältnisse in diesem Sinne früher befangen war. Seit dem Abschlusse meines citirten Buches hat sich aber durch neuere Forschungen von einer Reihe von Autoren und mir selbst die Sachlage so verändert, dass ich von jener Auffassung ganz zurückgekommen bin und nunmehr glaube, dass die Muscheln, Dentalien und niedersten Arthro- cochliden den Gephalopoden weit näher stehen als die Pteropoden. Bei jener Vergleichung von Pteropoden und Gephalopo- den waren nämlich zwei Organsysteme, Niere und Genitalapparat, gar nicht oder kaum vergleichbar. Am meisten gilt das von der paarigen bei Nautilus in der 4- (oder 6-) Zahl vorhandenen Niere, so dass da, zumal bei Berücksichtigung des Nautilus, jede Möglichkeit der Vergleichung mit der Niere der Pteropoden hinwegfällt. Aber auch für den Genitalapparat schien es nicht anders zu stehen, so fern man wenigstens der GEGENBAUR- schen Annahme beipflichten wollte, wonach die Duplicität der Ausfüh- rungsgänge, zumal der Eileiter den primären Zustand repräsentirt. Da die Pteropoden einen ganz typischen hermaphroditischen Genitalapparat wie die Ichnopoden besitzen, so schien es mir, dass GEGENBAUR Sich eines Widerspruches schuldig mache, wenn er einerseits die Gephalopoden auf die Pteropoden bezog, andererseits die Duplicität der Eileiter für das Primäre halte. Ich glaubte nun diesem allerdings immer von Neuem sich wieder aufdrängenden Dilemma durch die Hypothese entgehen zu können, dass die doppelten Eileiter durch Spaltung eines einzigen unpaaren ent- standen seien. Dafür konnte namentlich der Umstand geltend gemacht werden, dass bei Nautilus nur ein einziger Eileiter ®xistirt, während die einzige Unterordnung der Gephalopoden, bei welchen die Duplicität der Eileiter die Regel bildet, die Octopoden sind, welche man aus vielerlei Gründen sich gewöhnt ide als das letzte Endglied der ganzen innerhalb der Gephalopoden zu konstatirenden Entwicklungsreihe zu betrachten. Dass diese Hypothese diskutwrbar war, geht wohl auch daraus hervor, dass Brock !, dem wir so werthvolle Aufschlüsse über den Geschlechts- apparat der Gephalopoden verdanken, in seiner ersten bezüglichen Arbeit esnoch als unentscheidbar dahingestellt sein ließ, »ob die Einzahl oder die Doppelzahl der Eileiter als das Primäre angesehen werden muss « p. 69.

1 Brock, Über die Geschlechtsorgane der Cephalopoden. I. Diese Zeitschrift. Bd. XXX. 4879. p. 1—446. Taf. I—IV.

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Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Gephalopoden. 5

In der folgenden Abhandlung ! jedoch zeigte Brock, dass der einfache Eileiter des Nautilus ein unpaarer und zwar der rechte ist, worauf die fast mediane Ausmündung desselben nicht ohne Weiteres hinwies. Dar- aus ergab sich dann im Zusammenhang mit den, die verschiedenen Gat- tungen der Dibranchiaten behandelnden Untersuchungen, dass der doppelte Eileiter die älteste Form des weiblichen Geschlechtsapparates darstellt. Sicher bewiesen würde dieser Schluss, wenn sich heraus- stellen sollte, dass embryologisch bei den Myopsiden zwei Eileiter noch zur Anlage kämen, indessen dürfte hiervon allein schwerlich viel ab- hängen, da die vorliegenden Thatsachen zur Sicherung des von Brock erhaltenen Resultates meiner Ansicht nach so vollkommen genügen, dass jetzt auch ich meinerseits mich vollkommen diesem von GEGENBAUR Ver- iretenen Standpunkte anschließen muss. Damit fällt dann allerdings, wie ich im Folgenden darlegen zu können glaube, die Möglichkeit noch weiterhin die Gephalopoden in phylogenetischem Sinne mit dem Ptero- poden in Verbindung zu bringen.

Noch in einem anderen Punkte zeigt der Genitalapparat der Gepha- lopoden ganz andere Verhältnisse, als sie bei Ichnopoden und Pteropoden vorliegen. Bei den letzteren setzt sich die einfache Zwitterdrüse un- mittelbar in den Zwitterdrüsengang fort. Bei den Gephalopoden dagegen liegt die Geschlechtsdrüse frei in der Leibeshöhle, ohne allen Zusammen- hang mit den Ausführgängen, ganz in der Art wie es bei den Wirbel- ihieren wiederkehrt. Dieses Verhältnis tritt uns auch bei vielen Wür- mern, namentlich gegliederten, entgegen, und ferner auch unter den niedersten Formen der Muscheln und Arthrocochliden. Nur bei den höhe-. ren, mit Sipho, verwachsenen Mantelrändern etc. versehenen Muscheln, sind Genitalapparat und Niere ganz unabhängig von einander, bei den niederen und älteren dagegen erfolgt die Entleerung durch die einem Paare von Segmentalorganen gleichzusetzenden Bosanus’schen Organe und das gleiche ist auch bei gewissen tieferstehenden Arthrocochliden der Fall (Fissurella, Haliotis). Da in beiden Gruppen dieses Verhalten ' von den in der morphologischen Differenzirungsreihe am tiefsten stehen- den und zugleich paläontologisch ältesten Formen dargeboten wird, so wird man nicht umhin können in dieser Entleerung der Geschlechts- stoffe durch die paarigen Nieren eine von den Würmern überkommene Einrichtung zu erblicken. Und in diesem Sinne scheint auch das Ver- halten der Cephalopoden zu deuten zu sein. Wenigstens in so fern be- steht die Übereinstimmung, als ja auch die Geschlechtsstoffe zunächst frei in die Leibeshöhle gelangen, denn dass die Höhlung der Genital-

1 Brock, Studien über die Verwandtschaftsverhältnisse der dibranchiaten Cepha- lopoden. Habilitationsschrift. Erlangen 1879.

6 H. von Ihering,

kapsel nichts Anderes ist als ein Theil der Leibeshöhle, ist durch Brock festgestellt und war auch schon aus dem Umstande wahrscheinlich, dass von ihr die Wasserkanäle entspringen, die bekanntlich zum eigentlichen Genitalapparat in keiner Beziehung stehen. Andererseits freilich würde dann die Folgerung nahe liegen, dass die Leitungswege, welche aus der Leibeshöhle in ursprünglich paariger Anordnung die Geschlechtsstofle nach außen befördern, als Segmentalorgane anzusehen wären. Hierüber werden die Akten wohl so bald noch nicht geschlossen. werden. Ich möchte aber in dieser Beziehung auf einen eigenthümlichen wohl nur in morphologischem Sinne verwendbaren Befund von Brock aufmerksam machen, wonach bei Sepia vom Vas eflerens des männlichen Geschlechts- apparates eine kleine Röhre abgeht, welche sich frei in jene fimmernde Bauchfellstasche öffnet, welche die ausführenden Geschlechtsorgane um- schließt. Brock beschränkt sich auf die Mittheilung des Sachverhaltes. Ich möchte aber hier wenigstens so weit auf die Bedeutung dieser Brock- schen Röhre eingehen, dass ich auf die Ähnlichkeit mit einer bei Nautilus beobachteten Einrichtung hinweise. Dort kommt am Eileiter ein in einen Peritonealraum sich öffnendes Loch vor, das Kererstein (in Bronn, Klassen und Ordnungen. Bd. Ill. Taf. GXIV, Fig. 13 00”) abgebildet hat; diese Öffnung mit der Brocr’schen Röhre zu vergleichen ist wohl um so eher gestattet als ja Sepia auch im Besitze der sekundären Genitalkapsel mit Nantilus übereinstimmt und eine allgemeine Homologie der männlichen und weiblichen Leitungswege überhaupt angenommen werden muss, wobei aber am männlichen Apparat die Reduktion der einen Hälfte weit früher erfolgte als am weiblichen.

Eine Nothwendigkeit die ausführenden Geschlechtswege der Gepha- lopoden auf Segmentalorgane zurückzuführen liegt aber keineswegs vor, ja lässt sich wohl sogar ausschließen. Denn es existiren ja bei den Gephalopoden echte paarige als Harnsäcke bezeichnete Nieren, von denen bei den Dibranchiaten ein, bei den Tetrabranchiaten zwei Paare vorhan- den sind. Die üblichen Beschreibungen knüpfen zwar zumeist dabei in erster Linie an die Venen an, als deren Anhänge die secernirenden Theile der Niere erscheinen und es gewinnt damit den Anschein, als falle die Möglichkeit einer Vergleichung mit den Exkretionsorganen anderer Mol- lusken hinweg. Allein die schönen Untersuchungen von BosrErzky! über die Entwicklung der Gephalopoden haben dargethan, dass die Bil- dung der Niere und der Venenanhänge nicht von den Venen anhebt, sondern dass zuerst jederseits sich ein Harnsack anlegt, der erst sekun- där eine weite auch die Schenkel der Vena cava umfassende Ausdehnung

I BoBRETZKY, Untersuchungen über die Entwicklung der Gephalopoden. Moskau 1877. (Russisch !)

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Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 7

gewinnt. Es sind mithin die Venenanhänge Theile der Niere, welche erst sekundär ihre innige Beziehung zur Wand der Venen gewonnen haben.

Mit den Ergebnissen der eben erwähnten Untersuchungen von Boseerzky lassen sich diejenigen, welche Vıczrius! in seiner wichtigen Arbeit über die Anatomie der Niere der Gephalopoden gewonnen hat, wie ich im Folgenden darzulegen gedenke, wohl in Einklang bringen. Danach besitzen die Tetrabranchiaten vier, die Octopoden zwei geson- derte Harnsäcke, deren jeder mit einer gesonderten Öffnung nach außen mündet. Bei den myopsiden Decapoden dagegen ist nur ein einziger Harnsack vorhanden , welcher aber durch zwei symmetrisch gelegene Öffnungen mit der Außenwelt in Verbindung steht. Die hierin zunächst sich äußernde Verschiedenartigkeit ist von VigzLıus für größer angesehen worden als sie in Wahrheit sich herausstellt. Vıierrius äußert sich näm- lich dahin, »dass die Formen, unter welchen das exkretorische System der lebenden Gephalopoden auftritt, so sehr unter einander abweichen, dass von einer wahren Homologie zwischen ihnen keine Rede sein kann « und ferner, » dass die morphologische Verwandtschaft zwischen dem ex- kretorischen System der Octopoden so gut wie ganz abgebrochen sei «. Diesen Ansichten wird man also sich nicht anschließen können, sobald man auch die Entwicklungsgeschichte der Niere nach der angezogenen Arbeit von BosrErzky mit in Betracht zieht, was von Seiten VıigeLius’, dem diese russisch geschriebene Arbeit entgangen, nicht geschehen ist. Natürlich kommt es zunächst auf die richtige Fragestellung an. Es kann nicht die Frage erhoben werden: ob der exkretorische Apparat des Nautilus schlechthin jenem der Octopoden entspreche, denn bei letzteren sind eben zwei, bei jenen aber vier Harnsäcke vorhanden, von denen also höchstens zwei bei den Octopoden ihr Homologon besitzen könnten. Da die Harnsäcke und zumal ihre äußere Öffnung in inniger Beziehung zu den Kiemen stehen, so ist es begreiflich, wie beim Nautilus mit der Erhöhung der Anzahl der Kiemen auch eine solche der Harnsäcke Hand in Hand gehen konnte. Es kann daher für die vergleichende Betrachtung überhaupt nur um die Frage sich drehen, ob eines der beiden Paare von Kiemen und Nieren, welche der Nautilus besitzt, den entsprechenden Gebilden der Octopoden homolog sei oder nicht. Wir werden weiterhin sehen, dass und wie diese Frage sich mit voller Sicherheit beantworten lässt. Nimmt man hierauf Rücksicht, indem man also davon absieht, dass beim Nau- tilus nebst dem zweiten Kiemenpaare auch noch ein weiteres Paar von Harnsäcken hinzugekommen ist, so ergiebt sich vielmehr, dass zwischen den verschiedenen Abtheilungen der Cephalopoden sich die Homologie

1! Vierrivs, Bijdrage tot de Kennis van het excretorisch Systeem der Cephalo- poden. Academ. Proefschr. Leiden 1879.

g HH. von Ihering,

des exkretorischen Apparates mit voller Sicherheit verfolgen lässt. Es gelingt dies namentlich auf Grund des Umstandes, dass, wie die Ent- wicklungsgeschichte zeigt, auch bei den Myopsiden zwei-getrennte Harn- säcke zur Anlage kommen, die also erst sekundär durch Verschmelzung in einen einzigen sich vereinigen. Es kann mithin die Homologie des einen großen Harnsackes der Myopsiden mit den beiden gesonderten Harnsäcken der Octopoden und vielleicht auch eines Theiles der Ögopsiden ? nicht in Frage gezogen werden. Aus dem, was wir durch Boprerzky über die Entwicklung der Niere erfahren haben, geht ferner hervor, dass der Harnsack nicht einen Theil der Leibeshöhle darstellt, resp. nicht als ein Peritonealsack aufzufassen ist, sondern von einem echten Epithel aus- gekleidet und durch Einstülpung vom Ektoderm aus gebildet ist. Es ist mithin nicht zutreffend, wenn Vicerius in der Niere der Gephalopoden einen Peritonealsack sieht. Wäre Letzteres richtig, so würde allerdings die Brücke zu den Exkretionsorganen der übrigen Mollusken fehlen. So aber wie die Verhältnisse jetzt liegen, scheint das nicht der Fall zu sein, da doch wohl auch die Bosanus’schen Organe der Muscheln in gleicher Weise sich anlegen, und da ferner entwicklungsgeschichtlich sich der Harnsack und seine Wandung als das Wesentlichere und Primäre her- ausstellt, wogegen die Beziehungen zu den Venen erst sekundär hinzu- treten. Vorausgesetzt also, dass die vergleichende Embryologie die gleiche Entstehungsweise beider Theile, der Bosanus’schen Organe und der Harn- säcke der Gephalopoden darthut, so würde nichts der Homologisirung beider Organe im Wege stehen, wie das in der That auch meiner Meinung nach das Wahrscheinlichste ist.

Die Beantwortung der weiteren Frage: welches von den beiden bei Nautilus vorhandenen Paaren von Harnsäcken dem einzigen Paare der Dibranchiaten entspricht, knüpft unmittelbar an die Verhältnisse der visceropericardialen Höhle an, resp. auch an das Verhalten derselben zu den Harnsäcken. Beim Nautilus steht die, das Herz und einen Theil der Gefäße enthaltende Pericardialhöhle in offenem Zusammenhang mit der Leibeshöhle, von der sie also einen Theil darstellt. Diese Viscero- pericardialhöhle mündet jederseits in die Kiemenhöhle durch eine Öff- nung, welche dicht neben der Harnsacköffnung der ventralen Kieme ge- legen ist. Genau dieselbe Einrichtung besteht nun bei den Dibranchia- ten, nur befindet sich die Ausmündung der visceropericardialen Höhle nicht mehr neben der Harnsackmündung, sondern in ihr, und zwar ent- weder wie bei Eledone noch sehr nahe bei der Mündung im Ureter oder wie bei den übrigen im Anfangstheile des Harnsackes selbst. Die Viscero- pericardialhöhle bietet, wie Brock nachgewiesen hat, bei den Dibranchia- len Beziehungen einerseits zur Genitalkapsel, andererseits zum Kiemen-

Über die Verwandischaftsbeziehungen der Cephalopoden. 9

herzen dar, so dass man also aus der Kiemenhöhle durch die Niere und die Visceropericardialhöhle in die Genitalkapsel gelangen kann, in welche bekanntlich die Geschlechtsstoffe hineinfallen, bevor sie von ihren Aus- führgängen aufgenommen werden. Bei den Dibranchiaten hat die be- zeichnete Höhle eine Reduktion erlitten, aber immerhin bewirkt dieselbe doch auch hier einen Zusammenhang der, einen Theil der Leibeshöhle dar- stellenden Genitalkapsel mit der Außenwelt, nur dass, wie bemerkt, die äußere Mündung sich nicht mehr neben, sondern in dem Ureter befindet.

Die weitgehendste Reduktion hat der uns beschäftigende Theil der Visceropericardialhöhle bei den Octopoden erfahren, wo er aus einem engen von der Genitalkapsel oder direkt von der Geschlechtisdrüse ab- tretenden Kanale besteht, welcher mit dem anderen Ende in den Harn- sack sich öffnet, und hier in Verbindung steht mit einem flaschenförmigen zur Aufnahme des Kiemenherzanhanges bestimmten Theil. Dieses seit Kronnw’s Untersuchungen bekannte Kanalsystem der Octopoden wird hier als Wassergefäßsystem bezeichnet. Bei den Decapoden sollte dasselbe fehlen, doch hat neuerdings Brock nachgewiesen, dass auch diesen ein entsprechender Apparat nicht abgeht. Allerdings ist das betreffende Höhlensystem hier viel weiter und enthält auch noch einige weitere Organe als bei den Octopoden. VıczLius hat daher die Brock’sche Be- zeichnung desshalb als Wassergefäßsystem nicht acceptirt, sondern bringt wie für die entsprechenden Theile des Nautilus, die Bezeichnung als Visceropericardialhöhle in Anwendung. VicrLius hat in so fern in seiner Argumentation gewiss Recht, als die betreffenden Theile einander bei Octopoden und Decapoden nicht vollkommen entsprechen, da wie bemerkt der ganze Apparat bei den Octopoden eine verhältnismäßig weit gehende Rückbildung erfahren hat. Aber VıgeLıus geht entschieden zu weit, wenn er im Gegensatze zu Brock die Homologie der betreffenden Theile bei den genannten beiden Abtheilungen der Dibranchiaten ge- radezu in Frage zieht. Mir scheint, dass hier Brock die richtige Auf- fassung vertritt, natürlich unter Berücksichtigung der oben erwähnten Einschränkung. Denn damit, dass bei den Octopoden der betreffende Apparat enger geworden, und überhaupt eine Rückbildung erfahren hat, wird doch nicht seine Homologie aufgehoben, um so weniger als doch in beiden Fällen die Beziehung des betreffenden Hohlraumes einerseits zum Harnsacke, andererseits zum Kiemenherzen und der Genitalkapsel vor- handen ist. Übrigens glaube ich nicht einmal, dass faktisch eine Meinungs- verschiedenheit vorliegt, da VıceLıus selbst zugiebt, dass das Wasserge- fäßsystem der Octopoden und die Visceropericardialhöhle der Myopsiden auf einen gemeinsamen Ursprung hinweisen, indess seien beide nicht homolog, sondern nur »phylogenetisch verwandt«. Derartige durch ge-

10 H. von Ihering,

meinsamen Ursprung überkommene Theile, mögen sie immerhin eine mehr oder minder weitgehende Modifikation in den einzelnen systematischen Abtheilungen erlitten haben, pflegt man doch eben als homolog zu be- zeichnen, so dass eben, wie man sieht, die ganze Differenz schließlich auf einen Wortstreit hinausläuft.

Diese häufig als Wassergefäßsystem bezeichnete Visceropericardial- höhle der Dibranchiaten ist nun, wie ViıerLius nachgewiesen hat, mit derjenigen des Nautilus homolog und der Unterschied zwischen beiden redueirt sich, wie schon erwähnt, nach Vierzivs darauf, dass die bei Nautilus dicht neben der Harnsackmündung gelegene Öffnung bei den Dibranchiaten in dieselbe, resp. in den ausmündenden Theil des Harn- sackes hinein verlegt ist. Aber auch der Nautilus seinerseits repräsentirt hierin wohl kaum ein primäres Verhalten, und es erhebt sich die Frage : auf welche Weise die bei Nautilus bestehende äußere Ausmündung der Leibeshöhle entstanden sein möge. Die Entscheidung über diese Frage dürfte sich wohl erst durch die Embryologie herbeiführen lassen. Der einzige Gesichtspunkt, der bis dabin vermuthungsweise, wie mir scheint, in Betracht kommt, ist der, dass die Ausmündung der Leibeshöhle erst sekundär zu Stande gekommen durch Vermittlung von Hautporen. Es existiren bekanntlich bei den Gephalopoden solche von p’Orsıcny als Ouvertures aquiferes bezeichnete Löcher in der Haut, welche in große subeutane Sinus hineinführen. Diese paarweise gelegenen Öflnungen kommen an den Armen, am Kopf, aber auch als Pori anales an der Basis des Trichters nicht weit vom After entfernt vor. So wie es bei den Myopsiden zur Verschmelzung der sich berührenden beiden Harnsäcke gekommen ist, so würde auch bei näherer Berührung eines solchen Sinus mit der Leibeshöhle es leicht zurKommunikation beider kommen können. Es wird sich gewiss durch embryologische Untersuchung feststellen lassen, ob die Leibeshöhle von Anfang an nach außen geöffnet ist oder nicht, beziehungsweise ob die betreffende Öffnung so wie die übrigen Haut- poren entsteht oder nicht.

Durch das besprochene Wassergefäßsystem der Dibranchiaten wird also eine Kommunikation hergestellt zwischen dem Hohlraum des Harn- sackes und der Leibeshöhle, womit eine auch bei anderen Mollusken bekannte Einrichtung gegeben ist. Beim Nautilus dagegen existirt ein solcher Zusammenhang zwischen Niere und Leibeshöhle, resp. Pericar- dialhöhle nicht, und es erweist sich diese Kommunikation mithin als eine den älteren Gephalopoden abgehende und erst innerhalb der Klasse er- worbene Einrichtung. Die Existenz der Kommunikation zwischen Niere und Pericardium ist für viele ein besonders entscheidendes Argument für die gemeinsame Abstammung aller Mollusken. Ilier nun sehen wir

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Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 11

aber, dass schon den niederer stehenden Gephalopoden diese Verbindung fehlt und dieselbe vielmehr selbständig innerhalb der Klasse erworben ist. Es trifft mithin wenigstens für die Gephalopoden die Gültigkeit jener der Kommunikation von Niere und Pericardium entnommenen Argumen- tation nicht zu. Aber noch mehr, wir haben sogar Grund zu der An- nahme, dass wenigstens bei einem Theile der übrigen Mollusken die Entstehungsweise jener Kommunikation eine ganz andere gewesen ist. Denn auch bei den Würmern sind wimpernde Öffnungen der Exkretions- organe in die Leibeshöhle sehr verbreitet, und zwar sowohl bei Glieder- würmern als auch bei Plattwürmern, und von beiden Seiten her können daher die betreffenden wimpernden Öffnungen der Niere wohl auf die entsprechenden Schnecken übertragen sein. Mit anderen Worten ich denke, dass die wimpernde Öffnung der meisten anderen Mollusken nicht so wie die entsprechende Öffnung in der Niere der Cephalopoden entstanden ist, sondern eine direkt von Würmern ererbte Einrichtung darstellt, die nur dadurch bei den Mollusken eine besondere Modifikation erfahren hat, dass sich derjenige Theil der Leibeshöhle, in welchen die Wimperöffnung der Niere mündet, zum Pericardium redueirt hat. Natür- lich wird es, zumal so lange noch verwerthbare embryologische Unter- suchungen vollkommen fehlen, mir so wenig wie wohl irgend Jemand anderen beifallen, zu glauben, dass zur Zeit bereits die Homologie der Exkretionsorgane bei Mollusken und Würmern sich durchführen lasse, allein ich meine das, was wir jetzt über die vergleichende Morphologie der Leibeshöhlenöffnungen bei den Gephalopoden erfahren haben, muss doch wohl davor warnen mit der vorgefassten Meinung einer unmittel- baren Verwandtschaft aller Mollusken, resp. Gastropoden an die Beur- theilung dieser schwierigen Frage heranzutreten. Es ist daher gewiss auch leicht begreiflich, dass sich VıekLius in dieser Frage eines bestimm- ten Urtheiles enthält und anerkennt, wie alle diese berührten Verhältnisse zu Gunsten des polyphyletischen Ursprunges der Mollusken sprechen. Es sei mir an dieser Stelle gestattet mit einigen Worten auf die - heftigen Angriffe zu reden zu kommen, welche in einem der letzten Hefte des morphologischen Jahrbuches in einer Abhandlung von Rasr gegen mich enthalten waren, und die um so mehr eines wirklichen Anlasses entbehrten, als ja die Irrthümer, welche in Ragr’s erster Abhandlung enthalten waren und von mir als solche erwiesen wurden, nunmehr auch von Rası selbst als Irrthümer anerkannt werden. Auf die persönlichen Bemerkungen Rusr’s werde ich nicht eingehen, da ich, wenn auch nicht in meinen ersten Publikationen, so doch seit Jahren bemüht bin, derartige vom wissenschaftlichen Standpunkt aus überflüssige Diskussionen bei Seite zu lassen. Auf die unrichtigen Verallgemeinerungen hinsichtlich

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der Furchung der Gastropodeneier werde ich bei anderer Gelegenheit eingehen. Was den sachlichen Gegensatz bezüglich der Phylogenie der Mollusken betrifft, so kann derselbe allerdings kaum schärfer gedacht werden. Rasr sucht, ausgehend von Erörterungen über die »polare Differenzirung der Planaea« so wie »über die allmähliche Ausbildung der heteropleuren oder dysdipleuren Grundform der Gastropoden « aus der vergleichenden Embryologie die allen Gastropoden gemeinsamen Charaktere herauszufinden und somit zu Vorstellungen über die Phylo- genie zu gelangen. Die vergleichende Anatomie! der Mollusken findet dabei kaum, ihr palaeontologisches Auftreten gar nicht Beachtung. Im Gegensatz dazu scheint mir die Aufgabe phylogenetischer Studien darin zu bestehen, sich auf engere Gruppen zu beschränken und innerhalb derselben Alles was über vergleichende Anatomie, Entwicklungsge- schichte, Systematik und Palaeontologie bekannt ist zu beherrschen und durch planmäßig angelegte Untersuchungen zu erweitern, bestrebt zu sein. Dass ich bei meinen einschlägigen Arbeiten auch die vergleichende Embryologie eingehend berücksichtigt habe, geht wohl aus dem Um- stande hervor, dass weder Rası noch andere Embryologen mir für meine phylogenetischen Folgerungen die Unbekanntschaft mit irgend welchen wichtigen ontogenetischen Thatsachen haben vorhalten können, während der umgekehrte Fall nicht einmal bezüglich der Embryologie zutrifft, da z. B. Rıgr für die aus den Embryonen der Malermuschel abgeleiteten Betrachtungen nur die europäischen Formen, nicht aber die zahlreichen darauf untersuchten nordamerikanischen Arten berücksichtigt hat, deren Embryonen zum Theil namentlich bezüglich des Mangels des Schalen - hakens wesentlich anders gebaut sind. Da nun einerseits mir voll- kommen das Interesse und das Verständnis abgeht für Spekulationen über die biologische und morphologische Differenzirung der hypothe- tischen Planaea und Gastraea, da ich den Nutzen und Werth derselben nicht zugeben kann, da ich also mit anderen Worten unfähig bin, meinem Gegner auf das von ihm kultivirte Gebiet zu folgen, da ich andererseits aber bei ihm die erforderlichen Vorbedingungen und Vorkenntnisse für den von mir eingenommenen Standpunkt vermisse, so sehe ich eben den Gegensatz zwischen den beiderseitigen von uns eingeschlagenen Richtungen sich in einer Weise zuschärfen, dass ein Ausgleich ausge- schlossen ist, und. es der Zukunft überlassen bleiben muss darzuthun, welcher Weg der richtige ist. Ich meinerseits sehe mich zu der weiteren

1 So ist z.B. Rısr die Existenz des großen als Velum allgemein bekannten Körpertheiies von Tethys vollkommen unbekannt, so dass er meine bezüglichen Mittheilungen missverstehend, zu dem Ausspruche kommt, dass der Begriff des » Velums« mir vollkommen unklar sei.

Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Gephalopoden. 13

Verfolgung der von mir erwählten Richtung sehr ermuntert durch die Art wie bei den Gephalopoden durch die unabhängig von einander, aber in gleicher Weise angestellten Untersuchungen über das Nervensystem, den Genitalapparat und die Niere nahezu übereinstimmende Resultate erzielt worden sind, die uns im Zusammenhang mit den palaeontologi- schen Daten das Bild der Gephalopodenentwicklung in seinen wesent- lichsten gröberen Zügen zu rekonstruiren gestatten.

Durch die oben besprochenen Untersuchungen von Vigzrius ist also der Nachweis erbracht worden, dass das Wassergefäßsystem sammt

A, Nautilus, B, Octopoden, C, myopside Decapoden, p, Öffnung der visceropericardialen Höhle oder des Wassergefäßsystems, v, Kiemenherz ; punktirt ist der Harnsack, schraffirt, die Visceropericardialhöhle,

seinen in den Harnsack mündenden Öffnungen, der Visceropericardial- höhle des Nautilus entspricht, welche letztere also jederseits nicht in, sondern neben dem Ureter sich öffnet. Dem zweiten Paare von Harn- säcken, welches beim Nautilus vorkommt, fehlt diese Beziehung ganz. Ich verweise zur Erläuterung auf die obenstehenden schematischen Dar- stellungen. Wir haben mithin in der Beziehung der Visceropericardial- höhle zum einen Paare der Harnsäcke ein so ausgeprägtes Merkmal, dass auf Grund desselben es möglich wird zu behaupten, dass das eine Kiemenpaar der Dibranchiaten dem ventralen Kiemenpaare des Nautilus entspricht. Da nun die Harnsackmündung mit der Kiemenbasis zumal

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auch beim Nautilus in inniger Lagebeziehung steht, so ergiebt sich dar- aus ferner, dass das ventrale Kiemenpaar der Tetrabran- chiaten dem einzigen der Dibranchiaten -homolog ist. Wenn damit auch feste Anhaltspunkte gewonnen sind für die Beur- theilung der anatomischen Beziehungen von Tetrabranchiaten und Dibran- chiaten, so bleibt doch immer noch die Frage nach den gegenseitigen Verwandtschaftsbeziehungen beider Abtheilungen offen. In dieser Be- ziehung begegnet man allgemein der von Owen zuerst ausgesprochenen Ansicht, wonach dieDibranchiaten von den Tetrabranchiaten abstammen, und auch bei ersteren noch Spuren des untergegangenen zweiten Kiemenpaares nachweisbar seien. Die letztere häufig reproducirte An- nahme beruht indessen auf einem vollkommenen Irrthume. Owen bezieht sich zur Begründung seiner Annahme auf ein von Home in seiner Comp. Anat. Vol. IV. Taf. Ak—45 »G« abgebildetes rudimentäres Organ, welches als Rudiment des zweiten zu Grunde gegangenen Kiemenpaares gedeutet wird. Dieses fragliche Organ ist gegenwärtig bekannt unter dem Namen des Kiemenherzanhanges; es ist nach VieELius wahrschein- lich, dass derselbe den sogenannten Venenanhängen entspricht. Wie es auch hiermit stehen mag, so viel ist aber jedenfalls sicher, dass das be- treffende Organ als ein im Innern des Körpers, resp. der Leibeshöhle gelegener Theil nicht mit den Kiemen in Vergleich gebracht werden kann. Auch abgesehen von diesem Missverständnisse existirt nichts, was auf ein verkümmertes zweites Kiemenpaar hinweisen könnte, weder in anatomischer, noch in einbryologischer Beziehung. In letzterer Hin- sicht aber würde man doch wohl erwarten dürfen, dass in ähnlicher Weise, wie bei den höheren Wirbelthieren die rückgebildeten Kiemen- bogen, so hier embryologisch das angeblich rückgebildete zweite Paar von Kiemen und Nieren noch nachweisbar sein würden, was in Wahr- heit jedoch nicht zutrifft. Aber noch mehr, es lässt sich auch wahrschein- lich machen, dass kein Grund für die Annahme vorliegt, als müssten mit der Rückbildung des einen Paares von Kiemen auch die entsprechenden Nieren zu Grunde gegangen sein. Denn die Harnsäcke konnten der eigenthümlichen Beziehungen ihres Epithels zu den Venen wegen auch nach Verkümmerung der Kiemen persistiren. Sie sind eben an die Existenz der Venen gebunden, nicht aber an jene der Kiemen, mit denen sie nur bezüglich der Lage ihrer äußeren Ausmündung in Zusammen- hang stehen.

Es ergiebt sich daher nach keiner Richtung hin irgend ein Anhalts- punkt, der uns berechtigte, die Existenz eines rückgebildeten zweiten Kiemenpaares bei den Dibranchiaten anzunehmen. Aber auch als ein durch andere Verhältnisse gebotenes Postulat kann eine solche Annahme

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Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. 15

nicht hingestellt werden. So sind bekanntlich die Arme von Nautilus in ganz anderer Weise gebaut und angeordnet wie diejenigen der Di- branchiaten. Ich habe hierauf an anderer Stelle hingewiesen, und namentlich hervorgehoben, dass wenn man auch jene Arme mit den Saugnäpfen der Dibranchiaten vergleichen dürfte doch die Versuche in | der Anordnung derselben ein auf die Arme der Dibranchiaten bezieh- bares Verhalten erkennen zu wollen als gescheitert zu betrachten sind. Man hat sich daher eben einfach mit der Thatsache abzufinden, dass die Arme bei beiden Gruppen nicht direkt auf einander beziehbar sind. Eine besonders werthvolle Stütze hat diese den Nautilus nicht als Stammform unserer Dibranchiaten erkennende Auffassung erfahren durch die Unter- suchungen von Brock, durch welche sich herausstellte, dass der eine Eileiter des Nautilus ein unpaarer, und zwar der rechte ist. Da nun eine derartige Rückbildung eines der beiden primären Eileiter auch bei den Decapoden sehr häufig vorkommt, so ergiebt sich, dass Nautilus hierin sich schon weit von dem ursprünglichen Verhalten en®fernt hat. Nautilus kann daher auch in dieser Beziehung nicht als die Stammform der Dibranchiaten gelten. Nautilus nimmt in einigen Beziehungen eine be- sonders niedere Stellung ein, wie namentlich bezüglich des noch nicht zur Röhre verwachsenen Trichters und des Nervensystems, und dies hat man bisher unberechtigter Weise zu der Annahme verallgemeinert, dass Nautilus in jeder Beziehung ein primitives Verhalten aufweise und allen . vergleichend morphologischen Verhandlungen als Ausgangspunkt dienen müsse. Nachdem wir diesen verkehrten Standpunkt überwunden, wird auch die Frage nach der Verwandtschaft von Tetrabranchiaten und Dibranchiaten von Neuem und in anderer Weise aufgenommen werden müssen. Wir sahen oben, dass bei den Dibranchiaten nichts auf die ehemalige Anwesenheit eines zweiten rückgebildeten Kiemenpaares hin- weist, wir sahen ferner, wie der Nautilus als eine einseitig modificirte und weit von dem vorauszusetzenden primären Verhalten entfernte Form anzusehen ist und es wird daher auch die Möglichkeit nicht in Abrede zu stellen sein, dass das zweite Paar Nieren und Kiemen des Nautilus von diesem erst nach der Abzweigung von den gemeinsamen Stamm- formen erworben worden sei. Was zunächst hierfür spricht, ist der Umstand, dass bei den übrigen Mollusken mit Einschluss der dibran- ehiaten Gephalopoden überall höchstens zwei paarig gelegene Nieren angetroffen werden, und es macht das die Annahme mindestens sehr wahrscheinlich, dass bei allen Mollusken ursprünglich nur zwei oder nur eine Niere vorhanden waren. In diesem Falle würden also auch die ältesten Gephalopoden nur ein Paar von Nieren oder Bosanus’schen Organen besessen haben und es wäre beim Nautilus das zweite Paar

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erst sekundär erworben im Zusammenhang mit dem Erscheinen des zweiten Paares von Kiemen, an deren Basis die den Ausgangspunkt der Entwicklung bezeichnende Mündung gelegen ist. Eine solche Annahme entbehrt keineswegs der Parallelen in anderen Thiergruppen. So z.B. . bildet für die Brachiopoden, und wie es mir scheint auch für die mit ihnen nächstverwandten Bryozoen das Vorhandensein von einem ein- zigen Paare von Exkretionsorganen die Regel und wohl auch den Aus- gangspunkt. Bei der Gattung Rhynchonella aber ist noch ein zweites Paar hinzugetreten. Eben so haben wir es bei den Gephyreen in der Regel mit einem Paare von Exkretionsorganen typischer Art zu thun, aber bei Echiurus und Thalassema ist noch ein zweites oder gar wohl auch noch ein drittes Paar hinzugekommen. Um einen derartigen Wie- derholungsprocess wird also auch beim Nautilus es sich handeln. Viel- leicht weist hierauf auch der Umstand hin, dass die neu hinzugekommene dorsale oder sekundäre Kieme, wie man sie nennen kann, kleiner ist als die primäre bei Tetrabranchiaten und Dibranchiaten gemeinsam vorhan- dene. Wir sehen aber sehr allgemein, dass bei einer derartigen meta- merischen Wiederholung die neuerworbenen Theile kleiner sind als die ursprünglich vorhandenen.

Hiernach also scheint mir die vergleichende Morphologie uns darauf

hinzuweisen, dass die ältesten Gephalopoden Dibranchiaten waren, und dass aus ihnen erst durch den beschriebenen Verdoppelungsvorgang sich die Tetrabranchiaten entwickelt haben, vermuthlich nur als ein verhältnismäßig unbedeutenderer Seitenzweig, während die übrige große Menge aus Dibranchiaten bestand.

Wir hätten mithin die Tetrabranchiaten von den Di- branchiaten abzuleiten, nicht umgekehrt, wie dasbisher die Meinung war. |

Ein in vieler Beziehung zutreffenderes Bild von der Organisation der ältesten Gephalopoden geben uns die Octopoden, eine Gruppe, von welcher man das wohl am wenigsten erwarten konnte, und welche man sich daher wohl im allgemeinen gewöhnt hatte als die meistmodificirte und jüngste unter den Gephalopoden anzusehen. In der That stellen die Octopoden in vieler Beziehung das Endglied der innerhalb der Dibran- chiaten zu verfolgenden Entwicklungsreihen dar, und manche Vorgänge, welche bei den Decapoden eingeleitet sind, haben bei den Octopoden die höchste zur Beobachtung gelangende Stufe erreicht. Dies gilt z. B. von der Rückbildung der Trichterklappe, des Nackenknorpels und des Mantelschließapparates, es gilt aber im besonderen Grade namentlich von der Schale. Die gekammerte Schale der älteren Dibranchiaten ist bekanntlich bei der überwiegenden Mehrzahl der recenten Decapoden

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zu einem unbedeutenden inneren Rudimente herabgesunken. Diese innere Schale entsteht durch eine sich einsenkende und endlich ab- schnürende Schalendrüse. Bei den Octopoden! fehlt die Schale ganz, aber zur Bildung der Schalendrüse kommt es, wie BOBRETZKY zeigte, wenigstens bei Argonauta noch. Es nehmen mithin hinsichtlich des ganzen Rückbildungsprocesses der Schale die Octopoden enischieden die höchste Stufe ein. Wenn so aber die, an den einzelnen Organsystemen in den verschiedenen Abtheilungen der Gephalopoden unabhängig von einander sich vollziehenden Vorgänge gerade bei den Octopoden den höchsten Grad der Ausbildung erreicht haben, so kann das keineswegs für alle Organe oder für die ganze Abtheilung gelten. Im Gegentheil, es nehmen gerade in manchen wichtigen anatomischen Charakteren die Octopoden die niedere Stufe ein. Zuerst ergab sich das durch die Ver- gleichung des Nervensystems, indem das bei den Decapoden weit vom übrigen Gehirn abgerückte Ganglion suprapharyngeale oder das soge- nannte G. buccale superius bei den Octopoden noch mit dem Gehirn ver- einigt ist. Ich musste dies als das primäre Verhalten ansehen, und diese Annahme hat unterdessen eine Bestätigung erfahren durch die von Bo- BRETZKY gemachte Beobachtung, dass beim Embryo von Loligo das be- treffende Ganglion dem Gehirn anliegt, und also erst im Laufe der weite- ren Entwicklung sich von demselben entiernt. Eben so fand weiterhin Brock, dass hinsichtlich des Genitalapparates die Decapoden weit mehr Differenzen und Rückbildungen aufweisen, als die Octopoden, welche bekanntlich die Duplicität der Eileiter konstant besitzen. In gleicher Weise fand dann auch VierLius bezüglich der Niere bei den Octopoden primitivere Verhältnisse, die ihn zu dem Ausspruche bewogen: »Die Octopoden siehen phylogenetisch den Nautiliden am nächsten«. Aus dem Bemerktem ergiebt sich ohne Weiteres, dass an eine Ableitung der Octopoden von den uns bekannten Decapoden nicht gedacht werden kann. Es sind doch schließlich noch andere Unterschiede zwischen ihnen vorhanden als die Armzahl, und es wäre daher nicht möglich, dass aus den uns bekannten Decapoden die Octopoden durch Verlust der Fang- arme hervorgegangen wären. Ich bemerke das namentlich mit Rücksicht auf den achtarmigen Decapoden Verania, bei welchem die hinfälligen langen Arme regelmäßig zu Grunde gehen.

Es zeigt sich daher, dass die Octopoden als eine selbständige Gruppe von hohem Alter anzusehen sind, welche in mancher Beziehung noch ursprünglichere Verhältnisse aufweist als die Decapoden, d. h. als die recenten und die aus mesozoischen Schichten bekannten Dibranchiaten.

! Die eigenthümliche Schale von Argonauta hat bekanntlich anderen Ursprung ı und Bedeutung. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXY.Bd. 2

18 H. von Ihering,

Es müssen mithin die mit äußerer gekammerter Schale ausgerüsteten etwaigen gemeinsamen Vorfahren der Octopoden und Decapoden bereits in palaeozoischen Schichten angetroffen werden, wie ich das bereits früher hervorgehoben und wie es dann weiterhin auch Brock urgirt hat. Es fragt sich nun: welche der palaeozoischen Gephalopodengattungen sind Dibranchiaten gewesen und welche Tetrabranchiaten. Eine voll- kommene und sichere Lösung der Frage wird sehr schwierig wo nicht unmöglich sein, indessen liegen doch bereits nach zwei verschiedenen Richtungen hin Anhaltspunkte vor, welche noch dazu in erfreulicher Weise zu demselben Resultate geführt haben, zu dem nämlich, dass die Ammoniten so wieihrepalaeozoischen Vorläufer, die Gonia- titen, Dibranchiaten waren. Indem ich bezüglich der ausführlichen Begründung auf meine bald erscheinende Abhandlung über Aptychus im neuen Jahrbuche für Mineralogie verweise, hebe ich hier nur kurz die wesentlichsten Resultate hervor. Einen der beider erwähnten Wege bildet die Untersuchung des Embryonalendes der Schale, welche, wie zuerst BarranDE hervorhob, bei den Nautiliden ganz anders beschaffen ist als bei den Goniatiten und Ammoniten, die sich hierin an Spirula und die Belemniten anschließen. Munier-Cuarmas und Branko haben die Ent- deckung Barrınne’s bestätigt und weiter verfolgt und daraus den natür- lichen Schluss gezogen, dass auch die Ammoniten Dibranchiaten waren.

Zu einer Bestätigung nun dieses Resultates brachten mich die im Folgenden vorliegenden Untersuchungen über die mikroskopische Struk- tur eines bisher noch immer räthselhaften Organes der Ammoniten, des sog. Aptychus, welcher meinen Untersuchungen zufolge sich als ein partiell verkalkter Knorpel herausstellt, welchem am Körper der lebenden Decapoden der Nackenknorpel ent- spricht. Bevor ich auf die Vergleichung beider eingehen kann muss ich die Beschreibung des Nackenknorpels voraussenden, zu der ich mich daher wende.

So weit meine im Folgenden vorzulegenden Erfahrungen reichen, lassen sich innerhalb der Decapoden zwei verschiedene Typen hinsicht- lich des Nackenknorpels unterscheiden. Den einen vertritt Sepia, den anderen Loligo. Bei Sepia ist der Nackenknorpel dünn und flach und hat nur eine obere und eine untere Fläche, die in einem schmalen Rande zusammenstoßen. Die ganze obere Fläche ist vom Epithel überzogen, und nur am Rand und an die Unterseite inseriren sich Muskelfasern. Bei Loligo dagegen ist die freie vom Epithel überzogene Fläche schmal und über sie hinaus setzt sich jederseits die Knorpelmasse fort in Gestalt eines breiten flügelförmigen Anhanges, welcher zur Muskelinsertion dient. Beide Formen von Nackenknorpel sind, wie wir weiterhin an Rossia

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sehen werden, nicht unvermittelt. Die einfachsten Verhältnisse in der zu Loligo führenden Reihe findet man bei Onychoteuthis. Die weit- gehende Übereinstimmung zwischen Loligo und Ommastrephes und ihre Verbindung mit Onycho- und Enoploteuthis bestärken mich in meiner im Gegensatz zu Brock vertretenen Ansicht, dass die Gruppen der Myopsiden und Ögopsiden keine natürlichen sind. Loligo und Omma- strephes weit zu trennen und dafür Sepia und Loligo in nähere Be- ziehung zu einander setzen, das heißt meiner Meinung nach nicht den natürlichen Verwandtschaftsbeziehungen Rechnung tragen.

Der Nackenknorpel der Dibranchiaten ist ein hinter dem Kopf unter dem vorderen Ende der Rückenschulpe gelegener Knorpei, welcher an seiner konkaven untereren Fläche einer Menge von Muskel- fasern zur Insertion dient. Die Lage des Knorpels ist eine ganz ober- flächliche, so dass nur eine einfache Epithelschicht ihn an seiner oberen oder dorsalen konvexen Fläche überzieht. So weit dieser Epithelüberzug reicht, welcher bei Sepia ein viel größeres Feld überzieht als bei Loligo, gehen keine Muskeln an den Knorpel, da er hier unmittelbar an das Epithel grenzt, so dass hier der Knorpel fast frei nach außen zu Tage tritt. Diese vom Epithel überzogene Fläche ist aber nicht direkt von außen zugänglich, sondern sie ist noch überdeckt von einer Art dicker Klappe, die nach hinten hin mit dem Epithelüberzuge des Nacken- knorpels kontinuirlich zusammenhängt. Es entsteht dadurch eine nach hinten blind endigende Tasche, eine Nackenhöhle, in welche der Ein- gang von der dorsalen Seite des Kopfes her führt. Während nun den Boden dieser Nackenhöhle der Nackenknorpel bildet, ist die Decke ge- bildei durch das Vorderende der Schale. Diese liegt bekanntlich in einem Sacke, dessen untere oder ventrale Wandung dann die Decke der Nackenhöhle bildet. In dieser Decke liegt nun ein flacher Knorpel, der Rückenknorpel, welcher in der Medianlinie stärker angeschwollen ist. Es entsteht dadurch eine mediane dicke Knorpelleiste, welche in der Längsrichtung in die Nackenhöhle hineinragt und gegen den Nacken- knorpel gepresst werden kann, in welchem sich eine mediane Furche zu seiner Aufnahme befindet. Dadurch entsteht die zweitheilige Gestalt des Nackenknorpels. Bei Sepia ist in Folge der beträchtlichen Tiefe der medianen Furche die mediane Verbindungsbrücke sehr dünn. Jede Hälfte des Nackenknorpels hat ihr eigenes Wachsthum, welches von der Medianlinie aus gegen die Seitentheile fortschreitet, so dass man an dem meist angeschwollenen Seitenende jeder Hälfte lebhafte Wachsthumsvor- gänge im Knorpel konstatirt. Die Gefäße treten in Form weniger großer Stämme von der konkaven Seite her in den Knorpel ein, wo sie sich verästeln und namentlich eine große Anzahl von kleinen Endzweigen

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gegen die konvexe Fläche hin entsenden. In diesen Endzweigen scheint es häufig zu Verstopfungen oder Gerinnungen, kurz zu Thrombosen zu kommen, in Folge deren man kugelige Gerinnungsmassen! im Knorpel dicht unter der konvexen Oberfläche antrifft, welche weiterhin sich noch mehr dem Epithelüberzuge nähern, um so endlich aus dem Knorpel her- aus zu kommen, in dem sie Löcher oder Poren hinterlassen, welche zum großen Theil noch mit der Gerinnungsmasse erfüllt sind. Ob und wie diese eigenthümlichen Vorgänge in physiologischem Sinne zu deu- ten sind, ist mir nicht klar. Ich bin jedoch eher geneigt darin patho- logische Vorgänge zu sehen, die allerdings mit großer Regelmäßigkeit wiederkehren. Sehr wichtig scheinen mir nun dieselben für das Ver- ständnis jener Aptychen zu sein, welche an ihrer konvexen Oberfläche Poren tragen. Denn nimmt man überhaupt die Identität von Nacken- knorpel und Aptychus an, so sind wohl, wenigstens in manchen Fällen, auch diese nach außen sich öffnenden Poren der konvexen Seite iden- tische Gebilde. Je nachdem das Gerinnsel die Pore noch erfüllt und überragt, hat man es mit Poren oder Höckern bei Loligo zu thun und es bliebe daher noch zu untersuchen ob etwa die mit Papillen besetzten Aptychen ähnlich zu deuten oder ob ihr Besatz in die gleiche Kategorie gehört wie die Leisten, die bei anderen die äußere Fläche zieren, resp. also ob von der Substanz der Tuben oder von der homogenen die Papil- len gebildet werden. An der unteren konkaven Fläche findet sich in bestimmt angeordneter, hier aber im Einzelnen nicht weiter interessiren- der Weise feine Leisten für den Muskelansatz. Diese Leisten sind nichts anderes als die freien Enden der Lamellen, welche über einander ge- lagert die untere Begrenzungsschicht des Knorpels bilden. Der ganze Knorpel lässt auf dem Querschnitt drei Schichten erkennen, je eine äußere und innere Begrenzungsschicht und eine dicke Zwischenmasse. Nur die letztere enthält die Knorpelzellen. Es finden sich also einzeln oder nesterweis zusammenliegend Knorpelzellen mit ihren feinen Aus- läufern in einer homogenen Intercellularsubstanz. In dieser nun kommt es streifenweise in der Richtung von einer freien Fläche zur anderen zu faserartigen Verdichtungen des Gewebes und ein eben solches dichteres Gewebe ist es auch, in welches sie gegen die Begrenzungsschichten hin ausstrahlen und welches eben diese Schichten zusammensetzt. Verkalkt ist auch dieses faserige oder lamellöse Gewebe nicht.

Bei OnychoteuthisLichtensteini hat der Nackenknorpel im Wesentlichen die gleiche Gestalt wie bei Loligo, aber die Unterseite ver-

1 Ich kann wie gesagt über die Natur dieser Körper nicht definitiv urtheilen. Möglich wäre es auch, dass sie sich selbständig in der Grundsubstanz des Knorpels bilden.

Über die Verwandischaftsbeziehungen der Cephalopoden. 21

hält sich in so fern etwas anders, als die kleine bei Loligo so deutlich abgegrenzte vordere Grube hier fehlt oder ganz seicht ist. Der Muscu- lus collaris bietet hier ein sehr instruktives Verhalten dar. Er besteht aus zwei Lamellen, einem oberflächlichen und einem tieferen Blatte, die ich als verschiedene Muskeln, als M. collaris superficialis und profundus beschreiben werde. Beide Blätter hängen vorn gegen den Kopf hin so zusammen, dass sie nur als Theile eines einzigen zusammengefalteten Muskelblattes erscheinen. Die Umschlagsfalte, in der also das obere Blatt in das tiefere nach hinten hin zurücklaufende sich fortsetzt, liegt vorn jederseits frei, so dass also das tiefere Blatt nicht der Unterlage fest auf- liegt, sondern eine ziemliche Strecke weit frei zu Tage liegt. Das ober- flächliche Blatt tritt nach oben gegen den Nackenknorpel hin bis an den Falz, in dem es sich inserirt, wobei es mithin frei über die dorsale Fläche des Muskelfortsatzes wegläuft. Das tiefere Blatt aber heftet sich an den Rand des Muskelfortsatzes, und zwar an die obere dorsale Kante seines Seitenrandes. In der Fortsetzung gegen den Trichter hin ent- spricht in seiner Verlängerung das oberflächliche Blatt des Musculus col- larıs der ventralen gegen den Mantel sehenden Wand des Trichters, wo- gegen das tiefere der entgegengesetzten Trichterwand entspricht, resp. sich theilweise in sie fortsetzt. Nach hinten hin endet das oberflächliche Blatt mit freiem zugeschärftem Rande, um welchen herum man in eine große zwischen beiden Blättern des M. collaris eingeschlossene Höhle gelangt.

Bei Enoploteuthis Owenii finde ich die Verhältnisse sehr ähn- lich oder jedenfalls leicht auf diejenigen von Onychoteuthis zurückführ- bar. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die vordere Umschlags- falte des Musculus collaris nicht mehr frei liegt, sondern dem unter- liegenden Körpertheile fest angewachsen ist. Dadurch gewinnt es den Anschein, als ob der Musculus collaris nur durch das superficiale Blatt repräsentirt sei. In Wahrheit ist auch das tiefe Blatt vorhanden, nur ist es mit den tieferen Muskelschichten verwachsen, resp. ihnen aufge- wachsen. Aber die Umschlagsfalte ist noch sehr wohl sichtbar. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass diese Verwachsung ein sekundärer, übri- gens ja auch bei Loligo und Sepia bestehender Vorgang ist, so dass in dieser Hinsicht Onychoteuthis die tiefere Stufe einnimmt. Das tritt auch an anderen Organen hervor, so dass Enoploteuthis nichts als eine höhere Stufe auf dem von Onychoteuthis eingeschlagenen Wege darstellt. Beide sind bekanntlich durch den Besitz von Haken an den Saugnäpfen charakterisirt. Diese sind bei Onychoteuthis auf die langen Fangarme beschränkt, finden sich aber bei Enoploteuthis auch auf den anderen. ' Ein schönes Beispiel dafür, wie gewisse von einer beschränkten Anzahl

32 H. von Ihering, Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden.

von Antimeren oder Metameren erworbenen Strukturverhältnisse suc- cessive auch an den übrigen zur Ausbildung gelangen können. Endlich finde ich auch darin Onychoteuthis die niedere Stufe einnehmen, dass hier die obere oder dorsale gegen den Leib gerichtete Wand des Trichters nicht an diese angewachsen, sondern frei ist. Nur zwei symmetrisch in der Längsrichtung gestellte Membranen verbinden Trichterwand und Körperwandung; zwischen beiden bleibt ein abgekammerter nach vorn zugänglicher Raum. Bei Enoploteuthis nun ist wie bei den Myopsiden der hierdurch eingeleitete Befestigungsprocess des Trichters an die ven- trale Körperwand zum Abschluss gebracht, indem die beschriebenen, wohl ontogenetisch noch nachweisbaren Trichtersuspensorien fest ange- wachsen und so verkürzt sind, dass nichts mehr direkt auf sie hinweist, vielmehr der Trichter fest angelöthet ist.

Die bei Enoploteuthis bestehenden Verhältnisse kehren auch bei Ommastrephes wieder und bei Loligo. Andere als die genannten Gat- tungen habe ich von Ögopsiden nicht untersucht.

An Sepia schließt sich die Gattung Rossia an. Die zwei untersuch- ten Arten verhalten sich sehr ungleich. Rossia macrosoma hat eine in ganzem Umfang von außen nach Zurückschlagen des Mantelrandes sicht- bare ovale Nackenplatte, hinsichtlich deren ich auf meine Abbildungen in der Aptychus-Abhandlung im Neuen Jahrb. f. Mineralogie verweise. Der Nackenknorpel hat nach hinten jederseits einen nicht sehr großen flügelförmigen Muskelfortsatz, was an die Verhältnisse von Loligo er- innert und den Übergang im organologischen Sinne vermittelt. Rossia dispar bildet eine Brücke zur Gattung Sepiola. Der Mantelrand ist im Nacken nicht mehr ganz frei, sondern von hinten her eine Strecke weit in der Medianlinie festgewachsen. Im Zusammenhang damit ist der Nackenknorpel rückgebildet. Nur sein vorderer Theil ist gut erhalten und dick. Bei Sepiola ist die Verwachsung des Mantels mit dem Nacken beendet und der Nackenknorpel auf geringe Reste reducirt. |

Hinsichtlich seiner Festigkeit sind am Nackenknorpel zwei Gewebe zu unterscheiden, Faserknorpel und hyaliner Knorpel, von denen ersterer die äußere und innere Begrenzungsschicht bildet, so wie ein mehr oder minder vollkommenes inneres Maschenwerk. Dasselbe kehrt nun am Aptychus wieder. Eine Gerüstmasse von verkalkter Gewebsmasse ent- hält in Röhren oder Zellen eine sekundär eingelagerte Gesteinsmasse, die an Stelle des macerirten Hyalinknorpels getreten ist, wie bei den fos- silen Squatinawirbeln nach Hasse, indem daselbst Lagen von verkalktem Knorpel und hyalinem Knorpel abwechseln.

Leipzig, den 26. April 1880.

Uber den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des Tectum opticum der Knochenfische.

Von

Dr. Joseph Bellonei aus Forli.

Mit Tafel I und II.

In einer im vorigen Jahre veröffentlichten Abhandlung über das Gehirn der Knochenfische! stellte ich zwei Behauptungen von großer Wichtigkeit auf: 1) dass die Opticusfasern ausschließlich ihren Ursprung von der äußern Schicht des Tectum opticum nehmen und 2) dass diese Fasern, hier verbunden, sich in ein feines Netz auflösen, welches direkt mit den langen, aufsteigenden Fortsätzen der Nervenzellen vereinigt ist, die sich in der innern Schicht des Tectum befinden.

Die erste dieser Behauptungen steht der Meinung fast aller Beobachter entgegen, welche im Allgemeinen annehmen, dass außer den Fasern des Tectum opticum noch andere Fasern, welche aus dem Innern der Lobi optici hervorkommen, an der Bildung der Opticus- fasern Theil nehmen. Dies veranlasste mich bei der Schwierigkeit dieser Untersuchungen und der Wichtigkeit der Frage neue und vollständigere Studien über dieselbe anzustellen, und meine Behauptung durch eine Reihe von Figuren in möglichst klarer Weise zu versinnlichen.

Die zweite von mir behauptete Thatsache dringt in die wichtigsten Fragen der Histologie der Nervencentren ein; ich habe dieselbe mit der größten Sicherheit bestätigt, und zugleich auch neue Besonderheiten rücksichtlich des Baues des Tectum opticum aufgefunden.

Alle meine Untersuchungen wurden an mit Überosmiumsäure er- härteten Präparaten gemacht.

Der Ursprung eines Bündels von Opticusfasern aus der äußern Schicht des Tectum ist nach meinem Dafürhalten vollkommen bewiesen

1 G. Bertoncı, Ricerche intorno all’ intima tessitura del cervello dei Teleostei. Memorie della R. Accademia dei Lincei, Anno CCLXXVI (1878—1879). Roma.

34 Joseph Bellonci,

und festgestellt und gehe ich daher auf diesen Punkt nicht weiter ein. Rücksichtlich der angeblichen Opticuswurzel, welche aus der Pars peduncularis hervorkommt, giebt Stıepı ! keine genaue Auskunft; Fritsch? und Sınpers ? stimmen überein. Diese Wurzel soll nach diesen Forschern ihren Ursprung im Centrum der Lobi optici haben, und indem sie den inneren und unteren Rand des Tectum umschließt, nach dem vorderen Theile desselben herabgehen, um sich mit dem Tractus opticus zu vereinigen. Dieses Faserbündel (Taf. I, fc) existirt in der That und kann man dasselbe auch mit einer gewissen Leichtigkeit beobachten; es schließt sich an den Tractus opticus an, an dessen unterer Oberfläche und innerem und unterem Rande es seine Lage hat, aber anstatt sich wieder mit den Opticusfasern zu vereinigen, bildet es die Commissura transversa (G), welche unmittelbar hinter der Kreuzung der Optici (IT) liegt. Die Fasern des inneren unteren Randes des Tectum (Taf. I, f), welche zum Nervus opticus gehören, sind so innig mit diesem Bündel vereinigt, dass man sie leicht mit ihnen verwechseln kann, und auch die Beziehungen der Commissura transversa mit den Nervi optici sind so innig und verwickelt, dass man sehr leicht in den Irrthum verfallen kann, die Fasern des eben beschriebenen Bündels als zum Nervus opti- cus gehörig anzusehen. Bei der Anwendung der Überosmiumsäure zeigt sich das kommissurale Bündel weniger geschwärzt als der Tractus opti- cus und zwar aus dem Grunde, weil die Fasern des letztern mehr Mark in sich haben und enger unter sich vereinigt sind, als die Fasern von jenem. Die Tuberwurzel von Fritsch und die Opticuswurzel der Hypo- aria (Lobus inferior) von Sınpers sind nichts Anderes, als kleine Faser- bündel, welche zur Bildung der vorderen und hinteren Commissura transversa beitragen (Ce).

Einige optische Fäserchen lösen sich unmittelbar noch vor dem Tectum auf (tr o’); andere im äußeren Corpus geniculatum (fr 0”).

Zur deutlichen Veranschaulichung dieser zusammengesetzten Ver- hältnisse verweise ich statt weiterer ausführlicher Beschreibungen auf die in Taf. I dargestellten Figuren.

Um den feineren Bau des Tectum opticum der Knochenfische (Tinca v.) klar darzustellen, habe ich jene Art von morphologischer

1 L. STIEDA, Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Diese Zeitschr. Bd. XVIII. 1867.

2 G. Fritsch, Untersuchungen über den feineren Bau des Fischgehirns. Berlin 1878. |

3 SAnDERs, Contributions to the Anatomy of the central nervous System in verte- brate Animais. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, for the year MDCCCLXXVII. Vol. 469. P, II. London MDCCCLXXIX.

Über d. Urspr. des Nervus opticus u. d, feineren Bau des Tectum optie. d. Knochenfische, 25

Analyse angewendet, von welcher ich bereits in einem anderen Werke! gehandelt habe, und findet man auf Taf. Il sowohl die nervösen Elemente (Fig. 1) als die nicht nervösen (Fig. 2), und zwar jedes besonders vor Augen gelegt. Im ganzen Tectum opticum findet sich ein feines Nerven- netz, dessen Maschen von so feinen Fäden gebildet sind, dass man sie bloß nach einer Vergrößerung von etwa 1000 Diameter erkennen kann. Dieselben sind in einer dickeren Umhüllungsschicht eines zusammen- hängenden, schwammigen Gewebes enthalten, von welchem sie sich bloß nach einer langen praktischen Übung im Studium der nervösen Gewebe unterscheiden lassen. Die engen, aufsteigenden Fortsätze der kleinen Zellen der inneren Schicht, welche unter dem Tractus opticus vereinigt sind, werden ganz dünn, verzweigen sich dann, und von ihren zarten Ästen gehen anastomotische Seitenästchen aus, welche dazu die- nen, theils mit anderen Fortsätzen gleicher Natur, theils mit den ersten Enden der Verzweigungen der optischen Fäserchen sich zu vereinigen, auf welche Weise das erwähnte feine Netz gebildet wird, dessen Maschen in der That geschlossen sind. Ich muss hier bemerken, dass diese feinen Besonderheiten nicht immer wahrzunehmen sind und dass vorzügliche Präparate dazu gehören, um sich mit Bestimmtheit von denselben zu überzeugen.

In der inneren Schicht des Tectum opticum, welche durch die Zellen des Epitheliums und das mächtige Bindegewebe verwickelt wird, befinden sich die Nervenzellen, welche sich durch Überosmiumsäure nicht färben (Taf. II, Fig. ! c); sie haben einen breiten aufsteigenden Fortsatz und einige absteigende Fortsätze. Über der Schicht dieser Zellen befinden sich die Gruppen der kleinen spindelförmigen Zellen (e), welche für das Tectum opticum charakteristisch sind, und welche durch Über- osmiumsäure sich braun färben. Diese Zellen haben ihre größere senk- rechte Achse nach der Oberfläche des Tectum gerichtet und entsenden je einen aufsteigenden und einen absteigenden Fortsatz. Der erste, weicher, wie ich bemerkt habe, sich in ein Netz unter dem Tractus opti- . eus auflöst, ist breiter als der zweite, der wegen seiner Feinheit nicht weiter verfolgt werden kann; jener lässt sich als protoplasmatischer, dieser als »Cylinder-axis«-Fortsatz ansehen, möglicherweise ist jedoch das Deiters’sche Schema nicht streng anwendbar auf diese kleinen Ele- mente. Ich vermuthe, dass auch der absteigende Fortsatz sich verzweigt, und mit den Fasern der Stiele der Lobi optiei sich in Verbindung setzt, welche sich zum Theil in dieser Schicht verzweigen. Diese Zellen (e) haben oft auch ganz zarte Seitenverlängerungen. Außerdem bemerke

1 G. Berroncı, Ricerche comparative sui centri nervosi dei Vertebrati. Memorie della R. Accademia dei Lincei, anno CCLXXVII (4879, 4880). Roma.

36 Joseph Bellonci,

ich, dass unter den Gruppen der sich schwärzenden Zellen auch kleine runde Zellen vorkommen, welche ungefärbt bleiben.

Über den eben beschriebenen Nervenzellen befinden sich die mark- haltigen Fasern, die aus den Stielen des Tectum opticum hervorkommen. In der von diesen Fasern durchzogenen und vom Tractus opticus be- grenzten Schicht finden sich viele Nervenzellen: einige sind spindelförmig und in Osmium sich schwärzend (/), andere (sehr schmale) multipolar und ebenfalls sich schwärzend, noch andere sind blass und abgerundet ; von diesen sind einige von gewöhnlicher Größe, andere aber sehr klein. Die spindelförmigen Zellen dieser Schicht wurden von Stıepa! als Zellen der Grundsubstanz beschrieben ; es sind jedoch, wie auch SANDERS ? zu- giebt, wahre Nervenzellen, welche von denen der inneren Gruppe nur durch ihre Breite sich unterscheiden. Ihre Hauptachse steht perpendiku- lär auf der Oberfläche des Tectum und haben dieselben zwei Haupifort- sätze, einen aufsteigenden und einen absteigenden: jener (n) ist breiter, verzweigt sich und löst sich, nachdem er den Tractus opticus durch- kreuzt hat, in dem kleinen Netze der äußeren Schicht des Tectum auf, wobei er bisweilen lange Bogen in dieser Gegend beschreibt. Der ab- steigende Fortsatz (m) verzweigt sich nach einem kürzeren oder länge- ren Verlaufe ebenfalls, um sich in das feine Nervennetz aufzulösen; aber seine Verzweigungen sind weniger häufig und weniger deutlich als die des aufsteigenden Fortsatzes. Diesen letzteren kann man auch als proto- plasmatischen betrachten, und ist er dazu bestimmt, die Zellen mit den Fasern des Nervus opticus in Verbindung zu setzen; der absteigende Fortsatz dagegen dient dazu, um ebenfalls durch Vermittlung des feinen Netzes die Zellen mit den Fasern des Tectum opticum in Verbindung zu bringen und kann man denselben als Gylinder-axis-Fortsatz betrachten. Möglicherweise haben wir hier den ersten Anfang jenes Unterschiedes zwischen den Fortsätzen der Nervenzellen vor uns, welcher an den Zellen des Rückenmarks so bestimmt sich ausspricht und der ihre Aus- läufer genau von einander unterscheiden lässt.

Außer den genannten Zellen enthält die betreffende Lage zahlreiche feine Verzweigungen der optischen Fasern, der stielartigen Fasern und der Zellenfortsätze, die sich alle in das feine nervöse Netz auflösen.

Als eine interessante Besonderheit dieser Schicht habe ich eine Opticusfaser gezeichnet (0), welche sich vertikal absenkt und sich in der inneren Schicht verliert, und eine Faser der Stiele (h’), welche ver- tikal aufsteigt, sodann sich plötzlich herabwendet und, in entgegenge- setzter Richtung verlaufend, der ersten parallel sich verfeinert und im feinen Netze verzweigt.

12]..C.. p. 40. 21. Ic. p. 75A

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Über d. Urspr. des Nervus opticus u. d. feineren Bau des Tectum optic. d. Knochenfische. 27

In der zwischen der Pia mater und dem optischen Zuge liegenden Schicht lösen sich, wie ich bereits bemerkt habe, nach und nach die aufsteigenden Fortsätze der spindelförmigen Zellen der mittleren Schicht auf; in ihr findet sich das feine Nervennetz, und man bemerkt hier und da zerstreute kleine Nervenzellen, welche sich mittels der Überosmium- säure nicht bräunen. Von dieser Schicht gehen sehr feine blasse Faser- bündel aus, welche, nachdem sie parallel der Oberfläche des Tectum ver- laufen sind, dieselbe in schräger Richtung durchziehen, und sich theils in der darunter befindlichen Region nach dem Tectum zu, theils im Toruslongitudinalis allmählich auflösen, und zum Theil dazu bei- tragen, die obere Commissur des Tectum zu bilden.

Das Bindegewebe der inneren Schicht des Tectum bildet ein dickes mit den Epithelialzellen und den Deıters’schen Zellen vereinigtes Netz. In dem Reste des Tectum nimmt das Bindegewebe die feinschwammige Form an, welche man überall in der grauen Substanz der Gehirnrinde trifft; ein wenig gröber ist das Bindesubstanznetz in der Nähe der mark- haltigen Fasern, wo hier und da zerstreute freie Kerne (ö) vorkommen. In der äußeren Schicht des Tectum unter der Pia finden sich DEITERs- sche Zellen und außerdem sendet die Pia Fortsätze in diese Schicht (Stiftfasern).

Wesentlich in derselben Weise wie das Tectum opticum der Knochen- fische sind nach meinen Beobachtungen auch das Tectum opticum der Batrachier (Rana) und der Reptilien (Emys) so wie die Corpora bigemina der Vögel (Taube) gebaut.

Auf dieser Basis wird man daher auch, wie ich glaube, die großen Streitfragen über den Ursprung des Nervus opticus und über den Bau der Corpora quadrigemina der Säugethiere und des Menschen zu lösen haben.

Allgemein aufgefasst folgt der Nervus opticus der Fische, was seinen Ursprung anlangt, dem Verhalten der übrigen Sinnesnerven.

Bologna, Februar 1880.

38 Joseph Bellonci,

Erklärung der Abbildungen.

Tafel I.

Pr

Schnitte durch das Gehirn des Carassius auratus, welche den Ursprung des Nervus opticus darstellen. Neben jeder Figur ist auf einer Umriss-Zeichnung des Gehirns des Carassius die Schnittrichtung angegeben (x’).

II, Nervus opticus,

iro, Tractus opticus,

tr o', Faserbündel des Nervus opticus, welches sich im vorderen Theile des Tectum auflöst,

ir 0", Faserbündel des Nervus opticus, welches sich im äußeren Cor- pus geniculatum auflöst,

c9, Corpus geniculatum externum,

a, Faserbündel der Pars peduncularis, welche sich im Gorpus geniculatum lösen,

b, Faserbündel der Pars peduncularis, welche sich im vorderen Theile des Tectum auflösen, |

f’, Faserbündel des Tractus opticus, welches am inneren und unte- ren Rande des Tectum liegt,

fe, Faserbündel, welches die Commissura transversa anterior bildet,

fe‘, Faserbündel, welche die schräge Commissura transversa posterior bilden,

C, Commissura transversa anterior,

c, Commissura transversa posterior,

p, Stiele der Hemisphären,

E, Hemisphären,

li, Lobus inferior.

En

Tafel II.

Fig. A. Schnitt senkrecht auf die Oberfläche des Tectum und schräg in Bezug auf die sagittale Medianebene des Gehirns um die nervösen Elemente des Tectum opticum der Tinca vulgaris zu zeigen. Vergr. 500. Die feineren Besonderheiten wurden nach dem Immersionssystem J. von Zeıss, Oc. 3, 4 studirt.

a, markhaltige Fasern der Stiele des Tectum opticum,

b, ungefärbte Faserbündel, welche aus der oberflächlichen Schicht des Tectum hervorkommen,

c, ungefärbte Zellen der inneren Schicht des Tectum,

d, überaus kleine ungefärbte Zellen aus derselben Region,

e, Gruppen von kleinen Zellen, welche sich mit Überosmiumsäure braun färben,

f, Cylinder-axis-Fortsätze dieser Zellen,

9, protoplasmatische Fortsätze derselben Zellen,

h, markhaltige Fasern, welche aus den Stielen des Tectum opticum her- vorkommen,

Uber d. Urspr. des Nervus optieus u. d. feineren Bau des Tectum optic. d. Knochenfische, 29

h’, eine dieser Fasern, welche vertikal aufsteigt, sich dann umbiegt, in entgegengesetzter Richtung verlaufend sich verdünnt und im Nerven-

netz sich auflöst,

h”, Verästelungen eben derselben Fasern,

i, ungefärbte Zellen der mittleren Schicht des Tectum,

‘', sehr kleine ungefärbte Zellen von eben derselben Schicht,

k, durch Überosmiumsäure braun gefärbte multipolare Zelle derselben Schicht,

I, braune spindelförmige Zellen dieser Schicht,

m, Cylinder-axis-Fortsatz,

n, protoplasmatischer Fortsatz dieser Zellen,

_n’ letzte Verästelungen der protoplasmatischen Fortsätze dieser Zellen,

0, Opticusfasern,

0’, Verästelungen und feine Bündel dieser Fasern,

o”, optische Faser, welche sich verdünnend nach der inneren Schicht des Tectum herabsteigt,

o"’, optisches Fäserchen, welches sich in der äußeren Schicht des Tectum auflöst,

p, kleine ungefärbte Zellen der äußeren Schicht des Tectum.

Fig. 2. Nicht nervöse Elemente des Tectum opticum, wie sie sich an einem Schnitte zeigen, welcher auf gleiche Weise wie die vorhergehenden gemacht wurde. Vergr. 500.

ce, Epithelialzellen,

8, Querschnitt eines Blutgefäßes,

y, DeEiters’sche Zellen der inneren Schicht des Tectum, ß’, Blutcapillaren,

d, freie Kerne in der Grundsubstanz,

y', Deıters’sche Zellen der äußeren Schicht des Tectum, 9, Stiftfasern.

Das Riechorgan der Landpulmonaten. Von

Dr. phil. D. Sochacezewer in Berlin.

Mit Tafel II.

Die Landpulmonaten sind sowohl in anatomischer wie physiologi- scher Hinsicht vielfach auf ihr Riechvermögen untersucht worden. Es waren hier Objekte gegeben, an denen es nicht so schwierig war, Ver- suche zu machen, welche das Vorhandensein des Geruchsinnes fest- stellen, und außerdem war es möglich, wenn ein von zahlreichen Nerven versorgtes Organ die Aufmerksamkeit auf sich zog, die Empfindlichkeit desselben auf Riechstoffe zu prüfen. Doch trat hier der Mangel an morphologischen Vergleichungspunkten und die Schwäche der Beweis- kraft der einzelnen Versuche, der Erkenntnis so hinderlich entgegen, dass meist nur Vermuthungen, über den Sitz der Riechempfindung ge- macht werden konnten. Abgesehen von der vereinzelten Ansicht Cuvier’s, nach welcher die ganze Hautoberfläche des Thieres gegen Riechstoffe empfindlich sein sollte, neigt sich das Schwergewicht der Vermuthungen den Fühlerpaaren der Pulmonaten zu, von denen Prucaz (Schauplatz

der Natur I. p. 275), VALMONT DE BOMARE, BLAINVILLE und Spix die vor-

deren Tentakel, Asst, Duruy, Moguin Tanpon und Lespis die großen augentragenden Fühler und endlich VeLten und ihm sich anschließend Fremning beide Tentakelpaare zugleich als Riechorgane hinstellten. Gegen- über dieser Mehrheit glaubte Carus, das Riechorgan in den Eingang der

Athemhöhle, Semrer in das neben und unter dem Mundrand gelegene

lappige Organ von Limax, Leipy und Desnayzs in die Fußdrüse zu ver- legen.

Von allen diesen Ansichten dürften diejenigen von Guvier und Carus am allerwenigsten wahrscheinlich sein. Die erstere, welche die Haut der Pulmonaten als Träger des Tast- und Riechsinnes hinstellt, lässt außer Acht, dass, wenn die Riechstoffe von allen Stellen der Haut

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2 Ne

Das Riechorgan der Landpulmonaten. 31

pereipirt werden, eine Orientirung durch den Sinn, wie sie Mogum Tanpon unzweifelhaft nachgewiesen hat, gar nicht möglich ist. Carus hingegen von der irrigen Ansicht ausgehend, dass analoge Organe in allen ihren Theilen analoge Funktionen ausüben müssten, hat den Be- weis nicht geliefert, dass am Eingang der Athemhöhle bestimmte Sinnes- zellen lagern, die den Sinneseindruck vermitteln.

Einer genaueren Prüfung scheinen daher nur die drei Ansichten zu bedürfen, wonach die Tentakel, das Semper’sche Organ oder die Fußdrüse der Pulmonaten Riechorgane sein sollen.

Die Fühler.

Die Fühler der Landpulmonaten sind sehr genau von KEFERSTEIN!, Leypie 2, Hensen®, Hucuenın * und Freunmne> untersucht worden, und zwar-von den ersten vier Autoren in anatomischer, von Fremming auch in histologischer Hinsicht. Nach diesen Untersuchungen ist von Bedeutung, dass von dem großen Ganglion, welches die Fühlerhülle birgt, feine Fasern in das Hautepithel des Fühlers ausstrahlen und in demselben zu zarten, vasenförmigen Endkölbchen anschwellen, welche, wie allge- mein angenommen wird, der Vermittlung von Sinneswahrnehmungen dienen sollen. Die Epithelzellen der Haut oberhalb des Ganglion, zwi- schen denen jene Nervenzellen sitzen, enthalten sehr wenige Becher- zellen, weiche auch an Größe den Schleim- und Farbbechern der übrigen Haut nachstehen, so dass der Fühlerknopf die trockenste Hautstelle der Schnecke besitzt.

In Betreff der Funktion der Fühler sind die Meinungen getheilt. Während die Einen mit Lınn# den Fühlern nur Tastempfindungen zu- schreiben, glauben Andere in ihnen Riechorgane vor sich zu haben. Unter den Letzteren ist besonders Mogoum Tanpon® und nach ihm

1 KEFERSTEIN, Göttinger Nachrichten 4864. Juli. Nr. 14 und Klassen und Ord- nungen des Thierreichs. III.

2 LeyDıG, Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. I und Histologie 1864. p. 257.

3 HEnsen, Diese Zeitschr. 1865. Bd. XV. p. 97.

* HucvEnin, Diese Zeitschr. 4872. Bd. XXI. p. 126. Hucuknın macht in dieser Arbeit unter dem Titel »Neurologisches« seine durchweg falsche Ansicht über die Fühleranatomie bekannt. Das Ganglion hält er für die Retina und das Auge für eine zurückziehbare Linse, welche bei der Ausstülpung wie ein Brennglas über der Re- tina, bezw. Ganglion, schwebt. Fremming hat in demselben Heft der Zeitschrift p- 365 die Auffassung Hucuznin’s eingehend widerlegt.

5 FLEMNInG, Archiv für mikrosk. Anat. 4870. p. 440 und diese Zeitschr. 4872. Bd. XXI. p. 365.

6 Moguın Tanpon, Memoire sur l’organe de l’odorat chez les Gasteropodes ter- restres et fluviatiles. Annales des sciences naturelles. Zoologie. T. 45. 4854,

32 D, Sochaczewer,

VELTEN! hervorzuheben, die zuerst durch Experimente den Beweis, dass die Fühler der Gastropoden der Geruchempfindung dienen, geliefert zu haben glaubten. -

Moguın Tanpon 2, welcher nach J. MüLzr fand, dass die Anschwel- lung des Fühlernerven nicht als Ganglion opticum zu betrachten, und dass der N. opticus nur ein Zweig des Tentakelnerven war, erzählt, dass er zwei Ariones empiricorum der oberen Tentakel beraubt habe, und dass sie nach Verlauf von zwei Monaten nicht die geringste Geruch- empfindung gezeigt hätten. VELTEn modificirt diese Angabe dahin, dass so verstümmelte Thiere noch Spuren eines Geruchsinnes zeigen, dass sie z. B. bei Annäherung eines Tropfens Petroleums, Terpentinöls oder Spiritus zurückwichen. Dagegen soll bei Exstirpation ihrer beiden Fühlerpaare nicht die geringste Bewegung kund thun, dass sie eine riechende Substanz wahrnehmen.

Dieser Meinung, die auf so sichern Experimenten zu beruhen scheint, stehen indess zwei Erscheinungen entgegen. Zunächst fällt auf, dass gerade die am wenigsten mit Schleimdrüsen versehene Stelle, eine vollkommen trockene Sinneszellenschicht, dazu erkoren sein sol! den Ge- ruchswahrnehmungen zu dienen. Überall bei den anderen Thiertypen, die ein Geruchsorgan besitzen, bei den Wirbelthieren und Gliederfüß- lern, ist das Riechepithel stets von einem Sekret benetzt, welches be- sonderen Drüsen entquillt. Diese Thatsache weist darauf hin, dass jenes Drüsensekret in Zusammenhang zu bringen ist mit der chemischen Empfindlichkeit des Geruchsinnes, und dass es aus diesem Grunde zur sinnlichen Wahrnehmung wohl unentbehrlich ist.

Auch die Funktionen der Fühler rechtfertigen nicht die Annahme, sie als Geruchsorgane zu betrachten. Höchst seltsam wäre es, wenn die Thiere mit jener zarten Riechschleimhaut Gegenstände betasteten, wie

i VELTEN, Dissertatio de sensu olfactus Gasteropodum. Bonn 4865.

2 Moouin TAnpon, Memoire (l. c.) $ IV. L’annee derniere, vers la fin de l’ete, je coupais par le milieu des grands tentacules de deux Arions de maniere a enlever la papille olfactive et le globe oculaire. Je placai les Mollusques dans un endroit hu- mide, sous un pot de terre. Au bout de deux mois, je visitai les pauvres betes et les trouvais parfaitement gueries: les deux troncons de tentacule &taient normale- ment cicatrices. Je presentai aux Arions diverses matieres nutritives odorantes, des morceaux de pomme, de carotte, de fromage, que je placai a un faible distance de leur tete. Les Mollusques ne firent aucun mouvement pour se porter vers les sub- stances. Japprochai alors une fraise de la bouche de !’un d’eux; il la toucha, la mordit et la mangea avec beaucoup de !’avidite.

Il est done permis a conclure que l’odorat des Gasteropodes a tentacules ocul&s a son siege dans le bouton terminal de ces m&mes tentacules, que le renflement nerveux de ce bouton est une papille olfactive, et que le nerf tentaculaire est le nerf de l’olfaction.

| |

Das Riechorgan der Landpulmonaten. 33

es in der That geschieht. Während eine Schnecke mit ausgestülpten Fühlern einherkriecht, sind die Fühler stets nach vorn geneigt und be- rühren jeden Gegenstand, der auf ihrem Wege liegt. Der Umstand je- doch, dass die Tentakel sich nach jeder Berührung ganz oder zur Hälfte einstülpen, findet desshalb statt, um die am meisten exponirte Stelle des Körpers, welche noch dazu so edle Organe wie das Ganglion und Auge trägt, so schnell als möglich in Sicherheit zu bringen. Auch das Zurück- ziehen der Fühler bei bestimmten Affekten des Thieres, z. B. bei unan- genehmen ätzenden Gerüchen ist nur eine Gebärde, die auf den eben angeführten Grund zurückzuführen ist.

Hierzu kommt endlich, dass die von Mogum Tanpon und VELTEN angestellten Untersuchungen einer richtigen Kritik der Fehlerquellen entbehren. Ein Arion oder eine Helix pomatia, denen durch Beseitigung

_ der Fühler ihr vorzüglichster Orientirungsapparat geraubt ist, werden

stets unbeholfen und träge in ihrer Bewegung und unsicher über die sie veranlassenden Impulse sein. Selbst bei deutlichen Geruchsempfindungen werden sie in der Ausführung ihrer Absicht sich einem Gegenstand zu nähern oder. sich von demselben zu entfernen durch das Fehlen ihrer Tastwerkzeuge gestört. Das Thier ist durch den Verlust der Fühler zu einem geistig niederen Wesen herabgesunken; in seinem Zustande gleicht es natürlich cum grano salis einer enthirnten Taube, bei welcher die Reflexbewegungen, die Elemente der Seelenthätigkeit allein vor- herrschen. Wenn daher Moouın Tanvdon die Aufmerksamkeit des Thieres erst durch Annäherung der Speisen erregen konnte, so bleibt noch immer unbewiesen, ob das Thier nicht in der That die Speise vorher gerochen hatte, und nur durch das mangelnde Vermögen, sich bei seiner Bewegung sicher zu orientiren, daran gehindert wurde, der Nahrung entgegen zu gehen. Hierbei wäre es auch unerlässlich geblieben, für das Thier eine Auswahl der Speisen festzustellen, weil erst dann aus der unterlassenen Bethätigung dieses Vermögens auf eine Störung, bezw.

_ auf den Verlust des Geruchsinnes geschlossen werden konnte.

Einige Experimente an dem lebenden Thier, welche VELTEN gemacht

hat, ergeben, dass die Reizung des Geruchsinnes durch einen mit rie-

chender Flüssigkeit benetzten Stab, welcher der rechten oder linken Seite genähert wurde, jedes Mal die Einstülpung des Fühlerpaares auf der betreffenden Seite zur Folge hatte. Ausgeschlossen hätten hierbei allerdings die Flüssigkeiten bleiben müssen, welche wie Weingeist und Ammoniak durch ihre Dämpfe die sehr empfindliche Schleimhaut der Schnecke affıciren, und Stoffe wie Petroleum und Terpentinöl allein in Anwendung gebracht werden sollen. Was aber die einseitige Reaklion der Fühler bei entsprechender Reizung betrifft, so kann dieselbe auch Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 3

234 D. Sochaczewer,

der Ausdruck einer Gebärde sein, welche einem unangenehmen Reiz widerstrebt. Jeder einseitige mechanische Reiz hat denselben Erfolg, und bei einiger Übung kann sogar die Einstülpung der Fühler in belie- biger Folge bewirkt werden. Dieser Umstand aber beruht auf der Fein- heit des Ortsinnes, welcher an dieser Stelle besonders entwickelt und auch mit dem Geruchsinn verbunden ist. Hat die Schnecke daher den ihr unangenehmen Geruch empfunden und bemerkt, dass derselbe nur von einer Seite herströmt, so wird sie, eben so wie wir von einem Orte, welcher widerliche Gerüche erzeugt, den Kopf abwenden, je nach der größeren oder kleineren Entfernung und der Stärke des Geruches mehr oder weniger heftige Bewegungen machen, der übelriechenden Stelle auszuweichen. Im einfachsten Falle wird sie die Fühler auf der dem Geruche nächsten Seite einstülpen, und zwar aus demselben Bestreben, welches sie bei dem einfachen, mechanischen Reiz empfindet, ihre edel- sten Organe zu schützen.

VELTEn will nach der Exstirpation beider Fühlerpaare keinerlei Geruchsempfindung bei der Schnecke bemerkt haben. Dieser Beob- achtung steht folgender Versuch entgegen. Eine ihrer Tentakeln be- raubte Helix pomatia setzte ich 1, nachdem die Wunden geschlossen und vernarbt waren, in die Mitte eines flachen Tellers, dessen Rand mit Terpentinöl bestrichen war, die Schnecke wurde veranlasst, aus der Schale herauszukriechen und sich in Bewegung zu setzen. Die Bewe- gung war ungemein langsam und unsicher. Das Thier legte ungefähr die Hälfte der Entfernung zurück, welche eine intakte Helix in derselben Zeit durchmessen hätte. Als sie sich dem Tellerrande näherte, hob sie sich steil in die Höhe und wandte sich sofort genau in der gleichen Weise ab, als es eine mit Fühlern versehene Schnecke that, mit der ich das Experiment wiederholte. Eben so geschah dies an allen Stellen des Tellerrandes, so dass die Schnecke zuletzt nach der Mitte des Tellers kroch und sich in die Schale zurückzog. Ein Kontrollversuch, den ich mit derselben Schnecke auf einem reinen, unbenetzten Tellerrand an- stellte, zeigte, dass sie sich durchaus nicht stören ließ, den schmalen Tellerrand zu überschreiten und auf dem Tische weiter zu kriechen.

! In dem »Versuch einer systematischen Abhandlung über die Erdkonchylien, sonderlich derer, welche um Thangelstedt werden«, 4774, hat J. S. SCHRÖTER einen ähnlichen Versuch angestellt. Pag. 64 in der Anmerkung heißt es (l. c.): »Ich hatte ein Kästchen, darinnen eine gute Anzahl Kahnschnecken lagen, die ich nicht gleich zu meinem Gebrauch beobachten konnte, am Rande mit Terpentinöl bestrichen, und sah dann, dass sich keines dieser Thierchen dem Rande nähern wollte. Sie legten sich vielmehr, wider ihre Gewohnheit, auf einen Klumpen zusammen, ohne Zweifel, weil ihnen der Geruch des Öls so sehr zuwider war. Folglich musste dieses Öl, vermittelst des Geruchs, auf sie wirken.

Das Riechorgan der Landpulmonaten. 39

Diese Erscheinungen veranlassten mich zu einer Wiederholung der Verren’'schen Versuche. Hierbei ergab sich, dass das Thier allerdings nicht reagirte, sobald der mit Terpentinöl benetzte Stab oberhalb der Stelle, wo früher die Fühler gewesen, gehalten wurde‘, dass sie sich aber mit dem deutlichen Ausdruck des Abscheus sofort zurückzog, wenn der Stab in die Nähe des Mundes gebracht wurde. An einer intakten Schnecke war ungefähr dasselbe zu beobachten. Ein genau in der Mittellinie des Thieres gehaltener Stab wurde von hinten her den Fühlern genähert und allmählich bis zum Munde geführt. Anfangs erfolgte keine Art von Störung in der Bewegung des Thieres; so lange der Stab zwi- schen den großen Fühlern blieb, setzte es ruhig seinen Weg fort und stülpte die Fühler bei vorsichtigem Halten des Stabes gar nicht ein. Einmal geschah es sogar, als ich vorsichtig den Stab dem Fühlerknopfe von außen her näherte, dass derselbe den Stab berührte, sich mit Ter- pentinöl ein wenig benetzte, und erst nach dieser Berührung sich einzog.

Aus diesen Versuchen geht mit großer Wahrscheinlichkeit hervor, dass die Fühler nicht der Riechfunktion dienen, sondern ein anderes in der Nähe des Mundes liegendes Organ wohl zu diesem Zwecke auser- sehen ist.

Das Semper’sche Organ.

In seinen »Beiträgen zur Anatomie und Physiologie der Pulmonaten« (Inaug.-Dissertat. 1856) macht Semrer p. 29 zuerst auf ein Organ auf- merksam, welches bei Limax besonders stark entwickelt ist und bei den anderen Pulmonaten (Helix, Arion und Limnaeus) so klein ist, dass es ihm erst nach vielen Versuchen gelang dasselbe nachzuweisen. Ich habe es bei Limax allein gesehen und zwar in Gestalt von vier bis fünf drüsi- gen Lappen, welche sich um den Mundrand ziehen. Die Zahl der Lappen ist eine sehr schwankende, eben so die Größe eines jeden. Gewöhnlich ' liegen zwei Läppchen auf der vorderen und oberen Seite des Schlund- | kopfes, zwei größere seitlich und unterhalb desselben, alle sind durch Zwischenräume von einander getrennt. Jeder Lappen ist am Rande ein- gekerbt, und von dieser Einkerbung zieht sich zuweilen eine seichte | Furche über den ganzen Lappen. In mehreren meiner Präparate sind statt der Furchen deutliche Einschnitte zu sehen. Der Lappen ist an der angehefteten Seite von durchgehenden nach der freien Seite sich verengernden Schlitzen getrennt, die aber am Rande des Lappens auf-

hören, so dass der Lappen ungefähr das Bild eines drei- oder vierzackigen Kammes gab, wo die Kante durch den freien Rand, die Zacken durch die ‚nach vorn spitzen Läppchen dargestellt werden. Als Maximum sah ich vier solcher Einschnitte in jedem Lappen, zwischen diesen Einschnitten

3*

86 D, Sochaczewer,

spannt sich eine zarte Membran aus, welche vollständig aus denselben Elementen aufgebaut ist, wie die, die einzelnen Drüsenkörbchen um- gebende Membran, von welcher später die Rede sein wird.

Nach Senper soll dieses Organ sehr reich an Nerven sein und dess- halb die Deutung eines Sinnesorgans zulassen. Ich suchte jedoch ver- geblich nach den drei bis vier Nervenstämmen, welche für sich allein das Organ innerviren sollen. Man sieht, wenn das Semper’sche Organ eines Limax cinereoniger oder L. variegatus von oben bloßgelegt ist, vier feine Fasern scheinbar nach ihm hinaufziehen. Von diesen sind die zwei nach der Mitte gelegenen Stämme Muskelfasern, die von dem hin- teren Viertel des Schlundkopfes nach den Lippenwarzen hinauf ziehen, während die seitlichen Nervenstämme als eigentliche Nervi labiales be- trachtet werden müssen, von denen zu beiden Seiten nur ein feines Nervenfädchen in die Semper’schen Drüsenmassen abgeht. Einen beson- deren Zweig, welcher nach der Gegend der kleinen Tentakel hinziehen soll, habe ich nicht bemerkt. Da die verschiedenen Nerven, welche von den supraösophagealen Ganglien ausgehen, in ihren centralen, dem Ganglion anhaftenden Partien sehr dicht neben einander liegen und in ihrem Verlauf ein unklares Gewirr von gekreuzten und über einander liegenden Nerven darstellen, so ist ein Irrthum leicht möglich. Ich habe jedoch den Lippennerven bis zum Ganglion gerade verlaufen sehen, ohne dass eine Abzweigung nach den kleinen Tentakeln zu erkennen war (Fig. 1). Die Hülle dieser Tentakel ist außerdem durch muskulöses Bindegewebe mit dem unteren Rande der seitlichen Lappen verbunden.

Was nun die Zellen dieses einzelnen Lappens betrifft, so erinnern dieselben, wie Srmper ! selbst ausführt, an die Speicheldrüsenzellen und noch mehr an die secernirenden Zellen der Fußdrüse. Die einzelne Zelle hat entweder eine rundliche oder länglich ovale Gestalt, ihr Inhalt be- steht aus einer feinkörnigen Substanz, in der ein großer Kern lagert. Die Größe der Zelle und des Kerns ist wechselnd. Der Kern enthält größere Körner und zuweilen ein stark lichtbrechendes Kernkörperchen. Die von ihren Meınbranen allseitig umschlossenen Zellen ruhen in einem Bindegewebsfasernetze, welches aus blassen Fasern mit eingestreuten rundlichen Kernen zusammengesetzt ist. Ein solches Drüsenzellenkörb- chen, welches eine geschlossene Masse bildet, wird dann noch von einer aus eng an einander liegenden Fasern bestehenden Membran umhüillt. Die von einer solchen Membran umschlossenen Drüsenmassen haben

1 ].c. p. 30. »Was nun die histologische Struktur dieses Organes betrifft, so habe ich bis jetzt nur so viel ermittelt, dass es zum größten Theile aus Zellen be- steht, welche in ihrem Aussehen einigermaßen an die der Speicheldrüsen er- ‚innern.«

Das Riechorgan der Landpulmonaten. 37

eine ovale Gestalt, welche sich nach den Lippenwarzen zu verjüngt. Die einzelnen Follikel liegen dicht neben einander; eine Verbindung derseiben, welche auf eine acinöse Drüsenform schließen ließe, habe ich nicht erkannt. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass die Membran, welche die Drüsenzellen sackförmig umschließt, sich in ihrem vorderen, dem Mundrand zugewandten Theile, zu einem Ausführungsgange um- gestaltet, dessen Mündung allerdings sehr eng sein muss, da ich niemals größere Öffnungen auf den Lippenwarzen wahrgenommen habe.

Diese histologische Struktur gestattet wohl nicht, das Organ als ein Sinnesorgan zu betrachten. Nach Semrer’s und nach den eben beschrie- benen Untersuchungen sind die einzelnen Lappen drüsiger Natur; Sinneszellen bei den Mollusken sind dagegen nach den Fremning’schen Arbeiten über diesen Gegenstand zarte, haarförmige Gebilde, die an "ihrem Grunde einer runden mit großen Kernen versehenen Zelle ent- sprossen, und nach der Peripherie zu einem kleinen zuweilen mit feinen Härchen besetzten Kölbchen anschwellen. Da sich nun in der Haut über diesem Organ, in der Lippengegend eine große Menge derartiger Sinnes- zellen finden, könnte der Gedanke nahe liegen, dass das Semper’sche Organ eine Riechschleimdrüse sei und das Lippenepithel die Riech- zellenschicht darstelle. Gegen diese Annahme spricht indess zunächst der Kontakt der Lippen mit der Nahrung, ferner die Existenz selbstän- diger Lippendrüsen und endlich die Rudimente oder sogar der Mangel des betreffenden Organes bei den anderen Heliciden. Da außerdem der Nervenreichthum des Organes nicht sehr groß ist, dürfen wir wohl die Vermuthung, dass dieses Organ der Sitz der Geruchsempfindung sei, als nicht hinreichend begründet betrachten.

Die Fußdrüse.

Die Fußdrüse, welche sich tief in die Mitte des Fußes hineinzieht, ist in anatomischer Hinsicht von DeLLEe OnrasE!, Kıeepere?, Leipy, Semrer und SıesoLn 5 genauer beschrieben worden. Leıpy und Desnavss ‚bielten dieselbe für das Geruchsorgan der Pulmonaten, SEMPER und SırsoLn sahen dagegen in der Fußdrüse nur einen schleimabsondernden Apparat. Da aber Letztere Zweck oder Bestimmung dieses Apparates

! PaAscH, in WIEGMANN’S Archiv 4843, p. 574. DELLE CHIAJE, Descrizione e no- tomia degli animali invertebrati. Napoli 4844. Il. p. 40.

2 KLEEBERG, in Isis 1830.

3 Leipy, Proceedings of the academy of Philadelphia. 1846. III und in Edinb. Journal of natural and geographical science.

4 SEMPER, Zur Anatomie und Physiologie der Landpulmonaten. Diese Zeitschr. 4856. p. 14. 5 SıEBOLD, Lehrbuch der vergl. Anatomie. 1848. p. 343.

33 D. Sochaezewer,

nicht feststellten, so genügt es hier, allein auf die Ansicht der beiden erstgenannten Forscher einzugehen.

Leipy beschreibt (l. c.) das Organ sehr kurz mit folgenden Worten: it is composed of two laminae : a delicate lining mucous membrane and an external layer, having a whitish and reddish glandular appearence. A large nerve, on each side, from the suboesophageal ganglion, is distri- buted to its commencement, besides which it receives numerous smaller branches along its course from the same ganglia. Its arterial supply is derived from the cephalic branch of the aorta. Da der Reichthum der Nerven sehr groß ist und die Größe des Organes dem scharfen Ge- ruchsvermögen der Landpulmonaten entspricht, kam er auf die Ver- muthung, ein Geruchsorgan vor sich zu haben.

Die Fußdrüse liegt in der oberen ausgebuchteten Fläche des Fußes, und zwar in ihrem vorderen Theile befindet sich dieselbe unmittelbar unter dem Schlundkopfe und Ösophagus, im hinteren Theile ist sie von der Haut des Fußes bedeckt. Sie zieht sich von ihrer Mündung an, welche unter der Mundöffnung liegend, von zwei seitlichen Papillen ge- schützt wird, bei Limax variegatus ungefähr zwei Drittel, bei Arion empiricorum und Helix pomatia vier Fünftel der Sohlenlänge in den Fuß hinein. Die Drüse selbst besteht aus ovalen Zellen, die in den Maschen zweier sich kreuzenden Muskellagen! ruhen, welche an den

1 Die Fußmuskulatur trägt vollkommen den Charakter eines Schwellgewebes. Sie ist in zwei größeren Arbeiten von Sımrora (über die willkürliche Muskulatur der Pulmonaten. Diese Zeitschr. 4878 und die Lokomotion der Landschnecken haupt- sächlich erläutert an der Sohle von L. cinereoniger. Diese Zeitschr. 1879) be- schrieben und ihre physiologische Bedeutung näher untersucht worden. Hiernach dienen die schrägen Muskelzüge, welche von den beiden Ecken des oberen Fuß- randes fächerartig durch den ganzen Fuß ausstrahlen, zur Verkürzung der Sohle und des Fußes; in gleicher Weise sollen die größeren Längsfaserbündel funktioni- ren, welche nicht direkt über dem mittleren Sohlendrittel, der eigentlichen loko- motorischen Fläche liegen. Dagegen soll die Lokomotion allein durch besondere extensile Längsfasern bewirkt werden, die in großen Bögen, welche von vorn nach hinten längs der lokomotorischen Sohlen ziehen und zwischen den Epithelzellen endigen, dicht über dem Sohlenepithel lagern. In diesen Fasern soll die Expansion durch Gerinnung des Myosins entstehen, welche allmählich durch die von vorn nach hinten sich auslösende Nervenreize nach vorn strebende Scheiben aus ge- ronnenem Myosin erzeugt. Wenn nämlich in Folge eines Impulses an einer Stelle der extensilen Faser eine Gerinnung des Myosins eintritt, so sucht es sich nach vorn und hinten auszudehnen; doch kann die Expansion nur nach vorn geschehen, weil am hinteren Rande der geronnenen Myosinscheibe fortdauernd eine Lösung entweder durch den noch unveränderten Muskelinhalt oder durch die Gewalt der von der folgenden Welle nach vorn getriebenen Serumflüssigkeit stattfindet und nur am vorderen Rande neue Massen von Myosin in die Koagulation hineingezogen werden. Der mittlere Theil der Myosinscheibe bleibt für eine kurze Zeitdauer un- verändert und unbeweglich, so dass er momentan eine feste Scheidewand darstellt,

Das Riechorgan der Landpulmonaten. 39

Ecken der Sohle schwach konkavy gebogen nach aufwärts steigen. Die Kreuzungsstelle dieser schrägen Muskellagen befindet sich genau in der Ebene, welche senkrecht zur Sohlenfläche durch die Mittellinie des Fußes gelegt wird, und welche desshalb auch die Richtung der mechanischen Wirkung der schrägen Muskelzüge darstellt.

Gefäße umgeben rings die Drüse, und zwar sind bei den Limax- arten drei vorhanden, von denen zwei seitlich sich befinden, das dritte unter der Fußdrüse parallel der Soblenfläche liegt. Bei Arion und den Helixarten sind nur die beiden seitlichen Gefäßstämme zu erkennen, während der blutführende Spalt unterhalb der Drüse fehlt.

Die Drüsenzellen, welche, zu größeren Gruppen vereinigt, zwischen den Muskelzügen liegen, sind in ein Netz oder Körbchen von Bindege- websfasern eingelagert (s. Fig. k A) und nicht, wie SEmPrEr (l. c.) an- nimmt, »je eine Zelle von einer bindegewebigen Membran umschlossen, welche am Ende der Zelle zu einer verhältnismäßig sehr schmalen Röhre wird, die den Ausführungsgang dieser einzelnen Sekretionszelle dar- stellt. Ein solches Bindegewebsnetz ist sehr schön an solchen Schnitten zu erkennen, wo die einzelnen Zellen zerstört und herausgefallen sind. Es besteht aus blassen Fasern, welche oft einen Kern von rundlicher Gestalt erkennen lassen, der 0,006 mm lang und 0,004 mm breit er- scheint. Bei unmittelbar in Alkohol gehärteten Präparaten sieht man die zusammengeschrumpften Zellen allseitig von einem solchen Bindege- websring umgeben, der mit den anderen verbunden ist. Dagegen zeigte

von welcher hinten die gleiche Menge durch Lösung hinweggespült wird, als vorn durch neue Koagulation gewonnen wird. Diese Scheidewände nun werden hier- durch langsam nach vorn getrieben und veranlassen durch die Summirung der Expansionen, welche vermittelst der am vorderen Rande der Scheibe statthabenden Koagulation entstehen, eine Ausdehnung der Faser nach vorn und, da alle Fasern gleichzeitig von dem Impulse getroffen werden, eine Ausdebnung der lokomotori- schen Sohle. Gegen diese Anschauung lässt sich aber wohl einwenden, dass nicht abzusehen ist, wesshalb die Expansion des am vorderen Rande gerinnenden Myo- sins nicht eben sowohl auf die seitlichen Wände der Faser als nach vorn wirken _ soll, so dass der Zwischenraum zweier auf diese Weise nach vorn bewegten Scheiben hierdurch eine mehr kugelige Gestalt annimmt, d. h. sich kontrahirt. Es ist mir desshalb nicht klar, wie auf diese Weise eine Dehnung der Fasern stattfinden kann, da die Auftreibung der seitlichen Faserwände ja den Druck nach vorn sehr stark abschwächt und vermindert. Im Gegensatz zu Sımrorn möchte ich annehmen, dass das durchweg kavernöse Gewebe des Fußes nicht bloß zur Unterstützung der soge- nannten extensilen Fasern dient, sondern dass es hauptsächlich die Lokomotion be- wirkt. Die Fasern selbst werden durch die einströmende Flüssigkeit gedehnt und wirken erst nach reflektorischem Anreiz treibend auf die die Maschen anschwellende Blutmenge. Die Wellen, welche über die Sohlenfläche gleiten, können dann wohl der Ausdruck der durch periodisch ausgelöste Muskelthätigkeit erzeugten Strömung sein. Näher hierauf einzugehen würde jedoch zu weit führen.

40 ID, Sochaczewer,

sich nie ein Ausführungsgang, der von solchen Fasern gebildet war. Eben so wenig waren Lumina, die an jene größeren, mit Flimmerepi- thel besetzten Ausführungsgänge, welche Srmper erwähnt, erinnern könnten, in meinen Querschnitten zu finden. Die Form einer Zelle ist sehr wechselnd, sie schwankt zwischen einer kugelrunden und ovalen Gestalt, sie ist circa 0,07 mm lang und 0,017 mm breit von einer zarten Membran umgeben und trägt entweder in der Mitte oder excentrisch einen 0,008 mm langen und runden Kern der etwas breiter als hoch ist. Der Inhalt der Zelle ist körnig, der Kern zeigt ein deutliches Gerüst, zu- weilen auch ein excentrisch liegendes Kernkörperchen von 0,0043 mm Durchmesser. Bezüglich der Absonderung des Sekrets in den großen Aus- führungsgang liegt die Vermuthung sehr nahe, dass das aus den Zellen diffundirende Sekret in die Maschenräume der Muskulatur hineinquillt und von dem Druck der Muskeln gezwungen nach dem großen Drüsen- gange durchsickert. Wenn nun auch der gemeinsame Ausführungsgang von den gleich zu beschreibenden Epithelzellen an vielen Stellen so dicht ausgekleidet ist, dass nur an unbekleideten oder von einem leicht zurück- weichenden Epithel begrenzten Stellen das Sekret hindurchdringen kann, so sind doch in meinen Präparaten auch solche Stellen vorhanden.

Der Ausführungsgang (s. Fig. 3) hat in den Querschnitten eine sehr wechselnde Form, die aber nach einem Grundtypus gebaut zu sein scheint. Nach oben ist er bei Limax durch eine dünne Quermuskel- schicht von der Leibeshöhle abgeschlossen, die sich bogenförmig über einen an den Seiten horizontalen, in der Mitte sich senkrecht in die Drüse hinein- ziehenden Raum spannt. Der Spalt, dessen Achse die senkrechte Medial- achse des Thieres ist, flacht sich nun nach einigen meiner Schnitte mehr und mehr ab, ja verschwindet ganz in einigen meiner Präparate, welche Querschnitte durch den Fuß und die Drüse von Helix betreffen leider ist in diesen Präparaten das Epithel ganz unkenntlich —, so dass nur der horizontale Spalt übrig bleibt. Dieser Umstand lässt darauf schließen, dass der Boden des Drüsenganges eine wellenförmig unregelmäßige Ge- stalt hat, die Seiten dagegen horizontal spaltförmig sind.

Das Epithel (s. Fig. 5), welches die Wände des Zwischenganges auskleidet, besteht aus zweierlei Zellenformen, von denen die in den senkrechten Spalten befindiichen durchweg von den übrigen Zellen verschieden sind. Die Gestalt der gewöhnlichen Zellen ist eine platt cylindrische, welche in der Nähe des Spaltes Flimmern trägt. Die Mög- lichkeit, dass die im Präparat flimmerlosen Cylinderzellen die Flimmern durch die Präparationsmethode ! verloren hatten, ist nicht durchweg

! Ich härtete Stücke des Fußes, welche die Fußdrüse enthielten, in 1/0/, Über- osmiumsäure, legte sie dann, nachdem ich die Säure abgespült hatte in 40%/, Chrom-

Das Riechorgan der Landpulmonaten. 41

ausgeschlossen, indess ist dies nicht wahrscheinlich, da an den anderen flimmertragenden Orten die Härchen sehr wohl erhalten waren. Wenn auch die am Rande der Vertiefung des Ausführungsganges gelegenen Zellen beinahe dieselbe Form wie die flimmerlosen Cylinderzellen haben, so liegt doch andererseits die Grenze, welche leiztere von den Flimmer- zellen scheidet, fast immer an demselben Ort, so dass aus diesem Grunde wohl eine Übereinstimmung der natürlichen mit den präparirten Ver- hältnissen vorliegt. Die Vertiefung des Ganges ist nun von eng an ein- ander liegenden Flimmerzellen (s. Fig. 2) begrenzt, die aber ungefähr in der Mitte des flimmernden Abhanges von ihrem gewöhnlichen platt- cylindrischen Charakter abweichen. Man sieht nämlich in tieferer Lage _ ovale Zellen (s. Fig. 5), deren Inhalt durch den großen Kern auf einen schmalen Raum zusammengedrängt ist, nach der Oberfläche ein zartes 'Stäbehen senden, welches zu einem, die Flimmern tragenden, kurzen Knöpfchen anschwillt. Diese dem einfachen Pistille einer Pflanze ähn- lichen Gebilde sind die vorzüglichsten Bestandtheile der flimmernden Rinne und erinnern genau an die Neurozellen, welche FLemning in seinen Arbeiten über die Sinneszellen der Mollusken gefunden hat.

Wir hätten also hier in einem, im Innern des Thieres verborgenen, drüsigen Organe, welches mit der Außenwelt kommunicirt, Zellen, welche vollkommen in ihrer Form mit den haartragenden Sinneszellen in der Haut der Mollusken übereinstimmen und denen wir desshalb sensible Funktionen zuschreiben müssen. In macerirten Präparaten, welche circa drei bis vier Tage in 1/;, bis !/,, %/, Überosmiumsäure oder circa fünf bis sieben Tage in 1/,,/, Chromsäure lagen, sah ich viele dieser Zellen isolirt. Gewöhnlich hatte sich das Fädchen mit dem knopf- artigen, flimmertragenden Ende von der großen ovalen Zelle abgelöst, auch sah man oft die flimmertragenden Köpfchen allein. Selten gelang es mir, eine vollständige Zelle zu erhalten und dann nur immer mit anderen zusammen. Die Messungen ergaben für die Länge einer ziemlich großen Zelle 0,024 mm, für die untere Anschwellung 0,0066 mm, für das obere Stück 0,018 mm. Das Köpfchen betrug circa 0,003 bis 0,004 mm in seiner Breite. Die Maße variiren jedoch sehr, da die mehr nach der Mitte des flimmernden Abhanges gelegenen Zellen kleiner

säure oder in 4—60/, Kali bichromicum. Nach vier bis fünf Tagen zog ich die Säure oder das Salz durch Spülen mit einer Mischung von Glycerinwasser und Alkohol aus und brachte die ziemlich gehärteten Theile in Alkohol absolutus. Auf diese Weise erhielt ich knorpelharte Präparate, die mit dem Rıver-Frıtsca’schen Mikro- tom geschnitten mir 1/4, bis 1/gp mm dünne Schnitte gaben, auf welchen ich Ele- mente wie Schichten in ausgezeichneter Weise erkennen konnte. Die Schnitte färbte ich gewöhnlich mit Pikrokarmin und Hämatoxylin, eine Doppelfärbung, welche mir von der Haut der Mollusken brillante Präparate lieferte.

42 D. Sochaczewer,

sind, als die in der Tiefe gelegenen. Was die Flimmerhärchen anbe- trifft, so sind sie auf dem Köpfchen der Fadenzellen länger, als auf den platten, cylindrischen Zellen des Randes, treten hier -aber in größerer Anzahl auf, als dort. Drei bis vier ist die Durchschnittszahl, während am Rande und bis zur Mitte des Spaltes acht bis neun Flimmerhärchen auf einer Zelle stehen. Die Härchen durchdringen eine zarte, sehr dünne Cuticula, die auf dem Köpfchen der Fadenzelle wie der hintere Rand einer Scheibe erscheint, der weitere Verlauf ist nicht mehr zu erkennen.

Unterhalb der Flimmerzellen befinden sich kleine unregelmäßig gestaltete Zellen mit kleinen rundlichen Kernen, welche dicht an einan- der gereiht liegen. Ob dies vielleicht Bildungszellen sind, aus denen neue Epithelzellen entstehen, oder ob sie ein Stützgewebe für das Flimmerepithel darstellen, möge unentschieden bleiben. Mehr in der Tiefe, unterhalb der Fadenzellen , ziehen feine Fäden nach der Ober- fläche, welche wahrscheinlich nervöser Natur sind.

Der obere Raum des Drüsenganges ist in den meisten meiner Quer- schnitte ganz frei von flimmerlosen Cylinderzellen, so dass die Drüsen- zellen frei in den horizontalen Spalt hineinragen. Ob dieser Umstand auf das natürliche Verhalten hinweist, oder nur ein künstliches Erzeug- nis darstellt, muss ich einer späteren Entscheidung überlassen. Im ersteren Falle würde das Sekret in den Drüsengang frei und ungehindert hineinströmen, im anderen Falle muss eine Ablösung der Cylinderzellen stattfinden, welche durch den Druck der Flüssigkeit bewirkt wird. An den Stellen nun, wo das Cylinderepithel noch ganz erhalten ist, konnte ich konstatiren, dass dasselbe sich sehr leicht von der unmittelbar unter ihm befindlichen Drüsenschicht ablöste, so dass oft ein Zwischenraum zwischen dem Epithel und der Drüsenschicht war.

Bei den Limaxarten ziehen die Drüsenzellen sich nicht ganz um den Ausführungsgang herum, sondern lagern seitlich und unterhalb des- selben. Anders ist es bei Arion und Helix, wo über dem großen Drüsen- gange eine Drüsenzellenschicht liegt, welche circa !/, bis 1/; der unter- halb desselben gelagerten Massen ausmacht. Wo die Drüsenzellen dicht _ unter dem Epithel des Ausführungsganges sich befinden, bestehen die Zellen, welche das Epithel zusammensetzen, aus jenen plattcylindri- schen Zellen, die ich oben beschrieben habe. Das Sekret, welches aus einem zähen, fadenziehenden Schleim besteht, der unter dem Mikroskop zahlreiche Körnchen und die großen Kerne der Drüsenzellen zeigt, träufelt also von einer bestimmten Höhe in den senkrechten Spalt hinein und wird dann von den Flimmerzellen desselben nach vorn getrieben.

Was nun die Funktion der Fußdrüse ! anbetrifit, so berechtigen

1 Um auf die Annahme von SıEBOLD und SEMPER noch einmal zurückzukommen, welche die Fußdrüse für einen einfachen, schleimabsondernden Apparat erklären,

Das Riechorgan der Landpulmonaten. 43

die in dem Epithel des Ausführungsganges gefundenen, genau mit den Fremnine’schen haartragenden Sinneszellen übereinstimmenden Formen wohl zu der Annahme, dass Lzıpy mit Recht in der Fußdrüse das Ge- ruchsorgan der Schnecken sah. Die drei nothwendigen Faktoren eines Geruchsorganes, nämlich das Vorhandensein einer Sinneszellenschicht, das Überströmtwerden mit Luft und die Benetzung durch ein aus einer zugehörigen Drüse quellendem Sekret, sind in der Fußdrüse enthalten. Die Öffnung am vorderen Rande gestattet der Luft freien Zutritt und die in ihr suspendirten Riechstoffe mischen sich mit dem vom Wimperstrome nach vorn getriebenen Sekret, so dass sie mit den peripherischen Ner- venzellen in Berührung kommen. Diese leiten den Impuls weiter, bis er sich in die bewusste Empfindung umsetzt.

Diesen Beobachtungen gegenüber scheint auch der Einwand SEnpEr’s nicht durchschlagend zu sein, dass der nach vorn gerichtete Schlag der Flimmern gegen die Annahme eines Geruchsorganes spreche. Es ist nicht nothwendig, dass alle Erscheinungen, die wir der vergleichenden Anatomie der höheren Thiere entnehmen, auf das ganze Gebiet des Thierreichs zutrefien. Wenn auch der Trieb der Flimmern in der Nasen- höhle der höheren Wirbelthiere nach innen der Mundhöhle zu gerichtet ist, eine Form der Bewegung, welche meiner Ansicht nach nichts mit der Sinnesfunktion zu schaffen hat, sondern dazu dient, das Sekret, welches sich in engen labyrinthischen Gängen der Ethmoidalregion zu sehr anhäufen würde, nach der Mundhöhle zu spülen —, so ist kein Grund anzunehmen, dass dieselbe Flimmerrichtung in dem betreffen- den Organ niederer Thiere beibehalten wird. Gerade bei den wirbel- losen Thieren sehen wir oft die anatomischen und histologischen Befunde über die Sinnesorgane der höheren Thiere nicht in gleicher Weise auf- treten. So liegen nicht immer die Augen am Kopfe, wie das Beispiel von Euphausia, Pecten und gewissen Anneliden lehrt; die Stäbchenschicht im Auge der Wirbellosen ist gerade entgegengesetzt gelagert, als es bei Wirbelthieren der Fall ist, bei Mysis findet sich das Gehörbläschen im Schwanzanhang, auch die Elemente der anderen Sinne lagern, wie in der Einleitung gezeigt ist, nicht immer an homologen Stellen, obwohl die Funktion dieselbe ist. Ein Einwand in dieser Hinsicht kann daher so ist nicht recht einzusehen, wozu ein solches Organ noch nöthig ist, da ja überall hinreichend bei den Schnecken für Schleimabsonderung gesorgt ist. In dem Sekret, welches klar und durchsichtig ist und welches sich nie zu trüben, kalkigen Massen anhäuft, habe ich nicht jene bakterienartigen Schleimkörperchen bemerkt, auf die SEMPER in dem Sekret der gewöhnlichen Hautschleimdrüsen aufmerksam macht. Außerdem ist die dünne Sekretschicht, welche nicht nur gewöhnlich, sondern auch

bei starken Reizen den Drüsengang nur netzt, wohl mehr von nebensächlicher Be- deutung, als dass sie die Gesammithätigkeit des Organes ausmachen dürfte.

44 D. Sochaczewer,

nicht verhindern, ein Organ der Landschnecken, welches nicht von dem supraösophagealen Ganglion seine Nerven erhält, und nicht im Kopftheil des Thieres sich befindet, welches aber alle Bedingungen eines geruch- empfindenden Organes erfüllt, für ein Geruchsorgan zu halten.

Eher könnte als ein Mangel in der Beweisführung angesehen wer- den, dass vorläufig physiologische Experimente an dem tief in das Innere des Thieres sich hineinerstreckenden Organe nicht versucht werden können. Moguın Tanvon! (l. c.) erwähnt, dass eine Ätzung des vorde- ren Fußtheiles von Helix aspersa und H. Pisana keine Veränderung in der Perceptionsfähigkeit für Gerüche ergeben hätte. Doch genügt diese kurze Angabe nicht einer eingehenden kritischen Betrachtung, da weder der Stoff, mit dem geätzt wurde, noch genau die Stelle, noch auch das Verhalten der Thiere in eingehender Weise beschrieben wird.

Einige Nachträge zur Anatomie der Fußdrüse, den Verbreitungsbe- zirk der Sinneszellen und die anderen Epithelien des Ausführungsganges betreffend, hoffe ich in der nächsten Zeit geben zu können.

Als Ergebnis der angestellten Untersuchungen lässt sich kurz zu- sammenfassen, dass von den drei Annahmen, wonach die Tentakel das Semper’sche Organ und die Fußdrüse der Riechfunktion dienen sollten, die letztere am meisten Wahrscheinlichkeit hat. Während gegen die Tentakel die physiologischen Bedingungen und die im Abschnitt I ange- geführten Experimente sprechen, während das Semper’sche Organ drüsi- ger Natur ist und wohl als eine besondere Lippendrüse aufzufassen ist, sind auf dem Boden des Ausführungsganges der Fußdrüse deutliche Sinneszellen zu erkennen, die vollkommen in ihrer Form den FLemminG- schen haartragenden Sinneszellen in der Haut der Mollusken gleichen. Die Funktion dieser Sinneszellen bleibt allerdings bei der durch die Lage des Organes gegebenen Schwierigkeit, Versuche anzustellen, zweifelhaft. Aber wir dürfen immerhin sagen, es sei in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Fußdrüse das Riechorgan der Land- schnecken ist.

Diese Arbeit habe ich in der mikroskopischen Abtheilung des physio- logischen Instituts gemacht, dessen Mittel mir Professor Frıtsca in höchst liberaler Weise gewährte. Ich nehme daher an dieser Stelle Gelegen- heit, ihm hierfür meinen herzlichsten Dank auszusprechen.

Berlin, im Januar 1880. 1 Jai cauterise profondement, sur plusieurs Helix apersa et Pisana, la partie

interieure du pied; j’ai constate, que mes Mollusques, apres l’operation, se dirigaient vers les matieres odorantes, comme ils le faisaient auparavantes.

Das Riechorgan der Landpulmonaten. 45

Nachtrag.

Obwohl ich an einer genauen Darstellung meiner nachträglich an- gestellten Untersuchungen zeitlich verhindert bin, so will ich dennoch eine kurze Mittheilung hierüber nicht zurückhalten.

Ich habe Längsschnitte von der Fußdrüse angefertigt, indem das Organ nach der bekannten Semper’schen Methode (schwache Ghromsäure und einige Tropfen Essigsäure) konservirt und, mit dem GRENAcHER’schen Alkoholkarmin in toto gefärbt, in Paraffin eingebettet wurde. In den- selben war das Flimmerepithel wohl erhalten, und es war deutlich zu erkennen, dass ungefäihr 3—4 mm von der Mündung der Fußdrüse die Flimmerzellenschicht sich allmählich senkte und eine Strecke von circa 2 mm eine durchweg andere Zellenform annahm. Die Flimmer- zellen dieser Strecke sind in einigen meiner Präparate sehr deutlich und stimmen vollkommen überein mit den in Fig. 5 (s) und Fig. 7 ge- zeichneten Zellen; in anderen Präparaten ist nur die völlige Verschieden- heit der Formen von den gewöhnlichen Flimmerzellen festzustellen. All- mählich geht dann diese Zellenform, indem sich die Schicht hebt, in die gewöhnlichen Flimmerzellen über, so dass in 3—4 mm Entfernung von der Mündung des Ausführungsganges eine Vertiefung vorhanden ist, in welcher die Flimmerzellen von Fig. 5 (s) sich befinden. Sind nun diese Zellen für Sinneszellen anzusehen, wie aus den schönen Freuning’schen Untersuchungen hervorgeht, so wäre in der Nähe der Fußdrüsenmün- dung eine Stelle für gewisse Sinnesempfindungen bestimmt, deren Lage es vielleicht ermöglicht, Versuche anzustellen und so der Leipv'schen Ansicht, in der Fußdrüse das Riechorgan der Landschnecken zu sehen, eine sichere Basis zu geben.

Was die Drüsenzellen anbetrifft, so konnten vermöge der vortreff- lichen Methode einige neue Beobachtungen über ihre Strukturverhältnisse gemacht werden. Einen Ausführungsgang je einer Drüsenzelle habe ich nicht erkannt und ich muss daher an meiner ersten Annahme festhalten. Hierzu kommt noch, dass in den ersten und letzten Längsschnitten die Drüsenzellen nicht von einem Epithel bedeckt sind, und allein über den mittleren Theil sich die Flimmerlage erstreckt, die außerdem in den hinteren Partien der Drüse aufzuhören scheint.

Die Drüsenzelle selbst zeigt ein deutliches Gerüst, wie ich es noch nie zu sehen Gelegenheit hatte. Mit Hämatoxylin gefärbt wurden Balken sichtbar, die sich zu einem Netz zusammenspannen und den Kern all- seitig umgeben. Diese Netzfäden bilden ein vollkommenes Maschenwerk, in welchem große und kleine Körner sich befinden, doch konnte ich nicht erkennen, ob das Netz ein kontinuirliches ist, oder ob die Fäden

46 D. Sochaczewer, Das Riechorgan der Landpulmonaten.

einzeln oder in doppelter und dreifacher Verbindung in der Drüsen- flüssigkeit liegen. Das Bild als ein Artefakt anzusehen, liegt kein Grund vor, und die Annahme, dass die Fäden der optische Ausdruck von Mem- branzerknitterungen seien, wird dadurch widerlegt, dass die Falten der sehr dünnen Membran neben diesen Fäden deutlich als solche erkannt werden. Außerdem sieht man diese Fäden bei hoher wie tiefer Ein- stellung die ganze Zellenmasse erfüllen. Interessant muss es sein, diese Netze in der lebenden Zelle zu beobachten.

Berlin, im August 1880.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel III.

Fig. 4. Schlundkopf mit dem Semper’schen Organ. Seitenansicht. Limax cinereo- niger. Circa 2fach vergrößert. !

ph, Schlundkopf,

oe, Ösophagus,

m, Oberkiefer,

l, Lippengegend,

s, SEMPER SChes Organ,

nl, nervus labialis,

nph, der Nerv, der in die unteren seitlichen Muskeln des Schlundkopfes eindringt,

ga, Supraösophagealganglien,

ts, obere große Tentakel mit

oc, Auge,

ti, unterer Tentakel,

pe, Penis.

Fig. 2. Querschnitt durch die Fußdrüse von Limax cinereoniger. Ungefähr der vierte Theil einer circa 200 fach vergrößerten, vermittelst des OBERHÄUSER'schen Zeichenapparates angefertigten Zeichnung.

gl, Drüsenlager,

vl, seitliche Gefäße,

vi, unterer Gefäßstamm,

mir, Schrägmuskelbündel,

ml, Längsmuskelbündel,

c, Bindegewebe, v, Flimmerzellen s, Sinneszellen d, Zellen der Unterlage.

Fig. 3. Schematischer Querschnitt der Fußdrüse, um die Form des Ausfüh- rungsganges darzustellen.

A, von Arionempiricorum, B, vonHelix nemoralis, C, von Helix nemoralis,

Fig. 4. Isolirte Drüsenzellen und solche, welche sich im Bindegewebsgerüst befinden. Einzelne Zellen sind herausgefallen. A, B, C. 610/1,

Fig. 5. Ein Querschnitt von dem halben, senkrechten Spalt des Ausführungs- ganges. 640/14 vergr.

v, gewöhnliche Flimmerzellen, s, Sinneszellen, o, Zellen der Unterlage.

Fig. 6. Gewöhnliche Flimmerzellen in 1/19%/u Chromsäure macerirt. 610/14 vergr.

Fig. 7. Sinneszellen in 2/o9 bis 1/g90/o Überosmiumsäure macerirt. 640/1 vergr.

}.des Ausführungsganges,

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse.

Von

Dr. Fritz Müller.

(Archivos de Museu national. Vol. II. p. 99—434, p. 209—244. Rio de Janeiro. 4880. Aus dem Portugiesischen übersetzt von dem Bruder des Verfassers, Dr. HERMANN MÜLLER in Lippstadt.)

Mit Tafel IV und V.

Einleitung.

Die Ordnung der Trichopteren ist unter zwei verschiedenen Ge- sichtspunkten von hohem Interesse: dem genealogischen und dem bio- logischen.

In dem genealogischen System der Insekten nehmen die Trichopteren in Bezug auf die Schmetterlinge dieselbe Stellung ein, die unter den Säugethieren,, nach der heute fast allgemeinen Annahme, den anthropo- morphen Affen in Bezug auf den Menschen zukommt; es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Schmetterlinge von irgend einem ausge- storbenen Trichopteron abstammen, oder wenigstens, dass beide Ord- nungen aus einer gemeinsamen Stammform hervorgegangen sind, von der sich die unansehnlichen Trichopteren weniger, die farbenprächtigen ‚Schmetterlinge viel weiter entfernt haben. Wenn nun dieser Grund, der kleinen Ordnung der Trichopteren eine große Wichtigkeit beizulegen, von sehr neuem Datum ist, so haben dagegen schon in sehr entfernten Zeiten die Gehäuse oder Futterale, die die Larven dieser Insekten bauen, das lebhafteste Interesse Derer erregt, die sich damals dem Studium der Biologie der Insekten hingaben. Nach der Meinung verschiedener Schrift- steller wäre der Holzverderber (&vAo@9:000g) des ARISTOTELES eine Phry- ganidenlarve gewesen; doch ist es, da er nichts von der Wasser-Lebens- weise dieses Thieres erwähnt, wohl wahrscheinlicher, dass es die Larve _ irgend eines Schmetterlinges, vielleicht aus der Gruppe der Psychiden,

48 Fritz Müller,

gewesen sein mag. Dem sei aber wie ihm wolle, jedenfalls haben die großen Beobachter des vergangenen Jahrhunderts, denen die Biologie der Insekten so viel verdankt, Rtaumur, DE GEER und RoeseL, auch sehr wichtige Studien über die Naturgeschichte und den Bau der Trichopteren- larven, so wie ihrer Gehäuse gemacht.

Im gegenwärtigen Jahrhundert widmeten sich dem speciellen Stu- dium dieser Thiere Pıcrer, Kotenatı, Hasen, Mac Lacnzan und Andere. Alle diese Arbeiten blieben indessen fast ausschließlich auf Europa be- schränkt, so dass die Naturgeschichte der außereuropäischen Arten fast noch heute ein jungfräuliches und der Wissenschaft unbekanntes Ge- biet ist.

Im Jahre 1864 veröffentlichte Hacen ein Verzeichnis nebst Beschrei- bungen aller Trichopteren-Gehäuse, von denen er Exemplare gesehen oder über die er bei anderen Schriftstellern irgend eine Angabe gefun- den hattel; in dieser Liste von 150 Arten finden sich aus dem unge- heuren Gebiet Brasiliens nur eine Grumicha von Saınr HiLAIRE und eine Helicopsyche-Art erwähnt. Hiernach wird es also nicht unzweckmäßig sein, eine kurze Mittheilung über diejenigen Arten zu machen, die ich in der Provinz Santa Catharina beobachtet habe. Denn mag auch meine Liste der Arten dieser Provinz noch so mangelhaft und unvollständig sein, so wird sie wenigstens zeigen, wie viel unerwartete und merk- würdige Formen noch aufgefunden werden können, wenn man die Ge- wässer Brasiliens auf Trichopterenlarven durchsucht. Ich beschränke mich für dies Mal auf die von den Larven gebauten Gehäuse und nehme höchstens nebenbei Bezug auf die eine oder andere bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit des Baues oder der Gewohnheiten ihrer Bewohner, deren Beschreibung ich einer anderen Arbeit vorbehalte.

Als Bremı vor 25 Jahren die Gattung Helicopsyche aufstellte, von der man in jener Epoche kaum die Gehäuse der Larven kannte, stützte er sich auf die Hauptthatsache, dass »alle bis dahin in dieser Hinsicht gemachten Beobachtungen immer bewiesen hatten, dass die in der Grundform des Baustils der Phryganiden-Gehäuse bestehenden Ver- schiedenheiten verschiedene Gattungen anzeigen«. Ich folge dem Bei- spiele Bremr’s, indem ich für verschiedene ganz neue Grundformen (Typen) von Trichopteren-Gehäusen neue Gattungen aufstelle; ein sol- ches Vorgehen scheint mir hinlänglich gerechtfertigt, wie sehr auch die vollkommenen Insekten noch unbekannt sein mögen. Nehmen wir zum Beispiel die Helicopsyche-Arten, die sich durch ihre schneckenförmig eingerollten Gehäuse so sehr auszeichnen. Drei Fälle können sich dar-

1 Harn, Über Phryganiden-Gehäuse. Stettiner entomol. Zeitung. XXV. 4864. p- 114 und 224.

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 49

bieten. Erstens könnten die vollkommenen Insekten, die aus den schon so zahlreichen und durch die ganze Welt verbreiteten Arten dieser schneckenförmigen Gehäuse hervorgehen, alle unter sich eben so ähn- lich und von allen übrigen Trichopteren, die eine besondere Gattung bilden, eben so verschieden sein; in diesem Falle würde über die Gattung Helicopsyche gar kein Zweifel sein.

An zweiter Stelle könnte man annehmen, dass alle Trichopteren, die aus schneckenförmigen Gehäusen hervorgehen, den Arten irgend einer anderen Gattung so ähnlich wären, dass sie im Zustande der fer- tigen Insekten nicht generisch unterschieden werden könnten: auch in diesem Falle (der sich in Helicopsyche borealis Hag. nicht bewahrheitet) würde es passend sein, die Gattung Helicopsyche festzuhalten, da ja ohne irgend welchen Zweifel das Merkmal der schneckenförmigen Ge- häuse viel wichtiger ist und viel sicherer auf Verwandtschaft hinweist als jene leichten Unterschiede in den Flügelnerven und andere desselben Schlages, die man heute anwendet, um die Gattungen der Trichopteren zu unterscheiden. Endlich wird es sich treffen können, dass die ver- schiedenen Arten, deren Larven schneckenförmige Gehäuse bauen, im Zustande fertiger Insekten so verschieden unter sich sind, dass es pas- send sein würde, sie in verschiedene Gattungen zu trennen; auch in diesem Falle müsste der Name Helicopsyche bestehen bleiben, um mit einem einzigen Worte die Erbauer schneckenförmiger Gehäuse zu be- zeichnen, und müsste mit demselben Rechte beibehalten werden, mit dem man fortfährt, die Namen Bipinnaria, Pluteus, Nauplius, Zoea u. Ss. w. zu gebrauchen. Alles was ich soeben hinsichtlich der Helicopsyche- Arten gesagt habe, gilt aber ganz eben so für alle Gattungen, die ich in dieser Arbeit aufstellen werde.

1) Die Gehäuse der Rhyacophiliden (Fig. 1—4).

Nach Pieter! leben die Larven der Rhyacophiliden ohne Gehäuse in fließenden Gewässern und bauen nur, wenn sie sich verpuppen ‚wollen, auf den Steinen ein rohes und unbewegliches Gehäuse; gleich- wohl hat schon Pıcter selbst ein bewegliches Gehäuse abgebildet, das von der Larve einer Art dieser Familie aus Steinen verfertigt war?. Nach dem Bau und der Befestigung ihres Gehäuses machen die Larven der Rhyacophiliden, bevor sie sich umwandeln, um sich herum noch eine zweite Hülle, einen Kokon aus einer ziemlich widerstandsfähigen Haut, von ovaler Form, der sich, von allen Seiten geschlossen, lose im Inneren des Steingehäuses befindet. Durch diese zweite Hülle unter-

1 Citirt von Hasen, 1. c. p. 142.

2 HAGEn, 1. c. p. 144. n. 6. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. JA

50 Fritz Müller,

scheiden sich die Puppen der Rhyacophiliden leicht von denen aller übrigen Trichopteren. In Quellen und Bächen, die dem Itajahy zu- fließen, giebt es einige Arten dieser Familie, die im Larvenzustande von Gehäusen abzusehen scheinen ; die Hüllen ihrer Puppen finden sich mit einigen roh zusammengehäuften Steinchen bedeckt, die ein so unregel- mäßiges Häufchen bilden, dass es den Namen eines Gehäuses nicht ver- dient. Viel häufiger sind einige andere Arten, die schon im Larvenzu- stande in beweglichen Gehäusen leben. Diese Gehäuse (Fig. 1—4) sind aus Steinen verfertigt, von ovaler Form, mit zwei Öffnungen oder Thüren an den beiden Enden der Bauchseite. Es ist kein Unterschied zwischen dem vorderen und hinteren Ende des Gehäuses; die Larve kann eben so gut aus der einen wie aus der anderen Thür hervorkommen. Bevor sie sich zur Puppe umwandelt, entfernt die Larve die Bauchwand, heftet den ganzen Rand des Gewölbes ihres Gehäuses an irgend einen größeren Stein und verbindet gleichzeitig die Steinchen dieses Gewölbes fester mit einander.

Die Gehäuse aller Trichopterenlarven müssen beständig von einem Strom frischen Wassers durchflossen werden, der die Athmung dieser Larven unterhält. Nun befinden sich die beiden Thüren der beweg- lichen Häuschen der Rhyacophiliden, wie schon gesagt, in der Bauch- wand und dem Steine angedrückt, auf dem sie leben; dieser Umstand, der gewiss sehr nützlich ist, um den Eintritt irgend welches Feindes zu verhindern, ist dagegen für die Cirkulation des Wassers sehr ungünstig. Dieses Hindernis findet sich bei verschiedenen Arten von St. Catharina auf verschiedene Weise beseitigt. Bei einer kleinen Art (Fig. 1), deren Gehäuse in seltenen Fällen 5 mm Länge bei 3 mm Breite überschreiten, sind die Steinchen des Gewölbes derart mit einander verbunden, dass sie zwischen sich kleine Öffnungen oder unregelmäßige Zwischenräume lassen, die an Zahl, Größe und Form mannigfach wechseln. Bisweilen findet sich nahe dem einen oder anderen Ende eine etwas größere Öff- nung. Diese Art lebt in verschiedenen kleineren Quellen von raschem Lauf; gewöhnlich auf der oberen Seite der Steine; die Gehäuse der Puppen (Fig. 1 B, B’) pflegen an der unteren Seite derselben Steine befestigt zu werden.

Eine andere Art (Fig. 2), die ich im Bache » Affenwinkel« (Gruta dos Macacos) antraf, und die verhältnismäßig große Steine beim Bau ihrer Gehäuse anzuwenden pflegt, lässt eine einzige größere Öffnung in der Mitte des Gewölbes. Diese Öffnung ist häufig viereckig und von vier Steinen umgrenzt; sie wird geschlossen, wenn die Larve sich zur Puppe umwandeln will.

An fast allen Stellen, wo ein größerer oder kleinerer Bach in einem

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Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 51

Bette von Steinen schnell fließt, finden sich diese mit Tausenden von Rhyacophilidenhäuschen (Fig. 3) bedeckt, die, statt einer einfachen Öfl- nung, in der Mitte des Gewölbes einen Schornstein oder eine Röhre be- sitzen mehr oder weniger hoch, im Allgemeinen aus viel kleineren Steinchen gebaut, als das übrige Gehäuse. Die Formen und Farben dieser Gehäuse variiren ins Unendliche nach dem mineralogischen Cha- rakter des Baumaterials, welches die Larven in den Gewässern an- treffen, nicht nur in den verschiedenen Bächen, die sie bewohnen,

‚sondern auch an derselben Lokalität. Die drei Gehäuse von Fig. 3

wurden mit einigen Dutzend anderen, nicht weniger verschiedenen einem einzigen Steine des Baches Garcia entnommen. Die Gehäuse der Puppen, die gewöhnlich an der Unterseite der Steine befestigt sind, haben keinen Schornstein mehr. Wegen der außerordentlichen Varia- bilität und Unregelmäßigkeit dieser Häuschen ist es, ohne eine minutiöse Untersuchung der Larven und Puppen, die sie bewohnen, und der fer- tigen Insekten, in die diese sich umwandeln, kaum möglich zu ent- scheiden, ob sie alle zu einer einzigen Art gehören. Die, welche ich im Monat August im Bache »Trauriger Jammer« (Triste Miseria) fand, unterscheiden sich durch einen weniger hohen , weniger engen, und oft etwas geneigten Schornstein (Fig. 4). Sie bilden vielleicht eine ver- schiedene Art.

2) Die Gehäuse der Hydropsychiden (Fig. 5, 6). |

Aus der Familie der Hydropsychiden ist keine Larve bekannt, die ein bewegliches Gehäuse anfertigti ; sie leben fast alle in Verstecken von sehr roher Bauart: entweder in ziemlich langen, gekrümmten Gängen, die mit Steinen, Pflanzenbruchstücken u. s. w. bedeckt sind, oder auch ia cylindrischen Kanälen, deren von der Larve gewebte Wände aus Seide und Thon oder feinem Sand bestehen, wie die von der Larve von Hydropsyche maculicornis gebauten!. In der Provinz Santa Catharina ist in fast allen fließenden Gewässern auf der Unterseite der Steine eine Larve dieser Familie ungemein häufig, die größte aller bis jetzt bekann-

‚ten Trichopterenlarven. Sie lebt in einer Art Kanal oder Gang, der von

unregelmäßig zusammengehäuften und mit einigen Seidenfäden im All- gemeinen sehr schlecht befestigten Steinen bedeckt ist. Um sich in eine Puppe umzuwandeln, baut sie ein Gehäuse von fest zusammengehefte- ten, bisweilen für ein so kleines Tbier auffallend großen Steinen. Die äußere Form dieser mit ihrer Unterseite an größere Steine befestigten Gehäuse (Fig. 5 A) ist sehr unregelmäßig, nach der Form der bei ihrem

1 Westwoop, Introduction to modern classification of Insects. II. p. 62. Fig. 68, 8.

4%

52 Fritz Müller,

Bau verwendeten Steine ins Unendliche wechselnd. Sie umschließen einen cylindrischen oder ovalen Hohlraum von ungefähr 20 mm Länge bei 6 mm Breite. Die innere Wandschicht des Gehäuses ist aus Thon, Sand oder Steinchen verfertigt, die mittels der von den Seiden- oder Spinndrüsen der Larve gelieferten Seide sehr innig vereinigt sind. Die innere Oberfläche des Gehäuses ist glatt; an jedem Ende ist die Wand von ungefähr einem halben Dutzend kleiner Löcher durchbohrt, um das zur Athmung der Puppe nöthige Wasser aufzunehmen. Unmittelbar an der inneren Oberfläche des Steingehäuses befindet sich ein Kokon von weißer, schwach gelblicher Seide (Fig. 5 B). Die Haut des Kokons ist zwar sehr dünn, aber in hohem Grade widerstandsfähig; die Enden oder Grundflächen des Cylinders sind von sehr zahlreichen Löchern von ungefähr 0,08 mm Durchmesser siebartig durchlöchert (Fig. 5 B!). Seltener ist eine andere Art derselben Familie (Fig. 6), die man nur in Quellen von sehr raschem Laufe, z. B. im » Affenwinkel« und im » Traurigen Jammer« der Kolonie Blumenau antrifft. Ihre Gehäuse ge- hören zu den interessantesten, nicht nur in der Ordnung der Trichopte- ren, sondern der Insekten überhaupt; sie können mit denen der Ter- miten, Ameisen, Wespen, Bienen u. s. w. wetteifern. Diese Gehäuse sind niemals auf der Unterseite, sondern auf der Oberseite der Steine angeheftet; sie sind ohne große Kunst gebaut und sind nichts weiter als Röhren oder Kanäle von etwa 7 mm Länge bei 2 mm Durchmesser,

hergestellt aus unregelmäßig über einander gelegten oder durch einan-

der geflochtenen Pflanzenfasern, oder auch aus Steinchen. Jedes Ge- häuse hat einen Vorhof oder eine Veranda, die sich trichterförmig er- weitert, deren Eingang bis zu 7 mm Höhe bei doppelt so viel oder mehr Breite misst. Die Seitenwände sind gewöhnlich aus durch einander geflochtenen Fasern hergestellt und dienen als Deckung für ein höchst zierliches Netz von Seide, dessen viereckige Maschen gewöhnlich 0,2 bis 0,3 mm Weite haben. Die Gehäuse sind unabänderlich derart orientirt, dass der Wasserstrom in den Eingang des Trichters schlagen muss. In seltenen Fällen leben diese Larven einzeln. Gewöhnlich machen sie ihre Gehäuse dicht neben einander, so dass sie bisweilen eine lange ununterbrochene Reihe bilden, die senkrecht zum Laufe des Wassers steht und auf diese Weise in ihren Trichtern Alles auffängt und zurück- hält, was das Wasser Genießbares mit sich bringen mag. Bei der Um- wandlung in Puppen scheinen die Larven die vegetabilischen Fasern ihrer Gehäuse immer durch kleine Steine zu ersetzen; diese Steinchen sind fest vereinigt und bedecken einen Hohlraum von etwa 7 mm Länge bei 3 mm Breite (Fig. 6 B, B’), dessen Wand inwendig, eben so wie bei der vorhergehenden Art, von einer widerstandsfähigen Haut ausgeklei-

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 53

det ist. An diesen Puppengehäusen ist niemals eine Veranda; ich weiß indess nicht, ob dieselbe von der Larve entfernt wird, wenn sie das Gehäuse für ihre Umwandlung zurichtet oder ob sie allmählich durch die Strömung des Wassers zerstört wird. Die Insekten, in die sich die Bewohner dieser interessantesten Gehäuse endlich umwandeln, sind im Baue der Fühler und Flügelnerven der Gattung Smicridea MacLachlan ähnlich. Eben so wie beide Geschlechter von Smicridea haben die Weibchen einen einzigen Sporn an den vorderen, vier Sporne an den mittleren und vier an den hinteren Schienen; die Männchen dagegen haben nur zwei Sporne an den hinteren Schienen. Der Fall ist analog dem der Gattung Heteroplectron M’Lachl., aus der Familie der Leptoceri- den, bei der die Hinterschienen beider Geschlechter in derselben Weise differiren. Ich schlage für den geschickten Baumeister und Weber den Namen Rhyacophylax vor.

3) Die Gehäuse der Leptoceriden (Fig. 7—15).

Die Gehäuse aller Arten dieser Familie sind beweglich und haben fast alle die Form enger, kegelförmiger, ein wenig gebogener Röhren. Die Larven verschiedener Arten sind sehr unter sich verschieden, so- wohl in Bezug auf das Material, das sie beim Bau ihrer Gehäuse oder Futterale verwenden, als auch hinsichtlich der Art, dieselben zu befesti- gen und zu verschließen, wenn sie im Begriff sind, sich in Puppen um- zuwandeln.

Das einfachste und roheste Gehäuse (Fig. 7) ist das einer Larve, die sich zu diesem Zwecke der Bruchstücke kleiner Zweige bedient, die in den Waldbächen stets in reichlicher Menge vorhanden sind. Wenn die Zweige hohl sind, werden sie ohne weitere Vorbereitung in Ge- brauch genommen; die Larve schneidet ein Stück von passender Länge ab und nagt ein halbkreisförmiges Stück aus dem Bauchrande des Ein- ganges (Fig. 7 A, C), so dass der Kopf der Larve von dem Rückenrande desselben Einganges bedeckt und geschützt bleibt. Oft befestigt die Larve an diesen oberen Rand des Einganges einen oder einige kleine Steine, wodurch sie den Eingang noch mehr schützt. Wenn die Äste nicht hohl sind, so hat die Larve sie erst auszuhöhlen, dann muss sie außerdem ein seitliches Loch in das hintere Ende der von ihr ausgehöhl- ten Röhre machen, für den Austritt des Wassers, das ihr zur Athmung gedient hat. Die von erwachsenen Larven bewohnten Stäbchen haben gewöhnlich 30 bis 35 mm Länge; nur in seltenen Fällen erreichen sie 50 mm oder mehr; ein einziges sah ich, das 80 mm Länge bei 3 mm Durchmesser hatte. Vielleicht hatte die Larve desshalb unter- lassen, einen Theil desselben abzuschneiden, weil es sehr leicht war.

54 Ä Fritz Müller,

Wenn die Zeit ihrer Umwandlung herannaht, befestigt die Larve ihr Gehäuse mit dem Bauchrand des vorderen Endes an die Unterseite irgend eines größeren Steines oder in das Wasser gefallenen Baumstammes. Dies gethan, stopft sie den Eingang mit einem Stein zu (Fig. 7 A’p), den sie an das vordere Ende des häutigen Puppenkokons (Fig. 7 A'n) heftet oder, besser gesagt, leimt. In dem Zwischenraum zwischen dem Steine und der Wand der Röhre ist der Kokon von Löchern von ungefähr 0,12 mm siebartig durchlöchert. Eben so befindet sich ein Quersieb (Fig. 7 A’, A”) am hinte- ren Ende des Puppenkokons. Dieses Sieb ist fast lederartig und dicker und härter als die Haut, welche die Wand der Röhre auskleidet. Manchmal trifft es sich, dass dasselbe Sieb sich an die Seitenöffnung der Röhre anlegst (Fig. 7 B, B'). Wenn das benutzte Zweigstück hohl ist, so ver- stopft es die Larve gewöhnlich auch am hinteren Ende mit einem Stein; manchmal indess holt die Larve ein Steinchen in das Innere der Röhre und legt es an das Sieb (Fig. 7 C, 0’). Auch in diesem Falle machen die Larven aus Gewohnheit ein Loch in die Seitenwand der Röhre (Fig. 7

CO’, o), ein Loch, das, wie unentbehrlich es sein mochte, wenn die Röhre

hinten geschlossen war, durchaus überflüssig und unnütz ist, wenn sie offen war. Es ist dies eines der passendsten Beispiele, um die angeb- liche » Unfehlbarkeit des Instinktes« zu widerlegen.

Unter dem Namen Grumicha beschrieb Aus. Sr. Hıraıke ! » Röhren aus einer harten, hornigen Substanz, von halber Daumenlänge, glatt und glänzend, schwarz, gebogen und an Dicke allmählich abnehmend wie ein Horn, von einer Larve bewohnt und in den Flüssen Brasiliens vorkommend«. Diese Beschreibung passt vollständig auf die Futterale einer Larve aus der Familie der Leptoceriden, die in einigen größeren Zuflüssen des Rio Itajahy (den Bächen Garcia, Warnow, Neisse) ziemlich häufig ist. Nur sind die Gehäuse von hier (Fig. 8 A) ein wenig größer; vielleicht hat Sr. Hıraıre nur die noch nicht erwachsenen Larven ge- sehen. In jedem Falle ist die von dem berühmten französischen Natur- forscher beschriebene Art der unserigen, wenn nicht gleich, wenigstens sehr ähnlich. Ich maß 20 angeheftete, also erwachsene Futterale von Weibchen, die durchschnittlich 26 mm Länge ?2 hatten und zwischen 24 und 28 mm variirten ; 20 ebenfalls festgeheftete Futterale von Männchen hatten durchschnittlich 18 mm Länge und variirten zwischen 16 und 24 mm. Die Futterale sind in ihrer ganzen Ausdehnung fast gleich- mäßig gekrümmt; der Radius der Krümmung beträgt ungefähr 3 cm und nimmt am vorderen Ende ein wenig zu. Die Futterale der Männchen

1 Voyage au Bresil. Tom. III. 1830. p. 62.

2 Unter Länge der gekrümmten Futterale verstehe ich die Sehne zwischen den.

Endpunkten, und nicht die Länge des Bogens.

a

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 55

entsprechen Bogen von ungefähr 36°, die der Weibchen Bogen von un- sefähr 52%. Das hintere oder Afterende des Köchers hat ungefähr I mm Durchmesser, das vordere oder Mundende ungefähr 2 mm bei den Futte- ralen der Männchen und 3 mm bei denen der Weibchen. Das hintere Ende ist durch eine Querwand verschlossen, aus derselben Substanz wie das Futteral; diese hat in der Mitte ein kreisförmiges Loch, dessen Durchmesser 1/, bis !/; mm beträgt (Fig. 8 B). Die Larven befestigen sich gern gemeinsam, die einen neben oder selbst an den Futteralen der anderen. Nicht selten trifft man Gruppen von mehr als funfzig und selbst Hundert an einander geleimter Futterale. Die Futterale sind nur mit dem vorderen Ende mittels einer kleinen Haftscheibe befestigt, die von einem kurzen Fuß oder Stiel getragen wird; diese gestielten Scheiben, welehe aus derselben Substanz wie die Gehäuse bestehen, entspringen gewöhnlich vom Seitenrande, in seltenen Fällen vom Rückenrande, fast niemals vom Bauchrande der Mundöffnung des Futterals; manchmal ist das Futteral durch zwei oder drei Scheiben in verschiedenen Richtungen befestigt. Nachdem das Gehäuse, sei es an einem Stein, sei es an einem anderen Gehäuse, befestigt ist, wird es mit einem Deckel oder einer Querwand verschlossen, die in geringer Entfernung (immer unter | mm) von der äußeren Öffnung liegt. Dieser Stöpsel oder Deckel wird eben- falls aus derselben Substanz verfertigt wie das Futteral. Er bietet eine Querspalte dar, die ein wenig unter der Mitte des Deckels liegt und gewöhnlich gekrümmt ist, so dass sie ihre konvexe Seite nach unten kehrt (Fig. 8 C, D). Ich maß die Deckel von 17 Weibchen und von eben so viel Männchen, was sich sehr leicht ausführen lässt, nachdem sie durch die Puppen entfernt worden sind, die das Futteral verlassen haben, um ihre letzte Umwandlung zu erleiden. Der Durchmesser der Deckel der Weibchen variirt von 2 bis 2,4 mm (Durchschnitt: 2,24 mm); der der Deckel der Männchen von 1,6 bis 1,8 mm (Durchschnitt: 1,64 mm); die Länge des Spaltes ist bei jenen 0,5 bis 0,8 mm (Durch- schnitt: 0,69 mm); bei diesen 0,45 bis 0,6 mm (Durchschnitt: 0,52 mm); die Breite des Spaltes endlich beträgt bei den ersteren 0,1 bis 0,15 mm (Durchschnitt: 0,123 mm); bei'den letzteren 0,07 bis 0,12 mm (Durch- schnitt: 0,09 mm). Indem man die Länge mit der Breite multiplicirt, erhält man ohne merklichen Fehler den Flächenraum der Spalte, der für die Futterale der Weibchen hiernach 0,085 Quadratmillimeter be- tragen würde. Nun ist der Flächenraum der kreisförmigen Öffnung am hinteren Ende, dessen Durchmesser bei den Weibchen !/, mm beträgt,

gleich 2. 0,087 Quadratmillimeter. Die beiden Öffnungen, die vor-

dere und hintere, durch die der Eintritt und Austritt des Wassers statt-

56 | Fritz Müller,

findet, welches die Athmung der Puppe unterhält, haben also gleiche Flächenräume, trotz ihrer so verschiedenen Gestalt.

Was den Stoff betrifft, aus dem die Futterale der Grumicha ver- fertigt werden, so glaubte Brenı, dass er von den Larven selbst geliefert würde; Hagen dagegen hielt es für wahrscheinlicher, dass er aus Pflanzenfasern zusammengesetzt wäre!. Ich finde diese Meinung Haczn’s unzulässig, weil es zwischen den dunkeln, fast homogenen, harten und elastischen Deckeln der Grumicha, und den Netzen oder Sieben, die man an den Enden der Puppenkokons gewisser Hydro- psychiden (Fig. 5 B’) antrifft (bei denen alle Fäden, aus denen sie ge- webt sind, unterschieden werden können), so viele Zwischenformen giebt, dass es unmöglich in Zweifel gezogen werden kann, dass die einen und anderen auf dieselbe Weise hervorgebracht werden. Nun können die Hydropsychiden in ihren von allen Seiten geschlossenen Steinge- häusen ihre Kokons nicht aus irgend einem äußeren Material anfertigen. Eben so wird bei dem Gehäuse der Helicopsyche und anderer Arten sicher Niemand in Zweifel ziehen, dass die Deckel ihrer Gehäuse, die denen der Grumicha schon viel ähnlicher sind, aus einem Stoffe ver- fertigt werden, der von den Seiden- oder Spinndrüsen der betreffenden Larven abgesondert wird. Zwischen der Substanz des Deckels und des Futterals der Grumicha ist aber gar kein Unterschied ; dieses ist also sicher ebenfalls ein ausschließliches Produkt der Larve. Hagen würde sicherlich einen solchen Irrthum nicht begangen haben, wenn er die Deckel der Grumicha studirt hätte; aber bei drei Futteralen, die er untersuchte, fand er die Mund- und Afteröffnung mit kleinen Steinen verstopft, ohne einen anderen Deckel zu entdecken.

Diese Beobachtung Hacen’s war für mich lange Zeit hindurch ein Räthsel, für welches ich mich vergeblich bemühte, irgend eine plau- sible Lösung zu finden. An einer so leicht festzustellenden und von einem so gewissenhaften und durchaus zuverlässigen Beobachter er- mittelten Thatsache zu zweifeln war mir unmöglich. Aber wie anderer- seits glauben, dass Larven, die identische Gehäuse machen, sie in so grundverschiedener Weise befestigen und verschließen sollten ?

Indessen ist die Thatsache sehr einfach. Die Futterale Hacen’s waren Grumichafutterale, bewohnt, befestigt und verschlossen von einer anderen, eingedrungenen Art.

Im Bache Garcia, nahe einer Stelle, wo Grumicha sehr häufig ist,

habe ich ebenfalls kürzlich einige Grumichagehäuse gefunden, die durch

einen Stein verschlossen und mit dem Bauchrande der vorderen Öffnung

i Hagen, 1. c. p. 227.

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 57

mittels einer stiellosen, bräunlichgelb gefärbten, lederartigen Quer- scheibe (Fig. 9 d) befestigt waren. Indem ich eines dieser Futterale öffnete, sah ich, dass es keine Grumichapuppe, sondern vielmehr eine Puppe enthielt, die mit derjenigen der Holzstäbchen (Fig. 7) identisch oder ihr wenigstens sehr ähnlich war. Das Futteral war, wie die Höhlung der Stäbchen, mit einer Haut ausgekleidet, die um die Puppe herum einen hinten von einem Quersieb begrenzten Kokon bildete; eben so war auch die Haut, die den zwischen dem Futteral und dem als Deckel dienenden Stein befindlichen Zwischenraum verschloss (Fig. 9 B), sieb- artig durchlöchert.

Die Insekten, deren Larven als Eindringlinge in den Grumicha- futteralen leben, und die der Stäbchen, sind sehr ähnlich; von den einen und anderen sah ich nur sehr wenige und habe sie noch nicht im Einzelnen untersucht; bis jetzt besteht der einzige Unterschied, den ich zwischen ihnen gefunden habe, in der Farbe, die bei allen Eindring- lingen viel blasser, bei den Insekten der Stäbchen dunkler ist. Man sieht aus diesem Beispiele, dass nicht nur die Wohnungen der Termiten und Bienen, sondern auch die Gehäuse der Trichopteren von einge- drungenen Arten bewohnt sein können, und desshalb auch die Insekten dieser Ordnung nicht immer ohne weitere Probe und Untersuchung als die Verfertiger der Gehäuse, in denen sie ihre Umwandlung durch- machen, betrachtet werden können.

Im Bache »Affenwinkel« lebt eine zweite Grumicha-Art (Fig. 10), die ich sonst noch nirgend angetroffen habe. Sie ist viel kleiner und ich will sie desshalb mit. dem Verkleinerungsworte Grumichinha be- zeichnen. Ihre Länge übersteigt nicht 40 mm. Die Futterale beider Arten sind genau auf dieselbe Weise gekrümmt, indem der Radius der Krümmung ungefähr 3 cm beträgt. Eben so sind in allen oder den meisten Stücken beide Arten sehr ähnlich und, abgesehen von der Größe, passt die Beschreibung Sr. Hıraıre’s eben so gut auf Grumi- chinha; es sind »Röhren von einer harten, hornigen Substanz, glatt, glänzend, schwarz, gebogen und an Dicke etwas abnehmend, wie ein Horn«. Es würde daher sehr schwierig sein, beide Arten zu unter- scheiden, bevor die Grumicha die Dimensionen der Grumichinha über- schritten hat, wenn nicht der Bau der Larven, die so ähnliche Futterale hervorbringen, ziemlich verschieden wäre. Die beiden Arten lassen sich leicht an der Farbe der Beine unterscheiden, selbst ohne dass man auf eine Untersuchung der Einzelheiten ihres Baues eingeht; denn bei Grumicha sind die Beine schwarz und glänzend, bei Grumichinha blass und bräunlichgelb. Von 20 erwachsenen (schon befestigten) Gehäusen, die ich maß, hatte das kleinste 6 mm, das größte 10 mm Länge, im

58 Fritz Müller,

mittleren Durchschnitt betrug die Länge 7 mm; zweierlei scharf ge- trennte Gruppen größerer und kleinerer Futierale, wie sie bei Grumicha den beiden Geschlechtern entsprechen, sind bei Grumichinha nicht vor- handen. Ihre Art und Weise, die Futterale zu befestigen, ist fast die- selbe wie bei Grumicha; nur ist zu bemerken, dass der Stiel der Kleb- scheibe vom Bauchrande des Einganges ausgeht, was bei Grumicha fast niemals vorkommt: außerdem befindet sich die Spalte des Deckels (Fig. 10 B) immer über dessen Mitte und nicht unter derselben wie bei Grumicha (Fig. 9 C, D)!.

In einem Bächelchen, das in den Bach Garcia fließt, und in dessen etwas sumpfigem Wasser eine Gallitriche-Art ungemein häufig ist, fand ich eine Trichopterenlarve, die nach ihren sehr dünnen und langen Hinter- beinen zur Familie der Leptoceriden zu gehören scheint. Sie verfertigt ihr Gehäuse aus den Samen dieser Gallitriche (Fig. 41). Manchmal sind in einem Theil des Gehäuses die Samen durch kleine Bruchstücke der Kapseln der Callitriche ersetzt, Die Samen sind quer gestellt, d. h. senkrecht zur Achse des Gehäuses, das fast eylindrisch, nur am hinteren Ende etwas verengt ist. Die Gehäuse haben 5 bis 6 mm Länge bei etwa 2 mm Durchmesser. Ihr Eingang sieht sehr verschieden aus, je nach der Zahl der Samen, die ihn umgrenzen, manchmal stellt er ein gleichseitiges oder gleichschenkeliges Dreieck dar (Fig. 11 B), andere Male ein regelmäßiges oder unregelmäßiges Viereck u. s. w. Wenn die Larven im Begriff sind, sich zu verwandeln, schließen sie den Eingang mit einer Querhaut, in deren Mitte sie ein kleines Loch lassen.

In stehendem Wasser der größeren Bäche, z. B. des Baches Garcia, lebt an Baumstämmen, die dort verwesen, oder auch an Steinen, eine Larve aus der Familie der Leptoceriden (Fig. 12), die ihre Futterale oder Gehäuse aus Pflanzenfasern oder dünnen und langen Holzstückchen macht, die sie wahrscheinlich von den Bäumen entnimmt, an denen sie lebt. Die Dicke dieser kleinen Bruchstücke ist gewöhnlich ungefähr 0,25 mm, bei einer zwischen 1 bis 10 mm wechselnden Länge. Das größte der noch freien Futterale, das ich sah, hatte 20 mm Länge vom hinteren Ende bis zum oberen Rande und 17 mm bis zum unteren Rande des Einganges; der Durchmesser beträgt 2 mm am Eingang und I mm am hinteren Ende; es ist also stark verdünnt, und gleichzeitig sehr wenig gebogen, da der Radius der Krümmung der Bauchfläche un- gefäihr 8 cm beträgt. Auf der Rückenfläche des Gehäuses sind die Fasern, der Länge nach, parallel der Achse geordnet; etwa ein halbes

1 In der Gebirgsschlucht: » Trauriger Jammer« in Blumenau lebt eine dritte, noch kleinere Art von Grumicha, deren Beschreibung ich in einem Nachtrage zu dieser Arbeit geben werde.

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina veriertigten Gehäuse. 59

Dutzend dieser Längsfasern verlängern sich über den oberen Rand des Einganges hinaus und verbergen. und schützen so den Kopf der Larve. Die Fasern der Rückenfläche haben 5 bis 6 mm Länge, einige kommen indess vor von mehr als 10 mm Länge. Die Fasern der Seitenflächen haben dieselbe Länge und eine schiefe Richtung, indem sie nach der Bauchseite und dem hinteren Ende des Gehäuses zu konvergiren und mit denen der entgegengesetzien Seite einen sehr spitzen Winkel bil- den. Auf der Bauchseite endlich sind die Fasern viel kürzer, von I bis 2 mm Länge, und die der einen bilden mit denen der anderen Seite im vorderen Theile des Gehäuses ziemlich rechte Winkel. Diese Anordnung der Fasern ist kei allen Gehäusen, die ich gesehen habe, ziemlich die- selbe, wenn sie auch nicht immer so regelmäßig ist, wie ich so eben beschrieben habe. Die Larven befestigen häufig am hinteren Ende des Gehäuses eine oder zwei sehr lange Fasern, die manchmal länger sind als das ganze Gehäuse. An einem der Gehäuse sah ich den größten Theil der Oberfläche nur mit schwarzen Holzfäserchen bedeckt, die kaum die Hälfte der gewöhnlichen Dicke hatten und wahrscheinlich von dem Stamme einer Samambaia entnommen waren. Die Puppengehäuse sind kürzer als die der erwachsenen Larven; acht, die ich maß, variir- ten zwischen 9 und 10,5 mm Länge; das kommt daher, dass die Larven gewohnt sind, den hinteren Theil ihrer Gehäuse abzuschneiden, bevor sie dieselben befestigen.

Beide Enden jedes Gehäuses werden mittels einer gestielten Haft- scheibe befestigt, die gewöhnlich vom Bauchrande, in seltenen Fällen (wie z. B. am vorderen Ende der Fig. 12 A, A’) vom Seitenrande aus- geht. Die vordere und hintere Öffnung sind beide mit einem häutigen Deckel verschlossen, der in der Mitte einen elliptischen Spalt von unge- fähr 0,1 mm Breite bei 0,4 mm Länge darbietet. Der hintere Spalt ist senkrecht, von der Rücken- nach der Bauchseite gerichtet; welche Richtung der vordere Spalt hat, weiß ich noch nicht, da ich nur lose Deckel gesehen habe.

In der Art, ihre Futterale zu befestigen und in der senkrechten Richtung des hinteren Spaltes stimmt mit der eben besprochenen Art eine andere (Fig. 13) überein, deren Futterale übrigens von sehr ver- schiedenem Aussehen sind. Es sind enge, runde, fast gerade, im hinte- ren Theile etwas verdünnte Röhren. Diese Röhren sind aus einer widerstandsfähigen und elastischen Haut gemacht, die mit so feinem Sande bedeckt ist, dass man ihn leichter durch das Gefühl als durch das Gesicht entdeckt, da er den Röhren ein vollkommen glattes und glänzendes Aussehen giebt. Ihre dunkelbraune Farbe verdankt das Ge- häuse der oben erwähnten Haut, nicht dem Sande, der sie bedeckt und

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der gewöhnlich aus durchsichtigen Quarzkörnchen von 0,05 bis 0,1 mm Durchmesser zusammengesetzt ist. Die Länge der befestigten Futterale beträgt 7 bis 8,5 mm; der vordere Durchmesser der größten beträgt ungefähr 4,2 mm, der der kleinsten 0,9 mm, so dass sie mehr in der Weite als in der Länge differiren, da der Durchmesser des hinteren Endes immer ungefähr ?/s von dem des vorderen Endes beträgt.

Unter den freien Futteralen traf ich einige, deren Länge fast das Doppelte der befestigten betrug; bei diesen Futteralen war das hintere Ende stark verdünnt und merklich gekrümmt. Die Futterale werden mit dem Bauchrande beider Enden festgeheftet; die Haftscheiben sind gewöhnlich zweilappig oder ausgeschnitten (Fig. 13 A’).

Die hintere und vordere Öffnung werden beide mit einem häutigen Deckel verschlossen. Der vordere Deckel (Fig. 13 A”) hat in der Mitte eine kreisrunde Öffnung von 0,075 mm Durchmesser, um welche herum man drei sehr verschiedene concentrische Zonen oder Ringe sieht; die zweite ist dunkler als die erste, und die dritte erhebt sich wie ein ring- förmiger Wall über das Niveau der beiden anderen; die verhältnis- mäßige Breite der drei Ringe ist sehr variabel.

Der hintere Deckel (Fig. 13 A”) hat in der Mitte eine elliptische Öffnung; die Achsen der Ellipse betragen ungefähr 0,25 und 0,1 mm; die größere Achse steht, wie bei der vorhergehenden Art, senkrecht. Bis vor Kurzem betrachtete ich diese Art als sehr selten, da ich sowohl in verschiedenen kleineren Bächen als im Bache Garcia nur wenige Futterale gefunden hatte; neuerdings aber habe ich in demselben Bache eine Stelle entdeckt, wo sich fast an jedem Steine 10 bis 20 oder mehr dieser Futterale angeheftet finden.

Die Ähnlichkeit der beiden letzten Arten beschränkt sich nicht auf die in gleicher Weise befestigten und verschlossenen Futterale; ihre Verwandtschaft zeigt sich auch im Bau der Larven, Puppen und fertigen Insekten. Ihre Larven sind die einzigen unter allen der Trichopteren von S. Catharina, die schwimmen können, wozu sie sich der Hinter- beine bedienen; von den anderen Larven der Familie der Leptoceriden unterscheiden sie sich auch durch entwickeltere Fühler. Die Puppen haben am Hinterleibsende zwei starke und lange Spitzen, die sie mit einer hin- und hergehenden Bewegung aus dem hinteren Spalt hervor- treten lassen; diese Bewegung dient wahrscheinlich dazu, die für die

Athmung nöthige Wasserströmung hervorzubringen. Die fertigen Insek- ten der letzten Art endlich gehören zu den schönsten, die es in der

Ordnung der Trichopteren giebt; ihre gelben, wie bei den Schmetter- lingen mit Schuppen bedeckten Vorderflügel sind mit silbernen Quer-

. See

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 61

streifen und schwarzen runden Flecken geschmückt. Die Insekten der vorhergehenden Art haben ähnliche, jedoch viel verwachsenere Farben.

Es giebt noch einen anderen Typus von Leptoceriden-Fuiteralen in den Gewässern von Santa Catharina, der durch zwei sehr ähnliche, aber an Größe sehr verschiedene Arten (Fig. 14 und 15) vertreten ist. Ihre Fuiterale sind von kleinen Steinchen gemacht; sie sind kegelförmig, ge- krümmt; für die Umwandlung werden sie mit dem Bauchrande beider Enden befestigt und mit Steinen verschlossen, so dass eine halbmond- förmige Spalte frei bleibt, die längs des Bauchrandes mit Zähnen be- Setzt ist.

Die Futterale der größeren Art (Fig. 14) sind aus Steinchen von ungefähr 0,8 mm Durchmesser (im Ganzen wechseln sie von weniger als 0,3 bis 2 mm) angefertigt; die der erwachsenen Larven sind weni- ger gekrümmt und am vorderen Ende erweitert, als die der jüngern. An einem Gehäuse von 9 mm Länge hatte das vordere Ende 3 mm, das hintere 4 mm Durchmesser; der Radius der Krümmung der Bauchseite betrug ungefähr I cm. Dagegen hatte an einem schon befestigten Fut- teral von 15 mm Länge das vordere Ende 4 mm, das hintere 3 mm Durchmesser, und der Radius der Krümmung der Bauchseite betrug ungefähr 3 cm. Die hintere Öffnung des Larvenfutterals (Fig. 14 4A’) ist mit einer Querwand verschlossen, die aus einer braunen oder schwar- zen, harten Substanz, ähnlich der der Grumichafutterale besteht, an welche angeleimt sich gewöhnlich einige Steinchen finden; diese Wand nimmt die zwei unteren Drittel der Höhe der besagten Öffnung ein; das obere, dorsale Drittel lässt sie offen ; diese Öffnung ist unten von einer geraden Linie begrenzt. Die Futterale sind in einspringenden Winkeln oder Spalten der unteren Seite der Steine befestigt und zwar mit dem Bauchrande beider Enden, mittels eines harten, kurzen und breiten Bandes, das !/, bis !/; des Umfanges des Futterales einnimmt (Fig. 14 BCE).

Um den Bauchrand des hinteren Endes befestigen zu können, muss die Larve offenbar die dort vorhandene Querwand entfernen; wenn sie dann ihr Gehäuse wieder verschließen will, befolgt sie einen ganz ver- schiedenen Plan, indem sie einen engen Spalt zwischen den Bauchrän- dern der Querwand und des Futterals frei lässt (Fig. 14 E’). Überdies macht sie in diesen Spalt, längs dem Bauchrande des Futterals, eine Reihe von 12 bis 15 Zähnen (Fig. 14 B”), die aus derselben harten und dunkeln Substanz bestehen, wie der Deckel. Das vordere Ende wird auf dieselbe Weise befestigt; nur pflegen die Zähne des Spaltes kleiner und zahlreicher zu sein (Fig. 14 0”). Die äußere Oberfläche der Deckel ist fast immer mit kleinen flachen Steinen bedeckt (Fig. 14 B’, C).

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Der hintere Spalt findet sich in der Regel nicht am Ende, sondern ist ‚ein wenig nach innen zurückgezogen, indem der Bauchtheil des Deckels sich etwas in das Innere des Futterals krümmt (Fig. 14 E’, E").

Wie bei Grumicha können die Puppengehäuse nach ihrer Größe in zwei verschiedene Gruppen getheilt werden; die größeren (Fig. 14 D, E) haben ungefähr 15 mm, die kleineren (Fig. 14 B, 0) ungefähr 12 mm Länge; es ist sehr wahrscheinlich, dass, wie bei jener Art die größeren von Weibchen, die kleineren von Männchen bewohnt sind.

Die Futterale der kleineren Art (Fig. 15) sind im Ganzen denen der größeren ähnlich; die Länge der erwachsenen beträgt 8—9 mm, der vordere Durchmesser ungefähr 2, der hintere ungefähr 11/; mm, der Radius der Krümmung der Bauchseite ungefähr 15 mm. Sie sind aus kleineren Steinchen angefertigt, die im Allgemeinen 0,5 mm nicht über- schreiten. Die Öffnung des oberen Theils der Querwand, welche die hintere Öffnung verschließt (Fig. 15 A’) ist von ovaler Form, unten von einem Bogen begrenzt, und nicht ‚von einer geraden Linie wie bei der größeren Art.

Diese Wand pflegt von bräunlicher Farbe zu sein, dunkler um die Öffnung herum, manchmal blass, andere Male schwarz. Die Art, das Futteral zur Verwandlung in die Puppe zu verschließen und zu be- festigen ist dieselbe wie bei der größeren Art; der einzige bemerkens- werthe Unterschied besteht in den zum vorderen Deckel gebrauchten Steinen; statt einiger kleinerer platter Steine, die sich nicht über die Ebene des Einganges erheben, verstopft die kleinere Art sowohl die vordere als die hintere Öffnung des Futterals mit einem einzigen Stein- chen, welches weit über diese Öffnungen nach außen vorzuspringen pflegt (Fig. 15 B’, B”).

So unregelmäßig diese Steinchen, von außen gesehen, erscheinen, so sind sie doch stets mit vieler Sorgfalt ausgesucht; wenn man sie untersucht, nachdem sie die Puppe bei ihrem Ausschlüpfen aus dem Futteral entfernt hat, sieht man, dass sie alle eine fast ebene und kreisförmige Fläche haben, gleich der Öffnung des Futterals, dessen Innerem diese Fläche zugewendet ist.

4) Gehäuse von Arten unsicherer systematischer Stellung (Fig. 16, 17).

Von den beiden folgenden Arten habe ich bis jetzt weder die ferti- gen Insekten, noch auch die Puppen untersuchen können, eben so wenig habe ich an den Larven Merkmale gefunden, die mir gestattet hätten, die Familie, zu der sie gehören, mit Sicherheit zu bestimmen; ich kann nur sagen, dass es entweder Leptoceriden oder Sericostomiden sind. Zu

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 63

Gunsten dieser letzteren Familie können die Vorderecken des Prothorax angeführt werden, die bei den Larven der ersteren Art in scharfe und lange Spitzen ausgezogen sind, was an die zugespitzten Vorderecken der Brustringe erinnert, die, nach Pıcret, die Larven der Gattung Tricho- stoma aus der Familie der Sericostomiden charakterisiren !. Die Ge- häuse beider Arten sind plattgedrückt und aus Blättern gemacht; die der ersteren Art (Fig. 16) bestehen fast immer aus vier Blattstücken, von denen zwei die Bauchseite und die beiden anderen die Rückenseite bilden; ihre Größe und Gestalt sind im höchsten Grade wechselnd, wie die Figuren 16 A, B, C, D, alle in natürlicher Größe, zeigen. Was kon- stant ist, ist 1) dass die beiden vorderen Blätter den vorderen Theil der hinteren bedecken; 2) dass das vordere Rückenblatt sich nach vorn weit über das Bauchblatt hinaus ausdehnt, so dass es auf diese Weise den Kopf der Larve schützt; 3) dass die obere Fläche der Blätter dem Inneren des Gehäuses zugekehrt und die untere nach außen gewendet ist. Diese letzte Regel scheint keine Ausnahme zu haben, und es wir- ken vielleicht zwei Beweggründe dahin zusammen, dass die Larve die Blätter immer in dieser Weise legt, da nicht nur die untere Fläche wegen der Nerven weniger glatt ist, sondern es auch leichter ist, irgend ein Blatt so zu krümmen, dass die untere Fläche sich konvex biegt und die obere konkav, als in entgegengesetztem Sinne. Die Blätter dehnen sich im Allgemeinen nach den Seiten weit über die innere Höhlung des Gehäuses (Fig. 16 E) aus, die mit einer sehr dünnen Haut ausgekleidet ist; der Querschnitt derselben ist von elliptischer Gestalt, ungefähr halb so hoch als breit. Die Dimensionen des inneren Hohlraumes sind viel weniger variabel als die der Blätter; er hat etwa 45 mm Länge bei % mm Breite und 2 mm Höhe. Das Puppengehäuse ist nur mit dem vor- deren Ende befestigt, und zwar vermittels einiger Seidenfäden, die von beiden Seiten des Einganges ausgehen; der innere Hohlraum ist an jedem der beiden Enden mit einem Siebe (Fig. 16 D’) verschlossen. Diese Art ist zwar nicht sehr häufig, sie lebt aber an’ den verschieden- sten Örtlichkeiten, sowohl in fast stagnirenden Gewässern, als in Quel- len von raschem Lauf. Um sich festzusetzen zieht sie den Steinen die ins Wasser gefallenen Baumstämme vor.

Eine zweite Art (Fig. 17) ist sehr bemerkenswerth durch den unge- wöhnlichen Ort, an dem die Larve ihren Wohnsitz hat. Zwischen den Blättern der Bromeliaceen, die an den Bäumen des Urwaldes in reich- licher Menge schmarotzen, sammelt und erhält sich auf lange Zeit Regen- wasser, so wie auch eine außerordentliche Mannigfaltigkeit vegetabili-

! Westwoop, Introduct. to mod. classific. of Insects. II. p. 68.

64 Fritz Müller,

scher Substanzen : Bruchstücke von Zweigen, Blätter, Blüthen, Früchte und Samen, die bisweilen dort keimen; endlich trifft man hier eine Menge Land- und Wasserthiere, die sich von den mehr oder weniger verwesten oder in Humus umgewandelten vegetabilischen Überresten nähren: Landplanarien (Geoplana), Blutegel (Clepsine), Asseln, Tausend- füße, Ameisen, Dipterenlarven, Wasserjungfern etc. Eines Tages fiel mir ein, dass, eben so gut wie so viele andere wasserbewohnende Larven, in diesen luftigen Wasserbehältern auch irgend eine Tricho- pterenlarve leben könnte. Mit dem Waldmesser bewaffnet ging ich sofort in den Wald und hatte wohl kaum ein Dutzend Bromelien abgehauen

und untersucht, als ich auf ein Trichopterengehäuse stieß, das von allen,

die ich an anderen Orten gesehen hatte, verschieden war, wenn es auch denen der vorigen Art sehr ähnlich ist. Wie diese ist es aus Blattstücken gemacht und in der That ist das das einzige Baumaterial, das die Larve hier zu ihrer Verfügung hat. Der Bau des Gehäuses ist anscheinend sehr ähnlich dem der letzten Art, es wird aber hinreichen folgende Unterschiede hervorzuheben, um sie sicher zu unterscheiden:

1) Die Gehäuse sind viel kleiner; das größte, das ich gesehen habe,

hatte I mm Länge bei 4 mm Breite; der innere Hohlraum hatte etwa

2 mm Breite bei I mm Höhe.

2) Die Zahl der Blattstücke ist viel größer; in der Regel beträgt sie 14 (wovon 5 auf die Bauchseite, 6 auf die Rückenseite kommen, Fig. 17 A, A’) oder 13 (6 auf der Bauch-, 7 auf der Rückenseite, Fig. 17 B, B'); das kleinste Gehäuse, das ich gesehen habe, hat 7,5 mm Länge und ist aus 9 Stücken (4 Bauch- und 5 Rückenstücken) zusammengesetzt.

3) Diese Blattstücke sind schärfer von einander abgesetzt und in der Mitte der Rücken- und Bauchfläche regelmäßig gekrümmt.

k) Sie gehen über die Seiten des inneren Hohlraumes nicht viel hin- aus; die Gehäuse haben daher ein viel regelmäßigeres und gleichartige- res Aussehen.

Die Seitenkanten sind scharf und fast geradlinig, entweder parallel (Fig. 17 A) oder nach hinten merklich konvergirend (Fig. 17 B). Die übermäßige Breite und die unregelmäßigen Ränder vieler Gehäuse der vorhergehenden Art würden für den engen Wohnsitz des Bromelien- gastes nicht passen !.

! Es giebt noch eine dritte Art, die in den Dimensionen des Gehäuses und der Zahl der Blätter, aus denen es gemacht ist, zwischen den beiden beschriebenen die Mitte hält. Ich werde sie in einem Nachtrage zu dieser Arbeit beschreiben.

RR

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 65

5) Die Gehäuse der Sericostomiden (Fig. 18—21).

Die Familie der Sericostomiden ist bis jetzt in der Provinz Santa Catharina nur durch die Gattung Helicopsyche vertreten.

Nun sind die schneckenförmigen Gehäuse dieser Gattung schon so viele Male beschrieben worden, dass es sich nur dann der Mühe lohnen würde, von den Arten von Santa Catharina zu sprechen, wenn es mög- lich wäre, sie mit den zahlreichen von ‚verschiedenen Autoren veröffent- lichten Arten zu vergleichen und ihre unterscheidenden Merkmale fest- zustellen.

Ich beschränke mich daher darauf, die Abbildungen derjenigen Formen zu geben, denen ich begegnet bin.

Die erste derselben (Fig. 18) ist häufig in verschiedenen Quellen von raschem Lauf, ungemein häufig über der Waldschlucht » Trauriger Jammer« in Blumenau. Wenn ich mich nicht irre, war es diese nämliche Art, die ich auf der Serra do Itajahy gesehen habe. Eine zweite (Fig. 19) wurde nur in dem » Weißbach« (Ribeiräo Branco), einem Zufluss des Itajahy, gefunden; eine dritte (Fig. 20) in stehendem Wasser des Baches Garcia; eine vierte (Fig. 21), wie es scheint, sehr seltene, sowohl im Bache Garcia als in einigen kleineren Bächen.

Da ich von den Helicopsyche-Arten spreche, so darf ich nicht unter- lassen, eine Stelle Hacen’s!, die sich auf diese Thiere bezieht, zu be- rühren. Nachdem er die von Suurteworru beobachtete Thatsache eitirt hat, dass sich in allen mit Deckeln versehenen Gehäusen Larven oder Puppen fanden, fährt Hagen fort: »daraus würde sich ergeben, dass diese Thiere, gegen die Gewohnheit der Phryganiden, schon als Larven ihre Gehäuse mit einem Deckel versehen, der bei anderen Arten nur im Puppenzustande angetroffen wird«. Nun befestigen und verschließen aber alle Trichopterenlarven ihre Gehäuse, bevor sie sich in Puppen umwandeln; alle bleiben, nachdem das Gehäuse für die Verwandlung bereit ist, noch einige Zeit im Larvenzustande. Die Helicopsyche-Arten unterscheiden sich in dieser Beziehung in Nichts von den übrigen Trichopteren; sie machen ebenfalls den Deckel des Einganges erst, wenn sie im Begriffe stehen sich zu verwandeln und nachdem sie ihr Gehäuse befestigt haben.

6) Die Larven der Hydroptiliden (Fig. 22—30). Noch übrig ist die Familie der Hydroptiliden, die in Bezug auf die Gehäuse oder Futterale der Larven bis jetzt von allen die reichste an

1 Hasen, 1. c. p. 425. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Ba.

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ganz neuen und interessanten Formen ist. Haszn kannte im Jahre 1864 die Gehäuse von vier Arten dieser Familie ; bis jetzt habe ich schon neun neue Arten angetroffen, die sechs verschiedene Typen darstellen.

Die Gehäuse der ersten Art (Fig. 22) sind diejenigen, die denen der anderen Familien noch am meisten ähnlich sehen. Da sie in ihren Dimensionen nicht viel hinter denen zurückstehen, die bei den Lepto- ceriden und Sericostomiden angetroffen werden, so könnten sie für Ge- häuse einer Art dieser Familien .durchgehen. Es sind dünne Röhren, deren Länge nicht über 2,5 mm hinausgeht, bei 0,5 mm Breite; sie sind aus einer elastischen, widerstandsfähigen Haut gemacht, die mit feinstem Sande von hellbrauner Farbe bedeckt ist. Sie sind nicht walzen- föormig, sondern abgeplattet, so dass ihre Höhe ungefähr die Hälfte der Breite beträgt; die Bauchfläche ist entweder eben (Fig. 22 C’), oder häufiger ein wenig konkav (Fig. 22 A’); von oben gesehen zeigen sie die Seiten entweder gerade, nach dem hinteren Ende etwas konver- girend (Fig. 22 A) oder etwas konvex (Fig. 22 B, O).

Die Mundöffnung befindet sich an der Bauchseite, sie ist manchmal von einer Art Schild bedeckt, welches breiter ist, als der übrige Theil der Röhre (Fig. 22 B, D). Die Afteröffnung liegt entweder am Ende oder auf der Bauchseite der Röhre. Die Röhren sind mit dem Bauchrande beider Enden befestigt; am Mundende haben sie zwei Haftscheiben oder eine einzige zweilappige, am Afterende eine einfache Scheibe (Fig. 22 0). Diese winzige Art ist in allen größeren und kleineren Bächen ziemlich häufig auf der unteren Seite der Steine.‘ Die Larven dieser und der folgenden Art sind die einzigen aus der Familie der Hydroptiliden, bei denen ich Kiemen gesehen habe; es sind drei lange Fäden am Ende des Hinterleibes.

Die drei folgenden Arten (Fig. 233—25) bauen ihre Futterale nach dem Typus der Gattung Hydroptila, von der sich indess die fertigen In- sekten dadurch unterscheiden, dass sie einen Sporn an den Hinter- schienen haben. Die Futterale sind seitlich zusammengedrückt und öffnen sich an jedem Ende mit einem sehr schmalen senkrechten Schlitz. Die Gehäuse der ersten dieser drei Arten (Fig. 23) haben ungefähr 3 mm Länge bei I mm Höhe und 0,5 mm Breite; sie sind aus einer widerstands- fähigen Haut gemacht, mit feinem Sand bedeckt und von aschgrauer Farbe. Ihr Querdurchschnitt (Fig. 33 C’) ist linsenförmig; Rückenrand und Bauchrand sind gerade und fast immer parallel (Fig. 23 A, B); manchmal indessen konvergiren sie ein wenig nach einem Ende

(Fig. 23 C). Die Enden sind abgerundet, halbkreisförmig (Fig. 23 A, 0);

bisweilen bilden sie Bogen von mehr als 180° und sind in diesem Falle

breiter als der mittlere Theil (Fig. 23 B). Es besteht kein Unterschied

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zwischen Vorder- und Hinterende, eben so wenig zwischen Rücken- und Bauchkante. Die Larve tritt ohne Unterschied aus dem einen oder anderen Ende hervor. Zur Verwandlung werden die Gehäuse an beiden Enden mit faserigen Bändern befestigt.

In der Gestalt und den Dimensionen sind die Gehäuse dieser Art denen der folgenden (Fig. 24) sehr ähnlich; doch sind deren Gehäuse an der Verschiedenheit des Materials, aus dem sie zusammengesetzt sind, und ihre Larven an dem Fehlen der Kiemen sehr leicht zu unter- scheiden. Auch zeigt sich bei ihnen in der Anordnung der Baustoffe eine sehr bemerkenswerthe Verschiedenheit zwischen dem Rücken- und dem Bauchrande, indem der Bau des Gehäuses vom Rückenrande her

angefangen wird. Das vordere und hintere Ende sind gleich. Manche

Gehäuse sind aus grünen Stengelchen gemacht, die bisweilen von einer Alge herstammen (Fig. 24 A); bisweilen scheinen sie verschiedener Art. Die zahlreichsten Gehäuse (Fig. 24 B, C) sind aus Diatomeen (Fig. 24 D) gemacht, rechteckigen mikroskopischen Stäbchen von etwa 0,25 mm Länge hei 0,01 bis 0,015 mm Breite; die koncenirischen Streifen, die durch die Anordnung dieser Stäbchen hervorgebracht werden, geben den kleinen Gehäusen das Aussehen winziger Muscheln.

Zusammen mit diesen, oder auch für sich allein, verwenden die Larven eine andere Art Stäbchen von einer schönen Orangefarbe (Fig. 24 D’), die aus Gliedern von 0,02 bis 0,025 mm Breite zusammen- gesetzt sind, und sich von den blassen, durchscheinenden Stäbchen wie goldige Guirlanden abheben. Die Gehäuse werden wie die der vor- hergehenden Art befestigt (Fig. 24 B, C).

Die Gehäuse der dritten catharinensischen Art (Fig. 25), die nach dem Typus von Hydroptila gebaut werden, sind nur aus einer farblosen, durchscheinenden Substanz zusammengesetzt, die von der Larve selbst hervorgebracht wird, ohne Hinzunahme fremder Körper.

Sie haben 3 bis 3,5 mm Länge bei 1 bis 1,25 mm Höhe und 0,3 mm

Breite; sie sind also stark zusammengedrückt, besonders im oberen

Theile (Fig. 25 B’, B”).

Der Bauchrand ist fast gerade, der mittlere Theil des Rückenrandes sehr konvex, die Enden abgerundet. Zwischen den beiden mit enger Spalte versehenen Enden ist kein Unterschied.

Das Gehäuse wird mittels Fasern, die sich dem ganzen Bauchrande entlang zu erstrecken scheinen, in senkrechter Stellung an den Steinen festgeheftet.

Die drei vorhergehenden Arten sind nicht sehr selten an den Steinen des Bugres-Baches, der fast zwei Kilometer unterhalb des Baches Garcia

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68 Fritz Müller,

auf der rechten Seite in den Itajahy mündet. Einige wenige Exemplare wurden auch an anderen Stellen gefunden.

Derselbe Bugresbach ist auch der Lieblingswohnsitz der folgenden Art (Fig. 26), deren Häuschen einen ganz neuen Typus darstellen. Wegen der beiden Schlote oder Röhren, mit denen diese Häuschen ver- sehen sind, habe ich diesem Typus den Namen Diaulus (dıavlog = zweiröhrig) gegeben; die Art Diaulus Ladislavii, habe ich zu Ehren des Direktors des National-Museums von Rio de Janeiro benannt.

Die Gehäuse, von ungefähr 2,5 mm Länge bei 0,75 mm Breite, sind von den Seiten stark zusammengedrückt, so dass ihre Breite ein Drittel

bis ein Halb der Höhe beträgt. Der Querdurchschnitt ist elliptisch oder

linsenförmig; Rücken- und Bauchrand sind fast gerade und parallel; die beiden Enden, zwischen denen kein Unterschied ist, sind gerundet und mit einem schmalen Schlitz versehen. Vom Rückenrande erheben sich zwei fast cylindrische Röhren, von ungefähr 0,2 mm Durchmesser und doppelt so viel Höhe, entweder senkrecht oder ein wenig nach den Enden des Gehäuses geneigt. Der Abstand der beiden Röhren ist im Allgemeinen gleich oder wenig größer als die Hälfte der Länge des Ge- häuses; bisweilen jedoch ist der Abstand nur ein Drittel dieser Länge oder noch kleiner. Bei einem einzigen Gehäuse (Fig. 26 B) unter Tausen- den, die ich sah, habe ich drei Röhren statt zwei angetroffen. Die Ge- häuse des Diaulus Ladislavii sind aus denselben rechteckigen und durchsichtigen Stäbchen (Fig. 24 D) gebaut, die von einer der vorher- gehenden Arten verwendet werden und die sich an den Steinen, wo ihre Larven leben, in reichlicher Menge vorfinden. Die Anordnung der Stäbchen (Fig. 26 CO) lässt erkennen, dass der Bau des Gehäuses mit der Mitte des Rückenrandes angefangen wird; der obere Theil der Röhren wird nur aus einer durchscheinenden Haut, ohne Stäbchen, gemacht. Oftmals habe ich die Larven dieser, wie auch der Art von Fig. 23, mit ' dem Mikroskop lebend in ihren Gehäusen beobachtet. Die Form der Gehäuse ist, abgesehen von den beiden Röhren des Diaulus, fast die- selbe, aber das Verhalten der Larven ist sehr verschieden. Die der mit Schloten versehenen Häuschen verhalten sich ruhig, fast bewegunsslos, die der nur mit zwei schmalen Schlitzen versehenen Häuschen dagegen machen mit ihrem Hinterleib fast ununterbrochen lebhaft schlängelnde Bewegungen. Der Grund dieser Verschiedenheit ist leicht einzusehen. Die engen Thüren, die den Vortheil haben, den Eintritt irgend eines

Feindes zu hindern, haben gleichzeitig die Unbequemlichkeit den Durch-

gang des für die Athmung der Larve unentbehrlichen Wassers zu erschweren; diese ist dadurch genöthigt, zur Erneuerung desselben un- unterbrochene Anstrengungen zu machen.

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 69

In den Gehäusen des Diaulus Ladislavii geben die Schlote dem Wasser leichten Zutritt, und die Larven können ausruhen, während die anderen arbeiten. Es ist sehr merkwürdig, dass so verschiedene Larven wie die des Diaulus Ladislavii und der Rhyacophiliden, die bewegliche Häuschen aus Steinen (Fig. 3) machen, sich zur Erleichterung der Cir- kulation des Wassers in ihren Gehäusen desselben Auskunftsmittels be- - dienen, obgleich diese Gehäuse doch übrigens ganz verschieden sind. Zur Verwandlung in Puppen werden die Gehäuse des Diaulus Ladislavii mit dem ganzen Bauchrande in senkrechter Stellung an der oberen Seite von Steinen befestigt. Die Larven setzen sich gern Seite an Seite neben einander fest, so dass sie bisweilen ganze Dörfer dieser niedlichen Doppelschlothäuschen bilden.

Nachdem das Gehäuse befestigt ist, webt die Larve einen ovalen, am vorderen Ende etwas erweiterten Kokon, der auf allen Seiten ge- schlossen ist wie der der Rhyacophiliden, von dem er sich dadurch unterscheidet, dass er nicht frei liegt, sondern mit den Wänden des Gehäuses zusammenhängt. Wie Diaulus verhalten sich in dieser Be- ziehung auch die drei folgenden Arten.

In einigen kleinen, langsam fließenden Bächen, die mit Heteran- thera reniformis, Gallitriche und Spirogyren erfüllt sind, waren Mitte August Larven und Puppen einer sehr interessanten Hydroptiliden-Art (Fig. 27) sehr häufig, der ich, nach der Form ihrer Futterale und der Pflanze, auf der sie leben und von der sich die Larven nähren, den Namen Lagenopsyche Spirogyrae gegeben habe. Eine zweite Art der- selben Gattung, für die ich, wegen der vollkommenen Durchsichtigkeit ihrer Futterale, den Namen Lagenopsyche hyalina vorschlage (Fig. 28), lebt unter Steinen, in Quellen von rascherem Laufe, wie im Bugresbache.

Um sich eine Vorstellung von den Larven von Lagenopsyche zu machen, denke man sich den Boden einer Flasche abgeschnitten und dann den unteren Theil dieser bodenlosen Flasche zusammengedrückt, bis sich die entgegengesetzten Ränder berühren. Die Mündung der ‚Flasche ist kreisförmig; weiter hinten ist der Querdurchschnitt elliptisch, so dass die beiden Achsen der Ellipse immer verschiedener werden ; die längere Achse nimmt nämlich mehr und mehr zu, während die kürzere bis nahe dem entgegengesetzten Ende etwa gleich dem Durch- messer der Mündung bleibt; hier nimmt sie plötzlich ab und reducirt sich an dem Ende selbst, in welchem die entgegengesetzten Wände sich an einander legen, auf Null. Die Larve tritt aus ihrem Gehäuse durch die Mündung hervor, kann jedoch auch aus dem entgegengesetzten Ende hervortreten, indem sie die sich berührenden Wände des Spaites von einander entfernt; sie trägt das Futteral in solcher Stellung, dass die

70 Fritz Müller,

größere Achse jedes Querschnittes senkrecht, die kleinere wagerecht steht (Fig. 27 C). Während bei den Häuschen von Diaulus Ladislavii kein Unterschied zwischen den beiden Enden, dagegen ein sehr großer Unterschied zwischen Rücken- und Bauchseite besteht, sind bei den Futteralen von Lagenopsyche, im Gegentheile, Rücken- und Bauchrand identisch, so dass das Thier ohne Unterschied den einen oder den ande- ren nach oben kehrt, dagegen die beiden Enden sehr verschieden, in- dem das vordere eine kreisförmige Mündung, das hintere einen vertika- len Spalt darstellt.

Die Futterale werden, ohne fremde Körper, nur aus einem Stoffe gemacht, den die außerordentlich großen Seiden- oder Spinndrüsen der Larve liefern; aus diesem Stoffe wird, indem er erhärtet, eine leder- artige elastische Haut.

Der Bau der Futterale beginnt mit der Mündung der Flasche (Fig. 27 A, B, C, D) und es scheint, dass die Larve, indem sie ihr Werk hinten fortsetzt, gleichzeitig den vorderen Theil mit neuen Schichten verstärkt; wenigstens sind dort die Wände der Flasche viel dicker, während sie am entgegengesetzten Ende am dünnsten sind. Allen übri- gen Trichopterenlarven, deren Gehäuse zwei verschiedene Enden haben, dient das neueste Ende als Thür; die von Lagenopsyche sind die einzi- gen, deren Thür sich am ältesten Ende befindet. Dieser Thür oder Flaschenmündung wird von Anfang an ihr definitiver Durchmesser ge- geben; sie erfährt später keine Erweiterung. Es erscheint mir wahr- scheinlich, dass die Larven im zarten Alter ohne Futterale leben; wenigstens waren die kleinsten Futterale, die ich gesehen habe, von schon ziemlich herangewachsenen Larven bewohnt, denen sie kaum irgend einen Schutz gewähren konnten; es waren sehr kurze Trichter von äußerst dünner Haut, in denen noch nicht einmal die Hälfte der Larve Platz hatte. Wahrscheinlich wird der Hauptnutzen des Futterals darin bestehen, nicht die Larve, sondern vielmehr die Puppe zu schützen, die unfähig ist zu fliehen und sich zu veriheidigen. Die Mündung der Flasche hat bei Lagenopsyche Spirogyrae ungefähr 0,5 mm Durchmesser, während die Länge 3,5 bis 4,5 mm und die Höhe des hinteren Endes 1,25 bis 1,5 mm beträgt. Weder in der Form noch in den Dimensionen unterscheiden sich die Flaschen von Lagenopsyche hyalina (Fig. 28 A) bemerkenswerth von denen von L. Spirogyrae. Ein auffallenderer Unterschied zwischen beiden Arten besteht in dem Aus- sehen der Futterale, die bei L. hyalina farblos und vollständig durch- sichtig, bei L. Spirogyrae von einer dunkelrothen, mehr oder weniger ins Braune spielenden Farbe sind; diese Farbe der Spirogyraefutterale ist am Munde dunkler, bisweilen fast schwarz, bleibt dagegen hinten

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse, 71

jedes Mal heller und verwaschen. Nebenbei sei bemerkt, dass sich die Larven beider Arten leicht an den Mittel- und Hinterbeinen unter- scheiden lassen, die bei L. Spirogyrae mit viel längeren Krallen ver- sehen sind, als bei L. hyalina. Die Larven der Lagenopsyche Spirogyrae befestigen ihre Futterale an der unteren Seite der Blätter von Heteran- thera oder Gallitriche (ich habe 17 Futterale an einem einzigen Blatte von Heteranthera gezählt) die der L. hyalina an der Unterseite von Steinen. Zu diesem Zwecke wird das Futteral auf eine Seite gelegt, und dann jederseits an beiden Enden mittels gestielter Haftscheiben be- festigt; Alle diese Stiele sind bei L. Spirogyrae (Fig. 27 E, F) einfach; bei L. hyalina dagegen theilen sich die des dem Munde entgegengesetz- ten Flaschenendes in zwei Äste, deren jeder mit einer Scheibe endigt (Fig. 28 B, C).

Nachdem das Futteral befestigt ist, spinnt die Larve ihren an allen Seiten geschlossenen Kokon, der mit den Wänden des Futterals ver- schmilzt; von diesem bleibt nur etwa ein halbes Millimeter am breiteren Ende unbesetzt. Das Ende, welches für die Larve das hintere war, ist für die Puppe das vordere, denn bevor sie sich umwandelt, wechselt die Larve zwei Mal ihre Stellung; zuerst (Fig. 27 E) wendet sie ihren Kopf nach dem breiteren Ende und dann (Fig. 27 F) dreht sie den Rücken an die freie Oberfläche des Futterals. Obgleich übrigens sehr verschieden, gleichen die Futterale von Lagenopsyche in der Art, wie sie befestigt werden, denen der Hydroptila flabellifera Bremi, die in der Schweiz gefunden worden sind und nach Hasen zur Gattung Agraylea ! gehören können.

Der erste Versuch einer Eintheilung der Trichopterengehäuse scheint von WıLLucHBy gemacht worden zu sein; er wurde 1710 in der Historia Insectorum von Ray veröffentlicht.

Die Gehäuse werden in zwei Hauptklassen getheilt 2:

»Insecta aquatica thecis se contegentia sunt vel theca

I. immobili seu lapidibus affıxa ..... . vel II. mobili aut portatili, migratoria «.

- Dieser Eintheilung Wırrucagy’s ist noch Hagen ® gefolgt, der eben- falls unterscheidet: 1) befestigte, unbewegliche Gehäuse; 2) freie, be- wegliche Gehäuse.

Und in der That können alle bekannten Arten auf eine dieser bei- den Klassen bezogen werden. Heute liegt der Fall anders; in den Quellen Santa Catharina’s giebt es eine Larve, für die WıLLucHBYy eine

1 Hacen, 1, c. p. 445 und p. 234, Nr. 44. 2 Hasen, 1. c. p. 139. Westwoo», Introduct. II. p. 63. 3 HAGEN, 1. c. p. 14% und 223. |

72 Fritz Müller,

dritte Klasse aufstellen müsste : »theca lapidibus affıxa, mobili«, da ihre Futterale mittels eines biegsamen Seiles befestigt sind (Fig. 29). Ich stelle für diese merkwürdige Art den Namen Rhyacopsyche Hagenii auf, indem ich sie dem ausgezeichneten Entomologen am Museum zu Cam- bridge, Dr. H. A. Hasen, widme. Die Gestalt der Futterale dieser Art ändert sich etwas mit dem Alter derLarve, entsprechend dem wachsen- den Umfange des Hinterleibes, der in der Familie der Hydroptiliden bei erwachsenen Larven eine bisweilen außerordentliche Dicke zu erreichen pflegt. Die Futterale der weniger alten Larven, die ich gesehen habe, waren cylindrisch, fast gerade, an beiden Enden geöffnet, von unge- fähr 4,5 mm Länge bei 0,4 mm Durchmesser. Vom Rande einer der Öffnungen geht ein Seil ab, aus in der Regel wenig unterscheidbaren, mehr oder weniger gedrehten Fäden, dessen Länge der des Futterals ungefähr gleich zu sein pflegt; mit dem anderen Ende ist das Seil an der oberen Seite irgend eines Steines befestigt. Die Farbe des Futterals ist verwaschen braun; ich wage nicht zu entscheiden, ob es ohne fremde Körper gemacht wird, oder ob mikroskopische Algenfragmente in seine Zusammensetzung eintreten. Später erscheint an der Seite des Cylinders, von der das Seil ausgeht, eine Art Bruch (hernia) (Fig. 29 A, B, C); er wird von einer glatteren, blassen Haut gebildet, die mit der Zeit, sowohl an Länge als an Breite, immer mehr zunimmt, bis sie schließlich fast drei Viertel der Länge des Gylinders einnimmt (Fig. 29 C) und in der Mitte eben so dick wie dieser ist. Die Grenze zwischen dem ursprünglichen Cylinder und diesem Zuwachs neuern Datums hebt sich im Allgemeinen sehr scharf ab; wenn die Larve im Begriff steht, sich zu verwandeln, verschließt sie zuerst (Fig. 29 D, E) das dem Seilende entgegengesetzte Ende des Futterals mit einer homogenen, der des Fut- terals gleichen Haut. Gleichzeitig beginnt die ganze Wand des Futterals mittels neuer Schichten sich bedeutend zu verdicken, wodurch ihre Haut jedes Mal dunkler wird. Dann verkürzt sich die Länge des Seiles bedeutend und es verwandelt sich in einen kurzen und festen Schaft, der im Stande ist, das Futteral in aufrechter Stellung zu tragen. End- lich wird die zweite Öffnung des Futterals ebenfalls verschlossen (Fig. 29 F). Die Puppe befindet sich in dem Futterale mit dem Kopfe nach oben; zum Ausschlüpfen macht sie am oberen Ende ein Loch.

Diese Hydroptilide ist sehr selten; ich habe wenigstens noch keine Stelle gefunden, wo sie häufig wäre. |

Sie lebt in verschiedenen Bächen (Jordan, Affenwinkel, Trauriger Jammer u. s. w), zieht aber Stellen vor, wo der Lauf des Wassers sehr rasch ist. Sie scheint sich von Algen zu nähren, die gewöhnlich die Steine solcher Stellen bedecken.

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 73

Da sie sich mit einem Seile festheftet, so kann sie nicht von der Strömung des Wassers weggeführt werden und theilt auf diese Weise _ den Vortheil der unbeweglichen Gehäuse; gleichzeitig ist sie aber im Stande, eine weit größere Fläche abzuweiden als wenn das Gehäuse unbeweglich wäre; die Larve kann ohne Unterschied aus der einen oder anderen Thür ihres Häuschens hervortreten und wird wahrscheinlich die Länge des Seiles verändern können. Diese sonderbare Gewohnheit, ein Haus an einem biegsamen Seile zu befestigen, wird dem sehr selt- sam erscheinen müssen, der nur die Gehäuse und die todten Larven studirt. Wer die lebenden Larven 'beobachtet, wird sich leicht über- zeugen können, dass mannigfache andere Arten ebenfalls ihre Gehäuse zu befestigen pflegen, wenn auch nur vorübergehend. Wenn man z.B. Larven von Helicopsyche in ein Wasserglas setzt, an dessen senkrech- ten Wänden sie, da sie mit schweren Steinhäusern belastet wandern, nur mit vieler Mühe emporklimmen und sich festhalten können, so ver- weilen sie trotzdem oftmals während ganzer Stunden an irgend einem Punkte dieser Wände. Untersucht man diese Larven-Halteplätze, so sieht man, dass die Larven sich vollkommen in das Gehäuse zurückge- zogen haben, ohne sich mit den Beinen festzuhalten, und wenn man das Glas leicht schüttelt, überzeugt man sich, dass sie sich mit einigen Seidenfäden angeheftet haben. Es ist wohl bekannt, dass verschiedene Schmetterlingsraupen,, die in Futteralen leben (Psyche), auf dieselbe Weise vorschreiten, indem sie mit einigen Fäden die Futterale festheften und sich in das Innere derselben zurückziehen, wenn sie sich ausruhen wollen.

Ich schließe die Reihe neuer Formen, die ich so eben beschrieben habe, mit einer Art (Fig. 30), von der ich noch nicht das vollkommene Insekt, sondern nur Bruchstücke der Puppe gesehen habe und desshalb nicht mit Sicherheit weiß, zu welcher Familie sie gehört. Der Hinter- leib der erwachsenen Larve ist äußerst stark verbreitert, mehr als bei irgend einer anderen catharinensischen Art; das ist der Hauptgrund, wesshalb ich sie hier besprochen habe.

Die Gehäuse sind unbeweglich, indem sie mit der ganzen Bauch- fläche an den Steinen größerer Bäche von raschem Laufe befestigt sind.

Vor einigen Jahren sah ich sie in großer Menge im Bache Warnow (einem Zufluss des Itajahy), wogegen sie im Bache Garcia sehr selten sind. Sie sind elliptisch, von A bis 5 mm Länge und 2,2 bis 2,5 mm Breite; in seltenen Fällen erheben sie sich in der Mitte auf mehr als 0,5 mm.

Sie sind also abgeplattet, ähnlich einem Schild, oder, noch besser, den Kapseln, welche die Eier der Nephelis vulgaris, eines in den Ge-

74 Fritz Müller,

wässern Europas sehr häufigen Blutegels, umschließen. Eben so wie diese Kapseln von Nephelis sind sie von brauner Farbe und aus einer lederartigen Substanz gemacht, die wahrscheinlich von den Spinndrüsen der Larve abgesondert worden ist. Die Rückenwand ist viel dichter als

die Bauchwand, so dass sie kaum unversehrt von dem Stein, an dem

sie sitzen, getrennt werden können. Auf der Rückenfläche erheben sich fast immer parallele Linien, die, senkrecht zur größeren Achse der Ellipse, fast ununterbrochen von einem zum anderen Seitenrande ver- laufen. Der Abstand von einer zur anderen Linie pflegt von 0,08 bis 0,12 mm zu variiren. Einmal sah ich diese Linien durch Querreihen kleiner Höcker ersetzt; in anderen Fällen sind die Linien mehr oder weniger unbestimmt. Nahe jedem Ende der größeren Achse befindet sich eine kreisförmige oder elliptische Öffnung, die die Larve vollständig zu verschließen scheint, ehe sie in den Puppenzustand übergeht.

Ich stelle für den Bewohner dieses merkwürdigen Gehäuses den Namen Peltopsyche Sieboldii auf, indem ich diese Art dem ehrwürdigen Veteranen der deutschen Zoologen, dem Professor Carı THEODOR von SIEBOLD, widme.

Das sind die Trichopterengehäuse, die ich bis jetzt in der Provinz

Santa Catharina gefunden habe. Ohne Zweifel muss die Zahl der Arten, die die Gewässer dieser Provinz bewohnen, sehr viel größer sein und meine Liste wird Nachträge, von wahrscheinlich größerer Ausdehnung als diese Liste selbst, erfordern. Unvollkommen jedoch und unvoll- ständig, wie sie ist, kann die vorliegende Arbeit vielleicht dazu dienen, andere Naturforscher anzuregen, in anderen Theilen des Reichs nicht nur die so merkwürdigen Gehäuse der Trichopteren zu sammeln, son- dern sich auch dem viel interessanteren Studium der Biologie ihrer Einwohner zu widmen.

Itajahy, Oktober 1878.

Nachtras.

Mit diesem Nachtrage beabsichtige ich nicht bloß die Liste der catharinensischen Arten zu vervollständigen, sondern auch ihre systema- tische Stellung, besser als es mir möglich war, so lange ich nur ihre Larven und Puppen kannte, zu präcisiren. Heute bereits habe ich die Verwandlung der meisten bis zum Zustande der fertigen Insekten ver- folgt. |

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Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 75

1) Hydropsychiden.

Diese Familie ist von MacLachran! in fünf Sektionen getheilt wor- den, von denen in der Provinz Santa Catharina sich wenigstens drei vertreten finden.

Das Gehäuse (Fig. 5) gehört zur Gattung Macronema, die Mac- LacaLan’s zweite Sektion ausmacht. Obgleich sie reich ist an über alle tropischen Länder verbreiteten Arten und sich in Nordamerika bis zum 46., in Asien bis zum 55. Breitengrade ausdehnt, wusste man noch Nichts von den Larven dieser Gattung und von ihren Gehäusen.

Die Gatiung Rhyacophylax (Fig. 6) wird in die vierte Sektion ein- treten müssen; sie unterscheidet sich von allen übrigen Gattungen, nicht nur dieser Sektion, sondern der ganzen Familie der Hydropsychi- den, durch die Zahl der Sporne an den Schienen der Männchen (Il, 4, 2).

In die fünfte Sektion ist wahrscheinlich eine kleine Hydropsychide einzureihen, von der ich die fertigen Insekten noch nicht gesehen habe, und deren Larven an senkrechten Felswänden, die vom Staubregen irgend eines Wasserfalles immer feucht gehalten werden, gewöhnlich sehr häufig sind. Wenigstens sind die von den Larven verfertigten Ge- häuse (Fig. 31 A, B) sehr ähnlich denen von Tinodes (Hydropsyche) maculicornis Pict.

Diese an den Felsen festsitzenden Gehäuse haben im Allgemeinen 1 bis 2 cm Länge bei doppelt so viel mm Breite; an beiden Enden sind sie etwas verdünnt; bisweilen steigert sich ihre Länge, ohne merkliche Zunahme der Breite, auf 4 bis 5 cm.

Die längsten sind gewöhnlich mehr oder weniger gekrümmt, so dass sie gewissen Würmern (Geoplana oder Nemertinen) ähneln, und zwar nicht nur in der Gestalt, sondern auch darin, dass sie weich sind.

Ihre Farbe ist aschgrau, mehr oder weniger grünlich.

Sie sind aus Seide gemacht, die mit mikroskopischen Algen, Dia- tomeen u. s. w. vermischt und bedeckt ist. Sie sind halb cylindrisch und haben keine Bauchwand, da der Felsen, dem sie die Seitenränder des Halbcylinders anlegen, selbst als solche dient.

Die Larven, die diese Gehäuse weben und bewohnen, erreichen bisweilen noch nicht einmal ein Zehntel der Länge der Gehäuse; auch behalten sie, wenn sie im Begriff sind, sich in Puppen umzuwandeln, nur ein kleines Stück, von eiwa 5 mm Länge, von ihrer Wohnung (Fig. 31 C), deren Wände sie sehr verdicken; gleichzeitig mit der Zu- nahme an Dicke werden die Wände widerstandsfähiger, hart und fast

1 MAcLachLan, A monographic revision and synopsis of the Trichoptera of the European fauna: Part. VII. 4878.

76 Fritz Müller,

knorpelig. Die Puppengehäuse haften fest an den Felsen, während die der Larven fast frei sind und dem Versuche, sie zu entfernen, keinen merklichen Widerstand entgegensetzen.

Im Flusse Itajahy traf ich an der Oberfläche von Felsen, besonders solcher, die mit Podostemeen besetzt waren, einige wenige Gehäuse einer Hydropsychide, die wahrscheinlich ebenfalls in die fünfte Sektion MacLacuzan’s gehört; sie sind bemerkenswerth wegen ihrer außer- ordentlichen Ähnlichkeit mit den Gehäusen der Gattung Peltopsyche aus der Familie der Hydroptiliden. Eben so wie diese sind es platte ellip- tische Schilde von mehr oder weniger dunkelbrauner Farbe von unge- fähr 7 mm Länge bei 3 mm Breite. Sie sind also größer als die unserer Peltopsyche-Arten. Es fehlt ihnen eine Bauchwand, da die Ränder an die Felsen festgeheftet sind. Sie sind aus Seide gemacht, die eine sehr widerstandsfähige, fast lederartige Haut bildet und deren innere Ober- fläche blässer oder bis vollkommen weiß ist. Ich habe die fertigen In- sekten noch nicht gesehen, aber die Puppen zeigen durch die Zahl der Schiensporne (2, 4, 4), durch die Kiefertaster und durch andere Merk- male, dass sie nicht zur Gattung Peltopsyche, auch nicht zu einer ande- ren Gattung der Hydroptiliden, sondern zu den Hydropsychiden gehören.

2) Leptoceriden.

MacLacntan theilt diese Familie in vier Sektionen, von denen der Fauna von Santa Catharina nur die erste fehlt.

Zur zweiten Sektion, die in der europäischen Fauna auf die Gattung Odontocerum beschränkt ist, gehören die beiden Arten, deren aus Steinchen gebaute Röhren in Fig. 14 und 15 dargestellt sind. Sie werden eine neue Gattung bilden müssen ; ich schlage für dieselbe den Namen Marilia vor und nenne die beiden Arten Marilia major (Fig. 14) und Marilia minor (Fig. 15). Diese neue Gattung unterscheidet sich von Odontocerum durch die nicht gezähnten Fühler, durch die sehr großen Augen der Männchen (auf dem Scheitel der Männchen von Marilia minor berühren sich die Augen; bei Marilia major sind sie nur durch einen schmalen Zwischenraum getrennt), durch das Verschmelzen des Radius und der ersten Endader (sector apical) sowohl auf den Vorder- als auf den Hinterflügeln, und durch andere Merkmale.

. Die beiden Arten Marilia, deren Gehäuse ich beschrieben habe, sind in verschiedenen Bächen häufig. Es giebt eine dritte, anscheinend sehr seltene Art, deren Larven ich im Flusse Itajahy gefunden habe. Die Gehäuse unterscheiden sich von denen von Marilia major fast nur dadurch, dass sie viel kürzer sind, so dass es überflüssig ist, eine Ab- bildung von ihnen zu geben; um eine genaue Vorstellung von ihrer

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse, 77

Gestalt zu gewinnen, braucht man sich nur von den Gehäusen von Marilia major (Fig. 14 A) die hintere Hälfte abgeschnitten zu denken. Das einzige Gehäuse dieser dritten Art, welches ich jetzt habe, hat 6 mm Länge, 2 mm Durchmesser des Einganges und 1,5 mm Durch- messer des hinteren Endes. Das hintere Ende ist, wie bei den anderen Marilia-Arten, durch eine Querscheidewand mit einem elliptischen Loch im oberen Theile verschlossen. Die Substanz, aus der diese Wand ge- macht ist und mit der die Steinchen des Gehäuses an einander geleimt sind, ist sehr blass, fast farblos, während sie bei den beiden anderen Arten schwarz oder braun ist.

Vielleicht muss in dieselbe zweite Sektion MacLacaLan’s auch die Grumicha (Fig. 8) eingeschlossen werden ; wenigstens wird sie von der vierten Sektion durch das Fehlen der Medianzelle, von der dritten durch das Vorhandensein einer zweiten Endgabel (apical fork«) in allen Flügeln ausgeschlossen.

In die dritte Sektion MacLacnran’s gehören die Arten der Figu- ren 7, 9, 10, 42, 43 und wahrscheinlich, nach der Länge der Hinter- beine der Larven zu urtheilen, die von Figur 11. Die genannten Arten gehören zu drei verschiedenen Gattungen.

Tetracentron. Die Insekten, deren Larven in hohlen Stäb- chen (Fig. 7) oder als Eindringlinge in den Gehäusen von Grumicha (Fig. 9) leben, bieten alle von Brauer für die Gattung Tetracentron an- gegebenen Merkmale dar, von der bis jetzt nur zwei Arten (T. saro- thropus Br. und T. amabile MacLachl.), beide in Neu-Seeland ein- heimisch, bekannt waren.

Die Grumicharöhren sind nicht die einzigen, die von eingedrungenen Larven benutzt werden; auch die verschiedener kleinerer Arten, wie Setodes gemma (Fig. 13), Marilia minor (Fig. 15) und Grumichella (Fig. 10) finden sich bisweilen von Larven besetzt, die wahrscheinlich ebenfalls in die Gattung Tetracentron gehören. Sie stimmen mit den eingedrungenen Larven der Grumicharöhren nicht nur in der Gewohn- heit überein, sich fremder Gehäuse zu bemächtigen, sondern auch in Eipenthümlichkeiten des Baues, z. B. darin, dass die Hinterschienen in zwei Glieder getheilt sind.

Die Larven, die als Eindringlinge in den Röhren von Setodes, Marilia und Grumichella leben, pflegen an das vordere Ende dieser Röhren Holzstückchen zu befestigen. Diese Holzstückchen, die biswei- len viel dicker und länger sind, als die Röhren selbst, legen sich ent- weder an diese an oder stehen in verschiedenen Richtungen unter Winkeln von selten mehr als 30° von der Röhre ab. (Siehe Fig. 33, in

78 Fritz Müller,

welcher A bis G Röhren von Setodes gemma, H und / Röhren von Marilia minor und K eine Röhre von Grumichella darstellt.)

Wahrscheinlich dienen diese Holzstückchen oder Stäbchen dazu, die Röhren zu verdecken und auf diese Weise den Feinden ihrer legi- timen Eigenthümer zu entziehen. In der That ist es in gewissen Fällen (Fig. 33 G und K) schwer, die Röhre zwischen den sie umgebenden Stücken zu entdecken.

Wenn auch zu derselben Gattung, so dürfte doch nicht zu derselben Art eine Larve gehören, die ich im Bugresbache gefunden habe (Fig. 34); sie wohnte in einem hohlen Stäbchen und machte, trotzdem dass dies am oberen Ende offen war, ein kleines Loch, und bedeckte die Öffnung mit einem Holzstück, unter dem sie vollkommen verborgen blieb: außerhalb dieses Holzstückes befestigte sie an den Seiten und an der Bauchfläche des vorderen Endes ihres Häuschens kleinere Stücke.

Grumichella (Fig. 32). Die Insekten, deren Larven die Futterale machen, die ich unter dem Namen Grumichinha (Fig. 10) beschrieben habe, sind nächste Verwandte der Gattung Leptocerus, von der sie sich jedoch dadurch unterscheiden, dass sie in den Vorderflügeln sowohl in dem einen als im anderen Geschlechte die Endgabeln 3? und 5? besitzen, während in der Gattung Leptocerus 3? fehlt, dagegen 1? vorhanden ist, die bei den Grumichinhas nicht angetroffen wird.

Ich schlage für diese Insekten den Gattungsnamen Grumichella vor. Bis vergangenes Jahr hatte ich die Grumichinhas nur im Bache » Affen- winkel« gefunden, wo sie ziemlich selten sind; in weit größerer Menge leben sie an den Wasserfällen verschiedener Bäche (Trauriger Jammer, Caete u. s. w.), da sie senkrechte Felsen vorziehen, an denen eine sehr dünne Wasserschicht herabläuft. |

Das hintere Ende der Grumichinharöhren wird, wie bei Grumicha, durch eine mit einem centralen Loch versehene Querwand verschlossen ; unter diesem Loch erhebt sich von der Endwand der Grumichinharöhre ein dreieckiger Vorsprung, eine Art Sporn (Fig. 32 A, B, C, D), ent- weder gerade oder ein wenig nach oben gebogen. In irgend einen mikroskopischen Spalt des Felsens eingefügt wird dieser Sporn zum Festhalten der Grumichinhas dienen können.

Noch viel seltsamer ist die Art, wie die Grumichinhas den Gefahren zu entgehen wissen, von denen sie an den Wasserfällen, die sie be- wohnen, unvermeidlich bedroht erscheinen.

Andere Trichopteren, unter ihnen auch Grumicha, durchschneiden, wenn die Puppen bereit sind, sich in fertige Insekten zu verwandeln, mit den Mandibeln den Rand des Deckels, der den Eingang der Röhre verschließt; wenn dies geschehen ist, fällt der Deckel, während er an

Über die von den Triehopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 79

der Röhre befestigt bleibt; alsdann kriecht die Puppe hervor und er- leidet, an der Oberfläche des Wassers schwimmend, hier ihre Umwand- lung. Da die Röhren der Grumichinha sich in der Regel, mit dem Ein- gange nach oben gekehri, an Felsen befestigt finden, wo das Wasser der Wasserfälle aus der Höhe auf sie herabfällt, so würden die Puppen, zarte und zerbrechliche Thierchen wie sie sind, nach der Entfernung des Deckels nicht aus ihren Futteralen hervorgehen können, ohne fast unfehlbar durch die Gewalt des Wassers zerquetscht zu werden.

Diese Gefahr wird auf eine höchst einfache Weise glücklich ver- mieden: der Stiel der Scheibe mittels welcher die Röhren der Puppen an die Felsen geleimt sind, geht nicht, wie bei Grumicha , vom Rande der Röhre, sondern vom Deckel aus (Fig. 32 E). Sobald daher der an die Felsen befestigte Deckel von der Röhre getrennt ist, wird die Puppe, in ihrem Gehäuse unversehrt, durch. das Wasser bis zu irgend einer ruhi- gen Stelle fortgeführt, wo sie ausschlüpfen und sich verwandeln kann.

Die von verschiedenen Wasserfällen stammenden Röhren der Gru- michinhas scheinen gewisse Verschiedenheiten darzubieten: die des "Affenwinkels sind vollständig glatt und schwarz; die des Traurigen Jammers sind im Allgemeinen weniger dunkel, kleiner und mit mehr oder weniger deutlichen ringförmigen Streifen versehen; die eines Wasserfalls nahe bei Belxior (Fig. 32 B, B’) pflegen einen sehr kurzen Sporn zu haben. Abweichender sind die vom Bache Caete; sie sind im Allgemeinen länger, weniger dick und mit einem deutlich nach oben gekrümmten Sporn (Fig. 32 C, D) versehen; ihr Deckel zeigt nicht, wie bei den Exemplaren anderer Wasserfälle, einen halbmondförmigen Spalt über der Mitte (Fig. 10 B), sondern außer einem Spalte von ver- schiedener und wechselnder Gestalt, ein oder zwei kleinere Löcher, die unter dem Hauptspalt liegen (Fig. 32 E, F, @).

Ich weiß nicht, ob dieser Unterschied sich als konstant heraus- stellen wird, da ich nur ungefähr ein halbes Dutzend Deckel von dem ‚genannten Bache untersucht habe; von anderen Lokalitäten habe ich mehr als 40 Deckel untersucht und immer einen halbmondförmigen Spalt gefunden.

Es muss bemerkt werden, dass es vom Affenwinkel zum Bache Caeie nur 16 bis 20 Kilometer sind; die Existenz so verschiedener Lokalvarietäten an so wenig von einander entfernten Orten würde da- her sehr interessant sein. | Setodes (Fig. 35, 12,13). Die Insekten, deren Larven die Röhren

von Fig. 42 und 13 bauen, sind in Gestalt, Nerven der Vorderflügel und anderen Merkmalen sehr ähnlich der Setodes punctata und viridis, die MacLacatAan als typische Arten der Gattung Setodes betrachtet. Doch

30 Fritz Müller,

sind die Hinterflügel bei den catharinensischen Arten weniger breit als bei den beiden europäischen ; sie gleichen mehr denen der Gattung Homilia.

Wenn unsere Arten aus diesem Grunde aus der Gattung Setodes in dem von MacLacnLan beschränkten Sinne entfernt werden müssten, so würden sie wenigstens zu dieser Gattung in dem bisher gebräuch- lichen weiteren Sinne zu stellen sein.

In Bezug auf jene beiden Arten sagt MacLacnLan, dass es wahre Juwelen seien unter den europäischen Trichopteren. Dasselbe lässt sich mit noch mehr Recht von einer unserer Arten (der von Fig. 13) sagen, deren gelbliche oder orangegelbe Vorderflüge! von weißen, silbernen Bändern durchschnitten und mit sammetschwarzen Flecken verziert sind. Ich schlage für diese schönste Art den Namen Setodes gemma vor.

Neuerdings habe ich eine dritte Art derselben Gattung gefunden (Fig. 35), deren (sehr seltene) Larven und Puppen in verschiedenen Bächen (z. B. dem Bugresbache) unter Steinen wohnen, indem sie die- jenigen Örtlichkeiten vorziehen, an denen das Wasser fast stille steht. Die Larvenfutterale (Fig. 35 A, A’) sind gerade, kegelförmige Röhren, aus Seide gefertigt, die mit äußerst winzigen Sandkörnchen vermischt und bedeckt sind. Das größte, das ich gesehen habe, hatte 14 mm Länge, während der Durchmesser des Einganges 2 mm, der des entgegenge- setzten Endes kaum 0,25 mm betrug.

An diesen Röhren finden sich, der einen oder anderen Seite der Rückenfläche angeheftet, Holzstückchen oder andere Pflanzenfragmente, die einen großen Theil der Röhre bedecken und mehr oder weniger über sie hinausgehen; die des vorderen Theiles sind im Allgemeinen größer und hervorragender; sie pflegen, unter Winkeln von 15 bis 20 Grad mit der Achse, schräg nach hinten gerichtet zu sein.

Nach der Natur dieser Anhänge, die in ihren Dimensionen, Gestal- ten und Farben beträchtlich variiren, variirt das Aussehen des Futterals (Fig. 35 A, B, C, D) eben so ins Unendliche. Wie die beiden anderen catharinensischen Arten, so schneiden auch die Larven dieser Art, bevor sie sich festsetzen, den hinteren Theil ihrer Futierale ab, so dass die Futterale der Puppen (Fig. 35 B, C, D) kürzer sind als die der er-

wachsenen Larven (Fig. 35 A). Auch die Weise, die Futterale zu be- festigen und zu verschließen, ist dieselbe wie bei den beiden anderen

Arten. Der fertigen Insekten sind viel unansehnlicher; sie haben blasse einfarbige Flügel. | Zur vierten Sektion MacLacnLan’s gehören die beiden Arten, deren

Larven in Blatigehäusen leben (Fig. 16, 47) und über deren systema- | tische Stellung ich in meiner ersten Arbeit in Zweifel blieb. Von keiner |

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Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 81

Art dieser Sektion waren bisher die Larven und ihre Gehäuse bekannt. Die fertigen Insekten unterscheiden sich von allen bis jetzt in dieser Sektion aufgestellten Gattungen durch den Radius, der sich in den Vorder- wie in den Hinterflügeln mit dem ersten Endnerven (sector apical) vereinigt, durch die in den Hinterflügeln offene Discoidalzelle und durch dasFehlen der ersten Endgabel in denselben Flügeln, in denen nur die Gabeln 2°, und vorhanden sind. Nach MacLacnran haben bei allen oder den meisten Arten der vierten Sektion die Hinterflügel eine geschlossene Discoidalzelle und besitzen die Endgabeln 1?, 2°, und 5%.

Ich schlage für unsere Arten den Namen Phylloicus (@vAAov, Blatt, oixog, Haus) vor und nenne die größere Art Phylloicus major, die kleine, die durch den Aufenthaltsort ihrer Larven an Bromelien so bemerkens- werth ist, Phylloicus Bromeliarum.

Die beiden Arten sind sehr interessant durch die Zahl ihrer Schienen- sporne. Es giebt eine kalifornische Gattung Heteroplectron, in der die Männchen 2, 4, 2 Sporne (d. h. zwei an den Vorder-, vier an den Mittel-, zwei an den Hinterschienen) und die Weibchen 2, 4, 4 haben. Bei Phylloicus major haben nun beide Geschlechter 2, 4, 4 und bei Phyl- loicus Bromeliarum beide Geschlechter 2, 4, 2 Schiensporne.

Im Übrigen aber sind beide Arten so ähnlich, dass es eine große Thorheit sein würde, sie in zwei Gattungen trennen zu wollen. Sie liefern daher ein vortreffliches Beispiel dafür, dass die heute allgemein als richtig anerkannte Regel, dass irgend welcher Unterschied in den Schienspornen zur generischen Trennung ausreichend sei, keineswegs immer zu gelten braucht.

Um dieses Beispiel noch schlagender zu machen, giebt es noch eine dritte catharinensische Art, die in jeder Hinsicht zwischen den beiden anderen in der Mitte steht, und der ich desshalb den Namen Phylloicus medius gegeben habe; sie hat 2, 4, 4 Sporne wie Phylloicus major, während sie sich in Bezug auf alle übrigen Merkmale mehr wie Phylloi- cus Bromeliarum verhält, der 2, 4, 2 hat. Die Larven dieser dritten Art leben vorzugsweise in den kleineren Wasseradern, in deren Bett das Wasser langsam von Stein zu Stein tropft. Ihre Gehäuse sind sehr _ ähnlich denen von Phylioicus Bromeliarum ; jedoch sind sie größer und aus einer kleineren Zahl von Blättern zusammengesetzt; sie pflegen auf der Bauchseite drei oder vier, auf der Rückenseite vier oder fünf Blatt- Stücke zu haben; während die Gehäuse von Phylloicus Bromeliarum in der Regel auf der Bauchseite fünf oder sechs, auf der Rückenseite sechs

! »It has become a recognised rule that a difference in the number of spurs in two insects otherwise allied is sufficient for generic separation«. MACLACHLAN, op. eit. part, I. 1874. p. 12.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 6

SD) | Fritz Müller,

oder sieben, und die von Phylloicus major jederseits zwei haben. Wenn die Larven von Phylloicus medius sich festheften wollen, schließen sie den Eingang des Gehäuses mit einem weiteren Blattstück, das sie der Bauchseite hinzufügen. Dasselbe thun die Larven von Phylloicus Bro- meliarum, während die von Phylloicus major es unterlassen.

3) Sericostomiden.

Helicopsyche (Fig. 36, 37). Die verschiedenen Arten dieser Gattung unterscheiden sich nicht allein durch die Gestalt der schnecken- förmigen Gehäuse, die ihre Larven bauen, sondern auch durch die Deckel, mit denen diese Gehäuse verschlossen werden, bevor die

Larven in den Puppenzustand übergehen. Ich habe bereits die Abbil- dungen der Deckel zweier Arten gegeben (Fig. 18, 19 B), bei denen sie einen einfachen Querspalt besitzen.

Bei den Deckeln der Gehäuse von Fig. 20 sind die Ränder dieses Spaltes mit einer Zahnreihe besetzt, die etwa ein Dutzend Zähne an jeder Seite hat.

Die Form des Spaltes wie die der Zähne ist ziemlichen Abände- rungen unterworfen, wie Fig. 36 A, B, Ü zeigen.

An den Deckeln der Gehäuse von Fig. 21 ist kein Spalt vorhanden; das zur Athmung der Puppe nöthige Wasser wird durch zahlreiche kleine Löcher eingeführt, die unter der Mitte des Deckels eine Art Sieb bilden (Fig. 37).

Auch unter den Helicopsychen giebt es eine Art, die außerhalb des Wassers lebt, an Felsen, die dem Staubregen der Wasserfälle ausgesetzt sind (z. B. im Affenwinkel und Traurigen Jammer in Blumenau) ; ihre Häuser sind sehr ähnlich denen von Fig. 21, aber die Deckel sind mit einem einfachen Spalte versehen.

4) Hydroptiliden.

In Gesellschaft der Larven von Hydropsychiden (Fig. 31), Leptoce- riden (Grumichinha Fig. 32) und Sericostomiden (Helicopsyche), die die Felsen unserer Wasserfälle bevölkern, leben auch die Larven einer Art von Hydroptiliden (Fig. 38).

Ihre Häuschen haben ungefähr 3 mm Länge bei 0,6 mm Höhe; sie sind von den Seiten zusammengedrückt; an dem einen Ende sind sie abgerundet, am anderen, nachdem sie sich mehr oder weniger ver- engert haben, gerade abgeschnitten (Fig. 36 A). Durch dieses Ende pflegt die Larve den Kopf herauszustecken, um zu essen oder zu wan- dern; mit diesem Ende wird auch das kleine Gehäuse befestigt und an den Felsen aufgehängt (Fig. 38 B, C). Nachdem das Gehäuse befestigt

Über die von den Triehopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 83_

ist, webt die Larve einen an allen Seiten geschlossenen Kokon , der fast

das ganze Gehäuse einnimmt, mit dessen Wänden er verschmilzt, indem _ er nur einen engen Raum am unteren Ende frei lässt. In diesem Kokon liegt die Puppe mit nach unten gerichtetem Kopfe. Sie nimmt also, wie die von Lagenopsyche, im Innern ihres Gehäuses eine entgegengesetzte Lage ein als sie im Larvenzustande zu haben pflegte.

Als ich im Oktober des vergangenen Jahres die Gehäuse von Pelto- psyche (Fig. 30) beschrieb, war ich über die systematische Stellung dieser neuen Gattung noch im Zweifel. Seitdem habe ich Gelegenheit gehabt, mich durch die Untersuchung einer großen Zahl von Larven und Puppen zu überzeugen, dass ich nicht geirrt habe, indem ich sie in die Familie der Hydroptiliden stellte.

Es ist eine der außerordentlichsten Gattungen, die sich von den meisten, nicht nur der genannten Familie, sondern der ganzen Ordnung

der Trichopteren durch einen sehr ungewöhnlichen und komplicirten . Bau der männlichen Fühler auszeichnet. Auch habe ich mich überzeugt, dass das Fehlen der Streifen auf der Rückenwand der Gehäuse nicht bloß eine individuelle Abänderung ist, sondern eine Artverschiedenheit der Bewohner anzeigt, indem die Puppen und der Bau der männlichen Fühler beider Arten sehr verschieden sind. Die Art mit gestreiften Ge- häusen, Peltopsyche Sieboldii (Fig. 30) ist viel häufiger und kommt in fast allen größeren Bächen, die in den Itajahy münden (Garcia, Encano, Warnow u. s. w.) in großer Menge vor. Die Art mit glatten Gehäusen, für die ich den Namen Peltopsyche MacLachlani vorschlage, wurde bis jetzt nur im Bache Warnow angetroffen, wo sie in Gesellschaft der Peltopsyche Sieboldii lebt.

5) Gehäuse ungewissen Ursprungs (Fig. 39).

In verschiedenen Bächen habe ich an Orten, wo das Wasser fast still stand, an dort in Verwesung begriffenen Baumstämmen haftend, mehr oder weniger cylindrische Köcher von 3 bis 4 cm Länge bei 6 bis 40 mm Durchmesser angetroffen, die aus ziemlich unregelmäßig an ein- _ ander gefügten Blattstücken und anderen Pflanzenfragmenten zusammen- gesetzt waren, Diese Substanzen bildeten verschiedene über einander gelegte Schichten, so dass der Durchmesser der inneren Höhlung viel kleiner als der der äußeren Oberfläche war, und bisweilen nicht ein- mal auch nur annähernd die Hälfte desselben erreichte. Nach den Sub- stanzen, aus denen sie sich zusammensetzen, ist das Aussehen dieser Futterale sehr verschieden.

So ist das Futteral Fig.39 A (aus dem Bugresbache) fast ausschließ- lich aus Dicotyledenenblättern verfertigt, zwischen denen man einigen

6*

84 Fritz Müller,

a begegnet. Dagegen treten in den Bau des Futterals Fig. 39 B (aus dem Bache Garcia) nur Bruchstücke von Monokotyledonen-, blättern ein, die vielleicht von einer Palme stammen.

Alle Gehäuse, die ich bis jetzt gesehen habe, waren schon leer und enthielten nur noch abgelöste Bruchstücke des Larvenskeletts, die zwar offenbar von einer Trichopterenlarve herrühren, aber nicht zu entschei- den gestatten, zu welcher Familie sie gehören müssen.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel IV und V.

Fig. —4. Gehäuse von Rhyacophiliden. Vergr. 2:4.

Fig. 4. Aus dem Bugresbache. A, A’, freies Larvengehäuse ; A, von oben, A’, von der Bauchseite gesehen und die beiden Thüren des Gehäuses zeigend. B, B’, festgeheftetes Puppengehäuse ; B, von oben, B’, von der Bauchseite gesehen ; da es keine Bauchwand mehr hat, sieht man in B’ den inneren Hohlraum des Gehäuses.

Fig. 2. Aus dem Affenwinkel. Freie Larvengehäuse; A, B, von oben gesehen, die Rückenöffnung zeigend ; A’, das Gehäuse A von der Bauchseite gesehen.

Fig. 3. Aus dem Bache Garcia. Freie Larvengehäuse mit Schornstein, von der Seite gesehen.

Fig. 4. Aus dem »Traurigen Jammer« von Blumenau. A, B, freie Larvenge- häuse, von der Seite gesehen; C, 0’, befestigtes Puppengehäuse ohne Schornstein; C, von oben, C’, von der Bauchseite gesehen ; man sieht im Innern den losen Pup- penkokon.

Fig. 5 und 6. Gehäuse von Hydropsychiden, in natürl. Größe.

Fig. 5. Aus dem Bugresbache. A, A’, Puppengehäuse; A, von oben, A’, von der Bauchseite gesehen, mit geöffnetem inneren Hohlraum, B, häutiger Puppenkokon, aus dem Steingehäuse, in dem er eingeschlossen lag, herausgenommen; B’, Sieb . am Ende dieses Kokons. 15:4. (Gattung Macronema des Nachtrags.)

Fig. 6. Rhyacophylax. Aus dem Affenwinkel. A, unbewegliches Larvengehäuse mit trichterförmigem, von einem Netz bedeckten Vorhof; B, B’, Puppengehäuse;; B, von oben, B’, von der Bauchseite gesehen.

Fig. 7—15. Gehäuse von Leptoceriden.

Fig. 7. Von Leptoceridenlarven bewohnte Zweige, in natürl. Größe. A, Puppen- gehäuse; A’, dasselbe im Längsdurchschnitt; p, Stein, der den Eingang verschließt; rn, häutiger Kokon der Puppe; cr, Sieb am Ende des Kokons; ca, von der Larve ‚ausgehöhlte Röhre; o, Loch in der Wand der Röhre ; m, Mark des Zweiges.

Ar, das, Sieb (cn) 8.1.

B, anderer, die Puppe einschließender Zweig, dadurch bemerkenswerth, dass | das Sieb des Kokons sich der Seitenöffnung der Röhre angelegt findet; B’, diese Öff- ' nung mit dem Siebe. 8:1.

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 85

C, hohler, die Puppe einschließender Zweig; C’, Längsdurchschnitt desselben; die Buchstaben wie bei A’. (Gattung Tetracentron des Nachtrages.)

Fig. 8. Grumicha vom Bache Garcia. A, Gruppen festgehefteter Futterale in natürlicher Größe; die größeren sind von Männchen, die kleineren von Weibchen ; B, Deckel der hinteren Öffnung mit kreisförmigem Loch in der Mitte. 8:4. C, vor- dere Deckel von Weibchen, mit Querspalt unter der Mitte. 8:4. D, dessgleichen von einem Männchen. 8:4.

Fig. 9. A, Grumichafutteral, von einer eingedrungenen Puppe besetzt, mit einem Steine (p) verschlossen, und mit einer ungestielten Querscheibe (d) befestigt; cr, die Stelle, wo inwendig sich ein Quersieb befindet. Aus dem Garciabache. Natürliche Größe. (Der Eindringling = Tetracentron spec. des Nachtrages.)

B, Stein, der dem Futteral A als Deckel gedient hat, durch die Puppe bei ihrem Ausschlüpfen aus dem Futteral entfernt, mit dem siebförmig durchlöcherten Ringe, der den Stein mit dem Futterale verband. 5:1.

Fig. 40. Grumichinha (Grumichella des Nachtrages), aus dem Affenwinkel. A, festgeheftete Puppenfutterale; in natürl. Größe. B, vorderer Deckel mit Querspalt über der Mitte. 45:4.

Fig, 44. A, aus Samen von Callitriche gemachtes Gehäuse, aus einem kleinen Bache, der in den Garciabach fließt. 3:1. 4', Eingang desselben Gehäuses, mit ‚einer Querhaut verschlossen, die in der Mitte ein Loch hat. 15:4. B, Eingang eines anderen, noch geöffneten Gehäuses. 3:1.

Fig. 12. Gehäuse aus Holzstückchen, aus dem Garciabache. 2:4. A, A’, fest- geheftetes Puppengehäuse;; A, von der Bauchseite, A’, von der linken Seite gesehen ; A”, vorderer, A’”, hinterer Deckel desselben Gehäuses. 8:4. B, freies Larvenge- häuse, von Ger Bauchseite gesehen. (Setodes spec. des Nachtrages.)

Fig. 13. A, mit feinstem Sande bedecktes Puppenfutteral, aus dem Garciabache, von der Seite gesehen. 3:4. A’hinteres Ende desselben Futterals mit der Haft- scheibe. 45:4; A”, vorderer, A'"', hinterer Deckel desselben. 45:4. (Setodes gemma.)

Fig. 44. Steinröhren, größere Art (Marilia major des Nachtrages) aus dem Bugresbache, von der rechten Seite gesehen, in natürlicher Größe. A, freie Larven- gehäuse ; B, C, kleinere befestigte Puppengehäuse (von Männchen?) ; D, E, dessel. größere (von Weibchen ?); A’, Querwände des hinteren Endes der Larvengehäuse A, 3:4; B’, C’, vorderes Ende der Puppengehäuse B, (, 3:1; B”, Spalt am hinteren Ende des Puppengehäuses B, 15:4; C”, Spalt am vorderen Ende von (, 45:1; E', hinteres Ende des Puppengehäuses E, 3:4 ; E”, Längsdurchschnitt desselben Endes, 6:4.

Fig. 45. Steinröhren, kleinere Art (Marilia minor des Nachtrages) aus dem Affenwinkel, von der rechten Seite gesehen, in natürlicher Größe. A, freie Larven- gehäuse; B, festgeheftete Puppengehäuse ; A’, Querwand des hinteren Endes des ' Larvengehäuses, 15:4; B’, hinteres, B”, vorderes Ende von B, 4:4; B’", Spalt des ‚hinteren Endes und BIV, Bauchrand des vorderen Spaltes von B, 15:1.

' Fig. 16—17. Gehäuse von unsicherer systematischer Stellung. (Gattung Phylloicus, zu MacLAcaLan’s vierter Sektion der Leptoceriden gehörig; laut Nachtrag!) }

Fig. 16. Blattgehäuse von verschiedenen Bächen (Phylloicus major des Nach- 'trages), in natürlicher Größe. A, A’,B, B’, C, freie Larvengehäuse; A, B, C, von oben, A’, B', von der Bauchseite gesehen ; D, festgeheftetes Puppengehäuse; cr, be- zeichnet die Stelle, an der sich das hintere Sieb befindet, 5:4; D’, vorderes Sieb desselben Gehäuses, 5:4; E, Querdurchschnitt eines Gehäuses, in natürl. Größe.

86 Fritz Müller,

Fig. 17. Blattgehäuse von Larven, die zwischen den Blättern im Urwalde | schmarotzender Bromeliaceen leben (Phylloicus Bromeliarum des Nachirages). 2 a A, B, von oben gesehen; A’, B’, dieselben von der Bauchseite gesehen; C, C’, Quer- durchschnitte durch ein Gehäuse. 5:1. |

Fig. 18—24. Gehäuse von Sericostomiden der Gattung Helico- | psyehe. 2:1. |

Fig. 18. Vom Bache »Trauriger Jammer« in Puma B, B', B'", Deckel von | Puppengehäusen. 8:1. |

Fig. 49. Vom Weißbach (Ribeiräo branco). B, B’, B”, Deckel von Puppenge- häusen. 8:1.

Fig. 20. Aus stehendem Wasser des Baches Garcia.

Fig. 21. Aus dem Bache Garcia.

Fig. 22—30. Gehäuse von Hydroptiliden. 3:1

Fig. 22. Mit feinstem Sande bedeckte Röhrchen aus dem Bugresbache. A, 4’, B, freie Larvengehäuse;; A, von der Bauchseite; A’, von der linken Seite gesehen; B,

anderes Gehäuse, von oben gesehen; C, festgeheftetes Puppengehäuse, von oben | t

gesehen ; C’, dasselbe, von der linken Seite; (C’”, dasselbe von der Bauchseite ge- | sehen; D, Larvengehäuse von oben gesehen. 45:41. | Fig. 23. A, B, C, mit Sand bedeckte Larvengehäuse aus dem Bugresbache, von | der Seite gesehen;; 0’, Querdurchschnitt von C. bi Fig. 24. Gehäuse anderer Art, aus demselben Bugresbache. A, freies Larven- |

gehäuse, aus grünen Algen (oder anderen Pflanzenfragmenten); B, C, festgeheftete | 5

Puppengehäuse, aus Diatomeen; D, D’, das Baumaterial dieser Gehäuse. 90:4.

Fig. 25. Durchscheinende Gehäuse, ohne fremde Körper gebaut, aus dem Bugresbache. A, freies Larvengehäuse; B, mit dem Bauchrande er Ik: Puppengehäuse; B’, B”, Qnerdurchschnitte von B. |

Fig. 26. Gehäuse von Diaulus Ladislavii aus dem Bugresbache. A, nor- | ! males Gehäuse, mit zwei Schornsteinen; A’, Querdurchschnitt desselben, 45:4; B, I Gehäuse mit drei Schornsteinen (das einzige, das gefunden wurde); C, Larvenge- In häuse, welches noch im Bau begriffen ist, wie man an den noch wenig über die

Schornsteine hinaus verlängerten Enden sehen kann. 25:1. |

Fig. 27. Gehäuse von Lagenopsyche Spirogyrae, aus einem kleinen | E Nebenbächlein des Garciabaches (im Gebiete von HEnRıQUE KoELER). A,B,C,D, | freie Larvengehäuse, in verschiedenen Zuständen, von der Seite gesehen; E, be- | festigtes Gehäuse, dessen Larve sich noch nicht zur Puppe umgewandelt hat, von I# oben gesehen; F, befestigtes Puppengehäuse von oben gesehen; F’, F”, F"’, Quer-! durchschnitte desselben Gehäuses durch die Punkte f’, f", f’””. |

Fig. 28. Gehäuse von Lagenopsyche hyalina, aus dem Bugresbache. A, Larven- \ gehäuse; B, C, Puppengehäuse. |

Fig. 29. Gehäuse von Rhyacopsyche Hagenii, aus dem Bache »Affenwinkel «. | \ 4A, B, C, Larvengehäuse in verschiedenen Zuständen, an einem biegsamen Seile be- \ festigt, an beiden Enden offen; h, neuerer Theil des Gehäuses; D, E, Puppenge-|

häuse, an einem Ende bereits geschlossen ; F, Puppengehäuse, von allen Seiten ge-

schlossen, auf einem kurzen, kräftigen Stiele befestigt, F’, Querdurchschnitt des- | Ä selben Gehäuses. | Fig. 30. Gehäuse von Peltopsyche Sieboldii aus dem Bache Garcia. A, Larven- gehäuse ; B, Puppengehäuse, beide mit der ganzen Bauchfläche befestigt; A’, Quer- i durchschnitt von A. 'M1

a

Y

Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten Gehäuse. 87

Nachtrag.

Fig. 34. (Nat. Größe.) A, B, Larvengehäuse einer Hydropsychide, die an den Felsen von Wasserfällen lebt; C, Puppengehäuse derselben Art; C’,Querdurchschnitt durch eines dieser Puppengehäuse. 3:4.

Fig. 32. (15 malige Vergrößerung.) A, B, C, hinteres Ende der Puppengehäuse von Grumichella, von oben gesehen ; 4’, B’, C’, dessgleichen, von der linken Seite gesehen; A, A’, vom Wasserfall das »Traurigen Jammers« in Blumenau; B, B’, von einem Wasserfall in der Nähe von Belxior; C, C’, aus dem Bache Caete; D, Ge- häuse einer jungen Larve derselben Art, aus dem Bache Caet&e, von der rechten Seite gesehen; E, F, G, Deckel von Puppengehäusen aus demselben Bache.

Fig. 33. (3 malige Vergrößerung.) Von eingedrungenen Larven bewohnte Röhren (Tetracentron?). A—G, Röhren von Setodes gemma ,; H, I, Röhren von Marilia minor ; K, eine Röhre von Grumichella.

Fig. 34. Gehäuse einer Larve (Tetracentron?) aus dem Bugresbache, von der Bauchseite gesehen. 2:1.

Fig. 35. (2 malige Vergrößerung.) Röhren einer Setodesart. A, Larvenröhre von unten; A’, dieselbe von oben gesehen; B, C, D, Puppenröhren;; D’, Deckel des hinteren Endes von D. 6:4.

Fig. 36. Der Deckel des Helicopsychegehäuses von Fig. 20. 45:4. B, C, Spalte anderer Deckel derselben Art. 45:4,

Fig. 37. Deckel des Helicopsychegehäuses von Fig. 21. 45:4.

Fig. 38. (Smalige Vergrößerung.) Hydroptilidengehäuse von den Wasserfällen. A, Larvengehäuse; B, (, festgeheftete und am hinteren Ende aufgehängste Puppen- gehäuse.

Fig. 39. (Nat. Größe.) Futterale irgend einer Trichoptere unbestimmier syste- matischer Stellung. A, aus dem Bugresbache ; B, aus dem Bache Garcia.

Berichtigung eines Irrthums.

Durch eine Nachlässigkeit habe ich im vergangenen Jahre versäumt, die Taster der Männchen zu untersuchen und desshalb irrthümlicherweise die Grumicha in _ die Familie der Leptoceriden (oder Mystaciden) versetzt, indem ich dem Beispiele HAGEN’ folgte, der sie Leptocerus Grumicha nennt. Das vollkommene Insekt stimmt in den Schienspornen und anderen Merkmalen mit der Gattung Barypenthus überein, von der BURMEISTER zwei Arten von Neu-Freiburg beschrieben hat. Nun ist diese Gattung, der die Grumicha verwandt zu sein scheint, von MacLAcaLan ebenfalls kürzlich in die Familie der Leptoceriden gestellt worden. Mein Irrthum kam von dem zu großen Vertrauen her, das ich in diese beiden hervorragenden Entomologen setzte, die heute in Bezug auf Trichopteren die ersten Autoritäten sind.

6 Fritz Müller.

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. Von

Dr. William Marshall.

Mit Tafel VI—VIII und einem Holzsehnitt.

Die beiden Spongiengruppen, die ich im Folgenden beschreiben '

werde, stehen, so weit wir bis jetzt übersehen können, in gar keinem 7

näheren, verwandtschaftlichen Zusammenhange; wenn ich sie dennoch zugleich mit einander behandle, so geschieht dies desshalb, weil beide Gruppen eine große und höchst originelle Ähnlichkeit in einem sehr wesentlichen Punkte zeigen ; beide haben sich nämlich dahin angepasst, '

zum Aufbaue der festen Stütze ihres Leibes, zur Bildung des Skelettes 7

hauptsächlich fremde, dem umgebenden Sand- und Schlammboden ent- | nommene Körper zu verwenden. |

Das Material, das für beide Gruppen fast nur von Australien stammt, | verdanke ich der wohlwollenden Güte des Herrn Professor HArcker, der | { einst selbst die Absicht hegte diese Spongien zu bearbeiten und sie da- |

her, rücksichtlich der Arten sowohl wie Individuen, möglichst zahlreich } sammelte und mit vorläufigen Namen versah. Es sei mir gestattet 7 meinem verehrten Lehrer für seine große, mir so oft bewiesene Libera-

lität auch an dieser Stelle zu danken.

Historisches.

Im Jahre 1842 brachte Jounston in seiner »History of british spon- | ges and lithophytes« die Schwämme der englischen Küste in acht Genera, " von denen nur eins von ihm neu creirt wurde, nämlich Duseideia; diesen

Namen änderte er in der seinem Buche beigefügten Synopsis richtig in Dysidea um. Dies Genus wird folgendermaßen charakterisirt: »spongia multiformis sessilis crasse cellulosa mucagine sabulo arenata scatens,

siccata friabilis, fibris imperfectis seposita:: spieulis sparsis paueis forma

NEE

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 40)

et magnitudine incertis.« Zwei Species werden beschrieben: die eine, fragilis, ausführlich von Bowersank, die andere, papillosa, kurz von Jounston selbst!. Der Autor hat dieser letzteren Art ein Fragezeichen beigefügt und bemerkt, es sei ihm wahrscheinlich, dass sie das Nest (nidus) irgend eines wirbeliosen Seethieres, vielleicht einer Natica sei. Es hat sich herausgestellt, dass Dysidea papillosa eine Zoantharie ist. BOWERBANK?2 macht aus dem Genus von JoHnsTon eine eigne, die siebente Unterordnung seiner dritten Spongien-Ordnung »Keratosa « und charakterisirt dieselbe folgendermaßen : »the peculiarity of this suborder is, that the fibre of the sceleton is a full and complete but elongate ag- sregation of particles of sand, each separatly coated by keratode, forming a series of stout anastomosing fibres, consisting of innumerable extra- neous molecules encased by a thin coat of keratode.« Er benennt neben fragilis noch eine zweite Art, D. Kirkii, die er aber nicht beschreibt, sondern erwähnte nur, bei ihr seien die Haupt- und Verbindungsfasern

breit, oft breiter als eine halbe Linie. Es ist sehr wohl möglich, dass

unter den von mir in den folgenden Seiten beschriebenen Arten, die fast sämmtlich von Australien stammen, sich auch D. Kirkii von BowERBANK befindet, aber die Angaben des englischen Autors sind (in diesem Falle) zu kurz und nichtssagend, als dass sie Berücksichtigung verdienten.

Später beschreibt BowErBAnK? eine neue, sehr gut charakterisirte Art, Dysidea coriacea, von der englischen Küste bei Hastings, die sich besonders durch eine lederartige, ziemlich derbe Oberhaut auszeichnet, auch ist ihr Skelett derber und weitmaschiger als bei D. fragilis. Bei dieser letzteren Art verfällt BowErsank übrigens wiederholt in den Irr- thum, die in ihr vorkommenden mannigfachen Kieselnadeln für genuin zu halten.

In Gray’s? System bildet Dysidea eine eigene, die fünfte Familie der Hornschwämme, die Dysideidae: »sponge massive, formed of reticulated horny fibres, with sand (or the spicula of other sponges) imbedded in the centre, and covered with a more or less thick coat of horny matter. «

Durch diesen letzteren Satz erweitert Gray die Bowergank’sche Dia-

- gnose wesentlich, und dies war nothwendig, da er die vier von ScHMmiDT in den »Spongien des adriatischen Meeres« beschriebenen Arten von ‚Spongelia zu Dysidea zieht. Da er dies thut, so ist es vollkommen ge-

_ rechtfertigt, dass er Jonnston’s Halichondria areolata mit unter Dysidea

aufführt, denn dieser Schwamm, von dem gesagt wird, er zeichne sich

1 p.185—19.

2 A monogr. of the brit. sponges. Vol. I. p. 244 und Vol. I. p. 384. Salrc. Vol. 11. p. 341.

* Proceed. of z. Soc. 1867. p. 544.

Ka 7

&

“90 William Marshall,

durch die Seltenheit der Spicula aus, statt deren hauptsächlich kleine, ' amorphe Sandkörner vorhanden wären, ist offenbar keine Halichondrie | oder sonstiger Kieselschwamm, sondern höchst wahrscheinlich eine echte | Spongelia, wenn nicht eine Lokalvarietät von Dysidea fragilis. |

Dieser letzteren Ansicht scheint Bowersank ! zu sein, der im zwei- | ten Theile seiner Monographie Halichondria areolata Johnst. als synonym | mit D. fragilis aufführt. i |

CARTER? reiht das in Rede stehende Genus als sechzehntes der zweiten Familie (Hircinidae) der dritten Ordnung (Psammonemata) ein und erwähnt, als einen neuen Charakter, dem wir bis jetzt noch nicht | begegnet sind, in der Diagnose, dass die Fasern dieses Geschlechts | zweierlei wären, vertikale oder breite und horizontale oder schmale. Auch er vereinigt Spongelia mit Dysidea.

ArpHeus Hyatt? hingegen trennt beide Genera scharf; Spongelia | bringt er mit Spongia, Stellospongia, Carteriospongia und Phyllospongia | zu seiner ersten Familie der Hornschwämme, zu den Spongiadae, Dysi- | dea aber zur zweiten, zu den Hirciniadae. Er betont, dass bei Dysidea | die Haupt- und Verbindungsfasern mit Fremdkörpern erfüllt seien und eben so die inneren Theile der Sarkode und »the membranes every- | where«. Nur eine Species, »fragilis«, wird angeführt. Es passirt ihm | übrigens der kleine Lapsus, dass er zu Dysidea synonym citirt »Spon- gelia (pars) Schmidt and Bowerbank«; Spongelia Bowerbank giebt es aber nicht.

Während Gray und Carter, indem sie Spongelia für synonym mit 7 Dysidea halten; dem letzteren Namen die Priorität einräumen, ist man

auf dem Kontinent Betreffs der Synonymität zwar derselben Ansicht, " aber man will umgekehrt nur die Benennung Spongelia gelten lassen. |

Im Jahre 1847 hatte Narno ein Schwammgenus Spongelia benannt, 7 nachdem er bereits 1834 diejenigen Arten seiner Gattung Aplysina, welche schwache und eng stehende Fasern besitzen, als Aplysinae spongeliae abgezweigt hatte. | |

Schnipr * nahm den Narno’schen Namen an und diagnostieirte das \ Genus: » Ceraospongiae omnino et praesertim exsiccatae maxime fragiles, | uno genere fibrarum praeditae. Fibrae homogenae, minime elasticae. | Substantia sarcoidea rara« und hebt in den Diagnosen der Arten avara ' und pallescens den übergroßen Reichthum an Fremdkörpern in den | Fasern hervor, die bei incrustans zurücktreten und bei elegans ganz ver- |

1 ].c. Vol. I. p. 381.

2 Ann. and Mag. of nat. hist. ser. 4, vol. XVl. p. 76.d. 8. A. 3 Mem. Bosten Soc. of nat. hist. vol. II. p. 544.

4 Spongien des adriatischen Meeres. p. 28 fl.

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 91

schwinden, oder doch so reducirt sind, dass Scuwmipr ihrer nicht Er- wähnung thut.

In seinem »zweiten Supplement der Spongien des adriatischen Meeres« hat Scuuipt sich der dankenswerthen Mühe unterzogen, die Bowersank’schen Genera auf seine eigene Nomenclatur zurückzuführen und zieht er Dysidea als synonym zu Spongelia, welcher Ansicht er später noch kräftigeren Ausdruck verleiht, indem er sagt: »Sie sel. D. fragilis) zeichnet sich vor der im Mittelmeer so verbreiteten Spongelia pallescens Sdt. durch eine noch größere Haltlosigkeit der Fasern und eine noch größere Anhäufung fremder Einschlüsse aus. Wer Gefallen daran finden sollte, auf diese Merkmale hin zwei Arten festzuhalten, möge es thun.«

Auch F. E. ScuuLze ! vereinigt in der sechsten seiner glänzenden Mittheilungen über Spongien Dysidea mit Spongelia.

Gesetzten Falles Spongelia und Dysidea wären synonym, so gebührt dem Jonnston’schen Genusnamen doch der Vorzug, da er die Priorität hat. Allerdings hat, wie erwähnt, Narno schon 1834 von seinem frühe- ren Genus Aplysia einen Theil der Arten als Aplysinae spongeliae abge- trennt, aber dieser binäre Name eines Subgenus kann nicht ein Genus- name lege artis genannt werden, einen solchen lieferte Narno erst 1847, als er die in Rede stehenden Spongien Spongeliae schlechtweg nannte. Und zugegeben, dass der Narpo’sche Name ganz dieselbe historische Berechtigung habe, wie der Jounstox’sche, so gebührt diesem letzteren doch darum der Vorzug, weil er ein Name ist, der gut gebildet wurde und etwas bezeichnet, Spongelia hingegen ist ein ganz barbarisches Wort und heißt gar nichts; es ist eine ganz unmögliche Diminutiv-Form von Spongia, Spongilla ist schon besser, das einzig Richtige aber ist Spongiola. Doch dies nur beiläufig.

Es würde nun noch die Frage zu erörtern sein, ob Dysidea und Spongelia wirklich synonym sind und diese Frage kann man theilweise bejahen und theilweise verneinen. Dysidea fragilis im Sinne Jonnston’s und Bowersank’s ist den Beschreibungen nach (ich kenne die Spongie nur in sehr macerirtem Zustande) allerdings von Spongelia pallescens kaum specifisch zu trennen. Dysidea coriacea Bowerbank und Dysidea fragilis Hyatt aber sind ganz andere Schwämme; die erstere hat eine derbe, feste Oberhaut und bei letzterer sind die Membranen allenthalben und die ganze Sarkode des Körpers voll Fremdkörper.

Ganz scharf zu trennen sind diese Genera freilich nicht, so wenig wie Euspongia und Cacospongia, diese und Spongelia.

1 Diese Zeitschr. Bd. XXXI. p. 117 ff.

92 William Marshall,

Außer Dysidea coriacea Bwb. und fragilis Hyatt halte ich nur noch ' eine bis jetzt beschriebene Spongie für eine Dysideide in meinem Sinne, | nämlich Oligoceras collectrix F. E. Schulze. Diese sonderbare Spongie hat, nach Scaurze, keine Kieselkörper, dafür aber außer zahlreichen, ' im Gewebe zerstreut liegenden isolirten Fremdkörpern einzelne, spärlich verästelte, rundliche, sandreiche Hornfasern. »Diese Hornsubstanz «1, fährt SchuLze fort, »ist so spärlich entwickelt, dass man erbsengroße | Stücke des Schwammkörpers untersuchen kann, ohne etwas davon zu finden.« Wir werden im Psammopemma ein ganz ähnliches Geschöpf kennen lernen. IR |

Die zweite in gegenwärtiger Arbeit abgehandelte Spongiengruppe ist noch vollständig unbekannt, ich habe wenigstens in der mir zugäng- lichen, ziemlich umfassenden Litteratur nichts, was auf sie Bezug haben könnte, aufzufinden vermocht.

I. Dysideidae.

Die Dysideiden sind Hornschwämme, bei denen die, auch allen übrigen Hornschwämmen in höherem oder geringerem Maße inne- wohnende Fähigkeit, das eigene Skelett durch aufgenommene Fremd- körper zu verstärken, den höchsten Grad erreicht hat. Nur ausnahms- weise sind Fasern auf kurze Strecken ganz frei von Fremdkörpern. Fast alle Arten der Familie besitzen eine abziehbare, von Fremdkörpern mehr oder weniger erfüllte Dermalmembran. Nicht wenig Arten zeigen Fremd- körper nicht nur in den Fasern, sondern im ganzen übrigen Syncytium, bisweilen in so hohem Grade, dass der ganze Körper zu einer kompak- ten, von den Leibeshohlräumen spärlich durchsetzten Sandmasse wird.

Das Genus Psammascus.

Schlauchförmig, monozoisch. Außenseite ohne besondere Oberhaut, mit wabenartigen Gruben, durch Enden der Fasern sammetartig; am Munde ein Kranz freier Faserenden. Fremdkörper in allen Fasern und im ganzen Syncytium. Fasern von dreierlei Art: gastrale Längsfasern ; von außen nach innen und von Längsfaser zu Längsfaser verlaufende Sekundärfasern, beide reich an großen Fremdkörpern; Tertiärfasern von Sekundärfasern zu Sekundärfasern mit wenigen kleinen Fremdkörpern.

Von allen Dysideiden kommt dies Genus dem Genus Spongelia am nächsten, ist aber durch die Anwesenheit von Fremdkörpern auch in den Weichtheilen wohl unterschieden.

1 Diese Zeitschr. Bd. XXXIII. p. 35.

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. | | 93

Psammascus decipiens. Dysidea decipiens, Haeckel in schedul.

Dieser Schwamm besteht in der Regel aus einem einfachen Schlauch, es kann aber auch vorkommen, dass zwei schlauchförmige Individuen, die sich sehr nahe neben einander entwickelt haben, der Länge nach mit einander verwachsen ; aber gewiss geht bei dieser Erscheinung, die bei schlauchförmigen Spongien öfters zu beobachten ist, die getrennte Individualität der beiden verwachsenen Personen nicht verloren.

Bei einem wohlentwickelten, solitären Individuum beträgt die Länge 100 mm, der Durchschnitt ist oval, an der Mundöffnung beträgt der größere Durchmesser 20 mm, der kleinere 10 mm. In den drei obersten Vierteln seiner Länge verjüngt sich der Schwamm sehr allmählich nach hinten, im letzten Viertel aber sehr rasch. Das Wandungsgewebe ist am Mundrand I mm, am Fußende 4 mm stark, sehr zart und hinfällig, so dass es in Wasser vollkommen flottirt und bei dem Herausnehmen kol- labirt der Schwamm zu einer formlosen Masse.

Die Außenseite weist dicht an einander gelagerte, polygonale Grüb- chen mit abgerundeten Ecken auf, die 0,5—1 mm im Durchmesser haben. Die größeren liegen in der Regel im oberen, jüngeren Theile des Schwammes, doch kommen hier auch kleine und große umgekehrt im älteren Gewebe vor. Die Wandungen der Grübchen werden aus verschiedenen, später noch näher zu beschreibenden Fasern des Ske- leites gebildet. Aus der Tiefe des Gewebes, von der Innenseite des Körperschlauches her steigen derbere Fasern nach außen und oben, deren Enden über dem Niveau der Körperoberfläche hervorragen und derselben jenes sammetartige Ansehen verleihen. Auch diese freien Faserenden sind im jüngeren Theile der Spongie länger und deutlicher und stehen weiter aus einander. Die derben Fasern befinden sich in den abgerundeten Ecken der Grübchen und sind durch zarte Querfasern, die die Hauptmasse der Wandungen der Grübchen bilden, mit einander verbunden. Die Grübchen bilden, da die größeren Fasern centripetal von der Oberfläche des Körpers nach dessen Achse verlaufen, unregel- mäßige, mit der Spitze nach innen liegende Hohlpyramiden, in deren Grund eine sehr feine Pore liegt. Meist ist diese Art der Organisation ‚indessen undeutlich und verwischt, da auch im Lumen der Grübchen selbst, namentlich in den tieferen Theilen, zarte Querfasern,, unregel- mäßige Netze formend, aufsteigende Fasern mit einander verbinden.

Am Mundrande des Schwammes bilden hervorragende Faserenden einen kontinuirlichen peristomen Kranz; diese Enden sind von den übrigen, auf der Körperoberfläche zu Tage tretenden nur darin ver-

94 William Marshall,

schieden, dass sie etwas weiter isolirt und ohne verbindende Quer- fasern sind, daher länger erscheinen.

Bei vollständigen Exemplaren des Schwammes findet sich ein be- sonderer Wurzeltheil, bestehend aus einem verworrenen Geflechte der- berer Fasern, die in sehr unregelmäßiger Weise durch dickere und dünnere Querfasern verbunden sind, oft sich dichotomisch theilen und dicht mit einander verfilzen. In ihnen findet man die ansehnlichsten Fremdkörper und dies Fasergeflecht, das man als Wurzelausläufer be- zeichnen kann, umklammert und umspinnt innig große und schwere Rudera von Muscheln, Echinodermen, ja kubische Steinchen von 5—6 mm Höhe. Diese Wurzelfasern seizen sich isolirt direkt in das Gewebe der Schwammwandung fort, gerade wie sich bei Hexactinelliden diejenigen Stränge langer Ankernadeln, welche die Wurzelschöpfe (wie z. B. bei Euplectella) bilden, in hohem Grade am Aufbau des Wan- dungskelettes betheiligen.

Schneidet man einen Schlauch der Länge nach auf, so sieht man eine Anzahl (bis zwölf) von 0,5 ! mm breiter, weißschimmernder Längszüge , welche wie Leisten in das Lumen der Magenhöhle herein- ragen, oft mit einander Anastomosen eingehen oder Zweige abgeben, die sich im Wandungsgewebe feiner und feiner auflösen.

Nach dem Hohlraum des Körpers geben die Längszüge keine Äste ab, wohl aber in einem nach oben offenen Winkel von 45°, nach der Körperoberfläche und mannigfach verästelt nach den benachbarten Längs- zügen. Die Längsfasern mit ihrem System von Nebenfasern lassen sich am besten mit dicht neben einander liegenden halbirten Lampenglas- bürsten vergleichen, die seitlichen Haare verflechten sich mit den seit- lichen Haaren der Nachbarbürsten, die übrigen strahlen frei nach außen. Allerdings muss hierbei betont werden, dass sich auf der Außenseite des Schwammes keine den Längsfasern der Innenseite entsprechende Wülste oder Leisten finden.

Die Borsten- oder Sekundärfasern sind durch Quer- oder Tertiär- fasern nach allen Richtungen hin häufig mit einander verbunden. Die Breite der Längs- oder Primärfasern beträgt 0,6— 1 mm, die der Bor- sten- oder Sekundärfasern 0,3 0,6 (am stärksten diejenigen die von Längsfaser zu Längsfaser verlaufen) und die der Quer- oder Tertiär- fasern 0,2—0,4. Doch zeigen sich hierbei mancherlei Schwankungen, so sind im ältern Schwammgewebe alle Fasern stärker und eben so die Sekundärfasern gastralwärts. |

Die organische Substanz der verschiedenen Fasern ist stets wasser- hell, und auch da, wo sie, wie in den Tertiärfasern, das Übergewicht über die Fremdkörper hat, ungeschichtet; es wollte mir auch bei An-

Wr

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 95

- wendung der optischen und mannigfacher chemischer Hilfsmittel nicht

gelingen, eine, bei andern Hornschwämmen so leicht (z. B. durch Maceriren mit verdünnter Schwefelsäure) nachweisbare Schichtung zu konstatiren. Gegen den Einfluss chemischer Reagentien ist die organische Substanz des Skeleites viel weniger resistent als dies bei Euspongia,

_ Cacospongia und vollends bei den Aplysiniden der Fall ist.

Nach Behandlung mit verdünnter Salzsäure, bei der die meisten der hauptsächlich aus Kalk bestehenden Fremdkörper verschwinden, erschienen die Primär- und Sekundärfasern im optischen Quer- oder Längsschnitte von einer schmalen durchsichtigen Zone umgeben, wäh- rend das dunklere Innere von sehr feinen staubartigen Körperchen er- füllt war; öfters zeigten sich auch größere Körnchen, die ab und zu zu längeren Partien, deren Längsachse in der Wachsthumsrichtung der Faser lag, zusammentraten. Die helle Zone ist wohl der dünne, von Haus aus freie Überzug über die zusammengeballten Fremdkörper und sind jene im Innern der Fasern vorhandenen Körperchen und Körnchen die Residua der unter Einfluss der Säure verschwundenen Fremdkörper.

Es fanden sich weiter noch in den Fasern kleine, runde, stark licht-

brechende Körper und ab und zu eine Kieselnadel oder ein Sandkorn nicht kalkiger Natur. Es wollte mir nie gelingen, in den Fasern auch nur Andeutungen von Hohlräumen an Stelle der durch Säuren ent-

fernten Fremdkörper zu finden, wohl aber schrumpfen so behandelte

Fasern auf den dritten ja vierten Theil ihrer ursprünglichen Dicke zu-

"sammen.

Psammascus wird übrigens beim Trocknen viel weniger spröde und brüchig als die übrigen Dysideiden und, als der Beschreibung nach, die Mehrzahl der Spongelien.

Die Schar der Fremdkörper setzt sich nach wiederholten (20 ma- ligen) an vier Individuen vorgenommenen Zählungen im Durchschnitt so zusammen:

Bruchstücke von Muschelschalen . . . 49% Sam ie. oramimferen 0.0, 0 li Spongiennadeln . . . ee)

Allerlei Theile von end Sclero- dermiden von Gorgoniden, Ascidien etc. 2 100 %o-

Die Größe der Fremdkörper ist sehr schwankend; einzelne wenige erreichen eine Größe von 4 mm und darüber, andere sind kaum mess- bar. Die größten finden sich in den Wurzelfasern und frei im Syr-

96 William Marshall,

cytium liegend ; hier trifft man stattliche Foraminiferen, ansehnliche | Sandkörner und große Spongiennadeln, meist sind es kugelige oder | scheibenförmige Körper oder, im Falle es Schwammnadeln sind, drei- | strahlige Kalknadeln. In den Primärfasern erreichen die Fremdkörper | eine Länge bis zu 0,5 mm. Doch finden sich dazwischen zahlreiche | kleinere und kleinste, manchmal auch schlanke Schwammnadeln oder | Bruchstücke von ihnen von mehr wie | mm Länge. In den Sekundär- | fasern ist die größte Länge der Fremdkörper durchschnittlich 0,2 mm, doch finden sich auch hier die kleinern massenweise und ab und zu wohl auch größere.

Während in diesen beiden Arten von Fasern die Fremdkörper dicht | an einander gepackt und über einander gelagert sind, so dass die orga- nische Materie der Spongie nur einen verschwindend kleinen Bruchtheil der Faser bildet, gestalten sich in den Tertiärfasern die Verhältnisse ' anders. Hier sind die Fremdkörper, die durchschnittlich eine Länge von 0,05 mm erreichen, nur in der Mitte perlschnurartig angeordnet | und präponderirt die organische Substanz bei Weitem.

Die Anordnung der Fremdkörper, sobald diese wenigstens gewisse Eigenthümlichkeiten besitzen , ist in den Fasern durchaus nicht zufällig, sie folgt vielmehr ganz gewissen mechanischen Gesetzen und zwar den- selben, denen die Anordnung der im Schwamme selbst erzeugten Hart- gebilde der Kalk- und Kieselschwämme folgt. |

Hazcker ! hat zuerst die Lagerung der Skeletttheile der Schwämme und zwar zunächst der Kalkschwämme eingehender gewürdigt. Er sagt: »Offenbar ist die bestimmte Art und Weise der Lagerung der Spi- cula in den Kanalwänden ursprünglich unmittelbar durch den Wasser- strom bedingt, welcher den Kanal durchfließt, und zwar lässt sich in dieser Beziehung folgendes allgemeine Gesetz aufstellen: Die Längsachse der Stabnadeln liegt in einem Meridian der Stromesrichtung. Bei den paarschenkligen Dreistrahlern und Vierstrahlern ist der basale Schenkel | parallel dem Stromeslauf und mit seiner Spitze dessen Richtung ent- | gegengekehrt.« |

Ich machte mich, um die Anordnung der Fremdkörper in den Fasern ! der Dysideiden verstehen zu können, selbst ans Experimentiren,, aller- ! dings unter sehr bescheidenen Verhältnissen , und da fand ich, dass bei der Lagerung schwimmender Körper zum Wasser zwei Faktoren von Hauptbedeutung sind, erstens die Gestalt des Körpers und dann die Ge- walt des Wasserstroms. Brachte ich einen Körper von verschiedenen Dimensionen, und auf einen solchen kommt es ja hier nur an, in nicht

1 Kalkschwämme. Bd.I. p. 298.

Untersuchungen tiber Dysideiden und Phoriospongien. 97

zu rapide Strömungen, wie wir sie uns im Spongienleibe vorstellen

müssen, so sah ich, dass sie ihre Längsachse parallel der Stromesrichtung anordneten, und dass, im Falle sie an den Enden verschieden dick waren, das weniger dicke Ende sich gegen den Strom richtete. So liegen auch in den Fasern der Spongien Fremdkörper unter gleichen Bedin- gungen (also keulenförmige Gesieinstückchen, stecknadelartige Kieselge-

bilde ete.) im Allgemeinen parallel der Stromesrichtung und mit der

Spitze dieser entgegen.

Es ließe sich annehmen, dass primäre und sekundäre Fasern ziem- lich gleichzeitig angelegt wurden. Die letzteren wachsen von innen nach außen dem Fremdkörper zuführen- den Wasserstrome entgegen, daher sind sie gastralwärts am stärksten, facial- wärts werden sie zarterund sind weniger von Fremdkörpern angefüllt, die äußer- ste Spitze ist in der Regel sogar frei von ihnen. Zahlreiche Eindringlinge werden mit dem Wasserstrome an den sekundären Fasern vorüber zur Gastral- seite der Körperwand gelangen und hier vom Strome entlang der Wandung oral- wärts gerissen werden. Hierdurch sind die Primärfasern, in deren jeder sich eine Masse von Sekundärfasern treffen, in der Lage sich zu verstärken, und durch | den Strom sind sie zugleich gezwungen, Schema des Wasserverlaufs und des möglichst ihre Wachsthumsrichtung bei- ; a, a a a zubehalten. Selbstredend sind diese parietalen Wasserstromes und Ent- Länesfasern im älteren unteren Theile STE dicker als im oberen, jüngeren.

- In den Tertiärfasern gestalten sich die Verhältnisse etwas anders. Während Primär- und Sekundärfasern durch ein mechanisches Gesetz gezwungen sind in einer bestimmten Richtung und mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu wachsen , sind die Tertiärfasern in ihrer ersten An- lage Kinder des Zufalls und wirken modificirend auf den Wasserstrom, ‚und später erst bestimmt dieser ihr weiteres Wachsthum. Denken wir unsin dem obenstehenden Schema verliefe der Wasserstrom in der Rich- tung von a nach b, so ist es klar, dass der Theil des Stromes, der in der Mitte zwischen ab und «a’b’, also im Centrum einer mehr oder weniger pyramidalen, von Sekundärfasern und Syncytium umgebenen Grube,

| rascher fließen wird, als die Theile, die an den Wandungen Reibungen

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 7

98 Ä William Marshall,

ausgesetzt sind. Diese langsamer fließenden Theile des Wasserstromes werden, wenn die Wandungen überall gleichmäßig glatt sind, nicht alterirt werden; wenn aber, wie es ja häufig geschieht, in einer Sekun- därfaser ein Fremdkörper in das Lumen der Grube hereinragt, dann wird ein Theil des Wasserstroms sich an ihm brechen und abgeleitet werden. Durch die hierdurch hervorgerufene locale Reizung, vielleicht auch auf rein mechanischem Wege, wird nun aus dem Protoplasma des Syncytium , möglicherweise unter Anwesenheit von Spongoblasten, sich nach und nach eine Faser entwickeln, deren Wachsthumsrichtung durch die Richtung des abgeleiteten Wasserstroms bedingt ist. Dieser, als lokaler Theil viel schwächer als der Hauptstrom, hat nicht die Kraft größere Fremdkörper und kleinere in Massen an sich und mit sich zu reißen und kann den Tertiärfasern, deren Urheber er ist und der ent- lang er verläuft, nur kleinere Partikelchen in bescheidener Menge zu- führen.

Es verdient schließlich hervorgehoben zu werden, dass die isolirt im Syncytium vorkommenden Fremdkörper, ganz wie die in Spongien selbst erzeugten Hartgebilde von einem zarten, strukturlosen Häutchen horniger Substanz, gleichsam von einer Spiculinscheide überzogen sind, welches Häutchen nach Behandlung eines Stückes des Schwammes mit verdünnter Salzsäure zurückbleibt.

Die Weichtheile von Psammascus zeigen, wie die Weichtheile fast aller in schwachem Spiritus konservirten Spongien durchaus nichts Besonderes.

Das Genus Dysidea.

Massig, polyzoisch. Fasern von dreierlei Art bei Formen mit ent- wickelter Leibeshöhle, von zweierlei Art bei solchen, bei denen Lipo- gastrie eingetreten ist. Außenseite mit abziehbarer Haut, in dieser und

in allen Fasern, aber niemals im Syncytium, Fremdkörper. Hierher gehören von beschriebenen Arten Dysidea fragilis Hyatt und D. coriacea Bowerb.

Dysidea favosa, Haeckelin sched.

Rundliche, massige Stücke, auf denen sich in wechselnder Anzahl ' kurze flache Kegel von circa 20 mm Basal-Durchmesser und höchstens | 10 mm Höhe erheben, oft sind zwei benachbarte der ganzen Länge nach | verwachsen. An ihrem abgestumpften Ende sind sie mit einem runden | Loche von 6—-9 mm Durchmesser versehen, jeder Kegel ist ein Schwamm- ! individuum und das gipfelständige Loch der Mund. Um diesen herum |

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 59

befindet sich ein 3—4 mm breiter, beweglicher, von nur sehr wenigen Skeletifasern innerlich gestützter Hautsaum, den man Munddiaphragma, Lippe oder Rüssel nennen kann. Die Außenseite des Schwammes ist von einer schleimigen, derben Oberhaut bedeckt, die sich auch über dichtan einander stehende, unregelmäßig polygonale Gruben von 1—3 mm Durchmesser wegspannt, und oberhalb dieser von zahlreichen runden 0,1—0,15 breiten Poren durchsetzt ist.

Entfernt man diese Oberhaut, so sieht man, dass sich unterhalb derselben die Gruben in eine Tiefe von I—2 mm fortsetzen, in ihrem Grunde gewahrt man mehrere Öffnungen im Gewebe, die Mündungen von Kanälen, die in einen größeren Hohlraum führen, der mit einen oder mehreren breiteren Kanälen mit der Leibeshöhle kommunicirt, oft liegen auch mehrere solche Hohlräume von wechselnder Gestalt und Größe hinter einander und verbinden sich durch Kanäle sowohl unter _ einander als wie mit seitlich benachbarten Hohlräumen. Sehr häufig münden die Endkanäle mehrerer Systeme derartiger Hohlräume in wand- ständige, große Gruben der Magenhöhle, die oft durch unterhalb vor- springende, aus Skelettfasern gebildeten und von Magenhaut überklei- deten Leisten, die halbmondförmig nach oben geöffnet sind, das Ansehen von Taschen gewinnen. Durch eine Oberhaut führen also Dermalporen in subdermale Räume, aus diesen führen mehrere Kanäle in sinuöse Anschwellungen (Geißelkammern?) , die ihrerseits wieder mit einem oder einigen größeren Kanälen mit der Magenhöhle kommuniciren. Das Astkanalsystem ist also, wie. HaEckeL es bezeichnet, nach dem » blasen- förmigen Typus« (Kalkschwämme Taf. XL, Fig. 10) oder, wenn man will, nach einer Kombination dieses und des »traubenförmigen Typus « angeordnet (Kalkschwämme, Taf. XL, Fig. 8).

Der Magenhohlraum ist entweder einfach trichterförmig oder er löst sich in selteneren Fällen in einige wenige, größere Äste auf; bisweilen kommuniciren auch die Magenräume verschiedener , benachbarter Kegel mit einander. |

Die Anordnung des Skeletts stimmt im Ganzen und Wesentlichen mit den von Psammascus beschriebenen Verhältnissen überein. In dem massigen Basaltheile der Spongie zwar ist das Gewebe verworren, in dem untersten Theile werden runde Maschen und Lücken von sehr schwankender Größe von dickeren und dünneren Fasern umgrenzt, ohne dass sich im Auftreten dieser Fasern ihren verschiedenen Dimensionen ‚nach irgend etwas Gesetzmäßiges finden ließe. Neben und durch ein- ander verlaufen starke und schwache Fasern , horizontal und vertikal. In den mehr mundwärts gelegenen Stellen des Basaltheils gewahrt man indessen eine gewisse Tendenz längerer und stärkerer Fasern, sich mehr

7*

100 William Marshall,

centripetal zu ordnen, aber auch hier ist das Bild der Regelmäßigkeit oft verwischt, oft verwachsen mehrere neben einander gelagerte Längsfasern zu festeren Strängen, die bisweilen, Hohlräume in sich einschließend, zu Röhren werden. Häufig zeigen sich in der Basalmasse große (bis 40 mm und darüber im Durchmesser habende) runde oder längliche, von Haut ausgekleidete Höhlungen, vielleicht Theile von Magen, die bei dem Weiterwachsen der den Schwamm zusammensetzenden Individuen durch überwuchernde Skelettmasse abgeschnürt wurden. Jedenfalls stimmt die sie auskleidende Haut mit der später zu beschreibenden Magenhaut überein.

Bei der Länge nach durchschnittenen Schwämmen sieht man, dass die Trennung der Individuen viel früher beginnt, als man den kurzen freien Kegeln nach vermuthen sollte; die einzelnen Magenhohlräume dringen tief, stellenweise sogar sehr tief in die Basalmasse ein. Diese scheint übrigens, wenn auch Magenräume in ihr fehlen, vollkommen funktioniren zu können, wenigstens ist auch bei ihr die Oberhaut von denselben Poren durchsetzt, wie solche in den höher gelegenen Schwamm- theilen sich finden. So ließe sie sich wohl mit einer selbständigen Spon- gie vergleichen, bei der Lipogastrie eingetreten ist.

Auch bei diesem Schwamme verlaufen in der Wandung des Magens Züge von Längsfasern, aber viel weniger deutlich wie bei Psammascus. Sie haben eine noch größere Neigung Anastomosen zu bilden und geben auch nach innen Äste ab zur Bildung der Gruben und Magentaschen, durch deren Gegenwart dem regelmäßigen. Verlaufe der Primärfasern überhaupt schon Eintrag geschieht.

Nach außen und oben von ihnen steigen in die Körperwand, die auch noch in den freien Kegeln 6 mm und unmittelbar unter dem Mund- rande 2 mm stark ist, in derselben Weise wie bei Psammascus Sekun- därfasern, die ebenfalls durch Tertiärfasern verbunden sind. Wenn zwei neben einander gelegene Individuen verwachsen, so wird das Wandgewebe zwischen ihnen in seinem regelmäßigen Wachsthum ge- stört, die Fasern verflechten sich und die Maschen und Hohlräume liegen in steil nach oben steigenden Zügen.

Die Fasern dieser Dysidea sind gleichfalls wasserhell, ungeschichtet und fähig, dem Drucke folgend, sich etwas zu verbreitern, nehmen aber bei Nachlassen des Druckes ihre ursprüngliche Form wieder an. Im trocknen Schwamme, der genau wie gewisse kaleinirte Knochen aus- sieht, schwinden sie um den vierten bis dritten Theil ihrer Breite. In diesem Zustande ist der Schwamm nicht oder doch nur in sehr geringem Grade zerreiblich. |

Die Fremdkörper zeigen manches Eigenthümliche: sehr selten sind

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 101

in den Fasern Kalksterne von Ascidien , häufiger gestreckte Sandpar- tikelchen und Kieselnadeln, resp. deren Bruchstücke, bei Weitem aber herrschen Nadeln und Nadelfragmente von Kalkschwämmen vor. Die verschiedenartigen Fremdkörper treten in den Fasern in folgendem Ver- hältnis auf:

Palkmadein 1 22... . 0.0.0... 02 200, Kreselnadeu 0 0... 0.0 0 027 Sans a er era; Fragmente von Muschelschdlen . . . 2

Allerlei (Gorgoniden-Scleroderm, Asci- diensterne, Bruchstücke von Echino-

dermen eich, m. 00 nt 100%).

Auch an den Fremdkörpern dieser Dysidea finde ich das HAEckEL- sche Gesetz über die Anordnung der Nadeln durchaus bestätigt.

Die Oberhaut des Schwammes, ungefähr 0,3—0,5 mm stark, ist derb und lässt sich in großen Stücken abziehen. Die Dermalporen haben circa 0,3 mm im Durchmesser und stehen etwas, aber nicht streng regel- mäßig, alternirend ; bei den untersuchten Spiritusexemplaren waren sie durch ein zartes, von Fremdkörpern freies Häutchen geschlossen. Die 'Zwischenräume zwischen den Poren sind ein Drittel bis halb so breit wie diese und bilden ein elegantes, von Fremdkörpern strotzendes Netz.

Diese Fremdkörper treten hier in anderer Art auf als in den Skelett- fasern:

Ascidiensierne, 3 nn ee ne Kae, Kalk- und Kieselnadeln.: ...::...... .:23 Kleine Sandkörner. 0.3, 2, erster 0 Muschelfraementes u: sinus as Nllorleiis 2 00 ei es BusteikD

also bilden runde oder doch rundliche Körper circa 70%, der Gesammt- masse, gestreckte bloß 30 %/,.

Gewiss treten mit dem Wasserstrome nicht nur lange Fremdkörper in den Schwamm ein, sondern eben so gut auch oder mehr noch runde, aber die langen werden an die, im Leben gewiss etwas klebrigen Fasern angedrückt, während die runden, die auf kurze Momente nur geringe Berührungspunkte bieten, durch die Gewalt des Stromes weiter gerollt _ werden und so in den Magenraum und endlich zur Mundöffnung heraus gelangen. Sobald aber hiermit die treibende Kraft nachgelassen hat, fallen sie über den Mundrand auf die Oberfläche der Spongie und bleiben auf dieser, die wir uns gleichfalls als etwas klebrig vorstellen müssen,

102 William Marshall,

haften. Viele dieser Körper mögen die Reise durch den Spongienkörper öfter wiederholen, bis sie endlich zur Ruhe gelangen.

Hyarr ! hat die Hypothese aufgestellt, dieFasern der Hornschwämme wüchsen auf doppelte Art und entwickelten sich aus zwei verschiedenen Keimblättern,; der innere Theil derselben bilde sich durch eine (ge- wissermaßen trompetenartige) Einstülpung der Oberhaut und auf diese Einstülpung setzten sich die bekannten Deckschichten aus dem Syneytium des Mesoderms ab. Wäre dies wirklich wahr, so müssten unter den Fremdkörpern der Sekundärfasern bei Dysidea favosa die Ascidiensterne vorherrschen, wie sie es in der äußeren Haut thun, aus der sie ja, unter den von Hyarr angenommenen Wachsthumsvorgängen, in das Innere der Fasern gelangen müssten und gewiss leichter als große Bruchstücke von dreistrahligen Kalknadeln gelangen könnten. Dass dies ganz und gar nicht der Fall ist, beweist ein Vergleich der beiden von mir ge- gebenen Übersichten über die Arten der Fremdkörper in den Fasern und in der Oberhaut.

Fallen die aus dem Munde ausgestoßenen Fremdkörper auf Theile der Oberfläche des Schwammes, an denen die Poren gerade geschlossen sind, so werden sie sich über diesen Theil in toto und damit auch über die Schließhäutchen der Poren regellos vertheilen. Durch das fortge- setzte Öffnen dieser Poren aber werden sie mechanisch in die umgeben- den Wälle zu den dort schon befindlichen Fremdkörpern hingedrängt und von der klebrigen Haut festgehalten. Man kann leicht beobachten, dass langgestreckte Fremdkörper der Außenseite tangential zu den Poren liegen, eine Lage, zu der sie gleichfalls durch die Bewegungserscheinungen des verschließenden und öffnenden Protoplasma-Sphinkter (um es einmal so zu nennen, da es keine Haut ist) genöthigt werden. Größere drei- . strahlige Kalknadeln liegen stets so, dass zwischen je zweien ihrer Schenkel ein Hautporus sich befindet, die einzig für sie mögliche Lage, denn es ist klar, dass Alles was sich von Fremdkörpern diesem mechanischen Zwange nicht fügen kann, von dem Wasserstrome wieder mit in die Ramalkanäle hineingerissen wird. Auch dies ist ein Grund mit, dass in der Oberhaut rundliche Körper, die weniger leicht passiven Widerstand zu leisten vermögen, vorherrschen.

Man darf aber nun nicht meinen, dass diese hier von n Dys. favosa beschriebenen Verhältnisse auch bei den übrigen Dysideiden stattfänden: eine Spongie mit Fasern, die stärker kleben, oder in deren Körperwand das Kanalsystem anders angeordnet ist, wird ein unter Umständen sehr abweichendes Arrangement der Fremdkörper zeigen.

lc. p. 482 ff.

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 103

Die Magenhöhle von D. favosa ist gleichfalls mit einer Haut ausge- kleidet, die mit der Oberhaut kontinuirlich zusammenhängt, obwohl sie zarter ist als diese; am Munddiaphragma gehen sie in einander über. Auch in der Magenhaut verschwinden die Fremdkörper nicht ganz, sind aber doch viel seltener als in der Oberhaut. Sie liegen nicht unregel- mäßig, sondern entweder einzeln, und falls sie dann gestreckt sind, parallel mit der Körperachse, oder in kleinen Gruppen, die, gleichfalls länglich, in der Richtung des oralwärts fließenden Wasserstromes ange- ordnet sind.

Nach Behandlung mit Essigsäure nimmt die ursprünglich homogen erscheinende Magenhaut ein faseriges Ansehen an; eine Erscheinung, die nicht auf dem Auftreten feiner Falten, sondern auf dem wirklichen Vorhandensein von Fibrillen beruht, denn bei Zupfpräparaten erscheinen am Rande öfters streckenweise isolirte Fasern, und außerdem zerreißt beim Zupfen die Haut in der gleichfalls oralwärts verlaufenden Richtung der Fasern.

Diese eigenthümliche Struktur, bei deren Betrachtung man unwill- kürlich an manche organische Muskelgewebe erinnert wird, ließen mich hoffen in dem Mundsaume etwa eine sphinkterartige Anordnung der Fibrillen anzutreffen, aber meine Erwartungen wurden getäuscht.

In der Magen- und Oberhaut bleiben übrigens, nach Behandlung mit verdünnter Salzsäure, feine Häutchen zurück , von denen (nach Art der Spiculinscheiden der Hartgebilde der Kalk- und Kieselschwämme) die zerstörten Kalkkörperchen umgeben waren.

Die blasenartigen Erweiterungen des Kanalsystems, die aller Ana- logie nach als Geißelkammern aufzufassen sind, werden von einer feinen, von Fremdkörpern freien Haut ausgekleidet, an der irgend eine Struktur aufzufinden nicht gelang. Man sieht mit dem Mikroskop in ihr (bei manchen Individuen häufig) trübe, rundliche Partien von wechselnder Größe, wahrscheinlich durch die Aufbewahrungsmethode veränderte Ei- zellen. Bei einem Individuum lagen in den Geißelkammern und in den Kanälen magenwärts von diesen runde Körper von gelber bis orangener Farbe von 0,8 mm Durchmesser, daher für das bloße Auge sehr wohl wahrnehmbar. Sie entpuppten sich bei schwacher Vergrößerung als Eier im Morulastadium. Die in den Kanälen befindlichen waren wohl, wie Fremdkörper, auf einer passiven Wanderung begriffen um in den Magenraum zu gelangen und aus der Mundöffnung ausgeworfen, »gelegt« zu werden.

Das heimatliche Gewässer dieser Spongie ist die Bass-Straße.

104 William Marshall,

Dysidea callosa mihi.

=

Aus derben, "klumpigen Massen erheben sich fingerförmige bis lappige Fortsätze von 40—60 mm Höhe und sehr schwankendem Durch- messer, der aber an der Basis nie weniger als mindestens ein Drittel der Höhe beträgt. An der Spitze sind die kegelartigen Fortsätze mit Löchern, Mundöffnungen versehen, die fingerförmigen, von einem Individuum ge- bildeten mit einem, die lappigen aus mehreren verschmolzenen Indivi- duen bestehenden mit mehreren. Um die Mundöffnungen, welche nicht immer rund sondern bisweilen auch schlitzförmig erscheinen, steht ein dünner noch nicht 1 mm breiter Hautsaum. Die Oberfläche zeigt un- regelmäßige, in keiner bestimmten Richtung verlaufende, flache und kurze Wülste und sehr wenige, runde, warzenartige Papillen von 1 bis 1,5 mm Durchmesser, welche im obern Theil häufiger werden und um den Mund herum endlich sehr dicht stehen. Die Oberhaut ist auf den Kegeln glatt und glänzend, weniger auf dem Basaltheile.

Das Skelett zeigt nicht die regelmäßige Anordnung wie bei D. favosa; die Fasern lassen sich nicht als verschiedenartig unterscheiden, ja stellen- weise kann man von diskreten Fasern gar nicht sprechen. Man kann in der Fremdkörpermasse (der Kegel wenigstens) schwache Züge beob- achten, die in durchschnitienen Wandungen fiederartig von innen und unten nach außen und oben verlaufen, aber von regelmäßigen Netzen und Geflechten kann nirgends die Rede sein, und die Basalmassen vollends gleichen einem zusammenklebenden Haufen Sandes, der von größeren und kleineren Löchern und Gängen regellos durchsetzt wird. Die aufsteigenden Fasern der Kegel verbreitern sich an dem Ende, mit dem sie an die Haut treten, und dadurch kommen die erwähnten Er- höhungen der Oberseite zu Stande, Wülste imälteren Theile, wo mehrere Fasern verschmelzen und einzelne sich verdicken und Papillen in den jüngeren Regionen, in denen schlankere Fasern mehr vereinzelt ver- laufen. Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass sich benachbarte Fasern wohl einmal mit Querfasern verbinden; ab und zu sind sie auch auf längere oder kürzere Strecken zu Platten und Klumpen, mit nur wenigen perforirenden Löchern und Gängen verschmolzen.

Bei diesem Schwamme zeigen die Fasern einen merklichen Unter- schied von den bei Psammascus und D. favosa beschriebenen Verhält- nissen. Während bei diesen die kontinuirlichen Massen der Fremdkörper von einer besondern, wenn auch strukturlosen Ceratin- oder Spongin- hülle umgeben waren und die Faser vor Aufnahme der Fremdkörper sich aus dem umgebenden Syncytium (vielleicht unter Anwesenheit von Spongoblasten) als klebriger Strang differenzirte, wie sie ja in ihrem

- Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 105

facialwärts stehenden, jüngsten Ende frei von Einschlüssen ist, liegen bei Dys. callosa die Verhältnisse anders. Hier sind die Fremdkörper zu dieken Strängen dicht an einander gepackt ohne umgebende gemeinsame ‚Hülle, und nachdem man mit verdünnter Salzsäure die meisten Fremd- körper entfernt hat, bleibt kein Fasernetz zurück und die ursprünglichen organischen Bestandtheile des Skeletts heben sich unter dem Mikroskop nur dadurch vom übrigen Syncytium ab, dass sie etwas dichter sind.

Beim Trocknen schrumpft der Schwamm zu einer derben, kork- artigen Masse zusammen und zeigt kein wohldifferenzirtes Skelett mit verschiedenen Fasersystemen und Maschen, nur die größeren Kanäle treten als Löcher und Gänge auf. Der trockene Schwamm ist in hohem Grade zerreiblich, was bei dem großen Reichthum an Fremdkörpern und dem Mangel eines Hornskeletts leicht erklärlich ist.

An dem Skelett dieses Schwammes kann man erkennen, wie Horn- fasern, zu deren Verstärkung ursprünglich Fremdkörper in bescheidenem Maße aufgenommen wurden, nach und nach verschwinden und jene

vollständig an deren Stelle treten. | Von allen von mir untersuchten Dysideiden herrscht hier am wenig- sten irgend eine besondere Art von Fremdkörpern vor, es finden sich :

REIF NTERIREHIUN Sponeiennadeln.;. u. =. . 4er. ur :93 Ruischeltraemente „. ,- . . . . 2... 25 ienlene 0 00 0 n .0yd

5 | 100 90.

Das Gastrokanalsystem ist sehr stark entwickelt. Unmittelbar unter dem Munde theilt sich der Magen meist in mehrere Hohläste, die ent- weder gleich weit sind, oder aber, und dies ist das Häufigere, der Mittel- theil, also der eigentliche Magen, bleibt weiter als die Zweige, die er abgiebt. Nicht eben selten gewahrt man beim Einblick in die Mund- höhle eine Art von Steg, der die verschiedenen Magenäste trennt. Die Gastralkanäle dringen sehr tief in die Basalmasse ein und erweitern sich hier nicht selten zu kugeligen Hohlräumen. | Im Allgemeinen werden die Äste und Ästchen des sich vielfach

theilenden, auch Anastomosen eingehenden Kanalsystems facialwärts feiner und feiner, es ist der baumförmige Typus des Astkanal-Systems (HAzcker) der uns hier entgegentritt. Bemerkt sei noch, dass ganz feine Kanäle direkt aus dem Haupt-Magenraum entspringen können, eine suc- cessive Abstufung von stärkeren zu feineren also durchaus nicht noth- ‚wendig ist. Unterhalb, d. h. aboralwärts, steht unter jeder Mündungsöffnung,

106 William Marshall,

der größern Kanäle wenigstens, eine halbmondförmige Klappe oder eine nach oben offene, häutige Tasche, die wohl auch das Resultat der oral- | wärts strebenden Wasserströme ist, zugleich aber auch ihre funktionelle! Bedeutung hat. Wenn nämlich die Dermalporen streckenweise geschlossen ' sind, was bei Spongien nicht selten vorkommt, so wird gewissen Zweig- | kanälen kein Wasser von außen zugeführt. Mündeten diese nun in dem! nächsten Kanal ganz frei, so würde das in demselben oralwärts strömende| Wasser mit Fäces, überflüssigen Fremdkörpern, vielleicht auch Genital-

produkten etc. leicht in sie eindringen können, ein Ereignis, das, 7

wenn auch nicht besonders schädlich, so doch recht störend würde wirken können. So aber werden jene Klappen, wie der Deckel beim Schlingen auf den menschlichen Kehlkopf, auf die Eintrittsöffnungen gedrückt und diese damit geschlossen.

Das ganze Gastralkanal-System (Magenhöhle etc.) ist von einer feinen zusammenhängenden Haut ausgekleidet, die auch als Duplicatur die Schließklappen bildet. Diese Haut, in und auf der sich sparsam Fremd- körper finden, giebt unter dem Mikroskope Bilder, die ganz an fibrilläres Bindegewebe erinnern; sie setzt sich aus sehr feinen Längsfasern zu- sammen, die sich durch anhaltendes Zupfen auf kurze Strecken isoliren lassen. An den halbmondförmigen Klappen geht die Längsrichtung nach” und nach in eine transversale über, und längliche Fremdkörper (Kiesel- nadeln etc.), die in den klappenfreien Theilen vertikal liegen, gruppiren” sich in den Klappen von unten nach oben immer mehr horizontal und! sind hier auch häufiger; beides ein Resultat der Kraft des Wasserstroms, | der an den Klappen einen Widerstand findet. Wirft man in fließendes F Wasser eine Anzahl Späne, so wird man sehen, dass sich ein Theil! derselben an einer Stauungsstelle quer zur Richtungsachse des Wasser-) E stroms legt, und dass sie hier sich häufen ist selbstverständlich. Diese) innere Haut hängt wie bei D. favosa mit der Oberhaut kontinuirlich zu-" sammen, indem sie sich um den Mundrand schlägt. 7

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(mit dem längsten Durchmesser in der Wachsthumsrichtung stehenden) hl Hautporen ein feines Netz bilden und dabei in deren unmittelbaren‘ Nähe eine mehr koncentrische, sphinkterartige Anordnung gewinnen.) Die Oberhaut ist sehr derb, fast lederartig, führt aber auf den kegel-! förmigen Individuen auffallend wenig Fremdkörper in und auf sich, während das übrige Skelett so ungemein reich an ihnen ist. Die Poren! durchsetzen die Haut meist nicht direkt, ein Porus kann vielmehr in) seinen tieferen Stellen von Querfasern durchzogen sein, und es zeigen

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 107

sich mit der Einstellung des Mikroskops verschiedene über einander ge- lagerte Hautnetze. Die tiefefen Fasern sind zarter als die oberflächlichen und meist vollständig frei von Fremdkörpern.

In dem älteren basalen Theile sind die Hautporen entweder ganz verschwunden oder sie sind doch als sehr feine, vereinzelt stehende Löcher gegen die Masse der Haut sehr zurückgetreten. An diesen Stel- len sind die Fremdkörper häufiger und rekrutiren sich meist aus langen Nadeln und Nadelfragmenten,, die eigenthümlicherweise zur Hälfte in der Haut stecken und mit der andern Hälfte frei über die Oberfläche hervorragen, so dass der Schwamm hier fein stachlig wird. Wo die Nadelstücke die Haut durchbohren, ist diese ein wenig erhöht und gleich- sam nachgezogen.

In dem Syncytium, das hier ganz ungemein zurückgetreten ist, ge- lang es leider nicht irgend etwas Besonderes wahrzunehmen; es zeigten sich stellenweise mehr oder weniger runde, undurchsichtige Partien und die bekannten feinen Körnchen.

Das Vaterland dieses Schwammes ist unbekannt; die Exemplare der jenaer Sammlung sind in einer Flasche ohne Etiquette, doch stam- men sie höchst wahrscheinlich gleichfalls von Australien.

Dysidea argentea, Haeckel in sched.

Massig, polyzoisch mit einfachen Mundöffnungen von 1—2,5 mm Durchmesser. Das Exemplar ist auf Bruchstücken von Muschelschalen angesiedelt und von Sertularien durchwachsen. Die Oberhaut ist in nur kleinen Fetzchen abreißbar, von silbrigweißem Glanze, was einiger- maßen auffallend ist, da sie bei den übrigen Dysidea-Arten, an in Spi- Titus konservirten Exemplaren wenigstens, eine schmutzige graugelbe Farbe besitzt. Die kleinen, 0,25 mm im Durchmesser haltenden Poren sind dicht über die ganze, weder durch Gruben noch Wülste unebene Oberfläche verbreitet. Bei schwacher Vergrößerung sieht man manche Poren schwarz und in runden Gruppen, die bisweilen zusammenhängen, vereinigt. Diese stehen direkt über Hohlräumen im Skelett, während die andern über einem Netze von an die Oberfläche herantretenden Fasern sich befinden und in dessen feinste Maschen führen. | Mittels des Mikroskopes sieht man, dass die Wälle um die Dermal- poren herum sich hauptsächlich aus Nadelfragmenten aufbauen; diese sind klein, im Durchschnitt 0,08 mm lang und bilden ein stellenweise sehr zierliches Netz wie aus Pflaster oder Mosaik bestehend, das bei regelmäßiger Stellung der Poren und bei der tangentialen Anordnung der Fremdkörper oft sehr symmetrisch wird.

In den Fasern sind die fremden Einschlüsse gleichfalls fast nur klein

108 | William Marshall,

und dicht an einander gepackt. Oft entwickeln sich im Skelett Platten’ if durch Verschmelzung der Fasern, und wenn auch bei diesen die orga-| nische Substanz zurückgetreten ist, so ist sie doch stets deutlich vor- | handen, und die Fremdkörper erscheinen nicht wie bei D. callosa ein- fach in das Syncytium eingelagert. |

Das feste Skelett setzt sich aus folgenden Bestandtheilen zusammen : |

Kalknadin . . „. ... 250, Kieselnadeln .. .. ........00 Sand. a ln Muschelschälen . . . ...46 Allerlei... u... 2 20820 2010

| 100 9%.

Über das Arrangement der Fasern bin ich leider nicht in der Lage” bemerkenswerthe Mittheilungen machen zu können, eben so wenig über” | das Gastrovascular-System. '#

Es ist von mir im Verlaufe dieser Darstellung schon mehrfach da- | M rauf hingewiesen worden, dass die Fremdkörper bei den Dysideiden' eben so wie die in andern Schwämmen selbst entstandenen Hartgebilde LK von einer zarten Haut, einem der Spiculinscheide entsprechenden Säck-" chen umschlossen sd. Nirgends sieht man dies deutlicher wie bei‘ D. argentea. 5

Die Oberhaut bietet, wenn man die meist kalkigen Fremdkörper! mittels Säure entfernt hat, bei starker Vergrößerung Bilder, die lebhaft” an gewisse Epithelien erinnern. Die Fremdkörper-Säckchen hängen, wie‘ Zellen, dicht an einander und nur wenig organische Substanz (ihre sich" berührenden Wandungen) ist zwischen ihnen. In ihrem Innern ge-" wahrt man sehr feine Körnchen und ab und zu runde, stark lichtbre- chende Körperchen, die als von der Säure nicht aufgelöste Residua auf- zufassen sein dürften. Auch in den Häutchen selbst gewahrt man sehr! feine Körnchen und eine feine Strichelung. j

Diese Säckchen haben ihre ursprüngliche Gestalt, in der sie der| Form der Fremdkörper folgten, etwas verändert, es sind nicht mehr! Cylinder, was sie zum größten Theile als Überzüge von Nadelfragmenten waren, sondern sie sind polyedrisch geworden. Da der feste Widerstand mit den Fremdkörpern verschwunden ist, so suchen die nachgiebigen Überzüge durch mechanischen Einfluss, vielleicht durch Gasentwicklung, | | eine rundliche Form anzunehmen, wobei sie sich, wie Blasen im Seifen- | schaum an einander abplatten müssen. N

Dies ist weniger oder gar nicht der Fall in den mit verdiännias 74 Salzsäure behandelten Präparaten von Fasern. Hier legt der, wenn auch |"

Untersuchungen über Dysideiden und Phioriospongien. 109

dünne so doch feste Überzug des Ganzen ein energisches Veto ein und man erhält sehr originelle Bilder, in denen die Säckchen genau die Form der verschwundenen Fremdkörper annehmen oder vielmehr behalten.

Diese Dysidea, welche nur in einem Exemplare vorlag, konnte nur sehr mangelhaft untersücht werden; sie stammt gleichfalls von Austra- lien und befindet sich im jenaer Museum.

Das Genus Psammoclema.

Polyzoisch, sich unregelmäßig verästelnd. Oberfläche glatt mit ab- ziehbarer Haut. Fremdkörper in einfachen, fächerartig von unten und innen nach oben und außen verlaufenden Zügen mit wenig organischer Substanz, stets ohne Querfasern. Im Syneytium gleichfalls freie Fremd- körper.

Psammoclema ramosum. 2 Dysidea ramosa Haeckel in sched.

Dersich unregelmäßig verzweigendeSchwamm hat wenige drehrunde Äste mit einem Durchmesser von 8—10 mm, nur in den jüngsten Spitzen reducirt sich dies Maß auf 5—6 mm. Die Mundöffnungen sind zahlreich, von I—2 mm Durchmesser , kreisrund oder häufiger oval, und dann steht die längere Achse in der Wachsthumsrichtung des Schwammes. Sie treten in Abständen von 5—50 mm auf, aber diese Extreme sind selten, meist beträgt ihre Entfernung von einander 12—15 mm. Am freien Ende der Äste ist der Schwamm sanft abgerundet. Über das untere Ende kann ich nichts sagen, dasselbe war bei dem vorliegenden Material stets abgerissen. Auf ansehnliche Strecken sind oft die ein- zelnen Äste mit einander verschmolzen. Dies kann entweder unmittel- bar nach der Trennung geschehen und dann verrathen sich die ur- sprünglich diskreten Äste durch eine oberhalb und unterhalb ihrer Verwachsungslinie verlaufende Furche, oder aber die Verschmelzung ‚tritt erst im weiteren Verlaufe ein, so dass zwei Äste eine Strecke weit getrennt neben einander verlaufen, dann sich wieder auf eine Strecke vereinigen und endlich wieder frei werden; ja es kann vorkommen, dass Äste sich auf diese Art öfter mit einander verbinden. Man kann diese Erscheinung nicht eben selten auch bei andern Horn- und Kiesel- schwämmen beobachten, doch ist sie bei dieser Dysideide besonders in die Augen fallend.

Das Skelett besteht aus centralen Längsfasern von 0,5—1 mm Breite, die, sich fast stets dichotomisch theilend, sekundäre Äste ab- geben, die nach oben (d. h. nach der Astspitze) und außen unter Ver-

110 °- William Marshall,

breiterung des Endes an die Oberhaut treten. Diese 0,5 mm starken | Äste theilen sich auch häufig, und vor einer derartigen Theilung ge- schieht es ab und zu, dass sie sich ansehnlich verbreitern; es wurde | aber nie beobachtet, dass sie sich durch tertiäre Querfasern verbänden. | Sie sind im Durchschnitte nicht kreisrund, sondern etwas flach gedrückt. | Ihre organische Substanz ist sehr geringfügig und eben genügend die | vorhandenen Fremdkörper (hauptsächlich Bruchstücke von Spongien- | nadeln) zusammenzuhalten. Die Maceration mit verdünnter Kalilauge | verträgt sie noch, aber nach Kochen in starker war ein Stück von 2 cm | Länge nach zwei Minuten vollkommen verschwunden und nur ein Haufe von Fremdkörpern übrig geblieben. Wenn man mit sehr verdünnter ! Kalilauge manipulirt, so erhält man besonders aus den Astspitzen höchst zierliche Faserbäumchen, die außerhalb einer Flüssigkeit sofort zu un-| entwirrbaren Knäueln kollabiren.

Die Arten der Fremdkörper, aus denen sich die Fasern aufbauen, | und die in ihrer Anordnung strikte dem Harcker’schen Gesetze folgen, ' sind diese: |

Bruchstücke von Kalkschwamm-Naden . . . 52% Bruchstücke von Kieselschwamm-Nadeln . . . 48 Sand Fr ST AN > Muschelschal-Stückchen . . . . 2.2.0.2. 7 Allerlei ame. ee 1 100%.

Beim Trocknen wird der Schwamm, indem er auf ein Drittel seines | ursprünglichen Volumens zusammenschrumpft, steinhart. Die chemische | Untersuchung ergab, dass die Spongie

an, verbrennlicher Substanz . .. .......... 25,20) an unverbrennlichem Rückstande . . . . 74,80),

ihres Gewichtes besaß, also einen Reichthum an Fremdkörpern aufwies, ' wie er bei Spongelia nicht vorkommt.

Außer in den Fasern finden sich noch isolirte Fremdkörper im gan- | zen Syncytium mehr oder weniger häufig; meist sind sie größer als im übrigen Schwamme und besonders Sandkörner.

Man beobachtet aber noch andere sehr eigenthümliche Körper, über deren Natur und Herkommen ein Uriheil zu fällen ich mir nicht erlau- ben will. Sie sind linsenförmig und stark lichtbrechend. Unter dem Polarisationsapparat erscheinen sie doppeltbrechend; ihr Durchmesser beträgt circa 0,05 mm. Bisweilen Zwillinge, kommen sie am häufigsten im Syncytium, nur sehr selten auf der Oberhaut vor. In den Fasern | treten sie, wie es scheint, gar nicht auf, wie sie denn auch durch den

4

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 111

Einfluss verdünnter Salzsäure verschwinden. Diese Körnchen sind nun _ entweder Rollstückchen von Fremdkörpern, aber dann bleibt es sonder- bar, dass sie stets nur kalkiger Natur sind und bei andern Dysideiden fehlen, oder sie sind zweitens vom Schwamme selbst gebildet, was freilich ohne Analogon sein dürfte, denn keine Spongie bildet andere wie nadel- förmige Kalkkörper, so weit wir wissen, oder endlich können es erst post mortem entstandene Kunstgebilde sein. Wie gesagt, ich enthalte mich jeder Entscheidung und will hiermit bloß die Thatsache registrirt haben.

Sämmtliche Exemplare des Schwammes zeigen noch eine sonder- bare, wenn auch nicht vereinzelt dastehende Erscheinung. Sie sind nämlich von einer Fadenalge, die ich für nahe verwandt mit Oscillaria Spongeliae F. E. Schulze halte, dicht erfüllt. F. E. Schuzze ! beschreibt diese in Spongelia pallescens parasitisch auftretende Alge ausführlich ; sie erreicht eine Länge von 0,4 mm und setzt sich aus einer Anzahl Glieder von Form der holländischen Käse zusammen, die circa 0,006 mm breit und 0,004 mm hoch sind. Diese Oscillaria lebt nur in den Weich- theilen des Schwammes bis 5 mm unter der Oberfläche, was ScuuLze wohl richtig auf das Lichtbedürfnis der im Leben braunrothen Pflanze zurückführt. In einzelnen Varietäten der Spongelie ist sie fast regel- mäßig anzutreffen.

Die bei Psammoclema vorkommende Alge zeigt eine schlankere Form, sie ist bis 1 mm lang, vielleicht noch länger, denn es ist äußerst schwierig die Individuen zu isoliren; die einzelnen Glieder sind wie bei Osc. Spongeliae 0,006 mm breit, aber nicht weniger hoch, so dass sie sich im Profil mehr der Kreisform nähern. Die Farbe bei den Spiritus- exemplaren ist schwach gelblich. Sie durchsetzt in sehr zahlreicher Menge die Weichtheile des Schwammes und dringt auch in die Ober- haut, niemals aber in die Fasern ein. Sie ist bei der geringen Dicke der Äste nicht gezwungen, eine gewisse, vom Einfluss des Lichtes ab- hängige Zone einzuhalten, und erscheint manchmal als dichter Filz un- entwirrbar sich kreuzender Fäden, die die Substanz des Syncytium ganz verdrängt haben. Herr Professor STRASSBURGER, der die Güte hatte Prä- parate zu untersuchen, hielt die Alge unzweifelhaft für eine Oscillaria, _ wahrcheinlich nahe mit dem Genus Lyngbya verwandt. Es sei bemerkt, dass eine Reaktion auf Chlorophyll nicht gelang.

Der Schwamm scheint übrigens durch Anwesenheit der Pflanze in seinem Wohlbefinden nicht beeinträchtigt zu sein ; alle Exemplare schie- nen mir wohl entwickelt. Vielleicht, dass wir es hier mit einer Erschei-

1 Diese Zeitschr. Bd. XXXI. p. 147.

112 William Marshall,

nung der wunderbaren Symbiose zu thun haben, was ich auch von den Fäden der Hircinien vermuthe und worauf bei diesen Schwämmen schon | ScauLze hingedeutet hat. Wenn Carter ! bemerkt, er habe gewisse Hir- | cinien mit diesen Fäden, aber gelegentlich auch ohne dieselben gesehen, | so dürfte dies doch wohl beweisen, dass jene Fäden Eindringlinge sind, deren Anwesenheit im Schwamme, wie die Anwesenheit der Osc. Spon- | geliae in gewissen Varietäten der Sp. pallescens, äls Regel anzusehen ' ist. Dass ein so gewiegter Spongienkenner wie Carter, der so viel gesehen und untersucht hat, sich hier gröblich täusche, kann kaum an- genommen werden. |

In dem Beweise, dass die Fäden der Hircinien parasitischer Natur ' seien, dürfte, sobald er geführt ist, der Todeskeim für die Gruppe der Hirciniaden liegen, deren Mitglieder sich dann wohl in andere Familien | der Hornschwämme werden unterbringen lassen.

Die Oberhaut von Psammoclema ist schwer und nur in kleinen | Fetzchen loszulösen,, zeigt auch verhältnismäßig nur wenig Hautporen | (von 0,4 mm Durchmesser). Die Fremdkörper überwiegen bei Weitem ' und zeigen auch hier die mehrfach beschriebene tangentiale Anordnung, -nur sind dreistrahlige Nadeln, die übrigens, wie alle Fremdkörper, klein sind, hier bei der Breite der interstitiellen Wälle nicht, wie bei | Dys. favosa genöthigt in ihrer Lage sich in so hohem ‘Grade nach den Hautporen zu richten.

Das Gastrovascular- System ist bei Psammoclema von besonderem Interesse. Die Mundöffnungen befinden sich alle auf einer Seite, wie bei manchen Formen von Halichondria oculata Grand und bei Veluspa polymorpha v. digitata Miclucho. Es scheint dies dafür zu sprechen, dass der Schwamm nicht aufrecht wächst, sondern wie viele Pflanzen im Meere, horizontal. Ein aufrechtes Wachsthum dürfte wohl auch schon bei der Schwere des Schwammes seiner geringen Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber unmöglich sein.

Jeder Mund führt in einen länglich sackartigen, schräg nach hinten (von der Astspitze aus) gerichteten Magen, der nach allen Richtungen hin sich verzweigt. Ein Theil der Zweige verläuft cenirifugal und ein andrer zwischen den Centralfasern. Die Zweige vereinigen sich mit be- nachbarten Magenhöhlen direkt oder bilden Anastomosen mit von diesen abgehenden Zweigen. Die feinsten Ramalkanäle enden einfach unter ' der Oberhaut mit relativ ansehnlichen konischen Erweiterungen (sub- dermalen Räumen). Auf Querschnitten erhält der Schwamm durch diese Abwechslung von Hohlräumen und Faserzügen, oder richtiger coulissen-

1 Ann. Mag. nat. hist. 1878. Ser. V. Vol. 2. p. 457.

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 113

artigen Platten aus zusammengeklebten Fremdkörpern, ein oft sehr regel- mäßiges radiäres Ansehen.

Das Gastrovascular-System ist hier nach dem astförmigen Typus an- geordnet, erscheint aber durch die Verbindung der einzelnen Magenräume ungewöhnlich komplicirt.

Diese merkwürdige Spongie kommt von der Bass-Straße. Jenaer Museum.

Das Genus Psammopemma.

Kuchenförmige, feste, von äußerst feinen Kanälen durchzogene Sandmassen mit Lipostomie und Lipogastrie; der Sand nur von wenig Protoplasma zusammengehalten. Oberhaut schwach, durchsichtig und homogen.

Psammopemma densum. Dysidea densa Haeckel in sched.

Dieser sonderbare Schwamm stellt unregelmäßig runde, oben ab- geflachte, unten gewölbte Kuchen dar, die einen Durchmesser von 30 bis 35 mm nicht zu überschreiten scheinen. Über den ganzen Schwamm, besonders aber die Unterseite, verlaufen regellos sehr schwache und niedrige Wülste. Getrocknet ist diese sandreichste aller Dysideiden im höchsten Grade zerbrechlich, bei einem Falle aus geringer Höhe zerspringt sie sofort in kleine Stücke und mit Wasser gelinde geschüttelt zerfällt sie vollkommen.

Die Fremdkörper sind nirgends zu Fasern angeordnet; sie durch- setzen vielmehr den Schwamm vollkommen gleichmäßig, abgesehen von sehr feinen, 0,2 mm breiten, wenig zahlreichen und im Verlaufe nicht verfolgbaren Kanälen. Ganz regellos scheint ihre Anordnung in- dessen auch hier nicht zu sein, ich fand Stellen, in denen eine centri- fugale Richtung sogar deutlich ausgeprägt war.

Folgende Arten von Fremdkörpern finden sich:

Bruchstücke von Muschelschalen . . . 51% Sa 10h IE ER WAREN Ber, REN LE DU MR RA RA SR SSR) SRaueiennadeln fs. nierntrine toren Eoramminaferens er martnatsleitetD a fsfreike sn] Mlenleı , 0.000 Sucher? lo

Manche dieser Fremdkörper, besonders Muschelschal-Fragmente, sind oft recht ansehnlich, Stücke von 0,5—0,8 mm sind gar nicht selten, ja oberflächlich kommen deren von 1,5—2 mm Länge vor.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 8

114 William Marshall,

Es finden sich ferner im ganzen Schwamme zerstreut kurze, bis 6 mm lange, derbe, sehr dunkelbraune Fäserchen, die sich unter dem Mikroskop als unverästelte,, platte, geschichtete Hornfasern ausweisen. Meist sind sie an den Enden etwas verbreitert, wobei ihre Substanz merklich heller wird, und dann enthalten sie zahlreiche, oft ansehnliche Fremdkörper; ein Zusammenhang mit den übrigen Elementen des Kör- pers ist nicht nachweisbar. i

Wenn ich auch nicht zweifle, dass die von F. E. ScnuLze bei Oligo- ceras beschriebenen Hornfasern wirklich zu diesem Schwamme gehören, so bin ich doch geneigt die bei Psammopemma aufgefundenen als ein- gedrungene oder besser aufgenommene Fremdlinge zu betrachten. Sie kommen in allen Theilen des Schwammes vor und liegen fast ausnahms- los centrifugal. Diese letztere Thatsache beweist indessen durchaus nicht ihre Zugehörigkeit zum Schwamme, sondern lediglich wieder die oft be- tonte Gewalt und Wirkung des Wasserstroms; ich habe bei andern Hornschwämmen mit sehr ausgeprägter centrifugaler Anordnung der Fasern, besonders bei Arten aus dem Genus Stellospongia aber auch Cacospongia, oft kürzere und längere (bis mehrere Zoll lange), dünne Holzsplitter,, Sertularienstücke etc. gefunden, die zwar nicht in den Fasern selbst eingebettet, aber doch merkwürdig fest in das dichte Skelett eingekeilt waren, und dabei, gezwungen von dem Einflusse des ein- dringenden Wasserstroms, den benachbarten Hauptfasern parallel lagen. Es ist übrigens eine auffallende Erscheinung, dass man so selten, ja so gut wie gar nicht Fremdkörper von ausgesprochen pflanzlicher Natur oder von nachgiebiger, elastischer Beschaffenheit, wie Stücke von Hydroid- polypen etc. unter der großen Schar der in den Fasern der Horn- schwämme vorkommenden Fremdlinge auffindet; dass dieselben auf den betreffenden Stellen des Meeresbodens nicht vorkämen, ist kaum anzunehmen. Ich erinnere mich nur einige Male Sporenkapseln von Algen gesehen zu haben und öfter, einmal sogar bei einer Spongelia in großer Menge, Diatomeen.

Die festen Fremdkörper sind bei Psammopemma gleichfalls von | feinen Häutchen umgeben, die, wie man nach Behandlung mit verdünn- ter Salzsäure gewahr wird, eine gewisse Dicke haben, wesshalb ihre Wandungen deutlich doppelt contourirt erscheinen ; in ihrem Innern sind | immer sehr feine, dunkle Staubkörnchen und nicht selten runde, stark lichtbrechende Körperchen vorhanden.

Die Sarcodine tritt ungemein sparsam auf, ist hyalin und nur ab und zu kommen Ballen oder Wolken einer trüben, undurchsichtigen Substanz vor, die aber mikroskopisch nicht näher zu analysiren ist. Daneben die kleinen Körperchen, wie sie auch die Scheiden der Fremd-

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 115

‚körper bergen. Bei dieser Spongie gelang es mir auch in der Sarcodine Kerne von circa 0,008 mm Größe aufzufinden, die mit einem winzigkleinen Kernkörperchen versehen und von Ballen der bei den andern Dysidei- den nicht beobachteten Granula umgeben waren.

Die Oberhaut ist sehr zart und hinfällig, von absoluter Durchsichtig- keit, ohne irgend welche Fremdkörper und bei dem Spiritus-Exemplare strukturlos. In derjenigen der trocknen Exemplare erscheinen feine Wellenstreifchen. Eigenthümliche zerstreut liegende zellige Elemente kommen in der Haut vor, die den Spindelzellen des Bindegewebes gleichen; bei dem in Alkohol konservirten Schwamme waren sie an den Enden in sehr feine und lange, häufig gewellte Zipfel ausgezogen. Bald war an jedem Ende ein Zipfel, bald am einen einer, am andern zwei, “oder endlich zwei an beiden; ich beobachtete auch gelegentlich, dass ein ursprünglich einfacher Zipfel an seinem Ende sich gablig theilte. Die eigentliche Zelle enthielt keinen Kern aber zahlreiche, sehr feine dunkle Körnchen. In den trocknen Exemplaren sind die Zipfel verschwunden, die Zellen erscheinen oval und ihre Haut etwas verdickt. Die Maße bei dem besser konservirten Exemplare betragen: Länge der eigentlichen Zelle 0,02—0,035 mm, die der einzelnen Zipfel 0,04—0,06. Außerdem fanden sich noch in der Oberhaut runde, stark lichtbrechende Körper von 0,005 mm Durchmesser und bei dem einen der trocknen Exemplare eigenthümliche, bräunliche, runde Kapseln von 0,05 mm Durchmesser, erfüllt von einer krümligen, erdigen Masse und mit einzelnen runden, sehr dunklen Körnern. Diese Kapseln halte ich für Eindringlinge, ent- ‚weder zufälliger oder parasitischer Natur.

Das Kanalsystem ist äußerst reducirt; auf der Oberseite des Schwammes sieht man sehrfeine, 0,3 mm breite und vereinzelt stehende Öffnungen, die in die Tiefe in die erwähnten feinen Kanäle führen. Außer- dem kommen allerdings auf der Oberfläche noch einzelne größere Öff- nungen vor und auf Durchschnitten gewahrt man in der Sandmasse kästchenartige Hohlräume, diese haben aber mit dem Gastrovascular- System der Spongie nichts zu thun, es sind lediglich Wohnstätten von nicht bestimmbaren Anneliden.

Dieser sehr einfach organisirte Schwamm zeigt wesentliche Ab- weichungen in der Organisation von andern Dysideiden, so eine von - Fremdkörpern freie Oberhaut mit Spindelzellen, Zellkerne und Granula, in der Sarcodine den völligen Mangel von Fasern und das ganz rückge- bildete Gastrovasceular-System, das wie bei vielen Arten von Suberites kaum erkennbar und jedenfalls nicht verfolgbar ist.

Psammopemma densum stammt von Tasmanien; die der Unter- suchung zu Grunde liegenden trocknen Exemplare befinden sich im jenaer

g*+

116 . William Marshall,

Museum, das in Spiritus bewahrte gehört dem Museum -GoDEFFROY in Hambure. |

Eine zweite von mir untersuchte in Jena befindliche Form stammt vom Cap der guten Hoffnung; bei ihr sind die Fremdkörper, die eben so zahlreich und ganz so gelagert erscheinen wie bei der tasmanischen Form, von folgender Art:

Sand „m 2. 000000000 Kieselnadelfragmene -— . _ .. 2 Kalknadeln °. :, 0.0.2. .00200 Muschelschalstückchen . . . . ..,.40 Allerlei... .. 0.002 en ln 100%.

In diesem Individuum finden sich nur circa 30°/, Fremdkörper kalki- ger Natur, während es bei dem von Tasmanien mehr wie 60°/, waren, daher erscheint die Form vom Cap auch weißer und glänzender; der Sand in ihr besteht fast ausschließlich aus reinen, glashellen Quarz- körnern. Diese Charaktere genügen natürlich nicht entfernt die beiden Formen specifischer zu trennen, die Art und Beschaffenheit der Fremd- körper ist von sehr untergeordneter Bedeutung. Im Übrigen kann ich an den Schwämmen keinen wesentlichen Unterschied finden, beide wer- den sogar in gleicher Weise von Anneliden bewohnt, deren Bestimmung ohne Zerstörung der Spongien nicht möglich und dann noch sehr proble- matisch war. u‘

Ich muss gestehen, ich habe lange geschwankt, ehe ich mich für die Annahme der Spongiennatur von Psammopemma entschied. Eine Zeit lang dachte ich, es könnten diese Sandmassen recht wohl von den sie bewohnenden kleinen Anneliden gebildet und also gewissermaßen eine Kolonie verschmolzener Hermellen , Terebellen oder ähnlicher Ge- schöpfe sein.

Hiergegen aber und für die Spongiennatur sprechen die, wenn auch feinen Kanäle, das Vorhandensein einer Oberhaut mit deutlichen Zellen und das Vorhandensein einer Sarkodine mit Zellkernen.

Im Leipziger Museum befindet sich ein Glas voll Laich, den QvEINnTzIUS im Anfang der vierziger Jahre zu Port Natal gesammelt hat. Derselbe ist in flache, 1,5 mm dicke Kuchen der Art angeordnet, dass die Eier in unregel- mäßigen Reihen neben, nie über einander liegen. Ihre Größe beträgt 1 mm und sind sie, nach Beschaffenheit des Chorions, das eine unregelmäßige ! grubige Skulptur zeigt, als von Fischen herrührend anzusehen. | Die gemeinsame Kittmasse, das Eiweiß, in der sie eingebettet sind, ist selbstredend strukturlos, hyalin und von gelblicher Farbe, ihre Konsistenz |

Ne =

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 117

ist gering. Sie ist dicht von Fremdkörpern, meist Quarzkörnern von 0,5 mm Größe mit abgerundeten Ecken, erfüllt, besitzt also im frischen Zustande die Fähigkeit, wie Vogelleim, fremde Gebilde in sich zu fixiren. Nur an einer Seite, wahrscheinlich der Unterseite, liegen direkt unter den einzelnen Eiern nur wenig Fremdkörper und erscheinen diese Stellen als runde, pocken- narbenartige Eindrücke.

Obgleich wir es hier offenbar mit Fischlaich zu thun haben, so hielt ich die Sache für interessant genug, um sie in Anschluss an die merkwürdige Psammopemma wenigstens kurz zu erwähnen.

Allgemeines,

Leider ist dasjenige, was ich an den Weichtheilen der Dysideiden aufzufinden vermochte, von verschwindend geringer Bedeutung, doch dürfte die Schuld hieran weniger an mir als an dem Erhaltungszustande des untersuchten Materials liegen. Fast alle Spongien, die nicht lebend in sehr guten Weingeist gethan und in demselben konservirt werden, sind nur sehr unzureichende Objekte zur Untersuchung der Weichtheile.

Umfassender, hoffe ich, wenn auch noch lange nicht erschöpfend, ist vielleicht dasjenige was ich am Skelett und in den gröberen ana- tomischen Verhältnissen zu beobachten vermochte.

Zuerst hat bekanntlich O. Scamipr! die Aufmerksamkeit auf den regelmäßigen, durch mechanische Einflüsse bedingten Faserverlauf der

- Spongien gelenkt. Er sagt: »es tritt nun in den Fasernetzen fast aller

Arten von Euspongia, Gacospongia, Hircinia, Tuba und den in den Ge- wässern von Florida reich entfalteten Chalineen ein entschiedener Gegen- satz zwischen den stärkern centrifugalen Fasern und den schwächern koncentrischen Verbindungsfasern hervor. In allen diesen Fällen glaube ich die mechanische Ursache dieser Erscheinung in der Richtung der Wasserströmungen zu finden, welche centripetal und centrifugal beson- ders lebhaft ist. « " |

Auf das Harcker’sche Gesetz , das zunächst für die Kalkschwämme aufgestellt wurde, das aber für alle mit eignen oder fremden Hartge- bilden im Skelette versehenen Spongien gilt, wurde weiter oben schon hingewiesen.

Man kann nach den Beobachtungen dieser beiden Forscher und nach meinen eignen behaupten: das Skelett aller Spongien, in denen ein ge- regelter Verlauf der Wasserströme auftritt, richtet sich in der Anordnung wenigstens seiner Hauptfasern und Züge nach diesem Verlaufe und es ist dabei gleichgültig, ob das Skelett lediglich aus Hornfasern, aus diesen und Hartgebilden oder endlich bloß aus letzteren besteht.

1 Grundzüge. p. 7,

118 William Marshall,

Je deutlicher und schärfer das Gastrovascular-System entwickelt ist, desto deutlicher wird die Wirkung dieses Gesetzes zu Tage treten, bei verschmolzenen Schwammindividuen und bei solchen, bei denen Lipogastrie eingetreten ist, wird die regelmäßige Anordnung des Skeletts bis zum Verschwinden verwischt sein können.

Bei einer interessanten Stellospongia ! von Eiform, die nur in der obern Hälfte eine fast obliterirte Magenhöhle hat, sehe ich auf dem Durch- schnitte, dass im untersten Theile die Fasern ein ganz regelloses, ver- worrenes Netz bilden, während in der obern Hälfte der regelmäßige Einfall der Hauptfasern gegen die Längsachse sehr ausgeprägt ist und beide Partien sind scharf gegen einander abgesetzt.

Eine andere, mundlose Cacospongia ? von Ruderform mit deutlicher Magenhöhlung im Blatte besitzt so weit dies Blatt reicht den schönsten gefiederten Verlauf der Hauptfasern, während die gleich starken Horn- fasern im soliden Stiele ein kleinmaschiges , höchst unregelmäßiges Netz bilden.

Die Hauptfasern verlaufen stets, wie der eintretende Wasserstrom, centripetal nach unten, wenigstens ist mir keine Spongie mit horizontalen oder gar steigenden Fasern bekannt, und der Winkel, den die Haupt- fasern zur Längsachse des Schwammkörpers bilden, wird um so spitzer, je dicker die Wandungen der Spongie sind. Der in den Schwamm durch die Hautporen eintretende oder hineingerissene Wasserstrom wird doch, trotz der größeren oder geringeren Rapidität, mit der er eintritt, dem Gesetze der Schwere folgend, nach unten drücken und je länger der Weg ist, auf dem er bei diesem Drucke einen Widerstand findet, um so mehr wird er den Widerstand leistenden Körper, in diesem Falle eine Horn- faser, zwingen, seiner nach zwei Seiten, nach unten und innen wirken- den Kraft und Richtung zu folgen, es werden daher radiär angeordnete Fasern, auf eine radiäre Anordnung läuft die Sache schließlich doch hinaus, in dickwandigen Spongien steiler nach unten fallen als in dünnwandigen und bei sehr dünnwandigen könnte man allenfalls einen horizontalen Verlauf der Fasern vermuthen.

Was den feinern Bau des Skeletts der Hornschwämme betrifft, so unterscheide ich mit F. E. SchuLze einen Achsenstrang und eine Rinde der Fasern, ob aber ersterer bei allen Spongien in den Verbindungs- fasern auftreten muss, erscheint mir zweifelhaft. Die Rinde besteht auch nach meinen Beobachtungen aus durchaus homogenen, koncen-

1 Es ist LAmArK’s Spongia turgida, anim. s. vert. 2me 6d. T. II. p. 548. Nr. 27 var, Typus aus Neuholland im Leidner Museum.

?2 Spongia pluma Lamark anim. s. vert. 2me ed. T. II. p. 550. Nr. 36 von Australien. Gleichfalls ein LamArr’scher Typus.

x Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 119

trischen Schichten; Längsfaserungen derselben sind durchaus auf Ver- letzungen zurückzuführen, wie auch die bisweilen vorkommenden queren Spaltungen. Spongoblasten, eine Entdeckung, die ein großes Verdienst Schuze’s ist, habe ich nie gesehen, aber ich war auch nicht in der Lage frische Hornschwämme zu untersuchen , muss es auch spä- tern Untersuchungen überlassen zu konstatiren, ob jene Gebilde überall vorhanden sind. Die Lamellen der Hornfasern sind doch wohl kaum etwas Anderes, als die von mir und Andern beschriebenen und abge- bildeten Mantelschichten in den zusammenhängenden Kieselgerüsten der Hexactinelliden , so wie die koncentrischen Schichten der isolirten Kiesel- und Kalknadeln, während der Inhalt dieser Gebilde dem Achsen- strange der Hornfasern entsprechen dürfte. HarckEL in seiner so gründ- lichen Untersuchung der Kalkschwämme, LIEBERKÜHN, CARTER und andere gewissenhafte Forscher, die in der Lage waren, Kieselschwämme in fri- schem Zustande zu untersuchen, erwähnen nirgend wo ähnlicher, im Grunde doch nicht leicht zu übersehender Gebilde, dass aber die Kiesel- deckschichten von den Horndeckschichten anders wie chemisch, etwa genetisch, verschieden sein sollten, ist wohl kaum anzunehmen.

Bei den gegenwärtiger Untersuchung zu Grunde liegenden Dysi- deiden vermochte ich eine geschichtete Rinde der Fasern nicht aufzu- finden , dieselbe stellt ja nur ein feines Häutchen dar; mit der ver- mehrten Fähigkeit Fremdkörper zur Stärkung der Fasern aufzunehmen, schwand das Bedürfnis einer stärkern Rinde.

Die Aufnahme der Fremdkörper scheint nach BowErBANk! an den feinsten Enden der jungen Fasern stattzufinden, die wahrscheinlich klebrig sind und an denen die fremden Körper hängen bleiben und von der nachwachsenden Hornsubstanz umhüllt werden. Bei Dysidea Bow. in- dessen soll diese Eigenthümlichkeit nicht auf die Spitze beschränkt bleiben sondern auch den weiter im Innern gelegenen Fasertheilen zukommen.

Die Anschauung Hyarr's über die Art und Weise, wie die nicht im Schwamme gebildeten Partikelchen in die Fasern gelangen, wurde wei- ter oben erwähnt und die Gründe, welche mir gegen dieselbe zu spre- chen scheinen, entwickelt.

Auch F. E. ScauLze ? ist ähnlicher Ansicht wie BowERBANK; er nimmt - an, dass die fremden Körper an den in die Conuli hineinragenden jüng- sten Spitzen der Hauptfasern »am leichtesten haften bleiben; und das um so eher, als sich ja gerade hier ein im Wachsen begriffenes und da- her besonders weiches, vielleicht sogar etwas klebriges Gewebe befindet. «

re NV. p. 78. ? Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 7. Mit- theilung. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. p. 638.

120 William Marshall,

Diese Annahme kann ich, so weit meine eignen Beobachtungen an Cacospongien, Hircinien und Spongelien reichen, durchaus bestätigen. Bei Hireinia campana, einer Art, deren Oberhaut besonders reich an Fremdkörpern ist, sah ich einige Male die jüngsten dermalständigen Enden der Fasern schwach verbreitert, ohne Rindenschichten und in ihnen lagen die Fremdkörper nicht dicht an einander, sondern zerstreut, während weiter von der Oberhaut ab mit dem Auftreten der Rinden- schichten die fremden Körper auf einem viel schmälern Raume, als das Faserende, dicht an einander gepackt waren, mit andern Worten: die festeren Rindenschichten sind im Stande die weichere Achsensub- stanz zusammen und damit die Fremdkörper in einer centralen Reihe dicht an einander zu pressen. Es ist möglich, dass Hyarr eine ähnliche Beobachtung gemacht, jedoch auf seine Weise gedeutet hat.

Für die Fasern der Dysideiden in meinem Sinne muss ich mit Bo- WERBANK annehmen, dass sie in ihrer ganzen Ausdehnung die Eigen- schaft behalten, von außen hereingelangte Partikelchen in sich aufzu- nehmen, denn sonst könnten bei Psammascus die Primärfasern nicht stärker sein wie die centrifugalen Sekundärfasern und diese selbst wür- den in ihrem Verlaufe gleich stark bleiben, während sie sich in Wahr- heit nach der Spitze hin kontinuirlich und beträchtlich verjüngen.

Die Aufnahme der Fremdkörper geschieht wohl ohne Auswahl; was der betreffende Meeresboden der Spongie bietet, wird von derselben benutzt, so weit es mit ihrer ganzen Organisation vereinbar ist. Ob dies Sand, Muschelfragmente, Spongiennadeln sind, ist gleichgültig, wenn nur die Größe eine angemessene ist. Ich muss entschieden der mecha- nischen Erklärungsweise Schurze’s ! über die Aufnahme der Fremdkörper bei den Physemarien beistimmen gegen Harcker, der eine sorgfältige Auswahl der Skeletttheile annimmt. Was Hırereı ? von der Verschie- denheit der Substanzen sagt, aus denen Phryganiden-Larven und Röh- renwürmer ihre Gehäuse aufbauen und die nach den Species häufig so auffallend streng geschieden sind, ist unzweifelhaft richtig, aber wer bürgt uns denn dafür, dass hier eine auf geistigen Kräften beruhende Auswahl stattfindet und dass nicht vielmehr auch hier rein äußerliche, .über dem Willen des Thieres stehende Gesetze walten? Ich habe von den geistigen Fähigkeiten einer Spongie eine zu geringe Meinung, als dass ich ihr ein verständnisvolles Aussuchen der Gegenstände, womit sie ihr Skelett etwa absichtlich befestigen wollte, zutrauen könnte. | Mein Freund, Herr cand. phil. W. Porrscn hatte angefangen die Gewichtsverhältnisse der unverbrennlichen Fremdtheile zu der ver-

1 Diese Zeitschrift. Bd. XXXI. p. 134. ? Biolog. Studien. Heft II, die Physemarien, p. 213.

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 121

brennlichen Substanz zu bestimmen, leider aber wurde diese mühsame "Untersuchung durch ein langes Leiden des genannten Herrn unter- brochen. Er untersuchte zwei Arten und schrieb mir darüber Folgen- des: »Ich bemerke, dass die Verbrennungsrückstände erst nach dem Erhitzen mit Ammoniumcarbonat bestimmt sind, d. h. nachdem der im lebenden Thiere als kohlensaurer Kalk befindliche Kalk, welcher durch ‚das Glühen zerstört ward, wieder in die alte Form zurückgeführt war. Es fand sich bei:

1) Psammoclema ramosum

werbrennliche'substanz °.......). . 225,200 unverbrennliche Rückstände . . . 74,8 2) bei Dysidea favosa verbrennliche Substanz. . . . „34,00% unverbrennliche Rückstände . . . 66,00 100,09.

Die auffallende Abwesenheit von Fremdkörpern in der Oberhaut von Psammopemma wird vielleicht durch das so gering entwickelte Gastrovascular-System der Spongie bedingt. Es will mir fast scheinen, als ob dies Genus auf eine andere Art wächst und den Sand etc. in sich aufnimmt wie Psammascus, Dysidea und Psammoclema. Bei diesen drei letzteren werden die Fremdkörper unzweifelhaft von den eintreten- den Wasserströmen eingeführt und das Wachsthum ist gewissermaßen passiver Natur, Psammopemma aber scheint, ähnlich wie die Phorio- spongien, die Sandmassen zu umspinnen und zu durchwachsen, die- selben also aktiv in sich aufzunehmen.

So klar die allgemeine systematische Stellung der Dysideiden ist, so schwierig dürfte es sein ihnen eine Stelle anzuweisen, die ihren wahren Verwandtschafts- Verhältnissen genau entspricht. Einschlüsse von Fremdkörpern kommen bei allen Hornschwämmen vor (jedoch bei Aplysiniden nur äußerst selten), am meisten bei Spongelien und Hir- cinien, wenn man letzterer Familie das Recht, als solche zu bestehen, noch einräumen will, aber gerade diese beiden Familien haben einen Charakter, der sie von andern Hornschwämmen und besonders von unsern Dysideiden trennt, die Conuli nämlich. Man könnte ver- muthen, dass bei den Dysideiden die große Menge fremder Körper in der Haut der Entwicklung derselben Abbruch thäte, aber Dys. callosa hat wenig fremde Einschlüsse und keine conuli (die wenigen, vereinzelt stehenden, unzusammenhängenden Wärzchen sind nicht mit ihnen zu

122 William Marshall,

vergleichen). Umgekehrt strotzt die Oberhaut von Hircinia campana von Fremdkörpern, und doch sind die Conuli hier stark entwickelt und durch Leisten mit einander verbunden, so dass sie der Außenseite der Spongie ein elegantes Ansehen geben.

Mir scheinen die Dysideiden (vielleicht mit Ausnahme von Psam- mascus) eine wohlumschriebene, eigene Familie zu bilden, charakte- risirt durch glatte Oberfläche, abziehbare Haut und Fremdkörper in allen Fasern. Diese Familie würde sich den Spongelien am besten an- schließen, ja Psammascus ist vielleicht eine aberrante Spongelienform.

Il. Das Genus Phoriospongia.

Kieselschwämme mit schlanken, einfachen Nadeln mit einer Spitze, Stecknadeln und Doppelhaken durchziehen und umspinnen Sandmassen, sie zu Klumpen vereinigend; das Ganze ist mit einer abziehbaren Haut bedeckt.

Phoriospongia solida. Chalina solida Haeckel in sched.

Dieser Schwamm konnte in zwei Exemplaren untersucht werden, die kurze und plumpe Kegel darstellen. Die Außenseite ist von einer schleimigen Haut überzogen, durch die größere und kleinere Sandpar- tikelchen und Bruchstücke von Muschelschalen hindurchschimmern. Einzelne wenige, unregelmäßig vertheilte, runde Öffnungen von 0,5 bis 2 mm Durchmesser führen in das Innere. Durchschneidet man die Spon- gie, so sieht man, dass sie aus einer von größeren und kleineren Kanälen ganz regellos durchzogenen Sandmasse besteht, deren einzelne Theile bei Spiritusexemplaren zusammenhalten, bei trocknen aber sich lösen, so dass der Schwamm zerfällt. Die Fremdkörper schwanken bedeutend in der Größe; oft sind sie sehr ansehnlich. Stücke von 5—6 mm sind nicht selten, ja ganze Muschelschalen kommen dazwischen vor. Haupt- sächlich sind es Fragmente von Conchylienschalen (gegen 70°/,) und dann Sand, Stücke von Serpularöhren , Foraminiferen ete. Eine be- stimmte Anordnung in Fasern oder eine regelmäßige Lagerung in Zügen zeigen diese Körper niemals, auch folgen sie nicht dem Hazckzr’schen Gesetz von der Lagerung der Hartgebilde bei Spongien , sie sind viel- mehr vollständig durch einander gewürfelt, d. h. die Richtung der in den Schwamm eintretenden Wasserströme ist auf sie ohne Einfluss.

Das von einer Haut ausgekleidete Kanalsystem nimmt, wie erwähnt, keinen regelmäßigen Verlauf, horizontale und vertikale Gänge von 4—5 mm Weite durchziehen die Sandmasse ; oft erweitert sich ein Gang

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 123

zu einer Hohlkugel von einem Durchmesser bis zu 10 mm. Der Ver- lauf der feinern Kanäle lässt sich bei den gegebenen Verhältnissen nicht verfolgen.

Der häutige Überzug besteht aus zwei Schichten : die äußere, höchst feine ist ein strukturloses Häutchen von absoluter Durchsichtigkeit; selbst nach Tinktionen, z. B. mit Bismarckbraun, nimmt sie so wenig Farbstoff auf, dass sie nur da, wo eine Falte entsteht, also in doppelter, resp. dreifacher Lage, einen schwachen Farbenton zeigt. Häufig ist die Oberhaut durch Fremdkörper verunreinigt.

In ihr finden sich eigenthümliche Körper von unregelmäßiger Maul- beerform von 0,04—0,06 mm Größe, die zwar nicht sparsam, aber doch stets einzeln liegen. Derartige Körperchen wurden schon von Grant! und Hancock ? bei Vioa, resp. bei Thoosa beobachtet und beide Forscher halten sie für Kieselgebilde. Bowersank 3 erklärt sie für Rudera der von dem Bohrschwamm bewohnten Muschelschale und behauptet ihre kalkige Natur. Die bei Phoriospongia in der Oberhaut und nur hier auftretenden

maulbeerförmigen Körper sind entschieden kieselig, nur Flusssäure ver- mag sie zu zerstören.

Eine Zeit lang glaubte ich, wir hätten es hier mit irgend einer zu- fällig post mortem, an denSchwamm gerathenen organischen Verbindung, einem Fette etwa zu thun, aber die chemische Untersuchung ergab ein negatives Resultat. Zu dem Vermuthen, dass die in Rede stehenden Körper nicht zum Schwamm gehörig seien, wurde ich durch ihre Genese geführt, die allerdings eine für Hartgebilde der Spongien ganz ungewöhn- liche ist.

In der Oberhaut, aber nur hier, gewahrt man in großer Menge platte, oblonge, mehr oder weniger regelmäßige Parallelopipeda von 0,02 mm Länge; häufig bilden dieselben Zwillinge, dann schießen sie weiter wie Drusen an einander und diese Drusen vergrößern sich unter Verschwin- den der scharfen Ecken und Kanten der ursprünglichen Körper, bis sie nach und nach die Maulbeerform annehmen.

Andere Kieselgebilde sind zahlreich im Schwamme. Erstens finden sich sehr dünne nur 0,008 mm starke Nadeln, deren eines Ende spitz ist, das andere entweder einfach abgerundet, oder in seltneren Fällen mit einem runden Knöpfchen versehen ist, ab und zu ist auf diesem dann noch ein zweites kleineres; die Länge beträgt 0,2—0,3 mm.

Als zweite Form treten Doppelhaken von 0,04 mm Länge auf, deren Hakenspitzen an der Umbiegungsstelle entweder abgerundet sind oder

! Edin. New. Phil. Journ. I. p. 78 and II. p. 183.

2 Ann. and Mg. N. hist. 1849. III. p. 324. IV. p. 355. 1. c. Vol. H. p/ 218.

124 William Marshall,

steil nach vorn abfallen. Die einzelnen Theile der Haken liegen nicht in einer Ebene, die Spitzen divergiren stark nach außen. | Das Vaterland dieser Spongie ist Tasmanien (die Bass-Straße).

Phoriospongia reticulum. Chälina reticulum Haeckel in sched.

Der Schwamm ist massig mit vielen, polygonalen, tiefen Gruben, wodurch er ungefähr das Ansehen einer Trüffel erhält. Die Gruben schwanken in der Größe von 1—-10 mm; vorherrschend sind solche von 3—4 mm Durchmesser. Bisweilen sind sie schmal, aber dabei sehr in die Länge gezogen; nach der Unterseite verlieren sie sich, wenn sie auch nicht ganz verschwinden. Sie führen nicht direkt in den Schwamm hin- ein, sind vielmehr im Grunde von einer zarten Haut ausgekleidet, unter der sich flache Hohlräume befinden : die Oberhaut schlägt sich über den ganzen Schwamm und wo die Körpermasse in Gestalt von Windungen an die Oberfläche herantritt, liegt die Haut derselben unmittelbar auf, in den Gruben aber spannt sie sich über Subdermalräume weg. Von diesen dringen je nach ihrer Größe ein bis vier Kanäle in die Schwamm- masse ein; ganz regelmäßig sind indessen diese Verhältnisse keineswegs, es können unter Umständen in einem kleinen Subdermalraum mehr Kanäle entspringen, als in einem benachbarten größern. Die Kanäle gehen bald Anastomosen unter einander ein und durchziehen den ganzen Schwamm; ihre Breite beträgt höchstens 1,5 mm.

Die Fremdkörper bilden auch hier die große Masse der Spongie und zeigen nicht die geringste Spur einer faserigen Anordnung oder überhaupt einer regelmäßigen Gruppirung; sie sind weit kleiner als bei Ph. solida, im Mittel die Breite von 0,5 mm nicht überschreitend, doch giebt es ab und zu auch Stückchen von I—2 mm. Während es bei Ph. solida meist Muschelfragmente waren, die der Schwamm benutzt hatte, sind es hier Sandpartikelchen und zwar runde Quarzkörner, die circa 60°), der Ge- sammtmenge betragen mögen.

Die Oberhaut ist weniger derb wie bei Ph. solida und nimmt, was bei jener nicht der Fall war, auch Fremdkörper in sich auf. Die äußerste Lage ist ein strukturloses, glasiges Häutchen mit oblongen platten Kiesel- scherbchen von circa 0,02 mm, die sich aber niemals vereinigen, um zu maulbeerförmigen Gebilden zu werden. In den Gruben ist die Haut von einzelnen, kleinen, 0,04 mm breiten Dermalporen durchsetzt, die in die Subdermalräume führen.

Die Kieselnadeln, die in dem unteren Theile der Haut und in den zwischen den Fremdkörpern gelagerten Schwammmassen vorkommen, sind sehr feine gerade Nadeln, ganz wie bei Ph. solida, und gleichfalls

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 125

Doppelhaken, aber nur die Sorte mit abgerundeten Spitzenenden, die sich übrigens viel zahlreicher finden als dort.

Die Kanäle sind mit einer sehr feinen Haut ausgekleidet, die sich wie bei den Dysideiden, ähnlich dem Bindegewebe, aus faserigen Ele-

- menten zusammensetzt und zahlreiche Doppelhaken, einige Fremdkörper,

aber keine Nadeln enthält.

Auch dieser Schwamm, der trocken zerreiblich wird, stammt von Tasmanien.

Die beiden Arten von Phoriospongia sind offenbar sehr nahe mit einander verwandt. Was zunächst die Verschiedenheit ihres äußeren Habitus betrifft, so möchte ich hierauf gar kein Gewicht legen; hier kann die zufällige Verschiedenheit des zum Aufbau benutzten fremden Materials von Einfluss gewesen sein. Dass bei Ph. solida ferner keine Dermalporen aufgefunden wurden, kann ein Beobachtungsfehler sein. Auch auf das verschiedene Vorkommen und Verhalten der Kieselscheib- chen resp. der maulbeerförmigen Körper ist kein übergroßes Gewicht zu legen, so lange wir nicht positiv wissen, dass sie den Schwämmen

_ wirklich angehören und von ihnen gebildet sind.

Wichtiger erscheint mir die Thatsache, dass so ungemein charak- teristische Gebilde, wie die Haken bei beiden Species in verschiedener Art und verschiedener Menge auftreten.

Allgemeines über Phoriospongia.

Im Jahre 1858 beschrieb Gray ! einen Schwamm, Xenospongia pa- telliformis von der Torres-Straße, der eine Sandscheibe darstellt, die am Rande und um die Mundöffnung herum mit Kieselnadeln versehen war.

BOWERBANK 2 machte uns mit einem anderen Kieselschwamme, Ha- lienemia patera von Shetland, bekannt, der gleichfalls auf der Ober- seite von Fremdkörpern dicht bedeckt ist. Seine Nadeln sind mannig- fach, theils lange und stabförmige Gebilde, theils kurze Stifte mit dickem Kopf, oft in der Mitte mit Anschwellungen oder hantelförmig.

Diese beiden Spongien sind aber nicht näher verwandt mit Phorio- Spongia, einem Genus, welches durch die ausgezeichneten Doppelhaken als vielleicht in den Formenkreis der Desmacidonten gehörend charak-

terisirt sein könnte. Mehreres erinnert dabei an Vioa.

Wenn wir uns vorstellen, dass eine Vioa-Art anstatt in Muschel- schalen oder in Steinstücke, ihre Gänge in Sand und Schlamm anlege,

1 P.Z.S. p. 230. 1858. nlzeVol.ll. p. 96.

126 William Marshall,

was gar nicht so wunderbar wäre, so würden wir ein ähnliches Geschöpf ' wie eine Phoriospongia vor unserm Geist entstehen sehen. Jounston! beschreibt von seiner Halichondria celata zwei Formen, 7

eine bohrende und eine freilebende, welche letztere BowErBANK ? zu einer 7

neuen Art eines neuen Genus, Raphyrus Griffithsii, erhebt; von Carter? U werden beide und, wie mir scheint, mit Recht wieder vereinigt. |

Von der freilebenden Form sagt Jounston, sie sei zerreiblich und 7

angefüllt mit Muscheln, Wurmröhren und Sand; M’Coızı, von dem Jonunston die Spongie erhielt, bemerkt noch, sie sei für Muscheln, die | mit ihr in Berührung kämen, sehr verderblich. |

Die Angaben BoweErBANK’s passen sehr gut für Phoriospongia. Wie es freilich mit der Gefährlichkeit für lebende Muscheln ist, kann ich nicht wissen, indessen will ich hier bemerken, dass das eine Exemplar von Ph. solida auf einer sehr wohl erhaltenen Pectunculus-Schale sitzt und dass ich zweimal in demselben Schwamme wohl erhaltene, zusammen- 7 haftende Doppelschalen einer sehr zarten Tellina fand. |

Die Doppelhaken bei Phoriospongia würden allerdings ein für Vioa ungewöhnlicher Charakter sein, aber wir müssen uns erinnern, dass es auch eine Reniere giebt und mit denRenieren sind auch nach Scanipr’s Ansicht die Vioen verwandt, die Doppelhaken hat, nämlich Reniera fibulata O. Schm. | |

Ich möchte demnach Phoriospongia in den Kreis der Cioniden oder Vioen aufgenommen wissen. |

Jena, März 1880.

1]. c. p. 125. 2 ].c. Vol. II. p. 354. 3 l.c. p. 30.

Se ;

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 127

Erklärung der Abbildungen.

Tafel VI. Psammascus decipiens.

Fig. 4. Vollständiges Exemplar. Nat. Größe.

Fig. 2. Ein Stück der Länge nach aufgeschnitten. Innenseite 2 Mal vergrößert. a, Magenhöhle mit den anastomosirenden Primärfasern; db, Wandungsgewebe mit aufsteigenden Sekundär- und verbindenden Tertiärfasern.

Fig. 3, Anastomosirende Sekundärfasern aus dem oberen und äußeren Theil der Spongie, die Fremdkörper sind noch wenig zahlreich und es präponderirt die orga- nische Masse in den Fasern. Tangentialschnitt. Vergr. 150. a, Sekundärfaser; b, Fremdkörper (Foraminifere) im Syneytium; c, Ballen (metamorphosirte, resp. ver- dorbene Eizellen ?).

Fig. 4. Sekundär- und Tertiärfaser nach Behandlung mit Salzsäure, aus dem

ältern Theil des Schwammes. a, äußere hyaline, b, innere, von größeren runden,

und zahlreichen kleinen, staubartigen Körnchen erfüllte Schicht mit einzelnen Fremd- körpern kieseliger Natur. 250 Mal vergrößert.

Fig. 5. Fasern aus demäätern Theile der Spongie. Vergr. 400. a, Primär-, b Sekundär-, c, Tertiärfaser.

Dysidea favosa,

Fig. 6. Zwei erwachsene Individuen von oben gesehen. a, Mundöffnung; b, Hautsaum. Nat. Größe.

Fig. 7. Zwei verwachsene Individuen der Länge nach halbirt. a, Mundrand mit Hautsaum; b, Erweiterungen der Ramalkanäle (Geißelkammern?); c, Magenhöbhle, die mit der Magenhöhle des benachbarten Individuums unten kommunicirt; d, Sekun- där-, e, Tertiärfaser; f, Gastralostium mit Hauttasche. Nat. Größe.

Fig. 8. Oberfläche, 4 Mal vergrößert. a, Grube mit Hautporen; b, von unten her antretende Fasern.

Fig. 9. Oberhaut, 400 Mal vergrößert. a, Dermalporus durch ein Protoplasma- häutchen verschlossen ; d, Wälle von Fremdkörpern in denen c, dreistrahlige Kalk-

nadeln so zu liegen kommen, dass zwischen je zwei Schenkeln ein Porus ist und d,

lange Körper sich tangential anordnen.

Fig. 40. Schema des Gastrovascular-Systems. «a, Oberhaut; b, b, subdermale Gruben; c, fein verästelte Parietalkanäle führen in d, Geißelkammern, die durch Querkanäle e, mit einander und durch größere Kanäle f, mit der Magenhöhle kom- Municiren; g, Magentasche; i, Hautklappe gestützt durch Skelettmasse h; o, Eier.

Fig. 44. Schräger Schnitt durch eine Geißelkammer a und durch gastral laufende

' Parietalkanäle; b, Sekundär-, c, Tertiärfaser; ov, Ei.

Dysidea callosa. Fig. 42. Einindividuum von oben gesehen. a, Mundrand mit Hautsaum ; b, Steg,

‚der die Magentaschen, c, c, trennt. Nat. Größe.

128 William Marshall,

Tafel VII.

Fig. 4. EinIndividuum halb aufgeschnitten. a, Papillen der Oberseite ; db, Mund- | rand mit Hautsaum ; c, Magenhöhle; d, Gastralostium mit Hauttasche; e, Wandung. Nat. Größe. |

Fig. 2. Oberhaut. a, Dermalpore;, b, Hautnetz mit Fremdkörpern; c, ein tiefer © liegendes; aus dem jüngern Theil der Spongie. Vergr. 400. '#

Fig, 3. Oberhaut aus dem Basaltheil des Schwammes. Vergr. 200. |

Fig. +. Wandungsgewebe, Vertikalschnitt. a, Oberhaut; 5, b, b, aufsteigende T Fasern, die bei c verschmelzen; d, Querfasern. Vergr. 20 Mal. '#

Fig. 5. Schema des Gastrovascular-Systems. a, Mundöffnung ;d, häutige Schließ- © klappe der Dermalostien; c, Magenhöhle; d, weiter, e, enger Parietalkanal. |

Dysidea argentea.

Fig, 6. Dysidea argentea. Nat. Größe. Fig. 7. Oberhaut mit Dermalporen; a, führen direkt in das Schwammgewebe, | d, in die Hohlräume. Vergr. 6. | Fig. 8. Oberhaut, a, Dermalporus; 5, Fremdkörper Wall. | Fig. 9. Oberhautnach Behandlung mit Salzsäure. a, Sponginsäckchen ; b, Fremd-7 körper kieseliger Natur. Fig. 410. Faser. Fig. 41. Faser nach Behandlung mit Salzsäure. a, a, Fremdkörper kieseliger’ Natur; b, Sponginsäckchen mit Inhalt (was?).

Psammoclema ramosum.

Fig. 12. Der Schwamm von oben gesehen. Nat. Größe.

Fig. 43. Oberhaut. Vergr. 60. a, Dermalporus; db, Hautnetz mit Fremdkörpern.

Fig. 14. Schema des Gastrovascular-Systems. Vertikales Astende. a, subder- maler Raum und Parietalkanäle; db, Magenraum;; c, Äste (verbindende Kanäle) der- selben; «, 8, Richtung, in welcher der Schnitt, Taf. VI, Fig. 3, geführt wurde; y, d, der in Taf. VI, Fig. 3.

Fig. 45. Syncytium mit der Alge. 200 Mal vergrößert.

Tafel VIII.

Fig. 1. Vertikalschnitt zwischen zwei Magenräumen. a, Längsfasern, dazwischen kommunicirende Kanäle der Magenräume; b, aufsteigende Fasern, die sich an der Wandung verbreitern; c, subdermale Räume (Geißelkammern). 4 Mal vergr. |

Fig. 2. Horizontaler Schnitt eben daher. Bezeichnungen wie in Figur 4.

Fig. 3. Schema des Gastrovascular-Systems. a,b, wie inFig. 14, Taf. V; c, Ein- gang in einen Seitenast (Verbindungskanal); d, Seitenast mit centrifugalem Verlauf.

Fig. 4. Faserskelett einer Astspitze mit Kalilauge schwach Breen.: Nat. Go |

in 5. Ein Stückchen davon, 30 Mal vergr.

in

Ds oola ne aa densum.

Fig. 6. Exemplar von Tasmanienr, theilweiser Durchschnitt. Nat. Größe. a,b, Wurmgänge. a Fig. 7. Zwei vereinzelt vorkommende Hornfasern. Vergr. 8/4. Fig. 8. Gewebe aus dem Innern des Schwammes mit Salzsäure behandelt. @, Sarcodine mit Ballen und lichtbrechenden Körperchen;; db, Sponginsäckchen der Fremdkörper ; c, Kieselkörperchen. Vergr. 200/4. I ol a

Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. 129

Fig. 9. Oberhaut des Spiritus-Exemplares. a, Spindelzelle; b, helles Körnchen. Vergr. 500/1.

2 Fig. 10. Oberhaut eines trocknen Exemplars. a, geschrumpfte Spindelzellen; b, Parasiten (?). Vergr. 300/A.

- Fig. 44. Exemplar vom Cap. Nat. Größe.

Phoriospongiae. Fig. 42. Phoriospongia solida, Durchschnitt. Nat. Größe. Fig. 43. Phoriospongia solida, Oberhaut mit den maulbeerförmigen Körperchen. Fig. 44. Phoriospongia solida, Oberhaut, tiefere Schicht. a, hakenförmige, b, ‚stecknadelförmige Kieselgebilde; c, d, e, Entwicklungsstadien der Maulbeer-Körper. Fig. 45. a—f, Entwicklungsstadien der Maulbeer-Körper. Fig. 46. Nadeln. a, häufigste Form; b, etwas weniger häufig; c, seltener; d,

Fig. 47. Haken. a, häufigere, b, seltenere Form; c, von der Seite gesehen. (Fig. 18. Phoriospongia reticulum. Nat. Größe.

Fig. 49. Phoriospongia reticulum, Oberhaut mit Haken, Nadeln und zahlreichen Fremdkörpern.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. rg

Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. Von

Dr. W. Krause, Professor in Göttingen.

Mit Tafel IX und zwei Holzschnitten.

Der von mir! früher abgebildete menschliche Embryo ist vor Kurzem von Hıs als Vogelembryo gedeutet worden. An und für sich wäre es wohl selbstverständlich, dass ich keinen Hühnerembryo als etwas Besonderes beschrieben haben werde und es könnte sich höch- stens umgekehrt fragen, wie Hıs dazu kam, einen notorischen mensch- lichen Embryo für einen Vogel zu erklären. Der außergewöhnliche Scharfsinn aber, welcher in der Hıs’schen? Darlegung entwickelt ist, macht es interessant dieselbe zu lesen; sie wird daher hier wiederholt:

»Wenn man die unter sich übereinstimmenden Figuren Krause’s mit guten Abbildungen menschlicher Embryonen derselben Entwick- lungsstufe vergleicht, so tritt einem sofort eine Reihe recht erheblicher Unterschiede entgegen. Fürs erste die Konformation des Kopfes: schon das Mittelhirn erscheint bei jenen sehr groß, vor Allem aber zeigt das Auge einen Umfang, wie er nicht entfernt demjenigen menschlicher Embryonen entspricht. Bei der 3 Mal vergrößerten Figur Krausr's be- trägt der Durchmesser des Auges 3, bei der 7 Mal vergrößerten 7 mm, was übereinstimmend einen natürlichen Durchmesser von I mm ergiebt, anstatt der 0,3 mm, weiche in der Zeit der vorspringende Theil mensch- licher Augen misst. In der Hinsicht gleichen die Figuren Krause’s viel- mehr einem Vogelembryo, denn einem menschlichen. Allein auch in anderen Eigenthümlichkeiten nähern sich Krause’s Zeichnungen sehr | viel mehr den ersteren als den letzteren Originalien. Wie dies die | Darstellungen von Jon. MüLLer, von CostE und von WarpeEyer über-

1 Archiv für Anatomie und Physiologie. 4875. p. 215. Tat. VI. ? Anatomie menschlicher Embryonen. Abth. I. 1880. p. 72.

Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 131

einstimmend bestätigen, so sind beim menschlichen Embryo dieser - Entwicklungsstufe die Schlundbogen kräftig angelegt und die vorderen beiden erstrecken sich unter der Zone des Auges durch bis unter das Vorderhirn. Krause’s Zeichnungen zeigen eine Reihenfolge kurzer schma- ler Schlundbogen, deren Spitzen kaum bis in die Verlängerung des hinteren Augenrandes reichen. An menschlichen Embryonen ist zwi- schen oberer und unterer Extremität der Rücken ziemlich stark. ge- wölbt, bei Krause’s Zeichnung verläuft dieser nahezu gestreckt. Darf man auf diesen letzten Punkt vielleicht kein allzugroßes Gewicht legen, so scheinen wiederum andere Unterschiede von erheblicher Bedeutung. Beim menschlichen Embryo von 7—8 mm findet sich unterhalb des Herzens eine bereits recht ansehnliche Leberanschwellung, von welcher an Kravse’s Zeichnung keine Spur zu sehen ist. Ferner ist beim mensch- liehen Embryo der nach vorn umgeschlagene Theil des hinteren Leibes- endes von beträchtlicher Länge, bei Krause’s Zeichnung erscheint dies Stück nur als kurzer Stummel. Dabei ist allerdings hervorzuheben, dass beim jungen Hühnchen, so lange man dasselbe nicht künstlich streckt, der Kopf stark vornüber gebogen zu sein pflegt, ein Verhalten, dasich an der Zeichnung! um den Betrag des am Hals bezeichneten Dreieckes abgeändert habe. «

»Da die drei Zeichnungen Krause’s in allen Hauptpunkten unter sich übereinstimmen und da an eine dreimalige Wiederkehr derselben sröblichen Verzeichnungen nicht wohl gedacht werden darf, so komme ich zum Schluss, dass jene Zeichnungen ihr Original getreu wieder- geben. Damit begründete sich aber die weitere Folgerung, dass der angebliche Menschenembryo Krause’s ein Vogelembryo gewesen ist.

KöLLıker ? war zu einer anderen Folgerung gekommen. Seine ur- sprüngliche Auffassung lautete nämlich:

»Auch der neuerlich von Krause beschriebene Fall einer freien Allantois erweckt gerechte Bedenken. Ein Embryo von 8 mm Größe aus der vierten Woche mit Anlage beider Extremitäten, Kopf- krümmungen, Kiemenspalten, Augen, entwickeltem Herzen, soll noch keinen Nabelstrang besessen haben, während doch bei entschieden _ jüngeren Embryonen, wie vor Allem den nachfolgenden Beobachtungen von Coste und Tnomson, dann aber auch bei allen anderen Embryonen der dritten Woche schon ein Funiculus umbilicalis gefunden worden ist! Bis auf Weiteres halte ich die fragliche Allantois für den Dottersack oder die Nabelblase, wie sie beim Menschen heißt, und den zerrissenen

EiTsaR..c, 18803 px 74% Big.,7.

2 Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte, Zweite Aufl. 1879. p. 306 (u. 4013).

9,*

132 Pie W. Krause,

Dottersack von Krause, der bei Embryonen dieses Alters nie mehr so groß ist wie die Figur zeigt, für den abgerissenen Nabel- strang mit anhangenden Fetzen des Amnion u. s. w.«

»(Pag. 1013) Krause glaubt noch immer, dass er wirklich einen Em- bryo mit freier Allantois beobachtet habe. Ich bleibe dabei, dass Em- bryonen von der Größe und Entwicklung des von Krause beschriebenen einen Nabelstrang und somit keine freie Allantois besitzen, wenn auch möglicherweise meine Deutung der Krause'schen (Allantois-) Blase a! nicht die richtige war. Dieselbe könnte auch eine pathologische Bildung sein u.5. w.«c |

HEnsen hält » die lange Reihe negativer Befunde über die Allantois- blase gegenüber den einzelnen positiven Befunden, die die Litteratur aufweist, von überzeugender Beweiskraft« und citirt dabei die angeführte Bemerkung KöLLıkEr’s, wonach eine Verwechslung der Dotterblase mit Amnionfetzen bei meinem Embryo vorliegen soll. Dabei ist zu be- merken, dass der Hrxsen’sche Embryo, dessen Länge Hensen zu 4,5 mm fand, in Wahrheit etwas länger und vielleicht auch älter ist als der meinige. Ersteres, weil er stärker gekrümmt liegt, letzteres, weil der erste Kiemenbogen schon entwickelt ist, ein Geruchsgrübchen deutlich sich zeigt u. s. w. Eine Leber ist gleichwohl nicht wahrzunehmen.

Auch v. Esxer® ist der Meinung, dass eine freie blasenförmige Allantois wahrscheinlich zu keiner Zeit beim Menschen vorhanden sei.

Was zunächst die erste der oben erwähnten Anschauungen Köuuıker’s anlangt, so lehrt ein Blick auf die Fig. 4 (Taf. IX), dass die Dotterblase nicht von mir mit Amnionfetzen verwechselt wurde. Ihr Stiel kommt von der Wirbelsäule her und man sieht in die geöffnete Höhlung der Blase hinein.

Auf die Bemerkung von Hıs habe ich * bereits einleitungsweise er- wiedert: |

»— somit bietet es ein hohes Interesse dar, zu untersuchen, wie Hıs dazu kam, einen sehr jungen menschlichen für einen Vogelembryo zu nehmen. Jedenfalls besaß ich den Embryo schon lange, ehe noch von einer Hıs-Harcker’schen Kontroverse die Rede war und der von Hıs 6 erwähnte E. Krause ist mir vollkommen unbekannt. —«

1 Archiv für Anatomie und Physiologie. 4876. p. 204.

2 Archiv für Anatomie und Physiologie. 41877. Anat. Abth. p. 2.

3 Mittheilungen des Vereins der Arzte in Steiermark. 28. Mai 4877. p. 4 eines durch die Güte des Verfassers erhaltenen Separat-Abdruckes.

4 Zoologischer Anzeiger. 1880. p. 284.

5 Vergl. Archiv für Anatomie und Physiologie. 4875. p. 216. 6 1.c. p. 68. Anm. 4.

Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 133

Obgleich der von mir beschrievene Embryo seiner Entwicklung nach etwas jünger ist als die beiden von Hıs in mikroskopische Schnitte zerlegten,, wie schon aus dem Vorhandensein einer eben erst hervorge- wachsenen blasenförmigen Allantois sich ergiebt, so lässt sich doch aus dem Präparate selbst seine Natur als menschlicher Embryo, resp. seine Differenz von Vogelembryonen derselben Entwicklungsstufe erweisen. Bei dem jetzigen Stande der Kontroverse erscheint diese Art von Be- weis besonders instruktiv. Anstatt denselben in Worten anzutreten, wird es nützlicher sein, zunächst die in verschiedenen Lagen des Em- bryo aufgenommenen, von Herrn PETErs in Göttingen mit bekannter Treue gezeichneten Abbildungen (Taf. IX, Fig. 1, 2, 5) vorzulegen.

Zur Vergleichung habe ich einen menschlichen Embryo und zwar den nächst älteren !, den ich ebenfalls schon sehr lange besitze, hinzu- gefügt (Fig. 3). Ferner zwei Hühnerembryonen; der kleinere (Fig. 4) hat dieselbe Länge (”—8 mm) wie der kleinere menschliche Embryo, differirt aber von demselben in vielen wesentlichen Punkten. Der etwas ältere Hühnerembryo (Fig. 6) zeigt eine blasenförmige Allantois.

"Alle Figuren der Tafel sind unter denselben Beleuchtungsverhält- nissen, bei derselben Vergrößerung (die Fig. 3 ist im Verhältnis von 5:7 redueirt worden), von derselben geübten Hand gezeichnet. Sie sind also unter einander vergleichbar und der nächstliegende Weg einen Embryo zu klassifieiren besteht wohl darin, dass man ihn (Fig. 1) mit einem weiter in der Entwicklung vorgeschrittenen (Fig. 3), dessen Na- tur unverkennbar ist, zusammenstellt. Sollte indessen Jemand an der Naturtreue der Zeichnungen Zweifel hegen, so wird er freundlichst er- sucht, den Embryo bei mir in Göttingen sich anzusehen, da ich den- selben zur Zeit den Gefahren einer Eisenbahnversendung nicht wohl aussetzen kann? (vergl. p. 138).

Bei der Vergleichung ist namentlich die Form des Mittelhirns (Fig. 2, resp. 6), so wie die des Schwänzchens (Fig. 5, resp. 4) zu be- achten.

! Zur Vermeidung von Missverständnissen muss bemerkt werden, dass es sich hier nicht etwa um den von mir (Göttinger Nachrichten. 1865. p. 303) früher er- wähnten Embryo handelt. Auf einen etwa vierwöchentlichen, in letzter Zeit mir zur Verfügung gestellten menschlichen Embryo wird bei anderer Gelegenheit zu-

rückzukommen sein.

2 Am schönsten würde es sein, wenn die Autoritäten auf diesem difficilen Gebiete, z.B. die Herren Ecker, HEnsEn, Hıs, KöÖLLIKER, KOLLMANN, KUPFFER, LIEBERKÜHN U. S. W. sich verabreden wollten, eine Art von Embryologen-Versammlung in Göttingen oder auch in Kassel etwa zum 45. März 4884 zu berufen. Da die Angelegenheit meines Embryos sehr rasch sich erledigen dürfte, so würde wohl Zeit bleiben, eine Reihe anderer belehrender Vorträge und Demonstrationen daran zu knüpfen.

134 W, Krause,

Was die Tafel an einem instruktiven Beispiel lehrt, ist nichts Ande- res, als die von Hıs! so eifrig verfochtene Lehre, dass für eine ins Feinste eindringende Analyse sehr charakteristische Unterschiede der | Embryonen verschiedener Thiere schon in frühem Stadium auftreten. | Seitens der Fachgenossen ist es auch wohl niemals bezweifelt worden, | dass Hıs hierfür überzeugende Beweise beigebracht hat. Die Differen- ' zen, welche Hıs zur Unterstützung der Diagnose zwischen menschlichem | und Vogel-Embryo anführte, sind in Kurzem folgende:

4) Die Größe des Mittelhirns. Vergleicht man Fig. 4 oder Fig. 6 | mit Fig. 2, so ragt beim Hühnchen (Fig. 4 und 6) das Mittelhirn ent- ' schieden stärker hervor. |

2) Die Größe des Auges, etwa 4 mm beim Hühnchen und nur 0,3 mm beim Menschen betragend. Ein so großes Auge, wie es | einem Hühnerembryo (Fig. 4 und 6) entsprechen würde, ist an meinem | Embryo keinenfalls vorhanden (Fig. 1). |

3) Die Entwicklung der Kiemenbogen. Bei einer ‚Belenektuni | in der man die ganze Länge des größten Kiemenbogens (Fig. 1) wahr- ! nehmen kann, zeigt sich derselbe kräftig entwickelt und ein wenig, über | das Niveau der übrigen hervortretend. 3

4) Die Größe der Leber. Von einer behirnukaherehe die Hıs zu sehen erwartet, ist an dem Embryo sonst keine Spur, als eine relativ etwas stärkere Auftreibung unterhalb der Gegend der oberen Extremi- N) tät (Fig.:2) wahrzunehmen. Die Leberanlage fehlt aber auch bei dem | Hensen’schen Embryo (p. 132).

'5) Die Krümmung des Schwanzendes. Das Söhtiwärtzchen ist in | Fig. 1 und Fig. 5 deutlich‘und differirt erheblich von dem Schwanzende eines Hühnchens, welches genau entsprechende absolute Körperlänge hat. | Das letztgenannte Ende ist in Flächenansicht gezeichnet (Fig. %). )

6). Die Biegung des Halses. Der Kopf des Hühnchens ist " stärker vornüber gebogen (Fig. 2, resp. Fig. 4 und 6). Um in diesem I entscheidenden (vergl. unten p. 138) Punkte eine Ähnlichkeit meines Embryos mit dem Vogel herzustellen, hat Hıs (I. c. p. 71. Fig. 7) sich ij aus dem Halse des letzteren ein m Stück herausgeschnitten | denken müssen. |

7) Die Wölbung des Rückens ist beim Hühnchen geringer. Hıs 7 legt selbst auf diesen Punkt kein großes Gewicht und da die Lage des Embryos während seiner Erhärtung in Betracht kommt, so kann man | die Sache wohl auf sich beruhen lassen. ann ö |

Nach dem bisher Gesagten lässt sich die menschliche Natur des | Emban: aus folgenden Punkten ableiten :

! Unsere.Körperform. 4875. p. 192.

Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 135

A. Aus der Form des Gehirns, namentlich des Mittelhirns (Fig. 2, resp. Fig. 4 und 6).

B. Aus dem Schwänzchen (Fig. 5, resp. Fig. A).

C. Aus der Kleinheit des Auges (Fig. 4, resp. Fig. 4 und 6).

Letzterer Umstand bedarf nun noch einer besonderen Erörterung. Wie ich! bereits angedeutet habe, basirt die Hıs’sche Deduction, es handle sich um einen Vogelembryo, vorzugsweise? auf der Annahme, mein späterer Holzschnitt (s. unten Fig. II) sei eine neue Originalabbil- dung. Es war aber in der That nicht vorauszusehen, dass Jemand den- selben für etwas Anderes nehmen würde, als für das was er ist, nämlich eine verkleinerte und korrumpirte Kopie der Fig. B (hier Fig. 2). Letztere ist die Originalfigur. Darin hat zuerst der Kupferstecher das »Auge« zu scharf umrissen. Da ich die Originalzeichnung noch in Händen habe, so konnte die reine Profilansicht des Embryos in Fig. 2 (Taf. IX) nach

Fig. 1. Fig. II. Wie die Kopie der Fig. 2 aus- Was der Holzschneider (1876) aus sah und eigentlich hatte aus- der Kopie gemacht hat.

sehen sollen.

derselben lithographirt werden ; sie weicht außer in anderen Punkten von der Fig. B in der Umgrenzung des » Auges«, so wie in der Form des größten Kiemenbogens, in der Abgrenzung des Mittelhirns und des Schwanzes nicht unerheblich ab. Die Zeichnung war. vollkommen naturgetreu, wie ursprünglich angegeben wurde; für die Erscheinungs- weise der Abbildungen im Druck, womit Hıs sich zu ihun gemacht hat, habe ich selbstverständlich damit keine Garantie übernommen. In der diesmaligen Publikation kann ich es thun in Folge des freundlichen _ Entgegenkommens der Redaktion dieser Zeitschrift (Prof. EnLers).

I Zoologischer Anzeiger. 1880. p. 284.

2 Gegenüber meiner Fig. B (1875. Taf. VI) ist von Hıs (Anatomie menschlicher Embryonen. Abth. I..1880. p. 71. Fig. 6) die größte Länge des Mittelhirns an der Trennungsfurche desselben von 45 auf 13 mm vermindert, die vierte Hirnhöhle weggelassen u. S. w. ‚.

136 . 3 » W. Krause,

Fig. 11 ist eine von Herrn Perers in Göttingen verkleinert abge- zeichnete Kopie der Fig. 2 (Fig. B des Archivs für Anatomie und. Physio- logie. 1875. Taf. VI). Diese Kopie wurde jetzt von Herrn. -Prosst in Braunschweig, der sämmtliche Holzschnitte für mein Handbuch der menschlichen Anatomie? ausgeführt hat, xylographirt. Fig. II (p. 135) ist nach derselben Vorlage, die sich ebenfalls noch: heute in meinen Händen befindet, durch einen von der früheren Verlagshandlung. des Archivs für Anatomie und Physiologie (1876) engagirten Xylographen in Holz geschnitten. Nach diesem Holzschnitt ist die Fig. II kopirt worden.

Die Differenz ist so beträchtlich, dass man zu dem Schlusse kommt, Fig. Il sei Anfänger-Arbeit, vielleicht die Leistung eines Lehrlings. Der Holzschneider. des früheren Holzschnittes (Fig. II) hat nämlich nicht nur das »Auge« noch schärfer markirt als der Kupferstecher (Taf. VI, Fig. B. 1875), sondern jede Schattirung viel zu dunkel dargestellt, sogar die des Amnionschleiers, welchen er nicht verstanden haben wird. Dafür, dass dieser Künstler seiner Aufgabe so wenig gewachsen war, muss ich meinerseits die Verantwortung ablehnen, weil den Verfassern von Jour- nalaufsätzen auf die Auswahl des Xylographen kein Einfluss zusteht.

Durch Kombination dieser. beiden Leistungen (des Kupferstechers und Holzschneiders) ist nun däs merkwürdige Bild entstanden, welches Hıs? sich von meinem Embryo gemacht hat. |

Veranlassung dazu erhielt Hıs außer den erwähnten Umständen besonders noch durch einen Fehler in der Erklärung der Figur B. Das von mir als »Auge« bezeichnete Gebilde. (A)? ist jedenfalls nicht das Auge gewesen, sondern ein Theil des Gehirns (Fig. 1 und 2). Das jetzt für ein Auge anzusprechende Gebilde (Fig. 1 o) ist viel kleiner und fehlt in Fig. 2 gänzlich.

Der Irrthum ist auf folgende Art zu Stande gekommen. Da sich an meinem Embryo sonst nichts auffinden ließ, was wie ein Auge ausge- sehen hätte, so deutete ich mir damals den äußeren größeren koncen- trischen Ring (Fig. 2) als die aus der Tiefe durchschimmernde Peripherie der Augenblase oder deren Umgebung. Zu jener Zeit konnte man glauben, dass das Auge z. B. im Vergleich zu demjenigen des viel kleineren Tnonson’schen Embryos an Größe entsprechend zugenommen

i Der Holzschnitt Fig. I giebt meine frühere Handzeichnung vom Jahre 1876, die ich damit verglichen habe, recht getreu wieder. Göttingen, den 28. Juli 4880. O. PETERS. ?2 Hannover. Bd. I. 4876. Bd. II. 1879. Bd. III. 1880. ° 3 Anatomie menschlicher Embryonen. Abth. I. 41880. p. 71. 4 Archiv für Anatomie und Physiologie. 1875. Taf. VI. Fig. C.

5 Daselbst, Taf. VI, Fig. C, A. 6 Verg. KöLuıker, Entwicklungsgeschichte. 4876. p. 314. Fig. 231.

Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 137

haben werde. :Ich bin jedoch bei stärkerer, 10—18 facher Vergrößerung, als ich sie früher angewendet hatte, , darüber:zweifelhaft geworden. In der Schrägansicht (Fig. I o) sieht man einen kleinen. hervorragenden - Fleck , der: durch‘ den getrübten Amnionschleier hindurch früher nicht - zu entdecken war und auch: nicht: wohl ein Kiemenbogen sein kann. Derselbe hat etwa 0,3 mm Durchmesser, , welches Maß nach Hıs dem Auge zukommen würde, entspricht außerdem seiner Lage nach dem Auge .des-älteren. menschlichen Embryos (Fig. 3). Alsdann muss jener äußere, in Fig. 2 koncentrische Ring als Gehirntheil! und zwar als die bei: Beleuchtung des Profils von der Dorsalseite ‘her allein sichtbare Kuppe des Großhirnbläschens, der kleinere innere koncentrische Ring dagegen als zufällige (?) Depression gedeutet werden. Bei der erwähnten "Profilansicht (Fig. 2) ist das jetzt von mir als Auge bezeichnete Gebilde in der Grube zwischen der Wurzel des größten Kiemenbogens und dem früher sog. »Auge« verborgen. Leider hat: man ohne‘ Zerlegung des Embryos kein Mittel, die Natur eines mikroskopischen Pünktchens mit Sicherheit zu konstätiren, wie schon R. Wacner ? bei einem ähnlichen _ 24 tägigen menschlichen Embryo das Auge nicht mit Bestimmtheit auf- finden konnte. Vergl. auch Hiıs, 1. c.. 4880. p. 15. Anm. 3.

Man könnte bezweifeln, ob das letztere in diesem speciellen Falle überhaupt schon wahrnehmbar sei und auch :sonst sind keineswegs alle Schwierigkeiten in Bezug auf die Topographie des Kopfes, z. B. in Be- treff' des Vorderhirns, beseitigt. Mag dem sein wie ihm wolle, so steht jedenfalls fest, dass das Auge meines Embryos nicht die von dem früheren Holzschneider (Fig. I) und von Hıs supponirte Größe hat, sondern viel kleiner sein muss worauf es hier allein ankommt. Denn es ist nochmals daran zu erinnern, dass ich schon bei meiner ursprünglichen Publikation nicht im mindesten beabsichtigte und auch jetzt nicht beabsichtige, einen Beitrag zur Kasuistik menschlicher Em- bryonen zu liefern. Andernfalls würde wohl die Frage aufzuwerfen gewesen sein, wesshalb der Embryo nicht wenigstens von seinem Amnionschleier befreit worden sei. Mein Augenmerk war vielmehr nur darauf gerichtet, ein früher noch nicht mit Sicherheit beob- achtetes Stadium der Allantoisentwicklung beim Menschen zur An- schauung zu bringen. In diesem für mich ausschließlich in Betracht kommenden Punkte sind meine ersten Abbildungen (1875) für sich allein ausreichend und so getreu, wie sie nur sein können. Dem Ge-

i Vergl. Archiv für Anatomie und Physiologie. 4875. Taf. VI, Fig. A, woselbst der Embryo von der linken Seite dargestellt ist. ua

2 Icones physiologicae. 1839. Abtheilung I. Taf. VII, Fig. XI. Taf. VII, Fig. II.

138 W. Krause,

sagten entsprechend hatte ich gleich Anfangs meine Mittheilung ! als eine vorläufige, d. h. als ein Bruchstück aus einer größeren Untersuchungs- reihe bezeichnet.

In Betreff der oben als wünschenswerth angedeuteten Zerlegung des Embryos in mikroskopische Schnittserien ergiebt sich folgende Sachiage: Würde die Thatsache der freien Allantoisentwicklung beim Menschen oder, was augenblicklich dasselbe bedeutet, die menschliche Natur des fraglichen Embryos allgemein anerkannt sein und letzterer nur noch historisches Interesse besitzen, so würde ich denselben am besten ver- wendet glauben, wenn er Behuf fernerer Untersuchung in Durchschnitte zerlegt werden könnte. Zur Zeit ist er aber das einzige Beweisstück.

Für die menschliche Natur meines Embryos, so weit ihre Nach- weisung hier aus dem Präparat allein geführt werden soll, kommt außer den oben erwähnten Punkten nun noch ein Umstand in Betracht, den Hıs ganz mit Stillschweigen übergangen hat. Ein Hühnchen von der- selben Körperlänge wie mein Embryo sieht aus wie Fig. 4. Ein Hühn- chen aber von der Entwicklungsstufe meines Embryos sieht aus wie Fig. 6. Jeder erkennt, dass der Vogelembryo von ungefähr gleich weit vorgeschrittener Entwicklungsstufe sehr viel länger ist, als mein Em- bryo. Der Unterschied lässt sich natürlich nicht durch eine einzige Messung an dem zusammengebogenen Körper präcisiren, misst man aber die Länge eines Embryos wie Fig. 6 in gestrecktem Zustande (vergl. z. B. das von Hıs abgebildete Modell-Hühnchen 2), so zeigt sich die Differenz verhältnismäßig enorm (9:42 mm) und beträgt 20—30%,. Dieser Punkt ist so schlagend , meiner Ansicht nach für sich allein ent- scheidend, zugleich so unabhängig von der Deutung des Auges und aller Detailzeichnung des Holzschneiders oder Lithographen, dass eine ein- fache Contourzeichnung die ganze Sache erledigt haben würde. Da aber an einem Beispiel demonstrirt werden sollte, dass eine auf andere Mo- mente gestützte Differentialdiagnose möglich ist, so mag die Ausführlich- keit dieses Aufsatzes dadurch entschuldigt werden.

Überblicken wir den bisherigen litterarischen Lebenslauf des frag- lichen Embryos, so ist seine blasenförmige Allantois bereits erklärt worden:

a) Für eine Dotterblase vom Menschen (Körrıker, 1876. p. 307).

b) Für eine pathologische Bildung (Körurker, 1878. p. 1043).

c) Für die Allantois eines Vogels (Hıs, 1880).

Vielleicht wird schon das nächste Stadium der Angelegenheit die

von mir? vor Jahren vorausgesagte sein.

1 Archiv für Anatomie und Physiologie. 1875. p. 246. 2 Unsere Körperform. 4875. p. 88. 3 Archiv für Anatomie und Physiologie. 1876. p. 207. C.

Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. 139

Später wird es in der Geschichte dieser in ihrer Art einzig da- stehenden Kontroverse merkwürdig erscheinen, dass es ganz besonders den Arbeiten von Hıs zu verdanken ist, wenn gezeigt werden konnte, dass jener menschliche Embryo auf einer genau korrespondirenden Ent- wicklungsstufe steht, in welcher z. B. beim Hühnchen eine eben her- vorsprossende Allantois in die Erscheinung tritt.

Kann hiernach über die Thatsache der freien Allantois beim Men- schen kein Zweifel mehr bestehen, so fragt es sich noch, ob irgend welche andere Beobachtungen vorliegen, die mit jener Thatsache nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Nun giebt es, wie allgemein be- kannt, einige mehr oder weniger gute Beschreibungen von menschlichen Embryonen, die beträchtlich kleiner, so wie ihrer sonstigen Entwicklung zufolge jünger waren als der meinige, und gleichwohl eine solche Allan- tois nicht mehr zeigten.

Es ist nicht recht verständlich, wesshalb Hıs und A. in dieser einfachen Sache Schwierigkeiten finden. Was liegt näher als die An- nahme, dass bei den letzterwähnten Embryonen der Dotterkreislauf _ frühzeitig gestört wurde? In Folge davon blieben die Embryonen in ihrer Entwicklung stehen, verkümmerten , es traten mitunter Unregel- mäßigkeiten in der Form und Größe einzelner Körpertheile auf; die Allantois bildete sich relativ zu früh, um die hydraulische Störung auszugleichen und das Ende war Absterben des Embryos nebst Abor- tus. Ob die Annahme solcher Störungen bei abortirten, also patho- logischen Eiern zulässig, resp. naheliegend ist, darüber dürfte wohl keine Verschiedenheit der Meinungen bestehen. |

Es sind hiernach nur diejenigen menschlichen Embryonen für ganz normal zu halten, welche sich nicht nur an den meinigen, sondern z.B. an den oben citirten R. Wasner’schen und namentlich an die für gewöhnlich Tegelrecht entwickelten thierischen Embryonen anschließen lassen.

Diese letzte Auseinandersetzung läuft auf den eigentlich sich von selbst verstehenden Satz hinaus: Frühzeitige Verwachsungen des Em- bryos mit dem Chorion sind pathologisch. Beim Menschen sind solche nicht selten und wahrscheinlich Veranlassung zu Abortus.

Schließlich ist noch auf die außerordentliche Häufigkeit des letzte- ren am Ende der ersten vierwöchentlichen Periode hinzuweisen. Wenn _ die praktischen Ärzte jeden Blutklumpen bei einer Frau, die einmal abortirt hat, untersuchen wollten, würden die Embryologen nicht lange mehr über Mangel an Material zu klagen haben. Man könnte sogar eine kleine Familie von embryonalen Geschwistern in die Hände bekommen.

Göttingen, im Juli 1880.

140 W. Krause, Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel IX,

Sämmtliche Figuren mit Ausnahme von Fig. 3 sind 7fach vergrößert.

‚Fig. 4. Menschlicher Embryo mit blasenförmiger Allantois von der rechten ‚Seite und ein wenig von vorn gesehen ;. das Amnion theilweise entfernt. 4, vierte Hirnhöble; o, Auge (vergl. p. 436).

Fig. 2. Derselbe Embryo in reiner Profilansicht. Nach derselben Originalzeich- nung, nach welcher die Fig. B (Archiv für Anatomie und Na 1875. Taf. VI) angefertigt ist.

Fig. 3. Etwas älterer menschlicher Embryo mit Nabelblase. Vergr. 5.

Fig. 4. Hühnerembryo vom Ende des dritten Dr Das Schwanzende in Flächenansicht.

Fig. 5. Der Embryo von Fig. 4 und 2. Ansicht vom Schwanzende her.

Fig. 6. Hühnerembryo vom Anfang des vierten Tages. Blasenförmige Allantois wie in Fig. A. ;

Zusatz.

Auf den Wunsch des Herrn Professor Krause habe ich den fraglichen Embryo in der Lage von Fig. 4 mit der Originalzeichnung verglichen, von welcher diese Figur kopirt ist, und kann bestätigen, dass diese Zeichnung in den wesentlichen Punkten ein treues Bild desselben giebt. Auch ist in der lithographischen Wieder- gabe diese Figur, wie die übrigen, so getreu ausgefallen, dass man damit’ zufrieden sein kann; die Weichheit der Originalzeichnung und vollends der Natur wird freiz lich von der Lithographie nicht erreicht.

Göttingen, im September 1880. Ehlers. .

Das Fulsnervensystem der Paludina vivipara. Von Dr. Heinrich Simroth in Leipzig.

Mit einem Holzschnitt.

Durch die weitere Ausdehnung meiner Untersuchungen über die Locomotion der Weichthiere auf die wichtigeren einheimischen Vertre- ter des Typus gerieth ich in jüngster Zeit auf die Paludina und nahm _ Veranlassung, deren Fulsnervensystem zu präpariren, um es mit dem der Pulmonaten, so weit ich es beschrieben und für die Deutung der Bewegungsvorgänge verwandt, vergleichen zu können. Die Methode der Darstellung ist nicht .eben schwierig. Für die Maceration leistet stark verdünnter Alkohol hier mehr, als Chromsäure und ihre Verbin- dungen, welche künftiger mikroskopischer Erforschung wohl vor- arbeiten. Diese ist aber leider hier ausgeschlossen durch die Dichtig- _ keit des Farbstoffes, der eben so wie bei Limnaea und Planorbis die Verfolgung der letzten Nervenästchen vereitelt, daher über diese, so weit sie dem bloßen Auge oder der Lupe sich entziehen, bier nichts ausgesagt werden kann. Koncenirirte Kalilauge (schwächerer Mittel gar nicht zu gedenken) klärt zwar das Pigment auf, aber erst lange nach- dem selbst von Nervenstämmen keine Spur mehr zu finden; starke Salpetersäure erhält die Nerven sehr wohl und zieht eine mäßige Menge eines schwarz violetten Stoffes aus; aber der Rest lässt die ge- Schrumpfte Sohle dunkler erscheinen als zuvor.

Der makroskopischen Zerlegung bereitet der Fuß weniger Schwie- riekeiten als der der Landschnecken. Der massige Retraktor kann ohne ‚besondere Mühe, gewiss einem inneren Faserverlauf zufolge, durch seitlichen Zug in zwei Hälften getrennt werden, welche sich mit Leichtigkeit, nach beiden Seiten sich verjüngend, genau bis zum Sohlen- rande abziehen lassen. Denn die Retraktorfasern mischen sich. nicht,

| 1 SımkoTH, Die Bewegung unserer Landschnecken, hauptsächlich erörtert an der Sohle des Limax cinereoniger. Diese Zeitschr. Bd. XXX.

142 Heinrich Simroth,

wie bei den Lungenschnecken, bündelweise mit denen der Sohle, son- dern bilden ein darüber gelegenes Dach, das sich ziemlich bequem ab- heben lässt, da es nur rings am Fußrande in festerer Verbindung der Sohle eingefügt ist. Somit böte die Sohle einen sehr bequemen Einblick in die Mechanik des Kriechens, wenn sie weniger geschwärzt und das

Vvergr. 5:1. Sohle der Paludina vivipara mit den Pedalganglien, Pedalnervenstämmen, den Kommissuren, peri- pherischen Nerven und deren Kommissuren. Zwischen den Stämmen ein von oben geöffneter Blut- sinus. Die Sohle ist in der Mitte dick und lleischig, nach dem Rande zu verdünnt sie sich bis fast ‚zur Heutstärke.

Thier beweglicher wäre. Doch davon künftig. Beim Abnehmen des Retraktors bleibt fast nie einer der Fußnerven daran hangen, ein siche- rer Beweis, dass diese Nerven lediglich in der Sohle ibre Verzweigung finden. Die Sohle ist auch bier reich an Blutlakunen. Ein mittlerer Sinus wird zuerst aufgedeckt (siehe den Holzschnitt) mit einer Menge von Öffnungen, die nach unten zwischen die Muskulatur führen. Zwei

Das Fußnervensystem der Paludina vivipara, 143

- seitliche Bluträume, welche von vorn nach hinten aus einander weichen,

sind in der Figur nicht mit dargestellt. Zwischen dem mittleren und je einem seitlichen Sinus verläuft nun jederseits der dicke, nach hinten sich verjüngende Stamm des Pedalnerven. Beide entspringen in der bekannten Weise aus dem durch eine starke, kurze Kommissur ver- bundenen Pedalganglion und sind selbst unter einander durch eine An-

zahl von Kommissuren verknüpft. Ich habe kaum nöthig, die gelbrothe

Färbung der frischen Ganglien und Stämme, so wie den allmählichen Übergang zwischen beiden oder die gangliöse Beschaffenheit der Nerven- stämme wiederum zu erwähnen. Die Stämme nehmen ziemlich gleich- mäßig nach hinten an Stärke ab, indem sie nur die Nerven und Kom- missuren mit breiten Wurzeln abtreten lassen, also an den betreffenden

‚Stellen eine geringe Verdickung erfahren.

Von besonderem Interesse sind nach dem jetzigen Standpunkte der Schneckensystematik natürlich die Kommissuren. Ich habe deren zwi- schen den Stämmen vier gefunden, die ihre Lage bei den verschiedenen Individuen sehr bestimmt einhalten. Die vorderste Kommissur ist den

Ganglien ziemlich genähert, und obwohl sie von deren Kommissur an

Dicke beträchtlich, um ein Mehrfaches, übertroffen wird, ist sie doch noch einmal so stark als die zweite, die wiederum die dritte und vierte an Stärke hinter sich lässt. Die zweite Kommissur, welche die größte Länge hat, ist von der ersten etwa noch einmal so weit entfernt, als diese von den Ganglien. In dem Abstande zwischen der ersten und zweiten folgt dieser die dritte Kommissur, welche, kürzer als die vorige, die hier zusammengebogenen Stämme verknüpft. Dicht hinter ihr kommt die vierte, die aber nur wenigen Scharfsichtigen regelmäßig wahr- nehmbar sein dürfte. Mir glückte es nur bei einigen geeigneten Indi- viduen, sie aufzufinden. Sie erfordert vorsichtiges Präpariren und Augenanstrengung, zwei Postulate, die es nicht unwahrscheinlich machen, dass zwischen den letzten Stammausläufern, die nahe der Mittellinie auf die Dicke zarter peripherischer Nerven herabgedrückt sind, noch weitere zarteste Anastomosen statthaben möchten. Die bei- den vorderen Kommissuren sind nach vorn, die beiden hinteren nach hinten konkav gebogen. Das unbewaffnete Auge lässt keine von den

Kommissuren abtretenden Nerven erkennen, wohl aber zeigte solche

das Mikroskop bei der zweiten Kommissur (siehe die Abbildung) ; doch können diese deren Charakter so wenig beeinträchtigen, als das etwa

bei Carinaria oder Patella nach von Inerıng’s Darstellung! geschieht,

daher ich auf die weitere Prüfung dieser Verhältnisse bei der beklagens- werihen Verstecktheit der letzten Nervenästchen verzichtet habe. ! v. Iuerıng, Vergl. Anat. d. Nervensyst. u. Phylogenie d. Mollusken. Fig. 24 u. 31.

144 Heinrich Simroth,

Die Nerven, welche von den Pedalstämmen in die Sohle ausstrah- len, verlaufen mit vieler Regelmäßigkeit. Man könnte sie in innere und äußere theilen, wenn nicht das vorderste Paar der ersteren (siehe die Abbildung) durch seinen Verlauf zu den letzteren gerechnet werden müsste. Die übrigen inneren sind bei ihrer Feinheit nur schwierig zu erkennen, daher in der Figur nur vereinzelt beobachtete eingezeichnet werden konnten, und noch schwieriger zu verfolgen. Die äußeren treten einigermaßen symmetrisch ringsherum nach außen ab und ändern ihre Länge je nach dem Abstande zwischen Nervenstamm und Sohlenrand. Um sie bloßzulegen, muss man die Muskulatur so weg- nehmen, dass sich die Sohle nach dem seitlichen Rande fast bis zur Hautdicke verjüngt und daher hier nun ganz schwarz erscheint. Man sieht da die Nerven sich wiederholt verzweigen, und zwar jedes Mal mit einiger Verdickung an den Gabelungsstellen, gemäß der bei den Schnecken so gewöhnlichen Einlagerung von Ganglienzellen in die Nerven, welche Zellen auch der zweiten, darauf geprüften Kommissur nicht fehlen. Ob die letzten Nervenästchen gegenseitig Fasern aus- tauschen, musste, so wenig die Wahrscheinlichkeit dagegen spricht, Dank dem Pigment, unentschieden bleiben.

Eine besondere Beachtung verdient das erste innere Nervenpaar mit äußerer Verzweigung. Der Ursprung eines solchen Nerven ist unter | allen peripherischen der stärkste, stärker auch als die vorderste Kom- missur. Sein Stamm wendet sich erst ein wenig nach hinten und unten und dann in einer Schlinge weiter nach vorn zu der einen Hälfte des vorderen Sohlenrandes. Der Verlauf dieses Nerven ist unter allen, von denen hier gehandelt wird, der längste, so wie auch der Abstand zwischen dem Pharynx und dem vorderen Sohlenrande bei Paludina um ein Mehr- faches größer ist, als bei unseren übrigen Schnecken. Bald nach seiner Umbiegung nach unten theilt sich der Nerv in zwei Zweige, einen stärkeren lateralen, der in direkter Linie der seitlichen vorderen Sohlen- ecke zustrebt, und in einen schwächeren medialen, welcher, etwas der Mitte sich zuneigend, fast gerade nach vorn verläuft. Der laterale Zweig | giebt auf seinem Wege noch einige Aste nach vorn ab, und von diesen | verbindet sich der erste durch eine Anastomose mit einem Ästchen des

medialen Zweiges. Von hervorragendem Belange ist endlich das Ver-

halten der beiden medialen Äste rechts und links, denn sie verbinden ' sich ziemlich weit vorn durch zwei kurze feine, zur Längsachse des Körpers senkrechte Kommissuren,, die es wohl angebracht erscheinen | lassen, sie mit den Kommissuren zwischen den Nervenstämmen zu- " sammenzustellen. Bestimmt man daher, den Gesichtskreis erweiternd,

die Anzahl der Querbrücken, welche die rechte und linke Hälfte des |

Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. 145

Fußnervensystems, und nicht bloß die Stämme, verbinden, so ergeben sich sechs, vier zwischen den Stämmen und zwei zwischen den vor- dersten Nerven; zwei, die beiden letztgenannten, dicht bei einander am vorderen, zwei eben so am hinteren Körperpole, dazwischen zwei in größeren Abständen, eine vordere kürzere und stärkere und eine hintere schwächere, aber längere, womit nicht behauptet werden soll, dass dieses umgekehrte Verhältnis zwischen ihrer Länge und ihrem Querschnitt eine physiologische Bedeutung haben müsse. Die beiden vorderen und die beiden hinteren Kommissuren liegen ziemlich dicht

_ der Haut auf, die ersteren am meisten, die beiden mittleren sind durch

ein dickeres kavernöses Muskelpolster weiter von ihr getrennt.

Das Bestreben, vorstehende Thatsachen durch Vergleich mit be- kannten Schneckenzergliederungen zu Folgerungen von allgemeinerer

Bedeutung zu benutzen, wirft mehr Fragen auf, als es beantworten kann, und reizt mehr zur Erweiterung der Untersuchungen, als es den

beendeten den Werth der Beweiskraft zuertheilt. Es wird in litterari-

- scher Hinsicht nur nöthig sein, auf die Ansichten von Inzrıng’s (l. c.) ein-

|

zugehen, da man seinen Angaben über frühere Beobachtungen gewiss trauen darf; handelt es sich doch um einen Angelpunkt seiner Deduk- tionen. Wenn er in seinem Werke die Klasse der Gastropoden in zwei von einander unabhängige Stämme trennt und die einen, die Arthro- cochliden, von den gephyreenähnlichen Amphineuren Chaetoderma und Neomenia, die anderen, die Platycochliden, von einer ganz anderen Würmergruppe, den dendrocoelen Turbellarien herleitet, so stützt sich diese phylogenetische Erklärungsweise zum großen Theile auf das Fuß- nervensystem, wie ja auch aus den Verhältnissen desselben bereits Ein- würfe dagegen erhoben wurden, die ich indess zurückweisen zu dürfen glaubte (l. c. p. 317). Das Hirn der Platycochliden soll bei deren erster Ordnung, den Protocochliden, aus einer einfachen dorsalen Ganglien- masse bestehen, mit oder ohne einfache Kommissur, und davon sollen zwei unter einander nicht verbundene Pedalnerven ausstrahlen. Umge- kehrt werden zwischen die Arthrocochliden und die Amphineuren die

von den Schnecken abgetrennten Chitoniden als Placophora eingescho-

ben, deren Hirn aus einem (mehr weniger gefalteten, was hier nichts verschlägt) Schlundringe besteht, in welchem Ganglien und Kommissu- ren sich kaum gesondert haben. An diesen Ring schließen sich, von allem Übrigen abgesehen, zwei starke, zellenreiche Pedalnervenstämme, welche durch zahlreiche Querkommissuren unter einander verknüpft sind. Diese wichtigen Kommissuren bilden die Brücke, die von der

ebenfalls mit derartigen Kommissuren versehenen Neomenia zu den

Zeitschrift f. wissansch. Zoologie. XXXV. Ba. 40

146 Heinrich Simroth,

tiefststehenden Arthrocochliden hinüberführt; denn an Chiton fügt sich zunächst von den Arthrocochliden Haliotis an, deren Pedalnervenstämme zwölf bis funfzehn Kommissuren mit einander auswechseln. Hierauf folgt Fissurella, bei der nach von Inzring’s Abbildung (l. c. Taf. VI, Fig. 27) nur noch die sechs vordersten Kommissuren erhalten, aber ganz nahe an die Pedalganglien heran- oder fast schon in diese hinein- gerückt sind, so dass es nur eines kurzen Schrittes bedarf, um sie mit diesen verschmelzen zu lassen. Das soll nun bei allen übrigen Arthro- cochliden, im Allgemeinen den früheren Prosobranchiern, geschehen, für diese also das Strickleiternervensystem aus der Welt geschafft sein. Wenn ich nun ein solches oben für Paludina nachgewiesen habe, so ist es jedenfalls sehr bemerkenswerth, dass diese Schnecke gerade zu der Klasse der Arthrocochliden, den Chiastoneuren, gehört, als deren unterste Glieder eben Fissurella und Haliotis aufgestellt werden; und zwar zählt sie zu der letzten Unterordnung der letzten Ordnung dieser Klasse, so dass sie also gewissermaßen auf der höchsten Sprosse der Entwicklungs- staffel thront, deren unterste jene Strickleiterschnecken einnehmen. Auch lässt der für dieses Phylum ungewöhnliche Aufenthalt im süßen Wasser stärkere Umbildungen als Folgen der Anpassung erwarten. Der erstere Umstand, die direkte phylogenetische Verknüpfung mit den Strickleiterbesitzern lässt die Verhältnisse der Paludina in einem Lichte erscheinen, vor dem die Eintheilung von Inerıne's zu nichte werden muss; der letztere jedoch, die zu erwartenden Anpassungen betreffend, heißt uns überlegen, ob nicht das Strickleiterfußnervensystem der Paludina mit jenem von Haliotis und Chiton verwandtschaftlich gar nichts gemein habe, vielmehr unabhängig davon, in viel späterer Zeit, auf physiologischem Wege erworben sei. Beide Seiten der Frage müssen erörtert werden.

Die Form des Kommissurensystems, um mit der Beziehung zu Haliotis und Chiton zu beginnen, spricht vielleicht nicht ganz für eine | direkte Vererbung von jenen Thieren oder deren einstigen Ahnenarten her; denn bei jenen ist die Zahl der Querbrücken viel größer, als bei | Paludina, wo ja zwischen den Nervenstämmen selbst nur vier nach- ! weisbar waren. Doch kann dieser Unterschied kaum von wesentlicher ! Bedeutung sein, da ja auch bei den drei Gattungen Chiton, Haliotis und Fissurella die Anzahl der Kommissuren erheblich schwankt; auch ! könnte man sich denken, dass bei Paludina eine Reihe derselben be- reits mit der Pedalkommissur verschmolzen, die bestehenden also nur | als ein Rest der früheren Vielzahl anzusehen wären. Vielleicht spricht | gerade die Dicke und der Zellenreichthum der Fußnervenstämme, so HN wie ihre Farbe, die mit der des Hirnes übereinkommt, dafür, dass hier | |

Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. 147

ein viel näherer Verwandter der Käferschnecke vorliegt, als nach von Iuerıng’s System angenommen wird. Sei dem wie ihm wolle, auf jeden Fall erwächst aus der Parallelisirung der Paludinennerven mit denen Chiton’s der Zoologie die Forderung, dann auch bei allen übrigen Zwischengliedern, also bei jenem Dutzend bekannter Familien, die zwi- schen den Fissurelliden und den Paludiniden eingeschaltet werden (den Pleurotomariden, Tecturiden, Patelliden, Lepetiden, Littoriniden, Rissoel- liden, Rissoiden, Cyclostomaceen, Gyclotaceen, Pomatiaceen und Aciculi- den), dieselben Kommissuren nachzuweisen. Und es wäre zu verwundern, wenn man sie noch hei keinem der dahin gehörigen Thiere aufgefunden hätte. Indess, was bei der viel untersuchten Süßwasserschnecke dem Auge, u. A. eines Leyvis, entging (jedenfalls, weil die Tagesfragen nicht auf diesen Punkt hinwiesen), warum sollte das nicht bei den Seethieren, die doch immerhin seltener unter das Messer kommen, nicht auch unbemerkt geblieben sein? Weist doch von Inerıne auf die Schwierigkeit hin, die Kommissuren der Käferschnecke zu präpariren, während ande- rerseils es bei Paludina nach einiger Übung meist wenigen Schnitten

gelingt, wenigstens die ersten beiden Kommissuren sichtbar zu machen.

Wenn aber auch in jenen Zwischenfamilien, welche einen Hauptantheil der Vorderkiemer ausmachen, die Kommissuren gefunden werden, wie steht es dann mit ihrer Anreihung an Fissurella, kurz mit dem ganzen System ?

Auch den Umstand, dass von der zweiten Kommissur der Paludina Nerven abtreten, kann man nicht mit Vortheil gegen eine Hombologisi- rung mit den Kommissuren Chiton’s, also gegen die Eigenschaft als echte Kommissur verwenden, wie denn von Inzrıng selbst (l. c. p. 26) hinreichend ausgeführt hat. »Eben so wie bei den Ganglien, sagt er, kommt es auch bei den Kommissuren auf zweierlei Weise zur Neubil-

dung. Entweder nämlich entstehen aus einer einzigen Kommissur

mehrere durch Spaltung. .. Andererseits aber kommt es zur Bildung neuer Kommissuren durch die Entstehung einer Anastomose zwischen zwei gleichnamigen Nerven. Da, wie die Erfahrung zeigt, die Ausbil- dung von Kommissuren zwischen den Ganglien sehr vortheilhaft sein

"muss, so werden solche Anfangs nur schwache Anastomosen bald mäch-

tiger entwickelt. Dabei treten die ursprünglich vorhandenen Nerven- äste immer mehr an Bedeutung zurück, um schließlich zu verkümmern, und so wird die Anastomose zur Kommissur. Andererseits giebt es

zahlreiche Kommissuren, von denen Nerven enispringen, sei es, dass diese in Wahrheit von einem benachbarten Ganglion entspringen, und ‚nur mit ihrem Ursprunge auf die Kommissur übergetreten sind, sei es,

dass ein scharfer Gegensatz zwischen Kommissur und Ganglion über- 10*

148 Heinrich Simroth,

haupt nicht existirt, wie es z. B. bei den tieferstehenden Arthrocochli- den der Fall ist. Es existirt daher zwischen Kommissur und Nerv kein direkter Gegensatz, indem ein Nerv zur Kommissur werden und eine Kommissur Nerven abgeben kann.« Der Leser erkennt, dass gegen die Bezeichnung der Paludinenquerbrücken als Kommissuren nach dieser jedenfalls richtigen Ausführung nichts einzuwenden ist. Man sieht dem- nach, dass in der Frage, ob die Paludinenkommissuren denen des Chiton homolog, also ursprünglich ererbt seien, so viele Gründe für und wider ins Feld geführt werden können, dass ohne eine genauere Untersuchung mindestens einer Anzahl Meeresprosobranchier ein Ur- theil unstatthaft sein dürfte.

Nicht weiter kommt man, wenn man die andere Seite des Streit- punktes ins Auge fasst und untersucht, ob der Ursprung der Kommis- suren mit Wahrscheinlichkeit als Anpassung auf eine physiologische Forderung zurückgeführt werden kann. Mir selbst ist es, wie ich hoffe, gelungen, im Fußnervensystem der Landlungenschnecken den Übergang von Anastomosen in Kommissuren, um mit voN IHEring zu reden, in Folge physiologischer Forderung, direkt nachzuweisen. Es zeigte sich da der Fortschritt eines maschenförmig anastomosirenden Fußnerven- netzes (bei Helix) zu einem solchen, das durch gleichmäßig eingelegte Kommissuren genau regulirt wird (bei Limax), im unmittelbaren Zu- sammenhange mit der Ausbildung der Fußsohle zum Kriechen {ein Gegenstand, auf welchen ich gelegentlich wieder bei Suceinea, Limnaea und Planorbis zurückzukommen gedenke). Je mehr die lokomotorischen Wellen sich aus der ganzen Sohle, wo sie ziemlich diffus erscheinen, ' auf ein bestimmtes Mittelfeld mit Schärfe herausarbeiten, um so mehr | werden die Maschen von Kommissuren beherrscht. Ja es mag schon jetzt hinzugefügt werden, dass da, wo sich die lokomotorischen Pulsa- | tionen der Sohle noch nicht einmal zu Querwellen vereinigt haben (Limnaca, Planorbis), auch die Verschmelzung der beiderseitigen Pedal- ji nerven zu einem Maschennetze fehlt. Tritt hier also unter unseren r Platycochliden die physiologische Bedeutung des Fußnervensystems und \ seine Anpassungsfähigkeit klar hervor, so fragt es sich: gilt dies Gesetz E auch für die Arthrocochliden? Wie stellen sich die Kommissuren der | Paludina zu ihrer Kriechbewegung? Leider ist Paludina zu träg, nament- lich am Glase und beobachtet, also immerhin verschüchtert, als dass sie | durch Lebhaftigkeit den Einblick in die Mechanik des Fußes erleichterte. | | Doch lässt sich so viel sagen, dass der Fuß keine regelrechten Quer- | wellen zeigt, ja dass er überhaupt der Symmetrie ein wenig zu ent- DE

behren scheint, in so fern , als das Thier schief, also nicht in der Rich-

tung der Sohlenlängsachse,, sondern in einem spitzen Winkel dazu, sich

Das Fußnervensystem der Paludiua vivipara. 149

bewegen kann, wie man es nicht selten an Schnecken sieht, die an der Glaswand des Aquariums dicht unter dem Wasserspiegel, die Schnauze nach oben, wagerecht hingleiten. Wenn sonach hier ein Mangel an Symmetrie in den Sohlenhälften die Verbindung der Pedalnerven durch Brücken aus nächstliegenden physiologischen Gründen nicht eben wahr- scheinlich macht, wenigstens bei Weitem nicht so deutlich hervortreten lässt, als etwa bei Limax, so spricht doch andererseits für einen solchen physiologischen Zusammenhang die bestimmte und ganz einseitige Rich- tung der Pedalnerven in der Sohle (mit strengem Ausschluss des Re- traktors), andererseits aber noch mehr die Thatsache, dass die Kommis- suren nicht nur zwischen den Nervenstämmen herüberwechseln, son- dern vorn, wo diese fehlen, zwischen den peripherischen Nerven, dass es also vielmehr darauf anzukommen scheint, beide Sohlenhälften funktionell zu vereinigen, als Gentraltheile (wozu die gangliösen Stämme doch gerechnet werden müssen) zu verbinden, in welch letzterem Falle meist das Physiologische noch dunkel zurück-, das Morphologische da- gegen hervortritt. Von welcher Seite man demnach auch das Pedal- nervensystem der Paludina anfasst, von der morphologischen oder von der physiologischen, man sieht: nur Fragen, keine Antworten. Möge man mir es indess nicht verübeln, diese offenen Fragen aufgeworfen zu haben, in der Absicht, das Interesse mehr und mehr auf ein physiolo- gisch so dunkles Gebiet, wie die Schneckenlokomotion ist, zu lenken, ein Gebiet, von dem ich nur den kleinsten Theil selbst erst zu betreten gewagt habe, und ob mit Glück, muss dahin gestellt bleiben, so lange nicht andere auf dem gleichen, jedenfalls fruchtbaren, wenn auch harten Boden mitarbeiten. Vielleicht deuten die aufgestellten Fragen wenig- stens den Weg an, auf dem man am kürzesten zu einer Antwort gelangen kann. Es würde sich darum handeln, von einheimischen Schnecken CGyclostoma, so wie Neritina und Valvata, zu untersuchen, jene erstere in physiologischer Hinsicht, weil ihre Fußhälften gesondert sich bewe- gen, diese letzteren, weil sie zur zweiten Klasse der Arthrocochliden von Iuerıng’s, den Orthoneuren, gehören, so dass man mit dieser ge- ringen Anzahl immerhin einen Anhalt zur Entscheidung über die funktionelle und phylogenetische Bedeutung des Fußkommissuren- ‚systems erhoffen dürfte. Ich würde jedem der Herren Zoologen, der mir gelegentlich eine Anzahl dieser Thiere lebend oder in schwachem Alkohol (15—30°/,) zusendete (Leipzig, Il. Realschule), mich zu lebhaf- tem Danke verpflichtet fühlen.

Leipzig, den 49. Juni 1880.

m nn

150 Heinrich Simrotb, Das Fußnervensystem der Paludina vivipara.

Nachtrag.

Es ist mir inzwischen gelungen, an Paludinenembryonen, die vor der Zeit, etwa zu zwei Dritteln ausgebildet, aus ihrer Mutier Leib ge- schnitten, aber schon völlig lebensfähig waren, wenigstens die drei vorderen Kommissuren zwischen den Stämmen, welche oben als be- sonders beständig bezeichnet wurden, in der kaum gefärbten Sohle mit dem Mikroskope zu bestätigen. Etwa übersehene Zwischenverbindungen waren nicht wahrzunehmen. Dagegen fiel es auf, dass diese drei Kom- missuren viel bestimmter hervortraten, als die meisten der peripheri- schen Fußnerven. Sollte man daraus nicht ihren morphologischen Werth steigern und sie als alt ererbt betrachten dürfen ?

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. Von

Dr. H. Adler.

Mit Tafel X—XII.

Kapitel 1.

Einleitung, frühere Ansichten, meine erste Beobachtung des Generationswechsels, Untersuchungsmethode.

Die auffallende Erscheinung, dass viele Eichen-Gallwespen aus- schließlich im weiblichen Geschlechte vorkommen, hat schon seit längerer Zeit die Entomologen zu einem genaueren Studium dieser interessanten Thiere veranlasst. Es war zuerst von Harrıc ! durch nach Tausenden zählende Zuchten nachgewiesen worden, dass mehrere Arten nur im weiblichen Geschlechte vorkommen, dass ihre Ovarien sofort nach dem Ausschlüpfen aus den Gallen mit vollständig entwickelten Eiern gefüllt sind und dass die Wespen sofort zum Ablegen der Eier gehen. War hiernach die Parthenogenesis dieser Arten keinem Zweifel unterworfen, so blieb, um einerseits die Lebensgeschichte derselben andererseits die der geschlechtlichen Arten näher aufzuklären, nichts Anderes übrig als direkte Zuchtversuche anzustellen. Aber Schwierig- keiten mancherlei Art, die mit dergleichen Zuchtversuchen verbunden sind, verhinderten für längere Zeit eine Lösung des Räthsels. So kam es, dass man zunächst mit Erklärungsversuchen sich begnügte, die über den Werth einer bloßen Hypothese sich nicht erhoben.

Im Jahre 1861 veröffentlichte Osten-Sıcken?, der um die Erfor- schung der zahlreichen nordamerikanischen Eichen -Gallwespen sich sehr verdient gemacht hat, eine ganz neue Ansicht. Er glaubte näm- lich gefunden zu haben, dass auch zu den bisher als »agame Cynipiden «

! Über die Familien d. Gallwespen. Germar's Zeitschr. f.d. Entomol. 41840—4843. 2 Stettin. Entomolog. Zeitschr. 1864. . Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 44

152 H. Adler,

bezeichneten Weibchen Männchen gehörten, dass aber diese letzteren aus anders geformten Gallen als die ersteren sich entwickelten. Nach seiner Ansicht kam es also nur darauf an, die zusammengehörigen Gallenformen aufzufinden. Diese Ansicht aber hat Osten-Sıcken, da weitere Beobachtungen keine Bestätigung brachten, nachher wieder aufgeben müssen.

Nach ihm war es der Amerikaner Waısn!, der 186% mit einer ganz neuen Erklärung auftrat. Warsn hatte aus anscheinend ganz gleichen Gallen einerseits beide Geschlechter der Cynips spongifica und anderer- seits ganz verschieden gestaltete Weibchen der Cynips aciculata gezogen. War nun die Beobachtung richtig, dass aus derselben Galle einerseits Männchen, andererseits zwei verschiedene Formen von Weibchen her- vorgingen, so war auch damit die Parthenogenesis der agamen Cynipi- den hinfällig geworden. Alle diese agamen Arten musste man für dimorphe weibliche Formen halten und es kam jetzt nur darauf an die zusammengehörigen Weibchen aufzufinden. Es schien, als hätte man es bei den Gallwespen mit derselben Erscheinung zu thun, welche Warrick bei den malayischen Papilioniden entdeckte, dass bei der- selben Art die Weibchen in zwei und auch drei ganz verschiedenen Formen vorkommen. Aber Warsu fand mit dieser neuen Ansicht wenig Anklang. In Deutschland erhob sich Reınnarn ? mit einer Widerlegung gegen ihn, die mit dem Resultate schloss, dass bei vielen Cynipiden- Arten unzweifelhaft eine Parthenogenesis stattfindet. Darauf scheint die Frage längere Zeit geruht zu haben, wenigstens ist mir nicht bekannt, dass weitere Untersuchungen für oder wider Wasu veröffentlicht sind.

Erst im Jahre 1873 hat ein Landsmann des inzwischen verstorbenen Warsu, der Amerikaner Bassett, weitere Beobachtungen über die Fort- pflanzung der Gynipiden veröffentlicht?®. Die am meisten interessirende Beobachtung ist folgende: Bassett hatte wiederholt auf einer kleinen Eiche (Quercus bicolor) die Gallen einer Cynipiden-Art, in kolossaler Anzahl gefunden. Die Gallen erschienen mit den Blättern und bildeten unförmliche Anschwellungen der Blattstiele und Mitteladern ; jede Galle enthielt eine größere Zahl von Wespen, welche im Juni ausschlüpften und in beiden Geschlechtern gleich zahlreich erschienen. Darauf bilde- ten sich an derselben Eiche im Spätsommer an den Spitzen der jünge- ren Zweige anders gestaltete Gallen, in denen die Wespen überwinter- ten. Die letztere Art erschien ausschließlich im weiblichen Geschlechte,

1 Wausa, Proc. of Ent. Sce. of Philadelphia. Vol. 1.

2 REINHARD, Die Hypothesen über die Fortpflanzungsweise der eingeschlechtigen Gallwespen. Berl. Entom. Zeitschr. 1865.

3 Canadian Entomologist. 1873. Nr. 5. p. 91.

|

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 153

war. der vorigen sehr ähnlich, nur etwas größer. Aus dieser Beobach- tung zieht Bassett den Schluss, dass alle nur im weiblichen Geschlechte vorkommenden Cynipiden-Arten in einer folgenden Generation in bei- den Geschlechtern vertreten sind, wobei er sich gleichzeitig gegen die von Warsn aufgestellte Hypothese ausspricht.

Basserr meint schließlich, er werde sich nicht wundern, wenn er- mitielt werde, dass alle Arten des Genus Cynips zwei Generationen all- jährlich haben, die in der angegebenen Weise sich unterscheiden.

Als ich im Jahre 1875 genauere Untersuchungen über die Gall- wespen anzustellen begann, waren mir die Beobachtungen von Bassett noch nicht bekannt, ich würde sonst vielleicht eher den Schlüssel zur Lösung der bis dahin ganz räthselhaften Fortpflanzung gefunden haben. Ein glücklicher Zufall ließ mich für die ersten Versuche Neuroterus- Arten wählen, die sich besonders dazu eignen, indem ihre Gallen leicht in größerer Zahl zu bekommen sind und die Zuchten der Wespen weni- ger Schwierigkeiten machen. Das erste Erfordernis bei allen Versuchen war, die Wespen aus den Gallen zu erziehen, um vollständig sicher zu gehen. Aus den im Herbste reifenden Neuroterus-Gallen pflegen die Wespen im nächsten März und April auszuschlüpfen und alsdann sofort ihre Eier in Eichenknospen zu legen. Auffallend war es nun bisher, dass, trotzdem die Eier so frühzeitig gelegt werden, die Gallen erst im Juli sich entwickeln. Diese räthselhafte Erscheinung einerseits und andererseits das Verlangen, die Art der Gallenbildung kennen zu lernen, veranlasste mich zunächst, direkte Zuchtversuche anzustellen. Diese aber lieferten mir das überraschende Resultat, dass aus den von Neuroterus gelegten Eiern eine total verschiedene Generation her- vorgeht, welche von ihren Erzeugern so wesentlich ab- weicht, dass sie bisher als eine ganz andere Gattung (Spathegaster) beschrieben worden war. Diese neue That- sache wurde 1877 von mir veröffentlicht!. Das was Bassett schon 1873 nur als Vermuthung ausgesprochen hatte war somit für eine Art nachgewiesen. Dagegen ist es nicht zutreffend, wenn behauptet worden ist, Wars habe eigentlich schon diesen Generationswechsel entdeckt. Wars# hat nur die Vermuthung ausgesprochen, dass zu einer männ- ‚lichen Art zwei ganz verschiedene bisher als diskrete Arten beschrie- bene weibliche Formen gehören möchten. Darnach ist es klar, dass der von mir entdeckte Generationswechsel der Cynipiden mit dem von Warsn supponirten Dimorphismus gar nichts gemein hat.

Nachdem ich einmal diesen merkwürdigen Generationswechsel zu-

! Deutsche Entomolog, Zeitschr. 1877. Heft I. 44 *

154 Il. Adler,

nächst für die Neuroterus-Arten ermittelt hatte, war es von Interesse auch die übrigen Arten rücksichtlich ihre Fortpflanzungsweise zu untersuchen. Ich habe desshalb meine Beobachtungen auf alle hier vorkommenden Eichen-Gallwespen ausgedehnt. In der hiesigen Fauna kommen einige vierzig Arten vor, welche zugleich die wesentlichen Repräsentanten der im nördlichen Deutschland vorkommenden Eichen- Gallwespen sind.

Bevor ich aber zu einer speciellen Beschreibung dieser Arten über- gehe, wird es nothwendig sein kurz die angewandte Untersuchungs- methode zu erwähnen.

Um zuverlässige und unanfechtbare Resultate zu erhalten, kam es darauf an, eine Methode zu wählen, welche eine sichere Bürgschaft gegen jede Täuschung gewährte. Nur dann, wenn für jede untersuchte Art die Entwicklung von dem gelegten Ei bis zur Vollendung der Galle beobachtet wurde, konnte sie mit Bestimmtheit festgestellt werden. Hierbei besteht aber die eigenthümliche Schwierigkeit, dass die wich- tigste Phase in der Entwicklung sich der direkten Beobachtung ganz entzieht, indem die Eier von den Wespen tief in die Knospen oder andere Theile der Eiche hineinversenkt werden. Eine direkte Unter- suchung der gelegten Eier muss aber nothwendigerweise mit einer Zer- störung derselben endigen. Es führt also nur eine indirekte Beobach- tung zum Ziele. Wenn z. B. eine Gallwespe die Eier in eine Knospe legt, so wird man mit Bestimmtheit ermitteln können, welche Galle da- durch erzeugt wird, wenn man dafür sorgt, dass weder vorher noch nachher dieselbe Knospe von einer andern Wespe angestochen worden ist. Es mussten also die Zuchtversuche so angestellt werden, dass jede Art genau isolirt beim Eierlegen beobachtet werden konnte.

Zu dem Zwecke hatte ich eine Anzahl kleiner Eichbäumchen in Töpfe eingepflanzt; jeder Topf trug seine Nummer und je ein Topf diente für die Versuche mit Wespen derselben Art. Die Versuche wur- den im Zimmer angestellt und nachdem einige Wespen auf das Bäum- chen gebracht waren, abgewartet, bis sie anfingen die Knospen anzu- stechen. Es wurden die Knospen, welche unzweifelhaft angestochen waren, durch einen unterhalb umgelegten Faden bezeichnet. Natürlich war es nicht möglich, Stunden lang die Wespen zu beobachten; damit nun die Wespen nicht entweichen konnten oder eine andere zufällig auf dasselbe Bäumchen gelangen mochte, wurde dieses während der Dauer des Eierlegens abgeschlossen durch einen darüber gestellten Zwinger. Anfänglich dienten mir Glasbehälter, später wählte ich solche mit Gaze überzogene, die oben mit einem Glasdeckel versehen waren. Derartige Behälter lassen sich leicht in verschiedener Größe herstellen, gestatten

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 155

eine bequeme Beobachtung und lassen eine ungehemmte Ventilation zu. Daher können unter ihnen die Bäumchen Tage lang stehen bleiben, während bei den gläsernen Behältern sich bald Wassertröpfchen an den Wänden absetzen und ein häufiges Reinigen erfordern.

Eichbäumchen für die Zuchtversuche habe ich theils selbst gezo- gen, theils aus Baumschulen entnommen; die vier- bis sechsjährigen Stämme schienen mir wegen der passenden Größe am bequemsten. Eine große Auswahl kleiner Eichen erleichtert die Versuche außer- ordentlich. Ich benutzte fast nur Quercus sessiliflora; auf einen Punkt muss man achten, dass nur solche Bäumchen zu den Versuchen gewählt werden, deren Knospen gut entwickelt sind, da diese von den Wespen vorgezogen werden.

Eine Schwierigkeit aber bereiten diejenigen Arten, welche ihre Eier nur in Blüthenknospen legen. Für diese Arten können die kleinen Bäumchen zu den Zuchtversuchen nicht verwandt werden, weil sie noch keine Blüthenknospen produciren. Es blieb mir daher für diese Arten nichts Anderes übrig, als die Zuchtversuche mit allen möglichen Cautelen im Freien an großen Eichbäumen anzustellen.

Dagegen konnten mit den Arten, welche die Eier in Blätter und Rinde der Eichen legen, an den kleinen Bäumen Zuchtversuche gemacht werden.

Nach der angegebenen Methode habe ich die Fortpflanzung der hier vorkommenden und jetzt näher zu heschreibenden Arten erforscht.

Da die Gallwespen ihrer Färbung und äußeren Merkmalen nach sehr schwer, bei manchen nahe verwandten Arten überall nicht mit Sicherheit zu unterscheiden sind, so würde eine bildliche Darstellung der Wespen selbst nicht genügen. Dagegen sind die sämmtlichen Arten mit Berücksichtigung ihrer Gallen ohne Schwierigkeit zu unterscheiden. Es sind desshalb die Gallen aller untersuchten Arten in möglichst ge- treuer, nach frischen, typischen Exemplaren gefertigter Abbildung wiedergegeben. Der bequemeren Übersicht wegen führen die Gallen der zusammengehörenden Generationen dieselbe Zahl und zwar die nur im weiblichen Geschlechte vorkommende Generation ist mit n, die in bei- den Geschlechtern vorkommende mit. n@ bezeichnet.

Der bequemeren Übersicht wegen habe ich die Arten in folgende Gruppen zusammengestellt:

I. Neuroterus-Gruppe. II. Aphilotrix-Gruppe. III. Dryophanta-Gruppe. IV. Biorhiza-Gruppe.

156 H. Adler,

Kapitel 11.

Beschreibung der rücksichtlich des Generations- wechsels untersuchten Gynipiden-Arten.

I. Neuroterus-Gruppe.

41) Neuroterus lenticularis Ol.

Galle: Stets an der Unterseite der Eichenblätter, oft in großer Zahl (k0—50) an einem Blatte. Die Galle ist kreisrund, 4—6 mm im Durchmesser, die am Blatte anliegende untere Fläche glatt und flach, von weißlicher Farbe, die obere mit schwach kegliger Erhebung in der Mitte, von gelblich weißlicher oder röthlicher Farbe, mit braunen Stern- haaren besetzt. Sie erscheint im Juli, reift im September und fällt Ende September oder Anfangs Oktober zur Erde (Fig. 4).

Zucht der Wespe: Die reifen Gallen werden zur angegebenen Zeit, wenn sie anfangen von den Blättern abzufallen, eingesammelt. Die im Gentrum der Galle in einer kleinen Höhlung liegende Larve ist dann noch sehr klein und bedarf zur weiteren Entwicklung eines ge- wissen Grades von Feuchtigkeit. Man legt desshalb die Gallen auf feuchten Sand, muss aber, um die Bildung von Schimmelpilzen zu vermeiden, einen möglichst luftigen Platz wählen. Werden die Gallen im: Zimmer aufbewahrt, so entwickeln sich die Larven bei der höheren Temperatur weit schneller als im Freien. Nach Verlauf von etwa vier Wochen sind sie dann bereits ausgewachsen. Wenn jetzt das Ein- trocknen der Gallen verhütet wird, indem man sie auf feuchtem Sande oder über Wasser aufbewahrt, so kann man nach ferneren vier Wochen bereits die ersten Wespen erhalten. Auf diese Weise habe ich die Wespen im November und December gezogen. Es zeigt sich aber bald, dass diese gezeitigien Wespen für Zuchtversuche nicht recht geeignet sind, weil sie viel schwächer und hinfälliger als die unter natürlichen Verhältnissen entwickelten sind. Es ist daher noihwendig, die Gallen im Freien überwintern zu lassen. Am einfachsten geschieht dies in folgender Weise: ein Blumentopf wird zur Hälfte mit Erde oder Sand gefüllt, darauf die Gallen ausgebreitet und mit einer Lage von Moos be- deckt. Über den Topf wird zum weiteren Schutze ein Stück starke Gaze gebunden und dann derselbe bis an den Rand in die Erde gegra- ben. Diese Art der Überwinterung empfiehlt sich überhaupt für alle Gallen ; sie befinden sich so unter ganz naturgemäßen Bedingungen und man wird sich überzeugen, dass die Entwicklung der Wespen ganz

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Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 157

regelmäßig von statten geht. In unserem Falle erscheinen die Wespen meistens im April, einzelne auch erst im Mai. Für die wechselnde Zeit des Erscheinens ist die Temperatur allein maßgebend.

Wespe: Die Größe beträgt 2,5—3 mm; Farbe schwarz, Thorax matt, rauh durch feine Punktirung, Hinterleib glänzend, fast rund von der Seite betrachtet, etwas komprimirt. Die Beine sind heller, von bräunlich rother Farbe mit Ausschluss der Hüften und der oberen Hälfte der Oberschenkel, welche braun sind. Die beiden Basalglieder der

_ 4ögliedrigen Fühler sind gelblich.

Zuchtversuche: Mit Neuroterus lenticularis wurden die ersten umfangreichen Zuchtversuche 1875 angestellt. Gerade mit dieser Art gelingen die Versuche ziemlich leicht, wenn nur eine genügende Anzahl von Wespen zu Gebote steht. Sobald als sie die Gallen verlassen haben, schicken sie sich auch schon an in die Eichenknospen ihre Eier zu legen.

Es wurde bis dahin als selbstverständlich angenommen, dass diese

Art auch dieselbe Galle erzeugen würde, aus der sie hervorgeht. Frei-

lich blieben dabei mehrere Punkte dunkel und räthselhaft. So war es längst bekannt, dass die lenticularis-Galle erst im Juli sich bildet; da aber schen im April die Eier von der Wespe gelegt werden, so ver- gingen drei Monate, ehe von einer Gallenbildung etwas zu bemerken war. Einstweilen musste man annehmen, dass die embryonale Ent- wicklung ‘der Larve einen so langen Zeitraum in Anspruch nehme, zu- mal da bei anderen Arten eine noch viel länger dauernde Ruhe des Eies vorzukommen schien. Es fliegt z. B. Andricus curvator im Juni, lebt dann zwei bis drei Wochen und setzt in dieser Zeit seine Eier ab; im nächsten Frühjahre aber erscheinen erst die Gallen. Dies war nur so zu erklären, dass das Ei überwinterte und erst im nächsten Früh- jahre sich entwickelte, wie dies von manchen Schmetterlingen bekannt ist. Es konnte also eine drei Monate dauernde Ei-Ruhe bei lenticularis nicht gerade befremden. Aber ein genauer Nachweis für die Richtigkeit dieser Annahme fehlte bisher, überdies ließ sich eine andere Erschei- nung nicht gut erklären. Man findet nämlich an einem einzelnen Eich- blatte bisweilen 100 bis 150 Neuroterus-Gallen sitzen. Es hätte also

‚in eine einzige Knospe die große Zahl von 400 bis 150 Eiern gelegt

werden müssen und dabei mussten diese Eier genau an dasselbe in der Knospe eingeschlossene Blätichen zu liegen kommen. Dieses war eine Voraussetzung, die von vorn herein sehr unwahrscheinlich erschien. Über diese dunkeln Vorgänge verschafften mir erst die Zuchtver- suche völlige Aufklärung. Nachdem im Jahre 1875 eine genügende Anzahl von Wespen aus

158 \ H. Adler,

. den Gallen ausgeschlüpft waren, fing ich im März damit an, sie auf kleine Eichen zu bringen und das Anstechen der Knospen abzuwarten. Man erkennt sofort, wenn die Wespe sich zum Stechen anschickt; sie verfährt dabei folgendermaßen. Zunächst prüft sie genau mit den Füh- lern die Knospen; hat sie dann eine zusagende gefunden, so nimmt sie eine andere Stellung ein. Sie geht gegen die Spitze der Knospe und beginnt den Stachel von oben her unter eine der Knospen-Schuppen zu stoßen. Ist nach einigen Anstrengungen der Stachel eingedrungen, so gleitet er unter den Schuppen gegen die Basis der Knospenachse hinab, um von hier aus in das Innere derselben einzudringen. Dies kann nur so geschehen, dass dem Stachel eine zu der bisherigen im stiumpfen oder rechten Winkel stehende Richtung gegeben wird. Dabei kommt der Wespe die natürliche Krümmung des Stachels zu statten, aber immerhin erfordert es einen erheblichen Aufwand an Kraft und Zeit, bis der Stachel in das Innere der Knospe eingedrungen ist. Zur nähe- ren Untersuchung aller dieser Verhältnisse, welche den Akt des Legens betreffen, ist ein gutes Mittel die Wespe in der stechenden Stellung zu fixiren, indem man sie rasch in Chloroform oder Äther eintaucht.

Bei meinem im Jahre 1875 angestellten Versuche wurden in der Zeit vom 28. März bis 6. April an einer kleinen Eiche 34 Knospen an- gestochen. Von diesen Knospen entwickelten sich überall nur 19. Als sie sich nun entfalteten und die eingeschlossenen Blättchen sichtbar wurden, begann ich mit größter Sorgfalt ihre Oberfläche zu durch- mustern. Es musste sich jetzt herausstellen, was aus den bisher in der Knospe eingeschlossenen Eiern geworden war. Ich wurde zunächst enttäuscht, indem ich erst nach längerem Suchen unter den entfalteten Trieben fünf entdeckte, an denen die Blättchen eine beginnende Gallen- bildung zeigten. Es waren kleine, rundliche Bildungen von saftreicher Beschaffenheit. Dieselben vergrößerten sich ziemlich schnell und waren bald als die Gallen von Spathegaster baccarum zu erkennen.

Es waren also unter Beobachtung aller Cautelen die Knospen von Neuroterus lenticularis angestochen worden, es hatte sich dann aber eine ganz andere Galle gebildet als diejenige ist, aus welcher Neurote- rus lenticularis hervorgeht. Mit diesem einen Versuche habe ich mich übrigens nicht begnügt, sondern mit dieser wie mit anderen Neuroterus- Arten mehrere Jahre hindurch Versuche angestellt.

Des einen Umstandes muss noch gedacht werden, dass bei den Zuchtversuchen oftmals nur so wenige Gallen zur Entwicklung gelangen, obwohl in eine Menge von Knospen Eier gelegt werden. Abgesehen von den Knospen, welche sich überhaupt nicht entwickeln, sind unter den übrigen eine größere Zahl, in denen es nicht zu einer Gallenbildung

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 159

kommt. So machte ich im Jahre 1877 einen Versuch mit auffallend ungünstigem Resultate. Eine kleine Eiche war von Neuroterus lenticu- laris reichlich angestochen; gleichwohl bildete sich nur eine einzige baccarum-Galle. Man könnte vermuthen, dass bei den Zuchtversuchen die natürlichen Lebensbedingungen für die Wespen nicht erfüllt wer- den können und dass in Folge davon eine Menge der gelegten Eier zu Grunde geht. Allein ich habe dieselbe Erscheinung beobachtet, wenn im Freien Eichen angestochen wurden. Ich glaube daher, dass vor Allem die Witterungsverhältnisse maßgebend sind. Das Erscheinen der Wespen erfolgt fast immer zu derselben Zeit, und nachdem die Eier gelegt worden sind, beginnt auch sofort die embryonale Entwicklung. Eine vollkommene Ruhe des Eies tritt nicht ein, mag auch die Tempe- ratur noch eine sehr niedrige sein, so beginnt doch sofort die Bildung der Keimhaut. Natürlich geschieht dies bei kälterer Witterung viel langsamer als bei wärmerer. Durch vergleichende Versuche habe ich festgestellt, dass, wenn angestochene Knospen im warmen Zimmer auf- bewahrt wurden, die einzelnen Stadien der embryonalen Entwicklung weit schneller verliefen als bei solchen Knospen, die in der Außen- temperatur blieben. Jedenfalls hat in einigen Wochen der Embryo seine volle Ausbildung erreicht. Nun aber kann es sich ereignen, dass zu dieser Zeit die Vegetation noch weit zurückgeblieben ist und dass die Cirkulation des Saftes in den Bäumen noch gar nicht beginnt. Wenn aber der Embryo ausgebildet ist, so ist auch der Augenblick da, wo die Gallenbildung ihren Anfang nehmen soll. So lange die Eihülle von der ausgewachsenen Larve noch nicht durchbrochen ist, bemerkt man nichts von einer Gallenbildung, aber in dem Momente, wo die Larve sich aus der Eihülle befreit, beginnt dieselbe. Rings um die Larve herum entsteht eine Zellenwucherung, welche die erste Anlage der Galle dar- stellt. Aber die Möglichkeit, dass diese Bildung neuer Zellen beginnt, ist bedingt durch die Vegetationsperiode; das Material für die Zellen- bildung, der eirkulirende Pflanzensaft muss vorhanden sein. Wird nun durch kalte Witterung die Vegetation zurückgehalten und der Knospe kein oder ungenügendes Material zugeführt, so kann die Gallenbildung nicht beginnen und die Larve geht schließlich zu Grunde. Damit stimmt es überein, dass nach kalten, verspäteten Frühjahren die Gallen. der Wespen, welche sehr früh die Knospen anstechen, sehr sparsam zu sein pflegen. So war z. B. 1877 das Frühjahr kalt und sehr spät, und dem- entsprechend die frühzeitigen Gallen außerordentlich selten, womit auch meine Zuchtversuche übereinstimmten. Dieser Umstand erschwert außerordentlich die Untersuchungen. Würde in jedem Falle, wo eine Knospe von einer Gallwespe angestochen ist, auch eine Galle erhalten,

160 H. Adler,

so wäre die Folge der verschiedenen Generationen sehr leicht festzu- stellen, aber leider schlagen sehr viele Versuche fehl.

Ich suchte schließlich dadurch Abhilfe, dass ich die angestochenen Eichen in wärmerer Zimmerluft vorzeitig zum Treiben brachte, aber auch hiermit war ich nicht glücklicher. Bei einzelnen Arten gelang es allerdings die Entwicklung der Gallen zu beschleunigen, bei anderen dagegen blieb das Resultat negativ.

12) Spathegaster baccarum L.

Galle: Kugelrund, 3—5 mm im Durchmesser, von grünlicher Farbe, oft mit rothen Pünktchen besetzt, von weich saftiger Konsistenz; die Galle ist durch das Blatt hindurchgewachsen, das größere Segment der Galle liegt an der unteren Blatifläche. Dieselbe Galle kommt nicht bloß an den Blättern, sondern auch an den Stielen der männlichen Blüthen vor und ist dann von weißlich röthlicher Farbe und geringerem Durch- messer (Fig. 1°).

Wespe: Größe 3—5 mm, von schwarzer Farbe, Thorax matt, wenig rauh, Beine mit den Hüften gelb, eben so die Basalglieder der Fühler. Hinterleib deutlich gestielt, das g' mit 15-, das Q mit 14gliedri- gen Fühlern. Flügel lang, gegen die Spitze erweitert, länger als das Thier. |

Zucht der Wespe: Die Wespe fliegt hier Anfangs bis Mitte Juni. Bei der saftigen Beschaffenheit der Gallen ist es nicht rathsam sie lange vor der Flugzeit der Wespen einzusammeln, weil sonst ein Schrumpfen und Eintrocknen nicht immer zu vermeiden ist. Sollen aber die Wespen regelmäßig ausschlüpfen, so ist vor allen Dingen nothwendig, die Gallen frisch zu erhalten. In verschlossenen Blech- oder Glasgefäßen ist dies kaum länger als acht Tage möglich. Da diese Wespe in beiden Ge- schlechtern vorkommt, so ist darauf Bedacht zu nehmen, dass vor dem Eierlegen eine copula stattfindet. Ich pflegte die eingesammelten Gallen zunächst auf feuchtem Sande auszubreiten und darüber ein mit Gaze überzogenes Gestell zu setzen. Die Männchen erscheinen gewöhn- lich zuerst; sobald nun auch die Weibchen hervorkommen findet die copula statt. Man wird aber nur selten Gelegenheit haben, durch den Augenschein sich von dem Akte zu überzeugen, weil er außerordentlich rasch vollzogen wird. Will man Gewissheit darüber haben, so muss man einige weibliche Wespen untersuchen und das receptaculum seminis präpariren. Ist dieses mit Sperma gefüllt, so kann man an- nehmen, dass die meisten Weibchen befruchtet worden sind.

Man kann jetzt sofert zu Zuchtversuchen schreiten. Die Weibchen werden auf eine kleine Eiche gebracht, bei deren Auswahl aber darauf

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 161

zu achten ist, dass die Blätter noch zart und im Wachsen begriffen sind, denn nur diese werden von den Wespen angestochen. Kann man ihnen Blätter von dieser Beschaffenheit nicht bieten, dann ist ein Resul- tat nicht zu erwarten.

Die ersten Beobachtungen über das Eierlegen von Spathegaster baccarum wurden im Freien angestellt. Im Jahre 1875 den 18. bis 91. Juni beobachtete ich mehrere baccarum-Weibchen, welche an der Unterseite zarter Eichenblätter umherkrochen und in die Blattfläche hin- einbohrten. Die angestochenen Blätter wurden durch einen um den Blattstiel gelegten Faden bezeichnet und dann die Entwicklung der Gallen abgewartet. Nach drei Wochen waren die ersten Anfänge der beginnenden Gallen zu erkennen, die sich bald als die lenticularis-

Gallen erwiesen.

Ich wiederholte unter genauer Kontrolle den Versuch im Juni 1876, indem ich die selbst gezogenen Wespen auf eine kleine Eiche brachte. Angestochen wurden zwei Blätter; bereits nach 20 Tagen konnte ich

die ersten Anfänge der Gallenbildung erkennen, die wieder die lenticu-

laris-Gallen lieferte.

Es war jetzt das Räthsel vollständig gelöst, was aus den von Neuroterus lenticularis in die Knospen gelegten Eiern wird und wess- halb die erst im Juli erscheinenden Gallen in so großer Menge an einem Blatte sich finden. Zwischen dem Momente, wo das Ei gelegt wurde und dem Erscheinen der Galle hatte sich eine andere Generation einge- schoben.

2) Neuroterus laeviusculus Schenck.

Galle: Napfförmig mit aufgebogenem und etwas einwärts ge- rolltem scharfen Rande, im Centrum mit kleinem, aber deutlichem Nabel, der von einem Kranze bräunlicher Haare umgeben ist; Durch- messer 2—3 mm. Die Form der Galle ist oft unregelmäßig, der Rand verbogen, Farbe weißlich oder röthlich. Die Galle erscheint im Juli, reift im September (Fig. 2)!.

Zucht der Wespe: Nachdem die reife Galle vom Blatte sich ge- löst hat schwillt sie an der unteren Fläche stark an. Will man im

Zimmer die weitere Entwicklung beobachten, so müssen die Gallen

wieder auf feuchtem Sande aufbewahrt werden. Man kann auch diese

Wespen früher zur Entwicklung bringen und im Zimmer bereits im

1 Es ist diese Galle wiederholt mit der von Neuroterus fumipennis verwechselt worden. Bei meiner ersten Veröffentlichung habe ich ebenfalls diese Verwechslung

begangen. Diese beiden Namen sind desshalb umzutauschen; an der Sache selbst ändert es nichts.

162 H. Adler,

November erhalten ; naturgemäß fliegen sie erst im März des nächsten Jahres. Der früheste Termin, an dem ich sie im Freien traf, war der 9. März.

Wespe: 2—4 mm groß, schwarz, Thorax glatt und glänzend, 7 Hinterleib sehr stark komprimirt, länglich. Beine heller gezeichnet, | weißlich oder gelblich, Hüften und Oberschenkel dunkel. |

Zuchtversuche: In derselben Weise wie mit der vorigen Art | sind auch mit laeviusculus Zuchtversuche angestellt worden. Ich habe wiederholt an kleinen Eichen die Wespen stechen lassen. Die ersten genauen Versuche wurden im März 1875 angestellt. Von einer größeren ' Anzahl Wespen waren in der Zeit vom 1%. bis 26. März im Ganzen | 36 Knospen angestochen worden. An den entwickelten Blättern er- | schien darauf im Mai eine ganz andere Galle, nämlich die von Spathe- | gaster albipes. Bei der genauen Kontrolle war es nicht zweifelhaft, dass ! diese.Galle von Neuroterus laeviusculus herrührte. Bei dem ersten Ver- | suche erhielt ich 36 Gallen. Bei einem im Jahre 1877 angestellten Ver- | suche erhielt ich nur zwei Gallen. Im Allgemeinen pflegen sonst die " Versuche mit dieser Wespe ziemlich sicher zu gelingen.

2?) Spathegaster albipes Schenck. |

Galle: 4—2 mm lang, oval, mit kurzer Spitze, von grünlich- 7 gelber Farbe, glatt oder mit vereinzelten Härchen besetzt. Die Galle sitzt auf den Blättern und bewirkt eine größere oder geringere Defor- ' mation des Blattes, indem dasselbe an der Stelle ausgebuchtet oder tief eingeschnitten, oftmals auch verkrümmt ist. Diese Erscheinung hängt

mit der Entstehungsweise der Galle zusammen, indem sie sich bereits

innerhalb der Knospe an einer der Blattanlagen bildet. Die allerdings " nur kleine Zone, welche von der Galle in Anspruch genommen wird, | fällt bei dem entfalteten Blatte aus und tritt dann in einem weit größeren | Maßstabe in die Erscheinung (Fig. 2%). |

Wespe: 4—2 mm lang, schwarz, Thorax glatt und glänzend, | Hinterleib deutlich gestielt. Beine weißlich, nur die Hüften und Basis der Schenkel: dunkel. Die Wespe fliegt Ende Mai oder Anfangs Juni.

Zuchtversuche: Zum ersten Male beobachtete ich die Wespen im Jahre 1875 den 3. Juni im Freien, während sie damit beschäftigt I waren in die Unterseite von zarten Eichenblättern hineinzubohren. Die | kleinen Wespen sind sehr hinfällig und können gewöhnlich nur wenige Tage am Leben erhalten werden, doch gelingt es nicht schwer, sie beim " Stechen zu beobachten, wenn man ihnen nur recht zarte Blätter bietet. I Man sieht sie dann bald mit großer Behendigkeit an denselben um- f herlaufen , die Blattfläche mit den Fühlern genau betastend; hierauf '

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 163

wird die Spitze des Hinterleibes senkrecht gegen die Blattfläche ge- richtet, der Stachel dringt in dieselbe ein und ein Ei gleitet in die gebohrte Öffnung. In kurzer Zeit ist die Wespe im Stande eine größere Anzahl von Eiern in die Blattfläche abzusetzen. Die erste Gallenbildung erfolgt nach drei Wochen, es erscheinen dann kleine, etwas behaarte Pünktchen, die bald zu den laeviusculus-Gallen auswachsen; an einem einzigen Blatte können sich 200 finden.

3) Neuroterus numismatis Öl.

Galle: Sehr zierliche, kreisrunde Galle, gleicht einem mit brauner Seide übersponnenem Knopfe, in der Mitte mit seichter Vertiefung, Durchmesser 2 mm. Reife wie bei den vorigen (Fig. 3).

Die Zucht der Wespe ist ganz wie bei lenticularis.

Wespe: 2,5 mm lang, schwarz, Thorax matt, fein punktirt, Schildehen ziemlich dicht behaart. Die Färbung der Beine wechselnd, gelblichbraun, Oberschenkel meistens dunkel. Hinterleib von der Seite

gesehen fast kreisförmig. Basalglieder der Fühler dunkel. (Einziges - Kennzeichen, um diese Wespe von lenticularis zu unterscheiden.)

Zuchtversuche: In der früher angegebenen Weise wurden auch mit dieser Wespe Versuche angestellt; zum ersten Male im März 1875. Bei diesem ersten Versuche erhielt ich, nachdem 32 Knospen ange- stochen worden waren, im Ganzen fünf Gallen. Dieselben hatten sich innerhalb der Blatifläche gebildet und erwiesen sich als die von Spathe- gaster vesicatrix. Im Jahre 1876 wiederholte ich den Versuch mit dem- selben Erfolge. Später hat auch der englische Entomologe FLETCHER ähnliche Versuche angestellt und dieselbe Spathegaster-Form erhalten!.

32) Spathegaster vesicatrix Schltdl.

Galle: Unscheinbar, liegt derartig in der Blattfläche, dass sie nur an der Oberseite des Blattes ein wenig über das Niveau hervorragt; sie trägt in der Mitte eine kleine kegelförmig hervorragende Spitze, von der nach dem Rande strahlenförmige Radien auslaufen (Fig. 3°).

Die Wespe fliegt im Juni und wird am besten erzogen, wenn man die Gallen kurz vor der Reife einsammelt.

Wespe: Größe 2 mm, schwarz, Thorax glänzend, Beine gelblich, Hüften und Oberschenkel dunkel. Männchen und Weibchen von gleicher Färbung.

Zuchtversuche: Da von dieser Art die Wespen in größerer

Anzahl schwieriger zu erhalten sind, so habe ich nur einmal einen

! FLETCHER, Entom. Month. Magaz. Mai 1878.

164 H. Adler,

Zuchtversuch anstellen können und zwar lediglich im Freien. Im Jahre ' 1875 den 20. Juni beobachtete ich mehrere Weibchen, die an Eichen- blättern umherkrochen und in die untere Blattfläche ihre Eier legten. 7 Ich bezeichnete acht Blätter, welche angestochen waren, durch das Um-

legen eines Fadens; nach 3—4 Wochen brachen kleine rundliche Gallen an ihnen hervor, die sich als die von Neuroterus numismatis erwiesen.

4) Neuroterus fumipennis Hte.

Galle: Meistens kreisrund, der Rand oft aufwärts gebogen und ‚ausgebuchtet. Die Galle ist von weißlicher oder röthlicher Farbe mit zierlichen braunen Sternhaaren bedeckt (Fig. &). |

Diese Galle hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der lentieularis, ist |

aber auch mit der laeviusculus öfter verwechselt worden. Wie schon

erwähnt hatte ich bei meiner ersten Veröffentlichung auch die beiden |! Namen laeviusculus und fumipennis verwechselt. | Zucht der Wespe: Die Gallen werden zur Zeit ihrer Reife, ) Anfangs Oktober, eingesammelt und wie bei. lentieularis angegeben, | überwintert. Allein in einem Punkte unterscheidet sie sich wesentlich ) von dieser; während bei der letzteren die Entwicklung der Larve stetig | fortschreitet, sobald sie zu Boden gefallen ist, tritt bei fumipennis eine | vollkommene Winterruhe ein. Öffnet man im folgenden März eine fumi- pennis-Galle, so findet man, dass die Larve auf derselben unentwickel- | ten Stufe wie im vorigen Herbste steht, während in den anderen | Neuroterus-Gallen die Larve schon ausgewachsen oder bereits in das | Puppen-Stadium übergegangen ist. Erst im Laufe des März beginnt bei fumipennis die Larven-Entwicklung, gegen Ende April erfolgt die Ver- | puppung und im Mai erscheint die Wespe. In der Flugzeit kommen | Differenzen von 2—3 Wochen vor, bedingt durch die Temperatur. Man ! kann bei dieser Galle nicht wie bei den vorigen eine frühere Entwick- " lung der Larve erzielen, indem man sie während der Wintermonate in | ein warmes Zimmer bringt. Wespe: Von den übrigen Neuroterus-Arten ist diese sehr leicht | zu unterscheiden ; Größe2 mm. Thorax matt, schwarz, Basis des Hinter- | leibes gelbroth, Beine mit Einschluss der Hüften gelbroth, Flügel rauchig ' getrübt, namentlich an der Spitze. | | Zuchtversuche: Da die Wespe erst im Mai fliegt, so findet sie die Eichenknospen bereits weiter entwickelt; sie beginnen zu treiben, | das feste Gefüge der umschließenden Deckschuppen lässt nach. Für die | Wespe ist es desshalb viel leichter mit dem Stachel in die Knospe ein- zudringen. Die ersten Versuche habe ich im Mai 1875 angestellt und darauf im Mai 1876 wiederholt. Die kleinen sehr behenden Wespen |

Über den Generationswechsel der Richen-Gallwespen. 165

unterscheiden sich von den vorigen Arten dadurch, dass sie mit großer Eile an den Trieben hin- und herlaufen, oft von einem zum andern fliegen. Sie können ohne größere Anstrengung in die gelockerten Knospen hineinbohren und ein Ei hineinschaffen; häufig kommt es da- bei vor, dass sie an dasselbe Blättchen mehrere Eier legen. Daher findet man später an einem Blatte 3 bis 5 Gallen sitzen, wodurch das Blatt verkrümmt und ganz zusammengezogen ist. Die von dieser Art erzeugte Galle ist aber die zu Spathegaster tricolor gehörende.

4°) Spathegaster tricolor Hte.

Galle: Weich und saftig, von rein weißer oder etwas gelbgrüner Farbe, rund, oben abgeflacht, mit einfachen, gerade abstehenden, weiß- lichen Haaren bedeckt. Zur Zeit der Reife sind diese Haare in der Regel abgeiallen und die Galle könnte dann mit baccarum verwechselt wer- den (Fig. 4°).

Die Galle reift hier immer erst im Juli und liefert Anfangs bis Mitte

Juli die Wespe.

Wespe: Größe 2 mm, schwarz, Thorax wenig glänzend, etwas punktirt, Beine gelbroth, Abdomen dunkelbraun, an der Basis gelbroth ; Flügel wolkig getrübt, besonders gegen die Spitze hin. Fühlerbasis hell. Männchen und Weibchen gleich gefärbt.

Zuchtversuche: Meine Beobachtungen über die Art des Stechens dieser Wespe machte ich im Jahre 1875; am 17. Juli fand ich mehrere Weibchen, die eifrig suchend an Eichblättern umherkrochen und schließ- lich anfingen in die untere Blattfläche hineinzubohren. Im Laufe des August entwickelten sich an den angestochenen Blättern die Gallen von Neuroterus fumipennis. Weitere Zuchtversuche habe ich mit dieser Art nicht angestellt.

Die eben beschriebenen Neuroterus- und Spathegasterformen wur- den bisher, da man nicht wusste, dass sie zusammengehörende Genera- tionen wären, als verschiedene Gattungen angesehen. Zu dieser Auf-

fassung war man auch vollkommen berechtigt, weil sehr wesentliche

Unterschiede zwischen diesen beiden Generationen bestehen. Ein Ver-

gleich der beiden Generationen mit Rücksicht auf ihre Gallen zeigt, dass

von einer Verwechslung keine Rede sein kann. Denn die Differenzen sind viel größer als die zwischen zwei sonst verschiedenen Arten wie

lenticularis und numismatis. Auf das wichtige Unterscheidungsmerk- mal, dass die Wespen der einen Generation ausschließlich im weiblichen Geschlechte vorkommen , die der andern dagegen in beiden, werden

|

wir später zurückkommen. Die immer parthenogenetisch stattfindende

166 H. Adler,

Fortpflanzung von Neuroterus ist eine so sicher konstatirte Thatsache, dass sie jetzt keiner Beweise mehr bedarf. |

Vergleicht man die Wespen der beiden Generationen einer der be- ' schriebenen Arten, so zeigen sie im Äußeren zum Theil nur geringfügige

Differenzen. Die Unterschiede in der Färbung sind unbedeutend und 7

beziehen sich meistens nur auf etwas abweichende Färbung der Beine, | auch die Körpergröße ist nicht sehr verschieden, Form und Skulptur | des Skelettes in vielfacher Beziehung übereinstimmend. Gleichwohl ist es nicht schwierig die beiden Generationen aus einander zu halten. Legt man sie neben einander so wird man sie schwerlich verwechseln ' können. Es besteht nämlich ein total verschiedener Körperbau; Neuro-

terus ist durchweg gedrungener, der Hinterleib viel mächtiger ent-

wickelt, die Flügel sind meistens kürzer als die Körperlänge, die Fühler etwa 2/; der letzteren; Spathegaster dagegen ist schlanker, hat längere | schmälere Flügel, die immer etwas die Körperlänge übertreffen, die Fühler sind etwas unter .2/, der letzteren, der Hinterleib endlich ist |

weniger stark entwickelt. Konfiguration und Größe des Hinterleibes

hängt lediglich von der Form und Größe des Stachels ab. Auch wenn |

der Stachel von großer Länge ist, wie bei Neuroterus laeviusculus liegt ' er während der Ruhelage ganz in dem Abdomen eingeschlossen, indem 7 er zu einer Spirale aufgerollt ist. Durch den größeren Raum, den ein solcher Stachel beansprucht, wird wieder eine größere Ausdehnung des " Hinterleibes bedingt. Bei der zugehörigen Spathegaster-Generation ist \ der Stachel total verschieden, klein und zart; er beansprucht daher nur einen geringen Raum der Hinterleibshöhle, was wieder eine ganz andere | Form des Abdomen mit sich bringt. Diese Differenz des Stachels ist | natürlich eine konstante, während sonst die beiden Generationen einan- " der sehr ähnlich werden können. So sind z. B. fumipennis und tricolor " in Größe und Färbung einander so ähnlich, dass man sie bei ober- flächlicher Betrachtung verwechseln könnte. Berücksichtigt man aber ' den ganzen Bau, die Form des Hinterleibes, die Länge und den Schnitt der Flügel und endlich den Stachel, so lassen sich die beiden Genera- |

tionen scharf von einander trennen.

Auf die interessanten Verschiedenheiten des Stachels komme ich, bei der Wichtigkeit dieses Organes, später zurück. Die wichtigsten Formen sind nach genauen nach Photogrammen entworfenen Zeichnungen dargestellt und geben desshalb bis ins Detail alle Verhältnisse mit Zu- !

verlässigkeit wieder.

Da die beiden Generationen, die bisher aufgestellten Neuroterus- | und Spathegaster-Arten, zusammengehören, so hätte ich streng genom- 7 men die herkömmliche Bezeichnung zweier verschiedener Gattungen |

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Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 167

fallen lassen müssen, jedoch habe ich sie einstweilen beibehalten, um Verwechslungen zu vermeiden.

Bei früheren Beschreibungen der beiden Gattungen Neuroterus und Spathegaster sind Unterschiede in der Gliederzahl der Taster angegeben, es sollten nämlich bei der ersteren die Maxillartaster vier-, die Labial- taster zweigliedrig, bei der letzteren fünf- und dreigliedrig sein. Nach einer genauen Untersuchung aller eben beschriebener Formen finde ich aber, dass ohne Unterschied die Maxillar- vier-, die Labialtaster zwei- gliedrig sind.

II. Aphilotrix-Gruppe.

Die Gattung Aphilotrix umfasst eine größere Anzahl von Gall- wespen, bei denen ich wiederum einen Generationswechsel gefunden habe. Die Gattung Aphilotrix kommt, eben so wie Neuroterus, nur im weiblichen Geschlechte vor.

5) Aphilotrix radicis Fbr.

Galle: Vielkammerige an den Wurzeln oder an dem unteren Stammesende der Eiche vorkommende Galle von sehr wechselnder Größe, von dem Umfange einer Kirsche bis zu dem einer geballten Faust. Anfänglich ist die Galle von heller, fast rein weißer Farbe, in so fern sie unter der Erde mit Abschluss des Lichtes sich bildet, und von der Konsistenz einer Kartoffel. Später bräunt sie sich, verholzt, erlangt eine bedeutende Härte, namentlich an der Basis. Zur Zeit der Reife erscheint die Oberfläche uneben, vielfach zerklüftet, braunschwarz und auf dem Durchschnitte zeigen sich die zahlreichen, rundlichen Larvenkammern (Fig. 5).

Zucht der Wespe: Die reifen Gallen, welche man im Herbst findet, werden eingesammelt und während des Winters an einem kühlen Ort aufbewahrt. Die Wespen sind freilich schon im Herbst vollständig ausgebildet, wovon man sich überzeugen kann, wenn man einige der Kammern öffnet, sie überwintern aber in der Galle und erscheinen erst im nächsten Frühjahr Ende April oder Anfangs Mai.

Wespe: Größe 5—6 mm, rothbraun, dunkel ist auf dem Vorder-

rücken die Mittel- und Seitenlinie, wie auch eine Querlinie vor dem

Schildehen, ferner der Hinierrücken und ein unregelmäßiger Fleck auf dem ersten Segment des Hinterleibes, eben so die Basis der Hinter-

hüften, Hintertibien und Klauen. Der Thorax hat eine dichte seiden-

artige Behaarung; die Fühler sind von wechselnder Färbung, die vier ersten Glieder stets rothbraun, die Spitze dunkel. Zeilschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 419

168 'H. Adler,

Zuchtversuche: Nachdem die Wespen die Gallen verlassen haben, pflegen sie erst einige Tage zu ruhen, bevor sie anfangen ihre Eier zu legen. Als ich zum ersten Male im Jahre 1875 Versuche mit dieser Art anstellte, ging ich von der Voraussetzung aus, dass sie den unteren Theil des Stammes oder die Wurzel aufsuchen würde, um dort ihre Eier zu legen. Allein sehr bald zeigte sich, dass sie immer den Stamm hinaufkrochen, um die Knospen aufzusuchen. Nachdem sie dann mit den Fühlern sorgsam tastend die Knospen untersucht hatten, fingen sie an dieselben anzubohren. Es geschieht dies in ähnlicher Weise wie bei Neuroterus; nur postirt die Wespe sich mehr gegen die Basis der Knospe und führt zunächst den Stachel unter eine der Deckschuppen, bis er den Fuß der Knospenachse erreicht hat. Von hier aus bohrt die Wespe den Stachel nicht gegen das Centrum der Knospe mit den Blatt- anlagen, sondern bleibt unterhalb derselben. Es wird die Spitze des Stachels in das Gewebe hineingeführt, von welchem das Spitzen wachs- thum des späteren Triebes ausgeht. Einzelne Eier können allerdings an die Basis der Blattanlagen zu liegen kommen, aber die Mehrzahl wird unterhalb derselben abgesetzt; daher werden wir in der Regel an den späteren Blättern keine Gallen finden.

Wenn nun die angestochenen Knospen zu treiben anfangen, dauert es überhaupt eine längere Zeit, bevor man von einer Gallenbildung etwas bemerken kann. Dieselbe giebt sich am ersten dadurch zu er- kennen, dass einzelne Triebe in der Entwicklung zurückbleiben und kleinere oder größere Deformationen und Verdickungen zeigen. Ein Schnitt durch solche Stellen zeigt, dass in den Verdickungen kleine Larvenkammern liegen. Bei meinem ersten Zuchtversuche im Jahre 1875 erhielt ich das unzweifelhafte Resultat, dass diese Galle von Aphilotrix radieis erzeugt war, welche bisher als zu Andricus noduli gehörend beschrieben ist. In den folgenden Jahren habe ich diese Ver- suche mit gleichem Erfolge wiederholt; sie empfehlen sich sehr, weil eigentlich niemals ein Fehlschlagen stattfindet.

In der Regel liegen die noduli-Gallen innerhalb der Triebe, ein- zelne finden sich aber auch in den Blattstielen, da, wie bemerkt, die Eier von radicis bisweilen in den Bereich der Blattanlagen zu liegen kommen. Bemerkenswerth ist es, dass einzelne Exemplare von radicis sehr spät erscheinen, Ende Mai oder gar Anfangs Juni. Um diese Zeit haben sich die Knospen schon zu längeren Trieben ausgedehnt; in diese bohren die Wespen jetzt hinein. Die Folge ist, dass in denselben Trieb eine große Anzahl von Eiern gelegt wird, so dass er nachher mit kleinen noduli-Gallen vollständig durchsetzt ist. Derartige, ganz ver- krüppelte Triebe von einem Zoll Länge liefern bisweilen 200 Wespen

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 169

und darüber. Es leuchtet ein, dass in die noch geschlossene Knospe eine so große Anzahl von Eiern nicht gelegt werden kann.

5% Andricus noduli Htg.

Galle: Kaum 2 mm lang, liegt innerhalb der jährigen Eichen- triebe, oftmals äußerlich durch rundliche oder beulige Auftreibungen der Rinde kenntlich. Die reife Galle bildet eine Höhlung im Holzkörper, die von einer dünnen Membran ausgekleidet ist. Nicht selten kommt diese Galle auch in den Blattstielen vor, die dann verdickt und ge- schwollen erscheinen. Stets werden durch sie mehr oder weniger große Difformitäten bewirkt (siehe die Abbildungen Fig. 5°).

Zucht der Wespe: Um die Wespen sicher zu ziehen, werden die Triebe, in denen die Gallen sich gebildet haben, nicht zu lange vor der Flugzeit der Wespen eingesammelt, damit ein zu starkes Eintrocknen des Holzes vermieden wird. Die Flugzeit der Wespen ist verschieden angegeben ; durch mehrfache Zuchten habe ich mich überzeugt, dass sie Anfangs August beginnt und etwa bis Mitte des Monats dauert.

Es kann aber auch vorkommen, dass einzelne Wespen erst im nächsten Jahre erscheinen ; sie mögen zum Theil von den verspäteten radicis-Exemplaren herrühren, jedenfalls machen sie nur eine Minder- zahl aus.

Wespe: Größe 2 mm. Weibchen und Männchen unterscheiden sich in der Färbung.

Weibchen, Thorax schwarz, matt, bisweilen mit gelbrothen Strichen,, Hinterleib gelbroth, schwarz ist ein Flecken auf dem Rücken des ersten Segmentes, die Spitze des Hinterleibes und die Bauchschuppe ; Beine gelbroth, nur die Hinterhüften dunkel; die Fühler an der Basis gelbroth, sonst dunkel.

Männchen, Thorax und Hinterleib schwarz, letzterer stark _ glänzend, Beine hell, schmutzig gelb, Hüften und Hintertibien etwas dunkler, Fühler an der Basis hell, sonst schwarz.

Zuchtversuche: Sind genügend Exemplare aus den Gallen ausgeschlüpft, so hat man zunächst einige Zeit zu warten, um sicher zu sein, dass die Weibchen befruchtet worden sind. Hat man sich durch Untersuchung des receptaculum seminis einiger Weibchen von der statt- _ gehabien Befruchtung überzeugt, so kann der Versuch beginnen. Bei der Kleinheit der Wespen empfiehlt es sich, wenn man dasselbe Bäum- chen, an welchem die Gallen saßen, weiter benutzt. Nur muss dafür gesorgt sein, dass die Wespen die Wurzel leicht erreichen können; zu dem Zwecke pflanzte ich mehrere kleine Eichen so in Töpfe, dass die lange Pfahlwurzel nicht abgeschnitten, sondern aufwärts gebogen wurde,

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170 H. Adler,

so dass das Ende neben dem Stamme aus der Erde hervorragte. Mag, auch die äußerste Spitze absterben, so bilden sich unterhalb derselben Seitenwurzeln, die so oberflächlich liegen, dass die Wespen sie leicht erreichen können. An einer so hergerichteten Eiche .stellte ich am 10. August 1878 einen Versuch an; ich konnte mich bald überzeugen, dass einzelne Wespen anfingen, mit den Fühlern an den Wurzeln zu tasten und schließlich in die Rinde hineinbohrten. Bei der Untersuchung einer angestochenen Stelle fanden sich mehrere Eier in der Cambium- schicht.

Die Zahl der an einer Stelle gelegten Eier ist eine sehr verschiedene, wie der Umfang und die Zahl der Larvenkammern der späteren radicis- Gallen lehrt. Ich glaube es wird häufiger vorkommen, dass gleichzeitig zwei oder mehrere Wespen neben einander an derselben Stelle ihre Eier absetzen. Denn nur so können die kolossalen Gallenkomplexe sich hilden, welche man bisweilen findet. In einem Falle habe ich aus einer radicis-Galle 1100 Wespen gezogen; da aber eine einzelne noduli-Wespe in ihrem Ovarium nur circa 500 Eier führt, so kann eine derartige Galle nur unter gleichzeitiger Betheiligung mehrerer Wespen sich bilden.

An dem im August 1878 angestochenen Eichbäumchen wurde die fernere Entwicklung der Galle verfolgt. Im September bildete sich an der von der Wespe angestochenen Stelle eine Verdickung, die Rinde wurde in die Höhe gehoben und schließlich von einer halbkugeligen Neubildung durchbrochen. Wenn nun im Oktober die Vegetations- periode ihr Ende erreicht und die Blätter zu fallen beginnen, hört das Wachsthum der Galle auf, um erst im nächsten Frühjahre seinen Fort- gang zu nehmen. In diesem ersten Bildungsstadium ist die Galle von der Konsistenz einer Kartoffel und es lassen sich zur genaueren Er- kennung der Struktur leicht feinere Schnitte anfertigen. Das scheinbar homogene Gewebe ist von zahlreichen kleinen Larvenkammern durch- setzt. Im Centrum jeder Kammer liegt die noch sehr kleine Larve, um- schlossen von einer Reihe koncentrisch gelagerter Zellenkreise. Die zunächsi der Larve liegenden Zellen sind am größten, mit Amylum- körnchen gefüllt, einige im Zerfall begriffen. Die entfernteren Kreise zeigen kleinere Zellen, welche schließlich unmerklich in das umgebende Cambiumgewebe übergehen. Hin und wieder ziehen sich Gefäßstränge zwischen das neu gebildete Gewebe hinein und bringen es dadurch in innige Beziehung zu dem Mutterboden, dem es entwuchs.

Etwa im Mai ist die ganze Galle ausgewachsen, die Larven sind ebenfalls vollkommen entwickelt und jetzt beginnt die Galle zu ver- holzen. Noch im Laufe des Sommers tritt die Larve in das Puppen- stadium ein und bereits im Herbst findet man die fertige Wespe,

Uber den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 171

welche aber in der Galle überwintert, um im nächsten April zu er- scheinen.

Bemerkenswerth ist, dass für die Vollendung eines Generations- cyklus 2 Jahre erforderlich sind. Die radicis-Generation, welche im April eines Jahres mit gerader Zahl fliegt, erscheint erst wieder im April des nächsten Jahres mit gerader Zahl; in die Zwischenzeit fällt die ge- schlechtliche Generation und das lange dauernde Larvenstadium der radicis selbst.

6) Aphilotrix Sieboldi Htg.

Galle: Findet sich meistens dicht gehäuft an dünnen Eichenzweigen oder jüngeren Bäumen, vorzugsweise nahe dem Erdboden. Die Galle ist kegelförmig, im frischen Zustande von einer schön kirschrothen Schale bedeckt. So findet man die Galle im Juni. Im Herbste, wenn die Galle reif ist, trocknet die saftige Außenschale ein, verwittert all- mählich und löst sich ab; dann erscheint die verholzte Innengalle als fester Kegel mit regelmäßigen Furchen, die von der Spitze des Kegels zur Basis verlaufen. Die Galle steckt mit ihrer Wurzel tief in dem Holz- körper; kleinere Stämme pflegen in Folge dieses Eingriffes abzusterben (Fig. 6).

Zucht der Wespe: Die Wespe ist sehr leicht zu ziehen, wenn die reifen Gallen im Herbste eingesammelt und während des Winters an einem kühlen Orte aufbewahrt werden. Im nächsten Frühjahre, Ende April und Anfangs Mai beginnen die Wespen die Gallen zu ver- lassen. |

Wespe: Größe A—5 mm, rothbraun, fast einfarbig, auf dem Vorderrücken einige feine schwarze Linien, der Hinterrücken etwas

‚dunkler; Beine gleichmäßig rothbraun. Der ganze Thorax stark behaarı,

Fühler dunkler, an der Basis heller. Die Wespe ist der radicis sehr ähnlich, nur etwas heller.

Zuchtversuche: Es gelingt nicht schwer diese Wespe beim Stechen zu beobachten, sie verfährt eben so wie radicis. Die Knospen werden wieder in der Weise angestochen, dass die Wespe den Stachel an die Basis der Knospenachse führt, doch pflegt sie im Allgemeinen noch in den Bereich der Blattanlagen die Eier abzusetzen. Es bildet sich dann in den Blattstielen und in den Blattrippen eine der noduli außerordentlich ähnliche Galle, welche.als zu Andricus testaceipes gehörig bisher beschrie- ben worden ist. Um sicher vor einer Verwechslung mit der noduli-Galle zu sein, habe ich mehrere Jahre Zuchtversuche angestellt und die Eich- bäumchen stets unter genauer Kontrolle im Zimmer gelassen, erhielt aber stets dieselbe der noduli ähnliche Galle.

m H. Adler,

6°) Andricus testaceipes Hig.

Galle: In vielen Fällen erkennt man äußerlich die Galle an einer kugligen oder wulstigen Verdickung der Blattstiele und der Blattrippen (vergl. die Abbildung Fig. 6°). Innerhalb dieser Verdickung liegt die Galle, ein kaum 2 mın langer Hohlraum, der von einer dünnen Membran ausgekleidet gegen das umgebende Gewebe sich abgrenzt. Aber die- selbe Galle kommt auch innerhalb des Holzkörpers der Triebe vor und ist desshalb gar nicht von der noduli-Galle zu unterscheiden.

Die Wespe fliegt eben so wie noduli Anfangs August.

Wespe: Größe ungefähr 2 mm. Weibchen: Thorax schwarz, matt, Hinterleib gelbroth, Rücken des Hinterleibes und Bauchschuppe dunkel, Beine gelbroth. Männchen: ganz schwarz, Hinterleib stark glänzend, nur die Beine gelblichweiß. Mit Sicherheit ist diese Art von noduli nicht zu unterscheiden.

Zuchtversuche: Bei einer genügenden Anzahl von Wespen gelingt es nicht so schwer, das Eierlegen zu beobachten. Das befruchtete Weibchen begiebt sich zu dem Ende an dünnere Triebe oder Stämme, um dicht am Erdboden in die Rinde hineinzubohren. In der Regel wer- den die Eier ringförmig um den ausgewählten Trieb in die Rinde hin- eingelegt. Im Laufe des September beginnt die Gallenbildung; an den angestochenen Stellen bemerkt man eine Verdickung der Rinde, die sich bald gegen die unversehrte Region deutlich emporhebt. Legt man feine Querschnitte durch die verdickten Stellen, so zeigen sich in der Gam- biumschicht kreisrunde Zellennester mit centralem Hohlraum, in welchem die Larve liegt. Mit Eintritt der kälteren Jahreszeit ruht dann die Gallenbildung, um im nächsten Frühjahre rasch sich zu vollenden. Im Mai nimmt die Verdickung der Rinde sehr zu, es bilden sich umschrie- bene, rundliche Auftreibungen und bald brechen aus denselben die schön roth gefärbten, kegelförmigen Gallen hervor. Sie wachsen 4 bis 5 mm über das Niveau der Rinde, wurzeln aber mit der Basis in dem Holzkörper!. Im Juni erreichen sie die Reife; im Herbst ist die Wespe ausgebildet und überwintert in der Galle.

1 Diese wie andere Gallen sind in hohem Grade den Nachstellungen verschie- dener Schmarotzer (Torymus- und Synergus-Arten) ausgesetzt. Interessant ist es nun zu beobachten, wie indirekt der Galle eine Eigenschaft zum Schutze gereicht. Die rothe saftige Außenschale sondert ein klebriges Sekret ab, welches von Ameisen begierig aufgesogen wird. Um diesen Saft ungestört genießßen zu können, bauen sie aus Sand und Erde einen vollständigen Mantel um die Gallen und gewähren den In- sassen auf diese Weise die beste Deckung gegen ihre Feinde.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 173

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7) Aphilotrix cortieisLl.

Galle: In der Rinde dicker Eichenwurzeln oder auch in den wulstigen Überwallungen um früher stattgefundene Verletzungen der Rinde, wie sie an den Stellen vorkommen, wo Äste abgesägt worden sind. Im frischen Zustande erscheint die Galle als halbkugliges oder ovales Gebilde von saftreicher, röthlichgelber oder lehmgelber Schale bedeckt. Die eigentliche Larvenkammer liegt unter dem Niveau der Rinde und ragt mit kegelförmiger Spitze in den Holzkörper hinein. Die kuglige, obere Hälfte trocknet nach der Reife ein und stößt sich dann ab, so dass man dann ein ganz anderes Bild erhält. Man sieht jetzt nur die Basis der Galle, welche ganz in der Rinde steckt; dieselbe ist von einem Scharfen etwas erhöhten Rande umgeben, der an seiner Innen- seite eine Reihe tiefer, gleichsam eingestochener Punkte trägt. Diese kleinen Öffnungen rühren noch von der früheren Wachsthumsperiode her, durch sie traten die Gefäßbündel hervor, welche die obere saftige Hälfte der Galle versorgten. In der Mitte der Basis nagt sich später die

Wespe das Flugloch (Fig. 7).

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ZuchtundFlugzeitder Wespe ist wie bei den vorigen Aphilotrix-Arten.

Wespe: Größe 4 mm, das ganze Thier dunkel, von braun- schwarzer Farbe, heller rothbraun sind nur die Augenränder, Basis der Fühler, Bauchkante, theilweise die Beine, die Kniee regelmäßig heller. Der Thorax ist matt, seidenartig behaart.

Zuchtversuche: Auch bei dieser Wespe gelingen die Zuchtver- suche ohne große Schwierigkeit. Bald nachdem sie die Galle verlassen hat, beginnt sie Knospen anzustechen. Sie giebt den Knospen den Vor- zug, welche schon anfangen zu treiben. Der Stachel wird wieder so tief in die Knospe versenkt, dass die Eier an die Basis der Blattan- lagen zu liegen kommen. Man wird darnach annehmen müssen, dass bei der sonstigen Ähnlichkeit mit den beiden vorigen Arten auch eine ähnliche Galle erzeugt wird. Anfänglich glaubte ich auch, dass es eine ähnliche Galle, wie die von Sieboldi gemachte, wäre, bis mir Zuchtver- suche, die ich 1877—1879 angestellt habe, die gewünschte Aufklärung brachten. Im Jahre 1877 wurden vom 6. bis 8. Mai 20 Knospen einer kleinen Eiche im Zimmer von corticis angestochen. Erst als im Juni die

Eiche vollständig belaubt war, bemerkte ich hin und wieder neben

einem Blattstiele oder auch in einer Blattachsel kleine etwa 1 mm hohe Hervorragungen von grünlicher oder bräunlicher Farbe. Zufällig erhielt ich keine Wespen, indem ich den Zeitpunkt des Ausschlüpfens verpasst hatte; ich konnte nur konstatiren, dass Anfangs August die Gallen von den Wespen verlassen waren.

174 H. Adler,

Im Jahre 1878 wiederholte ich den Versuch; in der Zeit vom 23. bis 28. April wurden 10 Knospen angestochen, an einer zweiten Eiche vom 3. bis 6. Mai 12 Knospen. Im Juni erschienen wieder dieselben kleinen Gallen, aus denen ich bereits Ende Juli die Wespen erziehen konnte. Zum dritten Male habe ich 1879 den Versuch mit gleichem Er- folge wiederholt.

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7°) Andricus gemmatus.n.sp.

Galle: Die kleine, unscheinbare, kaum 2 mm lange Galle wird sehr leicht übersehen, weil sie oft nur eben mit der Spitze hervorragt ; gewöhnlich bildet sie sich in der Nähe der späteren Winterknospen, sitzt in den Blattachseln und ist scheinbar aus einer Knospenanlage her- vorgegangen, aber man findet sie auch frei an den Trieben. Es kann. immerhin ja vorkommen, dass das Ei gerade in die spätere Blattachsel gelegt wurde, wodurch es den Anschein gewinnt, als sei die Galle aus der kleinen axillären Knospe hervorgegangen. Die Galle besteht aus einer dünnen glatten Schale, die Anfangs von grüner, später von bräun- licher Farbe ist. Man erkennt die Galle am besten an dem Flugloche der Wespe! (Fig. 7%).

Wespe: 2mm groß. Weibchen: schwarz, Thorax matt, spär- lich behaart, Hinterleib stark glänzend, Bauchkante röthlich braun, Beine gelbroth, Hüften und Hintertibien dunkel, Fühler an der Basis röthlich- gelb, an der Spitze dunkel. Männchen: schwarz, Hinterleib stark glänzend, die Beine etwas heller, Hüften und Oberschenkel dunkel, Fühlerbasis hell. Flugzeit Ende Juli und Anfangs August.

Mit dieser Andricus-Generation habe ich, da ich nur über eine kleinere Anzahl von Wespen verfügen konnte, keine Zuchtversuche an- gestellt, habe daher die Bildung der corticis-Galle direkt nicht weiter verfolgen können. Bei anzustellenden Zuchtversuchen ist es übrigens schwierig zusagende Eichbäumchen zu beschaffen, weil diese Wespen, wie erwähnt, vorzugsweise in Überwallungen der Rinde ihre Eier legen.

8) Aphilotrix globuli Hteg.

Galle: Die schön grün gefärbte, kuglige Galle bricht erst im Sep- tember aus den Eichenknospen hervor und ist dann an der Basis von den Knospenschuppen umhüllt. Im frischen Zustande ist die Galle von einer saftigen grünen Schale bedeckt, darunter liegt die verholzte Innen-

i Galle und Wespe ist bisher noch nicht beschrieben worden. Ich habe die Bezeichnung gemmatus gewählt von gemmare »Knospen treiben«, weil die Gallen zuerst kleinen hervorbrechenden Knospen ähnlich sind.

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Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 175

galle mit großer Larvenkammer. Im Oktober fällt die Galle aus den Knospen heraus, die saftige Schale löst sich ab und die holzige Innen- galle wird bloßgelegt. Sammelt man dagegen die Galle im frischen Zustande ein, so trocknet die grüne Schale fest an und zeigt nachher eine unebene und netzadrige Oberfläche; so ist diese Galle mehrfach beschrieben worden. Die holzige Innengalle zeigt regelmäßige Furchen und Kiele (Fig. 8). |

Zucht der Wespe: Die Zucht der Wespe macht einige Schwie-

_ rigkeiten wegen des lange dauernden Larvenstadiums. Wenn auch die

Larve Ende Oktober vollkommen ausgewachsen ist, so verpuppt sie sich nicht in demselben Jahre. Die Angabe, dass schon im nächsten Früh- jahre die Wespe erscheint, beruht auf einem Irrthume. Die Larve ruht vielmehr das folgende Jahr, um erst im Herbste sich zu verpuppen. Darauf erscheint im nächsten April die Wespe. Werden aber die ein- gesammelten Gallen nicht so viel wie möglich denselben Bedingungen wie im Freien ausgesetzt, so hält es überall schwer die Wespen zu ziehen. Die Gallen müssen daher in der früher angegebenen Weise im

Freien durchwintern. Nur dann gelingt es, die regelmäßige Verwand-

lung der Larve zu erreichen. Werden die Gallen im Zimmer aufbe- wahrt, so bleibt eigenthümlicherweise die Verwandlung der Larve aus. Ich habe Gallen mit vollkommen ausgewachsenen Larven mehrere Jahre hindurch aufbewahrt, ohne eine einzige Wespe zu erhalten. Bei den im Freien durchwinterten Gallen sollen die Wespen regelmäßig im zweiten Jahre erscheinen, einzelne aber erscheinen immer erst im drit- ten Jahre. So erhielt ich aus Gallen, welche im Oktober 1876 einge- sammelt waren, im April 1878 die Wespen, einige Gallen aber lieferten erst im April 1879 die Wespen. Dieselbe Erscheinung kommt übrigens bei mehreren anderen Arten auch vor, wovon noch später die Rede sein wird.

Wespe: Größe 4 mm, Kopf und Thorax schwarz, matt, dicht be- haart; Abdomen stark glänzend, oben dunkel, unten röthlichbraun ; Fühler gleichmäßig dunkel, Beine röthlichbraun, dunkel sind immer die Hüften, Mittel- und Hintertibien.

Zuchtversuche: Die Wespe fliegt schon sehr frühzeitig, ein- zelne schon Ende März. Im Jahre 1878 stellte ich am 30. März Ver-

‚suche an; es wurden fünf angestochene Knospen durch einen umgeleg-

ten Faden genau bezeichnet. Beim Stechen verfuhren die Wespen in ähnlicher Weise wie die früheren Aphilotrix-Arten ; der Stachel wurde wieder unter die Knospenschuppen geführt und dann gegen die Basis gebohrt, das Ei nicht an die Blattanlagen sondern unterhalb derselben, ziemlich genau in das Centrum der Krospenachse gelegt. In jede Knospe

176 I. Adler,

wurde nur ein Ei gelegt, und jeder einzelne Akt erforderte ungefähr 20 Minuten. Ich konnte hiernach erwarten, dass aus der angestochenen Knospe sich nur eine einzelne Galle entwickeln würde. Die fünf ange- stochenen Knospen begannen im Mai zu treiben, doch blieb eine bald in dem Längenwachsthum zurück und zeigte eine schnell zunehmende Ver- dickung; sehr bald war eine Gallenbildung zu erkennen und die aus- gewachsene Galle entsprach der als Andricus inflator beschriebenen. Bei diesem Versuche erhielt ich nur die eine Galle.

Im nächsten Jahre wiederholte ich den Versuch ; am 25. März 1879 wurden mehrere Wespen auf eine kleine Eiche gebracht, die im Ganzen 9 Knospen anstachen. Im Mai erhielt ich zwei Gallen von Andricus inflator.

8°) Andricus inflator Hte.

Galle: Die aus einer Knospe hervorgehende Galle ist von grüner Farbe, mit Blättern bedeckt und gleicht einem enorm verdickten und verkürzten Triebe. Im ersten Jahre ist das Wachsthum nicht beein- trächtigt und es entwickeln sich an der Galle regelmäßig in den Blatt- achseln die Winterknospen. Im nächsten Jahre aber sterben alle diese Triebe ab. Ein Längsschnitt durch diese Galle zeigt, dass im Inneren ein cylindrischer Hohlraum sich befindet, an dessen unterem Ende die kleine Innengalle sitzt, aus welcher die Wespe hervorgeht. Das obere Ende der Höhlung wird durch eine anfänglich rothe, später gelbliche Decke verschlossen (Fig. 8%).

Um die Wespe aus den Gallen zu ziehen, muss man die letzteren Mitte Juni einsammeln. Die Wespe fliegt Ende Juni bis Anfangs Juli.

Wespe: Größe 2,1 mm, Kopf und Thorax schwarz, wenig glän- zend. Hinterleib des Weibchens oben schwarz, unten roth oder gelb- roth, beim Männchen ganz schwarz. Beine rothgelb, nur die Hinter- tibien und Hinterhüften dunkel. Fühler an der Basis hell, sonst dunkel.

Zuchtversuche: Die ausgeschlüpften und befruchteten Weib- chen suchen sich möglichst zarte Knospen aus, mögen es terminale oder axilläre sein und legen in je eine Knospe ein Ei. Bisweilen stechen die Wespen auch die axillären Knospen an, welche sich auf der Galle selbst gebildet haben. Aus den angestochenen Knospen entwickeln sich im September die globuli-Gallen. Die eigenthümliche Erscheinung, dass einer inflator-Galle eine oder mehrere globuli-Gallen aufsitzen, erklärt sich so ganz einfach. Meine Beobachtungen über Andricus inflator habe ich nur im Freien angestellt; genauere Zuchtversuche sind nicht ange- stellt worden.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 177

9) Aphilotrix collaris Htg.

Galle: Diese Galle ist ihrer Kleinheit wegen leicht zu übersehen, sie bildet sich wieder aus einer Knospe und steckt zur Zeit der Reife so tief zwischen den Knospenschuppen, dass man eigentlich nur die Spitze wahrnehmen kann. Sie ist kegelförmig, im frischen Zustande von rothbrauner Farbe, an ihrer Basis entspringt ein feiner Fortsatz, der ziemlich tief in die Knospenachse hineinragt. Im September oder Okto- ber löst sie sich aus der Knospe und fällt zu Boden, der weiche Fortsatz schrumpft ein und fällt ab. Sehr häufig findet man aber Gallen, welche in den Knospen sitzen bleiben und bei näherer Untersuchung fest ange- wachsen sind. Daher kommt die Angabe, dass diese Galle auch in den Knospen überwintere. Nun aber zeigt sich, dass aus allen solchen fest angewachsenen Gallen stets nur Inquilinen oder Schmarotzer hervor- gehen. Hier tritt wieder die sich noch öfter wiederholende Erscheinung ein, dass, wenn in die noch nicht ausgewachsene Galle ein Inquiline sein Ei legt, mit dem Absterben der ursprünglichen Gallwespenlarve auch das Wachsthum der Galle sich ändert und ein pathologisches wird. Theils bleiben derartige Gallen kleiner, theils verwachsen sie fest mit dem Mutterboden (Fig. 9).

Zucht der Wespe: Um die Wespe aus den Gallen zu erziehen müssen dieselben Vorsichtsmaßregeln wie bei der vorigen Aphilotrix-Art beobachtet werden. Die Dauer des Larvenstadiums ist dieselbe; nach der Reife der Galle vergehen wieder 11/, Jahr bis die Wespe erscheint.

Wespe: Größe 3 mm, Kopf und Thorax dunkel, auf dem Rücken oft röthliche Linien, der Thorax glatt und glänzend, Schildchen braun- roth, matt, behaart. Hinterleib dunkel, Basis bisweilen röthlich. Beine röthlichgelb, die Hüften stets, bisweilen auch die Basis der Schenkel dunkel. ; |

Zuchtversuche: Diese Wespe galt bisher als selten, hauptsäch- lich wohl desshalb, weil die Gallen schwer zu finden sind und die Zuch- ten nicht immer gelingen. Weitere Beobachtungen aber haben mir gezeigt, dass die Wespe bisweilen recht häufig ist. Die ersten Zucht- versuche stellte ich 1876 mit zwei Wespen an: vom 4. bis 6. April stachen dieselben mehrere Knospen an. Die Eier wurden in das Cen- trum der Knospe unmittelbar an die kleinen Blattanlagen gelegt. Dar- nach war zu erwarten, dass die Gallen an den Blättern sich entwickeln würden. Dies traf auch ein, denn, als die Knospen sich entfalteten, war an zwei Blättern als beginnende Gallenbildung eine wulstige Ver- dickung zu bemerken; dieselbe nahm rasch zu und war dann als die Galle von Andricus curvator zu erkennen. Im Jahre 1878 wiederholte

178 H. Adler,

ich den Versuch und brachte sechs Wespen auf eine kleine Eiche, die” mehrere Tage lang Knospen anstachen. Das Resultat war überzeugend, | indem im Juni die kleine Eiche mit den Gallen von Andricus curvator voll- | ständig übersäet war. Ein kleiner Trieb dieser Eiche hat der Abbildung vorgelegen.

92) Andricus curvator Htg.

Galle: Bildet sich an den Blättern und erscheint im Mai als un-' regelmäßige Verdickung der Blattfläche. Anfänglich zeigt sie auf dem” Durchschnitte einen soliden Kern, bei dem weiteren Wachsthum aber bildet sich allmählich im Innern ein Hohlraum, in welchem der Innen-" wand lose aufsitzend die kleine bräunliche Innengalle liegt. Wenn sich” an demselben Triebe, wie dies häufiger vorkommt, mehrere Gallen bilden, a: so werden dadurch die Blätter an ihrer Entwicklung verhindert und! erscheinen nur als Rudimente (Fig. 9%). ß i'

Die Wespe fliegt im Juni. I |

Wespe: Größe 1,5—2 mm, schwarz, Thorax glatt, bisweilen. etwas runzlig ohne Abzeichen. Hinterleib glänzend schwarz, Beine,

röthlichgelb, Hüften dunkel, oft auch die Schenkel. Männchen und. Weibchen sind gleich gefärbt.

Zuchtversuche: Mit dieser Art habe ich mehrfach Versuche angestellt. Werden die befruchteten Weibchen auf eine kleine Eiche gebracht, so beginnen: sie in der Regel bald die Knospen anzustechen. | Dabei macht die Wespe auf der Spitze einer Knospe Halt und bohrt den Stachel von oben schräg nach abwärts in das Innere der Knospe. In! jede Knospe wird nur ein Ei gelegt. Es vergeht längere Zeit bevor von! einer Gallenbildung etwas zu bemerken ist. Die Galle fängt im Septem- | ber an sich zu entwickeln, ausnahmsweise auch schon im August; an- a. fänglich ist die Galle schwer zu erkennen, indem sie mit der braunen Spitze kaum aus den Knospenschuppen hervorragt. Erst zur Zeit der! Reife tritt die Galle weiter hervor, indem sich ihre Basis allmählich von) dem Gewebe der Knospenachse löst. |

Y

Ehe man wusste, dass Aphilotrix collaris und Andricus curvator‘ |. zwei zusammengehörige Generationen wären, nahm man an, dass die‘ im Juni von curvator gelegten Eier in den Knospen bis zum nächsten |, Jahre ruhten und dass dann mit der neuen Wachsthumsperiode die cur- | R vator-Gallen sich wieder an den Blättern bildeten. Man durfte dies um |

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen, 179

in andern Fällen, dass durch die Larve die schlafende Knospe zum Treiben veranlasst wird.

10) Aphilotrix fecundatrix Htg.

Galle: Die Galle ähnelt einer Hopfenfrucht und erscheint von fest an einander liegenden Schuppen umschlossen, welche anfänglich von grüner Farbe, später braun werden, sich lockern und weiter abstehen. Am Grunde des Kegels sitzt die kleine Innengalle von länglich ovaler Form. Zur Zeit der Reife löst sie sich und fällt zu Boden. Anfänglich ist die Innengalle mit der Basis der ursprünglichen Knospenachse fest verwachsen, im August aber lockert sich diese Verbindung, indem die Grundfläche sich zusammenzieht. Dadurch werden die Schuppen fester zusammengedrängt und schieben die Innengalle vollständig hinaus. In diesem Stadium ist die Galle von gelblich grüner Farbe und noch weicher Konsistenz; erst am Boden erfolgt die völlige Reife, die ganze Galle wird dunkel, sehr fest und hart und gewährt der Larve hin- reichenden Schutz gegen die Einflüsse der Witterung. Zu bemerken ist, dass einzelne Gallen zwischen den Schuppen der Außengalle stecken bleiben (Fig. 190).

In vielen Fällen findet sich in der äußerlich gut entwickelten Galle eine kleine rundliche rudimentäre Innengalle; dann birgt sie regelmäßig Inquilinenlarven, bisweilen nur eine, bisweilen mehrere, die in ge- trennten Fächern liegen. Durch den Einfluss der Inquilinen wird die Entwicklung der Galle gehemmt und total verändert.

Zucht der Wespe: Trotz der Häufigkeit der Galle pflegt es schwierig zu sein‘, die Wespen zu erziehen. Da das Larvenstadium wieder sehr lange dauert, kommt es darauf an, die natürlichen Lebens- bedingungen herzustellen. Die Überwinterung muss im Freien erfolgen. Die Larve ruht eben so lange wie die von collaris; die im August 1876 eingesammelten Gallen lieferten mir im April 1878 die Wespen; ein- zelne Gallen bleiben aber regelmäßig zurück, aus denen die Wespe erst im dritten Jahre erscheint. Werden die Gallen nach dem Einsammeln im Zimmer aufbewahrt, so bleibt die Metamorphose der Larve aus; man kann sie mehrere Jahre lebend in den Gallen erhalten, bis sie endlich zu Grunde geht. Wie die veränderten Außenbedingungen einwirken, ist schwer zu sagen, aber die Einwirkung der atmosphärischen Einflüsse von Kälte, Nässe und Hitze scheint für den regelmäßigen Verlauf der Metamorphose der Larve unbedingt nothwendig zu sein.

Die Flugzeit der Wespe fällt in den April.

Wespe: Größe 4—5 mm, die ganze Wespe dunkel, fast schwarz, Thorax matt, runzlig mit weißer seidenartiger Behaarung,, Hinterleib

A150. H. Adler,

glänzend schwarz nur an den Seiten mehr oder weniger rothbraun. Die | Beine in der Regel dunkel, nur die Kniee deutlich rothbraun, die Vorder- | beine bisweilen in größerer Ausdehnung hell, rothbraun und nur bis

zur oberen Hälfte der Schenkel dunkel.

Zuchtversuche: Bei den Versuchen mit dieser Art stößt man?

auf eine Schwierigkeit, weil die Wespe nur in die männlichen Blüthen-" knospen ihre Eier legt. Da aber kleinere Eichbäumchen, wie ich sie in” Töpfe gepflanzt hatte, überall keine Blüthen produciren, blieb mir nichts” Anderes übrig als im Freien die Wespe beim Stechen zu beobachten. |

Es gelang mir im April 1878 mehrere genau beim Stechen zu beobach- ten, die erste am 1%. April. Um über die Art des Stechens klar zu

werden, ließ ich mehrere selbst gezogene Wespen an abgschnittenen” Reisern im Zimmer stechen. Ich fand, dass die Wespe den Stachel | unter die Knospenschuppen führt, bis an die in der Knospe ruhenden! id Staubbeutel bohrt und an diese die Eier absetzt. Es war darnach un-! { zweifelhaft, dass die Galle an den Staubbeuteln sich bilden würde. Bei

N

meinen im Freien angestellten Beobachtungen wurden mehrere Kno-'

spen unter meinen Augen angestochen, welche ich durch einen unterhalb ! hi umgelegten Faden bezeichnete. Als darauf im Mai die Staubblüthen sich "

entwickelten, zeigten sich an denen der angestochenen Knospen bald’

kleine, zierliche Gallen, welche einzeln oder zu mehreren gehäuft an

den Blüthenspindeln saßen. Ich fand dieselbe Galle an zwei verschie-

denen Bäumen, an denen beiden fecundatrix gestochen hatte; ich konnte

daher gegen eine Verwechslung oder zufällige Täuschung sicher sein. Die gleich näher zu beschreibende Galle entspricht einer Andricusart.

Bemerkenswerth ist, dass Aphilotrix fecundatrix vorzugsweise, m: vielleicht ausschließlich die Blüthenknospen von Quercus robur (pedun- culata Ehrh.) ansticht. Der Grund der Bevorzugung dieser Eichenart

mag wohl darin liegen, dass sich dieselbe etwa 14 Tage früher ent-

wickelt als Quercus sessiliflora.

10%) Andricus pilosus n. sp.!.

Galle: Die kleine zierliche Galle ist ungefähr 2 mm lang, von |

länglich ovaler Form mit deutlicher Spitze, dünnwandig, anfänglich von 7‘

grüner, zur Zeit der Reife von bräunlicher Farbe mit steif abstehenden 7 weißlichen Haaren bedeckt. Sie sitzt einzeln oder zu mehreren zwischen

den Staubbeuteln an der Blüthenspindel (Fig. 10°).

Um die Wespe zu erziehen wird die Galle kurz vor der Reife ein- 7

1 So weit ich habe ermitteln können war die Galle bisher nicht beschrieben. | Den Namen pilosus habe ich gewählt, weil sie zum Unterschiede von anderen nahe 7

stehenden mit kurzen Haaren bedeckt ist.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 181

gesammelt, Ende Mai; man erhält dann die Wespen Anfangs oder Mitte Juni.

Wespe: 1,5 mm lang, schwarz, Thorax glatt, wenig glänzend, Schildchen rauh, Abdomen einfarbig schwarz, glänzend; Beine von den Hüften bis zu dem unteren Dritttheile der Schenkel gleichmäßig dunkel, im Übrigen röthlichgelb; Fühler gelblich, nur die Spitze dunkel; das Männchen hat dieselbe Färbung, nur sind die Fühler fast ganz dunkel.

Zuchtversuche: Mit dieser Art habe ich im Juni 1878 eine Reihe von Zuchtversuchen angestellt, sowohl im Zimmer als im Freien. Ich brachte entweder die Wespen direkt auf kleine Eichen oder be- festigie die Gallen kurz vor dem Ausschlüpfen an die letzteren. Die Wespen suchen vorzugsweise die zarleren axillären Knospen auf und beginnen diese anzustechen. Ist die passende Knospe gefunden, so macht die kleine Wespe auf der Spitze Halt und bohrt den Stachel schräg von oben direkt in das Innere der Knospe. Es wird nur ein Ei in eine Knospe gelegt, wozu immer eine Zeit von 20 bis 30 Minuten ge- braucht wird. Während des Stechens ist die Wespe so unempfindlich - gegen Störungen, dass man den Zweig, an dem sie sticht, abschneiden und zur besseren Beobachtung unter die Lupe legen kann. Ist ein Ei gelegt, so wird sofort eine neue Knospe aufgesucht. Die Lebensdauer dieser Wespe beläuft sich durchschnittlich wohl auf acht Tage.

Bei meinen Versuchen im Juni 1878 hatte ich im Ganzen 26 Kno- spen als angestochen bezeichnet, 16 im Zimmer, 10 im Freien. Bereits im Juli ließ sich an einzelnen Knospen eine Veränderung wahrnehmen, indem sie merklich dicker und größer wurden. Bereits am 10. Juli konnte ich deutlich erkennen, dass die fecundatrix-Galle sich bildete. An den kleinen im Zimmer angestochenen Eichen erhielt ich drei Gallen, an den im Freien vier Gallen. Auffallend war wieder, dass nur so wenige der angestochenen Knospen eine Galle lieferten.

44) Aphilotrix callidoma Htg.

Galle: Diese zierlichste unserer norddeutschen Gallen bietet ein gewisses historisches Interesse, indem sie bereits von Marrisnr! (1682) beschrieben worden ist. Trotzdem hat es bis in die neueste Zeit ge- dauert, ehe es gelang die Wespe daraus zu erziehen. Meines Wissens hat Giraup 2 (1859) zuerst die Wespe erzogen und beschrieben.

Die Galle entspringt mehr oder weniger lang gestielt aus den Blatt- achseln, der dünne Stiel trägt die spindelförmige oder spitzkugelförmige

1 Marpıcaı, Plant. anatome II de Gallis. 2 GırauD, Signalements etc. de Cynipides. Verhdl. zool. bot. Ges. Wien. IX. pP. 337—374.

182 H, Adler,

Galle, welche regelmäßige, ziemlich scharf vorspringende Längsreifen hat; sie ist gewöhnlich von grüner Farbe, höchstens die Rippen roth gefärbt (Fig. 11).

Die Gallen erscheinen zu verschiedenen Zeiten theils im Juli, theils im August, sie reifen schnell und die ersten fallen bereits EndeJuli zu Boden.

Um die Wespen zu erziehen sammelt man die ausgewachsenen Gallen ein, lässt sie so lange auf feuchtem Sande liegen bis sie anfangen braun zu werden, ein Zeichen, dass die Larve ausgewachsen ist. Als- dann werden die Gallen während des Winters an einem kühlen Orte oder im Freien aufbewahrt. Die Wespen erscheinen dann zum Theil schon im nächsten Frühjahre, einige Gallen aber ruhen bis zum zweiten Jahre. Es hängt wahrscheinlich so zusammen, dass die früh reifenden Gallen die Wespen schon im nächsten Jahre liefern, die spät reifenden dagegen im zweiten Jahre. Es ist übrigens zu bemerken, dass die Mehr- zahl der Gallen immer von Schmarotzern besetzt ist und dieser Umstand mag wohl der Grund sein, dass es so lange gedauert hat, bis man die Wespe kennen gelernt hat.

Wespe: Länge 4 mm, röthlichgelb, schwarz sind die Fühler, die Nähte des Thorax, die Umgrenzungslinien des Schildchens; der Rücken des Hinterleibes ist dunkelbraun. Kopf und Thorax dünn behaart; Beine gelbbraun, nur die Trochanteren schwarz, Hintertibien braun.

Zuchtversuche: Die im April ausschlüpfenden Wespen suchen wiederum die männlichen Blüthenknospen auf, um in diese ihre Eier zu legen. Aus diesem Grunde habe ich das Stechen nur im Freien oder an abgeschnittenen Reisern beobachten können. Die Wespe legt ihre Eier an und zwischen die in der Knospe eingeschlossenen Staubbeutel, oft eine größere Anzahl in dieselbe Knospe. Im April 1878 bezeichnete ich eine Anzahl im Freien angestochener Knospen; zur Zeit als die übrigen Knospen sich schon mehr oder weniger entwickelt hatten blieben die angestochenen in auffallender Weise zurück und einzelne Blüthen- spindeln ragten kaum aus ihnen hervor. Bei weiterer Untersuchung zeigte sich, dass die Staubbeutel durch kleine, gedrängt sitzende Gallen ganz verkümmert waren. Diese jetzt zu beschreibende Galle ist:

14°) Andricus cirratus.n. sp.!. Galle: Ungefähr 2 mm, eiförmig mit abgerundeter Spitze, frisch von grüner, bei der Reife von bräunlicher Farbe. Das abgerundete Ende der Galle trägt einen Büschel langer, dichter, weißlicher Haare, die drei

1 Diese Galle ist bisher noch nicht beschrieben worden; ich habe die Benen- nung cirratus gewählt wegen des Haarbüschels (cirrus), welchen die Spitze der Galle trägt.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 183

bis vier Mal so lang als die Galle sind. Die Galle sitzt auf der Blüthen- spindel der männlichen Blüthe, an ihrer Basis sind zwei seichte Ein- drücke zu erkennen, welche von den Nähten des Staubbeutels her- rühren, aus dem die Galle hervorgegangen ist. Die Gallen sitzen oft so dicht gedrängt, dass sie eine zusammenhängende weiß-filzige Masse zu bilden scheinen; die einzelnen Kätzchen sind dann mehr oder weniger verkümmert und man sieht eigentlich nur die weißen Haarbüschel aus der geöffneten Knospe hervorragen (Fig. 11%.

Die Wespe ist sehr leicht zu erziehen, wenn man Ende Mai oder Anfangs Juni die Gallen einsammelt.

Wespe: Länge 1,5 mm, schwarz, Thorax matt, Schildchen rauh, Abdomen an den Seiten röthlichgelb. Beine gleichfarbig röthlichgelb, nur die hinteren Trochanteren dunkel, Fühler gelbroth mit dunkler Spitze. Männchen von gleicher Färbung, nur das Abdomen etwas heller.

Zuchtversuche: Nachdem Anfangs Juni 1878 eine größere Anzahl Wespen ausgeschlüpft war, brachte ich sie am 8. Juni auf eine kleine Eiche und sah, dass sie bald anfingen in die kleinen axillären Knospen zu stechen. Es wurden im Ganzen 14 Knospen bezeichnet. Nach Verlauf von etwa vier Wochen (5. Juli) bemerkte ich, dass an drei Knospen eine Galle sich entwickelte, die bald lang gestielt aus der Knospe hervorwuchs und als die callidoma-Galle zu erkennen war. Darauf eni- wickelten sich Anfangs August noch zwei Gallen. Woher diese Verspä- tung rührte, ist schwer zu sagen, obwohl alle Knospen gleichzeitig an- gestochen worden waren. Die Galle wächst sehr schnell und erreicht in drei Wochen die Reife, worauf sie zu Boden fällt.

12) Aphilotrix Malpighii n. sp.!.

Galle: Diese Galle ist der vorigen sehr ähnlich, von derselben spindelförmigen Gestalt, doch ist sie kürzer und gedrungener,, meistens gar nicht oder ganz kurz gestielt. Auch die Zeit der Reife ist eine andere, indem sie viel später als die vorige erscheint, sie beginnt erst im Sep- tember aus den Knospen hervorzubrechen und erreicht im Oktober die Reife (Fig. 12).

Die Entwicklung der Wespe weicht von der vorigen ab; die im Oktober gereiften Gallen enthalten freilich die ausgewachsene Larve, aber sie verpuppt sich nicht in demselben Jahre, sondern ruht noch das

1 Bei der großen Ähnlichkeit mit der callidoma-Galle ist diese früher mit letzterer zusammengeworfen. Entscheidend für die Trennung ist der Umstand, dass eine ganz verschiedene geschlechtliche Generation dazu gehört. Zur Erinnerung daran, dass MArpıcaı vor fast 200 Jahren bereits die callidoma-Galle beschrieb, habe ich die vorliegende nach ihm benannt.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 13

184 H. Adler,

nächste Jahr, um sich im Herbste zu verpuppen und im April des zweiten Jahres die Wespe zu liefern.

Wespe: Länge 3 mm, röthlichgelb, etwas dunkler als callidoma, Thorax mit schwarzen Strichen, oben glatt, an den Seiten spärlich be- haart, Schildchen rauh; Rücken des Abdomen dunkelbraun; Beine röth- lichgelb, die Trochanteren alle bräunlich, eben so die obere Hälfte der Schenkel und der Außenrand der Tibien ; Fühler schwarz.

Der Färbung nach ist diese Wespe der callidoma so ähnlich, dass man sie nur mit Sicherheit unterscheiden kann, wenn man sie aus den Gallen erzieht.

Zuchtversuche habe ich mit dieser Wespe nicht anstellen können, dagegen habe ich mit der entsprechenden geschlechtlichen Generation Zuchten angestellt, welche mir ein sicheres Resultat geliefert haben.

12°) Andricus nudus n. sp.!.

Galle: Die kleine und unscheinbare Galle, 1,5 mm lang, ist von länglich ovaler Form mit deutlich abgesetizter Spitze, sie sitzt an der Blüthenspindel der männlichen Blüthe zwischen den Staubbeuteln. Die Galle ist kahl, nur ausnahmsweise an der Spitze mit einzelnen kleinen Härchen besetzt, im frischen Zustande von grünlicher, bei der Reife von gelblicher Farbe (Fig. 12%).

Um die Wespe zu erziehen werden die Gallen Ende Mai einge- sammelt, die Wespe fliegt im Juni.

Zuchtversuche: Mit dieser Wespe sind mir die Zuchtversuche ohne Schwierigkeit gelungen. Im Jahre 1877 machte ich den ersten Versuch; eine Anzahl befruchteter Weibchen war auf eine kleine Eiche gebracht und von diesen wurden am 41. Juni 140 Knospen angestochen. Die kleinen sehr behenden Wespen wählen immer möglichst zarte axil- läre Knospen; man muss desshalb zu den Zuchtversuchen solche Eichen nehmen, an denen die Knospen von zarter und weicher Beschaffen- heit sind.

Es währte sehr lange, bevor an den angestochenen Knospen eine Veränderung zu bemerken war. Erst am 3. September zeigten zwei eine beginnende Gallenbildung, am 2. Oktober erschien noch eine dritte Galle; alle drei Gallen entsprachen der eben als Malpighii beschriebenen. Aus diesen drei Gallen erhielt ich 1879 im April zwei Wespen.

Einen zweiten Zuchtversuch mit Andricus nudus stellte ich 1878 an. Aus den eingesammelten Gallen erhielt ich schon am 30. Mai die 1 Auch diese Art ist bisher nicht beschrieben worden; ich habe den Namen

nudus gewählt, weil sie zum Unterschiede von den ähnlichen vorbin beschriebenen vollständig kahl ist.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 185

ersten Wespen; am ersten Juni brachte ich sie auf eine kleine Eiche und bemerkte, dass mehrere bald zu stechen anfingen. Im Ganzen wurden 48 Knospen bezeichnet. Aus diesen Knospen brachen Anfangs Sepiem- ber drei Gallen hervor, darauf Ende September noch weitere vier Gallen. Mir scheint darnach die Zusammengehörigkeit von Aphilotrix Malpighii und Andricus nudus genügend erwiesen.

13) Aphilotrix autumnalis Hte.

Galle: Ähnlich wie die früher beschriebene globuli-Galle ent- wickelt sich auch diese aus einer Knospe und ist an der Basis von den Knospenschuppen umschlossen ; sie ist von länglich ovaler Form, an der Spitze mit deutlich abgesetztem Nabel, im frischen Zustande von einer bräunlichen saftigen Schale bedeckt. Die Galle bildet sich erst im Oktober und fällt zur Zeit der Reife, Ende Oktober, aus den Knospen zur Erde. Die saftige Schale löst sich dann von der verholzten Innen- galle ab, welche auf der Oberfläche flache Riefen zeigt (Fig. 13).

Die Wespe erscheint erst im zweiten Jahre; die im Oktober 1876 eingesammelten Gallen lieferten im April 1878 die Wespen.

Wespe: Länge 3 mm, Kopf und Thorax schwarz , letzterer matt, runzlig. Abdomen glänzend, auf dem Rücken dunkel, an den Seiten rothbraun ; Beine gleichmäßig rothbraun, nur die Trochanteren dunkel. Flugzeit April.

Dass bei dieser Art auch ein Generationswechsel stattfinden würde, war zu erwarten, einerseits wegen der großen Ähnlichkeit mit globuli, andererseits mit Rücksicht auf das Erscheinen der Galle. Da die Wespe im April ihre Flugzeit hat, die Galle aber erst im Oktober aus einer Winterknospe, welche im April noch gar nicht vorhanden ist, sich bildet, so muss eine andere Generation dazwischen treten, welche erst die Galle erzeugt. Direkte Zuchtversuche mit Aphilotrix autumnalis habe ich nicht angestellt. Dagegen habe ich die Art des Stechens bei dieser Wespe beobachtet. Anfänglich glaubte ich, dass dieselbe nur Blüthenknospen anstechen würde, indem sie diese sofort anstach, wie ich sah, als ich einige Wespen auf abgeschnittene Reiser gebracht hatte. Später überzeugte ich mich, dass sie ohne Unterschied auch andere Knospen ansticht. Die Blüthenknospen erhalten vielleicht desshalb den Vorzug, weil sie größer sind und die Knospe sich eher entfaltet. Es werden nämlich von dieser Wespe in dieselbe Knospe eine größere Anzahl Eier gelegt; bisweilen bohrt die Wespe um die ganze Peripherie der Knospe herum, so dass man nachher im Innern eine Menge Eier findet, einzeln aber auch dicht zusammenliegend. Die Eier werden an die Blätichen oder an die Staubbeutel gelegt. Ich habe aber die daraus

13*

se H, Adler,

resultirende Galle nicht selbst erzogen, dagegen die zu autumnalis ge- hörende geschlechtliche Generation ermitteln können; diese ist:

132) Andricus ramuliLll.

Galle: Die sehr oft aus männlichen Blüthenknospen aber auch aus Blattknospen hervorgehende Galle gleicht einer Baumwollenkugel von wechselnder Größe. Ihr Umfang hängt ab von der Anzahl der das Konglomerat zusammensetzenden Einzelgallen. Erstaufdem Querschnitte erkennt man diese Zusammensetzung aus einzelnen kleinen ovalen Gallen von 2 mm Länge; jede derselben trägt einen sehr langen Büschel weiß- lichgelber Haare. Diese unter einander sich verwebenden Haare bilden einen dichten weißlichen Filz und verleihen der Galle ein sehr zierliches Aussehen (Fig. 13%).

Die Wespe fliegt in der ersten Hälfte des Juli.

Wespe: Länge 2 mm, gleichmäßig gelb, nur die Nähte des Thorax etwas dunkler; beim Weibchen ist der Rücken des Hinterleibes bräun- lich, beim Männchen schwarz. Die Fühler und Beine sind gleich- farbig gelb.

Zuchtversuche: Da die ramuli-Galle hier ziemlich selten vor- kommt, habe ich nur einmal Beobachtungen über die Fortpflanzung der Wespe anstellen können. Am 9. Juli 1878 fand ich mehrere dieser Wespen, welche axilläre Knospen anstachen. Ich bezeichnete durch einen umgelegten Faden sechs solcher Knospen; aus zwei derselben entwickelte sich Anfangs Oktober die Galle von Aphilotrix autumnalis.

III. Dryophanta-Gruppe.

1%) Dryophanta scutellaris Hig.

Galle: Findet sich immer an der Unterseite der Blätter, ist kugel- förmig von sehr wechselnder Größe bis zu 2 cm im Durchmesser; die Galle entspringt immer von den Blattrippen, häufiger von den Haupt- als den Nebenrippen, ist aber nur an einem Punkte mit der Blattrippe verwachsen, so dass beim Betrachten der oberen Blattfläche ihre An- wesenheit nicht erkannt wird. Die Galle ist von gelber oder weißer Farbe, an der von der Sonne beschienenen Seite schön roth; sie er- scheint Anfangs Juli und reift im Oktober (Fig. 1%).

Die Wespe ist aus den Gallen leicht zu ziehen; die Angaben über die Flugzeit gehen aus einander. Nach einigen Beobachtern sollen die Wespen schon im Oktober, nach anderen erst im März erscheinen. Um ‚die naturgemäße Flugzeit kennen zu lernen, muss man die Gallen im Freien aufbewahren. Werden die Gallen im Zimmer behalten, so

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 187

erscheinen allerdings die Wespen im November, anders dagegen ist es im Freien. Die Wespe fängt freilich im Oktober oder November an von der centralen Kammer aus, in welcher sie liegt, einen Gang gegen die _ Peripherie aus zu nagen, ohne aber die Galle sofort zu verlassen. Viel- mehr lässt die Wespe eine dünne Lamelle der äußeren Schale stehen; diese Lamelle ist so zart, dass man das Lumen des Ganges durch- schimmern sieht. Jetzt können noch Wochen verstreichen, bevor die Wespe die letzte unbedeutende Schranke durchbricht und aus der Galle hervorkommt. Die Witterung allein ist dafür maßgebend. Tritt bei- spielsweise schon im December anhaltender Frost ein, so bleibt die Wespe in der hart gefrierenden Galle; folgt dann aber Thauwetter, so befreit sich die Wespe sofort aus der Galle, wohl schon desshalb, weil die aufthauende Galle bald in Zersetzung übergeht. Ich habe wiederholt beobachtet, dass wärmere Tage mit Thauwetter im Januar die Wespe sofort hervorlockten. Bleibt aber während des Januar anhaltender Frost, so wird das Erscheinen der Wespe bis zum Februar oder noch länger bis zum Eintritte von Thauwetter verzögert. In diesem Falle erscheinen manche Wespen erst im März.

Wespe: Länge 4 mm, schwarz, am Kopfe ist die Scheitelgegend braunroth, eben so die Seiten des Thorax, bisweilen das Schildchen; Abdomen pechschwarz, stark glänzend, Beine schwarz, nur die untere Hälfte der Schenkel und die obere der Tibien braunroth. Die Flügel sind lang, das ganze Thier stark behaart: charakteristisch sind die lang abstehenden Haare der Beine und Fühler; letztere sind 13gliedrig.

Zuchtversuche: Schon im Jahre 1876 hatte ich mit dieser Wespe Versuche angestellt, welche mir lehrten, dass sie vorzugsweise die kleinen Adventivknospen am Stamme älterer Eichen ansticht. Der damalige Versuch wurde mit nur wenigen Wespen im Freien ange- stellt und erwies sich mir später das erhaltene Resultat als falsch. Im größeren Umfange wiederholte ich die Versuche im Jahre 1878. Ich hatte eine größere Anzahl von Gallen im Freien durchwintert; im Januar fingen die Wespen an die Gallen zu verlassen. Ich brachte sie jetzt auf eine kleine Eiche im Zimmer; nach einigen Tagen bemerkte ich auch, dass sie anfingen zu stechen; sie wählten dazu die kleinen Adventivknospen, welche an dem Stamme sich finden. Die Knospen werden in der Weise angestochen, dass die sich hoch aufrichtende Wespe den Stachel gerade auf die Spitze der Knospe aufsetzt und den- selben dann senkrecht hineinbohrt. Die Wespe ist zu dem Ende mit einem ziemlich geraden, kräftigen Stachel ausgerüstet. Für das Legen eines Eies ist eine geraume Zeit erforderlich; die Wespe verharrt meistens 1/, Stunde in der stechenden Stellung. In je eine Knospe wird

188 H. Adler,

nur ein Ei gelegt. Untersucht man eine angestochene Knospe, so zeigt sich, dass das Ei an der Basis der Knospenachse in der Cambiumschicht et, welche sich in die Knospe fortseizt. Darnach war mit Bestimmt- heit zu erwarten, dass eine Knospengalle sich bilden würde.

Bei meinem Versuche wurden vom 20. bis 26. Januar 34 Knospen angestochen. Erst gegen Ende April konnte ich an einzelnen Knospen eine beginnende Gallenbildung bemerken. Die Spitze der Knospe färbte sich dunkelblau und bald trat deutlich die sammetartige zierliche Galle von Spathegaster Taschenbergi hervor. Bis Anfangs Mai entwickelten sich an dem Bäumchen AA Gallen.

Im Jahre 1879 habe ich den Versuch wiederholt und wieder die Taschenbergi-Gallen erhalten.

14°) Spathegaster Taschenbergi Schltdl.

Galle: Kleine, sehr zierliche Galle von 2—3 mm Länge, mit ab- gerundeter Spitze, von dunkelvioletter Farbe und sammetartiger Ober- fläche. Die schöne Farbe wird durch eine Schicht peripherer Pigment- zellen bedingt, von denen ebenfalls kurze, weißliche Haare entspringen, welche das sammetartige Aussehen der Oberfläche bewirken. Der innere Kern der Galle ist weich und besteht aus Stärkemehl-haltigen Zellen, die von der Larve völlig aufgezehrt werden, so dass schließlich nur eine dünne Schale übrig bleibt (Fig. 14). |

Um die Wespen zu ziehen, muss man die Gallen Anfangs Mai ein- sammeln und auf feuchtem Sande aufbewahren; die Wespen erscheinen Ende Mai oder Anfangs Juni.

Wespe: Länge 2,5 mm, Fühler, Kopf, Thorax, Abdomen schwarz, Tborax glatt, stark glänzend, Schildchen matt, nicht behaart, Beine gelblich, nur die Trochanteren schwarz, Flügel lang, rauchig getrübt. Männchen und Weibchen sind gleich gefärbt.

Zuchtversuche: Nach stattgefundener Befruchtung gehen die Weibchen bald daran Eier zu legen. im Mai 1878 benutzte ich zu dem Versuche die kleine Eiche, an welcher die Taschenbergi-Gallen sich ge- bildet hatten. Die ersten Wespen erschienen am 26. Mai. Wenn eine Wespe sich zum Stechen anschicken will, so sieht man sie sehr emsig mit den Fühlern an den Blattrippen tasten und sie bohrt darauf in die- selben hinein. Das Ei kommi also in die Blattrippe zu liegen. Soll der Versuch gelingen, so müssen die Blätter noch sehr zart und weich sein, ganz ausgewachsene Blätter scheinen der Wespe nicht zuzusagen. Bei meinem Versuche wurden nur fünf Blätter angestochen , wäil wohl die Blätter zum Theil schon zu weit entwickelt waren.

Anfangs Juli bemerkte ich eine beginnende Gallenbildung, aus der

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 189

Mittelrippe des einen Blattes brach eine kleine rundliche Galle hervor; bald folgten noch einige nach und im Ganzen erhielt ich acht Gallen, die sich wieder als die scutellaris-Gallen erwiesen.

Es ist somit die Zusammengehörigkeit von Dryophanta scutellaris und Spathegaster Taschenbergi erwiesen. Die in meiner ersten Mit- theilung gemachte Angabe, dass Trigonaspis crustalis die zu scutellaris gehörende geschlechtliche Generation sei, beruht auf einem Irrthum, der dadurch entstand, dass ich damals meine Beobachtungen, weil im Freien angestellt, nicht sicher genug kontrolliren konnte.

15) Dryophanta longiventris Hteg.

Galle: Wie die vorige an der Unterseite der Eichenblätter aus den Blattrippen entspringend, aber kleiner, höchstens bis 1 cm Durch- messer; sie ist von lebhafter Färbung schön roth und weiß gebändert, Oberfläche glatt oder etwas höckerig (Fig. 15).

Die Zucht der Wespen ist einfach, wenn man zur Zeit der Reife im Oktober die Gallen einsammelt. Ich habe die Wespen Ende November und im December erhalten. Obwohl die Galle nicht selten ist hält es doch schwer eine größere Anzahl von Wespen zu erhalten, da die meisten Gallen von Schmarotzern besetzt sind.

Wespe: Länge 3—4 mm, schwarz, Augenränder, Seiten des Thorax, zwei Striche auf dem Mittelrücken, Schildehen rothbraun ; Abdomen schwarz, stark glänzend; Beine rothbraun, Trochanteren und obere Hälfte der Schenkel schwarz. Behaarung wie bei scutellaris, von der sie überhaupt nicht mit Sicherheit zu unterscheiden ist.

Zuchtversuche: Bei der geringen Anzahl dieser Wespen, die ich mir nur verschaffen konnte, habe ich größere Schwierigkeiten ge- habt, Zuchtversuche mit Erfolg anzustellen. Im November 1877 hatte ich. mehrere Wespen auf eine kleine Eiche gebracht; ich beobachiete, dass sie wie scutellaris kleine Adventivknospen aufsuchten und in diese hineinbohrten. Es war darnach wahrscheinlich, dass auch eine ähnliche Knospengalle sich bilden würde, aber das Resultat blieb negativ, ich erhielt keine Galle. Ein zweiter im Jahre 1878 angestellier Versuch blieb auch negativ. Endlich versuchte ich zum dritten Male im Novem- ber 1879 die Galle zu erzielen. Es wurden auch mehrere Knospen an- gestochen und es glückte mir im April 1880 zwei Gallen zu erhalten. Sie waren der Taschenbergi sehr ähnlich aber bei genauerem Vergleiche nicht schwer zu unterscheiden.

Es war mir dieses Resultat schon desshalb interessant, weil ich, wie mir jetzt klar wurde, die neue noch nicht beschriebene Galle früher mit der Taschenbergi zusammengeworfen hatte. Ich erhielt nämlich bei

190 H. Adler,

einem Versuche im Jahre 1876, als ich die Zusammengehörigkeit der beiden vorigen Generationen noch nicht kannte, an Blättern, die meiner Meinung nach nur von Spathegaster Taschenbergi angestochen worden waren, auch Gallen von Dryophanta longiventris. Unter den eingesammelten Taschenbergi-Gallen waren eben einige gewesen, in der Färbung auch als verschieden zu erkennen, welche mit denjenigen übereinstimmten, die ich jetzt bei meinem Zuchtversuche mit longiven- tris erhalten hatte. Diese näher zu beschreibende Galle ist:

15%?) Spathegaster similis n. sp.!.

Galle: Ungefähr 2 mm lang, der vorigen ähnlich aber schlanker und mehr zugespitzt, von grünlich grauer Farbe und sammetartiger Oberfläche. Die grünliche Farbe rührt wieder von einer peripherischen Zellenschicht her, welche ein grünliches Pigment enthält; diese Fär- bung wird aber dadurch gedämpft, dass sie mit längeren weißlichen Haaren bedeckt ist. Dieser Überzug giebt ihr zugleich den ins Graue spielenden Farbeton. Übrigens ist die stärkere und längere Behaarung ein wesentlicher Unterschied von der Taschenbergi-Galle (Fig. 15°).

Man findet auch diese Galle fast ausschließlich an den Adven- tivknospen am Fuße älterer Eichen; es kann aber auch vorkommen, dass sie aus den Knospen letztjähriger Triebe hervorgeht, welche sich nicht selten an dem Stamme der Eichen bilden. |

Dass die beiden beschriebenen Dryophanta-Arten gerade die kleinen Adventivknospen am Fuße der Eichenstämme aufsuchen, hat jedenfalls seinen Grund darin, dass zu diesen Knospen im Frühjahre der auf- steigende Saft zuerst gelangt und daher eine Gallenbildung schon ein- treten kann, während die höher sitzenden Knospen noch zu schlafen scheinen. Es ist aber für die Sommergeneration der Dryophanta ein Vortheil, wenn die Wespen die Gallen möglichst früh verlassen können, weil sie so den Nachstellungen‘der Schmarotzer eher entgehen.

Die similis-Galle liefert die Wespe bereits im Mai, fast 44 Tage früher als die Taschenbergi-Galle.

Wespe: Länge 2 mm, schwarz, Taschenbergi zum Verwechseln ähnlich, nuran der dunkleren Färbung der Beine zu unterscheiden; diese sind dunkler gelb, Schenkel und Tibien am Außenrande schwärzlich.

16) Dryophanta divisa. Galle: Von der Größe eines Rehposten, meist zu mehreren an der Unterseite der Eichenblätter, von den Blattrippen entspringend; sie

1 So genannt wegen der großen Ähnlichkeit mit der Taschenbergi-Galle.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 191

ist anfänglich von hellrother Farbe, die zur Zeit der Reife mehr ins Bräunliche übergeht. Die Galle erscheint Ende Juni und reift im Oktober (Fig. 16).

Wespe: Länge —5 mm, braunroth, schwarz sind die Fühler, die Nähte des Thorax , zwei Striche auf dem Mittelrücken, eben so der Rücken des Hinterleibes. Die Beine sind braun, nur die Trochanteren zum Theil schwarz, eben so die Tarsalglieder. Behaarung wie bei scutellaris.

Die Wespe fliegt regelmäßig bereits Ende Oktober oder Anfangs November und beginnt dann auch bald Knospen anzustechen. Es be- stätigt sich hier wieder, dass die Gallwespen ohne Ausnahme gleich nach dem Verlassen der Gallen anfangen ihre Eier zu legen, dass also keine Wespe außerhalb der Galle überwintert, um erst im nächsten Frühjahre die Eier den Knospen zu überliefern.

Mit dieser Wespe habe ich mehrfache Zuchtversuche angestellt. Im Oktober 1877 hatte ich mehrere Wespen auf eine kleine Eiche gebracht und eingezwingert; Anfangs November bemerkte ich, dass die Wespen die Knospen anstachen. Abweichend von den beiden vorigen Dryo- phanta-Arten wählte diese nicht die kleinen Adventivknospen, sondern vorzugsweise die größeren, terminalen. Es wurde wieder der Stachel auf die Spitze der Knospe aufgesetzt und senkrecht hineingebohrt; als ich eine angestochene Knospe untersuchte fand ich zwei Eier, welche unmittelbar an die Blattanlagen gelegt waren. Darnach wusste ich, dass in eine Knospe mehr wie ein Ei gelegt werden und konnte vermuthen, dass die Galle an den Blättern sich bilden würde. Die Bestätigung blieb indessen aus, weil ich gar keine Gallen erhielt.

Im Jahre 1878 wiederholte ich den Versuch; nachdem eine Anzahl Wespen eingezwingert waren fingen sie am 28. Oktober an die Knospen anzustechen. Die Wespen blieben etwa 14 Tage am Leben und stachen während dieser Zeit eine Reihe von Knospen an. Nach dem Absterben brachte ich die Eiche, zum Überwintern ins Freie. Anfang Mai des nächsten Jahres, als die Knospen zu treiben anfingen, nahm ich die Eiche zur bequemeren Beobachtung ins Zimmer. Als die Blätter sich entfalteten erschienen kleine zierliche Gallen an denselben, im Ganzen fünf; außerdem war eine direkt aus einer Knospe hervorgegangen. Diese von divisa erzeugte Gallenform ist:

16°) Spathegaster verrucosus Schltdl. Galle: Ungefähr # mm lang, von ovaler Form mit erweiterter, abgerundeter Spitze, von grüngelber oder etwas röthlicher Farbe. Die Galle hat eine eigenthümlich körnige, mattglänzende Oberfläche, dadurch

192 Ä H. Adler,

bedingt, dass die peripheren Zellen statt der Härchen kuglige Bläschen tragen, welche mit einer hellen Flüssigkeit gefüllt sind (jedenfalls eine Schutzvorrichtung gegen Schmarotzer). Bemerkenswerth ist der Sitz der Galle, indem sie theils auf den Blättern, theils an den Trieben selbst vorkommt, theils aus den Knospen entspringt. Dies hängt so zusammen, dass, wie erwähnt, von Dryophanta divisa die Eier im Allgemeinen an die Blatianlagen gelegt werden, im einzelnen Falle aber verschiedene Lagerungen stattfinden können. Eine geringe Verschiebung des Eies, durch welche es höher oder tiefer zu liegen kommt, sind für den Ur- sprung der Galle maßgebend. Liegt das Ei an der Spitze eines Blätt- chens, so entwickelt sich von diesem Punkte aus die Galle und das aus- gewachsene Blatt trägt an seiner Spitze die Galle. Kommt aber das Ei tiefer zu liegen an die Basis des Blättchens, so wird die ganze Blatt- fläche absorbirt und die Galle sitzt dem immer nachweisbaren kurzen Blattstiele unmittelbar auf. Oftmals kann es dann den Anschein haben, als wenn die Galle von dem Triebe selbst ihren Ursprung genommen hat, aber in dem Winkel, den sie mit demselben bildet, sitzt immer die kleine axilläre Knospe, ein Beweis dafür, dass die Galle das Blatt sub- stituirt. Endlich kommt der Fall vor, dass das Ei noch tiefer in die Knospenachse versenkt wird und dass dann bei der Gallenbildung die ganze Knospe in dieselbe auigeht, dass mit anderen Worten eine Knospengalle sick bildet. Diese verschiedenen Verhältnisse sind abge- bildet (Fig. 16°).

Die Galle reift bereits Ende Mai und die Wespe fliegt in den letzten Tagen des Mai oder Anfangs Juni.

Wespe: Länge 3 mm, schwarz, Thorax glatt und glänzend, nur an den Seiten matt punktirt. Schildchen rauh, am Hinterrücken spär- liche, weißliche Behaarung. Hinterleib glänzend pechschwarz ; Beine röthlichgelb, Trochanteren schwärzlich. Das Männchen eben so gefärbt, nur die Beine dunkler.

Es sind mit dieser Wespe keine Versuche angestellt worden ; nach- dem aber die Gallenbildung der agamen Generation, Dryophanta divisa, festgestellt wurde, ist es nicht zweifelhaft, dass Spathegaster verrucosus die zu jener gehörige geschlechtliche Generation ist.

IV. Biorhiza-Gruppe.

17) Biorhiza aptera Fhr. Galle: Findet sich nur an den Wurzeln der Eiche, sowohl an den dünnsten wie an den dicksten. Sie bricht aus der Rinde hervor, ist an- fänglich von weiß-röthlicher Farbe und weicher Konsistenz. Erst zur

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 193

Zeit der Reife verholzt die Galle, nimmt eine braune Farbe an und er- langt eine beträchtliche Festigkeit. Die Galle ist von sehr wechselnder Größe, die kleineren nur etwa so groß wie eine Erbse, seltener kommen sie isolirt vor, meistens verschmelzen sie zu einem größeren Kon- glomerate (Fig. 17).

Da die Galle ihrer versteckten Lage wegen schwer zu finden ist, gelangt man nicht leicht in den Besitz derselben. Um die Wespen zu erhalten, ist es einfacher, sie bei ihrem Erscheinen an den Eichen zu suchen. Die Zeitangaben über das Erscheinen weichen freilich von ein- ander ab, es sollen Exemplare im November, aber auch noch im März gefangen worden sein. Nach meinen Beobachtungen muss ich nament- lich die letztere Angabe für eine Ausnahme halten; wenigstens habe ich in hiesiger Gegend seit mehreren Jahren die Wespen regelmäßig Ende December und Anfangs Januar gefunden.

Wespe: Länge «—7 mm, ungeflügelt, Thorax schmal, an den Seiten dünn behaart, das ganze Thier gelbbraun, der Hinterleib dunkler und namentlich eine Querbinde auf der Mitte des letztern fast schwarz, Beine gleichfarbig. Die Größe der Wespe ist sehr wechselnd.

Zuchiversuche: Mit aptera habe ich. mehrfache Zuchtversuche anstellen können. Dabei überzeugt man sich sehr bald, dass die Wespe nicht an die Wurzeln der Eichen geht, um ihre Eier dort abzusetzen, sondern vielmehr nach oben strebt und an den Stämmen hinaufkriecht. Hier angekommen sucht sie vorzugsweise die größeren terminalen Knospen auf und beginnt in diese hineinzubohren. Das Stechen erfolgt in einer besonderen von anderen Gallwespen abweichenden Weise. Nachdem die zusagende Knospe gefunden ist, macht die Wespe Halt, wendet sich mit dem Kopfe nach abwärts, richtet den Hinterleib gegen die Spitze der Knospe; in dieser Stellung setzt sie den Stachel etwas unterhalb der Mitte der Knospe auf und bohrt dann direkt gegen die Basis der Knospe. Die Eier kommen tief unten in der Knospe zu liegen, in oder auf dem Gewebe, von welchem das Spitzenwachsthum ausgeht. Nachdem die Wespe den Stachel hineingebohrt hat beginnt sie in dieser Schicht, welche die Eier aufnehmen soll, einen Stichkanal neben den andern zu bohren, so dass die ganze Schicht siebartig durchbrochen wird. Ist diese Arbeit vollendet, dann werden erst die Eier successive in die Stichkanäle hineingeschoben. Die Eier liegen schließlich so dicht neben einander, dass sie wie eine zusammenhängende Masse aussehen.

Die Arbeit, welche die Wespe leistet, um in dieser Weise ihre Eier abzusetzen, ist eine ganz erstaunliche. Zunächst ist sie Stunden lang damit beschäftigt, die verschiedenen Kanäle zu bohren. Daher kommt die mir zuerst unerklärliche Erscheinung, dass, wenn auch eine Wespe

194 H. Adler,

mehrere Stunden an einer Knospe gestochen hatie, gleichwohl kein Ei hineingelangt war; es müssen erst alle Bohrkanäle für die Aufnahme der Eier angefertigt werden. Diese Arbeit erfordert jedenfalls die meiste Zeit. Über die Dauer des Eierlegens habe ich folgende Beobachtung ge- macht; eine Wespe war am 27. Januar 1878 auf eine kleine Eiche ge- bracht und begann auch bald eine Knospe anzustechen. Als sie mit der ersten Knospe fertig war, machte sie sich ohne Unterbrechung an eine neue Knospe und war im Ganzen 87 Stunden fortwährend mit Eierlegen beschäftigt. In den beiden Knospen zählte ich 582 Eier.

Für den eigentlichen Zuchtversuch hatte ich an zwei kleinen Eichen Wespen stechen lassen, von denen auch sechs Knospen angestochen worden waren. Anfangs Mai ließ sich an zwei Knospen eine Gallen- bildung erkennen. An der Basis der Knospe bildete sich eine rasch zu- nehmende Schwellung, der eigentliche Knospenkegel wurde vollständig in die Höhe gehoben und saß der Galle lose auf, ein Beweis dafür, dass die Gallenbildung von dem Vegetationspunkte an der Basis ausgeht. Ende Mai waren die Gallen ausgewachsen und erwiesen sich als die von Teras terminalis!. Mag man die Versuche mit Biorhiza aptera im Zimmer oder im Freien anstellen, man wird immer finden, dass in vielen Knospen keine Gallenbildung zu Stande kommt. Die Ursache dieser Er- scheinung ist die, dass durch den Stachel der Wespe eine weit greifende Zerstörung des Pflanzengewebes hervorgerufen wird; bleibt aber an dem Vegetationspunkte nicht eine intakte Zone übrig, so kann keine Gallen- bildung stattfinden. Eine Entwicklung der Knospe ist in keinem Falle möglich, weil die ganze Knospenachse vollständig durchsägt worden ist.

17%) Teras terminalis Fbr.

Galle: Sie geht, wie schon der Name sagt, meistens aus termi- nalen, aber auch aus axillären Knospen hervor. Sie ist von kugliger Form, sehr wechselnder Größe, indem der Durchmesser von 1—4 cm variirt. Im frischen Zustande ist sie von weißlicher Farbe, oft schön roth angeflogen und gleicht dann einem Apfel. Das anfänglich weiche und saftreiche Gewebe geht zur Zeit der Reife im Innern in festes Holz- gewebe, an der Peripherie in ein lockeres schwammiges Gewebe über. In dem verholzten Kerne liegen die zahlreichen Larvenkammern (Fig. 17°).

Die Galle reift im Juni und die Wespen fliegen im Juli aus. Bei der großen Häufigkeit der Galle wird man ohne Schwierigkeit die

1 Die Zusammengehörigkeit der beiden Generationen Biorbiza aptera und Teras terminalis ist auch von Dr. BENERINCK nachgewiesen, wie ich aus einer Mittheilung ersehe. Entomolog Nachrichten. 4880. H. V.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 195

Wespen in großer Menge erziehen können, obwohl die Gallen durch Schmarotzer massenhaft zerstört werden. Sehr verderblich wird ihnen namentlich die Larve eines Rüsselkäfers, Balaninus villosus. Ich habe diesen im Ganzen ziemlich seltenen Käfer auf den Gallen von terminalis häufiger gefunden; er höhlt mit seinem langen, dünnen Rüssel einen senkrechten Gang aus, legt ein Ei hinein und schiebt es dann mit dem Rüssel an das Ende des Ganges. Nachher frisst sich die dem Ei ent- schlüpfende Larve in verschiedenen Richtungen durch die Galle. Da gewöhnlich mehrere Eier in eine Galle gelegt werden, so wird dieselbe von den Larven so vollständig durchwühlt, dass oftmals keine einzige Larvenkammer unzerstört bleibt.

Wespe: Länge 3 mm, von gleichmäßig gelber Farbe, Hinterleib dunkler, namentlich auf dem Rücken; Männchen sind heller gefärbt. Die Weibchen sind flügellos oder mit ganz rudimentären Flügelstummeln, die Männchen geflügelt.

Zuchtversuche: Die ersten Versuche stellte ich im Juli 1876 an; ich brachte eine größere Anzahl von Wespen auf eine kleine Eiche unter einen Zwinger und beobachtete sie mehrere Tage hindurch im Zimmer. Als die Wespen anfingen ihre Eier zu legen, war mir zunächst sehr auffallend, dass sie nicht bloß in die Wurzelrinde, sondern auch in die Knospen, ja sogar in die Blattstiele hineinbohrten. Um gegen jede Täuschung sicher zu sein, untersuchte ich angestochene Knospen und Blattstiele; ich fand allerdings den Bohrkanai und in demselben das Ei. Es wurde jetzt der Zeitpunkt der Gallenbildung abgewartet; gegen Ende August gewahrte ich aus mehreren Knospen, aus einem Blattstiele und aus mehreren Stellen der Wurzelrinde gleichzeitig kleine lebhaft rothe Gallen hervorbrechen. Sie wuchsen nur langsam weiter; Ende Sep- tember hatten die Wurzelgallen zum Theil einen Durchmesser von Y, bis i cm erreicht, die Knospen- und Blattstielgallen dagegen waren nur so groß wie eine Erbse. Im Oktober verloren die beiden letzteren ihre lebhafte rothe Farbe und trockneten ein. Die Wurzelgallen schienen anfänglich gut zu durchwintern, gingen aber schließlich auch ein, so dass es mir nicht gelang eine Wespe zu erhalten.

Im Juli 1878 wiederholte ich den Versuch; neben einzelnen Kno- spengallen erhielt ich mehrere Wurzelgallen, die ich zur völligen Ent- wicklung brachte. Im Oktober hörte das Wachsthum der Gallen auf; sie waren noch von weicher saftiger Konsistenz, die Larven sehr klein. Erst im nächsten Frühjahre wuchsen sie aus und begannen zu verholzen. Durch einen unglücklichen Zufall erhielt ich freilich keine Wespen aus diesen Gallen.

Interessant war in diesem Falle die schon erwähnte Beobachtung,

196 H. Adler,

dass Teras terminalis auch Knospen ansticht. Die Annahme, dies sei nur als ein Irren des Instinktes aufzufassen, scheint mir sehr misslich. Ich sehe in dieser Erscheinung vielmehr eine von der aptera-Generation ererbte Eigenthümlichkeit. Die beiden Generationen sind einander so außerordentlich ähnlich, dass abgesehen von den bei terminalis stets vorhandenen Männchen zwischen den beiden weiblichen Wespen kein bestimmter Unterschied aufzufinden ist. Diese nahe Verwandtschaft be- kundet sich dann auch darin, dass bei Teras terminalis zum Theil die Gewohnheit fortbesteht, wie die Mutterwespe, Knospen anzubohren.

Auffallend bleibt in diesem Falle die große Ähnlichkeit der beiden Wespen trotz der so verschiedenen Entwicklung und Lebensweise. Da aptera flügellos ist so kann es von vorn herein nicht Wunder nehmen, dass die terminalis-Generation ebenfalls der Flügel entbehrt, jedoch ist dabei der Umstand zu berücksichtigen, dass die Männchen stets mit vollkommenen Flügeln ausgerüstet sind und dass auch manche Weib- chen kurze Flügelstummel besitzen. Soll man diese Rudimente als Or- gane betrachten, welche in der Rückbildung oder in der Ausbildung begriffen sind? Ich glaube in diesem Falle muss die Entscheidung da- von abhängen, ob der Besitz der Flügel den Weibchen einen größeren Vortheil als die jetzigen Rudimente gewähren würde. Wenn man aber die Wespen beim Stechen beobachtet, so wird es bald klar, dass voll- kommene Flügel ihnen von keinem größeren Nutzen sein können. Um die Stätte aufzusuchen, an denen sie ihre Eier absetzen soll, bedarf die Wespe der Flügel nicht, da sie nur nöthig hat an dem Stamme hinunter zu kriechen, um an die Wurzel zu gelangen. Aber auch in die Erde selber muss sie eindringen und das bewerkstelligt sie in der Weise, dass sie rückwärts hinabsteigt, indem sie mit dem Hinterleibe voran sich den Weg bahnt. Bei diesem Eindringen in die Erde würden ihr aber die Flügel nur hinderlich sein. Daraus geht hervor, dass die Flügellosig- keit entschieden von Vortheil für die Wespe ist.

Einer auffallenden Erscheinung bei den Zuchten von Teras termi- nalis muss noch gedacht werden; es zeigt sich nämlich, dass, während einzelne Gallen beide Geschlechter liefern, andere dagegen nur Weib- chen oder nur Männchen liefern. Es hat darnach den Anschein als wenn von einzelnen aptera-Exemplaren nur Männchen, von anderen nur Weibchen producirt würden. Man muss daher annehmen, dass schon die Eikeime zu den verschiedenen Geschlechtern differenzirt wer- den, denn auf einen andern Umstand, wie die verschieden reichliche Nahrung der Larven, wird man diese Erscheinung nicht zurückführen können.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. | 197

18) Biorhiza renum Hte.

Galle: Die kleine, nierenförmige Galle findet sich gewöhnlich in größerer Anzahl an der Unterseite der Eichenblätter, in Reihen an den Blattrippen sitzend; sie ist von grünlicher oder gelblicher Farbe, bis- weilen etwas roth angeflogen. Die Galle bildet sich erst im September, erreicht im Oktober ihre Reife und fällt dann zur Erde (Fig. 18).

Die Zucht der Wespe gelingt trotz des oft massenhaften Vorkom- mens der Gallen nicht immer leicht. Wenn im Oktober die Gallen ab- fallen, ist die Larve noch nicht ausgewachsen, es müssen daher die ein- gesammelten Gallen sorgfältig auf feuchtem Sande aufbewahrt werden. Haben sie allmählich eine dunklere bräunliche Färbung angenommen, so kann man das Wachsthum der Larve als vollendet annehmen. Jetzt müssen die Gallen im Freien durchwintert werden. Die Larve ruhi dann das nächste Jahr bis zum Oktober, worauf sie in das Puppen- stadium übergeht. Die Wespe erscheint dann während des December und Januar. Eine Anzahl von Gallen bleibt übrigens immer zurück, aus denen die Wespen erst im dritten Jahre ausschlüpfen.

Wespe: Länge 1,5 mm, ungeflügelt, das ganze Thier rothbraun, die Beine etwas heller gelbbraun. Thorax matt punktirt, Hinterrücken behaart. Abdomen fast sitzend, stark glänzend, auf dem Rücken des ersten Segmentes eine auffallende Skulptur, in der Mittellinie eine flache Rinne, daneben jederseits eine bucklige Hervorwölbung;; Fühler 13gliedrig, Labialtaster zwei-, Kiefertaster viergliedrig.

Zuchtversuche: Anfänglich war ich ganz im Unklaren dar- über, wie diese Wespe ihre Eier legen würde. Nur das ließ sich mit Bestimmtheit annehmen, dass die im Januar erscheinende Wespe nicht direkt die im September an den Blättern sich bildenden renum-Galler erzeugen würde. Nach der Konstruktion des Stachels war zu ver- muthen, dass sie Knospen anstechen würde. Es wollie mir zuerst gar nicht gelingen, die Wespe beim Eierlegen zu beobachten. Im Jahre 1878 hatte ich im December eine Anzahl Wespen gezogen, welche ich auf eine kleine Eiche brachte; zunächst blieben sie unthätig sitzen, be- gannen aber endlich umherzukriechen und an den kleinen Adventiv- knospen des Stammes mit den Fühlern zu tasten; von diesen Knospen wurden darauf mehrere angestochen.

Ende April des folgenden Jahres brach aus zwei Knospen eine kleine roth gefärbte Galle hervor, welche ich bald als die zu Trigonaspis crusta- lis gehörige erkennen konnte.

198 Dan H. Adler,

18%) Trigonaspis crustalis Htg.

Galle: Die kuglige, saftreiche weiß oder rothe Galle ist von sehr | wechselnder Größe von der einer Erbse bis zu der einer Kirsche; sie findet sich meistens unten am Stamme älterer Eichen, hier oft dicht ge- | drängt; daneben kommt sie aber auch an kleineren letztjährigen Trieben ' vor; sie geht allemal aus einer Knospe hervor uhd ist daher keine | Rindengalle. An älteren Eichen findet sie sich freilich oftmals ganz unter ' Moos versteckt, so dass es den Anschein hat, als ob sie direkt aus der ' Rinde hervorginge, aber dieses ist nicht der Fall; wenn man die Basis der Galle untersucht, so wird man immer den Ursprung aus einer kleinen Knospe erkennen können (Fig. 18°). | Um die Wespe zu ziehen darf man die sehr saftreiche Galle erst kurz vor der Reife, Ende Mai, einsammeln. Die Mehrzahl der Wespen fliegt Anfangs bis Mitte Juni. | Wespe: Länge 4 mm, Kopf und Thorax schwarz ; Abdomen leb-

haft gelbroth, nur an der Spitze schwärzlich, deutlich gestielt, glänzend, von rundlicher Form; Beine gleichfarbig gelbroth, Flügel sehr lang; Männchen und Weibchen sind von gleicher Färbung; Fühler des ersteren | 15-, des letzteren 14gliedrig, Lippentaster 3-, Kiefertaster ögliedrig. Zuchtversuche: Ich hatte diese Wespe schon wiederholt im ' Freien beim Stechen beobachtet, ehe es mir gelang festzustellen, welche | Galle sie erzeugte. Der Bau des Stachels, welcher mit dem von Spathe- gaster Taschenbergi übereinstimmt, ließ erwarten, dass sie auch Blätter | anstechen würde und schließlich beobachtete ich bereits 1876 im Juni mehrere Wespen, welche an der Unterseite der Eichenblätter in die Blattrippen hineinbohrten. Ein Zufall bereitete mir damals eine schlimme Täuschung und veranlasste mich zu der Annahme, dass Trigonaspis crustalis die früher beschriebenen, auch an den Blättern vorkommenden scutellaris-Gallen erzeugt hätte. | Im Jahre 1878 habe ich aber mit Erfolg an eingezwingerten Eichen Zuchtversuche mit Trigonaspis crustalis angestellt. Es gelingt nicht schwer, die Wespen zum Stechen zu bringen, vorausgesetzt, dass man eine Eiche mit ganz zartem Laube zur Verfügung hat. An ganz ausge- wachsene Blätter machen sich die Wespen nicht heran, sie wählen nur solche, deren Blattrippen noch weich und zart sind. Auch pflegen

1 Es waren am 24. Juni 1876 mehrere Blätter unter meinen Augen von Tri- gonaspis crustalis angestochen worden; im Juli bildeten sich an diesen Blättern die scutellaris-Gallen. Es waren dieselben Blätter also auch von Spathegaster Taschen- bergi angestochen worden; da ich versäumte später wieder nachzusehen, Kkonnie | ich nicht wissen, dass noch eine andere Galle an denselben Blättern sich bildete.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 199

sie erst gegen Abend zu stechen oder während des Tages nur im tiefen Schatten. Eine Befruchtung der Weibchen muss in diesem Falle wie- der vorausgegangen sein.

Wenn die Wespe anfangen will zu stechen, so erkennt man dies sofort an der charakteristischen Stellung, die sie einnimmt; zuerst kriecht sie an der Unterseite der Blätter umher, unablässig mit den Fühlern tastend, endlich macht sie Halt, richtet den Hinterleib fast senkrecht gegen den Winkel, welchen Blattrippe und Blattfläche bildet und schneidet dann seitlich in die Blattrippe hinein. An einem einzigen Blatte macht erustalis ganze Reihen von Einschnitten ; man sieht hinter- her deutlich die in den Rippen zurückgebliebenen Verletzungen. Ich ließ vom 6. bis 12. Juni 1878 die Wespen gleichzeitig an zwei kleinen Eichen stechen ; den einen Topf behielt ich im Zimmer, den anderen brachte ich ins Freie. Es verstrichen die beiden nächsten Monate, ohne dass eine Spur von Gallenbildung zu bemerken war. Ende August untersuchte ich einige Blätter, fand auch von den noch immer kennt- lichen Sägeschnitten ausgehend einige Eier, welche einen lebhaft sich bewegenden Embryo enthielten. Endlich am 6. September brachen gleichzeitig aus mehreren Blattrippen kleine weibliche Gallen hervor; langsam wachsend waren sie erst nach drei Wochen deutlich als die Biorhiza renum-Gallen zu erkennen. An der einen Eiche bildeten sich 60, an der anderen circa 70 Gallen. Hiermit war der Generations- cyklus vollständig beobachtet.

Bei dem morphologischen Interesse, welches die beiden Generationen bieten, habe ich eine Abbildung der Wespen beigefügt (Fig. 18 und 18%).

Ein Vergleich dieser beiden Generationen ergiebt ganz auffallendeDiffe- renzen; Form, Größe, Färbung des Körpers sind vollständig verschieden. Auch auf andere Theile des Körpers erstreckt sich die Verschiedenheit; bei erustalis sind die Fühler 14-, resp. Nögliedrig, Kiefertaster 5-, Lippen- taster 3gliedrig,, bei renum dagegen die Fühler A3gliedrig, Kiefertaster 4-, Lippentaster 2gliedrig, endlich ist der Stachel von ganz abweichender Konstruktion (siehe die Abbildung). Bei diesen wesentlichen Verschieden- heiten würde man unter andern Umständen die beiden Generationen unbedenklich als zu verschiedenen Gattungen gehörig ansehen müssen.

Anhang.

19) Neuroterus ostreus Hrt.

Obwohl es mir nicht gelungen ist, den Generationscyklus dieser Wespe festzustellen, schien es mir doch von Interesse zu sein, auch diese Art mit aufzunehmen. Obwohl sie bisher zu Neuroterus gezogen

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 1W3

200 H. Adler,

ist, unterscheidet sie sich von den früher beschriebenen Neuroterus- arten so wesentlich, dass ich es vorziehe, von diesen sie zu trennen.

Galle: Die kleine zierliche Galle ist kugelrund, 1—2 mm im

Durchmesser, geht gewöhnlich aus der Mittelrippe an der Unterseite der

Eichenblätter hervor und ist zuerst von zwei bräunlichen Klappen um- | schlossen. Später wächst sie aus den Klappen hervor, die dann ab- fallen; sie ist von weißlicher oder gelblicher Farbe, sehr oft mit röth- lichen Flecken gezeichnet. Die Galle erscheint im August und Septem- |

ber, und fällt zur Zeit der Reife zu Boden (Fig. 19).

Wenn die Galle von den Blättern sich löst, ist die Larve noch klein; es müssen daher die eingesammelten Gallen noch eine Zeit lang auf | feuchtem Sande aufbewahrt werden. Es ist mir schwer gewesen eine größere Zahl dieser Wespen zu erziehen, weil die Mehrzahl aller Gallen | regelmäßig von Schmarotzern besetzt ist. Indessen habe ich so viel er- mittelt, dass die Wespe zu verschiedenen Zeiten erscheint; die früh | reifenden Gallen, welche schon Anfangs September ausgewachsen sind, | liefern die Wespe noch in demselben Jahre, gegen Ende Oktober; da- | gegen entwickeln sich in den Gallen, welche erst im Oktober reifen, die Wespen nicht mehr in demselben Jahre, durchwintern im Puppen-

stadium und erscheinen im nächsten März.

Wespe: Länge 2,5—3 mm, schwarz, Thorax matt, sparsam weiß- lich behaart, Schildchen rauh. Fühler an der Basis etwas heller, sonst

schwarz ; Beine gleichfarbig gelbroth.

Zuchtversuche mit dieser Wespe haben mir kein Resultat ergeben; / es wurden allerdings von Wespen, die im Oktober 1878 erzogen waren, | einige Knospen angestochen, jedoch ich erzielte keine Gallen. Dass aber bei dieser Art ein Generationswechsel stattfinden muss, ist nach der Bildungsweise der Galle nicht zu bezweifeln. Die im Oktober oder März fliegende Wespe kann nicht die im August erscheinende Galle direkt erzeugen; da diese Galle erst im Spätsommer aus einer Blait- | rippe entspringt, so muss von einer anderen Generation auch dorthin

ein Ei geschafft worden sein.

Ich möchte vermuthen, dass die zu Neuroterus ostreus gehörende geschlechtliche Generation in Spathegaster aprilinus zu suchen ist. Eine gewisse Ähnlichkeit und der Bau des Stachels, welcher dazu geeignet ist, in die Rippen der Blätter zu bohren, sprechen dafür.

419%) Spathegaster aprilinus Gir. Galle: entspringt aus Knospen, von wechselnder Größe, kuglig,

weißlich oder gelbgrün, an der Basis von den Knospenschuppen um- |

geben. Sie ist sehr dünnwandig und enthält eine oder mehrere Larven-

|]

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 201

kammern, die oft schon durch äußere Abgrenzung sich zu erkennen geben. Die Galle erscheint Ende April oder Anfangs Mai und reift sehr schnell (Fig. 19%).

Die Wespe fliegt hier Ende Mai.

Wespe: Länge 2,5 mm, schwarz, Thorax etwas glänzend, Schild- chen gerunzelt, Hinterleib glänzend; Fühler schwarz, Beine dunkelgelb, Hüften und obere Hälfte der Schenkel schwärzlich. Männchen und Weibchen von gleicher Färbung.

Zuchtversuche habe ich mit dieser Wespe nicht anstellen können.

Von den sehr ähnlichen Spathegaster Taschenbergi und similis unterscheidet sich diese Art leicht durch den Stachel, der verhältnis- mäßig länger ist und vollständig spitz und gerade ausläuft.

Bei den bisher beschriebenen Gallwespen der Eiche war die interes- sante Erscheinung zu beobachten, dass ein regelmäßiger Generations- eyklus vorkommt, der sich aus zwei mehr oder weniger verschiedenen Formen zusammensetzt. Dabei ist die eine nur im weiblichen Ge- schlechte vorkommende Generation auf rein parthenogenetische Fort- pflanzung angewiesen, die andere dagegen erscheint stets in beiden Geschlechtern und eine parthenogenetische Fortpflanzung ist bestimmt auszuschließen. Dieser bei den eben beschriebenen Arten vorkommende Generationswechsel schien mir ein ganz gesetzmäßiger und allgemeiner zu sein, so dass ich anfänglich glaubte, die Frage wegen der sogenann- ten agamen Gallwespen wäre damit erledigt, dass dieselben mit den geschlechtlichen einen zusammenhängenden Cyklus von Generationen bildeten. Indessen weitere Beobachtungen haben mir gezeigt, dass das Bestehen eines Generationswechsels nicht eine allgemeine für alle Eichen- gallwespen gültige Regel ist. Es bleiben eben einzelne agame Wespen übrig, bei denen kein Generationswechsel vorkommt.

Diese allerdings nur wenigen Arten pflanzen sich stets in ununter- brochener Generationsfolge im weiblichen Geschlechte fort. Bei dem Interesse, welches es bietet, dieselben mit den anderen Arten näher zu vergleichen , lasse ich ihre Beschreibung folgen ; sie gehören sämmtlich zu dem schon früher erwähnten Genus Aphilotrix.

20) Aphilotrix seminationis Gir.

Galle: Von spindelförmiger Gestalt, gestielt oder sitzend, mit scharfen oder kaum angedeuteten Längskielen, von grüner, oft roth an- geflogener Farbe, zuerst behaart, namentlich an der Spitze, später meistens glatt. Die Galle kommt sowohl auf den Blättern als auf den Spindeln der Blüthenkätzchen vor. Bildet sich die Galle auf den

4h*

202 H, Adler,

Blättern, so erleiden dieselben auffallende Deformitäten, indem die Blattfläche bald tief eingeschnitten, bald mannigfach verkrümmt ist; bildet sie sich an den Blüthenspindeln, so sind diese immer abnorm verdickt und bleiben fast den ganzen Sommer an dem Zweige sitzen, während sie sonst nach dem Verblühen abfallen. Die Gallen erscheinen Ende Mai, reifen im Juni und fallen dann zur Erde (Fig. 20).

Diese Galle hat mit der callidoma-Galle eine große Ähnlichkeit, ist aber durch ihren Ursprung leicht zu unterscheiden, indem sie niemals wie callidoma aus einer Knospe hervorgeht.

Die Zucht der Wespe geschieht ohne Schwierigkeit; die einge- sammelten Gallen müssen eine Zeit lang auf feuchtem Sande liegen, später im Freien überwintern; im nächsten April erscheint die Wespe. Einige Gallen aber ruhen das ganze Jahr und liefern erst im zweiten Jahre die Wespe.

Wespe: Länge 3—4 mm, die Färbung ist nicht konstant gelb- braun bis dunkelbraun; die helleren Exemplare haben auf dem Mittel- rücken vier schwarze Linien von wechselnder Breite, gewöhnlich sind die Linien nicht scharf, sondern etwas verschwommen. Bei den dunkle- ren Exemplaren ist die Linienzeichnung kaum zu erkennen, der Rücken erscheint fast gleichmäßig dunkelbraun, nur das Schildchen ist hell. Die Seiten des Thorax sind weißlich behaart, im Übrigen ist er glatt und glänzend. Hinterleib oben dunkelbraun, an der Bauchfläche heller. Farbe der Beine wechselt von gelbroth bis braun, Hüften sind dunkel, Außenrand der Schenkel und Tibien schwärzlich.

Zuchtversuche: Es kam bei dieser Art darauf an, mit absolu- ter Sicherheit die Fortpflanzung festzustellen. Desshalb habe ich drei Jahre hinter einander Zuchtversuche angestellt. Die in der ersten Hälfte des April ausschlüpfenden Wespen gehen bald daran, Knospen anzu- stechen. Sie verfahren dabei ähnlich wie die Neuroterus-Arten; der Stachel wird unter die Knospenschuppen geführt, gleitet bis zur Basis hinab und wird dann in das Innere der Knospe gebohrt, worauf das Ei unmittelbar an die Blattanlagen zu liegen kommt. Im Jahre 1876 stellte ich den ersten Versuch an; am 3. bis 5. April wurden mehrere Knospen angestochen, am 28. Mai bildeten sich zwei seminationis-Gallen. Im Jahre 1877 wurden vom 13. bis 15. April sieben Knospen angestochen, worauf ich im Juni vier seminationis-Gallen erhielt. Schließlich machte ich im Jahre 1878 einen Versuch mit Wespen, die aus den Blüthengallen gezogen waren, um mich von der Identität mit den aus Blattgallen stammenden zu überzeugen. Diese Wespen fingen auch bald an, die Knospen einer kleinen Eiche anzustechen und das Resultat war, dass sich Anfangs Juni fünf seminationis-Gallen an den Blättern bildeten.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 203

Bei der Bildungsweise dieser Galle ist die Eigenthümlichkeit zu beobachten, dass, wenn an der sich entfaltenden Blattfläche die Galle als kleines behaartes Knötchen erscheint, ein längerer Stillstand des Wachsthums eintritt. Es‘ dauert fast 14 Tage bevor sie weiter wächst, bei den an den Blüthenspindeln vorkommenden oftmals noch länger. Bei letzteren ist überhaupt das erste Zeichen der beginnenden Gallen- bildung eine oft ganz monströse Verdickung der ganzen Spindel.

21) Aphilotrix marginalis Schltdl.

Galle: Die theils kegelförmige, theils ovale Galle bildei sich an den Blättern, oft sitzen mehrere an einem Blatte; sie ist von grüner Farbe. oder röthlich gestreift, die Oberfläche mit unregelmäßigen Längs- kielen, unbehaart; die Galle ist immer ungestielt und sitzt mit breiter Basis dem Blatte auf, dessen Fläche eingeschnitten oder verzogen er- scheint in Folge der Gallenbildung. Die Galle erscheint im Mai und reift im Juni (Fig. 24).

Die Zucht der Wespe ist wie bei der vorigen, sie erscheint ebenfalls im April.

Wespe: 2,5—3 mm lang, in der Färbung der vorigen sehr ähn- lich (mit Sicherheit nur nach den Gallen zu unterscheiden). Einzelne Exemplare sind noch dunkler als die vorige, von schwarzbrauner Farbe; nur das Schildchen bleibt immer hell. Die Farbe der Beine ist wechselnd von gelbroth bis dunkelbraun.

Zuchtversuche: Wiederholt habe ich mit dieser Wespe Zucht- versuche angestellt. Die im April ausschlüpfenden Wespen fangen bald an die Knospen anzustechen; sowohl 1876 als 1877 habe ich bei meinen Versuchen die Gallen erhalten. Die erste Andeutung der Gallenbildung ist eine kleine grüne oder meistens röthliche Verdickung der Blattfläche, welche sehr schnell weiter wächst. Um die Bildung dieser Galle mit der vorigen bequemer vergleichen zu können, machte ich im April 1879 einen kombinirten Versuch, indem ich diese beiden letzien Arten zu- sammen auf einer kleinen Eiche Knospen anstechen ließ. Von den bei- den Wespen wurden mehrere Knospen unter meinen Augen angestochen; ich ließ sie noch mehrere Tage darauf verweilen.

Im Mai waren die Anfänge der Gallen zu bemerken; die marginalis- Gallen waren bereits am 30. Mai vollkommen ausgewachsen, während die seminationis-Gallen erst als kleine behaarte Knötchen zu erkennen waren. Die viel schnellere Entwicklung der marginalis-Gallen, welche es mit sich bringt, dass die Reife zwei bis drei Wochen früher als bei seminationis erfolgt, dient zur sicheren: Unterscheidung der beiden Gallen. | | (er Ä

204 H. Adler,

22) Aphilotrix quadrilineatus Htg.

Galle: Dieselbe ist von ovaler, bisweilen fast rundlicher Form, glatt oder mit unregelmäßigen Furchen und Kielen besetzt, von grüner oder röthlicher Farbe; sie kommt meistens an den Spindeln der Blüthen- kätzchen vor, ausnahmsweise aber auch an den Blättern; sie erscheint im Mai und reift im Juni (Fig. 22).

Diese Galle ist der vorigen so ähnlich, dass man sie nicht mit Be- stimmtheit unterscheiden kann ; wahrscheinlich ist sie also mit derselben identisch. Eben so wie seminationis seine Gallen auf Blättern und Blüthenkätzchen erzeugt, würde auch marginalis und quadrilineatus dieselbe Art darstellen, deren Gallen ebenfalls bald auf Blättern bald auf Blüthenkätzchen sich bilden.

Obwohl diese Galle sehr häufig ist gelingt es doch nicht leicht die Wespen zu erziehen. Aus der Mehrzahl der Gallen entwickeln sich regelmäßig Schmarotzer, ferner entwickelt sich ein großer Theil der Larven erst nach zwei Jahren zum Imago ; werden daher die Gallen nicht so viel wie möglich unter den naturgemäßen Bedingungen aufbewahrt, so gehen sie zu Grunde.

Nachdem die Gallen eingesammelt sind müssen sie zunächst auf feuchtem Sande liegen, bis sie eine braune Färbung annehmen, ein Zeichen, dass die Larve ausgewachsen ist. Dann ist es am besten sie im Freien an einem geschützten Orte hinzustellen, wo sie auch während des Winters verweilen müssen. Man kann dann sicher darauf rechnen einige Wespen im April zu erhalten.

Wespe: Länge 2—3 mm, braunroth, Fühler dunkel, vier Striche auf dem Mittelrücken schwarz ; diese Zeichnung ist indessen sehr vari- abel, oftmals verbreitern sich die beiden mittleren Striche und fließen zusammen; bei sehr hellen Exemplaren dagegen sind sie oft kaum an- gedeutet. Thorax glatt und glänzend, an den Seiten etwas behaart, Schildchen rauh ; Hinterleib oben dunkelbraun, Hüften und Basis der Schenkel dunkel, eben so der Außenrand der Tibien, im Übrigen die Beine gelbbraun.

Diese Art ist bisher sehr verschieden beurtheilt und beschrieben ; bei der großen Variabilität sowohl in der Färbung der Wespe als auch in der Form der Galle hat man eine ganze Reihe verschiedener Arten aufgestellt, die indessen alle derselben Form angehören. Auffallender- weise aber ist diese Art von dem ersten Beschreiber (Harrıc) zu dem Genus Andricus gestellt, weil er auch Männchen gefunden haben wollte. Woher dieser Irrthum entstanden ist, weiß ich nicht, jedenfalls steht so viel fest, dass Männchen nicht vorkommen, auch von keinem Ento-

Über den Generationswechsel der Richen-Gallwespen. 205

_ mologen später nachgewiesen sind. Die Zuchten aus den Gallen er- geben ohne Ausnahme Weibchen.

Zuchtversuche mit dieser Art sind wieder dadurch erschwert, dass die Wespe nur die männlichen Blüthenknospen anzustechen pflegt. Da aber gelegentlich dieselben Gallen auch an den Blättern sich finden, so lag der Gedanke nahe, dass es gelingen würde von dieser Wespe Blatt- gallen zu erziehen. Bisher konnte ich aber nur einmal einen Zuchtver- such anstellen und derselbe lieferte mir kein Resultat. Wird aber er- mittelt, dass quadrilineatus eben so wohl an Blättern die Gallen erzeugen kann, wie an den Blüthenkätzchen, dann darf man diese Art gewiss mit marginalis vereinigen. Im Freien habe ich die Wespe wiederholt beob- achtet und Blüthenknospen anstechen sehen, so am 13. April 1878; die Wespe hat die Gewohnheit am Tage sich möglichst verborgen zu halten und erst gegen Abend die Knospen anzustechen. Ich bezeichnete da- mals sieben Knospen, die unter meinen Augen angestochen wurden und konnte im Mai die Wahrnehmung machen, dass an den Kätzchen sämmt- licher Knospen die quadrilineatus-Gallen sich gebildet hatten.

23) Aphilotrix albopunctata Schltdl.

Galle: Sehr zierliche Knospengalle, einer kleinen Eichel ähnlich, 4—5 mm lang, von grünlichgelber oder bräunlicher Farbe mit weiß- lichen Flecken, an der Spitze mit deutlich abgesetztem Nabel. Die Galle bricht Anfangs Mai aus den Knospen hervor, reift bald und fällt Ende Mai zur Erde (Fig. 23).

Die Wespe ist leicht zu ziehen und erscheint im nächsten April; auch bei dieser Art erscheinen einige Wespen regelmäßig erst im zwei- ten Jahre.

Wespe: Länge 3—4 mm, gelbbraun, Fühler schwarz mit Aus- nahme der Basalglieder, welche unten gelb sind, Kopf und Thorax gelb, auf dem Mittelrücken vier schwarze Striche, entweder scharf und schmal oder verbreitert, im letzteren Falle die beiden mittleren zusammen- fließend, Thorax glatt, an den Seiten behaart, Schildchen rauh. Hinter- leib gelb, oben schwarz, Beine gelbroth, Basis der Hüften dunkel. Die Wespe hat große Ähnlichkeit mit callidoma, ist aber durch die ange- gebene hellere Färbung der Fühler zu unterscheiden, welche bei jener ganz dunkel sind.

Zuchtversuche: Im Jahre 1875 im April beobachtete ich die Wespe zum ersten Male, wie sie auf einer Knospe sitzend beschäftigt war dieselbe anzustechen. In Jahre 1876 stellte ich einen Versuch an, indem ich mehrere Wespen auf eine kleine Eiche brachte. Obwohl einige Knospen angestochen wurden, erhielt ich doch keine Galle. Bei

206 H. Adler,

einem neuen Versuche 1877, wo 10 Wespen am 14. April auf eine kleine Eiche gebracht wurden und darauf mehrere Knospen anstachen, gelang es mir die Galle zu erhalten. Am 10. Mai brach die erste Galle aus einer Knospe hervor, dann folgten noch vier, im Ganzen erhielt ich fünf albo- punctata-Gallen. Damit war die Frage entschieden, dass Aphilotrix albopunctata dieselbe Galle erzeugt, aus der sie hervorgeht.

Im Vorstehenden habe ich die Lebens- und Fortpflanzungsweise einer Anzahl von Eichen-Gallwespen auf Grund mehrjähriger Beob- achtungen geschildert. Die vorgeführten Arten, der hiesigen Fauna an- gehörig, ergeben zugleich ein ziemlich vollständiges Bild der überall im nördlichen Deutschland vorkommenden Eichen-Gallwespen. An süd- deutschen Arten, also namentlich an denjenigen, welche ganz auf Quer- cus cerris angewiesen sind, habe ich bisher keine Beobachtungen an- stellen können. Ein weites Gebiet der Forschung und Beobachtung bleibt dort noch übrig.

Die sämmtlichen in ihren Generationsverhältnissen beschriebenen Arten lasse ich jetzt der bequemeren Übersicht halber in einer tabel- larischen Zusammenstellung folgen , zunächst diejenigen , bei denen ein Generationswechsel, dann diejenigen, bei denen eine einfache Gene- rationsfolge stattfindet.

I. Cynipiden mit Generationswechsel.

Nr. || Parthenogenetische Generation | Flugzeit | Geschlechtliche Generation || Parthenogenetische Generation | Flugzeit Geschlechtliche Generation | Flugzeit

A Neuroterus lenticularis April Spathegaster baccarum | Juni März | :

3 N. laeviusculus April Sp. albipes Juni 3 N. numismatis April Sp. vesicatrix Juni 4 N. fumipennis Mai Sp. tricolor Juli 5 Aphilotrix radicis is Andricus noduli August 6 A. Sieboldi u A. testaceipes August April | Juli 7 A. corticis Mai A. gemmatus August 8 A. globuli April | A. inflator en 9 A. collaris April a curvator Juni 10 A. lecundatrix April A. pilosus Juni AA A. callidoma April A. cirratus Juni 12 A. Malpighii April A. nudus Juni 13 A. autumnalis April A. ramuli Juli Januar * Mai

Ah Dryophanta scutellaris Fehrlär Spathegaster Taschenbergi juni 45 D. longiventris November SD similis no Oktober Mai

16 D. divisa |November! Sp. verrucosus Aa

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 207

Nr. || Parthenogenetische Generation | Flugzeit | Geschlechtliche Generation | Flugzeit EEE EEE TEE EETTIERENDTRREET EBENE THFETUNUOWNREITTHT CANSTTo SHHUESNDESDIISTEREN a December a 47 Biorhiza aptera Tafisr Teras terminalis Juli | December ; £ Mai | ST ß : 18 B. renum | Januar Trigonaspis erustalis ar | November Br Mai r S 49 Neuroterus ostreus März Spathegaster aprilinus? Ber !

II. Cynipiden ohne Generationswechsel.

Ausschließlich parthenogene-

er | tische Art uliezeiı 20 | Aphilotrix seminationis April 24 | A. marginalis April 22 A. quadrilineatus April 3311| A. albopunctata April

Il

Kapitel IM. Über die Gallenbildung der Gallwespen.

Bei der im vorigen Kapitel entworfenen Biographie der Eichen- Gallwespen ist wiederholt auf die Wichtigkeit einer genauen Erforschung der Gallen hingewiesen. Das Studium der Wespen muss mit den Gallen beginnen, sie liefern unter allen Umständen das beste und oft das einzige Unterscheidungsmerkmal nahe verwandter Arten, sie spielen endlich in der Ökonomie der einzelnen Art die wichtigste Rolle, weil die Zeit, während welcher sie dem Individuum, sei es als Larve, sei es als Imago, zum Aufenthalte dienen, die längste in der ganzen Lebens- dauer ist. Ich will daher versuchen eine allgemeine Darstellung der Gallenbildung zu geben.

Trotz der großen Mannigfaltigkeit der Gallen in Form und Bildungs- weise, in Größe und Aussehen können wir sie doch auf einen gemein- samen Ursprung zurückführen. Mögen sie aus Knospen oder Blättern, aus der Rinde des Stammes oder der Wurzel hervorgehen, der Mutter- boden, aus dem sie entspringen, hat stets die gleiche physiologische Dignität. Dieser ist nämlich diejenige Zone bildungsfähiger Zellen, welche als CGambiumring bezeichnet, von den feinsten Wurzelfasern beginnend bis in die Blattflächen hinaufsteigt und wie ein Schlauch die ganze Pflanze umhüllt. Von den Zellen des Cambiumringes geht das ganze vegetative Leben aus; diese Zellen sind Stätten eines regen Stoffwechsels, sie sind noch nicht zu einem stabilen Gewebe differenzirt, sondern stehen vor einer Periode lebhafter Entwicklungsvorgänge. Ein derartiges

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Gewebe, welches die genannten Eigenschaften besitzt, ist die Grundbe- dingung für die Gallenbildung.

Nachdem also in die Region dieses Gewebes ein Ei von der Gall- wespe hineingeschafft worden ist, was erfolgt dann? Zunächst hat der Akt des Eierlegens an sich gar keine Wirkung. Der bloße Stich und die dadurch gesetzte Verwundung des Pflanzengewebes giebt noch keinen Anlass zur Gallenbildung. Allerdings wurde bisher vielfach ange- nommen, dass durch den Stich der Gallwespe und ein gleichzeitig er- gossenes Drüsensekret eine specifische Zellenthätigkeit angeregt würde, welche der Gallenbildung zu Grunde liegt. Es lag diese Vermuthung um so näher, weil man aus vielen Vorgängen bei den Pflanzen schließen konnte, dass der Reiz, den eine Verwundung mit sich bringt, eine ge- steigerte Zellenproduktion bewirken kann; ein Beweis dafür sind die Überwallungen der Rinde an Sägeschnitten. Nach analogen Erschei- nungen der thierischen Gewebe dachte man sich, dass die Zelle auf den traumatischen Reiz in der Weise reagirte, dass sofort eine Zunahme des Stoffwechsels und damit eine Produktion neuer Zellen stattfände. Dazu kam für die Gallwespen die sehr verführerische Hypothese, dass durch das aus der Giftdrüse gleichzeitig in die Wunde ergossene Sekret ein specifischer Reiz auf die Zellenthätigkeit ausgeübt werde und dass auf diese Weise jede Art ihre besonders geformte und ausgerüstete Galle erzeugte. Bei dieser Voraussetzung blieb freilich nichts Anderes übrig als jeder Art ein specifisches Sekret zuzuschreiben. Diese Ansicht über die Gallenbildung findet man noch bis in die jüngste Zeit, z. B. von Lussock ! ausgesprochen. Es hat aber bereits 1873 Professor Tuomas in Ohrdruf sich gegen diese Erklärung der Gallenbildung ausgesprochen. Nach meinen vielfachen Untersuchungen bin ich zu demselben Resultate gekommen, dass bei den Eichen-Gallwespen der bloße Stich der Wespe die Gallenbildung nicht hervorruft, dieselbe vielmehr erst dann beginnt, wenn die Larve aus dem Ei hervorgegangen ist.

Zu erwähnen aber ist, dass dieser Ausspruch zunächst nur für die Eichen-Gallwespen Gültigkeit hat, denn es giebt Gallen erzeugende Wespen aus einer anderen Klasse der Hymenopteren, welche die Gallen in der früher angenommenen Weise erzeugen. Bei einer Art Nematus Vallisnierii habe ich diesen Vorgang genauer untersucht. Die Wespe mit einem feinen sägeartigen Stachel ausgerüstet schneidet in die zarten Blättchen der Endtriebe von Salix amygdalina ein und schiebt ihre Eier in die geöffnete Wunde hinein ; häufig werden in dasselbe Blatt mehrere Eier gelegt. In die Wunde des Blattes fließt gleichzeitig von dem Drüsen-

1 LUBBOCK, Ursprung und Metamorphosen der Insekten. 1876. p. 8.

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sekret etwas hinein. Schon wenige Stunden nach der Verletzung nimmt die Blatifläche ein anderes Aussehen an und es beginnt eine reichliche Neubildung von Zellen, die bald zu einer umschriebenen Verdickung der Blattfläche führt. Nach Verlauf von etwa 14 Tagen ist die bohnen- förmige, grünlich-röthliche Galle vollständig ausgewachsen. Öffnet man sie jetzt, so liegt in dem kleinen centralen Hohlraume immer noch das Ei, die embryonale Entwicklung ist noch nicht vollendet; erst nach drei _ Wochen schlüpft die Larve aus. Sie findet rings um sich das fertige Ernährungsmaterial vor. In diesem Falle wird also durch die von der Wespe bewirkte Verwundung sofort die Zellenthätigkeit zu einer Gallen- bildung angeregt.

Bei einer anderen Abtheilung Gallen erzeugender Insekten, den Gecidomyia-Arten, kann wieder von einer Verwundung der Pflanzenzelle keine Rede sein, weil ihnen der Stachel fehlt. Sie vermögen das Ei nur mit einer lang vorstreckbaren Legeröhre in eine sich öffnende Knospe zu schieben; die ausschlüpfende Larve ruft erst die Gallenbildung hervor.

Bei den Gallwespen wird ebenfalls erst durch die ausschlüpfende Larve die Galle erzeugt, wie sich unschwer nachweisen lässt. Bei den Zuchtversuchen wiederholt sich nämlich immer die Erscheinung, mögen die Wespen in Knospen oder in Blätter ihre Eier gelegt haben, dass nach dem Stich zunächst keine Reaktion des betreffenden Pflanzenge- webes eintritt. Öffnet man die Knospen, in welche Eier gelegt sind, so findet sich im Innern der Knospe , abgesehen von dem feinen Stichkanal gar keine Veränderung, so lange die Larven noch nicht ausgeschlüpft sind. Bei den Blätter anstechenden Gallwespen lässt es sich noch leichter kontrolliren. Ist z. B. von Spathegaster baccarum ein Blatt an- gestochen, so sieht man deutlich die Stelle wo der Stachel eingedrungen ist, aber während der ersten 14 Tage tritt eine weitere Veränderung der Blatifläche nicht ein, sondern erst mit dem Ausschlüpfen der Larve. Unzweifelhaft wird bei dem Stechen gleichzeitig etwas Sekret der Gift- drüse in die Wunde gelangen, welches eben den vom Stachel gemachten Schnitt in die Blattfläche verkleben soll; aber irgend einen Reiz auf die Zellenthätigkeit übt dieses Sekret nicht aus. Noch weit frappanter ist dieser Vorgang bei Trigonaspis crustalis; wenn von dieser Wespe im Mai Blätter angestochen worden sind, so vergehen Monate, bevor eine Spur von Gallenbildung zu bemerken ist. Die Wespe schneidet mit ihrem ziemlich kräftigen Stachel in die Blattrippen hinein und hinter- - lässt dadurch eine deutliche Spur, wo ein Ei abgesetzt wurde. Man kann von dieser geführt leicht einige Eier aufsuchen; erst im September schlüpfen die Larven aus und dann beginnt die Gallenbildung.

Natürlich wird es von Interesse sein, den Zeitpunkt wahrzunehmen,

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wo die Larve dem Ei entschlüpft und die Gallenbildung einleitet. Leider ist dies recht schwierig. Mag das Ei in einer Knospe oder in einem | Blatte eingeschlossen sein, stets ist es dem Blicke entzogen und es hält | schwer den Moment abzupassen, wo die Larve ausschlüpft. Es ist mir gelungen einige Male bei Neuroterus laeviusculus und Biorhiza aptera | dieses Stadium zu beobachten. In dem Augenblicke nun, wo die Larve die Eihaut durchbrochen hat und zum ersten Male mit den feinen Kiefern | die nächstgelegenen Zellen verwundet, beginnt eine rapide Zellen- wucherung. Dieselbe geht so rasch von statten, dass, während die Larve mit dem Hinterleibsende noch in der Eihaut steckt, vorn bereits eine wallartige Wucherung von Zellen sich erhebt. Man kann sich freilich diese schnelle Zellenvermehrung wohl erklären, weil der von der Larve ausgehende Reiz im höchsten Grade bildungsfähige Zellen triffı, die alle Bedingungen zu neuem Wachsthume in sich vereinigen.

Zunächst bilden sich um die Larve herum Zellen, die von den um- gebenden Parenchymzellen, aus denen sie hervorgehen , nicht zu unter- scheiden sind. Es scheint bei der Gallenbildung sich immer der Vor- gang zu wiederholen, dass zunächst nur eine einfache Zellenvermehrung | stattfindet. Die Galle ist nicht anzusehen wie ein Parasit, der in das | umgebende Gewebe hineinwächst, sondern besteht zunächst aus den- selben Elementen wie dieses und substituirt dasselbe. Daher erfolgt im Allgemeinen das Wachsthum der Galle nach Maßgabe der betreffenden Zellenschicht, in welche das Ei gelegt wurde. Nehmen wir den einfach- sten Fall, dass das Ei in ein Blatt gelegt wurde. Dann beginnt die Gallenbildung in der Lage bildungsfähiger Zellen an der unteren Blatt- fläche; die oberen Schichten des Blattes bestehen aus stabil gewordenen Zellen, die sich nicht weiter verändern, auf einen Reiz, der sie trifft, nicht reagiren und zu keiner Bildung neuer Zellen fähig sind. Nur von den Zellen der unteren Fläche kann eine Neubildung ausgehen. Die Gallenbildung nimmt nur einen kleinen Bezirk umgebender Zellen in | Anspruch, erhält aber bald die eigenen neu gebildeten Gefäßstränge und beginnt dann als selbständiges Gebilde weiter zu wachsen.

Anders verhält es sich, wenn das Ei in eine Knospe gelegt war und _ die ausschlüpfende Larve eine der kleinen Blattanlagen vorfindet. Die- selbe besteht noch aus gleichwerthigen Zellen, welche, mögen sie der oberen oder unteren Blattfläche entsprechen, alle in gleicher Weise eni- wicklungsfähig sind; in Folge dessen nehmen sie alle an der Gallen- bildung theil und es entsteht ein vollständiger Defekt in der späteren entfalteten Blaitfläche; wir haben eine sogenannte durchwachsene Galle vor uns. | Anders wiederum verhält es sich, wenn das Ei in den Cambiumring

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der Rinde gelegt wird. Hier bildet sich zuerst um die Larve eine Zellen- wucherung, die sich von den umgebenden Zellen des Gambiumgewebes gar nicht unterscheidet. Im weiteren Verlaufe tritt scharf ein polarer Gegensatz hervor; die periphere Zone des Cambiumringes liefert die Epidermiszellen der Rinde, die centrale dagegen die Holzzellen. Eben so bildet sich ein centrumwärts verholzender Pol der Galle, dagegen ein peripherer aus saftreichen Parenchymzellen bestehender. Wir wissen aber, dass alle Rindengallen mit ihrer verholzten Basis mehr oder weni- ger tief in den Holzkörper hineinreichen, dagegen mit der anfänglich stets weichen und fleischigen Spitze aus der Rinde hervorragen.

Die um die Larve herum sich bildenden Zellen lagern sich in regel- mäßigen concentrischen Kreisen. Aber bei der Zellwucherung bleibt es nicht, auch der Stoffwechsel der Zellen wird alterirt. Die der Larve zunächst liegenden Zellen schwellen an, ihr Inhalt wird trübe und es zeigt sich eine Anhäufung von Amylumkörnchen. Diese erste Anlage der Galle bezieht ihr Nahrungsmaterial zunächst aus dem umgebenden Gewebe, erhält später aber eine größere Selbständigkeit, indem ein neues Element zum weiteren Aufbau hinzukommt. Von den in der Cambiumschicht liegenden Spiralgefäßen werden in die Gallenanlage Fortsätze getrieben. Der Eintritt dieser Gefäße erfolgt immer an einer umschriebenen Stelle, an der unteren Fläche der Galle, mag sie mit breiter Basis oder schmalem Stiel dem Mutterboden aufsitzen.

Jetzt ist die Galle ein selbständiges Gebilde geworden, dem direk- ten Einflusse der umgebenden Zellenregion, aus welcher sie hervorging, entzogen. Die eigenartige Organisation äußert sich jetzt darin, dass es zu der komplicirtesten Umbildung der ursprünglich morphologisch gleichen Zellen kommt; namentlich sind es die peripheren Zellen, welche durch Aufnahme eigenthümlicher Pigmentstoffe oder durch Aus- wachsen zu verschieden gestalteten Haargebilden eine erstaunliche Mannigfaltigkeit der Differenzirung an den Tag legen. Wie freilich diese Differenzirung vor sich geht, die jeder Galle ihr individuelles Gepräge, wie räumliche und zeitliche Umgrenzung verleiht, das ist ein dunkler Punkt.

Der Hauptzweck dieser Bildung ist im Allgemeinen der, für die Galle Schutzvorrichtungen zu liefern. Namentlich die Behaarung tritt in außerordentlich verschiedenen Formen auf, bald als zarter Anflug bald als dichter Filz. Bisweilen schwitzen die Härchen einen klebrigen

Saft aus, der die Schmarotzer verhindert an die Galle heranzukommen;;

auch glatte Gallen, wie Aphilotrix Sieboldi, secerniren einen Saft, der, wie schon erwähnt, Ameisen anlockt. Wie Wächter beschützen sie die

212 H. Adler,

Gallen, jagen andere Insekten fort und bauen oftmals einen Mantel von Erde um die Gallen. |

Für den normalen Verlauf der Gallenbildung ist ferner der Einfluss der Larve ein nothwendiger Faktor. Denn es lässt sich nicht verkennen, dass, wenn vor dem abgeschlossenen Wachsthume der Galle die Larve | zu Grunde geht, jedes Mal eine Missbildung der Galle entsteht. Schon | bei Beschreibung der fecundatrix-Galle wurde erwähnt, dass in vielen Fällen sich eine kleine, rundliche, unentwickelte Innengalle findet und | dass diese regelmäßig Schmarotzer beherbergt; ähnlich geht es bei der | collaris-Galle, wenn sie von Schmarotzern angestochen wird; sie ver- | wächst dann anomalerweise mit der Knospenbasis. An den Gallen von | Aphilotrix Sieboldi finden wir häufig eine analoge Erscheinung; wird die in der Entwicklung begriffene Galle von einem Schmarotzer ange- stochen, so bleibt sie kleiner, ragt kaum aus der Rinde hervor, ist nicht, wie die normal entwickelte, regelmäßig gestreift, hat überall ein so ver- schiedenes Aussehen, dass man sie früher für eine besondere Art ge- halten hat. Jedenfalls steht so viel fest, dass der Einfluss der Larve | nicht bloß für die erste Anlage der Galle, sondern auch für die spätere, regelmäßige Ausbildung nothwendig ist. Kreisförmig lagern sich die ersten Zellen um die Larve und weisen damit auf den centralen Punkt hin, von dem ihr Wachsthum fortdauernd beherrscht wird.

Erwähnenswerth ist hier noch ein Vorkommen, welches leicht einen ' verhängnisvollen Irrthum veranlassen kann. Es wird nämlich von einer später erscheinenden Gallwespe die von einer anderen früher fliegenden Art bereits hervorgerufene Gallenbildung auch als Stätte für die zu er- zeugende Galle benutzt. In einem Falle habe ich dieses Zusammentreffen genau beobachten können. Die Galle der Aphilotrix fecundatrix, welche | . von dem kleinen Andricus pilosus erzeugt wird, bildet sich Ende Juni oder Anfangs Juli; anfänglich erkennt man sie nur an einer Vergröße- rung und Ausdehnung der betreffenden Knospe. Um diese Zeit aber fliegt Andricus curvator, der seine Eier auch wieder in Knospen lest; bei dem häufigen Vorkommen der fecundatrix-Galle ereignet es sich nun gar nicht selten, dass Andricus curvator auch ein Ei in dieselbe Knospe legt, schon aus dem Grunde, weil der Stachel in die sich aufblähende | Knospe leichter eindringt. Später findet man dann an der Basis der . reifen fecundatrix-Galle zwischen den Knospenschuppen die collaris- | Galle, welche durch Andricus curvator erzeugt ist. Ich habe in einer fecundatrix-Galle mehrmals zwei und drei collaris-Gallen gefunden. Da | nun die collaris-Galle ihrer Kleinheit wegen leicht übersehen werden kann, so leuchtet es ein, dass bei einer Zucht der Wespe sehr leicht ein Zweifel über ihre Herkunft entstehen kann. Diese Eigenthümlichkeit |

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Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 313

von Andricus curvator, die Anlage der fecundatrix-Galle auch zu be- nutzen ist übrigens auch desshalb von Interesse, weil unzweifelhaft durch weitere Ausbildung dieser Gewohnheit die Inquilinen sich von dem Stamme der so nahe verwandten Gynipiden abgezweigt haben. Die zahlreichen Inquilinen der Eichen-Gallwespen, welche regelmäßig die Mehrzahl aller Gallen in Besitz nehmen, die schlimmsten Feinde für unsere Beobachtungen, sind in ihrer ganzen Organisation den echten Gallwespen so nahe verwandt, dass sie nur durch geringfügige Merk- male sich unterscheiden. Daher sind sie ohne Zweifel aus jenen hervor- gegangen. Durch Benutzung der schon gebildeten Galle wird für die Nachkommenschaft weit sicherer gesorgt und desshalb sind die Inqui- linen gewöhnlich viel leichter zu erhalten als die rechtmäßigen Erzeuger.

Aus der früheren Beschreibung der einzelnen Gallen ist bekannt,

dass dieselben sich an allen Theilen der Eiche bilden können, an den

Blättern, Blüthen, am Stamme, an der Wurzel, in den Knospen. In allen diesen Regionen findet die Gallwespe dieselbe bildungsfähige Zone, in die das Ei nur hineingeschafft zu werden braucht, damit die aus- schlüpfende Larve die Gallenbildung anregen kann. Wir wissen auch, dass die Gallwespe in dieser Hinsicht mit richtiger Wahl verfährt, indem sie bald die zarten Blätter, bald die terminalen Knospen, bald die Blüthenknospen aufsucht. Gleichwohl bleibt eine Menge von Gallen aus, wie schon mehrfach erwähnt wurde, wenn auch unzweifelhaft ein Ei von der Wespe gelegt wurde.

Woher rührt dieses häufige Ausbleiben der Gallen? Man könnte zunächst glauben, dass eine Störung der embryonalen Entwicklung ein- getreten wäre, allein dagegen muss ich bemerken, dass ich nur in seltenen Fällen ein abgestorbenes Ei gefunden habe, welches nicht zur Entwicklung gelangt war. Die Ursache liegt anders wo. Bei den ver- schiedenen Zuchtversuchen wurde wiederholt darauf aufmerksam ge- macht, dass regelmäßig eine große Anzahl von Gallen ausbleibt. Am deutlichsten lässt sich diese Erscheinung bei den Gallwespen nach- weisen, welche Knospengallen erzeugen und daher nur je ein Ei in eine Knospe legen. Von den im Sommer fliegenden Arten können natürlich nur Winterknospen angestochen werden, welche eigentlich für die nächste Vegetationsperiode bestimmt sind. In diesem Umstande könnte man einen Grund für das Ausbleiben der Gallen suchen und annehmen, dass die vorzeitige, anomale Entwicklung der Winterknospen oftmals nicht eintritt. Allein nach allen Beobachtungen kann dieses allein nicht die Ursache sein, die Hauptbedingung für die Entstehung der Galle ist die richtige Lage des Eies. Die Gallenbildung wird nicht ausbleiben, wenn die aus dem Ei schlüpfende Larve das dafür erforderliche

214 H, Adler,

Zellenterritorium trifft. Zu dem Ende aber muss von der Wespe mit der größten Genauigkeit das Ei gelegt werden. Gerade in den Fällen, wo Winterknospen angestochen werden, muss das Ei genau in die Zone des Cambiumringes, der sich als ein schmaler Saum in die Basis des Knospenkegels erstreckt zu liegen kommen. Wir sehen nämlich, dass aus den angestochenen Winterknospen ausnahmslos nur Knospen-, nie- mals Blattgallen hervorgehen, ein Beweis dafür, dass eine Entfaltung der Blätter durch die Larve nicht erreicht werden kann, sondern dass nur von der Zone des Cambiumringes die Gallenbildung ausgehen kann. Wird also von der Wespe das Ei nicht ganz genau so gelegt, dass die aus- schlüpfende Larve den schmalen Cambiumring erreichen kann, dann geht sie zu Grunde ohne eine Galle zu bilden. Bedenkt man aber die große Schwierigkeit für die Wespe, jedes Ei so genau zu legen, so darf man sich nicht wundern, wenn viele Eier fehlerhaft zu liegen kommen. Man darf auch nicht glauben, dass die ausschlüpfende Larve sich in irgend einer Weise fortbewegen kann; dazu fehlen ihr die Hilfsmittel und überdies liegt das Ei von dem Gewebe der Knospe so fest umschlossen, dass schon aus diesem Grunde ein Weiterkriechen der Larve nicht mög- lich ist.

Ich glaube wohl, dass in allen Fällen, wo Knospen in der Weise angestochen werden, dass die ausschlüpfende Larve eine Knospengalle erzeugt, das. häufigste Fehlschlagen eintritt; viel seltener kommt dies bei den Arten vor, welche Blattgallen erzeugen, weil in diesen Fällen die Wespe das umfangreichere Territorium der rudimentären Blattan- lagen innerhalb der Knospe benutzen kann. Gewiss wiederholt sich auch hier dasselbe, dass einzelne Eier nicht unmittelbar in den Bereich der Blattanlagen gelegt werden und desshalb zu Grunde gehen müssen.

Dass eben eine fehlerhafte Lagerung des Eies der Hauptgrund für das häufige Ausbleiben der Gallenbildung ist, findet auch darin seine Bestätigung, dass in den Fällen, wo die Wespe nicht leicht die Zone der Cambiumschicht verfehlen kann, in der Regel kein Fehlschlagen beob- achtet wird. Dies gilt für die Wespen, welche in die Rinde und in die Blattfläche bohren ; es braucht nur die äußere Epidermislage durchbohrt zu werden. In annähernd gleicher Tiefe liegt stets die gesuchte Zellen- region, während bei den Knospen mit sehr verschiedener Ausbildung, bald längerem, bald kürzerem Bau der Knospenachse, das Maß für die Tiefe, bis zu welcher das Ei versenkt werden muss, ein sehr wechseln- des ist.

Eng an die Vegetationsperioden der Eiche gebunden hört mit den: Abschlusse dieser Perioden auch für die Galle die weitere Entwicklung auf; daher sehen wir die meisten Gallen in einer jährlichen Periode sich

Über den Generationswechsel der Richen-Gallwespen. 315

vollenden. Einzelne Arten freilich giebt es, welche eine zweijährige Periode in Anspruch nehmen. In diesem Falle aber sind es allemal Rindengallen ; im ersten Jahre bildet sich die Anlage der Galle, deren Weiterentwicklung bis zum nächsten Frühlinge ruht, worauf mit der neuen Vegetationsperiode die Ausbildung der Galle erfolgt.

Kapitel IV.

Der Stechapparat, das Eierlegen, die Bedeutung und Funktion des Eistieles.

Die Gallenbildung ist, wie aus dem Vorstehenden erhellt, ein kompli- _ eirter Vorgang und setzt bei der Wespe einen sehr vollkommenen Appa- rat voraus, damit auch jedes Ei genau an die Stätte geschafft wird, von welcher die Gallenbildung ausgehen kann. Wir sehen daher die Gall- wespen mit einem besonders konstruirten Stechapparat ausgerüstet. Bei der großen Wichtigkeit desselben scheint eine kurze Beschreibung am Platze zu sein.

Der eigentliche Stachel besteht aus drei Stücken, für deren Be- zeichnung die einmal von KrarpzLin! eingeführte Nomenklatur beibehal- ten werden soll; es sind die Schienenrinne und die beiden Stechborsten. Die beiden Stechborsten sind paarige Stücke, auch die Schienenrinne ist an ihrem Ursprunge deutlich aus zwei getrennten Hälften zusammen- gesetzt; im weiteren Verlaufe aber sind die beiden Hälften fest zu einem Ganzen verschmolzen. Dieser Stachel ist nun mit zwei besonders ge- stalteten, während der Ruhelage im Hinterleibe ganz versteckten Chitin- platten verbunden, ich unterscheide diese beiden Platten als die vor- dere (äußere) und hintere (innere); über diese Bezeichnung kann kein Irrthum entstehen, wenn man den Stachel so vor sich legt, wie es der natürlichen Lage im Hinterleibe der Wespe entspricht. Die beigegebenen Zeichnungen zeigen allemal den Stachel in dieser Lage. Die beiden Platten sind, wie ein Blick auf die Zeichnungen lehrt, von sehr ver- schiedener Form und geben dadurch wesentlich dem Stechapparate der verschiedenen Arten sein besonderes Gepräge. Stets aber bleibt ihre Verbindung mit dem Stachel dieselbe, wie auch die Muskelgruppen in. derselben Weise bei den verschiedenen Stacheln sich wiederholen.

Die Verbindung mit dem Stachel ist folgende; am Ursprunge jeder Stechborste befindet sich ein breites fast dreieckiges Ansatzstück (von KrarpeLin Winkel genannt), welches mit der vorderen wie mit der hinte- ren Platie gelenkartig verbunden ist. Es sind Charniergelenke, doch ist

1 KrAEPELIN, Diese Zeitschr. Bd. XXIII. Heft 2. 1872. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 15

216 H. Adler,

die Gelenkverbindung mit der hinteren Platte eine freiere und mehr | bewegliche wie die mit der vorderen Platte. Diese doppelte Gelenkver- | bindung der beiden Stechborsten hat einerseits den Zweck, dass sie | leicht hin und her geschoben werden können, andererseits dass sie nicht aus ihrer Lage weichen können.

Um nun die Stechborsten in Bewegung zu setzen dienen verschie- | dene Muskeln, deren Zug aber zunächst nur auf die beiden Platten wirkt, mit denen die Stechborsten durch Gelenke verbunden sind. Jede durch Muskelkontraktion hervorgerufene Verschiebung der Platten | wird durch die Gelenkverbindung auch auf den Winkel übertragen und | dadurch die mit dem Winkel verbundene Stechborste in Bewegung ge- setzt. Die einzigen möglichen, aber für das Stechen auch nur noth- wendigen Bewegungen bestehen in einem Vor- und Rückgleiten der | Stechborsten. Gleichwohl dienen zur Ausführung dieser Bewegungen | mehrere Muskeln. Zunächst ist aber noch der zweite Theil des Stachels, | die Schienenrinne, zu betrachten. |

Die Schienenrinne ist nur mit den beiden vorderen Platten ver- | bunden; wie der ganze Stechapparat ist sie dadurch ebenfalls paarig in ihrer Anlage. Von dem oberen Rande jeder vorderen Platte geht näm- | lich der sogenannte Bogen aus, der direkt in die Schienenrinne über- | geht. Da wo die beiden Bogen zusammenstoßen, ist der eigentliche Ursprung der Schienenrinne. An der unteren Fläche trägt die Schienen- rinne gerade an diesem Punkte einen stark chitinisirten Vorsprung (als Horn bezeichnet), der von Wichtigkeit ist, weil an denselben ein starker ' Muskel sich inserirt. Der Schienenrinne bleibt in Folge ihres Ursprunges und der Art ihrer Befestigung nur ein geringer Grad von Beweglichkeit.

Das Chitingerüst des Stechapparates kommt zur Anschauung, wenn man den letzteren aus dem Hinterleibe der Wespe herausnimmt, er tritt aber auch beim Stechen mehr oder weniger hervor. Dagegen kann man sich über die Muskeln erst nach weiterer Präparation orienliren, um sie frei zu legen muss man die beiden Plattenpaare, die fest zusammenge- fügt sind und von einer besonderen Chitinhaut umschlossen werden, in der Mittellinie von einander trennen. Dann liegen an der inneren Fläche eines jeden Plattenpaares die zugehörigen Muskeln. Im Ganzen haben _ wir fünf Muskelpaare zu betrachten. |

Beginnen wir mit der vorderen Platte, so sehen wir den ersten) recht kräftigen Muskel von dem oberen Dritttheile derselben, einem” vielstrahligen Fächer gleich, entspringen und mit starker Sehne an dem” Vorsprunge der Schienenrinne (von KrarpELın »Horn « genannt) sich an- setzen. Bei der Kontraktion wird dieser Muskel das Horn nach abwärts ziehen, dadurch wird die ganze Schienenrinne aus ihrer Ruhelage”

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 27

gehoben und nach abwärts gerichtet; beim Stechen die erste einleitende Bewegung.

Ein zweiter kleiner Muskel entspringt ebenfalls von der vor- deren Platte und zwar hauptsächlich vom Bogen, um sich mit einer langen Chitinsehne, neben dem vorigen an die Basis des Horns anzu- seizen. Bei der Kontraktion wird durch diesen Muskel die Schienen- rinne gegen die vordere Platte herangezogen. Er würde also der _ Antagonist des vorigen sein. Übrigens ist dieser Muskel von sehr wechselnder Stärke, bisweilen auf wenige Muskelfibrillen reducirt; bei Neuroterus laeviusculus fehlt er ganz; auch der vorige Muskel ist bei dieser Wespe außerordentlich schwach entwickelt.

Ein dritter kräftiger Muskel entspringt von der mehr oder weniger hakenförmig gebogenen Spitze der vorderen Platte und von dem Rande des Ausschnittes, in welchem der Winkel liegt. Dieser Muskel setzt sich in einer langen Ansatzlinie an eine starke Chitinleiste - der hinteren Platte. Bei der Kontraktion zieht dieser Muskel die hintere Platte nach aufwärts. Diese Bewegung der Platte überträgt sich auf den Winkel und die mit demselben verbundene Stechborste. Das Resultat ist, dass die letztere vorgestoßen wird. Diese Bewegung ist von der größten Wichtigkeit, denn durch die vorstoßende Stechborste wird die erste Öffnung gemacht, durch welche der ganze Stachel in das Pflanzengewebe eindringt.

Ein vierter sehr kräftiger Muskel entspringt von einer scharf vortretenden Leiste der vorderen Platte, um sich an die obere Hälfte der hinteren Platte anzusetzen. Durch die Kontraktion dieses Muskels wird die hintere Platte gegen die vordere gezogen und dadurch die vorgestoßene Stechborste wieder zurückgezogen. Es ist also dieser Muskel der Antagonist des vorigen.

Ein fünfter Muskel endlich entspringt von dem Rande des Ausschnittes in der vorderen Platte und inserirt sich auf der hinteren Platte neben dem Muskel Nr. 3. In seiner Wirkung wird er den vorigen unterstützen.

Die Wirkungsweise dieser eben beschriebenen Muskeln kann man bei ihrer versteckten Lage am lebenden Thiere direkt nicht beobachten, dagegen ist es möglich, die während des Stechens von dem Thiere gemachten Bewegungen zu verfolgen. Sehr gut eignet sich dazu Neuro- terus laeviusculus. Der lange Stachel dieser Wespe (siehe Fig. 2, Taf. XII), während der Ruhe im Hinterleibe verborgen, tritt beim Stechen allmählich hervor und mit ihm die beiden Plattenpaare. Da nun die eigentlichen Bewegungen der Stechborsten nur durch geringe Excursionen der Platten ausgelöst werden, so lässt sich an den frei

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218 H. Adler,

liegenden Platten die Art dieser Bewegungen wahrnehmen. Das beste Beobachtungsobjekt verschafft man sich folgendermaßen. Man wartet ab, dass eine Neuroterus laeviusculus eine Knospe ansticht; ist nun der Stachel in die Knospe ganz eingedrungen, so versucht man mit raschem Zuge die Wespe von der Knospe fortzuziehen ; der Stachel sitzt aber zu fest und reißt ab. Mit ihm in Verbindung bleibt aber der ganze motorische Apparat und auch das große Ganglion, welches die Muskeln innervirt. In Folge davon werden die Stechbewegungen bis zum Absterben der Muskeln regelmäßig fortgesetzt. Man erkennt dann deutlich, dass die vordere Platte stets punctum fixum bleibt, dass da- gegen die hintere Platte auf- und niedergezogen wird. Durch diese einfachen Bewegungen der hinteren Platte wird das Hin- und Her- schieben der Stechborsten besorgt; beim Vorstoß der Stechborsten gilt es die schwerste Arbeit zu leisten, daher sind dafür zwei kräftige Muskeln bestimmt, während die leichtere Arbeit des Zurückziehens durch einen Muskel besorgt werden kann. Während des Stechens bleibt also die vordere Platte in Ruhe und daher nimmt die fest mit ihr ver- bundene Schienenrinne mehr einen passiven Antheil an dem Stechen: sie wird von der Wespe fest aufgestemmt und dringt in den von den Stechborsten geöffneten Bohrkanal nach.

Es ist ferner zu untersuchen, auf welche Weise die Gallwespe mit diesem Apparat das Ei in die Knospe schafft. Bisher wurde der Vor- gang des Eierlegens der Cynipiden nach Harrıc so erklärt, dass das sehr dehnbare Ei durch den Stachel selbst hindurchgetrieben würde. Harrıc dachte sich, dass der Eiinhalt in den Eistiel eintrete und in dem kolbigen Ende des letzteren sich ansammle, nachdem aber der eigent- liche Eikörper in den betrefienden Pflanzentheil hineingeschafft sei, dorthin zurückströme. Harrıc wollte diese Annahme um so wahr- scheinlicher machen, weil sich das Ausströmen des Eidotters in den Eistiel an den Gynipideneiern leicht beobachten lässt; man kann diese Erscheinung leicht wahrnehmen, wenn die dem Ovarium entnommenen Eier nach Zusatz von Wasser unter dem Mikroskop betrachtet werden. Über die Bedeutung dieses Vorganges wird noch später die Rede sein.

Diese Harrıe’sche Erklärung muss aber sofort aufgegeben werden, wenn man die Länge des Eistieles mit der des Stachels vergleicht. In allen Fällen ist der Stachel ein beträchtliches Stück länger als das Ei, wie ein Blick auf die Abbildungen der Taf. XII lehrt, wo der Stachel nebst zugehörigem Ei nach Photogrammen, die bei derselben Vergröße- rung aufgenommen, gezeichnet sind. Daraus folgt, dass das eine Ende des Eies nicht in den Pflanzentheil gesenkt werden kann, während das

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andere sich noch in der Scheide befindet. Damit aber fällt die Harrıc- sche Erklärung.

Es ist aber auch ferner nicht möglich, dass das ganze Ei von dem Stachel aufgenommen wird und durch diesen hindurchgleitet. Denn der Stachel ist nicht einer Röhre mit centraler Höhlung zu vergleichen. Er besteht, wie angegeben, aus drei Theilen, die fest in einander gefügt sind; der obere ist die Schienenrinne, an deren unterer Fläche auf zwei Nuthen die beiden Stechborsten eingefügt sind. Die Schienenrinne enthält zwar einen centralen Hohlkanal, aber derselbe steht mit der Scheide in keiner Verbindung und dient dazu, einen Nervenast, eine Trachee und etwas Blutflüssigkeit aufzunehmen. Durch den Stachel hindurch, wie Harrıc es sich dachte, kann das Ei nicht passiren. Da- gegen ist zwischen den beiden Stechborsten so viel Spielraum, dass sie den Eistiel zwischen sich nehmen können.

Schwierig aber ist die Ermittelung, wie schließlich das Ei in die Knospe befördert wird. Äußerlich erkennt man wohl die einleitenden Stechbewegungen, die von der Wespe ausgeführt werden, aber von dem Ei und seinem Transport kann man nichts wahrnehmen. Nur auf einem Umwege gelangt man zur Erkenntnis dieses Vorganges. Der Akt des Eierlegens erfordert bei Neuroterus laeviusculus eine geraume Zeit, etwa 15—20 Minuten. Wenn nun eine stechende Wespe in ihrer Stel- lung fixirt wird, indem man sie plötzlich in Chloroform oder Äther ein- taucht, so wird man nach Eröffnung der Knospe feststellen können, wie weit der Stachel eingedrungen ist und wo sich das Ei befindet. Würde man, wenn stets die Dauer des Eierlegens gerade 15 Minuten betrüge, von Minute zu Minute eine stechende Wespe in ihrer Stellung fixiren, so bekäme man nach Präparation der Knospen eine fortlaufende Reihe der verschiedenen Stadien der Geburt eines Eies. Dieses Ideal lässt sich freilich wegen praktischer Schwierigkeiten nicht erreichen. Einmal ist die Zeit, in welcher das Anstechen der Knospe ausgeführt wird, nicht immer dieselbe, andererseits sind die einzelnen Akte auch nicht von derselben Dauer, weil in dem einen Falle größere Widerstände für die Wespe zu überwinden sind als in dem andern. Es ist daher nur mög- lich, einzelne der verschiedenen Stadien kennen zu lernen und aus diesen den ganzen Vorgang sich zusammenzusetzen.

Beginnen wir mit dem Momente, wo die Wespe den Stachel auf eine Knospe ansetzt. Als Ansatzpunkt wählt sie immer die Grenze einer der äußeren Deckschuppen und führt den Stachel unter dieselbe. Dann gleitet der Stachel unter den Schuppen bis an die Basis der Knospenachse. Schon dieser erste Akt erfordert seitens der Wespe große Anstrengungen ; man sieht oft, wie sie immer aufs Neue den

220 H. Adler,

Stachel ansetzt, ehe es ihr gelingt, ihn unter die Deckschuppen zu bringen. Bei Knospen mit sehr fest anliegenden Schuppen gelingt es ihr gar nicht, wesshalb sie die Knospen mit locker liegenden Schuppen vorzieht. Ist der Stachel bis zur Basis vorgedrungen, so wird er direkt gegen das Centrum der Knospenachse getrieben , bis die rudimentären Blätichen erreicht sind. Der so vom Stachel zurückgelegte Weg ist stets mehr oder weniger gekrümmt. An einer angestochenen Knospe sieht man bei sorgfältiger Präparation den Stichkanal ganz deutlich und kann demselben folgend die Richtung feststellen, welche der Stachel einschlug.

Nachdem die Wespe den ersten Theil ihrer Arbeit vollendet und den Stachel bis in das Centrum der Knospe gebohrt hat, tritt ein Mo- ment vollkommener Ruhe ein; die Wespe sitzt unbeweglich auf der Knospe. Fixirt man sie rasch in dieser Stellung durch Eintauchen in Chloroform, so ist von dem Ei noch nichts zu sehen, es steckt noch in der Scheide. Es erfolgt also jetzt der zweite Theil der Arbeit, die Be- förderung des Eies in die Knospe. DasEi gleitet mit dem umfangreichen Eikörper voran an die Basis des Stachels, zwischen die Anfangsstücke der beiden Stechborsten. An dem Punkte, wo die beiden Stechborsten in die Schienenrinne über- gehen, angelangt, gleitet der Eikörper darüber hin, indem die schmale zwischen den beiden Stechborsten offen bleibende Spalte ihn nicht aufzunehmen vermag. Aber der nachfolgende Eistiel gleitet zwischen die beiden Stechborsten , wird von ihnen gefasst und dann weiter ge- schoben. Auf diese Weise wird nun das Ei, mit nach außen hängendem Eikörper, an dem Stachel hinabgeschoben.

Wenn nun schließlich das Ei in den Bohrkanal eintreten soll, der in das Gentrum der Knospe führt, so lehrt der Augenschein, dass un- möglich gleichzeitig Stachel und Eikörper diesen Kanal passiren können. Der Eikörper hat immer einen viel größeren Durchmesser als der Stachel. Desshalb wird jetzt der Stachel von der Wespe etwas zurück- gezogen, So dass der Stichkanal frei wird. Voran tritt der Eikörper ein in den Stichkanal, der Stachel folgt nach und schiebt ihn vor sich her; schließlich wird durch den Eistiel allein die Fortbewegung vermittelt, indem er durch das Hin- und Hergleiten der Stechborsten vorwärts ge- schoben wird. So gelangt das Ei an das Ende des Bohrkanals, der Ei- stiel dagegen bleibt in dem Kanal liegen.

Man kann den ziemlich komplicirten Vorgang des Eierlegens in drei Stadien zerlegen.

4) Der Kanal wird gebohrt, indem zuerst der Stachel unter den Deckschuppen an die Basis der Knospe gleitet, dann aber in das Gentrum der Knospenachse getrieben wird.

7

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 2231

2) Das Ei gelangt aus dem Ovarium an den Anfang des Stachels, der Eistiel wird zwischen die Stechborsten geklemmt und das Ei an dem Stachel hinuntergeschoben.

3) Nachdem die Spitze des Stachels aus dem Stichkanal zurückge- zogen ist, tritt der Eikörper in denselben ein, wird von dem Stachel vorwärts geschoben, bis er an das Ende des Bohrkanals gelangt ist.

Vergegenwärtigt man sich alle diese Manipulationen, so muss man darüber erstaunen, mit welcher Sicherheit dieselben von der Wespe ausgeführt werden und dabei muss die Wespe vielmals hinter einander diese Operation ausführen. Durch denselben Bohrkanal kann allemal nur ein Ei passiren, für ein zweites ist kein Platz vorhanden, weil der Eistiel des ersten Eies in dem Bohrkanal liegen bleibt.

Diejenigen Wespen, welche in die Blatifläche ihre Eier legen, haben es natürlich viel leichter, weil sie nur eine so dünne Schicht zu durch- bohren haben. Die Einrichtung des Stechapparates bleibt aber dieselbe.

Es muss noch einer Einrichtung des Stachelapparates gedacht wer- den, welche es der Wespe ermöglicht alle die zum Stechen erforder- lichen Operationen mit der größten Exaktheit auszuführen. Zu dem Ende ist das starre Chitingerüst an verschiedenen Stellen mit Tasthär- chen versehen. Die den Insekten eigenthümlichen Tastorgane, feine Härchen, die an ihrer Basis mit einer ganglionären Anschwellung einer sensibeln Nervenfaser zusammenhängen, finden sich an verschiedenen Stellen des Stachelapparates. Ganz konstant bei allen Hymenopteren kommen sie an den Bogen der vorderen Platte vor; ihre Anzahl variirt bei den verschiedenen Arten zwischen 20 und 50. Man darf diesen sehr zarten Härchen nicht irgend eine mechanische Funktion bei der Herausbeförderung des Eies zuschreiben. Sie sind nur Tastapparate, weil jedes Härchen mit einer Nervenfaser in Verbindung steht. Diese Nervenfasern entspringen aber alle aus dem großen Bauchganglion, welches auch die motorischen Äste zum Stechapparat abgiebt. Bei keiner anderen Abtheilung ist das Bauchganglion so mächtig entwickelt als bei den Hymenopteren, weil es den so komplicirten Stechapparat zu innerviren hat. Den über die Bogen vertheilten Tasthärchen kommt nun die wichtige Funktion zu, die Wespe genau über die Lage des Eies zu orien- tiren. Während das Ei an der harten Chitinhülle des Stachels hingleitet, kann die Wespe nur dadurch eine Empfindung von der Fortbewegung des Eies erhalten, dass von einer Etappe zur andern das Ei ein Tastbär- chen berührt und dadurch sein Fortschreiten bekundet. Daher stehen diese Härchen dicht gedrängt an der Stelle (an den Bogen), wo der Ei- stiel zwischen die beiden Stechborsten aufgenommen werden soll. Ge- rade hier kommt es darauf an, dass die Wespe genau orientirt ist, wo

292 H. Adler,

der Eikörper sich befindet. Wenn bis zu einem bestimmten Punkte das Ei gelangt ist, wird wahrscheinlich durch starkes Zurückziehen beider Stechborsten und dann folgendes Vorstoßen der Eistiel gefasst. Während dann das ganze Ei an dem Stachel hinabgeschoben wird, ist dafür ge- sorgt, dass die Wespe durch Tasteindrücke über den Fortgang des Eies unterrichtet wird. Es sind nämlich an der Schienenrinne namentlich gegen die Spitze hin Tastorgane vorhanden, freilich nicht in Form von Härchen, sondern als flache Hervorwölbungen der Chitinhaut auftretend. Übrigens finden sich bei einzelnen Hymenopteren (Platygaster) voll- ständige Härchen an der Spitze des Stachels. Der sensible Nervenast in dem centralen Hohlraume der Schienenrinne versorgt diese Tastapparate. In Folge dieser Ausstattung benutzt die Wespe den Stachel zugleich als eine empfindliche Sonde und wählt mit großer Sicherheit den Ort aus, wo das Ei abgesetzt werden soll. Die Wespe wäre sonst gar nicht im Stande innerhalb einer Knospe entweder die Blattregion oder den Vege- tationspunkt zu finden, an welchen das Ei gebracht werden muss, damit später eine Gallenbildung erfolgen kann.

Ein weiterer Beweis für das feine Tastvermögen der Gallwespen liegt auch in der Thatsache, dass, wie früher erwähnt, manche Arten nur Blüthenknospen anstechen. Allerdings dienen hier der Wespe bei der Auswahl der verschiedenen Knospen zunächst die Fühler. Beob- achtet man eine Aphilotrix fecundatrix , welche auf verschiedene abge- schnittene Reiser gebracht ist, so bemerkt man bald, dass sie sorgsam tastend die Blüthenknospen herausfindet und diese ansticht. Allerdings kann es auch vorkommen, dass sie gelegentlich in eine Blatiknospe ein Ei legt, aber, als habe sie ihren Irrthum erkannt verlässt sie die Knospe gleich hinterher. Bei diesen Versuchen. machte ich selber die Probe, ob es möglich wäre Blatt- und Blüthenknospen zu unterscheiden. Gewisse Differenzen zwischen diesen beiden lassen sich nicht verkennen. In der Blüthenknospe findet sich die Anlage der Pollen als ein dickes, rund- liches Konvolut, welches einen größeren Umfang als die entsprechende Blattanlage hat. Es können nun in einer Knospe alle Blattanlagen durch Pollenanlagen vertreten sein oder es kommen beide zusammen vor. Je mehr Pollenanlagen sich in einer Knospe befinden, um so mehr verän- dern sich ihre Gontouren. Die ganze Knospe bekommt dadurch ein an- deres Ansehen; in der Mitte erscheint sie dicker als andere Knospen, gegen die Spitze aber stärker verschmälert. Ich bestimmte vorher, ob Blüthen- oder Blatiknospe und überzeugte mich, dass die Bestimmung in den meisten Fällen zutraf. Nachdem die Wespe mit ihren Fühlern eine Knospe genau untersucht, kann es vorkommen, dass der ein-

ie ;

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 223

dringende Stachel sie eines anderen belehrt, worauf sie die Knospe verlässt und eine andere aufsucht.

Der Umstand, dass mehrere Gallen ausschließlich auf den Kätz- chenblüthen vorkommen, spricht an sich schon dafür, wie sicher im Allgemeinen die Wespe die Blüthenknospen zu finden weiß.

Bei der eben gegebenen Beschreibung des Eierlegens ist wiederholt darauf hingewiesen, dass der Eistiel dazu dient, das Ei hinauszuschaffen, indem derselbe von den Lanzen gefasst und fortgeschoben wird. Aber dies kann die eigentliche Funktion und Bedeutung des Eistieles nicht sein; dagegen sprechen folgende Thatsachen.

Zunächst ist es schon auffallend, dass nur bei einer geringen Zahl von Hymenopteren überhaupt gestielte Eier vorkommen, dass sie nament- lich in den Familien der Pimplarier und Cryptiden, die zum Theil mit sehr langen Stacheln versehen sind, vollkommen fehlen. Wir dürfen daraus den Schluss ziehen, dass der Stiel nicht unbedingt nothwendig für das Hinausschaffen des Eies ist.

Ferner unterscheiden sich die Cynipideneier wesentlich von den gestielten Eiern anderer Hymenopteren; bei ersteren sitzt der Eistiel immer an dem vorderen, bei letzteren an dem hinteren Eipole, es geht desshalb bei der Geburt des Eies bei ersteren der eigentliche Eikörper, bei letzteren der Eistiel voran. Allerdings passte dies für die Harrıc- sche Erklärung des Eierlegens sehr schlecht und so ist es gekommen, dass man mit Vernachlässigung der anatomischen Verhältnisse annahm, bei den Cynipiden werde auch zuerst der Eistiel geboren. Es sollte dann der Eiinhalt zuerst in den Eistiel und nachher in den Eikörper zurückströmen. Aber was wichtiger ist, der Eistiel des Gynipideneies zeigt eine ganz andere Entstehungsweise und einen ganz anderen Bau als der an gestielten Eiern anderer Hymenopteren. Betrachten wir ein gestieltes Tryphonidenei, so erscheint der sehr verschieden geformte Stiel als ein solider Anhang der Eihülle, welcher den Cuticularbildungen zuzurechnen ist. Seine Bestimmung ist die, in die Haut von Raupen eingebohrt zu werden. Ganz anders verhält sich der Stiel des Cynipi- deneies; derselbe ist kein bloßer Anhang, sondern enthält einen Hohl- raum, welcher mit der Dotterhöhle in direkter Verbindung steht,

namentlich zeigt noch sein Ende eine größere, kolbige Erweiterung.

Es kann daher ein Theil des Eidotters ungehindert in den Eistiel über- ireten, was, wovon noch die Rede sein wird, bei jedem Eierlegen auch stattindet. Dieser Bau des Cynipideneies lässt sich sehr deutlich bei einer früheren Entwicklungsstufe des Eifollikels im Ovarium erkennen. Es ist in Fig. 9, Taf. XII ein Theil einer Eiröhre von Neuroterus fumi- pennis dargestellt, welche dies Entstehen des Eistieles klar macht. An

224 H. Adler,

den jüngeren Eikeimen ist von dem Stiel noch nichts zu bemerken, bei diesen zeigt die Dottermasse eine cylindrische Form; dagegen bei der letzten weiter entwickelten Eizelle erkennt man deutlich an der flaschen- förmigen Gestalt, welche jetzt die Dottermasse einnimmt, den sich bil- denden Eistiel. Wie bei dem letzten Ei zu erkennen ist, bilden sich später auch an den jüngeren Eizellen die Eistiele und liegen schließlich an der einen Wand der Eiröhre dachziegelartig über einander.

Um sofort die Bedeutung des Eistieles zu erkennen, ist es nöthig ein späteres Stadium der embryonalen Entwicklung zu betrachten. Es tritt nämlich bei der Entwicklung die auffällige Erscheinung ein, dass sich der Eikörper ausdehnt und vergrößert, in einzelnen Fällen in einem bedeutenden Grade. Man vergleiche Taf. XII, Fig. 8, ein Ei von Biorhiza aptera, welches aus dem Ovarium genommen ist mit einem andern, welches im Januar gelegt und Anfangs April aus einer Knospe heraus- präparirt ist. Worin besteht die auffallende Zunahme des Umfanges? Wesentlich darin, dass etwa die Hälfte des Eies mit einer Flüssigkeit erfüllt ist. Der Embryo liegt an dem hinteren Pole und nimmt kaum die Hälfte der Eihöhle ein, vor ihm liegt ein mit Flüssigkeit gefüllter Sack. Dieser Sack setzt sich nicht in den Eistiel fort, sondern endigt bei dem Ursprunge des letztern. Der Embryo ist wiederum von einer besonde- ren zarten Membran umschlossen und schwimmt so zu sagen in der Flüssigkeit. Der Eistiel nimmt übrigens auch an der allgemeinen Er- weiterung theil, namentlich ist das kolbige Ende stark ausgedehnt; ebenfalls ist der Eistiel mit einem Fluidum angefüllt. Wozu kann diese Einrichtung dienen? Da zeigt sich nun, dass das kolbige Ende des Ei- stieles, welches zuletzt in den betreffenden Pflanzentheil befördert wurde, der äußeren Peripherie des letzteren am nächsten bleibt, in der Regel nur durch eine einzelne dünne Knospenschuppe von der um- gebenden Luft getrennt bleibt. In Folge davon ist dieser Theil des Ei- stieles den physikalischen Einflüssen der umgebenden Atmosphäre zugänglich, es kann also namentlich ein Gasaustausch stattfinden. Die von einer nur sehr zarten Membran umschlossene Flüssigkeit in dem kolbigen Ende kann Sauerstoff aufnehmen und da der Eistiel nur eine Ausstülpung der Eihöhle ist, so kann dem Embryo auf diese Weise Sauerstoff zugeführt werden.

Desshalb hat meiner Auffassung nach der Eistieldie Fun ktion einer Athemröhre.

Zur weiteren Begründung dieser Auffassung kann ich noch Folgen- des anführen. Der Embryo des Cynipideneies bedarf schon in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung der Zufuhr von Sauerstoff. Schon längere Zeit vor seiner Vollendung fängt er an kontinuirliche Bewegungen

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 225

zu machen. Das von mir dargestellte aptera-Ei (Taf. XII, Fig. 8) enthält einen Embryo, an dem nur die Anlage des Kopfes und der Mundtheile mit Sicherheit zu erkennen ist. Gleichwohl erfolgen regelmäßige Rota- tionen, so dass man bald eine Seiten-, bald eine Flächenansicht des Embryo erhält. Diese Bewegungen erfolgen in dem langsamen, welligen Verlaufe, welcher der Sarkode eigenthümlich ist und sind von den schnellen Kontraktionen der eigentlichen Muskelsubstanz noch sehr verschieden. Dieses embryonale Stadium wird schon sechs Wochen vor der Vollendung der Larve beobachtet. Wo aber solche kontinuirliche Bewegungen ausgeführt werden, da erscheint eine Zufuhr von Sauer- stoff unerlässlich. Das tief im Innern der Knospe liegende Ei kann aber den unentbehrlichen Sauerstoff nicht anders beziehen als durch Ver- mittelung des Eistieles, denn durch die dicke Schicht der Knospe kann ein Austausch des Gases nicht stattfinden. Das umgebende Pflanzen- gewebe, welches vollkommen ruht und in dem ein Stoffwechsel noch nicht erfolgt, vermag ebenfalls nichts zu liefern.

Jetzt auch tritt die Erscheinung, dass die Eistiele von sehr ver- schiedener Länge sind, in ein anderes Licht. Ist der Eistiel nur dazu bestimmt, um die Führung des Eies längs des Stachels beim Legen zu vermitteln, so genügt dazu auch ein kurzer Eistiel. Nun aber ist die Länge sehr verschieden und ich glaube nachweisen zu können, dass sie von der Dicke der Schicht, welche den Eikörper von der umgebenden Luft trennt, abhängig ist. Da der Eistiel eine Ausstülpung der Dotter- höhle ist, welche in möglichst nahem Kontakte mit der umgebenden Luft bleiben soll, so finden wir an den Eiern, welche sehr tief in die Knospe versenkt werden, allemal einen langen Stiel. Meistens trifft es zu, dass dem langen Stachel ein langer Eistiel entspricht, aber es giebt auch Ausnahmen und gerade diese kann ich für meine Auffassung ver- werthen. Ein Blick auf die Abbildung Taf. XII lehrt, dass Andricus noduli bei verhältnismäßig langem Stachel nur kurz gestielte Eier hat. Dazu aber muss man erwägen, dass Andricus noduli seine Eier im August in den Gambiumring der Eichenrinde legt, also in ein Pflanzen- gewebe, in welchem fortwährende Assimilationsvorgänge stattfinden, ein Mangel an Sauerstoff kann hier nicht eintreten, die Aufnahme von Sauerstoff vermittels des Eistieles ist nicht erforderlich. Die Sommer- generationen vieler Arten legen unter denselben günstigen Verhältnissen

wie Andricus noduli ihre Eier; die Eistiele sind daher von geringer

Kürze. Es gilt dies aber nur für die Arten, welche ihre Eier in die Blätter hineinlegen, eine Ausnahme machen wieder diejenigen, welche Winterknospen anstechen. Da die Winterknospen den ruhenden zu vergleichen sind, liefert das umgebende Pflanzengewebe keine Nähr-

236 H, Adler,

stoffe und daher muss der Eistiel so lang sein, um mit der äußeren Luft in Kontakt treten zu können.

Einwenden könnte man gegen diese Ausführung über die Be- deutung des Eistieles, dass anderen Hymenopteren diese Einrichtung fehlt. Allein in allen diesen Fällen wird es nicht schwierig sein nach- zuweisen, dass dieselben dieser Vorkehrung auch nicht bedurften. So wird von allen Ichneumonen das Ei dem betreffenden Wirthe übergeben und findet damit alle Nährstoffe, deren es bedarf, von vielen Blatt- wespen werden die Eier in Pflanzentheile versenkt, aber zu einer Zeit, wo ein reger Stoffwechsel stattfindet. Bei den Gallwespen der Eiche liegt aber die Sache so, dass von den meisten Wintergenerationen das Ei zu einer Zeit gelegt wird, wo die Pflanze selbst keine Lebenserschei- nungen äußert und der Stoffwechsel ruht.

Ein anderer scheinbarer Einwand ist der, dass die den echten Cynipiden nahe stehenden Inquilinen ebenfalls gestielte Eier haben. In diesem Falle kann man aber dem Stiele nicht dieselbe wichtige Funktion einer Athemröhre zuschreiben,, denn die Eier bedürfen derselben nicht. Aber es wird wohl Niemand bezweifeln, dass die Inquilinen aus den Cynipiden hervorgegangen sind, worauf ihre große Übereinstimmung im äußeren Habitus und ganzer Organisation hinweist. So ist ihnen auch die Eigenthümlichkeit der gestielten Eier geblieben. Der Eistiel braucht aber nicht in der früheren Weise zu funktioniren und thut es auch nicht, denn das eigenthümliche bei Biorhiza aptera vorkommende Stadium der embryonalen Entwicklung fehlt hier.

Ich habe, um auf die Funktion des Eistieles schließen zu können, ein vorgeschrittenes Stadium der embryonalen Entwicklung angeführt, aber auch schon in dem Momente, wo das Ei gelegt wird, spielt der Ei- stiel eine Rolle.- Es wurde schon erwähnt, dass die Eihöhle frei mit dem Eistiele kommunicirt; daher kann ein Theil des Eiinhaltes ohne Weiteres in den Stiel übertreten. Dies geschieht auch regelmäßig bei dem Legen eines jeden Eies. Wird ein Ei, welches von einer Wespe in eine Knospe hineingelegt worden ist, hinterher herauspräparirt, so zeigt sich der Anfang des Eistieles ganz erfüllt mit der feinkörnigen Emulsion, welche den Eiinhalt bildet. Nach einiger Zeit gehen in dieser Emulsion Ver- änderungen vor sich, es bilden sich in derselben kleinere und größere stark Licht brechende Kugeln, schließlich hellt sich der ganze Inhalt des Eistieles auf und zugleich bildet sich ein feines Häutchen, welches zunächst die Einmündung des Eistieles in die Eihöhle abschließt. Dieser einleitende Vorgang ist immer ein sicheres Zeichen, dass die Entwick- lung des Eies ihren Fortgang nimmt, worüber man natürlich im Zweifel sein kann, wenn man ein frisch gelegtes Ei aus der Knospe genommen

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 227.

hat und in der feuchten Kammer weiter beobachtet. So oft ich auch diesen Vorgang in dem Eistiele beobachtet habe, so wenig bin ich im Stande ihn weiter zu erklären. So viel ist mir aber gewiss, dass dies ein sehr wichtiger Vorgang sein muss; ist derselbe eingetreten, so kann man das Ei Tage lang in der feuchten Kammer erhalten und den Ver- lauf der verschiedenen embryonalen Entwicklungsstadien beobachten. Aber es wollte mir niemals gelingen ein Ei zur Entwicklung zu bringen, welches unter allen Cautelen aus dem Ovarium (natürlich einer partheno- genetischen Wespe) genommen war und unter verschiedenen Modifika- tionen beobachtet wurde.

Kapitel V.

Vergleichende Zusammenstellung der zusammengehöri- gen Generationen der Gallwesven bezüglich ihrer Organisation.

Die Thätigkeit der Wespe culminirt in dem Eierlegen, die Sorge für die Nachkommenschaft füllt die Zeit der individuellen Existenz aus. Daher schien es zweckmäßig eine Beschreibung des komplicirten Lege- apparates voranzuschicken. Es erübrigt aber noch, die ganze Organi- sation der beiden Generationen mit einander zu vergleichen und zwar während der verschiedenen Stadien des Imago und der Larve.

Was zunächst die äußere Erscheinung der Gallwespen betrifft, so wurden bereits in dem speciellen Theile die Unterschiede in Färbung, Skulptur, Behaarung des Skelettes aufgezählt. Im Allgemeinen bieten diese äußeren Merkmale bei den Gallwespen wenig Charakteristisches dar; die eintönigen, düstern Farben wiederholen sich fast bei allen Arten. Manche Arten sind desshalb auch, wenn man die Wespe allein

berücksichtigt, nicht von einander zu unterscheiden. Auch bei je zwei

zusammengehörenden Generationen bietet die Färhung allein meistens nur geringe Verschiedenheiten; weit wichtiger sind Form, Bau und Größe. In dieser Beziehung kommen zwischen je zwei Generationen recht erhebliche Differenzen vor. Hält man neben einander eine Neuro-

- terus und dazu gehörige Spathegasterform, so wird man trotz ziemlich

übereinstimmender Färbung die Thiere doch niemals mit einander ver- wechseln können. Die Größe kann annähernd dieselbe sein, allein die

Form des Thorax, der Schnitt der Flügel, die Konfiguration des Hinter-

leibes sind so verschieden, dass man unmöglich die beiden Thiere ver- wechseln kann. Vorzugsweise. wird die äußere Verschiedenheit durch die Form und den Bau des Stachels bedingt. Der kleine, zarte Spathe-

228 II. Adler,

gasierstachel nimmt nur einen geringen Raum ein, während der lange, spiralig aufgerollte Neuroterus-Stachel die ganze Hinterleibshöhle in Anspruch nimmt; daher die verschiedenen Contouren des Hinterleibes. Die Art wie Spathegaster in die Blätter bohrt setzt eine größere Beweg- lichkeit des Hinterleibes voraus, derselbe ist desshalb deutlich gestielt, bei Neuroterus dagegen fast sitzend. Endlich sucht Spathegaster Blätter von bestimmter, sehr zarter Beschaffenheit auf, um in diese die Eier zu legen und muss daher im Stande sein sich rasch fortzubewegen; wir finden desshalb Spathegaster mit längeren und breiteren Flügeln ausge- rüstet als Neuroterus, die eines besonderen Flugvermögens nicht be- darf, da sie überall Knospen findet, in welche sie die Eier legen kann.

Indem man gewissermaßen aus dem Stachel das ganze Thier kon- struiren kann, ist es begreiflich, dass bei seiner verschiedenen Funktion derselbe auch bei den verschiedenen Gattungen sichere Unterscheidungs- merkmale zu liefern vermag. Wenn zwei zusammengehörende Gene- rationen unter ganz verschiedenen Außenbedingungen leben, wird vor Allem der Stachel sich accommodiren müssen und eine Form annehmen, welche für die sichere Unterbringung der Eier am passendsten ist. Wenn also die eine Generation zu einer Jahreszeit erscheint, wo nur Knospen sich finden, so muss dieselbe mit einem Stachel ausgerüstet sein, der zum Anbohren der Knospen geeignet ist; wenn dagegen die folgende Gene- ration zu einer Vegetationsperiode erscheint, wo sowohl Knospen wie Blätter vorhanden sind, so wird bei Bevorzugung der letzteren eine ganz andere Ausbildung des Stachels erfolgen müssen. Eine genaue Kenntnis des Stachels ist aber auch wichtig für die Erforschung der Gallwespenarten, deren Zusammengehörigkeit man noch nicht kennt. Wenn z. B. aus einer Blattgalle eine Wespe erzogen wird, deren

Stachel für das Anbohren von Blättern nicht eingerichtet ist, so kann,

man den sicheren Schluss ziehen, dass zu dieser Wespe eine andere Generation gehört, welche die Blattgalle erzeugt. Mir scheint desshalb ein Vergleich der verschiedenen Stachelformen von Interesse zu sein.

1) Neuroterus-Spathegaster-Gruppe.

Ein Blick auf die Abbildungen ! der beiden Stachel zeigt deutlich den großen Unterschied. Bei Neuroterus laeviusculus ist der sehr lange Stachel vollständig zu einer Spirale aufgerollt, bei Spathegaster albipes dagegen kurz und wenig gebogen. Die übrigen Neuroterus-Arten

1 Ich bemerke hierbei, dass die Abbildungen alle nach Photogrammen gezeich- | net sind und daher die relativen Größenverhältnisse genau wiedergeben. Die daneben stehenden Bilder der Eier sind ebenfalls bei derselben Vergrößerung |

photographirt worden.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 3239

zeigen einen etwas kürzeren Stachel, besonders fumipennis, der Spathe- gaster-Stachel bleibt immer derselbe. Der Neuroterus-Stachel hat eine hakenförmige Spitze und kann desshalb niemals senkrecht in eine Knospe eindringen, der Spathegaster-Stachel mit nur flacher Krüm- mung kann senkrecht in die Blattfläche einschneiden. Bei diesen beiden Stacheln ist besonders noch die verschiedene Form der Platten auf- fallend ; bei Neuroterus sind sie beinahe kreisförmig und in Folge der starken Krümmung ist für den sonst so mächtigen Muskel der vorderen Platte (Nr. 1) kein Raum, derselbe ist ganz rudimentär; der zweite vom Bogen entspringende Muskel fehlt ganz.

2) Aphilotrix-Andricus-Gruppe.

‚Auch in dieser Gruppe treten uns Verschiedenheiten des Stachels entgegen, sind aber in einzelnen Fällen nur sehr gering. Vergleicht man die beiden Stachel von Aphilotrix radicis und Andricus noduli, so zeigt sich eine große Übereinstimmung der Form, doch ist eine funktio- nelle Verschiedenheit unschwer zu erkennen. Der radicis-Stachel endigt mit scharf gebogener Spitze und ist in Folge dessen nicht im Stande senkrecht in das Pflanzengewebe einzudringen; die Wespe muss den Stachel auf einem Umwege in die Knospe führen. Zunächst gleitet der Stachel unter die Knospenschuppen an die Basis der Knospenachse und wird dann wieder aufwärts geführt. Der noduli-Stachel kann dagegen mit seiner fast gerade auslaufenden Spitze senkrecht in die Rinde ein- dringen. Bei sonst so ähnlichen Stacheln, wie es diese beiden sind, ist es gut ein weiteres Merkmal zu haben, an dem man sie unterscheiden kann. An dem Ende der hinteren Platte befindet sich bei allen Gall- wespen eine kleine deutlich abgesetzte Papille von etwas zarterem Bau, mit reichlichen Tasthaaren besetzt. Es liegen nämlich die paarigen Theile des Stachels und also auch die beiden hinteren Platten fest auf einander; nun muss aber zwischen ihnen Raum für den Durchtritt des Mastdarms bleiben. Desswegen ist in jeder Platte ein kleiner Ausschnitt, der durch die erwähnte Papille gedeckt wird; zwischen den beiden Papillen der hinteren Platten liegt die Ausmündung des Afters. Je kürzer nun verhältnismäßig der Stachel ist, desto weiter rückt die Papille gegen das Ende der Platte, je länger er ist, um so mehr entfernt sie sich vom Ende. Darnach hat noduli einen verhältnismäßig langen Stachel. Wir wissen aber auch, dass noduli die Rinde durchbohren muss, um den Gambiumring erreichen zu können; desswegen müsste der Stachel eine Länge haben, um etwa 2 mm einzudringen. Er misst ungefähr 21/, mm und übertrifft also die Länge der ganzen Wespe.

Bei anderen Andricus-Arten findet man einen verhältnismäßig

230 | H. Adler,

kürzeren Stachel und dem entsprechend rückt die Papille weiter gegen das Ende. Dieses kann man an dem Stachel von Andricus eirratus er- kennen; er dient der Wespe, um in die kleinen sich eben entwickeln- den Winterknospen zu bohren, in welche er höchstens !/; mm einzu- dringen braucht, damit das Ei in das Centrum der Knospenachse hineingelegt wird. i

Je länger der Stachel verhältnismäßig wird, desto stärker wird seine spiralige Krümmung, der Durchtritt des Mastdarms muss aber, um keine Knickung zu erleiden, immer an derselben Stelle erfolgen. Desshalb liegt seine Ausmündung dem Ende der Stachelplatten bald näher, bald ferner. Ein Blick auf die Abbildungen lehrt, dass die Länge der Platten und des Stachels immer dieselben sind, weil die schmalen Fortsätze der vorderen Platte zugleich die Scheide des Stachels bilden, welche in der Ruhelage denselben umschließt.

So ähnlich die Stachel der beiden Generationen in einigen Fällen sind, so ist doch der konstante Unterschied da, dass der Aphilotrix- stachel mehr oder weniger hakenförmig an der Spitze gebogen ist, weil er, wie angegeben, niemals direkt in das Centrum der Knospe hinein- gebohrt wird, wie der Andricus-Stachel, sondern immer auf einem Umwege.

3) Dryophanta-Spathegaster-Gruppe.

Bei dieser Gruppe sind die beiden Stachelformen scharf von einan- der geschieden, indem die Art des Stechens eine wesentlich verschiedene ist. Dryophanta bohrt in Knospen hinein, Spathegaster dagegen in Blattrippen ; erstere ist mit einem sehr starken Stachel ausgerüstet, der. nur wenig gebogen, namentlich an der Spitze fast gerade ist, letztere mit einem kurzen, an der Spitze etwas hakig gekrümmten. Dryophanta verfährt beim Stechen anders als die vorigen Wespen, welche ebenfalls Knospen anbohren, sie setzt den Stachel senkrecht auf die Knospe und bohrt in gerader Richtung in die Knospe hinein; das Ei kommt entwe- der in das Centrum der Knospenachse oder an eins der Blättchen zu liegen. Spathegaster durchschneidet nur die Epidermis der Blattrippen und schiebt das Ei in die Öffnung hinein.

4) Biorhiza-Gruppe.

In dieser Gruppe haben wir zwei Arten betrachtet, aptera und renum, welche eigentlich kaum in dieselbe Gattung vereinigt werden dürfen ; dies wird besonders klar, wenn man die beiden geschlechtlichen Generationen mit einander vergleicht. : Biorhiza aptera stimmt mit der geschlechtlichen Generation Teras terminalis so sehr überein, dass

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 331

bestimmte Unterschiede sich kaum auffinden lassen, auch der Stachel hat dieselbe Form. Wenn auch die beiden Wespen gerade nicht in den- selben Pflanzentheil stechen, aptera vielmehr nur in Knospen, terminalis in die Rinde, so stimmt doch der Bau des Stachels bei beiden überein, indem in beiden Fällen senkrecht in den betreffenden Pflanzentheil hin- eingebohrt wird. Biorhiza renum hat einen anders geformten Stachel wie aptera, obwohl derselbe auch zum Anbohren von Knospen bestimmt ist; dagegen hat wieder Trigonaspis crustalis, die geschlechtliche Gene- ‚ration, einen vollständig verschieden geformten Stachel, der mit dem von Spathegaster Taschenbergi übereinstimmt und wie dieser zum An- bohren der Blattrippen bestimmt ist.

Es ist klar, dass die verschiedene Form des Stachels in manchen Fällen eine sichere und leichte Trennung sonst nahe verwandter Arten ermöglicht. Durch Anpassungen an verschiedene Bedingungen hat der Stachel große Formverschiedenheit angenommen, während die übrige Organisation der Wespe im Großen und Ganzen dieselbe geblieben ist, wenigstens durch auffallende äußere Abweichungen sich nicht ausge- prägt hat.

Es ist nun von Interesse die verschiedenen Generationen mit Rück- sicht auf ihre bisherige systematische Eintheilung mit einander zu ver- gleichen. Indem die Systematik im Allgemeinen nur nach äußeren Merkmalen unterscheidet, sind mehrfach ganz heterogene Arten in die- selbe Gattung vereinigt!’ Bei manchen Insektenklassen mögen zur Trennung der Arten äußere Merkmale vollständig genügen, indem in ihnen die wechselnde Lebensweise und die verschiedenen Anpassungen sich ausprägen, allein bei denjenigen, deren Lebensweise mehr oder weniger übereinstimmt, ist es zu solchen Differenzirungen nicht ge- kommen. Man muss desshalb bei der ausschließlichen Berücksichtigung der äußeren Merkmale oftmals die subtilsten Unterschiede hervorsuchen und erlangt doch keine sichere Grundlage für eine zweifellose Unter- scheidung. So wurden bisher in dem Genus Spathegaster die ge- schlechtlichen Generationen, welche zu Neuroterus und diejenigen, ‘welche zu Dryophanta gehören, vereinigt. Eben so wenig wie die bei- den agamen Gattungen Neuroierus und Dryophanta zusammengehören, _ kann man die beiden Spathegasierformen in eine Gattung vereinigen. Es lässt sich freilich nicht leugnen, dass in den äußeren Merkmalen die beiden Spathegaster ziemlich übereinstimmen, dagegen bietet der Stachel einen 'wesentlichen Unterschied. Mit Berücksichtigung desselben muss eine Trennung der beiden eintreten. Es möchte der Einwand erhoben werden, dass eine Unterscheidung, lediglich auf Form und Bau des

Stachels basirt, zu subtil sei, aber es bietet sich kein anderes konstantes Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Ba. 16

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Merkmal. Auch die Gattung Biorhiza enthält heterogene Arten; aptera | und renum sind nur dem äußeren Habitus nach einander ähnlich, der ! Stachel ist wieder sehr verschieden; ferner sind die zu den beiden ge- | hörigen geschlechtlichen Generationen so verschieden, dass sie überall | nicht in eine Gattung vereinigt werden können. |

Neben den Verschiedenheiten, welche der Stachel bietet, giebt die | Art der Gallenbildung ein vortreflliches Kriterium für die Entscheidung | der Zusammengehörigkeit verschiedener Arten. Man würde mit Berück- sichtigung dieser beiden Faktoren bei der Klassificirung der Cynipiden | vollständig auskommen. Es muss als ein Fortschritt begrüßt werden, wenn dieser Weg bei Aufstellung analytischer Tabellen eingeschlagen | wird, wie dies von SCHLECHTENDAL geschehen ist, der nach den Gallen | der Gynipiden eine Bestimmungstabelle entworfen hat!.

Eine große Schwierigkeit macht vorläufig noch der Umstand, dass der Generationswechsel und die Gallenbildung aller unserer Cynipiden noch nicht erforscht ist; dies gilt namentlich von den auf Quercus cerris lebenden Arten. Hier steht noch ein weites, aber dankbares Beob- achtungsfeld offen. |

Die Lebensweise der Cynipiden bietet so sehr große Übereinstim- | mung, dass bei den rein vegetativen Organen eine Anpassung an besondere Verhältnisse nicht vorgekommen ist, so dass eine weitere Differenzirung derselben nicht eingetreten ist. Dies gilt zunächst von dem Verdauungstractus. Zunächst sind die Mundtheile ganz überein- stimmend; sämmtliche Gallwespen sind mit starken Kieferzangen ausge- rüstet, da sie sich durch die oft sehr feste Wand der Galle hindurch- beißen müssen. Nur die Taster der Unterkiefer und der Lippe zeigen” eine gewisse Differenz. Auf die Gliederzahl dieser Taster ist ursprüng- lich von Harrıs großes Gewicht gelegt und die Verschiedenheit ihrer Zahl als Unterscheidungsmerkmal benutzt. Die Harrıs'schen Angaben sind in die meisten späteren Beschreibungen übergegangen, bedürfen aber sehr der Korrektur. Die der Kleinheit der Mundtheile wegen” erforderliche genaue’ Präparation scheint unterlassen worden zu Sein. Meistens gilt es als Regel, dass die beiden zusammengehörenden Gene-" rationen die gleiche Gliederzahl der Taster haben. Neuroterus mit den entsprechenden Spathegasterformen besitzt viergliedrige Kiefer-, zwei- gliedrige Lippentaster, dagegen Dryophanta mit den Spathegastergene-" rationen fünfgliedrige Kiefer-, dreigliedrige Lippentaster. Eine Ausnahme macht der Generationscyklus Biorhiza renum und Trigonaspis crustalis,'

! R. v. SCHLECHTENDAL und O. WÜNSCHE, Die Insekten. 4579.

DE u BR

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 233

indem die Gliederzahl eine verschiedene ist, renum hat viergliedrige Kiefer-, zweigliedrige Lippentaster, crustalis dagegen fünfgliedrige Kiefer-, dreigliedrige Lippentaster, Was die Zahl der Fühlerglieder betrifft, so ist sie in der Regel bei den beiden Generationen dieselbe, bei renum und crustalis indessen verschieden, erstere hat I3gliedrige, letztere I4gliedrige Fühler. Immer kommt übrigens der Unterschied vor, dass bei den geschlechtlichen Generationen die Männchen ein Fühler- glied mehr haben als die Weibchen. Übrigens ist es klar, dass die Verwerthung der verschiedenen Zahl der Glieder an Tastern und Fühlern als Unterscheidungsmerkmal ziemlich illusorisch ist.

Der übrige Darmtractus der Gallwespen ist einfach und überein- stimmend, indem seine Funktion eine sehr beschränkte ist. Mit den früheren Beobachtungen stimmen auch die meinigen überein, dass die Cynipiden eigentlich keine Nahrung, während ihres Daseins als Imago, aufnehmen mit der alleinigen Ausnahme von Wasser. Die Wintergene- rationen erscheinen ja fast alle zu einer Zeit, wo das Pflanzenleben ruht und überhaupt keine Nahrung sich bietet, aber auch die Sommergene- rationen nehmen außer Wasser keine weitere Nahrung zu sich. Dass alle Gallwespen des Wassers bedürfen und dasselbe begierig zu sich nehmen lehrt die Beobachtung; es ist schlechterdings nicht möglich Zuchtversuche mit ihnen anzustellen, wenn man ihnen nicht öfter Ge- legenheit giebt, Wasser zu trinken. Für die Sommergenerationen soll allerdings nicht in Abrede gestellt werden, dass sie gelegentlich an den Blättern austretenden Saft auflecken, aber im Wesentlichen nehmen sie nur Wasser auf. Bei Eröffnung des Mitteldarms und Magens findet man ihn leer oder wenig klares Fluidum enthaltend; als zufällige Bei- mischungen können Stückchen der Gallenwand vorkommen, welche während des Durchbeißens verschluckt wurden. Der ganze Verdauungs-

tractus ist kurz und einfach, namentlich auch die Marricur’schen Drüsen

klein, wenig zahlreich, farblos durchsichtig. Bei den aus den Gallen ausschlüpfenden Wespen finden sich in dem hinteren Abschnitte des Darms die während der Larvenperiode angehäuften Excretionsprodukte, die bald nach dem Ausschlüpfen entleert werden. Eine größere Menge findet sich namentlich bei den Wintergenerationen, welche ein langes Larvenstadium durchlaufen. Diese Excremente sind immer von dünn- flüssiger Beschaffenheit und es scheint mir am Orte zu sein, der Ein- richtung zu gedenken, durch welche ein Regurgitiren in den Vorderdarm und Magen verhindert wird. Im Dickdarm der Insekten finden sich

» Wülste von räthselhafter Bedeutung«, wie sie schon Leyvig bezeichnet,

die sogenannten Rectaldrüsen. Der Zahl und Form nach sehr verschie- den finden wir bei den Insekten stets an demselben Abschnitte des 16*

2 34 H. Adler y

Dickdarmes diese Wülste, welche alle darin übereinstimmen, dass sie in das Lumen des Darmes hineinragen. Leypie ist zweifelhaft, ob er sie für Drüsen halten soll, da doch die Grundbedingung einer Drüse, das secernirende Epithel und ein Ausführungsgang ihnen fehlt und bringt sie in Beziehung zur Respiration, da bekanntlich bei den Libellen- larven analoge Mastdarmkiemen vorkommen, welche die Athmung ver- mitteln. Später sind von Gaun ! aufs Neue diese Organe untersucht und beschrieben und schließlich als Drüsen bezeichnet worden, denen eine besonders rege Sekretion zugeschrieben wird. Es lässt sich aber nicht leugnen, dass, wenn man den Darm einer frisch aus der Galle entnomme- nen Wespe freilegt, eine andere Vorstellung von der Funktion der Rectal- drüsen bekoinmt. Es zeigt sich nämlich der Enddarm durch flüssige Excremente sackartig ausgedehnt, darauf folgt genau an der Stelle, wo die Rectaldrüsen sitzen, eine ringförmige Einschnürung und dadurch ein Verschluss des Darmrohres. Also stehen die Rectaldrüsen mit einer sphinkterartigen Einrichtung in Verbindung; dadurch, dass sie in das Lumen des Darmrohres hineinragen und sich an einander legen, wird bei gleichzeitigem Tonus des Sphinkter ein vollkommener Abschluss des Darms erzielt und damit verhindert, dass die Excremente in den vorderen Darmabschnitt zurückfließen.

Wenngleich ich diese Wülste nicht durch alle Insektenabtheilungen genau verfolgt habe, kann ich doch nach meinen Untersuchungen sagen, dass sie namentlich bei den Insekten ausgebildet sind, welche eine flüssige Nahrung zu sich nehmen, wie Hymenopteren, Dipteren, Lepi- dopteren, dass sie dagegen bei den Käfern ganz zu fehlen scheinen. Ich muss darnach annehmen, dass diese Wülste nur dazu bestimmt sind, einen sicheren Abschluss des Darmrohres zu ermöglichen. Bei allen Insekten, in deren Enddarm flüssige Excretionsprodukte sich ansammeln, ist sonst nicht abzusehen, wie ein Zurückfließen in den Vorderdarm ver- hindert werden sollte.

Die beschränkte Nahrungsaufnahme der CGynipiden weist auf eine kurze Dauer des Imago-Daseins hin. Bei beiden Generationen ist die Lebensdauer eine kurze, länger aber bei den Wintergenerationen, indem einzelne Arten zwei bis vier Wochen ausdauern. Manche Wespen der Sommergeneration sind außerordentlich hinfällig und leben höchstens. einige Tage. Die ganze Thätigkeit der Wespen besteht in der Sorge für die Unterbringung der Eier. Je leichter und schneller die Eier abgesetzt werden können, um so kürzer ist die Existenz des Individuums, wie z.B. bei den Spathegaster-Arten. Macht das Eierlegen größere Schwie-

! €. Cuun, Rectaldrüsen der Insekten. Frankfurt a/M. 1875. Verhandlungen d- SENCKENBERG. Gesellsch. Bd. X.

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Über den Generationsweehsel der Eichen-Gallwespen. 235

rigkeiten, erfordert es namentlich einen größeren Kraftaufwand, so sind die Wespen dementsprechend kräftiger und langlebiger. Die Winter- generationen, die immer die schwierige Aufgabe haben, in Knospen ihre Eier zu legen, sind desshalb von einer weit kräftigeren Organisation als die entsprechenden Sommergenerationen, wodurch sie zugleich im Stande sind den Unbilden einer rauhen Jahreszeit zu widerstehen. Eine Biorhiza aptera kann bei einer Temperatur von 0% in Knospen bohren, die entsprechende Sommergeneration (Teras terminalis) würde ohne Zweifel sofort erstarren.

Von Wichtigkeit ist es endlich noch die Reproduktionsorgane bei den beiden Generationen mit einander zu vergleichen. Es zeigt sich dabei im Allgemeinen eine völlige Übereinstimmung bei den beiden Generationen. Die Ovarien haben denselben Bau, jedes enthält eine größere Anzahl von Eifächern, in denen je sechs bis zwölf Eier liegen. Im Allgemeinen gilt die Regel, dass die agamen Generationen eine größere Anzahl von Eiern bei sich führen als die geschlechtlichen;; bei ersteren ist die Zahl der einzelnen Eifächer wie auch die der in jedem Fache enthaltenen Eier eine größere.

Die muskulöse Scheide mit ihren Anhangsdrüsen ist bei beiden Generationen gleich. Jederseits neben der Tube mündet in die Scheide ein einfacher Drüsenschlauch. Das Sekret desselben wird wahrschein- lich nur dazu dienen, um ein Fluidum zu liefern, von welchem die aus dem Receptaculum seminis austretenden Spermatozoen aufgenommen und dann dem Ei zugeführt werden, welches bei seinem Eintritte in die Vagina befruchtet werden soll. Es ist daher die Regel, dass diese Drüsen bei den geschlechtlichen Arten stärker entwickelt sind als bei den agamen.

Bei beiden Generationen kommt auch das Receptaculum seminis vor. Es ist von Interesse, dass es auch den Arten nicht fehlt, welche sich rein parthenogenetisch fortpflanzen, wenn auch eine Befruchtung niemals mehr stattfindet. Ein Vergleich mit dem Receptaculum der ge- schlechtlichen Arten lässt aber eine gewisse Atrophie nicht verkennen; bei den agamen Arten scheint eine mehr oder weniger rudimentäre Beschaffenheit desselben vorzuherrschen. Die Kapsel ist collabirt, atro- phisch ohne Pigment, die Anhangsdrüse ebenfalls reducirt. Das kon- Stante Vorkommen des Receptaculum seminis weist aber darauf hin, dass in einer weiter zurück liegenden Periode auch Männchen existirt haben müssen. Dafür sprechen auch noch andere Erscheinungen. Be- obachtet man nämlich die Wespen einer agamen Generation, z. B. Aphilotrix radieis bald nach dem Verlassen der Gallen, so sieht man oft, dass sie nach einiger Zeit den ganzen Stachelapparat hervorschieben und

236 H. Adler,

in dieser Stellung längere oder kürzere Zeit verweilen. Warum thun sie dies? Ganz denselben Vorgang kann man auch bei den geschlecht- ' lichen Generationen beobachten und der Zweck wird bald klar, indem | man erkennt, dass es der einleitende Schritt zu der nachfolgenden CGopula ist, die nur so ermöglicht wird. In der Ruhelage ist ja bei den langstachligen Gallwespen der ganze Stechapparat weit in die Bauch- höhle zurückgezogen; sollte nun eine Copula mit Erfolg stattfinden, so müsste der Penis der Männchen von gleicher Länge wie der spiralig ge- wundene Stachel sein, allein er ist nur von geringer Länge. Es kann desshalb auch nur bei vorgestrecktem Stechapparat die Vagina von dem Männchen erreicht werden. Indem nun die agamen Generationen die Gewohnheit, den Stachel vorzustrecken, beibehalten haben, was als die | Einleitung für eine nachfolgende Copula aufgefasst werden muss, scheint | mir dies in der That darauf hinzuweisen, dass früher Männchen vorge- | kommen sind.

Nun ist ferner bekannt, dass bei anderen nicht auf der Eiche leben- den Gallwespen einzelne Männchen vorkommen, obwohl die Fortpflan- zung eine rein parthenogenetische geworden ist; es gilt dies für die | Rosengallwespen Rhodites rosae und Eglanteriae. Bei beiden treten konstant noch immer einzelne Männchen auf, obwohl wahrscheinlich | schon seit langer Zeit keine Gopula mehr stattfindet.

Es sind schließlich außer den schon genannten noch zwei Anhangs- drüsen zu erwähnen, welche mehr gegen den Ursprung des Stachels hin der Scheide aufsitzen. Durch ihre kuglig vorspringende Form so wie die rein milchweiße Farbe sind sie leicht kenntlich ; sie enthalten reich- liches Sekret, das am nächsten einer Fettemulsion zu vergleichen ist. Dem entsprechend glaube ich auch, dass das Sekret lediglich mechani- schen Zwecken dienen soll, nämlich als Schmiere für den Stachelapparat. Bei anderen Iymenopteren (Aculeata) hefindet sich am Ursprunge des Stachels die sogenannte Öldrüse und ergießt das feltige Sekret auf die Stelle, wo die beiden Lanzen in die Rinne eingefügt sind, damit das leichte Hin- und Hergleiten ungehindert erfolgen kann. Den Gallwespen fehlt die Öldrüse, statt dessen besitzen sie das viel mächtigere schon er- wähnte Drüsenpaar. Bei ihrer angestrengten, lange andauernden Arbeit i ist ein Einfetten der Stechborsten jedenfalls nothwendig, um ihr leichtes | Hin- und Hergleiten zu sichern. |

Auch die früheren Stände der beiden Generationen bieten Ver- | - schiedenheiten ; aber die Erforschung dieser Verhältnisse ist eine frag- | mentarische geblieben und ich kann nur einzelne Punkte hervorheben. f Beginnen wir mit dem Ei und dessen Entwicklung.

{

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 337

So verschieden auch die Entwicklungsdauer der gelegten Eier ist, so gilt doch als Regel, dass sofort nach dem Legen die Entwicklung ihren Anfang nimmt, so dass eine längere Eiruhe nicht stattfindet. Auch bei den Eiern, welche mitten im Winter von-November bis Februar gelegt

- werden, beginnt sofort die embryonale Entwicklung. Natürlich geht sie

in der kalten Jahreszeit sehr langsam von statten, erfordert dagegen bei den Sommergenerationen weit kürzere Zeit. Aber auch bei letzteren kommt es vor, dass der Embryo eine ungewöhnlich lange Zeit innerhalb des Eies verweilt. Wenn bei einem im December oder Januar gelegten Ei das embryonale Stadium sich mehrere Monate hinzieht, so ist dies wohl zu begreifen, da erst mit dem Beginn des Pflanzenwachsthums im April oder Mai eine Nahrungszufuhr für den Embryo eintritt. Wenn aber bei den Eiern von Trigonaspis crustalis, welche Ende Mai oder Anfangs Juni gelegt werden, dieselbe Erscheinung vorkommt, so ist die lange Ruhe des Embryo schwer zu verstehen. Es vergeht ein Zeitraum von drei Monaten völliger Latenz; erst im September durchhricht der Em- bryo die Eihülle und jetzt beginnt die Gallenbildung. Dass für letztere jetzt die Bedingungen günstiger sein sollten als einige Wochen oder Monate früher ist eigentlich nicht anzunehmen, da im September die Vegetationsperiode schon ihrem Ende zugeht. Am wahrscheinlichsten ist die Erklärung, dass diese Eigenthümlichkeit der embryonalen Ent- wicklung von der aptera-Generation vererbt wird, bei welcher das embryonale Stadium reichlich vier Monate währt. Übrigens ist zu be- merken, dass diese Erscheinung bei allen Arten nicht vorkommt; so hat 2. B. Dryophanta divisa ein noch länger dauerndes Embryonalstadium, weil die Eier bereits Ende Oktober gelegt werden, die Galle sich aber erst im Mai bildet. Bei der zugehörigen Sommergeneration (Spathegaster verrucosus) bilden sich aber die Gallen sofort und erscheinen vier Wochen nachdem die Eier gelegt sind.

Die Eier der beiden Generationen, die also bei der einen stets un- befruchtet, bei der andern stets befruchtet sind, machen keine längere Ruhe durch, sondern zeigen alsbald nach dem Legen den Anfang der embryonalen Entwicklung. Die parthenogenetischen Eier, weiche fast alle in der kälteren Jahreszeit gelegt werden, zeigen nur eine viel lang- samer verlaufende Entwicklung als die befruchteten, welche alle in der wärmeren Jahreszeit gelegt werden. Bei dem sehr langsamen Verlaufe der verschiedenen Entwicklungsstadien bieten erstere sehr gute Objekte

_ für die Beobachtung. Es ist oftmals leider nur schwierig und umständ-

lich, sie unversehrt aus den Knospen herauszupräpariren. Alle Versuche, dies zu umgehen, und die dem Ovarium direkt entnommenen Eier zur Entwicklung zu bringen, erwiesen sich, wie schon bemerkt, als ver-

938 1.270 "Adler;

geblich. So einfach an sich die Bedingungen erscheinen, unter denen | die Eier in den Knospen ruhen, so ließen sie sich dennoch nicht erfüllen. ' Ich habe sie unter verschiedenen Modifikationen Tage lang beobachtet, ohne dass eine beginnende Furchung des Dotters eingetreten wäre, | während sie bei den gleichzeitig in Knospen gelegten Eiern mit Sicher- heit nach 20 Stunden zu erkennen war. i |

Über die wichtige Rolle, welche der Eistiel bei der Einleitung der | embryonalen Entwicklung spielt ist schon früher die Rede gewesen. |

Das Larvenstadium der beiden Generationen bietet Verschie- denheiten dar, aber nur rücksichtlich der sehr verschiedenen Entwick- lungsdauer. In ihrem Bau und Organisation zeigen die Larven eine vollkommene Übereinstimmung; da sie unter gleichen Verhältnissen leben, so bot sich keine Gelegenheit zu Anpassungen an verschiedene äußere Bedingungen. Einen Unterschied bloß zeigen einzelne Arten in | Bezug auf den Bau der Kiefer; so haben die Neuroterus-Larven stärkere gezähnte Kiefer, die Spathegaster-Larven dagegen einfache, ungezähnte. | Dieser verschiedene Bau der Kiefer hängt wohl mit der Beschaffenheit | der Gallen zusammen; bestehen sie aus einem festeren Gewebe, wie die Neuroterusgallen, so sind die Larven mit stärkeren Kiefern ausge- rüstet, dagegen gebrauchen die in saftreichen, zartwandigen Gallen | lebenden Spathegaster-Larven nur einfache und schwächere Kiefer.

Die Entwicklungsdauer der Larven ist bei den beiden Generationen sehr verschieden. Für die Sommergeneration gilt es, dass die Larve so- fort heranwächst und dass dem vollendeten Wachsthum kontinuirlich | das Puppenstadium folgt; bei der Wintergeneration dauert das Larven- stadium viel länger ; es kommen hierbei folgende Verschiedenheiten vor:

4) Die Larve entwickelt sich in demselben Jahre, wächst voll- kommen aus und ruht dann ein Jahr und länger in der Galle (Aphilotrix- arten).

2) Die Larve vollendet im ersten Jahre ihr Wachsthum nur bis zu einem gewissen Grade, überwintert und bildet sich erst im zweiten Jahre vollständig aus. |

3) Die Entwicklung der Larve steht, nachdem sie das Ei verlassen | und die Gallenbildung eingeleitet hat, vollkommen still, ruht einige Monate und entwickelt sich erst weiter, wenn die Galle zu Boden ge- ' fallen ist (Neuroterus). |

Auffallend bleibt in vielen Fällen die lange Larvenruhe und beson- | ders bemerkenswerth ist es, dass in vielen Fällen die Larven sogar bis | in das dritte Jahr ruhen, ehe sie in das Puppenstadium übergehen. Auch | bei den Arten ohne Generationswechsel liefert regelmäßig ein Theil der | Gallen die Wespe erst im dritten Jahre. Bei der Regelmäßigkeit, mit |

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 339

welcher diese Erscheinung sich wiederholt, glaube ich, dass eine indi- viduelle Verschiedenheit der Entwicklungsdauer sich vollständig fixirt hat. Daher finden wir bei derselben Art, dass ein Theil der Individuen nur ein Jahr zur vollen Entwicklung bedarf, ein Theil dagegen erst nach zwei Jahren dieses Ziel erreicht.

Die Verlängerung des Larvenstadiums ist eine auffallende Erschei- nung; man sollte vielmehr annehmen, dass eine Abkürzung dieses Stadiums von Vortheil für die Art sein müsse, weil die allen Einwir- kungen der Witterung ausgesetzte Galle nicht immer genügenden Schutz gewähren kann. Die Möglichkeit ist da, dass die beiden Generationen in einjährigem Cyklus sich entwickeln können, wie das Beispiel von Neuroterus-Spathegaster und Dryophanta-Spathegaster lehrt. Ferner ist es interessant, dass in der Gattung, deren Arten einen regelmäßig zwei- jährigen Cyklus inne halten, eine Art vorkommt, bei welcher die Mehr- zahl der Individuen in einem Jahre den Generationscyklus vollendet. Vielleicht liegt hierin ein Hinweis, dass früher unter anderen klimati- schen Verhältnissen allgemein ein längeres Larvenstadium stattgefunden hat, dass aber allmählich eine Verkürzung desselben eingetreten ist, die bei einigen Arten vollständig, bei einer theilweise, bei anderen noch gar nicht zur Geltung kommt. Von demselben Gesichtspunkte müssen wir dann auch die analoge Erscheinung bei den agamen Arten ohne Gene- rationswechsel betrachten ; bei einem Theile der Individuen ist der ein- jährige Turnus eingetreten, bei einem andern besteht noch der zwei- jährige.

Kapitel VI.

Über den Generationswechselder Eichen-Gallwespen im

Allgemeinen. Das Verhältnis der parthenogenetischen

Generationen zu den geschlechtlichen. Wie soll man sich den Generationscyklus erklären?

Es ist noch übrig den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen im Allgemeinen zu berücksichtigen. Dabei muss ich zunächst bemerken, dass ich die Bezeichnung Generationswechsel gewählt habe, ohne damit etwas präjudiciren zu wollen. Es soll damit nur das Bestehen einer eyklischen Fortpflanzung bezeichnet werden; die verschiedenen Aus- drücke, mit denen derartige cyklische Fortpflanzungen belegt werden, wie Generationswechsel, Heterogonie, Metagenesis, sind, wenn auch im Allgemeinen eng zusammenhängend, in verschiedener Bedeutung ange- wandt worden. So verlangt Lussock als nothwendige Bedingung für den

240 H. Adler,

Generationswechsel, dass die eine Generation sich durch Knospung fort- pflanzt, wie dies bei den Blattläusen geschieht. Bei den Gallwespen aber kommt eine derartige Fortpflanzung durch Knospung nicht vor. Mögen auch Parthenogenesis und Knospung nicht principiell verschieden sein, so bleibt doch die große Differenz bestehen, dass im ersteren Falle die embryonale Entwicklung ganz außerhalb, im letzteren ganz inner- halb des Ovariums verläuft. Bei den Gallwespen geht bei beiden Gene- rationen die Entwicklung genau in der gleichen Weise vor sich. Aus diesem Grunde kann ich Licutenstem, dem verdienstvollen Erforscher der Phylloxera, nicht beistimmen, wenn er geneigt ist, anzunehmen, dass die agamen Generationen der Gallwespen zu den geschlechtlichen in einem untergeordneten Verhältnisse stehen, wie die knospenden Generationen von Phylloxera und Aphis zu den geflügelten und ge- schlechtlichen.

Die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnisse der beiden Gene- rationen zu einander ist von fundamentaler Wichtigkeit für die Unter- suchung über die Entstehung des Generationswechsels überhaupt.

Zu dem Ende müssen wir zunächst denjenigen Punkt ins Auge fassen, der diesen Generationswechsel in einem besonderen Lichte er- scheinen lässt, die Parthenogenesis der einen Generation.

Als ich zuerst den Generationswechsel bei den Gallwespen ent- deckte, glaubte ich, dass ein bestimmtes Gesetz bestände, wonach bei den Gallwespen die eine Generation immer parthenogenetisch, die andere geschlechtlich sich fortpflanzte; indessen weitere Untersuchungen zeigten mir, dass ein solches Gesetz nicht aufzustellen war. Ich fand bald, dass mehrere Arten sich in einer alljährlichen Generation stets partheno- genetisch fortpflanzten. Dieses verschiedene Auftreten der Partheno- genesis veranlasste mich zugleich zu weiteren Untersuchungen über dieselbe bei anderen Abtheilungen der Hymenopteren, deren Resultate, so weit sie für die vorliegende Frage von Interesse sind, kurz angegeben werden sollen.

Bei den Blattwespen ist Parthenogenesis mehrfach beobachtet wor- den. Die genauen Beobachtungen, welche Professor v. SIEBoLD an Nematus ventricosus angestellt hat, ergaben, dass bei dieser Art, trotz- dem dass Männchen und Weibchen in gleicher Anzahl vorkommen, sehr leicht eine Parthenogenesis eintritt. Bei solchen Zuchten wurden dann auch beide Geschlechter wieder erhalten. Eine andere Art Nematus Vallisnierii habe ich selber näher untersucht.

Im Herbste 1876 war eine größere Anzahl der bekannten bohnen- förmigen Gallen dieser Art, welche sich oft in großer Menge auf Salix amygdalina finden, eingesammelt worden. Im Mai 1877 erzog ich die

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 341

Wespen und überzeugte mich, dass es nur Weibchen waren. Zur weiteren Beobachtung brachte ich sie auf kleine Weidenschösslinge, welche in Töpfe gesetzt waren. Die Wespen begannen auch bald in die zarten Blätichen der Spitzentriebe zu sägen und ihre Eier hineinzulegen. Anfangs Juli enthielten die Gallen bereits die ausgewachsenen Larven, die sich zum Verpuppen in. die Erde begaben. Nach sehr kurzem Puppenstadium erschienen bereits am 27. Juli die ersten Wespen. Es waren wieder nur Weibchen, die auch bald anfingen ihre Eier abzu- setzen. An den angestochenen Blättern waren Ende August die Gallen vollständig entwickelt. Die Larven begaben sich im Oktober zur Ver- puppung in die Erde. In diesem Falle also erscheinen alljährlich zwei Generationen mit ausschließlich parthenogenetischer Fortpflanzung.

Während also bei Nematus ventricosus nur eine exceptionelle Parthenogenesis vorkommt, ist sie bei Vallisnierii vollkommen konstant geworden; zugleich zeigt ihr Vorkommen bei ventricosus an, dass sie direkt aus der geschlechtlichen Fortpflanzung hervorgehen kann. Wahr- scheinlich ist dies bei den Hymenopteren leichter möglich als bei den anderen Insektenklassen. Hierfür möchte ich noch folgende an Pteroma- lus puparum gemachte Beobachtung anführen.

Dieser kleine Schmarotzer legt seine Eier in die Puppen verschie- dener Tagfalter wie Vanessa Jo, polychloros, urticae, Pieris rapae etc. Eine einzige Puppe liefert oft Hundert und mehr dieser kleinen Wespen, so dass es nicht schwer ist, sie in genügender Zahl zu ziehen. Da bei diesen Zuchten regelmäßig die Männchen zuerst erscheinen, außerdem leicht von den Weibchen zu unterscheiden sind, so kann man ohne Schwierigkeit die Geschlechter trennen und eine Copula verhindern. Bringt man dann die unbefruchteten Weibchen auf Tagfalter-Puppen, so beginnen sie gewöhnlich bald, dieselben anzustechen. Ich habe diese Versuche mehrfach angestellt und dabei im Allgemeinen das Resul- tat erhalten, dass von den unbefruchteien Weibchen vorzugsweise nur Männchen erzeugt werden. Ich lasse die Resultate eines Versuches folgen.

Im Frühjahre 1876 hatte ich eine Anzahl Puppen von Pieris Bras- Sicae eingesammelt, welche von Pieromalus puparum angestochen waren. Gleichzeitig hatte ich Raupen von Vanessa urticae gezogen, welche sich im Juni verpuppten. Diese Puppen wurden von unbe- fruchteten Weibchen angestochen. Um ganz sicher zu sein, hatte ich hinterher noch das Receptaculum seminis untersucht und wusste dess- halb mit Bestimmtheit, dass eine Copula nicht stattgefunden hatte. Die angestochenen Puppen lieferten folgendes Resultat:

I. Buppe 1245. 3%, Puppe 75:g151Q7 2. Puppe 62 31.1.4. Puppe = Ad: gl # ©.

349 M H. Adler,

Es mag schließlich noch ein Beispiel aus der Familie der Cynipiden selbst angeführt werden, um zu zeigen, dass die Parthenogenesis direkt aus der geschlechtlichen Fortpflanzung hervorgeht. Dieses Beispiel bie- ten die Rosengallwespen dar. Ich habe mit den beiden Arten Rhodites rosae und Eglanteriae Zuchtversuche angestellt. Erstere Art habe ich zu Hunderten gezogen und dabei das auch von Anderen erzielte Resul- tat erhalten, dass Männchen in sehr geringer Anzahl vorkommen, etwa 2% auf 100. Bei dieser großen Seltenheit der Männchen bleiben die Weibchen regelmäßig unbefruchtet. Zuchtversuche bestätigen dies, denn alle Wespen beginnen bald nach dem Verlassen der Gallen ihre Eier abzusetzen. Die wenigen noch immer vorkommenden Männchen sind überflüssig geworden und man kann wohl mit einiger Wahr- scheinlichkeit annehmen, dass sie im Laufe der Zeit vollständig eingehen werden. Bei einer anderen Art, Rhodites Eglanteriae, sind ebenfalls noch einzelne Männchen beobachtet worden. Ich habe bei wiederholten Zuchten nur Weibchen erhalten.

Alle die angeführten Thatsachen sprechen dafür, dass Parthenoge- nesis bei den Hymenopteren sehr verbreitet vorkommt, dass sie direkt aus der geschlechtlichen Zeugung hervorgeht. Das Resultat rücksicht- lich des Geschlechtes der Nachkommen ist ein sehr verschiedenes und es lässt sich kein allgemein gültiges Gesetz aufstellen. Bei einigen Hymenopteren überwiegt das männliche Geschlecht, welches bei der Biene ausschließlich vorkommt, wenn die Eier unbefruchtet bleiben. Bei den Gallwespen überwiegt in einzelnen Fällen das weibliche Ge- schlecht, ja es kommt ausschließlich vor. Es scheinen bei lange fortge- setzter Parthenogenesis die Männchen schließlich ganz zu verschwinden, denn man kennt sie bei Nematus Vallisnierii und mehreren Aphilotrix- arten nicht mehr. Es soll aber die Möglichkeit gar nicht ausgeschlossen werden, dass unter einer großen Anzahl auch noch einmal ein einzelnes Männchen gefunden werden kann. Etwas anders aber liegt die Sache bei den Gallwespen mit Generationswechsel; die eine (agame) Gene- ration kommt nur im weiblichen Geschlechte vor, die andere dagegen im männlichen und weiblichen gleich zahlreich. Indem nun die agame Generation beide Geschlechter erzeugt, müssen wir annehmen, dass in ihrem Ovarium die Eikeime a priori zu den verschiedenen Geschlechtern sich differenziren und dass dies ein von der geschlechtlichen Generation überkommenes Erbtheil ist. Für die’ geschlechtliche Generation aber, welche nur Weibchen erzeugt, muss man annehmen, dass ohne Aus- nahme die Eier befruchtet werden und dass, wie bei der Biene, die be- fruchteten Eier stets Weibchen liefern.

Bei dem Versuche allgemein gültige Gesichtspunkte aufzustellen,

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 243

tritt uns auch hier die Erscheinung entgegen, dass die Parthenogenesis sich verschieden ausgebildet hat, den Bedürfnissen des einzelnen Falles entsprechend. Daher muss für jede einzelne Art untersucht werden, wie die Fortpflanzung sich ausgebildet hat.

Bei der Untersuchung der Parthenogenesis war ich von dem Ge- sichtspunkte ausgegangen, dass sie der geschlechtlichen Fortpflanzung ganz gleich steht und kein Kriterium geben kann, die eine Generation der anderen unterzuordnen. Aber noch ein zweiter sehr wichtiger Um- stand beweist, dass die beiden Generationen der Gallwespen einander coordinirt sind.

Wenn man versuchen will, das jetzige Vorkommen zweier so total verschiedener Generationen zu erklären, wie sie bei den Eichen-Gall- wespen vorkommen, so muss man doch unbedingt annehmen, dass ur- sprünglich diese Verschiedenheit nicht bestand, sondern dass beide Generationen einander gleich waren. Denn als allgemeine Regel gilt es, dass von den Erzeugern mit großer Konstanz die gleiche Organisation und Körperform auf die Nachkommen vererbt wird. Treten nun Diffe- renzen zwischen zwei ursprünglich identischen Generationen auf, so wird man dieselben zunächst auf eine Änderung der äußeren Lebensbe- dingungen zurückführen müssen. In erster Linie sind dahin Verände- rungen des Klima zu rechnen, denn wir wissen nach den Untersuchungen von Weısmann über den Saison-Dimorphismus gewisser Schmetterlinge, dass differirende klimatische Einflüsse den ersten Anstoß zu Abände- rungen zweier Generationen geben können. Was aber den Grad der Abänderung betrifft, so wird derselbe durch einen Faktor bestimmt, welchen wir nicht genauer präcisiren können. Es ist dies nämlich die individuelle Organisation der betreffenden Art, welche bald eine größere Neigung zum Variiren, bald aber das Bestreben hat sich konstant zu erhalten. So finden wir bei den Gallwespen Generationen, bei denen trotz der verschiedensten Außenbedingungen fast keine Differenz ein- getreten ist (aptera-terminalis), während daneben eine andere durch ihre auffallende Differenz uns frappirt (renum-crustalis).

Wenn aber ursprünglich die Generationen einander gleich waren, was, wie ich glaube, nicht bezweifelt werden kann, so ist es von dem größten Interesse zu erfahren, ob man jetzt noch entscheiden kann, welche der beiden heutigen Generationen die ursprüngliche oder ihr doch am nächsten stehende ist. Zur Entscheidung dieser Frage liegen zwei wichtige Thatsachen vor.

1) Die parthenogenetische Form kommt für sich allein vor (Kapitel II sind vier derartige Arten beschrieben).

2) Bei den Eichen-Gallwespen ist kein Fall bekannt, dass eine

244 H. Adler,

geschlechtliche Form für sich besteht; alle geschlechtlichen Arten kennen wir nur zu einem Generationscyklus mit einer agamen vereinigt.

Daraus scheint mir darf man schließen, dass die jetzige agame Form die ursprüngliche war und wenn nicht geradezu identisch mit derselben, jedenfalls ihr sehr nahe stand.

Weitere Fragen dagegen lassen sich nicht ermitteln; wann die regelmäßige Parthenogenesis eingetreten ist (denn dass dieselbe allmäh- lich erworben wurde, kann nach den früheren Ausführungen wohl nicht bezweifelt werden), ist eben so wenig festzustellen, als ob ursprünglich in einem Jahre eine oder zwei Generationen sich entwickelten. Wahr- scheinlich ist es, dass ursprünglich in einem Jahre nur eine Generation sich entwickelte, wie dies bei den für sich bestehenden agamen Arten noch jetzt der Fall ist.

Jedenfalls aber halte ich es für sicher, dass die parthenogenetische Generation als ursprüngliche anzusehen und daher die geschlechtliche ihr unterzuordnen ist.

Für die Auffassung des ganzen Generationswechsels ist es von der größten Wichtigkeit, wenn man mit Bestimmtheit die eine Generation als die primäre bezeichnen kann. Die bedeutenden Differenzen zwischen den heutigen Generationen erforderten zu ihrer Ausbildung ohne Zweifel lange Zeiträume. Ein Maßstab für die Berechnung solcher Zeiträume fehlt uns freilich. Wären unter den fossilen Insekten Gallwespen ge- funden, so würden wir einen gewissen Anhalt haben, aber ein solcher Befund liegt nicht vor. Wir wissen nur, dass in früheren Perioden ein von dem heutigen total verschiedenes Klima bestand ; unter dem mäch- tigen Einflusse eines sich stetig, wenn auch allmählich ändernden Klimas hat sich dann der merkwürdige Generationswechsel ausgebildet, indem Anpassungen an neue’ Lebensverhältnisse die ganze Organisation der Art mehr oder weniger umänderten.

- Ein Blick auf die jetzt vorkommenden total verschiedenen Gene- rationen zeigt allerdings die Schwierigkeit des Problems »in der Er- scheinungen Flucht den ruhenden Pol« zu suchen. Nur in wenigen Zügen, einer Lapidarschrift gleich, spricht der jetzt vor unseren Augen sich vollziehende Generationswechsel von seiner, lange Zeiträume zu- rückreichenden Entstehungsgeschichte.

Schleswig, im Mai 1880.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. 245

Erklärung der Abbildungen !.

Tafel X.

Fig. 4. Gallen von Neuroterus lenticularis.

Fig. 42. Gallen von Spathegaster baccarum auf einem Blatte und Blüthenspindel.

Fig. 2. Gallen von Neuroterus laeviusculus.

Fig. 22. Gallen von Spathegaster albipes (2 Mal vergrößert).

Fig. 3. Gallen von Neuroterus numismatis (eine Galle daneben vergrößert).

Fig. 3%. Gallen von Spathegaster vesicatrix (daneben vergrößerte Galle).

Fig. 4. Gallen von Neuroterus fumipennis.

Fig. 42. Gallen von Spathegaster tricolor,

Fig. 5. Gallen von Aphilotrix radieis, die eine im frischen Zustande, die andere nach der Reife im Querschniitte.

Fig. 52. Gallen von Andricus noduli, ein Trieb mit frischen, der andere mit vorjährigen Gallen.

Fig. 6. Gallen von Aphilotrix Sieboldi, ein Ast mit frischen Gallen, der andere mit reifen und verholzten.

Fig. 6%. Gallen von Andricus testaceipes.

Fig. 7. Gallen von Aphilotrix cortieis, ein Rindenstück mit frischen, das andere mit reifen Gallen.

Fig. 72. Gallen von Andricus gemmatus, mit den Fluglöchern der Wespe.

Tafel XI.

Fig. 8. Gallen von Aphilotrix globuli, reife Galle isolirt daneben.

Fig. 8%. Gallen von Andricus inflator, daneben Querschnitt, um die Innen- galle zu zeigen.

Fig. 9. Gallen von Aphilotrix collaris, frische Galle in der Knospe und isolirt, und daneben reife mit der Knospe verwachsene Galle.

Fig. 9%. Gallen von Andricus curvator an einem Blatte und Zweige, daneben Querschnitt mit der Innengalle.

Fig. 40. Galle von Aphilotrix fecundatrix, isolirte Innengalle daneben.

Fig. 402. Gallen von Andricus pilosus, 3 Mal vergrößert.

Fig. 44. Gallen von Aphilotrix callidoma.

Fig. 442, Gallen von Andricus cirratus, in natürlicher Größe und daneben eine Knospe mit den Gallen 3 Mal vergrößert.

Fig. 42. Gallen von Aphilotrix Malpighii.

Fig. 122. Gallen von Andricus nudus, 2 Mal vergrößert.

Fig. 43. Galle von Aphilotrix autumnalis, reife Galle daneben isolirt.

Fig. 432. Gallen von Andricus ramuli.

Fig. 44. Galle von Dryophanta scutellaris.

Fig. 142. Galle von Spathegaster Taschenbergi, reife Gallen nach dem Aus- schlüpfen der Wespe und eine frische Galle vergrößert.

Fig. 45. Galle von Dryophanta longiventris.

Fig. 452. Galle von Spathegaster similis, eine an einem Triebe, eine aus einer Rindenknospe hervorgehend, eine vergrößert.

Fig. 46. Gallen von Dryophanta divisa.

Fig. 162. Gallen von Spathegaster verrucosus, eine Galle auf einem Blatte, eine andere auf einem Blattstiele sitzend, daneben eine vergrößerte, schließlich eine aus einer Knospe hervorbrechend.

1 Die Abbildungen der Gallen sind sämmtlich von Herrn O. PETERS in Göttingen nach frischen Exemplaren gemalt.

246 H. Adler, Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen.

Fig. 47. Gallen von Biorhiza aptera, frische Gallen aus dem ersten Jahre (bei eigenen Zuchtversuchen erhalten), daneben eine reife und verholzte Galle.

‚Fig. 172. Galle von Teras terminalis, darunter Querschnitt einer reifen Galle.

Fig. 18. Gallen von Biorhiza renum; Wespe daneben vergrößert.

Fig. 182. Gallen von Trigonaspis crustalis, Wespen , Männchen und Weibchen, daneben vergrößert.

Fig. 49. Gallen von Neuroterus ostreus.

Fig. 192. Gallen von Spathegaster aprilinus.

Fig. 2 Gallen von Aphilotrix seminationis auf Blättern und Blüthenspindeln.

Fig. 24. Gallen von Aphilotrix marginalis.

Fig. 22. Gallen von Aphilotrix quadrilineatus.

Fig. . Gallen von Aphilotrix albopunctata.

Tafel XII.

Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind nach Photogrammen gezeiclınet. Die bei mehreren Stacheln gezeichneten Eier sind bei derselben Vergrößerung wie der zu- gehörige Stachel photographisch aufgenommen. Die Stachel je zweier zusammen- gehöriger Generationen führen dieselbe Zahl.

Fig. A. Stachel von Andricus cirratus. Vergr. 55. Die Stechborste ist herausge- zogen, damit die beiden Platten, Muskeln und Schienenrinne klar zu übersehen sind. |

9 bis 5 sind die beim Stechapparate beschriebenen fünf Muskeln, welche die Stechbewegungen des Stachels vermitteln.

h, hintere, v, vordere Platte ; db, Bogen, c, Horn, s, Schienenrinne, p, Mast- darmpapille, st, Stachelscheide.

Fig. 2. Stachel von Neuroterus laeviusculus, mit Ei. Vergr. 30

Fig. 2%. Stachel von Spathegaster albipes, mit Ei. Vergr. 36.

Fig. 3. Stachel von Neuroterus fumipennis. Vergr. 36.

Fig. 4. Stachel von Aphilotrix radieis, mit Ei. Vergr. 25.

Fig. 42. Stachel von Andricus noduli, mit Ei. Vergr. 36. Die Stechborste ist vorgezogen.

Fig. 5. Stachel von Dryophanta scutellaris, mit Ei. Vergr. 30.

Fig. 5%. Stachel von Spathegaster Taschenbergi, mit Ei. Vergr. 36

Fig. 6. Stachel von Biorhiza renum. Vergr, 36.

Fig. 6%. Stachel von Trigonaspis crustalis. Vergr. 30.

Fig. 7. Stachel von Teras terminalis. Vergr. 30.

Fig. 8. Ei von Biorhiza aptera direkt aus dem Ovarium genommen und da- neben mit einem Embryo. Vergr. 200. Der Eistiel ist kurz abgeschnitten.

Fig. 9. Eifach aus dem Ovarium von Neuroterus fumipennis, drei noch in der Bildung begrifiene Eier darstellend. Vergr. 400. An dem letzten am Weitesten ent- wickelten Ei sieht man deutlich die Bildung des Eistieles.

Fig. 10. Ei von Aphilotrix autumnalis, 40 Stunden nach dem Legen aus einer Knospe genommen. Vergr. 200. Der Eistiel hat sich gegen die Eihöhle abgeschlos- sen. Die ganze Länge des Stieles war bei dieser Vergrößerung nicht darzustellen.

EEE USD EV WEN WE

B N

Über die Gefäfse im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche.

Von

Hans Virchow, Assistenten am anatomischen Institute zu Würzburg,

Mit Tafel XIII und XIV.

Wer das Auge, sei es entwicklungsgeschichtlich, sei es vergleichend anatomisch, betrachtet, wird an den inneren ! Augengefäßen ein großes Interesse nehmen. Seitdem Hyrır es als Gesetz aufgestellt hat, dass die Retina nur bei den Säugethieren vascularisirt sei 2, lag es nahe, zwischen den Gefäßen, welche es auf der Oberfläche des Glaskörpers bei ge- wissen Kaltblütern gibt, und den Netzhautgefäßen der Säugethiere eine Beziehung zu finden. Aber auch der Glaskörper der Säugethiere enthält während einer frühen Epoche der Entwicklung Gefäße und auch diese schienen den Vasa hyaloidea der Kaltblüter verwandt zu sein. Darin liegt ein Widerspruch, der nur dann schwindet, wenn sich aus den fötalen Glaskörpergefäßen der Säugethiere die Netzhautgefäße ent- wickeln®. Indessen die Untersuchungen sind nicht weit genug vorge- schritten, um diese Fragen zu entscheiden. Man weiß gar nichts von der Entwicklung der Netzhautgefäße und kennt nicht genau die Gläs- körpergefäße der Kaltblüter; nur von den fötalen Vasa hyaloidea der Säugelhierembryonen geben die Untersuchungen von Rıcniarpı* ein deutliches Bild. Der Einzige, der die Erforschung der Homologien

1 Zusatz A. ‘2 HyetL, Über anangische Netzhäute. Sitmuiaehens d. kaiserl. Akad. d. Wissen-

- schaften, mathem.-naturwissensch. Kl. 43. Bd. Wien 4861.

EEE Be

3 KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte d. Menschen und der höh. Thiere. II. Aufl. Leipzig 4879. p. 661. * RıcHıArDı, Sopra il sistema vasc. sang. dell’ occhio del feto umano e dei mam-

miferi. Arch. per la zool. l’anat. e la fisiol. Torino e Firenze 1869. p. 198.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 417

248 Hans Virchow,

zwischen den genannten Gefäßen begonnen hat, ist Kesster!; er hat eine gleiche Uranlage für die inneren Augengefäße bei verschiedenen Wirbelthieren nachgewiesen, unter denen man aliein Repräsentan- ten der anuren Amphibien vermisst. Dieselben Untersuchungen haben gezeigt, dass den urodelen Amphibien die Anlage innerer Augengefäße gänzlich fehlt.

Die vorliegende Arbeit sollte diese Untersuchungen weiter führen, speciell die Entwicklung der Netzhautgefäße verfolgen. Das Studium der Glaskörpergefäße des Frosches wurde nur als Voruntersuchung unternommen. Dabei stellte sich aber eine unerwartete Verbindung dieser Gefäße mit den übrigen Augengefäßen heraus. Und um einen festen Boden für die Betrachtung zu gewinnen, wurde die gesammte Gefäßvertheilung im Auge und die Anknüpfung dieser Bahnen an die größeren Stämme des Kopfes aufgesucht. Die Ergebnisse dieser For- schung sind geeignet, auch für sich die Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Denn sie zeigen, dass es bedeutende Abweichungen von dem Typus giebt, den man von den Säugethieren kennt.

Die Arbeit behandelt in vier Abschnitten die Gefäße zwischen Herz und Auge, die Gefäße der Chorioidea , der Iris, des Glaskörpers. Zum Voraus soll jedoch eine Bemerkung über die angewendeten Injektions- methoden gemacht werden.

Methoden.

Zur Injektion der Vasa hyaloidea eignet sich kaltflüssiges Berliner Blau und noch besser blaue Gelatinemasse. Für die übrigen Gefäße braucht man andere Mittel. Arrmann3 hat eine ausgezeichnete Methode beschrieben, bei welcher in injiciriem Öle der Niederschlag eines Re- | duktionsproduktes der Überosmiumsäure erzeugt und dann corrodirt wird. Man kann auf diesem Wege Ausgüsse herstellen von den Gefäßen der ganzen Iris und aller Theile der Chorioidea. Und es würde gewiss | auch möglich sein, mit Hilfe derartiger Präparate die Gefäßvertheilung im Auge kennen zu lernen. Es giebt aber eine Masse, die gerade die stärkeren Gefäße deutlich hervorhebt, und die dadurch oft mit einem Schlage zeigt, was man sonst vergeblich sucht; ja auf Verhältnisse führt, die man gar nicht vermuthet. Das ist Schellack. Man injieirt ihn, | nachdem er in Alkohol »gelöst« ist. Die Anregung zur Anwendung dieser \ Masse gab eine Mittheilung von Hoyer. Die alkoholische Schellack-

I KEssLEr, Zur Entw. d. Auges der Wirbelth. Leipzig 1877. 2 ]1.:c:p. 4% 3 ALTMANN, Über d. Verwerthbarkeit d. Korr. in d. mikr. An. Archiv für mikr. if Anat. Bd. XVI. 1879. p. 474. | * Hoyer, Archiv für mikr. Anat. Bd. XI. p. 645.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 249

lösung kann verdünnt in die feinsten Gefäße, ja durch die Kapillaren getrieben werden. Sie lässt sich aber andererseits, wenn man sie strengflüssiger herstellt, auf die Arterien oder Venen beschränken. Nur dadurch war es möglich zu entscheiden, was Arterien und was Venen des Glaskörpers sind. Man füllt die Venen der Augenhöhle von der V. cutanea aus. Präparate von der Chorioidea, die mit Schellack injieirt sind, überstehen stückweise sogar die Korrosion. Derartige Objekte zeichnen sich durch eine ungemeine Körperlichkeit vor denen nach Arrtmann’scher Manier aus. Dagegen war es ganz unmöglich, zusammen- hängendere Gefäßausbreitungen aus den korrodirenden Flüssigkeiten zu retten, da die Theile schon von selbst zerfielen. Mit Schellack waren auch diejenigen Thiere injieirt, an denen die Kopfgefäße präparirt wur- den. -Hier ist aber eine Kontrole an anders injieirten und an nicht injicirten Objekten nothwendig, da durch den Druck der strengflüssigen Masse die Gefäße erweitert und verschoben werden.

Die Gefäße des Kopfes (Fig. 1—4).

Die A. ophthalmica so wie mehrere Zweige, welche den unteren (inneren) Augenhöhlenrand umrahmen und in die Augenmuskeln ein- dringen, entspringen der A. carotis; die arteriellen Gefäße, welche den äußeren (oberen) Augenhöhlenrand umgeben, einem Aste aus der Aorta, welcher von Frıtscn ! und von Huxıey ? A. vertebralis genannt wird; der Abfluss des Blutes aus der Augenhöhle erfolgt in die Vena facialis.

‚Dieser Abschnitt handelt von 1) der A. ophthalmica, 2) der A. vertebralis, 3) der A. cutanea, 4) der V. facialis.

Die richtigste und zugleich genaueste Schilderung der Froschgefäße stammt aus dem Jahre 1838 3. Aber Burow’s Mittheilungen haben einen Schein von Unbestimmtheit, da nur wenige Gefäße benannt sind.

Die Mundhöhle, die bis 3 mm vor dem Kieferwinkel eine durch den Abstand der Kieferränder bedingte Breite besitzt, geht durch einen trichterförmigen Abschnitt in die Speiseröhre über. Hier trifft man den Ursprung der Gefäße: das Herz mit dem Bulbus arteriosus, aus dem die

1 Fritsch, Zur vergl. Anat. d. Amphibienherzen. Archiv für Anat. und Phys. 1869. p. 695.

2 Huxtey, Handbuch. d. Anat. der Wirbelth. übers. v. RatzeL. Breslau 4873. p. 158.

3 Burow, De vasis sanguif. ran. Diss. Regiomonti 1838. 17*

250 Hans Virchow,

drei Bogen jederseits hervorgehen, liegt auf der Bauchseite der Speise- röhre (Fig. 1). Die A. carotis interna aus dem ersten Bogen, und die Aorta (A), die Fortsetzung des zweiten, umgeben den Anfang der Speise- röhre. Die A. carotis, oder der erste Bogen (A.c), spaltet sich in die A. lingualis (A.l) und die A. carotis interna (A.c.i). Letztere zieht wie die Aorta an der lateralen Seite der Speiseröhre vorbei auf die obere. Um aber zunächst von der ventralen auf die laterale zu gelangen, müssen beide zwischen den Mm. petrohyoidei! hindurchpassiren , die A. carotis interna zwischen dem M. petrohyoideus anterior und dem ersten posterior, die Aorta zwischen erstem und zweitem posterior. Die A. carotis interna ist also durch den M. petrohyoideus posterior primus von der Aorta getrennt, legt sich dann aber sofort wieder an sie an. An dieser Stelle gibt Burow eine strangförmige Verbindung zwischen beiden an, in der er den Rest eines embryonalen Ductus Botalli ver- muthet?, Huxıry fälschlich einen Ductus Botalli3. Erst da, wo sie die dorsale Seite des Schlundes erreicht haben, wendet sich die A. carotis interna eben so entschieden vorwärts, wie die Aorta rückwärts.

Die A. carotis interna, über der Schleimhaut des Gaumens gestreckt vorwärts laufend, nähert sich nur sehr allmählich der Mittellinie und hat über sich zunächst den Ursprung des M. levator anguli scapulae und dann den queren Arm des Os sphenoideum (Fig. 2) und erreicht den unteren Augenhöhlenrand lateral von dem hinteren inneren Augen- winkel. Hier gibt sie zwei Äste ab, die A. palatina anterior (A.p.a) und A. palatina posterior (A.p.p). Letztere vertheilt sich, ohne einen eigent- lichen Stamm zu bilden, in dem hinteren lateralen Abschnitte der Gaumenschleimbaut, die anterior dagegen verläuft zur Seite des longi- tudinalen Armes des Os sphenoideum vorwärts, biegt am Os palatinum lateralwärts um und im vorderen lateralen Winkel des unteren Augen- höhlenrandes wieder vorwärts, während ein hier abgehender Ast längs des Os pterygoideum fast den hinteren lateralen Winkel erreicht. Die Arterie selbst, über einer vorstehenden Kante des Oberkieferbeines ver- borgen,, erreicht in der Mittellinie das gleichnamige Gefäß der anderen Seite und sendet ihre Zweige medianwärts und rückwärts in die Schleimhaut vor der inneren Nasenöffnung. Ihre Verzweigungen ge- hören fast ausschließlich der Schleimhaut an. Eine von Burow ange- gebene Anastomose mit der später zu beschreibenden A. nasalis in der Nase existirt nach den vorliegenden Untersuchungen nicht.

Die A. carotis interna selbst, dem abgerundeten Winkel, welchen der longitudinale und der quere Arm des Os sphenoideum bilden, fest

1 Die Bezeichnungen der Muskeln überall nach Ecker, Anat. des Frosches. 21. cp 10. 3 1.UCH0pr 458:

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche, 251

angepresst und dabei unter dem Ursprunge des M. pterygoideus gelegen, spaltet sich in die A. carotis cerebralis und A. ophthalmica!.

Die A. carotis cerebralis tritt unmittelbar von dem gemeinsamen Stamme ab in eine Öffnnng des knorpeligen Schädels, welche nach ab- wärts von einer Verbindungslinie zwischen Foramen opticum und Foramen pro trigemino, dem Foramen opticum näher, liegt. Ein Nerv, der an derselben Stelle die Schädelhöhle verlässt, N. abducens, befindet sich unmittelbar neben der Arterie nach oben und vorn; auf annähernd sagittalen Schnitten kann man sehen, dass Arterie und Nerv je ein be- sonderes Durchtrittsloch haben.

Die A. ophthalmica (Fig. 2, A.o), stärker als die A. cerebralis, tritt über den Ursprung des M. rectus oculi externus und M. retrahens bulbi hinweg in die Mitte des vom inneren hinteren Augenwinkel entspringen- den Muskelkegels und legt sich an den N. opticus an. Sowohl an diesem als am Bulbus hält sie die Mitte zwischen der ventralen und temporalen Seite. Sie liegt der Sclera zwar dicht aber locker an und dringt erst jenseits des Äquators durch die äußerste Augenhaut, und zwar so schief, dass sie die Chorioidea erst am Corpus ciliare erreicht. In diesem läuft sie vermittels eines flachen Bogens?, der seine Konvexität der Iris zu- wendet, bis zu seinem untersten Punkte. Aus diesem Bogen treten die beiden Arterien der Iris aus, und der Rest der A. ophthalmica ist die A. hyaloidea. Diese geht von dem untersten Punkte des Corpus ciliare auf die anliegende Stelle des Glaskörpers hinüber.

Ehe die A. ophthalmiea den Bulbus erreicht, gibt sie, ziemlich an derselben Stelle, mehrere Muskeläste und zwei Arterien der Chorioidea ab. Die letztgenannten (Fig. 5) kann man nach der üblichen Nomen- _ klatur auch als Aa. ciliares bezeichnen. Sie gelangen an der temporalen Seite des Sehnerven vorbei, also in einer sehr flachen Spirale, an die Sclera dorsal vom Sehnerveneintritt, durchbohren die Sclera sofort und gehen in der Chorioidea die eine in temporaler, die andere in nasaler Richtung. Da der Sehnerveneintritt der temporalen Seite näher ist wie der nasalen, so ist die temporale Arterie kürzer wie die andere. Diese beiden Gefäße liegen von ihrem Ursprunge aus der A. ophthalmica bis zu ihrer Trennung auf der Chorioidea hart an einander an.

An der Stelle, wo sich die Aorta nach rückwärts wendet, unmittel-

bar vor dem Querfortsatze des zweiten Wirbels und wenig nach vorn _ von dem Ursprunge der A. subelavia (Fig. 1, A.s), entsteht, letzterer an Stärke gleich, ein Gefäß, welches Frırscn und Huxıry A. vertebralis nennen (A.v). Es steigt zur Seite des ersten Wirbels in die Höhe, dem

1 Zusatz 2. 2 Zusatz 3.

252 Hans Virchow,

querfortsaizlosen Körper so fest angepresst, dass es ihn nicht nur von den Mm. intertransversarii capitis, sondern auch von dem N. sympathicus irennt. Jetzt spaltet sich das Gefäß in einen rückwärts und einen vor- wärts laufenden Ast. Letzterer (A.oc) durchdringt den Ansatz des M. longissimus dorsi, dem Os ocecipitale laterale angeschmiegt, und liegt so- dann unmittelbar unter der starken Fascie, welche den M. temporalis bedeckt!. Diese Fascie ist von dem Os oceipitale und der Kante des | Os frontoparietale ausgespannt zum Processus zygomaticus des Os tym- panicum und zum oberen Augenlide und findet ihre Fortsetzung in | einem sehr straffen Blatte, welches vom Os tympanicum zum Os maxil- | lare hinabreicht und über die hier gelegenen Gefäße, A. temporalis und V. facialis, lateral hinwegzieht. Es wäre am natürlichsten, das beschrie- bene Gefäß A. oceipitalis zu nennen, wenn nicht dieser Name zur Zeit, | freilich unpassend, vergeben wäre. Am vorderen Rande des M. tempo- ralis spaltet sich diese Arterie in eine A. nasalis und eine A. temporalis2.

Erstere (A.n) läuft, bedeckt von der beschriebenen Fascie, über den | M. rectus oculi superior hinweg außerordentlich stark geschlängelt an der Kante des Os frontoparietale nach vorn, beschickt im vorderen medianen Augenwinkel die Harner’sche Drüse und verlässt die Augen- höhle durch denselben Kanal im Os ethmoidale, welchen auch der R. nasalis vom ersten Aste des Trigeminus benutzt. Zuletzt spaltet sich | das Gefäß in zwei Äste, welche über der Schleimhaut der Decke der Nasenhöhle liegen. |

Die A. temporalis (A.t), am vorderen Rande des M. temporalis late- | ralwärts und abwärts laufend, tritt unter dem vorderen Schenkel des | Os tympanicum hindurch und biegt, am Obeıkiefer angelangt, rück- | wärts. |

An dieser Stelle geht ein Ast, der sich bald theilt, oder sogleich ' mehrere, oberhalb des Oberkiefers nach vorn, in dem Raume zwischen Augenhöhlenrand und Kieferrand die Haut versorgend bis vor den auf- ‚steigenden Fortsatz des Os maxillare; Aa. maxillares superiores (A.m).

Aus allen den Augenhöhlenrand umgebenden Gefäßen entspringen kurze Zweiglein für die Augenlider und die Bindehaut, besonders in | den beiden temporalen Winkeln. |

Kehren wir indessen zur A. temporalis zurück. Diese gibt vor 7

dem Os tympanicum ein Ästchen aufwärts, wird von der unteren Partie | des Trommelfellrandes bedeckt und passirt sodann lateral am unteren |

Schenkel des Os iympanicum vorbei, um, nachdem sie die äußere durch U

das Trommelfell verschlossene Öffnung der Paukenhöhle untenher um- |

1 Zusatz 4. 2 Zusatz 5.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 253

gangen hat, an der hinteren Wand der letzteren in ihre Endäste zu zer- fallen. Ein kurzer aber nicht schwacher Ast, R. auricularis (aw’), ver- breitet sich sehr reich in der Schleimhaut der hinteren Wand der Paukenhöhie und sendet ein Zweiglein auf das Trommelfell, welches von dessen oberem Rande gegen die Mitte hinabzieht und um den Ansatz der Columella einen Kranz bildet. Ein zweiter Ast geht medianwärts und erreicht den unmittelbar vor dem M. deltoides liegenden Feitkörper. Ein dritter Ast (A.i.p) endlich läuft an der medianen Seite des Kiefer- winkels vorbei nach vorn.

Aber dieser kann nicht allein auf den Namen einer A. inframaxilla- ris Anspruch machen. Es tritt nämlich an der Stelle, wo die A. tempo- ralis von dem Trommelfellrande verdeckt ist, eine Arterie (A.i.a) nach unten aus, läuft genau in derselben Weise wie der N. inframaxillaris in der Furche zwischen M. masseter und M. temporalis, median vom Os jugale und lateral von der Mandibula, abwärts und biegt sich schräg unter dem Unterkiefer weg an dessen mediane Seite. Beide Aa. infra- inaxillares ziehen nun, in den M. mylohyoideus seiner Faserung parallel Reiser vertheilend nach vorn bis zur Mittellinie; ein starker Zweig tritt auf halbem Wege in die Haut.

Der R. auricularis der A. temporalis nun anastomosirt mit einem Aste der A. cutanea und macht dadurch eine Besprechung dieser Arterie nöthig.

Die A. cutanea (A.cu) aus dem dritten Bogen, eben so stark wie die A. pulmonalis (A.p), tritt nicht wie die A. carotis interna und die Aorta auf die dorsale Seite der Mm. petrohyoidei, sondern sie bleibt der ven- tralen Seite des M. petrohyoideus posterior tertius dicht anliegend bis in die Nähe des Felsenbeines, läuft also vorwärts, lateralwärts und auf- wärts. Dabei kreuzt sie den lateralen Rand des M. levator anguli scapu- lae und erscheint zwischen dem M. protractor scapulae und dem M. sternocleidomastoideus. Hier nun wendet sie durch einen kurzen, lateral gerichteten, Bogen plötzlich in eine absteigende Richtung um und kommt hinter dem Kieferwinkel, am hinteren Rande des M. depressor maxillae inferioris zum Vorschein. Der Bogen dient ihr dazu, hinter dem M. sternocleidomastoideus hinweg auf dessen laterale Seite zu gelangen, und sie liegt während dessen dem Suprascapulare näher wie dem Schä- del. Bogen und absteigender Schenkel sind nur von dem flachen M. depressor maxillae inferioris verdeckt. Nach ihrem Austritte breitet sich die Arterie sofort rückwärts sehr reichlich in der Haut an der Seite des Thieres aus, gibt aber auch medianwärts einen Zweig ab, der bis zu dem Fettkörper vor dem M. deltoides läuft.

354 Hans Virchow,

Zwei Äste entstehen aus 'der A. cutanea, unmittelbar ehe sie den Bogen hinter dem M. sternocleidomastoideus bildet. |

Der eine dieser Äste (d) steigt direkt in die Höhe hinter dem late- ralen Ende des Processus squamosus des Os petrosum und hinter dem M. temporalis und tritt am vorderen Rande des M. depressor maxillae inferioris zur Haut. Auch er verbreitet sich rückwärts, aber nicht an der Seite, sondern am Rücken des Thieres, ist also ein Ramus dorsalis gegenüber dem R. lateralis (!), der Endigung der A. cutanea. Zur Haut des Kopfes gibt er nur ganz schwache Reiser, die bis an das obere Augenlid nach vorn reichen !.

Der andere Ast (aw”), kein Haut-, sondern ein Schleimhaut- und Muskelast, entspringt meist aus dem Stamme vor dem Abgange des R. dorsalis, zuweilen aber aus diesem. Er verbirgt sich hinter den Mm. petrohyoidei. Diese gegen ihren Ansatz hin fächerartig ausgebreiteten Muskeln entstehen gedrängt auf kleinem Raume an der hinteren Fläche des Felsenbeines, und dabei ist der im weiteren Verlaufe hintere Rand des M. petrohyoideus posterior tertius medianwärts gerichtet. Um diesen Rand nun schlägt sich die Arterie herum und kommt dadurch an die hintere Wand der Paukenhöhle. Dieser Ramus auricularis der A. cutanea also ist es, der mit dem R. auricularis der A. temporalis anastomosirt, so dass man das Netz an der hinteren Paukenhöhlenwand und die aus diesem Netze hervorgehende A. inframaxillaris mit demselben Rechte dem einen wie dem anderen zuschreiben kann; eine Auffassung, die durch isolirte Injektionen gesichert wird : Durch Vorschieben der Kanüle bei der Injektion von einem der Truünci arteriosi aus lässt sich nämlich zuweilen die A. cutanea gänzlich von der Füllung ausschließen. Man findet trotzdem alle bei der A. temporalis beschriebenen Gefäße voll Masse. Andererseits kann es der Zufall fügen, dass im Anfange der A. temporalis die Injektion stockt. Dann füllt sich das Paukenhöhlennetz und die hintere A. inframaxillaris, ja das Ende der A. temporalis und die vordere A. inframaxillaris von der A. cutanea her.

Auf einem Schema der drei arteriellen Bogen und ihrer Äste hat Fritsch der A. cutanea eine A. oceipitalis und eine A. inframaxillaris zuertheilt ? und hat sie folgendermaßen beschrieben : »Sie (die A. cutanea) giebt nicht ausschließlich Äste zur Haut des Rumpfes, sondern ein starker Zweig steigt nach Art einer occipitalis unter der Haut des Kopfes in die Höhe«3; ferner »gibt sie am Unterkieferwinkel einen starken Ast ab, der in die Tiefe zu den Muskeln des Unterkiefers und zu diesem selbst nach Art einer A. inframaxillaris höherer Amphi-

1 Zusatz 6. 2]. ce. Holzschnitt 3 auf p. 690. & 1. C..p. 689.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 255

bien verläuft«. Nach gütiger mündlicher Mittheilung sind damit die beiden oben beschriebenen Äste gemeint.

Die V. facialis (Fig. 3 und A) ist von Burow! und von GrusyY? be- schrieben worden als an der äußeren Seite des Oberkiefers von der Nase an rückwärts verlaufend und am Kieferwinkel in die Vena cutanea übergehend. Bei genauerer Betrachtung muss man sie vorn und hinten beschränken: sie beginnt an der Spitze des Processus zygomaticus des Os tympanicum und geht 4 mm vor dem Kieferwinkel auf die Haut über vor dem M. depressor maxillae inferioris.

Unterhalb und lateralwärts von der äußeren Nasenöffnung entsteht aus zwei Ästchen, einem oberen und einem unteren, eine kräftige Vene, V. nasalis (V.n); läuft oberhalb des Os maxillare rückwärts und ver- bindet sich am Augenhöhlenrande mit einer gleich starken Vene der Augenhöhle zur V. facialis (V.f).

Letztere (V.or.a) liegt an der vorderen Wand der Orbita; ihr gegen- über vor dem M. pterygoideus eine zweite (V.or.p), welche unter dem Processus zygomaticus hindurch in die V. facialis mündet; eine V. orbi- talis posterior gegenüber einer V. orbitalis anterior. Diese beiden Venen, welche Burow genauer wie Grusy angibt, liegen unmittelbar über dem M. levator bulbi. Die vordere erhält aus der Harper’schen Drüse kurze kräftige Wurzeln.

Es gibt aber noch eine dritte Vene (V.or.m) an der medialen Wand der Augenhöhle, hart am Schädel. Diese V. orbitalis medialis kommt aus dem vorderen medialen Winkel, sei es, dass sie aus einer Nasen- vene hervorgeht, oder von der Harper’schen Drüse ihre Entstehung nimmt, oder mit der vorderen Augenhöhlenvene zusammenhängt. Sie hält sich zunächst unmittelbar unter der A. nasalis, senkt sich aber dann unter den M. rectus oculi superior und trifft im hinteren medialen "Augenwinkel mit der V. orbitalis posterior und der V. jugularis interna zusammen.

Um den Lauf der, letzteren (V.j) zu verstehen, muss man sich folgende Punkte vergegenwärtigen: 4) der horizontal vorstehende Pro- cessus squamosus des Felsenbeines bildet mit der medialen Wand der Paukenhöhle eine rechtwinklige Ecke; 2) die Paukenhöhle ist von der Augenhöhle durch eine dreieckige, zwischen gewissen Theilen des Os petrosum, Os pterygoideum und Os tympanicum ausgespannte, Mem- bran abgeschlossen, die im medialen Winkel ein Loch hat. Es läuft nun eine starke V. spinalis (V.sp), der Hauptzufluss der V. jugularis interna, 1:1..c.p. 17.

2 Grupy, Rech. an. sur le systöme veineux de la Grenouille. Ann. d. sc. nat. II. Serie. Tome XVII. Zoologie. p. 223.

356 Hans Virchow,

über der Medulla oblongata nach vorn, schmiegt sich an die Decke der | Ausbuchtung der Schädelhöhle, welche im » Prooticum« liegt und geht | an der vorderen Wand dieser Nische im Bogen zum Foramen pro trige- | mino nieder. Mit Venen der Hirnhäute vereinigt sie sich zur V. jugula- | ris interna. Diese erreicht durch das Foramen pro trigemino, über dem | Nerv gelegen, die temporale! Wand der Augenhöhle, läuft hinter dem | Periost zu dem Loche in der dreieckigen Membran, hält sich in der | oberen medialen Ecke der Paukenhöhle über der Columella und kommt | an der hinteren Schädelseite, median von dem R. dorsalis der A. cuta- | nea zum Vorschein. |

Nach dem Austritt aus dem Foramen pro trigemino ist also, wie | gesagt, die V. jugularis interna sowohl mit der V. orbitalis posterior als | mit der orbitalis medialis verbunden.

Der Augapfel selbst hat zwei Venen, eine größere untere: V. oph- | thalmica, und eine kleinere obere: V. bulbi superior. |

Die V. ophthalmica (Fig. 3, 4, 6 V.o) tritt aus der Sclera etwas | proximal von dem untersten Punkte des Äquators, und erreicht, tempo- ralwärts und wenig medianwärts gerichtet, die V. orbitalis posterior. F Geht man dem Gefäße durch die Sclera auf die Chorioidea nach, so trifft | man in der Chorioidea selbst starke Wurzeln, die, gegen den Äquator | konvergirend, ohne einen eigenen Stamm zu bilden, sich mit der ge- | schilderten Vene vereinigen (Fig. 15): einen Wirtel ohne Wirtelvene. Hier beginnt die V. ophthalmica; sie entsteht durch Vereinigung des Wirtels U mit der V. hyaloidea. |

Die V. hyaloidea kommt vom Glaskörper herüber an derselben 7 Stelle, an welcher die A. hyaloidea den umgekehrten Weg nimmt, am | untersten Punkte des Corpus ciliare. Von da läuft sie an der ventralen U Seite der Ghorioidea auf die erwähnte Vereinigungsstelle zu. |

Die kleine obere Augenvene (Fig. 3, 4, 6A.V.b.s, 6B) entsteht) aus zwei Wurzeln, einer nasalen und einer temporalen, die sich erst” unmittelbar nach dem Verlassen der Sclera vereinigen. Sie geht von | einer Stelle, die nur wenig proximal von dem obersten Punkte des | Ans enäghatons liegt, am vorderen Rande des M. rectus u superior sofort in die V. önbitalls medialis über 2. |

Es seien noch einige Venen genannt, weil sie, neben Arterien liegend, mit solchen verwechselt werden können. | 1) Eine Vene, wie die vordere A. inframaxillaris verlaufend, |”

! Es wäre gut, wenn man sich von diesem unbestimmten Ausdruck losmachen ! und die Bezeichnung der Gegend vom Ohre hernehmen könnte, Ich finde aber nur »otal«, und das ist etymologisch schlecht. 2 Zusatz 7. |

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 357

mündet in die V. facialis. Sie kann nicht V. inframaxillaris heißen, weil sie mit der V. maxillaris inferior, der einen der beiden Wurzeln der V. jugularis externa, verwechselt werden würde.

2) Eine tiefe V. auricularis, wie das Ende der A. temporalis ge- legen, mündet in die V. facialis. Eine oberflächliche V. auricularis, durch den M. depressor maxillae inferioris von der tiefen getrennt, mündet in die V. cutanea.

3) Eine V. nasalis superior verläuft wie das Ende der A. nasalis.

Um Missverständnissen vorzubeugen, ist es gut, Varianten hervor- zuheben:: 4) Die A. palatina anterior spaltet sich am hinteren Rande der Augenhöhle und vereinigt sich am vorderen wieder.

2) Der R. dorsalis der A. cutanea übertrifft an Stärke den R. late- ralis. Die Verzweigungen dieser beiden Äste in der Haut sind sehr wechselnd.

3) Der absteigende Schenkel der A. cutanea durchbohrt den M. sternocleidomastoideus.

%) Die V. facialis und die V. maxillaris inferior sind durch eine Anastomose verbunden, welche am M. temporalis herabläuft.

Die Gefäße der Chorioidea (Fig. 5, 6, 10, 12, 13, 44,45, 46,19). Im Vorhergehenden sind die zuführenden und die abführenden Gefäße der Chorioidea erwähnt. Es sind zwei Arterien, von denen je eine an der nasalen und an der temporalen Seite liegt; ein großer ven- traler Venenstern, welcher sich am untersten Punkte des Äquators mit der V. hyaloidea zur V. ophthalmica vereinigt, und zwei Wurzeln der kleinen oberen Vene, die sich erst außerhalb der Sclera verbinden. Wenden wir uns nun zu der Gefäßausbreitung in der Chorioidea.

Jeder kennt das Bild, welches man sich von der Choriocapillaris der Säugethiere macht: es ist im genauesten Sinne das Bild eines Netzes mit gleichweiten Fäden und gleichgroßen rundlichen Maschen. Der Raum, den die Gefäße einnehmen, übertrifft um das drei- bis vierfache den, der für die Maschen bleibt. Man findet dieses Netz auch beim Frosche; Arrmann! hat es abgebildet. Aber man findet es nur an der nasalen und an der temporalen Seite und im proximalen Abschnitte der oberen; man vermisst es an der unteren Seite und im distalen Ab- schnitie der oberen. Es existirt also im Bereiche der Arterien und fehlt in dem der Venen.

Aber dieser Zustand der Chorioidea, in welchem die Maschen außerordentlich dicht sind, und keine bestimmte Richtung in den Ge-

I’L..e. Taf. XXI, Fig. A.

358 Hans Virchow,

fäßen bemerkbar wird, hat nur eine sehr beschränkte Ausdehnung. Bereits gegen das Ende der beiden Arterien am Corpus ciliare wird das Netz weiter und eben so dorsal und ventral in kurzer Entfernung von ihnen. Zugleich treten in den bis dahin gleich vertheilten Kapillaren ge- streckte Züge bervor, an Weite noch nicht von den sie verbindenden Querkanälen verschieden. \

Die Maschen verlängern sich; die gestreckten Züge treten unter ganz spitzen Winkeln zusammen; es entstehen dadurch Bahnen von zu- nehmender Weite, und die Querkanäle bleiben auf dem Range unterge- ordneter Kommunikationen stehen, welche der Blutstrom nur noch zum Ausgleiche benutzt.

In diesen drei Modifikationen zeigt sich das Gefäßnetz der Chorioi- dea: als Choriocapillaris, als Übergangsgebiet und als Gebiet der Venen- wurzeln. Dieses Gefäßnetz ist überall einschichtig, und nur die beiden Arterien mit ihren Zweigen liegen nach außen von der geschlossenen | Schicht; die Venenwurzeln dagegen in ihr selbst. Wenn die Retina mit | dem Pigmentepithel entfernt ist, so sieht man die Gefäßinjektionen auf der inneren Fläche der Chorioidea frei liegen, gleichviel ob sich die In- jektion in dem arteriellen oder in dem venösen Abschnitte der Chorioi- dea befindet, und nur in den Maschen wird das Pigment der Chorioidea sichtbar. Wie stellen sich nun die Abschnitte der Chorioidea in Verbin- dung mit den Hauptgefäßen dar? |

Jede der beiden Arterien gibt eine Anzahl Zweige ab, im Beginn unter rechten, gegen das Ende unter spitzen Winkeln. Die ersten Zweige sind am längsten, je näher dem Ende, um so kürzer werden sie. Diese Zweige theilen sich dichotomisch. Die längeren überspringen etwa 20 bis 30 Maschen der Choriocapillaris, bevor sie in das Netz der letzteren | eingehen. Ihre Zahl ist beschränkt; wenn man das letzte Viertel der Arterien nicht berücksichtigt, so findet man nur vier oder fünf Zweige. Diese treten alle nach der dorsalen Seite aus, und erst an dem letzten Abschnitte der Arterien beobachtet man auch ventrale Zweige!. Durch diesen Umstand werden die beiden Arterien, die ohnedies an der dor- | salen Seite des Sehnerveneintrittes auf die Ghorioidea gelangen, noch mehr der dorsalen Hälfte zugewiesen. Das Anfangsstück jeder der bei- den Arterien und der Beginn der größeren Äste liegt sehr oberflächlich: wenn sie mit ungefärbtem oder hellgefärbtem Schellack injieirt sind, so | sieht man sie unverdeckt nach Entfernung der Sclera auf der schwarzen | Chorioidea; und beim Korrodiren solcher Präparate pflegen diese Theile | abzubrechen. Zwischen den Arterien und der Choriocapillaris liegt eine

1 Zusatz 8.

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Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche, 259

Schicht von Chorioidealpigment, welche sich beim Korrodiren noch er- hält, nachdem das übrige Pigment verschwunden ist. Die Lage der Ar- terien und ihrer Zweige, die an Schellackpräparaten so außerordentlich deutlich ist, weil die volle Plasticität erhalten, ja gesteigert wird, beson- ders bei auffallendem Lichte, wird an Öl-Osmiumpräparaten undeutlich, weil Alles mehr in ein Niveau sinkt, und weil das absolute Schwarz keinen Kontur mehr erkennen lässt, wo ein Gefäßausguss über einem anderen liegt. Was man daher an Schellackpräparaten schon mit der Lupe sieht, muss man an Öl-Osmiumobjekten mit starken Vergröße- rungen suchen. Die gestreckten Gefäße, welche vorhin als ein Übergangsgebiet zwi- schen der Choriocapillaris und den Venenwurzeln bezeichnet wurden, laufen unter einander ziemlich parallel. In der Nähe des Sehnervenein- trittes gehen sie unter rechten Winkeln zu den Arterien aus der CGhorio-

- eapillaris hervor; in der Nähe des Corpus ciliare dagegen unter spitzen

Winkeln. Die Querkanäle sind an den gestreckten Gefäßen so zahlreich, dass die Maschen rund erscheinen.

Der große ventrale Venenstern nimmt den größten Theil der unte- ren Hälfte der Chorioidea ein. Die beiden Hälften dieses Sternes, die nasale und die temporale, sind symmetrisch. Sie sind vollkommen von einander getrennt. Denn vom Corpus ciliare bis zum Äquator liegt zwi-

- schen ihnen die V. hyaloidea, und vom Sehnerveneintritte her schiebt

sich gerade in der Mitte das Übergangsgebiet bis an den Äquator vor.

Die beiden Hälften münden getrennt an gegenüberliegenden Punkten

mit der V. hyaloidea zusammen. Unter den Wurzeln ist eine distale von den proximalen zu sondern; sie vereinigen sich erst bei der Einmündung

“in die V. hyaloidea. Die distale Wurzel liegt am Corpus ciliare; sie ist

sehr lang, denn sie nimmt genau den vierten Theil des Umfanges in dem an das Corpus ciliare grenzenden Abschnitte der Chorioidea ein. Die Wurzeln stehen durch engere Kanäle beständig in Verbindung. Diese Kanäle gehen unter schiefen Winkeln von einer zur andern. Die Wurzeln

_ entwickeln sich aus den Gefäßen des Übergangsgebietes, die unter spitzen

Winkeln zusammentreten. Erst von dem Punkte an, wo einzelne stär-

_ kere Gefäße sich aus der Umgebung der gleichstarken hervorheben, kann

man von Venenwurzeln reden.

Die beiden Wurzeln der kleinen oberen Augenvene liegen längs des Corpus ciliare. Jede von ihnen nimmt ein Viertel des Umfanges ein. Sie

sind also den am Corpus ciliare liegenden langen Wurzeln des großen

Sternes gleichwerthig. Die Gefäße des Übergangsgebietes treffen unter

rechten Winkeln auf diese Wurzeln und biegen in kurzen Bogen in sie um.

Zu dem Bilde der Chorioidea gehören endlich noch die Vasa recta,

260 Hans Virchow,

welche das Blut aus der Iris abführen. Diese zahlreichen, unter einan- der parallelen Gefäße vertheilen sich auf die vier am Corpus ciliare liegenden Wurzeln, so dass also das Blut aus der oberen Hälfte der Iris . in die kleine Vene, das aus der unteren Hälfte in den großen Stern ge- langt. Die Vasa recta, rechtwinklig gerichtet zu den sie aufnehmenden Wurzeln, biegen kurz in diese um. Desswegen kann man sie nicht selbst als »vordere Wurzeln« bezeichnen. Sie stehen vielmehr auf einer Stufe mit dem Übergangsgebiet der gestreckten Gefäße, von dem man nicht sagen kann, ob es der Choriocapillaris oder den Venenwurzeln zugehöre. Auch zwischen den Vasa recta giebt es zahlreiche Verbindungen, welche unter spitzen Winkeln von dem einen zum andern gehen und ein dichtes Geflecht besonders vor der Einmündung in die Venenwurzeln erzeugen.

Es ist ein sehr ausgedehntes und dichtes Gefäßgebiet, welches zwi- schen die Arterien und Venen der Chorioidea eingeschoben ist; und die direkte Erfahrung des Injicirenden zeigt, dass es langsam durchflossen wird. Denn bei Injektion von den Arterien her gelangt auf anderen Kapil- larbahnen Masse in die Venen und bis in den großen Venenstern der Chorioidea zu einer Zeit, wo das Übergangsgebiet der letzteren noch frei ist. Der Abfluss aber ist durch die Anordnung der Gefäße erleichtert. Denn das dichteste Netz mit dem Charakter der Choriocapillaris kommt nur im Anschlusse an die Arterienzweige vor; weiterhin wird das Netz lockerer, die Gefäße gestreckt, und endlich treten die starken Wurzeln auf, die sich spitzwinklig vereinigen.

Nun hat aber ALtmann noch eine zweite Gefäßschicht in der Chorioi- ‘dea beschrieben und abgebildet!; und da dies den Charakter der Haut wesentlich ändert, habe ich auf diesen Punkt eine große Aufmerksamkeit verwendet, ohne jedoch die Frage zur Entscheidung bringen zu können.

Die Gefäße der Iris (Fig. 9).

Die beiden Arterien der Iris entspringen aus dem Bogen, den die A. ophthalmica im Corpus ciliare bildet?, entweder auf getrennten Stellen oder auf demselben Punkte. Ihr Anfang liegt also am Giliarrande zwi- schen der ventralen und temporalen Seite, aber der ersteren näher. Die eine von ihnen wendet sich nasalwärts, die andere temporalwärts: und da sie an der nasalen Seite der Iris wieder zusammenireffen, so nimmt die erstere knapp ein Drittel, die letztere reichlich zwei Drittel des Um- fanges der Iris ein. Die temporale Arterie hält sich mit ihrem ersten Drittel am Ciliarrande und nähert sich dann sehr allmählich dem Pupil- larrande; die nasale dagegen wendet sich sofort schräg durch die Iris gegen die Pupille. Hier verbinden sich die Ausläufer beider Arterien.

!1.c. p 479. Taf. XXII, Fig. 2. : 2 Zusatz 9. 3 Ss. p. 251.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 261

Diese bilden also nach der gebräuchlichen Ausdrucksweise einen Circulus iridis major.

Dieser Ring wird von zahlreichen feinen Gefäßen gekreuzt. Man möchte auf den ersten Blick glauben, dass viele von ihnen aus dem Ringe entspringen. In der That aber stammen nur wenige stärkere Äste aus den beiden Arterien ab, in dem auf Fig. 9 wiedergegebenen Präparate drei aus der temporalen, zwei aus der nasalen. Erst die Enden lösen sich in kleine Zweige auf, verhalten sich also selbst wie Äste. Die fünf starken Äste treten gegen den Pupillarrand hin. Ihre Verzweigungen verbinden sich zu einem unregelmäßigen Netze, welches die ganze Iris einnimmt und nur am Pupillarrande einen feinen Saum frei lässt. Die beiden Ringarterien liegen nach außen von dem Netze und springen an Querschnitten durch uninjicirte Regenbogenhäute weit in die vordere Augenkammer vor!.

Das Netz erschöpfend zu schildern, ist unmöglich ; Regellosigkeit ist hier Hauptgesetz: die Gefäße, bald gestreckter, bald scharf gedreht, laufen bald schräg, bald radiär zum Pupillarrande, verbinden und kreu- zen sich und haben, wenn man Injektionen trauen darf, verschiedene Stärke. Indessen unterscheiden sich doch drei Zonen durch bestimmte Merkmale: die Gefäße des Pupillarrandes sind am feinsten; sie liegen dem Rande parallel. Sie treten theilweise in Verbindung, theilweise über- kreuzen sie sich, so dass man mit demselben Rechte von einem Circulus iridis minor sprechen kann wie bei Säugetbieren. In dem pupillaren Theile der Iris sind circeuläre und radiäre Gefäße gemischt. In dem cili- aren dagegen überwiegt die radiäre Richtung; die Schlängelung der Ge- fäße ist hier außerordentlich, und dadurch ihr Geflecht sehr dicht.

Damit sind wir bereits in das Corpus ciliare hineingelangt. Aus diesem führen die Vasa recta zu den Venenwurzeln?.

Die Gefäße des Glaskörpers3 (Fig. 7, 8, 17).

Es ist im Vorhergehenden erwähnt worden, dass die A. hyaloidea vom untersten Punkte des Corpus ciliare auf den Glaskörper übertritt#, und dass die V. hyaloidea an derselben Stelle den entgegengesetzten Weg nimmt. Man findet das Gewebe der Uvea an jedem der Gefäße erhoben, So zu sagen in Form eines breiten Processus ciliaris, und man sieht dem- entsprechend an gewissen Schnitten durch den Ciliarkörper ein weites Gefäßlumen im Inneren einer Falte. |

Die Arterie zerfällt, indem sie auf den Glaskörper übertritt, in zwei Äste, die Vene entsteht, indem sie von ihm kommt, aus drei Wurzeln.

Die beiden arteriellen Äste und zwei der venösen Wurzeln bilden

1 Zusatz 10. 2 s. p. 260. 3 Zusatz 41. 4 s.p. 251. 5 Ss. p. 256.

962 Hans Virchow,

je einen Ring um die Linse, circa 0,5 mm von derselben entfernt. Die Arterien sind der Linse näher. Die dritte Venenwurzel entsteht in der Gegend der Papille des Sehnerven und läuft von da an der ventralen Seite, um sich an einem und demselben Punkte mit den beiden andern zu vereinigen. |

Im Interesse einer einfachen Ausdrucksweise wird diejenige Partie des Glaskörpers, welche dem Corpus ciliare anliegt, als (distaler) Rand, die- jenige Stelle, welche an die Papille stößt, als (proximaler) Pol bezeichnet.

Die Vasa hyaloidea des Frosches liegen, wie bekannt, ganz auf der Oberfläche des Glaskörpers. Hrınricn MÜLLEr sagt, sie befinden sich in einer Haut, die sich von der Retina leicht trennen lässt!. Diese Aus- drucksweise erweckt den Schein, als wenn bei der Zerlegung des Auges eine die Gefäße enthaltende Membran an der Retina zurückbliebe und nachträglich von derselben abgehoben werden könnte. In dieser Hin- sicht ist zu bemerken, dass man bei dem Versuche, die ganz frische Re- tina vom Glaskörper zu lösen, beide, und zwar erstere mehr als letztere, beschädigt; dassaber schon nach einer eintägigen Einwirkung von MÜLLER- scher Flüssigkeit die fester gewordene Netzhaut von dem Glaskörper ge- wissermaßen abfällt, ohne an ihm Spuren zurückzulassen, es sei denn an der Zonula ciliaris. Dann sieht man auf der Oberfläche des nur noch mit der Linse verbundenen Glaskörpers schon mit bloßem Auge die nicht künstlich injieirten Gefäße angedeutet. |

Eine zweite Frage ist es, ob diese Gefäße in der Membrana hyaloi- dea? liegen. Gibt es denn eine Membrana hyaloidea? Bei den fort- dauernden Kontroversen über die Natur dieser Haut ist man nicht ein- mai in der Lage, eine für die Säugethiere allgemein geltende Ansicht auf die Amphibien zu übertragen. Dass an der Oberfläche des Glaskörpers beim Frosche eine Schicht von relativ großer Konsistenz liegt, ist kein Zweifel. Eine von der Oberfläche eines Glaskörpers aus Mürzer’scher Flüssigkeit tangential abgeschnittene Schicht bildet, auf dem Objektträger ausgebreitet, zahlreiche Falten, die als feine, haarscharfe Linien bemerk- bar werden. Aber ist dies eine verdichtete Randschicht oder eine selb- ständige Haut? Letzteres kann man nur dann behaupten, wenn man auf dem Querschnitt zwei Konturen sieht, und dies ist mir nicht geglückt, so dass ich mich des Urtheils enthalte. Wenn man den Glaskörper von ungeschwänzten Amphibien schnell mit starkem Alkohol behandelt, sa zieht er sich auf ein dünnes Häutchen an der proximalen Linsenfläche

1 H. MüLLer, Gesammelte Abhandl. 2 Zusatz 12. 3 Zusatz 43.

4 Eine Übersicht der streitenden Meinungen ist zuletzt von dem Herzog CArL in Baiern gegeben worden. Beitr. zur An. u. Path. d. Glask. GRrAEFE’S Arch. für Ophthalmol. XXV, 3.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 263

zusammen !. Aber selbst, wenn man nach längerer Einwirkung von Mürrer’scher Flüssigkeit ganz allmählich den Alkohol verstärkt ein Verfahren, bei dem der Glaskörper von Säugethieren seinen Umfang wenig ändert —, so schrumpft der des Frosches erheblich. Und wenn man ihn dann von der Linse löst, so hat man nur eine Haut vor sich, die an manchen Stellen mehr, an anderen weniger durchsichtig ist. Es liegt nahe zu vermuthen, dass die Glaskörpersubstanz, weniger konsistent als bei Säugethieren, sich nach der Randschicht zusammengezogen habe.

So lange es ungewiss ist, ob es eine abgeschlossene Membrana hya- loidea gibt, bleibt es natürlich auch unentschieden, ob die Gefäße in einer solchen liegen. So viel aber ist sicher: an einem Flächenpräparate machen die Gefäße aufs genaueste alle Faltungen mit. Von den Bildern, die dadurch entstehen, könnte eines vielleicht Täuschungen hervorrufen: die feinsten Falten sind nicht durch zwei, sondern nur durch eine einzige Linie markirt; da, wo ein Gefäß gekreuzt wird, erscheint sein perspek- tivischer Querschnitt als Spindel, die nach beiden Seiten mit der zarten Linie in Verbindung steht.

Von den arteriellen Ästen wendet sich der eine nasalwärts, der andere temporalwärts. Aber der R. nasalis nimmt nur ein Viertel des Umfanges ein, der R. temporalis drei Viertel. Sie treffen sich also an der Nasenseite. Die Zweige treten alle unter rechten Winkeln aus und laufen proximalwärts auf den Glaskörper. Aus dem nasalen Aste ent- springt nur ein Zweig etwa in halber Länge. Dieser Zweig ist stärker als die Fortsetzung des Gefäßes selbst am Rande.

Der temporale Ast giebt sieben Zweige ab. Von diesen entsteht der erste zwischen der ventralen und temporalen Seite des Randes, korre- spondirt also mit dem Zweige aus dem nasalen Aste; weicht aber von ihm sowohl als von allen übrigen dadurch ab, dass er sofort in zwei Unterzweige aus einander tritt, die mitunter isolirt entspringen. Die sechs übrigen Zweige des temporalen Astes findet man auf der dorsalen Hälfte des Glaskörpers. Von ihnen sind die mittelsten die längsten, die an der temporalen und an der nasalen Seite liegenden die kürzesten. Jeder Zweig geht in zwei gebogene Endgefäße aus einander. Je zwei der letzteren, auf einander zulaufend, bilden einen Spitzbogen. Alle End-

gefäße zusammen grenzen eine dorsale Randzone von der Polzone ab.

Das Ende des temporalen Astes am Rande ist nicht stärker wie ein Zweig und gibt wie ein solcher kapillare Gefäße ab. Eben so das Ende des

.nasalen Astes.

1 QuEckert ist dadurch sogar verleitet worden, die Vasa hyaloidea des Frosches für Kapselgefäße der Linse zu halten. Citirt nach Hyrrı anang. Netzh, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bad. 48

264 Hans Virchow,

Von den drei Venenwurzeln entsprechen die nasale und die temporale den beiden Arterienästen in so weit, als die erstere ein Viertel, die letztere drei Viertel des Umfanges einnimmt. Aber die nasale Vene liegt nicht am Rande, sondern entsteht weiter proximal auf dem Glaskörper, so dass dem venösen Ringe ein Viertel fehlt. Diese nasale Vene über- kreuzt sich dabei mit dem Zweige des nasalen Arterienastes und liegt nach außen von ihm. Genau an der temporalen Seite des Randes empfängt die Randvene einen kräftigen Zufluss; sonst hat sie keine kor- stanten Seitenwurzeln von größerer Bedeutung. Die nasale Vene ist stärker, die temporale schwächer wie die gleichnamige Arterie.

Beide aber werden übertroffen von der ventralen Wurzel, welche am Pole aus gabelig zusammentretenden Gefäßen, einem nasalen und einem temporalen, entsteht und etwa in halber Länge noch einmal von der temporalen und von der nasalen Seite je einen Zufluss erhält. Ge- wöhnlich kann man auch noch an den beiden Gefäßen, aus denen die ventrale Wurzel entsteht, eine Vereinigung aus je zwei kleineren Gefäßen bemerken.

Ein Zufluss aber verdient besonders hervorgehoben zu werden, weil er der Papille des Sehnerven anliegend, dem Ophthalmoskopirenden in erster Linie aufiällt: Wenn man die Richtung der ventralen Wurzel selbst nach oben weiter verfolgt, so stößt man auf ein kurzes Stämm- chen, welches in die temporale Unterwurzel kurz vor der Vereinigung mit der nasalen eingeht!.

Das zwischen Arterien und Venen liegende Netz ist verschieden an den einzelnen Stellen des Glaskörpers; verschieden nach Anordnung und nach Dichtigkeit.

Aus den erwähnten Endgefäßen der dorsalen Arterienzweige ent- springen auf der dem Pole zugekehrtien konvexen Seite kleinere Gefäße, die sich in Kapillaren theilen. Die letztgenannten laufen, unter einander parallel, zur ventralen Vene hinüber und, indem sie sich in ver- schiedenen Abständen unter spitzen Winkeln verbinden, sich wieder iheilen, wieder verbinden, entsteht, selten durch Querkanäle unter- brochen, ein System langgezogener Maschen, welches in die venösen Zuflüsse übergeht.

Den entschiedensten Gegensatz zu dieser Polzone bildet der dorsale Theil der Randzone. Die arteriellen Zweige geben in diese Zone erst Gefäße ab, nachdem sie sich in die Endzweige geiheilt haben, und auch da nur je eines bis drei. Einem so spärlichen Zufluss entspricht das Netz : die Gefäße sind zart, alle kapillar, und die Maschen außerordentlich

1 Zusatz A4.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 265

weit; je näher dem Rande, um so weiter. In der Nähe des Ursprunges liegen die Maschen in derRichtung der Spitzbogen, weiterhin unregelmäßig. Alle Venen, durch welche dieses Netz mit der Randvene zusammenhängt, sind fein und sehr verschieden dicht gestellt. Zuweilen steht zwischen zwei Arterienzweigen eine einzige kräftigere Vene, in andern Fällen zwei, drei bis fünf kapillare Gefäße. Die Netze in den Feldern der Randzone sind nicht von einander isolirt, sondern stehen durch Anastomosen mit einander in Verbindung. Hier, wie überall, wo am Glaskörper Arterien und Venen sich überkreuzen, liegen die Venen nach außen von den Arterien. Dies beobachtet man auch an der nasalen und an der tempo- ralen Seite, wenn auch in sehr geringem Maße.

Die Randzone ist an der nasalen und an der temporalen Seite unterbrochen durch ein Gebiet, welches an Dichtigkeit der ersteren gleichkommt. Hier ist die Anordnung der Gefäße am komplicirtesten, weil mehrere Arterien und mehrere Venen zusammentreffen.

Die Gebiete zu beiden Seiten der ventralen Venenwurzel nehmen in Bezug auf Dichtigkeit eine Mittelstellung ein und haben ihren eigenen Charakter. Durch die beiden Zuflüsse, welche sich mit der ventralen Venenwurzel, der eine auf der nasalen, der andere auf der temporalen Seite, verbinden, werden diese beiden Gebiete in je zwei Felder zerlegt, von denen die dem Pole zunächst liegenden auf drei Seiten von Venen, die an den Rand anstoßenden auf zwei Seiten von Venen und auf der dritten von den Randgefüßen begrenzt sind. In jedes dieser vier Felder tritt von der vierten offenen Seite eine Arterie. Die Maschen sind langgestreckt und der Arterie parallel. Gegen den Rand zu wird das Netz sehr locker und zuweilen vollkommen von dem Charakter der dor- salen Randzone.

Die hier gegebenen Regeln sind so reich an Ausnahmen, dass es schwer war, die Regel festzustellen. Ja, es kommt vielleicht niemals vor, dass in den beiden Augen eines Thieres die Bilder gleich sind. Man kann an Präparaten, die nur zwei oder drei Tage in MüLrer’scher Flüssigkeit waren und keine Schrumpfung zeigen, ab und zu hoble, blind endigende, mit Kernen besetzte Ausstülpungen von Gefüßen sehen, die nur den dritten Theil des Durchmessers von Kapillaren haben. Wenn darin der Hinweis liegt, dass sich noch am erwachsenen Thiere eine Um- - bildung der Glaskörpergefäße langsam fortsetzt, so wären die zahlreichen Varianten theilweise erklärlich !.

Es muss noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Bild dieser Gefäße, welche so frei liegen, durch jede Art der Injektion ver-

1 Zusatz 45.

18*

956 Haus Virchow,

ändert wird. Sie werden sowohl in die Weite als in die Länge gedehnt. Besonders schlängeln sich die Arterienzweige, und der. Anfang der ven- tralen Venenwurzel steigt gegen den Pol in die Höhe, so dass die Zu- flüsse derselben sich unter einem stumpferen Winkel vereinigen, als ihn der Augenspiegel zeigt.

Überblick.

Im Auge des Frosches kommen vor: zwei Arterien der CGhorioidea, zwei Arterien der Iris, eine Arterie des Glaskörpers, sämmtlich aus der A. ophthalmica stammend; eine Vene des Glaskörpers, ein großer Venen- stern der Chorioidea, die sich zur V. ophthalmica vereinigen, und eine kleine obere Augenvene.

Die A. ophthalmica, neben der A. (carotis) cerebralis durch Zerfall der A. carotis interna entstanden, liegt am Sehnerven und am Bulbus in der Mitte zwischen ventraler und temporaler Seite, dringt jenseits des Äquators durch die Sclera und erreicht vermittels eines Bogens im Corpus ciliare den untersten Punkt desselben. Aus diesem Bogen treten die beiden Arterien der Iris aus, der Rest der A. ophthalmica ist die ‚A. hyaloidea.

Die beiden Arterien der Chorioidea, von ihrem Austritt aus der A. ophthalmica bis zu ihrem Durchtritt durch die Sclera hart neben einan- der gelegen, gehen in der Chorioidea die eine gegen die nasale die andere gegen die temporale Seite. Sie sind mit ihren Ästen die einzigen Gefäße, welche nach außen von der geschlossenen Gefäßschicht der Chorioidea liegen.

Nur in der unmittelbaren Nähe dieser Arterien hat das Gefäßnetz den Charakter der Choriocapillaris. Distalwärts, nach oben und nach unten wird es weiter. Hier trifft man ein Übergangsgebiet, in dem zwar die Maschen wegen der Häufigkeit der Querkanäle auch rund sind, in welchem aber gestreckte Bahnen hervortreten. Diese gehen in die Venen- wurzeln über, in der oberen und unteren Hälfte der Chorioidea nach einem verschiedenen Modus. Die obere Vene hat zwei Wurzeln, welche längs des Corpus ciliare liegen und sich erst jenseits der Sclera vereini- gen; in diese Wurzeln münden die gestreckten Gefäße parallel, kurz umbiegend. Der ventrale Venenstern hat außer den beiden Hauptwurzeln, die wie die Wurzeln der oberen Vene längs des Corpus ciliare liegen und je den vierten Theil des Umfanges einnehmen, kürzere Wurzeln, die den größeren Theil der unteren Hälfte der Chorioidea füllen. Die Leiztgenannten entstehen dadurch, dass die aus der Choriocapillaris hervorkommenden gestreckten Gefäße sich spitzwinklig vereinigen.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 267

| Die Vasa recta des Corpus ciliare, welche das Blut aus der Iris ab- führen, gehen in die Venenwurzeln;; die der oberen Hälfte zu der dorsalen Vene, die der unteren Hälfte zu dem ventralen Stern.

Der ventrale Stern ist durch die V. hyaloidea in eine nasale und eine temporale Hälfte geschieden.

Von den beiden Arterien der Iris nimmt die nasale ein Drittel, die temporale zwei Drittel des Umfanges ein. Sie treffen sich an der nasalen Seite des Pupillarrandes. Es entspringen aus ihnen sehr wenige Äste, abgesehen von den Enden der Gefäße, welche sich in feine Zweige auf- lösen. Die Iris ist eingenommen von einem sehr unregelmäßigen Netze, dessen Kapillaren nur am Pupillarrande eine cirkuläre, am ciliaren Abschnitte eine radiäre Richtung festhalten. Etwa 120 feine Gefäße ziehen an der Innenseite des Ringes vorbei gegen das Corpus ciliare und bilden in diesem ein überaus dichtes Geflecht, aus dem die Vasa recta entstehen.

Die A. hyaloidea geht von dem untersten Punkte des Corpus ciliare auf den Rand des Glaskörpers über und zerfällt in diesem Momente in zwei Äste, die um die Linse einen Ring bilden und sich an der nasalen Seite treffen. Der nasale Ast gibt einen, der temporale sieben Zweige ab. Die V. hyaloidea entsteht aus drei Wurzeln, einer nasalen, einer temporalen und einer ventralen, welche sich zugleich an dem untersten Punkte des Glaskörperrandes vereinigen. Die V. hyaloidea läuft von der entsprechenden Stelle des Corpus ciliare an der ventralen Seite des Bulbus in der Chorioidea bis zum Äquator. Die temporale Wurzel liegt am Rande hart neben der Arterie, der Linse ferner, und nimmt drei Viertel des Umfanges ein; die nasale füllt nur den vierten Theil des Umfanges, hält sich aber etwas abseits von der Linse.

Das Glaskörpergefäßnetz hat an verschiedenen Stellen einen ver- schiedenen Charakter. Es ist am dichtesten am Pole und an der tempo- ralen und nasalen Seite des Randes, weniger dicht zu beiden Seiten der ‚ventralen Venenwurzel und am lockersten in der dorsalen und ventralen Randzone, besonders in der dorsalen. In der Polzone laufen die Kapil- laren parallel von oben nach unten, zu beiden Seiten der ventralen Wurzel stehen die Maschen rechtwinklig zu dieser und in der Randzone sind sie unregelmäßig rundlich.

Vergleichung. |

Im Verlaufe dieser Arbeit hat sich gezeigt, dass die Gefäße im Froschauge ganz anders vertheilt sind wie im Säugethierauge.

- Die Chorioidea besitzt keine Aa. ciliares posticae breves, sondern

' hat an der nasalen und an der temporalen Seite je eine lange Arterie. Aber

268 Hans Virchow,

muss man nicht diese beiden Gefäße für das Homologon der Aa. ciliares posticae longae bei Säugethieren halten, die doch zur Iris gehen ?

Zur Iris dagegen haben diese Gefäße keine Beziehung. Diese erhält vielmehr zwei Arterien unmittelbar aus der A. ophthalmica, welche bis zum Corpus ciliare vordringt.

Man wird geneigt sein, in der A. ophthalmica.das Homologon zu sehen zu der A. ophthalmica anderer Thiere und zu deren Fortsetzung: der A. hyaloidea der Fische, der A. pectinis der Vögel, der A. centralis retinae der Säugethiere und der A. capsularis ihrer Embryonen. Aber wo gibt es ein Beispiel, dass die A. ophthalmica die Sclera jenseits des Äquators durchbohrt und die Chorioidea erst am Corpus ciliare er- reicht?

Nur die Venen der Chorioidea zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit höheren Zuständen. Aber sie sind weit davon entfernt, den Vv. vorti- cosae zu gleichen. Die beiden Wurzeln der oberen Vene nähern sich schon innerhalb der Chorioidea stark, und die beiden Hälften des ven- tralen Sternes verbinden sich mit der in der Gefäßhaut liegenden V. hyaloidea.

Wenn also Cuarın ! sagt, dass die Chorioidea der Wirbelthiere kurze Giliararterien und vier Vv. vorticosae habe, so ist dies nur eine Verall- gemeinerung einer von den Säugethieren bekannten Thatsache. In der That aber befinden sich die Venen so zu sagen in Vorbereitung für diese Gestaltung.

Die Choriocapillaris findet sich nur in nächster Nähe der Arterien ; in allen übrigen Partien ist das Netz weiter und von einem andern Charakter. In dieser Hinsicht gleicht die Chorioidea des Frosches voll- kommen der des Mauiwurfes, deren Gefäße Kınyı abbildet?. Auch darin, dass die Venenwurzeln in dieser Schicht selbst liegen.

An diesen Punkten wird nichts geändert, selbst wenn nach außen noch eine zweite Gefäßlage existiren sollte, wie ALTmann behauptet °.

Dass die Iris zwei Gefäße enthält, die von einem Punkte ausgehen, scheint bei den Amphibien und Reptilien allgemeiner vorzukommen. Die A. ophthalmiea des Axolotl dringt, nachdem sie zwei Arterien der Chorioidea abgegeben hat, die sich wie die des Frosches verhalten, mit dem Sehnerven zusammen durch die Sclera, läuft aber dann zwischen Sclera und Chorioidea an der tempöralen Seite des Bulbus, also neben der einen Ciliararterie und spaltet sich, ehe sie das Corpus ciliare er-

1 Cmarın, l.c. p. 464.

2 Kanyı, Über das Auge des Maulwurfes. Denkschr. d. Akad. d. Wissensch, in krakau. IV. Bd. Krakau 4878. Ref. in Jahresber. über die Forischr. der Anat. ung Physiol. p. 389. Taf. IV, Fig. 43. 3 ALTMANN, 1. c. p. 479.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 269

reicht, in zwei Arterien der Iris, eine dorsale und eine ventrale, die sich an der nasalen Seite wieder trefien.

Das Gefäßnetz der Schildkröteniris bildet ALtmann nach der Photo- graphie eines Öl-Osmium-Korrosionspräparates ab1. Auch hier entstehen zwei Arterien durch Spaltung eines Stammes; beide sind gleich lang. Im Gegensatze zur Froschiris fällt es auf, dass das Geflecht im pupillaren Absehnitte viel dichter ist als im ciliaren. Leider kann man nicht ent- nehmen, ob wenige stärkere oder zahlreiche feinere Seitenzweige aus dem Ringgefäße austreten.

Auch die Iris der Eidechse enthält ein Ringgefäß ?. Im Übrigen aber müsste man nach der Beschreibung von Faser, der die Gefäße durch natürliche Injektion gefüllt fand, glauben, etwas absolut Anderes vor sich zu haben: »Man sieht in ziemlich gleichen Abständen Gefäßstämme am Giliarrande eintreten, ohneirgend welche Verästelung unter mäßigen Windungen nach innen verlaufen, am Pupillarrande eine ein- fache Schlinge bilden und in derselben Weise wieder zum Giliar- rande zurückkehren, stets von gleicher Weite, 0,04 mm. Außer diesen radiären Gefäßstämmen finde ich (FABer) noch ein ungefähr in der Mitte der Breite der Iris cirkulär verlaufendes Gefäß, welches jene an Mächtig- keit noca übertrifft. Dasselbe ist hinter ihnen gelegen. Eine Kom- munikation zwischen beiden konnte ich nicht bemerken.«

Offenbar gleichen die Irisgefäße der Blindschleiche?3 denen der Eidechse. Auch dort bilden die radiären Gefäße am Pupillarrande eine Schlinge und laufen unter mäßigen \Windungen und gleich weit vom Pupillarrande zum Giliarrande; auch dort liegt das weitere Ringgefäß nach innen von ihnen. Und wenn auch die radiären Gefäße sich sowohl theilen als verbinden und durch Queranastomosen kommuniciren, so wird dadurch doch der Charakter nicht bestimmt. Aber diese radiären Gefäße entspringen aus den Ringgefäßen und zwar in Gestalt weniger, je näher den Enden um so kürzerer, Äste, die sich gegen den Pupillar- rand in eine Anzahl von Endgefäßen auflösen. Die beiden cirkulären Gefäße nähern sich allmählich dem Pupillarrande. Wenn man auch hier annehmen darf, dass beide Gefäße aus einem Stamme hervorgehen, so hätte man die Theilungsstelle anscheinend schon in der Chorioidea zu suchen. Welches dieser Stamm sei, ist nicht bekannt.

Glaskörpergefäße gibt es bei Fischen, ungeschwänzten Amphibien, Schlangen und Säugethierembryonen. Was wir über ihre primitive An- lage wissen, verdanken wir Kzssrer. Bei Embryonen aus allen

1 ALTMANN, l.c. Taf. XXI, Fig. 4. 2 FABErR, Der Bau der Iris d. Menschen u. d. Wirb. Leipzig 1876. p. 72. 3 Siehe Fig. AA. 2]..e.

270 Hans Virchow,

Wirbelthierklassen, ausgenommen denen geschwänzter Amphibien (über / ungeschwänzte theilt Kessrer nichts mit), findet sich vor der Einstül- pung der Augenblase an der ventralen Seite derselben eine Gefäßschlinge mit einem zuführenden dorsalen und einem abführenden ventralen Schenkel. Gleichzeitig mit der Umwandlung der Blase in einen an der ventralen Seite eingeschnitienen Becher rückt die Gefäßschlinge in die Höhe. Der zuführende Schenkel liegt eine Zeit lang in der Augenblasen- spalte, dann über derselben, so dass er beim Schlusse derselben im Glaskörperraume ist, und erfährt nun verschiedene Schicksale.

Beim Hühnchen erhebt sich das Gefäß nicht über den Boden des Glaskörperraumes, obliterirt da, wo es anfänglich durch das Corpus ciliare austrat, und wird zum Stamme der A. pectinis!.

Bei der Eidechse steigt der zuführende Schenkel höher in den Glas- körper hinein; wird aber dann auch zur A. pectinis 2.

Bei Säugethierembryonen endlich erhebt sich die A. hyaloidea bis in die Mitte des Glaskörpers und wird zu der A. capsularis, welche das Blut von der Papille zu der proximalen Wand der Linse führt.

Auch beim Hechte wird aus dem Gefäße die Glaskörperarterie, aber diese breitet sich schon an der Papille in mehrere Äste aus, die auf der Oberfläche des Glaskörpers bleiben *.

Diese Angaben sind im Einzelnen gewiss der Vervollständigung be- - dürftig, aber das Wesentliche ist geschehen: eine Zusammengehörigkeit der inneren Augengefäße erwiesen.

Bei allen diesen Thieren durchbricht die A. hyaloidea, resp. A. pectinis die Gefäßschicht der Uvea an derselben Stelle wie der Sehnerv. Das ist bei Amphibien anders: die A. ophthalmica liegt außerhalb der Chorioidea bis zum Corpus ciliare hin ; beim Axolotl zwischen Chorioidea und Sclera, beim Frosch sogar noch jenseits der letzteren.

Darf man also die Glaskörpergefäße des Frosches als Homologon an- sehen zu denen der Fische und Schlangen? Gewiss nicht.” Sie ent- springen an einer ganz anderen Stelle; die A. ophthalmica hat erst die Arterien der Iris abzugeben, ehe sie als A. hyaloidea auf den Glaskörper übergeht. Man kann also zwischen diesen Gefäßen nur eine Analogie sehen, aber nicht nur eine physiologische, sondern eine anatomische Analogie.

Desswegen ist hier auch nicht der Ort, auf die genannten Gefäße bei anderen Kaltblütern und bei Säugethierembryonen einzugehen, und die Frage zu erörtern, ob sie zu den Retinalgefäßen, sei es phylogene- isch, sei es ontogenetisch, eine Beziehung haben.

1.12€.3P..12. 2].c. pP. 78. 3 1. €..'P. 16. 4]. eo, 1ps80:

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 271

Die anuren Amphibien aber haben alle, so weit sie untersucht sind, Glaskörpergefäße, die wie die des Frosches vom Rande aus eintreten, freilich mit Abweichungen in den Einzelheiten. Es sind dies außer Rana temporaria Rana mugiens, Hyla arborea, Galamites coerulea, Peloba- tes fuscus, Bufo cinereus. Man kann Alytes obstetricans dazu nehmen, denn Lieserkünn giebt bei demselben Gefäße an!.

Die Urodelen dagegen haben keine Vasa hyaloidea. Hyrrr spricht sie den Salamandrinen ab 2, KzssLer den Larven von Triton. Dies fand sich bei Injektionen bestätigt für Triton cristatus, Salamandra maculosa, Siredon pisciformis.

Zusätze.

1) Leser unterscheidet ein Netzhautgefäßsystem und ein Aderhaut- gefäßsystem. Aber nur ein Theil der Wirbelthiere hat Netzhautgefäße. »Innere Augengefäße« sind die Gefäße von Glaskörper, Pecten und Retina; »äußere« die der Chorioidea und Iris, der Scelera und des Horn- hautrandes. Dass aber innere und äußere Gefäße nicht überall von einander getrennt sind, zeigt sich gerade beim Frosche: das Ende der A. ophthalmica zerfällt in die beiden Arterien der Iris und die A. hya- loidea.

2) GörrE® gibt an, dass bei Larven von Bombinator die A. oph- thalmica durch das Austrittsloch des Sehnerven nach außen passire.

3) Auf der beigegebenen Abbildung der Iris ist dieser Bogen in der Gegend des Corpus ciliare zu sehen, an Schellackpräparaten sieht man ihn in der Iris selbst; das erstere ist vielleicht Folge des Zuges bei der Ausbreitung des Objektes, das letztere Folge des Injektionsdruckes.

%) Abweichend von den hier gemachten Angaben theilt Hyrrı in einem Abschnitte über »die großen Schlagaderstämme der nackten Am- phibien«® mit: 1) dass die A. ophthalmica aus dem zweiten Bogen stamme, und 2) dass der laterale der beiden Äste aus dem ersten Bogen (A. caro- tis interna) die vereinigte A. carotis cerebralis und A. oceipitalis sei. Nun bezieht sich zwar die beigegebene Figur (Taf. III, Fig. 1) auf Sala- mandra atra, aber Hyrrı spricht ohne Unterscheidung von urodelen und

i LIEBERKÜHN, Über d. Auge d. Wirbelthierembr. Schriften d. Gesellsch. z. Bef. d. ges. Naturw. z. Marburg. Bd. X. 5. Abth. 4872. p. 358.

2 HyRtL,1.c. Über anang. Netzh. p. 210. Anm. 3 KESSLER, I. c. p. 43.

* LEBER, A) Blutg. d. Auges. Strıcker’s Hdb. d. Gewebel. II. Bd. p. 4049. 2) Die Cirkul. u. Ern.-Verh. d. Auges. Hdb. d. ges. Augenheilk. II. Bd. p. 302.

5 Görtz, Entwicklungsg. d. Unke. Leipzig 1874. p. 755.

6 Hyrıı, Beob. aus d. Geb. d. vergl. Gefäßl. Med. Jahrb. d. k. k. österr. St. XXIV.B.

272 Hans Virchow,

von anuren Amphibien, und GzeeEnsaur hat die zweite dieser Angaben als für alle Amphibien gültig übernommen 1.

5) Görte? bildet zwischen dieser Arterie und der A. carotis interna einen senkrechten Verbindungsast in der Gegend des hinteren medialen Augenwinkels ab. Bei einem erwachsenen injicirten Bombinator habe ich ihn nicht gefunden. \

6) Bei einem injicirten Bombinator hat sich nur ein Hautast der A. cutanea gefunden. Dieser trat etwas lateral von dem Ende des hinteren oberen Schenkels des Os tympanicum, am vorderen Rande des M. depres- sor maxillae inferioris, zur Haut.

7) Diese Vene ist es, welche BerLin® nach einer im Vorbeigehen angestellten anatomischen Untersuchung für »eine oder die« A. hyaloi- dea angesehen hat. Leider ist in die ganz neue vergleichende Anatomie der Sinnesorgane von Gnarin® von allen Mittheilungen über Glaskörper- gefäße des Frosches nur die von BerLin, und von allen Angaben BerLin’s nur die falsche übergegangen. Auch Leser hat die Behauptung von BERLIN aufgenommen.

8) In einem Falle trat indessen die eine der beiden Arterien in ein dorsales und ein ventrales Gefäß aus einander.

9) Man kann sich über diese Frage durch Injektionen und durch Schnitte unterrichten.

Von Injektionspräparaten mit Korrosion nach der Methode von ALTMANN lagen vier Stücke aus der Chorioidea vor, von denen eines nach einer Photographie wiedergegeben ist. Diese Objekte stammen nicht alle von demselben Frosche; alle enthalten einen der beiden Ar- ierienstämme. An einigen Stellen sieht man in Verbindung mit der © Gefäßausbreitung einen Theil der Venenwurzeln. An dem abgebildeten F Präparate ist das letzte Ende der Arterie erhalten mit einigen Vasa recta und dem Beginn der distalen Venenwurzeln. Dagegen habe ich nichts | von einer äußeren Gefäßschicht im Sinne ALtmann’s wahrgenommen; ich |

muss aber bemerken, dass diese Objekte auf die vorläufige Mittheilung 7

des genannten Autors hin gemacht sind, und dass es mir nach Ver-

öffentlichung seiner ausführlichen Arbeit nicht mehr glückte, die Ver- 7 suche zu wiederholen, was vielleicht die Schuld des Überosmiumsäure- 7

präparates war.

Von Schellackinjektionen sind natürlich die ohne Korrosion für die | 2

1 GEGENBAUR, Grundz. d. vergl. An. Il. Aufl. Leipzig 1870. p. 842.

2 GÖTTE, 1. c. Fig. 377.

3 BerLin, Über Sehnervendurchschn. Klin. Monatsbl. f, Augenh. 4871. p. 282. 4 CHaAtın, Les organes des sens. Paris 1880.

5 LEBER, Hdbch. d. ges. Augenh. Bd. II. p. 312.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche, 273

Entscheidung unserer Frage unverwendkar. Denn die äußere Gefäß- schicht würde in dem Pigmente verborgen sein, während die innere frei zu Tage liegt.

Eine Anzahl von Schellackpräparaten hat die Korrosion ausgehalten. Es fand sich aber niemals etwas, was man für eine äußere Gefäßschicht hätte halten können, abgesehen von einem Falle von Veneninjektion. Hier war der ventrale Venenstern und ein Theil der Übergangsgefäße gefüllt, so dass fast die ganze untere Hälfte der Ghorioidea im Zusammen- hange blieb. Während der Korrosion stellte es sich nun heraus, dass eine vollkommen geschlossene Lage nach außen von der der Venenwurzeln existirte. Leider brach das Objekt beim Einlegen in der Mitte, so dass sich nichts über die Beziehung der V. hyaloidea und V. ophthalmica zu dieser Schicht ermitteln ließ.

Nun hat Antmann sehr viel mit hohem Drucke injicirt, um von den Blutgefäßen aus Füllungen der Lymphbahnen zu erhalten ; und man muss immerhin daran denken, dass auf diesen Wege ein Kunstprodukt ent- standen sei. Extravasate entstehen aus den dünnwandigen Gefäßen des Frosches leicht: öfters fand sich Schellackmasse an der ganzen hinteren Fläche der Iris ausgebreitet; die Wand der V. facialis platzt besonders häufig. Gelatine trifft man zwischen Sclera und Chorioidea selbst nach einer Erwärmung des Thieres von nur 30° während der Injektion. An derseiben Stelle findet man auch Blut bei Fröschen, die an Ermattung gestorben sind.

Entschied die Injektion und Korrosion nicht, so konnte vielleicht der Querschnitt helfen. Am besten kann man sich orientiren, wenn man auf eine der beiden Arterien rechtwinklig schneidet. Man kann dann zwar

noch einen der Äste in Längsrichtung oder schief treffen und dadurch

das Bild einer zweiten Gefäßlage erhalten. Aber da diese Äste in großen Abständen stehen, gewinnt man eine weit größere Zahl von Schnitten, die von dieser Zugabe frei sind. Aus einer Reihe von solchen Schnitten sind drei abgebildet. DieChorioidea besteht auszwei pigmenlirten Platten, einer inneren und einer äußeren ; und nach innen von der ersteren schließt sich eine pigmentfreie zusammenhängende Schicht von kapillaren Gefäßen an, die Ghoriocapillaris. Diese macht sich schon an der Chorioidea durch ein makroskopisches Kennzeichen bemeıkbar: während nämlich die äußere Oberfläche der ganzen Gefäßhaut stumpf aussieht, ist die innere glatt und glänzend. Die Choriocapillaris ist eben so dick oder doppelt so dick als die innere Pigmentplatte. Weit bedeutender ist der Zwischenraum zwischen den beiden pigmentirten Lagen; er misst das Fünffache der Choriocapillaris und mehr. Dieser Raum ist durchsetzt von Balken, welche unter rechten Winkeln von der einen Platte zur andern hinüber-

274 Hans Virchow,

treten. Auf kurze Strecken ist die äußere Platte, seltener die innere, in zwei oder drei Lagen gespalten. Der Zwischenraum zwischen den beiden Lamellen der Chorioidea ist ausgekleidet von einem zarten pigmentlosen, an einigen Stellen ziemlich breiten Bindegewebe mit elliptischen Kernen an der Oberfläche und runden im Innern. Dieser Überzug umhüllt auch die Balken; ja er bildet sie zuweilen allein. Doch ist es möglich, dass in diesen Fällen die Balken tangential getroffen sind.

Die Arterie selbst muss bei der angegebenen Richtung des Schnittes quer geschnitten sein, und sie muss, je nach der Gegend des Schnittes, eine verschiedene Lage haben. Man trifft sie also zuerst außerhalb der äußeren Platte; dann im Niveau derselben; zwischen beiden Platien ; im Niveau der inneren; und innerhalb der letzteren. Immer ist sie in einem pigmentirten Fache eingeschlossen : Schon da, wo sie noch außer- halb liegt, ist sie von einer Falte der äußeren Platte überwölbt!, und nachdem sie in die Choriocapillaris eingetreten ist, zieht die innere Platte im Bogen über sie fort2. Ä

Man wird nun glauben, nichts könne leichter sein, als zu entschei- den, ob der Raum zwischen den beiden Pigmentlamellen ein Blutraum sei. Dieser nämlich ist es, den ALtmann injicirt hat, und an Stelle der Balken, welche ihn durchsetzen, entstehen bei der Korrosion Lücken. Es haben sich jedoch die widersprechendsten Bilder gezeigt. In einem Falle war die Arterie auf allen Schnitten von Blutkörperchen ausgefüllt, eben so wie die Membrana choriocapillaris. In den großen Räumen dage- gen fand sich nur ab und zu ein Blutkörperchen, welches beim Auflösen der Einbettungsmasse in dieselben gespült, ja sogar beim Schneiden hineingewischt sein konnte. Die Präparate waren in Paraffin gebettet, wurden trocken geschnitten; und unter dem Mikroskope wurde Terpen- tin zugesetzt. Hier die CGhorioidea eines anderen Frosches: ein Theil der Räume war strotzend von Blut, aber nur in der Nähe des Sehnerven- eintrittes; distalwärts sowohl als gegen die dorsale und ventrale Seite nahm die Füllung ab. Ein Frosch war mit blauer Gelatinemasse injicirt; die Vasa hyaloidea hatten sich vollständig gefüllt ohne Extravasat, aber zwischen Ghorioidea und Sclera lag eine dünne blaue Schicht : alle Räume zwischen den beiden Pigmentplatten der CGhoricidea, nicht nur im Be- reiche der Choriocapillaris, sondern auch in dem der Venenwurzeln waren prall von Blut; die blaue Injektionsmasse hatte die gesammte Schicht nach innen von der inneren Platte eingenommen und war nur an wenigen Stellen in die bluterfüllten Räume eingedrungen. Nun, wenn die fragliche Schicht eine venöse Gefäßlage ist, die sich vielleicht spät und schwer füllt, so muss man dies ja durch Stauung am besten

1 Fig. 13.4. 2 Fig. 43 C.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 375

erreichen. Es wurde also die Vorkammer an der Grenze gegen die Kammer abgeschnürt; aber gerade in diesem Falle waren die fraglichen Räume wieder leer.

Diese Ergebnisse lassen die Frage völlig im Ungewissen. Aber was soll man sich unter einer solchen äußeren Gefäßlage denken?

Es gibt eine zusammenhängende pigmentfreie Gefäßschicht an der inneren Fläche der Chorioidea, welche an der nasalen und temporalen Seite den Charakter der Membrana choriocapillaris hat, an der ventralen und einem Theile der dorsalen venös ist. Es ist zwar niemals gelungen, weder von den Arterien noch von den Venen her dieses Netz vollständig zu füllen, doch aber von den Arterien Theile der Venenwurzeln und von den Venen das Übergangsgebiet zu injieiren; ja durch Doppelinjektionen verschieden gefärbte Massen bis zu großer Annäherung und theilweiser Berührung zu bringen. Arrtmann hat eine zweite Lage nach außen von - der Choriocapillaris gefüllt, ich selbst nach außen von dem venösen Ab- schnitte; diese Schicht würde sich demnach über die ganze Chorioidea erstrecken. Sie steht nicht in Verbindung mit der Arterie, enthält nur nach Arrmann’s Beschreibung eine Lücke zur Einlagerung derselben. Sie hängt aber auch nicht mit der Choriocapillaris zusammen, denn Arrmann konnte beide Lagen mit der Nadel leicht von einander trennen. Für den venösen Abschnitt der Chorioidea allerdings liegt ein solcher Nachweis nicht vor.

10) Bei lebenden Thieren, nicht nur Fröschen, sondern auch andern Anuren, bemerkt man häufig Stücke der Ringgefäße als feine schwarze gewundene Linien, besonders in der oberen Hälfte der Iris. Bei einer R. temporaria konnte man die temporale Arterie von der temporalen bis zur nasalen Seite als einen bluterfüllten Streifen sehen. Nachdem dieses Thier mit Schellack injicirt worden war, traten sowohl beide Ringgefäße als auch ihre Äste und deren erste Verzweigungen an der äußeren Fläche der Iris frei von Pigment hervor, die weiteren Verzweigungen waren verborgen. Dass der Circulus nach außen von den radiären Gefäßen liegt, fällt auf in Gegensatze zu der Iris der Eidechse und Blindschleiche!.

44) So viel mir bekannt, erwähnt Burow ? zuerst diese Gefäße, im Jahre 1834; aber er gibt selbst an, sie nur unvollkommen gefüllt zu haben. HyrrL3 beschreibt sie 1838, injicirte sie aber schon, wie er später betont®, 1830. In dieser späteren Arbeit nimmt er auf die erstere

i Siehe p. 269. 2 Burow, l.c. p. 22.

3 Hyatı, Beob. aus d. Geb. d. vergl. Gefäßl. Medic. Jahrb. d. k. k. österr. St. XXIV. Bd. oder Neueste Folge XV. Bd. 1838. p. 385.

4 Hyrrz, Über anang. Netzhäute. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Math. naturw. Kl. 43. Bd. Wien 4861. p. 212.

276 | Hans Virchow,

Bezug. Die »lange Ciliararterie«, von welcher diese Gefäße ausgehen, kann nur die V. hyaloidea sein, da sie »an der inneren Oberfläche der Chorioidea nach vorn läuft«, und der »große Ast«, der nebst mehreren ‚kleinen aus dem arteriellen Ringe kommt, die ventrale Venenwurzel. Ich habe noch ein anderes Gitat ohne Angabe des Autors, nach dem fünf bis sechs Äste aus dem Ringe entspringen, und nach dem die Arterie und die Vene am Rande sich mehrmals um einander winden. Letzteres ist ein Irrthum.

In einer Zusammenstellung mit den Glaskörpergefäßen anderer Kalthlüter werden die Vasa hyaloidea des Frosches erwähnt von Hyrrı, H. MüLzer !, Leuckart ?; von H. Mürzer auch neben denen von Säuge- thierembryonen. Gnarin® bringt sie in Verbindung mit dem rudimen- tären (in der That nicht vorhandenen) Pecten, was aber nicht im Sinne der Kzssrer’schen Forschungen! gesagt ist. Bei Horrmann> geschieht der Glaskörpergefäße keine Erwähnung.

Das Silberbild derselben beschreibt GoLusEw ®.

Gewisse Eigenthümlichkeiten des ophthalmoskopischen Bildes heben Cursnet und Berrin® hervor. Durch Letzteren ist es zuerst bekannt ge- worden, dass das vom Pole gegen den Giliarkörper verlaufende starke Gefäß eine Vene ist.

Übrigens sind diese Gefäße sehr bekannt und werden noch von mehreren Autoren, im Anschlusse an die ebengenannten, erwähnt.

42) Man könnte die Ausdrucksweise H. Mürzer’s auf die Glaskörper- gefäße der Schlangen anwenden, denn hier bleiben bei der Zerlegung des Auges und der Trennung von Glaskörper und Netzhaut die Gefäße an letzterer haften. Es ist jedoch nicht möglich, dieselben nachträglich abzuheben; und auf Schnitten sieht man, dass sie durch ein zartes Bindegewebe an der Retina befestigt sind.

13) Schon HyrrL® sagt in seiner ersten Mittheilung über die Glas- körpergefäße des Frosches, dass die Hyaloidea »ganz den Charakter der Gefäßhaut annehme«. In Übereinstimmung damit weisen H. Mürter 1°,

1 H. MÜLLER, Ges. Schr. z. Anat. u. Phys. d. Auges. Leipzig 1872. p. 68, 75, 447, 482.

2 LEUCKART, Organologie d. Auges. Hdbch. d. ges. Augenheilk. II. Bd. p. 265.

3 CnHATın, Les organes des sens. Paris 1880. p. 541. A KEsSLER, |. c.

5 Horrmann in Bronn’s Kl. u. Ordn. d. Amph. Leipzig u. Heidelberg 1873—1878.

6 GoLusew, Beiträge z. Kenntn. d. Baues u. d. Entw. d. Kapillarg. d. Frosches. Arch. f. mikr. Anat. Bd. V. 4869. p. 84.

7 CuieNET, Circul. du sang obs. a l’ophthalmoscope. Ann. d’oculistique. 4866. T. LV. (9. Serie. T. 5.) p. 126. 8 BERLIN, l. c.

9 HyrtL, Beob. u. s. w. 1838.

10 H. MÜLLER, |. c.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 377

Leyvis !, GoLUBEW 2, LEUCKART ?, LEBER? den in Rede stehenden Gefäßen ihren Platz innerhalb der Membran an.

BErLIN® spricht auch von Zellen in der Membran. Bei höheren Wirbelthieren sucht man die Zellen unter derselben. Der größte Thei! dieser Elemente beim Frosche besitzt einen kugelrunden Kern mit einem mehr oder weniger dichten Haufen von Körnchen. Mit dem Kerne in Zusammenhang steht eine in unregelmäßige Fortsätze ausgezogene Masse, von der zuweilen isolirte Theile neben der Zelle liegen. Diese Elemente erinnern offenbar an diejenigen, welche SchwaLse ® vom Menschen aus dem Glaskörper abbildet, enthalten aber keine Vacuolen (Fig. 18 A). Außerdem giebt es noch Gebilde, deren Kern rund oder elliptisch ist und deren feingekörnter Leib den Kern umhüllt, entweder rundlich oder spindelförmig (Fig. 18 B).

14) Das Ophthalmoskop kontrolirt die Injektion: die Gefäße sind enger und gerader als am anatomischen Präparate. Andererseits aber verleitet das Augenspiegelbild ohne Zergliederung zu Irrthümern; denn der Ophthalmoskopirende übersieht einen weit kleineren Theil des Augen- innern als er denkt.

15) Die Varianten, welche das Bild der Glaskörpergefäße beein- trächtigen, sind: A) Auftreten von zwei Zweigen an Stelle des ersten aus dem temporalen Aste, 2) Zunahme oder Abnahme der Zahl der Zweige, 3) ungetheilter Verlauf der Zweige bis zu ihrem Ende, 4) Lage der nasalen Venenwurzel am Rande, 5) Fehlen des temporalen Zuflusses der ventralen Wurzel, 6) starke Entwicklung des nasalen Zuflusses, 7) schwache Entwicklung des an der Papille liegenden Zuflusses, 8) Ein- mündung des letzteren in die nasale Unterwurzel. Es pflegen mehrere Abweichungen gleichzeitig vorzukommen und dabei ein Gefäß für ein anderes theilweise zu vikariiren. Dazu kommt endlich 9) sehr ver-

schiedene Dichtigkeit des Netzes.

1 Levi, Lehrb. d. Hist. d. Menschen u. d. Thiere. Hamm 4857. p. 243.

2 GOLUBEW, |. c. 3 LEUCKART, |. c. 4 LEBER, ]. c. Hdb. d. ges. Augenh. 5 BERLIN, 1. c.

6 SchwALBE, Hdb. d. ges. Augenh. I. Bd. p. 472.

Würzburg, Ende Juni 1880.

378 Hans Virchow,

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XIII und XIV.

Die Figuren mit Ausnahme der Figuren 49 und 20 sind vom Frosche, meist Rana esculenta, zum Theil aber Rana temporaria. r Fig. 4. Arterien des Kopfes. Schellackinjektion, Präparation, Muskeln entfernt. Natürliche Größe. C.v, Wirbelkanal, von oben eröffnet; Oe, Speiseröhre, ausgedehnt; II, III, Stellen, an denen die Querfortsätze des II. und I/II. Wirbels abge- schnitten sind; A.c, A. carotis; A.l, A, lingualis; A.c.i, A. carotis interna; A, Aorta; A.s, A. subelavia ; A.v, A. vertebralis; A.oc, A, oceipitalis; A.n, A. nasalis; A.t, A. temporalis; A.m, A. maxillaris superior ; A.i.a, vordere A. maxillaris inferior; A.i.p, hintere A. maxillaris inferior; au', R. auricularis a. temporalis; A.p, A. pulmonalis; A.cu, A. cutanea; d, R. dorsalis I, R. lateralis a. cutaneae; aw', R. auricularis A.sp, A. spinalis. Figur 2—4 sind aus mehreren, theils mit Schellack, theils mit blauer Gelatine injicirten Präparaten kombinirt. Fig. 2. Arterien desGaumens undA. ophthalmica. Aufder rechten Seite (der Figur) ist die Schleimhaut erhalten. Natürliche Größe. m, Schleimhaut des Gaumens; M.t, M. temporalis, durchschnitten ; M.p, M. pterygoideus, rechts Sehne desselben durchschnitten ; M.r.i, M. rectus oculi inferior ; I, erster Wirbel ; A.c.i, A. carotis interna; A.p.p, A. palatina posterior; A.p.a, A. palatina anterior; A.0, A. ophthalmica. Fig. 3. Venen der Augenhöhle von unten. Auf der rechten Seite (der Figur) ist die Schädelhöhle, das Labyrinth und die Paukenhöhle von unten eröffnet. Natürliche Größe.

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 279

Fig. 4. VenenderAugenhöhle von oben. Natürliche Größe. | pt (auf Fig. 3), Os pterygoideum, durchschnitten; I (auf Fig. 3), Labyrinth; I (auf Fig. 3), erster Wirbel; t (auf Fig. 4), Trommelfell : M.r.i (auf Fig. 3), M. rectus inferior; M.r.s (auf Fig. 4), M. rectus superior; M.t, M. temporalis; M.p, M. plerygoideus; V.c, Übergang der V. facialis in die V. cutanea; V.f, V. facialis; V.n, V. nasalis; V.or.a, V. orbitalis anterior; V.or.p, V. orbitalis posterior; V.or.m, V. orbitalis medialis; V.o, V. ophthalmica; V.b.s, V. bulbi superior; V.j, V. jugularis interna; V.sp (auf Fig. 3), V. spinalis.

Fig. 5. Die beiden Arterien der Chorioidea des linken Auges im Zu- sammenhange mit der A. ophthalmica. Die Sclera ist größtentheils entfernt. Schel- lackinjektion. Vergrößerung 2 Mal; großes Thier.

A, vom proximalen Pole gesehen; B, von der temporalen Seite gesehen.

Fig. 6. Rechte Seite. Vergrößerung 2 Mal; großes Thier.

A, V.ophthalmica und V. bulbi superior außerhalb der Sclera, vom proximalen Pole gesehen; V.o, V. ophthalmica ; V.b.s, V. bulbi superior; A, A. ophthalmica, nicht injicirt. B,V.bulbi superior, von oben gesehen. Fig. 7. Arterie desGlaskörpers aus dem rechten Auge. Schellackinjek- tion, Vergrößerung 3 Mal; großes Thier. A, vom proximalen Pole aus gesehen; B, von der nasalen Seite. n, nasaler Ast; t, temporaler Ast; !', Ende des temporalen Astes; V, ventrale Venenwurzel, nicht injicirt.

Fig. 8. Vene des Glaskörpers aus dem linken Auge. Schellackinjektion.

Vergrößerung etwas mehr wie 3 Mal; großes Thier. A, vom proximalen Pole; B, von der nasalen Seite. n, nasale Wurzel; it, temporale Wurzel; v, ventrale Wurzel; ’', der Zufluss der temporalen Wurzel, welcher allein konstant stark ist. Fig. 9. Irisgefäße. Öl-Überosmiumsäure-Korrosion. Photographie. Vergr. 46.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 49

280 Hans Virchow,

Ar, Bogen der A. ophthalmica im Corpus ciliare ;

A.n, nasale

A.t, temporale

R, je einer der fünf Äste, von denen drei aus der temporalen, zwei aus der nasalen Arterie entspringen.

Fig. 140. Das letzte Drittel einer der beiden Arterien der Chorioidea mit einem Theile der Choriocapillaris und des Übergangsgebietes. Öl-Überosmiumsäure- Korrosion. Photographie. {

R, am Corpus ciliare liegende Venenwurzeln;

V.r, Vasa recta.

Fig. 44. Irisgefäße der Blindschleiche. Schellackinjektion ohne Kor- rosion. Mit Prisma vorgezeichnet und dann ausgeführt. Vergrößerung 38.

Fig. 192. Schema der Gefäßverbreitung in der Chorioidea; vom proximalen Pole aus gesehen.

N, Eintritt des Sehnerven, der temporalen Seite näher wie der nasalen ;

A.n, nasale Arterie;

A.t, temporale Arterie;

ch, Gebiet mit dem Charakter der Choriocapillaris;

V.o, V. ophthalmica;

V.h, bhyaloidea;

R.d’, nasale am Corpus ciliare liegende, distale oder lange Wurzel

R.d”, en des ventralen Sternes;

R.p', nasale

R.p", temporale

V.s’, nasale

V.s”’, temporale

r, Vasa recta;

r', Übergangsgebiet zwischen Choriocapillaris und ventralem Sterne;

r"', Übergangsgebiet zwischen Choriocapillaris und Wurzeln der oberen Vene.

Fig. 43. Drei Schnitte durch die Chorioidea rechtwinklig auf eine der bei- den Arterien. Prismazeichnung.

A, proximal (in der Nähe des Sehnerveneintrittes);

B, in der Mitte;

C, distal (in der Nähe des Corpus ciliare).

L.e, äußere Li, innere ch, Membrana choriocapillaris;

A, A. chorioideae.

Fig. 44. Der größere Theil einer der beiden Arterien derChoriotdea mit dorsal austretenden Zweigen, in Verbindung mit der Choriocapillaris. Schellackin- jektion, Korrosion. Vergrößerung 40.

P, Pigment, welches bei der Korrosion nicht zerstört worden ist;

r, Übergangsgebiet mit gestreckter Richtung der Gefäße. Auf der gegen- über liegenden Seite ist wegen der Krümmung des Präparates die ge- streckte Richtung nicht bemerkbar.

Fig. 45. Der ventrale Venenstern. Schellackinjektion ohne Korrosion. Vergrößerung 40. -

V.o, V. ophthalmica;

N Arterie der Iris;

N proximale oder kurze Wurzeln des ventralen Sternes;

N Wurzel der V. bulbi superior;

pigmentirte Platte der Chorioidea;

Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche. 981

V.h, V. hyaloidea;

R.d, distale, am Corpus ciliare gelegene Wurzel;

R.p, proximale Wurzeln;

r, Vasa recta, vom Corpus ciliare herkommend ;

r', Übergangsgebiet, von den Arterien her mit anders gefärbter Masse gefüllt.

Fig. 16. Die beiden Wurzeln der V. bulbi superior mit zugehörigen Vasa recta. Schellackinjektion ohne Korrosion. Vergrößerung 40.

r, Vasa recta.

Fig. 17. Gefäße desGlaskörpers, vom proximalen Pole und zugleich etwas von oben, aus dem rechten Auge eines großen Frosches. Injektion blauer Gelatine. Vergrößerung 9.

Fig. 48. Zellen vonder Oberfläche des Glaskörpers nach zweitägiger Einwirkung Mürter'scher Flüssigkeit. Leitz, VII, A.

Fig. 49. Ein Stück der Choriocapillaris mit dem EintritteeinesArterien- zweiges. Schellackinjektion. Korrosion.

A198

Untersuchungen über Orthonectiden. Von

Elias Metschnikoff.

Mit Tafel XV.

Die Orthonectiden gehören noch zu den wenigst bekannten Thier- gruppen, wesshalb jeder Beitrag zur weiteren Kenntnis derselben nicht unerwünscht sein wird. Aus diesem Grunde will ich über die Resultate meiner Beobachtungen, welche ich an zwei Repräsentanten dieser Thier- formen angestellt habe, im Folgenden Bericht erstatten.

Zunächst werde ich die Beschreibung einer Art geben, welche im Körper von Nemertes lacteus Grube! parasitirt, einer Nemertine, deren Identität mit Lineus lacteus Montagu wohl kaum zu bezweifeln ist?. Dieser Wurm gehört zu den häufigsten Bewohnern des Kanals von Mes- sina und ist am sandigen Ufer in der Nähe des Fortes S. Salvatore, resp. der beiden Leuchtthürme mit Leichtigkeit zu erhalten. Unter mehreren hundert Exemplaren der Nemertine findet man ein oder einige wenige, welche mit dem uns interessirenden Schmarotzer behaftet sind. Die milchweiße Farbe, welche dem Wirthe eben so wie dem Parasiten eigen ist, verhindert die Erkenntnis des letzteren mit bloßem Auge oder mit der Lupenvergrößerung; um das Vorhandensein des Schmarotzers zu konstatiren, muss desshalb eine Untersuchung mit dem zusammenge- setzten Mikroskope vorgenommen werden. Dann sieht man durch die Haut eine sehr große Menge rundlicher, birnförmiger oder unregelmäßig contourirter Körper durchschimmern , welche im Kopftheile der Nemer- tine noch vollständig fehlen und erst etwa in der Mitte der Körperlänge in beträchtlicher Anzahl angesammelt liegen. Obwohl man bereits am lebenden Thiere sehen kann, dass die Parasiten zwischen dem Muskel- schlauche und der Darmwandung, folglich in der Leibeshöhle ihren Sitz

1 Archiv für Naturgeschichte. 4855. p. 451. Taf. VII, Fig. 3, 4. 2 Man vergleiche MaAcIntosa, A Monograph of the British Annelids. Part. I. The Nemerteans. London 1873. Plate V, Fig. 3. p. 190, 491.

Untersuchungen über Orthonectiden. 283

haben, so überzeugt man sich davon doch am besten an Querschnitten (Fig. 4). An solchen gewinnt man auch die Überzeugung, dass die Schmarotzer in sämmtlichen topographischen Abtheilungen der Leibes- höhle, an den Seiten, wie an beiden Flächen befindlich sind. Von den Organen des Wirthes werden wohl nur die Genitalien von den Parasiten befallen; ich habe bei keinem der von mir untersuchten Exemplare Ge- schlechtsorgane wahrgenommen, obwohl ich die Thiere gerade zur Zeit der Geschlechtsreife (Anfang Mai) beobachtete; aus diesem Umstande sowohl, wie aus der Thatsache, dass die betroffenen Nemertinen in der Größe mit solchen übereinstimmten, welche bereits Geschlechtsorgane besaßen, glaube ich die muthmaßliche Schlussfolgerung ziehen zu können, dass diese Organe in Folge der Anwesenheit des Parasiten zu Grunde gegangen sind. Eine weitere Stütze für diese Vermuthung werde ich bei der Besprechung der anderen von mir untersuchten Orthonectidenart mittheilen.

Die Größe der parasitischen Körper variirt eben so wie deren äußere Form. Die kleinsten Exemplare maßen etwa 0,08 mm, während die größten, mit zum Ausschlüpfen fertigen jungen Thieren versehenen Körper die Größe von 0,2 mm erreichten. Diese Körper repräsentiren protoplasmatische Schläuche, in deren Innern eine Anzahl Embryonen und fertiger Orthonectiden beherbergt liegt. Von außen sind diese Schläuche von keiner besonderen, etwa aus einer Endothelschicht be- stehenden Membran umgeben. Der protoplasmatische Inhalt der Schlauch- wandung ist fast vollkommen durchsichtig, weil er nur eine verhältnis- "mäßig geringe Anzahl und dazu ganz feiner Körnchen enthält (Fig. 2, 3 und 18 p); außerdem sind in seinem Innern noch kleine wasserhelle Vacuolen enthalten. Amöboide Bewegungen habe ich an diesem Proto- plasma nicht wahrgenommen. Die Untersuchung der Organismen, wel- che die soeben beschriebenen Schläuche erfüllen, erweist sofort, dass die ersteren in zwei Formen erscheinen: in einer größeren, weiblichen, und einer kleineren, männlichen, Form. Es ist leicht zu konstatiren, dass männliche (Fig. 5), weibliche (Fig. 3, #) und auch zwitterige Schläuche (Fig. 6) existiren, wobei zu bemerken ist, dass alle diese Kategorien etwa gleich häufig vorkommen; man findet sie alle beisam- _ men im Innern einer und derselben Nemertine. Nicht selten findet man Bilder, welche eine Vermehrung der Protoplasmaschläuche durch Theilung aufweisen ; indessen ist es mir nicht gelungen den Vorgang direkt zu verfolgen. Am lebenden Thiere ist die Verschiebung sämmt- licher Theile der Nemertine zu groß, um eine Beobachtung solcher Er- scheinungen zu gestatten; an Schnitten sind die Gontoure nicht scharf genug um zu entscheiden, ob man es mit einer Theilung oder mit zwei dicht neben einander liegenden Schläuchen zu thun hat.

284 Elias Metschnikof,

Die Anzahl der in den Schläuchen enthaltenen Organismen ist eine sehr verschiedene; nicht selten findet man nur ein einziges eingeschlos- senes Exemplar, während in der größten Mehrzahl der Fälle eine größere Menge (man vergl. die Fig. 2, %, 5, 6) Orthonectiden vorhanden sind.

Wenden wir uns nun zur Beschreibung der größeren Form. Das verlängert ovale Thierchen (Fig. 7) hat eine große Ähnlichkeit mit den von KErErsTein ! bei Leptoplana tremellaris und von M.Intosa 2 bei Lineus gesserensis entdeckten Parasiten, obwohl es zur Zeit unmöglich ist zu entscheiden, ob alle drei Orthonectiden wirklich zu einer einzigen Art gehören. Die Größenunterschiede (das von mir untersuchte Thier misst 0,42 mm in der Länge, während M.Intosu für sein Thier die Länge von 0,157 mm und Krrerstein 0,135 mm angiebt) lassen sich wahrschein- lich am besten durch den Zustand erklären, in welchem die Thiere ge- messen worden sind. Die Vergleichung der Abbildungen beider citirten Autoren mit den von mir gesehenen Thieren erlaubt mir die Schluss- folgerung, dass KErERSTEIN eben so wohl wie M.Intosu keine ganz nor- male Parasiten, sondern solche, welche durch Seewasser bereits gelitten, als Muster genommen haben. Durch die Einwirkung des Wassers haben sich nun die Orthonectiden in die Länge ausgezogen und desshalb größere Maße gegeben. Das ovale Thier verschmälert sich an beiden Enden ganz gleichmäßig, wesshalb es oft schwierig ist das vordere Ende vom hinteren zu unterscheiden. Bei durchfallendem Lichte erscheint unser Parasit dunkelgrau oder dunkelbraun, welche Farbe durch reichliches Vorhan- densein von kleinen Körnchen in der Haut bedingt wird. An ganz nor- malen Thieren kann man eine deutliche Segmentirung wahrnehmen, welche aber durch Einwirkung von Seewasser leicht verloren geht. Die Segmentgrenzen erscheinen in Form schmaler körnchenloser und voll- kommen durchsichtiger Linien, welche sich scharf von den benachbarten körnchenreichen Abschnitten unterscheiden. An besterhaltenen Exem- plaren habe ich konstant neun Segmente gefunden; oft ist es aber fast unmöglich die Segmente deutlich zu unterscheiden und sie gut zu zählen. Die von Kererstein und M.Intosn abgebildeten Exemplare zeichnen sich durch bedeutend größere Segmentzahl aus; es ist aber nicht möglich diesem Umstande ein hohes Gewicht beizulegen, weil es eben außer- ordentlich schwierig ist die richtige Segmentzahl deutlich zu unterschei- den. Bei Krrerstein sind z. B. die schmalen körnchenlosen Segment- grenzen (wahrscheinlich in Folge der Imbibition von Wasser) zu breiten den »Segmenten« ähnlichen Streifen angewachsen.

Die ganze äußere Oberfläche unseres Thierchens ist mit einem Kleide

1 Beitr. zur Anat. und Entwicklungsgesch. einiger Seeplanarien von St. Malo. Göttingen 4868. Taf. II, Fig. 8. 2]. c. Taf. XVII, Fig, 17.

Untersuchungen über Orthonectiden. 285

feiner und ziemlich langer Flimmerhaare überzogen, welche nur am ersten Segmente nach vorn gerichtet sind. Diese Wimpern dienen zur Fortbewegung des Parasiten, welche gewöhnlich in der geraden Rich- tung nach vorn geschieht. Bei längerem Aufenthalte im Seewasser ver- ändern sich die Flimmerhaare ziemlich rasch und fallen leicht von der gesammten Körperoberfläche ab.

Um den feineren Bau des Parasiten zu untersuchen, muss man die Thiere mit mittelstarker Kochsalzlösung behandeln (wobei man die Struk- tur der Haut am besten verfolgen kann) und auch Durchschnitte präpa- riren. Um die letzteren zu erhalten, behandelt man vorher die mit Para- siten behaftete Nemertine mit Pikrinschwefelsäure und erhärtet dann in Alkohol (Kırınengerg’s Methode). Die beste Färbung habe ich mit Boraxkarmin GrEnAcHER’s erhalten. Zum Schneiden habe ich ganze Nemertinenstücke genommen, weil die Orientirung der so einfachen Orthonectiden überhaupt keine Schwierigkeiten darbietet.

Das Thierchen ist auf seiner gesammten Oberfläche mit einer ein- schichtigen Epidermis überzogen, deren Zellen verschiedenartige Eigen- thümlichkeiten aufweisen. Die meisten Epidermiselemente haben eine kubische Gestalt und zeichnen sich durch reichliche Menge von Körnchen aus (Fig. 8); am dritten oder vierten Segmente fällt besonders eine Reihe verlängerter Zellen auf. Die die Segmentgrenzen bildenden Zellen sind fast körnchenlos und stark in die Breite ausgezogen, wesshalb sie in Form ganz feiner Linien erscheinen. Auf jedes Segment kommt eine bis vier Reihen körnchenreicher Zellen. Die Zellen des hinteren Körperendes schließen die größte Menge Körnchen ein. Am vorderen Körperpole befindet sich unter der Epidermis ein Haufen kleiner Zellen, dessen Zusammensetzung nur anLängsschnitten (Fig. 41) deutlich erkannt werden kann. Amganzen Thiere erscheint dieser Zellenkomplex als ein einfacher körnchenreicher Körper (Fig. 9). Ich bin nicht im Stande demselben eine bestimmte Rolle anzuweisen, glaube jedoch in ihm am ehesten irgend ein rudimentäres Organ (vielleicht einen Darmkanal?) zu erkennen. Der größte Theil des Körpers, d. h. der gesammte innere Inhalt des Parasiten besteht aus ver- hältnismäßig sehr großen (etwa 0,02 mm messenden) Zellen, welche ab- gerundet polygonal erscheinen und sich durch feinkörnigen Inhalt aus- zeichnen. Am lebenden Thiere kann man gewöhnlich nur den letzteren _ unterscheiden ; beim Zusatze von Essigsäure treten aber sofort die großen runden Kerne nebst dem kleinen excentrisch gelegenen Kernkörperchen auf (Fig. 10). Diese großen membranlosen Zellen halte ich für Eier, wie es weiter unten näher begründet werden soll. Sie bilden eine kompakte Masse, wie es am besten auf Querschnitten zu sehen ist (Fig. 12).

Die kleinere Form (Fig. 13) unterscheidet sich außer der viel ge-

236 Elias Metschnikoff,

ringeren Größe noch durch rübenförmige Körpergestalt; am vorderen Abschnitte ist sie verdickt, am hinteren dagegen ziemlich scharf zuge- spitzt. Die Bewegungen sind überhaupt schneller als bei der größeren Form und namentlich sind die zuckenden Kontraktionen des hinteren Körpertheiles viel energischer. Auf der äußeren Oberfläche kann man ebenfalls Ektodermsegmente unterscheiden, welche mindestens in der Achtzahl vorhanden sind; es ist nicht möglich zu entscheiden, ob die hinterste Körperspitze nur ein oder zwei Segmente repräsentirt. Der Körper ist auf seiner gesammten Oberfläche bewimpert, nur sind die Flimmerhaare der beiden ersten Segmente nach vorn, die der übrigen nach hinten gerichtet. Die nähere Struktur der Epidermis ist hier noch schwieriger als beim Weibchen zu ermitteln. Die gesammte Haut ist mit vielen Körnchen versehen, welche namentlich im ersten Segmente ange- häuft sind. Das vierte Segment unterscheidet sich durch sehr lange aber äußerst schmale Zellen, welche der Länge des Segmentes nach geordnet sind. Im Innern des Körpers befindet sich ein ovaler Sack (Fig. 15); er nimmt den Innenraum des dritten bis fünften Segmentes ein und ist mit kleinen wimmelnden Körperchen angefüllt, welche isolirt untersucht (Fig. 14) sich sofort als Zoospermien ergeben. Jedes Samenthierchen be- sitzt einen mit einem stark lichtbrechenden runden Körperchen versehe- nen Kopf und eine feine Geißel. Dieser Befund giebt uns das Recht die kleinere Form für das Männchen, die größere dagegen für das Weibchen zu halten. Von dem unteren Theile des Hodensackes geht ein Ausläufer bis zum Hinterende des Männchens; man wird in ihm am ehesten einen Samenausführgang erblicken, obwohl es zur Zeit nicht möglich ist einen wirklichen Beweis für diese Ansicht anzuführen. Auf Längsschnitten sieht man deutlich, dass auch derZwischenraum zwischen Epidermis und dem oberen Ende des Hodensackes mit kleinen Zellen angefüllt ist, welche vielleicht den oben beschriebenen Zellen des Weibchens entsprechen.

Aus der Nemertine, resp. aus den Orthonectidenschläuchen heraus- genommene Männchen leben, selbst wenn sie auch ganz reifes Sperma enthalten, nur kurze Zeit im Seewasser. Sie fangen an sich munter und rasch zu bewegen, bald aber b'eiben sie ruhig, verlieren ihre Flimmer- haare und selbst die gesammte Körperform erleidet ganz auffallende Ver- änderungen. |

In den meisten von mir untersuchten Schläuchen befanden sich fast nur fertige Männchen und Weibchen, doch ist es mir auch gelungen einige Embryonalzustände derselben aufzufinden. Die jüngsten Stadien bestanden aus rundlichen oder ovalen Zellenaggregaten, in denen man größere und kleinere Zellen unterscheiden konnte (Fig. 16) ; solche Em- bryonen erschienen in Form von soliden Morulae ohne eine Spur von

Untersuchungen über Orthonectiden. 287

Segmentationshöhle. Auf weiteren Stadien konnte man bereits zwei Zellenschichten unterscheiden, wovon die innere verschieden bei beiden Geschlechtern aussah. Beim Weibchen (Fig. 17) besteht diese innere Schicht, welche den jungen Eihaufen oder Eierstock repräsentirt, aus verhältnismäßig großen rundlichen Zellen, während die entsprechende Schicht des männlichen Embryo (Fig. 18) aus viel kleineren Elementen zusammengesetzt erscheint; außerdem ist der junge Hoden viel kleiner als der embryonale Eierstock.

Es ist hier der Ort zu bemerken, dass ich das Vergnügen hatte, die wichtigsten der mitgetheilten Befunde Herrn Prof. KLEINENBERG in Messina zu demonstriren. ;

Wenn es auch nicht bezweifelt werden kann, dass der von mir be- schriebene Parasit in dieselbe Gattung wie die Orthonectiden von K£rkr- stein und M.Intosn eingereiht werden muss, kann ich mich doch nicht entschließen denselben mit den von diesen Forschern bekannt gemachten Arten zu vereinigen. Den von Garn! ausgewählten Gattungsnamen Intoshia kann ich indessen nicht acceptiren, wie es weiter unten näher begründet werden soll. Den von mir untersuchten Parasiten will ich mit dem Namen »Rhopalura Intoshii« bezeichnen, wobei der Gattungs- name von GIarD entlehnt -wird, während der Speciesname zur Ehre von M.Intosu als dem ersten Entdecker der nemertinenbewohnenden Ortho- nectiden, gewählt wurde.

Die zweite von mir untersuchte Orthonectidenart? bewohnt eine lebendiggebährende Ophiuride, Amphiura squamata. Da dieser Schlangen- stern mit der sog. Ophiocoma neglecta, wie es mir neuerdings von Herrn Dr. H. Lupwic bestätigt wurde, identisch ist, kann es keinem Zweifel unter- liegen, dass die von mir beobachtete Form des Mittelmeeres mit den zwei von GIAarD beschriebenen Orthonectiden (Rhopalura ophiocomae und In- toshia gigas) von der Küste Nordfrankreichs vollkommen übereinstimmt. Die nähere Beschreibung meiner Form und die Vergleichung derselben mit den beiden Arten Giarv’s wird diesen Schluss zur Genüge bestätigen.

Die Orthonectidenart, zu deren Beschreibung ich nun übergehe, ist von mir zum ersten Male im Mai 1879 in Spezzia gefunden und unter- sucht worden. In diesem Jahre habe ich sie in Neapel, während eines Aufenthaltes auf der dortigen zoologischen Station des Prof. Donrn, noch einmal untersucht. Während ich nun im Winter nur sehr selten mit Orthonectiden behaftete Amphiura-Individuen vorfand, gelang es mir im

1 Les Orthonectida, Classe nouvelle du Phylum des Vermes, in Journ. de l’Anat. et de la Phys. Bd. XV. September, Oktober 1879. p. 460.

2 Eine vorläufige Mittheilung über meine erste Untersuchung dieser Species ist im Zoologischen Anzeiger II. Jahrg. Nr. 40 p. 547 enthalten.

288 Elias Metschnikoff,

Frühjahr (April, Mai) gar nicht selten solche zu bekommen. Aus dem Umstande, dass ich bei Gelegenheit der Untersuchung über Echino- dermenentwicklung im Jahre 1868, mehrere hundert Exemplare der- selben Ophiuridenspecies und zwar aus demselben Orte (Santa Lucia) secirt habe, sowie ferner aus der Thatsache, dass die früheren Autoren über Amphiura squamata, wie Kross und M. ScuuLtzz, den Parasiten auch nicht gesehen haben, kann ich den muthmaßlichen Schluss ziehen, dass der letztere in früheren Zeiten bei Neapel entweder noch gar nicht vorkam oder wenigstens ganz außerordentlich selten war.

Eben so wie Rhopalura Intoshii, ist der Parasit von Amphiura squa- mata dimorph. Während aber bei der ersteren beiderlei Formen häufig in einem und demselben Schlauche vorkommen, ist dies bei dem letzte- ren nicht der Fall. Häufiger enthält eine Amphiura Schläuche, welche ausschließlich eine Form beherbergen; nicht selten trifft man auch solche Exemplare der Ophiuride, welche zugleich die beidenFormen einschließen.

Es ist nicht möglich an einer unversehrten Amphiura die Existenz des Parasiten mit Sicherheit zu konstatiren. Größere Exemplare, durch deren Haut nicht die röthliche, sondern die weiße Farbe durchschimmert und welche sich gern von den Haufen, in welchen sich die Amphiuren gewöhnlich ansammeln, isoliren, sind am meisten verdächtig und müssen desshalb zuerst von demjenigen untersucht werden, welcher nach Ortho- nectiden sucht. Man mag die Amphiura mit der größten Vorsicht auf- schneiden, es platzen doch sehr viele Orthonectidenschläuche auf, wo- bei deren Inhalt, d. h. junge Orthonectiden und Embryonen in Menge ausfließen. Um sich desshalb eine richtigere Vorstellung von dem Zu- stande zu machen, in welchem sich die Orthonectiden im Innern des Amphiurakörpers befinden, ist es unerlässlich Schnitte durch die mit Parasiten behafteten Ophiuriden zu machen. Es ist mir zwar nicht ge- lungen solche Schnitte zu bereiten, an denen man die histologische Struktur der Orthonectiden untersuchen konnte (in dieser Beziehung ist Lineus lacteus mit seinem Parasiten viel günstiger); indessen war es nicht schwer Orientirungsschnitte zu machen, d.h. solche, an denen man die topographischen Beziehungen der Schläuche zur Amphiura zu erforschen im Stande war. Zu diesem Zwecke hat mir die oben erwähnte Methode (Färbung mit Hämatoxylin oder Boraxkarmin) gedient. Um die Thiere möglichst zu schonen, machte ich an der Seite der Amphiura einen Nadelstich und untersuchte den ausgeflossenen Tropfen nach Ortho- nectiden; die Schnitte wurden dann von der dem Stiche entgegengesetz- ten Seite angefangen. Untersucht man einen solchen Schnitt bei schwa- cher Vergrößerung (Fig. 19), so gewahrt man in der Peritonealhöhle eine beträchtliche Anzahl Schläuche, welche sowohl der Form als der Größe

Untersuchungen über Orthonectiden. 289

nach sehr verschieden aussehen. Die Schläuche sind auf der Bauchfläche angesammelt, wo sie oft. große Haufen bilden; nur in seltenen Fällen habe ich vereinzelte Exemplare zwischen der Magenwand und der Seiten- wand des Körpers wahrgenommen. An der Außenfläche der Schläuche kann man nicht selten anhaftende Kerne vorfinden und auch auf Schläu- chen, welche durch einen Einschnitt aus der Amphiura ausgetreten sind, kann man in einigen Fällen einen vollkommenen zelligen Überzug (Fig. 20 en) wahrnehmen. Der letztere verdankt wahrscheinlich seinen Ursprung dem Körper des Wirthes und ist desshalb nicht zu den Gewe- ben des Parasiten zu rechnen. Die Anwesenheit der Orthonectiden ruft

- noch eine andere Veränderung im Amphiurakörper hervor. Die Amphiu-

ren, welche, wie es in der Mehrzahl der beobachteten Fälle vorkommt, eine große Menge der Parasiten enthalten und welche ihre definitive Körpergröße bereits erlangt haben, zeichnen sich durch Mangel sowohl der weiblichen als der männlichen Geschlechtsdrüsen aus. In solchen Exemplaren dagegen, welche mit keiner so großen Anzahl Orthonectiden behaftet sind, kann man noch Genitalien vorfinden, und zwar in einigen Fällen beiderlei Geschlechtsdrüsen, in anderen Fällen aber nur Hoden- schläuche. Diese Beobachtung lehrt, dass die Ovarien zuerst verloren sehen. In allen untersuchten Fällen, wo ich neben Orthonectiden noch

"Genitalien vorfand, sahen die letzteren entweder normal oder etwas

verkümmert aus und enthielten niemals Orthonectiden oder deren Eier.

An solchen Orthonectidenschläuchen,, welche unversehrt aus der Amphiura ausgetreten sind, oder auch an Bruchstücken derselben (die Schläuche sind außerordentlich zart und zerreißen leicht in mehrere Stücke) kann man (bei Untersuchung im Meerwasser) starke amöboide Bewegungen wahrnehmen, wie es durch die Fig. 21 —23 illustrirt wer- den soll, welche einen und denselben Schlauch in drei verschiedenen Bewegungsmomenten zeigen. Die Bewegungen werden durch Bildung, resp. Einziehung rundlicher lappenförmiger Ausläufer vollzogen, wie es auch für manche Rhizopoden charakteristisch ist. Dabei findet auch eine Verschiebung der im Schlauchprotoplasma befindlichen Körnchen statt, welche oft so auffallend ist, dass sie an analoge Erscheinung im Plas- modium der Myxomyceten erinnert. Überhaupt ist das Protoplasma der

_ Parasitenschläuche der Amphiura viel körnchenreicher als dasjenige von ‚Rhopalura Intoshii.

Die Anzahl der in den Schläuchen enthaltenen Wesen ist eine viel

_ beträchtlichere als bei Rhopalura Intoshii; Schläuche mit nur wenigen

‚oder gar einem einzigen eingeschlossenen Individuum habe ich bei dem

Parasiten der Amphiura überhaupt nicht getroffen. Wie es bereits hervorgehoben wurde, besitzt die Orthonectidenspecies

290 Elias Metschnikoff,

der Amphiura eine größere und eine kleinere Form. Die erstere (Fig. 24) hat im Ganzen eine große Ähnlichkeit mit der entsprechenden Form der Rhopalura Intoshii und darf auch als weibliche Form in Anspruch ge- nommen werden. Sie unterscheidet sich am auffallendsten durch eine bedeutendere Größe (sie ist 0,15 mm lang) und einen viel geringeren Inhalt an Körnchen in der gesammten Haut. Die beständigste Anzahl von Segmenten ist auch hier neun und das merk würdigste unter ihnen ist jedenfalls das zweite. Während dasselbe bei der größten Mehrzahl der von mir im Winter und im Frühjahr untersuchten Exemplare nichts Auffallendes darbot und mit den nächstfolgenden Segmenten in jeder Beziehung übereinstimmte, zeigte es bei den reifsten und beweglichsten, im Juni in Spezia untersuchten Individuen einen merklichen Unterschied. Es erschien ganz ohne Wimperhaare und zeigte an der Oberfläche eine ganze Reihe Körnchen, welche sich merklich von den wenigen unregel- mäßig zerstreuten Körnchen an anderen Segmenten unterschieden (Fig. 25). Die Abwesenheit der Bewimperung des zweiten Segmentes ist auch Garn nicht entgangen. In seiner letzten Abhandlung! spricht er vom »non-ciliated segment«, worunter selbstverständlich nur das zweite gemeint werden kann. Auffallend ist es nur, dass er in dem letzterwähn- ten Aufsatze dieselben Abbildungen wie in der französischen Arbeit wiedergiebt und nur die Wimpern des zweiten Segmentes auslässt. Da- durch scheint es, als ob Grarn eine fundamentale Wimperlosigkeit des zweiten Segmentes annimmt, was jedenfalls der Wirklichkeit nicht ent- spricht.

Der Körper des Weibchens ist spindelförmig; solche Gestalten wie die von GıArD auf der Fig. 5 der englischen Abhandlung abgebildete mit einem Einschnitte und einer Einbuchtung sind mir nie vorgekommen und erscheinen mir am ehesten als Monstrositäten.

Die histologische Struktur der Hautschicht zeigt eine große Überein- stimmung mit Rhopalura Intoshii. Bei Untersuchung mit Zusetzung mittel- starker Kochsalzlösungen oder im etwas verdunsieten Meerwasser? kann man sich leicht eine Vorstellung von der Anordnung der Hautzellen machen (Fig. 26). Eben so wie bei Rhopalura Intoshii findet man auch hier größtentheils verlängerte vierkantige Prismen, deren Reihen durch Zwischenreihen von ganz kurzen die Segmentgrenzen bildenden Zellen unterbrochen werden. An beiden Körperenden erscheinen die Zellen

1 The Orthonectida, a New Class of the Phylum of the Worms in Quarterly Journ. of Microsc. Science April 1880. p. 232. Taf. XXII, Fig. 6 und 7.

2 Das ist überhaupt das beste Reagens für die Gewebe der Orthonectiden. Die sonst so gut wirkenden Substanzen, wie Osmium- und Essigsäure, leisten bei der Untersuchung dieser Thiere fast gar keine Dienste. Die Osmiumsäure ist überhaupt gar nicht zu gebrauchen.

Untersuchungen über Orthonectiden, 291

mehr abgerundet, würfelförmig oder polygonal. Unter der Epidermis, - in Verbindung mit derselben, ist eine Verdickung (Fig. 24 c) vorhanden, welche unzweifelhaft ihr Homologon in dem oben beschriebenen sub- polaren Zellenhaufen der Rhopalura Intoshii hat. Nur liegt diese Ver- dickung bei der Artaus der Amphiura nicht um die Längsachse des Thieres herum, sondern sie ist auf der Seite des oberen Körpertheiles angebracht. Dadurch wird der vollständig radiäre Bauplan der Rhopalura Intoshii in einen bilateralsymmetrischen umgewandelt. Die histologische Struktur des fraglichen Organes habe ich nicht ermitteln können, glaube aber, nach Allem was ich gesehen habe, dass es in dieser Beziehung mit Rhopalura Intoshii übereinstimmt und überhaupt ein Annex des Ektoderms bildet.

Der gesammte Innenraum ist mit großen Zellen angefüllt, welche mit den entsprechenden Elementen der Rhopalura Intoshii durchaus übereinstimmen und desshalb auch für Eizellen in Anspruch genommen werden müssen. Dicht neben einander gelegen üben sie einen gegen- seitigen Druck aus und erscheinen polygonal, meistens fünf- oder sechs- kantig. Der Kern und das Kernkörperchen sind oft schon am lebenden Thiere wahrzunehmen; jedenfalls treten sie sehr scharf bei Zusatz von Essigsäure auf (Fig. 27).

Grarn erwähnt! noch besonderer Muskelbänder bei der »Intoshia gigas«, welche namentlich am vorderen Körpertheile sichtbar sein sollen. Ich habe viel nach Muskeln gesucht, habe aber keine finden können. Die eigenthümlichen zuckenden Bewegungen sind am unteren Körperende koncentrirt, so dass man hier eher das Vorhandensein von besonderen Muskelfasern vermuthen dürfte.

Die kleinere Form ist die erste von Garn? entdeckte und von ihm mit dem Namen »Rhopalura ophiocomae « benannte Orthonectide. Sie kommt eben so häufig wie die größere vor und erscheint nicht selten in der nächsten Nachbarschaft der letzteren. Sie ist mehr als zwei Mal kleiner als das Weibchen, indem sie nur eine Länge von 0,066 mm hat. Am eigenthümlichen spindelförmigen Körper kann man sechs Segmente unter- scheiden, wovon nur das zweite wimperlos und überhaupt in vieler Be- ziehung auffallend ist (Fig. 38—31). Dieses Segment besitzt fünf trans- versale Reihen von Körnchen, welche stark lichtbrechend sind und ähnlich ‚wie fettartige Substanzen aussehen, obwohl sie nicht aus Fett bestehen und sich leicht in der einprocentigen Osmiumsäure auflösen. Das dritte

1 Nouvelles remarques sur les Orthonectida, in Comptes rendus 1879 22 Septem-

' bre. Derselbe Aufsatz ist im Zool. Anzeiger, Jahrg. III, Nr. 47, p. 39 und in Guide du

Naturaliste de Bouvier, 4880, Nr. I, p. 23 wörtlich abgedruckt und auch in den oben

eitirten Aufsatz im Quarterly Journal of microsc. Science April 4880 aufgenommen. 2 Gomptes rendus, 29. Octobre 1879.

292 Elias Metschnikofl,

Segment unterscheidet sich durch bedeutendere Größe, weil es die Ge- schlechtsdrüse in sich einschließt; eben so wie das erste und die drei letzten ist das dritte Segment ganz durchsichtig und enthält nur eine | geringe Anzahl sehr feiner Körnchen. Die langen Wimperhaare sind am ersten Segmente gewöhnlich nach vorn gerichtet, an den vier letzten Segmenten nach hinten (Fig. 29); nicht selten aber wendet sich ein Theil der Wimpern des dritten Segmentes nach vorn, was dem ganzen

Thierchen ein eigenthümliches Aussehen verleiht. Ä Die Haut besteht auch hier aus einer einschichtigen Epidermis, deren Zellen meistens deutlich durchsichtige Kerne aufweisen (Fig. 31); solche habe ich allerdings nicht in den beiden ersten, namentlich im zweiten Segmente finden können, wo sie vielleicht durch die in das Zellenproto- plasma eingeschlossenen oben beschriebenen Körnchen verdeckt werden. Die Zellen der beiden ersten Segmente sind klein und schwer zu zählen; trotzdem kann ich mit Sicherheit behaupten, dass deren im ersten Seg- mente bedeutend mehr als vier vorhanden sind, welche Zahl von GiarD angegeben wird. Sehr eigenthümlich sind die Ektodermzellen des dritten Segmentes: sie erscheinen in Form von etwa zwölf langen bandartigen | Elementen, welche konstant in schiefer Richtung von links nach rechts | gewunden angeordnet sind (Fig. 30). Wenn man das Mikroskop etwas tiefer einstellt, so kann man leicht die Epidermiszellen der unteren Fläche | wahrnehmen und dann sieht es so aus, als ob sie sich mit denjenigen | der oberen Fläche kreuzten. Alle diese Merkmale passen ganz genau auf | die von Gıarn beschriebenen Muskelfasern, wie man es am besten aus | seiner Fig. 5 (Taf. XXXIV des Aufsatzes im Journ. de l’anat. et de la phys.) ' und Fig. 3 des englischen Aufsatzes sehen kann. Früher habe ich! die | Meinung ausgesprochen, dass die Muskelfasern dieses Forschers nichts | Anderes als die Zoospermienschwänze seiner Rhopalura ophiocomae re- präsentiren ; jetzt aber kann ich keinen Zweifel darüber haben, dass er die gewöhnlichen wimpertragenden Epidermiszellen des dritten Segmen- tes als besondere Muskelfasern in Anspruch genommen hat. Im vierten Segmente sind nur zehn, im fünften sechs, und im sechsten in Über- einstimmung mit GrArn vier Zellen enthalten. | Im Innern des Körpers, in dem Raume des dritten Segmentes ist die Genitaldrüse der Hoden enthalten; über die Rolle dieses Organes kann | kein Zweifel obliegen, weil man in jedem reifen Individuum eine Menge | feiner geschwänzter Zoospermien (Fig. 32) findet, welche durchaus mit den oben beschriebenen Zoospermien von Rhopalura Intoshii überein- | stimmen. Die Schwänze sind aber nur an aus dem Körper ausgetretenen Zoospermien wahrzunehmen; bei der Untersuchung des unversehrten | 1 Zool. Anz. Nr. 43, 4. December 4879, p. 619. |

Untersuchungen über Orthoneetiden. 293

Thieres sieht man dagegen nur ein Gewimmel von kleinen rundlichen Körperchen.

Am schwierigsten ist die Untersuchung der inneren Theile, welche oberhalb und unterhalb der Hodenblase gelegen sind. Bei der schlechten Konservirung der Schnitte und bei der Undurchsichtigkeit des zweiten Segmentes lässt es sich schwer bestimmen, wie eigentlich die inneren Theile dieses Segmentes beschaffen sind. Man sieht ohne Mühe, dass dasselbe nicht hohl, sondern angefüllt ist; in seltenen Fällen ist es mir aber gelungen vier verlängerte Bänder zu sehen (Fig. 34 b), welche durch das ganze Segment in Längsrichtung verlaufen. Diese Organe könnte man vielleicht mit besserem Recht für Muskelfasern in Anspruch nehmen; indessen habe ich keine bestimmten Gründe für diese Ansicht finden können. Jedenfalls stimmen sie nicht mit den Muskelfasern von Garn überein; Giarn hat diese Bänder gar nicht gesehen. Analoge, d. h. ebenfalls verlängerte vier Fasern liegen auch im unteren Theile des Körpers, im Innenraume der drei letzten Segmente (Fig. 31 d); diese Gebilde scheinen aber oft so innig mit der Hodenblase verbunden zu sein, dass man eher geneigt sein wird sie für einen Samengang zu halten.

Neben den bereits beschriebenen weiblichen und männlichen Ortho- nectiden findet man in denselben Plasmodiumschläuchen noch eine große Anzahl Jugendformen , Embryonen und der dieselben bildenden Zellen. Die Darstellung meiner entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen be- ginne ich mit isolirten Zellen, welche man im Innern der männlichen Plasmodiumschläuche antrifft. Diese Zellen (Fig. 33) sind membranlos, haben einen durchsichtigen feinkörnigen Inhalt und einen runden bläs- chenförmigen Kern mit Nucleolus; kurzum sie stimmen in jeder Be- ziehung mit den oben beschriebenen Eizellen der weiblichen Form (Fig. 27) überein. Solche Eier findet man in den männlichen Plasmodiumschläuchen nur in spärlicher Anzahl zerstreut. Viel häufiger trifft man zweigetheilte Eier (Fig. 34), d. h. das erste Zerklüftungsstadium an, wobei die beiden Blastomeren an ihren Rändern mit einander zusammenhängen und in der Mitte eine feine spaltförmige Höhle hervortreten lassen. Ein solches Stadium ist bereits von Gıarp beschrieben und auf Fig. 9 und 10 (Taf. - XXXVI im Arch. de l’Anat.) abgebildet worden. Das Stadium mit vier ganz gleichen Blastomeren (Fig. 35) kommt viel seltener zum Vorschein. _ Bei weiterer Entwicklung vermehrt sich die Anzahl der Blastomeren, wobei jedoch die Größe derselben nicht mehr unter einander gleich bleibt. Auf den Fig. 36 und 37 habe ich ein Stadium abgebildet, wo man neben drei größeren Blastomeren zwei bedeutend kleinere unterscheidet; solche Stadien kommen offenbar dadurch zu Stande, dass von vier ursprüng-

294 Elias Metschnikoft,

licheren Zellen sich nur eine getheilt hat. Derselbe Vorgang der un- gleichen Blastomerentheilung schreitet immer fort, so dass man weitere Stadien antrifft, wo neben größeren Elementen auch viel kleinere vor- kommen. Bei geringer Anzahl (wie in Fig. 41) bleiben die kleinen Zellen mit einander zusammen, bei der größeren Anzahl solcher Blastomeren sind sie mehr oder weniger mit den großen Zellen vermischt (Fig. 38). Für die relative Menge beiderlei Zellenformen kann man keine Regel auf- stellen; so findet man auf zehn große Blastomeren der Fig. 40, 41 nur drei kleine, während bei einem anderen Embryo (Fig. 38, 39) neben sieben großen eben so viele kleine Zellen vorhanden sind. GiarD hat ein Stadium mit zwei großen und vier kleinen Blastomeren untersucht (Fig. 12, Taf. XXXVI, Journ. de l’Anat.), woraus er den Schluss zieht, dass bei dem betreffenden Wesen eine Epibolie, d. h. eine Umwachsung der großen Zellen durch die kleinen stattfindet. Diese Deutung kann ich nicht theilen, wie ich es bereits früher ausgesprochen habe (Zool. Anz. Nr.43, p. 620). Es ist möglich, dass Gıarn zwei mit einander verklebte Furchungsstadien vor Augen hatte (wie solche Verklebungen häufig vorkommen); jedenfalls aber beweisen sämmtliche von mir untersuchte Stadien, dass die größeren Zellen von den kleineren nicht umwachsen werden, sondern fortwährend mit ihnen in Nachbarschaft bleiben, auch dann, wenn die Geschlechtsdrüse »Entoderm« GiarD’s) sich bereits an- gelegt hat. Auf solchen Stadien kann man sehen, dass die ersten Geni- talzellen eher zu der kleineren Form gehören (Fig. 43 und 45). Die größeren Zellen koncentriren sich meist um die Mitte und den Hintertheil des Embryo, um die großen Zellen der vier letzten Segmente zu liefern. (Man vergl. die Fig. 42, 44, 46 und 47.) Auf allen diesen Stadien kann der Embryo in die Kategorie der sog. soliden Morula gebracht werden; eine Segmentationshöhle habe ich im vorigen Jahre gesehen, in diesem Jahre aber nicht wieder gefunden, was darauf hindeutet, dass diese: Bildung in unserem Falle keineswegs zu den konstanten Erscheinungen gehört. i

Die auf früheren Stadien (wie das Stadium der Fig. 42, 43) nur schwach angedeutete Trennungslinie zwischen Ektoderm und der Genital- anlage (Fig. 43 g) tritt bei weiterer Entwicklung viel schärfer hervor (Fig. 45 g); die einzelnen Zellen der Genitalanlage werden zugleich kleiner. Auf weiteren Stadien zerfällt der Embryo von der Oberfläche betrachtet in zwei Abschnitte, wovon der vordere den beiden ersten Segmenten entspricht, während der hintere den Komplex sämmtlicher übrigen Segmente bildet. Später differenzirt sich das zweite Segment, welches durch Bildung der Körner scharf hervortritt; auch die übrigen Segmente werden immer deutlicher (Fig. 47, 48). Die Zellen des dritten

a EEE

Untersuchungen über Orthonectiden. 295

Segmentes erscheinen als die größten, nur liegen sie in der Längsrich- tung des Thieres; ihre schiefe Stellung ist überhaupt eine der letzteren Embryonalerscheinungen. Die Genitalzellen verkleinern sich noch stär- ker, wobei man ihre einzelnen Bestandtheile aus den Augen verliert; später liefern sie, wie bereits oben bemerkt wurde, die Zoospermien. Der bereits fast fertige männliche Embryo bedeckt sich (mit Ausnahme des zweiten Segmentes) mit Wimpern und erscheint in der von GIarD als »forme ovoide« bezeichneten verkürzten Gestalt. Durch Verlänge- rung des gesammten Körpers, schiefe Stellung der Epidermiszellen des dritten Segmentes und Reifung der Zoospermien wird ein solcher Em- bryo zum fertigen Männchen. Über die Entwicklung der inneren Gruppen von verlängerten Zellen habe ich keine brauchbaren Beobachtungen an- gestellt.

Die Eier der weiblichen Plasmodiumsäcke sind viel schwieriger zu erlangen als die oben beschriebenen zu Männchen werdenden Eizellen. Der Grund dafür liegt in dem Umstande, dass man in solchen Säcken oft große Mengen aus weiblichen Thieren durch Risse herausgetretener Eizellen vorfindet und dann kann man nicht mit Sicherheit entscheiden, ob man solche künstlich befreite oder wirkliche, d. h. ursprünglich isolirte Eier vor sich hat. Für die Beobachtung sind desswegen solche Säcke die besten, welche nur verhältnismäßig jüngere Embryonen ent- halten. Die Eizelle (Fig. 49) ist den oben beschriebenen Eiern des Weib- chens, so wie den Eiern, aus welchen die Männchen hervorgehen, durch- aus ähnlich, so dass eine ausführlichere Beschreibung ausbleiben kann.

Es ist sonderbar, dass, während in männlichen Säcken die zweigetheil-

ten Eier das häufigste von den frühen Embryonalstadien repräsentiren, mir solche unter den weiblichen Embryonen gar nicht vorgekommen sind. Das früheste überhaupt von mir gefundene Zerklüftungsstadium besaß bereits sechzehn Blastomeren (Fig. 50, 51), welche eine Schicht ganz gleicher konisch-prismatischer Zellen bildeten und um das Gentrum des kugligen Embryo regelmäßig gruppirt waren. Bei weiterer Ent- wicklung vermehrt sich die Anzahl der Blastomeren, welche sämmtlich gleich beschaffen sind. Nicht selten findet man auf diesem Stadium eine mehr oder weniger geräumige Segmentationshöhle (Fig. 53), welche ich aber keineswegs für eine ganz konstante Erscheinung zu halten vermag, weil ich sie oft genug vermisst habe; häufig erscheinen die Blastomeren der höhlenlosen Blastula in Form verlängerter konischer Zellen mit ge- wundenen centralen Enden, welche dem ganzen Embryo (Fig. 52) ein

eigenthümliches Aussehen verleihen. Etwas später erfolgt einer der

wichtigsten embryonalen Vorgänge, nämlich die erste Absonderung der künftigen Eizellen. Ich habe mir viel Mühe gegeben diesen Process zu Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 20

296 Elias Metschnikofl,

erforschen, bin aber nicht zu ganz entscheidenden Resultaten gelangt. Auf dem frühesten von den betreffenden Stadien habe ich zwei Zellen am Rande der Segmentationshöhle getroffen, sie zeigten aber bereits keinen Zusammenhang mit dem Blastoderm des kugligen Embryo. Häufiger fand ich Stadien mit einer größeren Anzahl innerer Zellen, welche, im Falle des Vorhandenseins einer Segmentationshöhle, ziemliei: lose neben einander lagen oder, bei den höhlenlosen Embryonen, einen kompakten Zellenhaufen (Fig.54) bildeten. Ob diese Zellen durch Quer- theilung der ursprünglicheren Blastomeren, wie das Grarn angiebt, oder durch Einwanderung ganzer Zellen ins Innere des Embryo zu Stande gebracht werden, konnte ich nicht entscheiden, weil es mir trotz langen Suchens niemals gelingen wollte dieselben in ihrer Entstehung zu er- tappen. GıiArn’s Annahme eines »processus tres net de delamination « ist wohl als eine, allerdings nicht unwahrscheinliche Vermuthung anzu- sehen, wie es auch seine eigenen Abbildungen beweisen, an welchen bereits ganz fertige Zellen in der Segmentationshöhle dargestellt sind.

Die weitere Entwicklung des weiblichen Embryo erfolgt sehr ein- fach unter einer allgemeinen Körpervergrößerung, wobei sich die Epi- dermisschicht eben so wie die Genitalzellen stark vermehren (Fig. 55). Der oval verlängerte Embryo bleibt noch längere Zeit ganz nackt, später bedeckt er sich mit Wimperhaaren, welche von Anfang an auf seiner gesammten Oberfläche auftreten. Die Segmentgrenzen gehören zu den spätesten Embryonalvorgängen, eben so wie die Differenzirung verschie- dener Formen von Ektodermzellen. In diesem letzteren Umstande, d. h. in der lange dauernden Gleichförmigkeit sämmtlicher Zellen der Körper- decke sehe ich überhaupt den Hauptunterschied in der Entwicklung beider Geschlechter. Der verhältnismäßig sehr frühen Absonderung von zwei Zellenformen bei dem männlichen Embryo kann man indessen keine hohe Bedeutung zuschreiben, zumal diese Erscheinung als eine Verkür- zung des Entwicklungsvorganges am einfachsten ihre Erklärung findet.

Durch die mitgetheilten Beobachtungen wird der thatsächliche Inhalt meiner Untersuchungen erschöpft. Es fragt sich nunmehr, unter welcher Bezeichnung die zuletzt beschriebene Art in die Wissenschaft eingeführt werden soll? Gıarn bezeichnete das zuerst von ihm gefundene Männ- chen mit dem Namen Rhopalura ophiocomae; die später entdeckte weib- liche Form belegte er mit dem Namen Intoshia gigas, weil er sie für Repräsentant einer besonderen Galtung hielt. Ich behalte den Gattungs- namen Rhopalura als den älteren. Für die Speciesbezeichnung halte ich den Namen »Ophiocomae« für unbrauchbar, weil der eigentliche Name der Ophiuride Amphiura ist und schlage desshalb vor die betreffende Art mit dem Speciesnamen »Giardi« zu bezeichnen, zu Ehren des Forschers,

/

Untersuchungen über Orthonectiden. | 297

welcher zuerst die Orthonectiden zum Gegenstand specieller Unter-. suchungen ausgewählt hat.

Es ist mir nicht gelungen das weitere Schicksal der weiblichen und männlichen Rhopalura Giardi zu erforschen. Durch die Thatsachen ge- leitet, dass die beiden Geschlechter in vielen Fällen in besonderen Amphiura-Individuen ihren Ursprung haben, ferner, dass Rhopalura noch während des Verweilens im Plasmodiumsacke fertige Genitalpro- dukte (namentlich Zoospermien) bekommt und dass die bereits ganz fertigen Geschlechtsthiere nur kurze Zeit im Meerwasser zu leben im Stande sind, habe ich die Schlussfolgerung gezogen, dass die Befruch- tung außerhalb der Amphiura und bald nach dem Ausschwärmen der Geschlechtsthiere erfolgen muss. Meine, mit anscheinend ganz reifen Geschlechtsthieren angestellten Versuche haben mir indessen keine Resul- tate gegeben. Die in Gläsern zusammengebrachten Männchen mit Weib- chen starben bald ab, ohne Zeichen einer Befruchtung oder Ablegung der Eier zu zeigen. Es ist mir ebenfalls nicht gelungen eine Einwande- rung von Weibchen in gesunde Amphiura zu beobachten. In den Fragen über das Schicksal der Geschlechtsthiere und den Ursprung der Plas- modiumsäcke ist man desshalb nur auf Hypothesen angewiesen bis zur Zeit, wo ein glücklicher Zufall das thatsächliche Material zur Entschei- dung liefern wird. Wahrscheinlich wandern die außerhalb des Wirthes befruchteten Weibchen in den Körper der Amphiura ein, um sich dort in einen, durch Verschmelzung von Ektodermzellen darzustellenden Plasmodiumsack zu verwandeln. Dafür spricht die große Ähnlichkeit, welche zwischen den Eizellen der weiblichen Individuen mit den Eiern der Plasmodiumsäcke besteht. Noch wird diese Ansicht durch einige von mir im Juni vorigen Jahres in Spezia beobachteten Weibchen unter- stützt, welche noch ein zelliges Ektoderm, obwohl bereits ohne Wimpern, zeigten und muthmaßlich Verwandlungsstadien darstellten. Auch Garn beschreibt in seinem letzten Aufsatze (Quart. Journ. Taf. XXI, Fig. 14 und 45) sehr junge Schläuche (Sporocysten), deren Oberfläche noch mit Wimpern ausgerüstet ist. Diese Angaben können indessen nur als Ver- muthungen, nicht als sicher ermittelte Thatsachen angenommen werden,

zumal in solchen Dingen stets eine große Gefahr vor Monstruositäten

‚besteht. Wenn ich zugestehen muss, dass es noch nicht gelungen ist die

Zugehörigkeit der Plasmodiumschläuche zu Orthonectiden streng nach- zuweisen, so muss ich auf der anderen Seite nachdrücklich hervorheben, dass gar kein Grund’ vorhanden ist sie für umgewandelte Theile der

_ Wirthe zu erklären.

Die Vermuthung, dass die befruchteten Weibchen in den Körper

des Wirthes einwandern, postulirt die Annahme, dass solche einge-

20%

298 Elias Metschnikoff,

wanderten und verwandelten Individuen sich durch Theilung vermehren müssen. Der Grund dafür liegt in dem Umstande, dass die Plasmodium- : säcke oft (namentlich bei Rhopalura Intoshii) eine viel geringere Anzahl Embryonen enthalten als in einem Weibchen Eizellen vorhanden sind. Außerdem wird durch diese Annahme die Thatsache, dass die Plas- modiumsäcke gewöhnlich in großer Menge in einem und demselben Wirthe liegen, ihre einfachste Erklärung finden. Oben, bei der Be- sprechung von Rhopalura Intoshii habe ich bereits einige Stützen für diese Annahme angeführt. Die von Gıarp angenommene Knospung der Orthonectiden muss ich dagegen entschieden bestreiten. Es ist mir nie- mals gelungen einen solchen Vorgang weder bei Rhopalura Intoshii, noch bei R. Giardii zu beobachten. Auf der anderen Seite beweisen die Ab- bildungen GrAarv’s, dass das, was er für Knospen hält, etwas ganz ande- res repräsentirt. Der Grund des Missverständnisses liegt darin, dass Garn meint, die Masse der bei der Verleizung des Wirthes her- austretenden Thiere und Embryonen liege im normalen Zustande frei im Inneren des Amphiurakörpers (was, wie ich oben nachgewiesen habe, nicht richtig ist). Desshalb sind für ihn die durch Verletzung be- freiten Embryonen wirkliche aus Eiern entstandene Embryonen, während ganz identische Gebilde, wenn sie im Innern des Plasmodiumsackes (Sporocyste) geblieben sind, für ihn nur Knospenzustände repräsentiren !. Dass die Sporocysten Gıarv’s wirklich nichts Anderes sind, als die sämmt- liche Embryonen und junge Orthonectiden enthaltenden Plasmodium- säcke,, ist nicht möglich zu bezweifeln. Nun glaubt dieser Forscher, dass man » souvent plusieurs sporocystes A l’interieur d’une meme ophiure« findet. Dieser Ausdruck beweist, dass er die ganze Menge Plasmodium- säcke, welche beim Aufschneiden einer Ophiure platzen und ihren In- halt ausleeren, für nicht existirend betrachtet, was allein schon hin- reicht, um die Annahme von verschiedenen, aus Eiern entstandenen Embryonen und ganz gleich aussehenden »Knospen« zu widerlegen. Wenn wir schließlich die eigenthümlichen Merkmale der Orthonec- tiden resümiren wollten, so müssten wir diese Thiergruppe als eine solche betrachten, deren Repräsentanten einen (nur wenige Ausnahmen zeigen- den) radiären Bauplan, eine bewimperte und segmentirte Hautschicht, stark entwickelte Genitalien mit einem ausgesprochenen geschlechtlichen Dimorphismus des ganzen Körpers aufweisen. Diese Gruppe könnte man am besten als eine Anhangsgruppe (Ordnung) betrachten, wie dies Huxrey für mehrere Thiere mit zweifelhaften Verwandtschaftsverhält- nissen annimmt. Wollte man sie aber zu den Würmern rechnen, so ist dies nur möglich unter der Bedingung, dass man die Würmer nicht ! Man vergl. die Bemerkungen im Zool. Anz. 4879 Nr. 43 v. 619,

Untersuchungen über Orthonectiden. 299

für einen Typus oder Phylum, sondern für eine Vorrathskammer der in

ihrer Verwandtschaft unbestimmten Thierformen ansieht.

In der gesammten Ordnung kann man einstweilen nur eine Gattung Rhopalura mit zwei, oben beschriebenen Arten unterscheiden. Die Selbständigkeit der von KrrErstein und M.Intosn beobachteten Formen ist noch sehr zweifelhaft.

Es giebt viele Schmarotzer, welche, trotz ihrer parasitischen Lebens- weise, sich dennoch sehr wenig von ihren freilebenden Verwandten durch innere Organisation unterscheiden (z. B. Nematoden, Milben). Andere zeichnen sich dagegen durch eine sehr ausgesprochene Degeneration aus, welche die meisten Organe betrifft. So verschiedenartige Thiere wie die Rhizocephaliden, Entoconcha, Cestoden, haben einen ganz analogen Dege- nerationsprocess erfahren, in Folge dessen sie zu einem die mächtig ent- wickelten Genitalien enthaltenden und ernährenden Schlauche geworden sind. Die gesammte Organisation der Orthonectiden, welche eben nichts Anderes als mit Genitalien angefüllte Säcke repräsentiren, deutet darauf hin, dass diese Thiere zur zweiten Kategorie der Parasiten ge- zählt werden müssen. Es ist mir eben wahrscheinlich, dass sie vieles von ihren Ähnlichkeiten mit ihren nächsten freilebenden Verwandten verloren haben und dass mehrere ihrer Eigenschaften als sehr einfach organisirter Thiere erst sekundär erworben wurden (ich erinnere an das oben beschriebene räthselhafte Organ der weiblichen Formen). Unter solchen Verhältnissen ist es außerordentlich schwierig sich einen Begrifl über die Verwandtschaftsverhältnisse der kleinen Gruppe zu machen. Es ist nicht möglich an eine nahe Beziehung zwischen Orthonectiden und der analogen Gruppe der Dicyemiden zu denken, indem sich die Ähnlichkeiten bloß auf die tiefere Stufe der gesammten Organisation beider beschränken. Die für die Orthonectiden so charakteristische starke sexuelle Differenzirung fehlt den Dicyemiden, eben so wie den ersteren die eigenthümliche ungeschlechtliche Vermehrung der Diceyemiden voll- ständig fremd ist. GIarD denkt an die Verwandtschaft zwischen Ortho- nectiden und Rotatorien, wofür der oben beschriebene sexuelle Dimor- phismus der ersteren als Stütze beigebracht werden kann. Indem ich glaube, dass der Gedanke, Orthonectiden durch Degradation von Rota- torien abzuleiten, an sich nicht unwahrscheinlich ist, will ich die Auf- merksamkeit der künftigen Forscher aufeine andere kleine Würmergruppe lenken, welche niedriger organisirt ist als die Rotatorien und möglicher- weise irgend eine Auskunft über die Abstammung der Orthonectiden zu liefern im Stande sein wird. Ich meine den oft an die Turbellarien angereihten Dinophilus, welcher sich durch oberflächliche » Wimper-

300 Elias Metschnikoff,

segmente« und einen sehr ausgesprochenen sexuellen Dimorphismus auszeichnet. Die winzig kleinen Männchen entwickeln sich aus beson- deren Eiern (welche um vieles kleiner als die weiblichen Eier sind) und erscheinen in Form rundlicher mit einem Schwanzanhange versehener Thierchen, welche sehr einfach gebaut zu sein scheinen und im Innern nur ein einziges stark auffallendes Organ, einen geräumigen Hodensack, besitzen.

Bei der Ungewissheit, in welcher wir uns in Bezug auf die Ver- wandtschaftsverhältnisse der Orthonectiden befinden, ist es zur Zeit un- möglich eine morphologische Definition der dieselben bildenden Organe zu geben. Man kann wohl behaupten, dass die bewimperte äußere Epithelschicht ein Ektoderm repräsentirt; nichts giebt uns aber das Recht die Geschlechtsdrüsen auf irgend ein bestimmtes Keimblatt zurück- zuführen. Wir wissen, dass die Genitalien sogar bei nahe verwandten Thieren sich aus verschiedenen Keimblättern bilden können und schon desshalb kann ich nicht die Ansicht Grarv’s theilen, nach welcher die Geschlechtsorgane der Orthonectiden von ihm schlechtweg als Entoderm bezeichnet werden. Wo ist nun der Beweis zu schöpfen, dass sie nicht das Mesoderm repräsentiren oder nicht etwa Abkömmlinge des Ekto- derms sind? Die Frage kann nur durch Vergleichung mit verwandten und zugleich besser morphologisch definirbaren Thieren entschieden werden; so lange dies nicht geschehen ist, darf man überhaupt nicht auf Orthonectiden die rein morphologischen Ausdrücke anwenden. Die topo- graphische Lage, auf die sich Gıarn beruft, kann gar nichts beweisen, indem das unzweifelhafte Mesoderm mancher Thiere, z. B. Gestoden, in seinen Lagerungsverhältnissen durchaus mit dem Entoderm' so vieler anderen Thiere übereinstimmt und doch dem letzteren nicht homolog ist. Bei darmlosen Parasiten, zu denen ja die Orthonectiden gehören, welche sich gerade durch den Mangel des wesentlichen Abschnittes des Ento- derms auszeichnen, darf man von diesem Keimblatte nur dann reden, wenn seine Existenz wirklich nachgewiesen ist.

Dieselben Bemerkungen dürfen auch in Bezug auf die unklare Gruppe der Dieyemiden gemacht werden. Mit demselben Rechte, mit welchem E. v. Benepen die große Fortpflanzungszelle als Entoderm bezeichnet hat, kann man sie für eine einzige Mesoderm- oder Ektodermzelle in An- spruch nehmen. Der Thatsache, dass sich diese Zelle bei den sog. wurm- förmigen Embryonen sehr frühe anlegt und Anfangs außen liegt!, um erst später vom Ektoderm umwachsen zu werden, kann keine ent- scheidende Bedeutung zugeschrieben werden, weil bekanntlich auch die

1 E. v. BENEDEN, in Bulletins de !’Acad. de Belgique. 2. Serie. t.X. Nr. 7. 4876.

Untersuchungen über Orthonectiden. 301

Mesodermzellen (wie z. B. beim Embryo von Pedicellina nach HaATschaek) auf früheren Stadien außen liegen können und nur später ins Innere des Embryo aufgenommen werden. Dasselbe ist mit den sog. Polzellen der Dipteren der Fall, weiche bei der Miastorlarve die Geschlechtszellen liefern. Wenn man folglich keine Berechtigung hat die große Fort- pflanzungszelle der Dieyemiden für ein wirkliches Entoderm zu halten, so darf man auch das vorhin erwähnte Embryonalstadium nicht als eine Gastrula bezeichnen. Der äußerlichen Ähnlichkeit darf natürlich keine wichtige Rolle zugeschrieben werden; man denke sich nur etwa einen Pedicellina-Embryo mit seinen zwei großen hervorragenden Mesoderm- zellen und mit atrophirter Darmanlage (das letztere kann auch für die Dieyemiden angenommen werden) und man erhält eine der »Dieyemi- dengastrula« ganz ähnliche Pseudogastrula.

Die Orthonectiden können noch Verwerthung finden bei der Be- sprechung einer in der neuesten Zeit ausgesprochenen Theorie. Ich meine die Theorie von Ragr !, nach welcher die Bewegungsrichtung eines Thieres in einem innigen Zusammenhange mit dem Bauplane desselben stehen soll. Der Ansicht dieses Forschers zufolge ist die bilaterale Symmetrie der Thiere als Folge einer konstanten Bewegungsrichtung der Urform Blastaea entstanden. Seine Auseinandersetzungen darüber resümirend, sagt er: »Demnach können wir die Blastaea radialis, dieStammform der Coelente- raten, charakterisiren als einen einschichtigen, polar differenzirten Orga- nismus mit radiärem Bau und spiraliger Bewegung; die Blastaea bilate- ralis dagegen als einen einschichtigen, polar-differenzirten Organismus mit bilateralem Bau und linearer Bewegung« (p. 642). Nun stellt sich aber heraus, dass die Thatsachen mit diesem Schlusse nicht überein- stimmen. Die bewimperten Larven vieler sog. Bilaterien im Blastula-, Gastrula- und noch späteren Zuständen bewegen sich konstant in spiraler Richtung; so z. B. die verschiedensten Stadien der Phoronislarven, Pili- dium u. s. w. Tornaria hat eben darum ihren Namen erhalten, weil sie stets rotirt. Die spiralige Bewegung verschiedener Echinodermenlarven ist bereits von J. MüLLer mehrfach hervorgehoben worden. Dasselbe habe ich neulich bei den Plutei von Echinus microtuberculatus beobachtet, wobei ich auch sehen konnte, dass diese Larven oft mit dem spitzen Pole, in anderen Fällen dagegen mit dem entgegengesetzten Körperende nach vorn gerichtet sind. Die Orthonectiden stellen uns ein Beispiel von

radiär gebauten Thieren dar, welche sich vornehmlich linear bewegen,

was Grarp auch Grund gegeben hat sie gerade als Orthonectiden zu be- zeichnen. Es ist demnach vollkommen unberechtigt auf einen konstanten

1 Über die Entwicklung der Tellerschnecke. Morphologisches Jahrbuch. Bd. V. 1879. p. 687 ff,

302 Elias Metschnikofl,

Zusammenhang zwischen der Bewegungsweise und dem Bauplane zu schließen und darauf eine Theorie über die Ursprungsverhältnisse der Metazoen zu gründen. Wenn man auch die Ansichten Rasr’s mit der linearen Bewegung eines radiären Thieres noch versöhnen könnte, so ist dies doch in Bezug auf die oben erwähnten Beispiele spiraler Bewegung bei den bilateralsymmetrischen Larven nicht möglich. °

Odessa, den 15/27. Juni 1880.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XV,

Fig. A. Querschnitt durch einen mit Orthonectiden inficirten Lineus lacteus. Vergrößerung 90.

Fig. 2. Der kleinste von mir gesehene Plasmodiumschlauch mit noch jungen Embryonen. 'Vergr. Oc. 3 -— Syst. 5 von HARTNACK. pP, Protoplasma.

Fig. 3. Ein Plasmodiumschlauch mit ‚nur einem einzigen weiblichen Thiere. Vergr. wie bei Fig. 2.

Fig. 4. Ein ausschließlich weiblicher Plasmodiumschlauch. Vergr. wie bei Fig. 2.

Fig. 5. Ein ausschließlich männlicher Plasmodiumschlauch. Dieselbe Vergr.

Fig. 6. Ein hermaphroditischer Plasmodiumschlauch. Dieselbe Vergr.

Fig. 7. Eine am weitesten ausgewachsene weibliche Form. Vergr. 400.

Fig. 8. Die Gruppirung der Ektodermzellen bei einem etwas jüngeren Stadium. Vergr. 550.

Fig. 9. Eine ausgewachsene weibliche Form mit großen Eizellen und dem sub- polaren Zellenhaufen, c. Vergr. 400.

Fig. 40. Einzelne Eizellen. Vergr. 550.

Fig. 44. Ein durch dieobere Hälfte des Weibchens geführter Längsschnitt. Vergr. Oc. 3 + Syst. 12 von HARTNACK.

Fig. 42. Ein Querschnitt durch die weibliche Form.

Fig. 413. Das ausgewachsene Männchen. Vergr. 550.

Fig. 44. Drei Zoospermien desselben. Vergr. 550.

Fig. 15. Ein unter Wasserbehandlung etwas verändertes Männchen mit scharf ausgezeichneter Hodenblase. Vergr. 550.

Fig. 16. Ein junger Embryo von indifferentem Geschlechte. Vergr. 550.

Fig. 17. Ein weiblicher Embryo. Vergr. 550.

Fig. 48. Ein in einem Stücke des Plasmodiumschlauches (p) eingeschlossener männlicher Embryo. Vergr. 550.

Die Fig. 4—48 beziehen sich auf Rhopalura Intoshii, die nächstfolgenden auf Rhopalura Giardii.

Fig. 19. Ein sagittaler Schnitt durch eine mit Orthonectiden behaftete Amphiura. Vergr. Oc. 4 + Syst. 2 von HARTNACK.

Fig. Fig.

Vergr. 400.

Fig. Fig. Fig. selbe Vergr. Fig.

27. 28. 29.

30.

Vergr. 550.

Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig.

31. 32. 33. 34, 35.

36

Untersuchungen über Orthoneetiden. 303

. Ein isolirter Plasmodiumschlauch mit aufgerissenem Halse.

Drei auf einander folgende Zustände eines und desselben Plasmodium- schlauches. Vergr. Oc. 3 + Syst. 5.

. Ein noch nicht ganz ausgewachsenes Weibchen. Vergr. 400. . Die älteste von mir gesehene weibliche Larvenform. Vergr. 350. 26.

Die Anordnung der Epidermiszellen eines älteren weiblichen Embryo.

Mehrere Eizellen. Vergr. 550. Ein fertiges Männchen. Vergr. 350. Ein anderes Männchen mit einer anderen Haltung der Wimpern. Die-

Ein Männchen mit schiefen Ektodermzellen des dritten Segmentes.

Ein anderes Männchen im optischen Längsschnitte. Vergr. 550. Zwei Zoospermien desselben. Vergr. 550.

Ein Ei aus dem männlichen Plasmodiumschlauche. Vergr. 550. Ein in zwei getheiltes Ei. Vergr. 550.

Ein vierzelliges Stadium. Vergr. 550.

\ Zwei Embryonen mit je fünf Blastomeren. Vergr. 400.

38. 39. 40. 4. 42.

Ein vierzehnzelliger Embryo. Vergr. 550.

Derselbe von der anderen Seite gesehen. Vergr. 550.

Ein ähnliches Embryonalstadium von oben gesehen. Vergr. 550. Dasselbe von unten gesehen. Vergr. 550.

Ein weiteres Embryonalstadium bei der Betrachtung von der Ober-

fläche. Vergr. 550. Fig. 43. Derselbe Embryo im optischen Längsschnitte. Vergr. 550. 9, Genital-

zellen.

Fig. 44. Ein noch älterer männlicher Embryo. Vergr. 550. Fig. 45. Ein ähnliches Stadium im optischen Längsschnitte. Das Ektoderm nicht ausgezeichnet. Vergr. 550. g, Genitalzellen. Fig. 46. Ein männlicher Embryo, an welchem bereits die zwei vorderen Seg- mente von den vier hinteren durch eine scharfe Trennungslinie abgesondert erscheint. Vergr. 550.

Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig.

47. 48. 49. 50. 51. 52.

Ein alter männlicher Embryo. Vergr. 550.

Derselbe im optischen Längsschnitte. Vergr. 550.

Ein Ei des weiblichen Plasmodiumschlauches, Vergr. 400.

Ein Embryo mit etwa sechzehn Zellen. Vergr. 400.

Derselbe im optischen Durchschnitte. Vergr. 400.

Ein etwas weiter entwickeltes Stadium mit eigenthümlich gewundenen

_ Zellen. Vergr. 400.

Fig. 53. Eine weibliche Blastula. Vergr. 550.

Fig. 54. Ein weiblicher Embryo mit den ersten fünf Genitalzellen. Vergr. 400. Fig. 55. Ein weiter entwickeltes weibliches Embryonalstadium. Vergr. 550.

Beiträge zur Kenntnis der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera und des centralen, peripherischen und sympathischen Nerven- systems der Raupen.

Von

Jos. Th. Cattie,

‘Phil. nat. Cand. Docent der Zoologie und Botanik an der Realschule zu Arnheim (Holland).

Mit Tafel XVI.

Im Laufe des Herbstes des vorigen Jahres fing ich zufällig einige Exemplare von Acherontia atropos. Diese Objekte schienen mir ihrer Größe wegen gut geeignet das Nervensystem der Lepidoptera zu studiren. Beim Studium des abdominalen Nervenstranges fiel mir natürlich das sogenannte Bauchgefäß von Leyvie auf. Ich erinnerte mich, dass D. Burger unter Levpie’s Leitung dieses Bauchgefäß einer näheren Prüfung unterworfen hatte und die Resultate im Niederl. Archiv für Zool. II. 2. Heft niedergelegt waren. -

Nach Durchlesung dieser Abhandlung beschäftigte ich mich ein- gehender mit dem Nervensystem dieses Schmetterlings. Zu gleicher Zeit aber wurde das sympathische und centrale Nervensystem der Raupen von Acherontia, Sphinx ligustri, Cossus ligniperda und Harpyia vinula in den Kreis meiner Untersuchungen gezogen. Ob- gleich es mir nicht thunlich war, mehrere Raupenarten zu untersuchen, glaube ich doch schließen zu dürfen, dass die von mir gefundenen ana- tomischen Verhältnisse auch für die übrigen verwandten Species gültig sind. Weil ich zudem bei Acherontia atropos kein paariges System des Nervus vagus und kein Ganglion in der Magengegend und auch im Betreff der Struktur des Bauchgefäßes Abweichendes von Levpıs und Burger fand, glaube ich mich berechtigt meine Untersuchungen in Kürze zu veröffentlichen.

Beitr, z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera n. d. Nervensyst. d. Raupen. 305

I. Das Bauchgefäß und sympathische Nervensystem von Acherontia atropos.

Aus dem Ganglion supra-oesophagale entspringen die zwei Fühler- äste, die Nervi optiei, nebst den Ästen für die drei Ocelli und die zwei Wurzeln für das Stirnganglion; aus dem Ganglion infra-oesophagale die drei Nervenpaare für die Mundtheile.

Das erste Bauchganglion ist vom Ganglion infra-oesophagale 7 mm entfernt. Die Kommissuren sind doppelt. Dieses Ganglion lässt zwei Paar Nerven abtreten; das erste vordere Paar verzweigt sich in mehrere Äste (vier bis sechs); das zweite hintere in zwei Äste (Fig. 4). Einer dieser Äste innervirt das erste Fußpaar.

Das zweite Bauchganglion ist vom ersten 4 mm entfernt und mit diesem durch zwei in Bogen verlaufende Kommissuren verbunden. Aus diesem Ganglion (2) entspringen: ein dicker Nerv, der sich rasch gabelförmig theilt (f.f Flügeläste), zwei Nervenpaare (p5, p;) für die Beine, nebst einigen kleineren Ästen.

5 mm von diesem Metathorakalganglion entfernt, sieht man aus den Kommissuren (bei k) ein Paar dicke und etwas weiter zwei Paar feine Nervenäste abtreten. An dieser Stelle (k) beginnt das sogenannte Bauch- gefäß, das ich künftighin, mit Burger, Chorda supraspinalis oder kurzweg Ghorda nennen werde. 15 mm vom Metathorakalgan- glion findet sich das erste Abdominalganglion. Ungefähr in der Mitte zwischen diesen beiden Ganglien verbreitert sich die Ghorda über eine kleine Strecke um weiter in gleichmäßiger Breite bis zum letzten Gan- glion abdominale zu verlaufen.

Die Entfernungen zwischen je zwei dieser Ganglien sind nicht gleich groß, wie dies Lton Durour! sehr bestimmt von allen Lepidopteren sagt, denn sie betragen:

Vom ersten Abdominalganglion zum zweiten 6 mm, » zweiten ) » » dritten 4 mm, » dritten » » » vierten 5,5 mm. Das letzte Ganglion ist viel größer als die vorigen. Links und rechts

lässt es zwei Nerven abtreten, während aus dem hinteren Theile drei

Nervenstämme entspringen, welche noch eine Strecke von der Chorda bekleidet werden. Oberhalb des Ganglions verschwinden die oberen Lamellen oder Hörner der CGhorda (Fig. 3), und die Muskeln inseriren an der lateralen Fläche der äußeren Nerven, wie auch Burger hervorhebt.

1 L£on Durour, Apergu anatomique sur les Insectes lepidopteres. Comptes rendus. 1852. p. 749.

306 Jos. Th. Cattie,

Übrigens bildet die Chorda an den vier Ganglien nur einen schmalen und lateralen Saum, welcher sich jedoch zwischen zwei Ganglien verdickt.

Um die Gestalt der Chorda und ihre Verbindung mit dem Bauch- strang kennen zu lernen, habe ich einen Theil der Chorda vor dem ersten Abdominalganglion in 4 °/, Osmiumsäure gehärtet, nachher mit Alkohol abgespült, einige Augenblicke mit Terpentin behandelt und in Paraffin eingebettet. Mit einem SCHIEFFERDECKER' schen Mikrotom erhielt ich Schnitte von 0,05 mm Dicke und weniger. Fig. 2 und 2a zeigen, dass die Form eine andere ist als die, welche Bureer! von Smerinthus populi und Leypie? von Sphinx convolvuli abgebildet haben. Ganz die gleichen Figuren erhielt ich, wenn ich mit Alkohol gradatim härtete und nachher in Paraffin einbettete. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat die Einbettung in heißes Paraffin eine Quellung des Bindegewebes verursacht, und er- klärt sich hierdurch die pilzförmige, von dem optischen Durchschnitt (Fig. 3) abweichende Gestalt der gehärteten Schnitte.

Aus meinen Durchschnitten, sowohl aus denjenigen, welche mit Osmiumsäure gehärtet, als aus denen, welche mit Alkohol behandelt und nachher mit ammoniakalischem Karmin tingirt sind, geht hervor, dass die Chorda in direktem Zusammenhang steht mit dem äußeren Neuri- lemm des Bauchmarkes und dieses in die Chorda allmählich übergeht. Die Randschicht b’b’, in Fig. 2 und 2a im Umrisse mit der Camera lucida (Obj. D, Oc. I Zeıss) gezeichnet, ist dieselbe wie die äußere Schicht, welche das innere oder eigentliche Neurilemm umsiebt.

Wie bereits oben erwähnt, geht die Chorda am letzten Abdominal- ganglion in das äußere Neurilemm der drei abtretenden Nerven über, was auch für diese Behauptung spricht.

Um jedoch Gewissheit über die Struktur des Bindegewebes der Chorda und dadurch über ihren Zusammenhang mit dem äußeren Neuri- lemm zuerlangen, hahe ich Theile der Chorda und derRandschicht, welche das innere Neurilemm umgiebt, mit Nadeln zerzupft, und zuerst mit Karmin allein, nachher mit Karmin und Essigsäure behandelt. Die Präparate mit Essigsäure und Karmin gaben (Imm. K Zeıss, Oc. I) ein Bindegewebe, welches sowohl für das äußere Neurilemm als für die Chorda das gleiche war (Fig. 4). Mit der Camera lucida unter veränderlicher Focusein- stellung gezeichnet erhielt ich für Acherontia ein dicht verzweigtes Netz von Bindesubstanz mit runden, ovalen und sternförmigen Zellen. Da das Gewebe stark mit Karmin tingirt wurde, waren die Nuclei ganz deutlich, eben so die noch dunkleren Nucleoli sichtbar. Die Zellensub-

1 Niederl. Archiv für Zool. III. 2. Heft. Taf. VI, Fig. A. 2 Leypis, Tafeln zur vergl. Anatomie. Taf. VI, Fig. A.

F _ Beitr. z, Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 307

stanz war blassroth tingirt. Dadurch aber waren die weißen Vacuolen sehr scharf gesondert. Dieses dicht verzweigte Balkennetz halte ich da- her für verzweigte und mit ihren Ausläufern zusammenhängende Zellen, so dass wir demnach dieses Bindegewebe als gallertiges! und nicht als zellig-blasiges aufzufassen hätten. Burger? deutet, eben so wie Leypıe, dieses Bindegewebe als zellig-blasiges und die durchsichtigen Vacuolen als Zellen mit wandständigen Kernen; er fand nur beiMicro- lepidoptera gallertiges Bindegewebe und fügt hinzu, dass man in vielen Fällen nicht ins Reine kommt, und mit LzuckArr nur ein undeui- liches faseriges Gefüge bemerkt, dessen eigentliche Struktur sich nicht nachweisen lässt. Wirklich ist die Untersuchung des histologischen Baues eine sehr schwierige; nur nach mannigfachen Versuchen und wiederholtem Einlegen in Karmin gelang es mir über die Struktur des Gewebes ins Klare zu kommen. Versuche mit anderen Tinktionsmetho- den bewährten sich mir nicht.

Ich möchte auf einen Unterschied zwischen den gehärteten (Fig. 2 und 2a) und den optischen Durchschnitten (Fig. 3) die Aufmerksamkeit lenken. Während bei den ersteren neben den Kommissuren (f.f) noch je ein Nervenstrang (h) anwesend scheint, oder die Kommissuren selbst getheilt scheinen, ist mir bei sorgfältigen, zahlreichen Untersuchungen dergleichen an optischen Durchschnitten nie aufgefallen. Ob wir hier nit einem Artefakt in Folge der Härtung zu ihun haben, lasse ich unent- schieden.

Wie bekannt ist, entspringen von der oberen Fläche der Chorda lateralwärts Muskeln, welche nach starker Theilung parallel verlaufend, in regelmäßiger Entfernung sich an der Bauchwand inseriren. Neben diesen querverlaufenden Muskeln habe ich Längsmuskeln, wie sie Burger ® bei einem Exemplar von Spilosoma menthastri gefunden hat, nicht beobachtet. Wie bereits erwähnt, waren am letzten Abdomi- nalganglion noch Muskeln geheftet, an der Fortsetzung der Chorda als äußeres Neurilemm der drei abtretenden Nerven, was auch Leypıg* bei Sphinx convolvuli, und Burger? bei Smerinthus ocellatus und populi und bei Deilephila Elpenor gesehen haben.

Lyonet5 beschreibt unter dem Namen »brides epinieres« bei der

Raupe von Gossus ligniperda den Nervus sympathicus und wie er

sich von Ganglion zu Ganglion in Nervi transversi gabelförmig theilt.

1 Levpıe, Vom Bau des thierischen Körpers p. 29 sqq. und Histologie p. 24. Frey, Handbuch der Histologie und Histochemie. 5. Aufl. p. 203.

2 BURGER, 1, c. p. 107 u. 108. 3 BURGER, 1. c. p. 105 u. 106.

* Leypis, Vom Bau u. S. w. p. 212.

5 LyoneEr, Traite anat. de la chenille qui ronge le bois de saule. p. 204 sqq.

308 Jos. Th. Cattie,

Neweorr und Leypıg wiesen derartige Nervi transversi bei Lepi- dopteren, Goleopteren, Orthopteren, Hymenopteren und Neuropteren nach. Eben so fand letztgenannter Forscher sie bei Krebsen, Oniscus, Porcellio, Asellus, Armadillo u. s. w. Leyvig ! (und auch Burger 2) lässt diesen medianen Nerv von einer der beiden Kommissuren entspringen. Genaue Untersuchung zeigte mir, dass dieser mediane Nerv (Nervus sympathicus) nicht aus einer der Kommissuren, sondern aus dem vorhergehenden Ganglion entspringt. Es ist nicht leicht darüber zur Gewissheit zu gelangen, da der Nerv fein ist und überdies das Gewebe der Chorda die Untersuchung sehr erschwert. Doch glaubeich die Verbindung des medianen Nervenmit dem Ganglion festgestellt zuhabenundfandalsBestäti- gung bei den untersuchten Raupen dasselbe Verhältnis, worüber später.

Bekanntlich gehört zum sympathischen Nervensystem außer dem Nervus sympathicus (im engeren Sinne) noch der sogenannte unpaare Schlundnerv mit den paarigen Schlundnerven (Vagussystem). Auch bei Acherontia atropos entspringt der unpaare Schlundnerv mit zwei Wurzeln an der Vorderfläche des Ganglions supra-oesophagale. Die zwei Wurzeln bilden das auf dem Schlund liegende Ganglion frontale, aus welchem der unpaare Nerv (Nervus recurrens) dem Oesophagus ent- lang eine Unmasse feiner Nerven in die Muskelhaut des Schlundes sendet. Diese feinen Nerven bilden zusammen viele Geflechte, besser ein großes Geflecht, welches den Schlund von oben nach unten umhüllt. Dort, wo sich diese Nervenäste theilen, beobachtete ich manchmal gangliöse An- schwellungen, welche auch Lrynıg ® unter dem Namen »kleine gangliöse Knotenpunkte« beschreibt. Wenn nun aber Leypie weiter sagt: »zu einem großen Ganglion schwillt der Stammnerv selbst wieder an, wenn er die Magengegend erreicht hat«*, so trifft dies für Acherontia wenigstens nicht zu. Der Nervus recurrens theilt sich bei ihr, wenn er den Magen erreicht hat, gabelförmig, um weiter den Magen zu umspinnen5. In den Dünndarm konnte ich den Verlauf der Nerven nicht verfolgen.

Über den feineren Bau des Stirnganglions sagt Leynig ®, » dass es im Gegensatz zu den Ganglien des paarigen Abschnities des Mundmagen- nerven centrale Punktsubstanz besitzt«. Wenn man die Ganglien des Bauchmarkes mit Karmin tingirt, wird die centrale Punktsubstanz weniger imprägnirt als die Ganglienzellen, so dass sie als helle Partie

1 Leyoie, Taf. z. vergl. Anat. Taf. VI, Fig. 3. 2 BURGER, 1. c. p. 424.

3, 4 Leypie, Vom Bau u. Ss. w. p. 202.

5 Der Magen hat eine eigenthümliche Gestalt und besitzt zwei blindsackartige Ausstülpungen. Fig. 7 u. 8. 6 Leynıc, Vom Bau u. S. w. pP. 202.

f Beitr. z. Kenntn. d. Ohorda supra-spinalis d, Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 309 sich leicht sichtbar abhebt. Ich habe nun das Stirnganglion von Ache- rontia (und auch der untersuchten Raupenarten) nach der gleichen Methode tingirt und präparirt und konnte auch nach sorgfältiger Isolirung des Inhaltes keine centrale Punktsubsianz finden, so dass ich diesen Unterschied bezweifle.

Allgemein ! findet man als zum unpaaren Nerven gehörend ein paariges System beschrieben, das mit dem Nervus recurrens und seinen Ästen und Verzweigungen plexusartige Verbindungen eingeht. Bei Acherontia atropos fehltjedoch das paarige System und besteht das Vagussystem nuraus dem Nervus recurrens.

I. Beobachtungen und Untersuchungen über das centrale, periphe- rische und sympathische Nervensystem von einigen Raupenarten (Acherontia atropos, Sphinx ligustri, Harpyia vinula und Cossus lingniperda).

Bei Acherontia besteht der Nervenstrang außer dem Ganglion supra- und infra-oesophagale aus zwölf Ganglien, wovon die beiden letz- ten ohne Kommissuren auf einander gedrängt sind.

Das Ganglion supra-oesophagale besteht, von oben gesehen, aus zwei Kugelquadranien, welche neben einander liegen. Bei Karmin- tinktion zeigt sich jede Hälfte wieder aus zwei kugelförmigen Körpern zusammengesetzt, welche sich von der heller bleibenden Umgebung ab- heben. Diese Körper bestehen, wie mir genauere Untersuchung bewies, aus central gelegenen Ganglienzellen.

Das Ganglion supra-oesophagale ist mit dem Ganglion infra-oesopha- gale durch eine Kommissur verbunden. Aus ihm entspringt (Fig. 9) die bekannte, den Oesophagus ringförmig umfassende Kommissur (’anneau cerveux von Lyoxer?, welche feine Ästchen abgiebt, deren Zahl, selbst bei der gleichen Species, wie auch mir scheint, nicht konstant ist. Nur bei Sphinx ligustri fand ich diese Ästehen nicht. Newport 3 scheint jedoch einige wenige gefunden zu haben.

Weiter entspringen aus dem Ganglion supra-oesophagale die zwei Wurzeln des Stirnganglions, des Ausgangspunktes des Nervus recurrens (ZI, II); ein drittes Nervenpaar (III) verzweigt sich in den Muskeln des Kopfes und der Mandibeln, ein anderes (V/), das anliegend am fünften Paare (V) entsteht, innervirt die lateralen Integumentmuskeln des Kopfes.

1 GEGENBAUR, Vergl. Anat. 2. Aufl. p. 274. Craus, Grundz. der Zool. Dritte Aufl. p. 618. Bronn, Klassen u. Ordn. d. Thierreichs, fortgesetzt von GERSTÄCKER. V. A. Abth. Erste Hälfte. p. 73. 2 LyoneEr, Traite anat. etc. p. 576. | 3 NEWPORT, On the nervous System ofthe Sphinx. (Phil. Transact. 1832. p. 385.)

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310 Jos. Th. Cattie,

Die Nervenpaare für die Antennae (IV) und für die Augen (V) entspringen aus der vorderen lateralen Seite des Ganglions. Bei den Antennalnerven fand ich in einem Ast eine gangliöse Anschwellung, welche ich für ein wahres Ganglion halten möchte. Welche physiologische Deutung dieses Ganglion hat, ist mir unbekannt geblieben.

Bei Acherontia und den übrigen entspringt -aus der hinteren lateralen Seite ein letztes Nervenpaar. Jeder dieser Nerven spaltet sich gabelförmig und jeder Ast bildet ein kleines Ganglion (Fig. 1 gg). Beide Ganglien verbinden sich plexusartig mit einander und lassen Nerven für die Tracheen des Kopfes abtreten.

Diese lateralen Kopfganglien »petits ganglions de la töte« von Lyoxer ! haben nach Nrwrorr ? Verbindungsäste mit dem Nerven- paare für die Antennae. Weder bei Acherontia noch bei Sphinx ligustri fand ich jedoch diese Verbindungsäste. Auch bei Cossus und Harpyia waren sie abwesend. Lyoner beschreibt sie auch nicht und scheint sie desshalb auch nicht gefunden zu haben. Ich bezweifle daher die Angabe von Newrorrt, dass diese lateralen Ganglien mit dem Antennalnervenpaare in Verbindung stehen. Aus dem Ganglion infra- oesophagale entspringt lateral ein Nervenpaar für die Kopf- und Nacken- muskeln (7,1). An der vorderen Seite finden wir zwei Nerven (2, 2), welche sich in der Unterlippe und der Spinnwarze verzweigen. Zwei andere Nerven (3, 5) innerviren die Maxillae der Raupe »grosbarbil- lons« von Lyoner). Das Nervenpaar für die Mandibulae (4,4) theilt sich in zwei Äste. Der mehr lateral gelegene Nervenast (4,,4,) vertheilt sich in die Mandibulae, das andere Nervenpaar verbindet sich bogenför- mig (49, 4) und giebt noch einige Äste ab, welche sich in der Gegend der Spinndrüse verzweigen, vielleicht auch in Verbindung treten mit Ästchen aus dem Stirnganglion.

Bekanntlich atrophiren nachher die Mandibulae, dagegen ist die Rollzunge oder der Rüssel der Lepidoptera den Maxillae homolog. Damit stimmt auch, dass die Nervenästchen für die rudimentären Ober- kiefer des Imago sehr fein, die Nerven jedoch für den Rüssel bei dem Imago ziemlich stark sind.

Das erste Bauchganglion ist vom Ganglion infra-oesophagale 1,5 mm entfernt. Dieses Ganglion entsendet ein Nervenpaar in die Muskeln des Kopfes und ein anderes in das erste Beinpaar und in die benachbarten Tracheen. Einzelne Fäden wechseln Äste mit den lateralen Ganglien aus. Das zweite Bauchganglion hat eine Entfernung vom ersten von 4 mm. Zwei Kommissuren entspringen aus diesem Ganglion. Ungefähr

1 LyoNET, l. c. p. 582. 2 NEWPORT, 1832. 1. c. p. 387: »anterior lateral ganglia«.

Beitr. z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 311

1,5 mm laufen sie parallel (Fig. 11), dann bogenförmig aus einander weichend nach dem zweiten Ganglion. Auch hier bei den Raupen ent- springt, wie bei den Schmetterlingen, der mediane Nerv aus dem Gan- glion und nicht, wie bisher angenommen, aus einer der Kommissuren, ein Verhalten, das namentlich bei Tinktion deutlich hervortritt (siehe p- 308).

Dieser mediane Nervtheilt sich (Fig. I1) etwasvonder Stelle, wo die Kommissuren bogenförmig aus einander weichen, in drei Äste (a, a, b). Die zwei äußeren laufen den aus einander gespaltenen Kommissuren entlang, und kommen ungefähr in der Mitte der Bogen scheinbar aus den Kommissuren hervor. Newport! lässt diese Stämme bei Sphinx ligustri aus den Kom- missuren entspringen, denn er sagt: »Both the cords between the second (unser erster) and third ganglion produce a single nerv, which is directed backwards and unites at an angle with the first nerv from the third ganglion«. Leyvıc 2 ist überzeugt, dass die Seitennerven der Längskommissuren ihre Fasern immer aus den ober- und unterhalb zunächst folgenden gangliösen Herden, d. h. Knoten des Bauchmarks, beziehen.

Nicht allein bei Acherontia sondern auch bei jeder der anderen Arten, wo die Seitennerven anwesend sind, habe ich mich auf verschie- dene Weisen überzeugt, dass sie aus dem medianen Nerven ent- springen, und daher nicht peripherischer sondern sympathischer Natur sind, wie nachher aus verschiedenen Beziehungen noch näher hervor- gehen wird. Der Bequemlichkeit wegen werden wir künftighin diese Äste die Nervi laterales transversi nennen.

Der mittlere Ast (Fig. 11 b) des medianen Nerven theilt sich gabel- förmig und die Verzweigungen laufen nach den Tracheen. Diese Äste sind die eigentlichen Nervi transversi seu respiratorii seu ac- cessorii transversi.

Jeder der Nervi laterales transversi (Fig. 44 a, a) spaltet sich (Fig. 44 c und d). Die Nerven cc innerviren theilweise die zwei diago- nalen, sich kreuzenden Muskelbündel (Fig. 10 b’5’)3, welche so zwischen

_ den bogenförmigen Kommissuren hindurchtreten, das jedes Bündel _ unter der einen und über der anderen verläuft. Diese Äste cc laufen

jedoch nicht immer symmetrisch. So fand ich z. B. bei Sphinx ligu-

‚stri (Fig. 40) bei dem Ganglion an der einen Seite eine andere Thei-

lung als an der anderen Seite.

1 NEWPORT, 1832. 1. c. p. 387.

2 Leypıc, Vom Bau etc. p. 497.

3 LyonErt, Muscles gastriques obliques. ec, Pl. VII, Fig. A. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 94

312 Jos. Th. Cattie,

Die Nerven dd, worin sich aa getheilt hat, dienen zur Verbindung mit dem zweiten Ganglion und verlaufen dem ersten Nervenpaar ff, das aus diesen Knoten entspringt, entlang, mit ihm durch das Neuri- lemm verbunden. Sie endigen in der fein granulirten Substanz des Ganglions.

Etwas weiter verbinden sich die Nerven ff mit den Ästen cc, und die dadurch entstandenen Nervenstämme (Ah) innerviren nun zusam- men, ihrer gemischten Natur nach, theilweise dorsale, theilweise lateral- querverlaufende Muskeln, aber auch Tracheenstämme. Wir werden später sehen, dass diese Nervenstämme (hh) zu Flügelnerven werden.

Wir sehen aus dem Obigen, dass durch die Nervenäste (dd) der mediane Nerv aus dem ersten Thoracalganglion mit dem zweiten direkt verbunden ist.

Das zweite Ganglion ist vom dritten 7 mm entfernt. Wir finden hier das gleiche Verhalten, wie beim ersten Ganglion. Eine Strecke von 2 mm laufen die Kommissuren aus dem zweiten Ganglion parallel und gehen dann bogenförmig aus einander, um in das dritte Ganglion einzutreten. Auch hier entspringt der mediane Nerv aus dem vorher- gehenden Ganglion und spaltet sich ungefähr 4 mm von diesem Gan- glion in drei Äste, in zwei nach außen gelegene aa, die Nervi laterales transversi, und einen dritten medianen Ast b, welcher sich gabelförmig in die Nervi accessorii theilt. Die Nervi laterales transversi (aa) gehen in derselben Weise wie beim ersten Thorakalganglion eine Verbindung ein mit dem nächstfolgenden Ganglion und mit dem ersten Nervenpaar dieses Ganglions. Auch hier werden die Nervenstämme (hh), entstan- den durch Vereinigung von ff und cc, zu Flügelnerven des Imago.

Da die Nervi laterales transversi die Verbindung des ersten mit dem zweiten und des zweiten mit dem dritten Ganglion darstellen, ist das erste Ganglion mit dem dritten verbunden. Wir werden nachher sehen, welches Gewicht diese Verbindung hat.

Einmal schien es mir, als ob an der Vereinigungsstelle von ce und ff eine kleine gangliöse Anschwellung sei. Starke Vergrößerung und Tinktion zeigte mir jedoch, dass an dieser Stelle eine dreieckige, von Fettzellen angefüllte Lücke, und keine Anhäufung von Ganglienzellen sich befand.

Aus dem dritten Ganglion entspringt ein medianer Nerv, der sich gerade vor dem vierten in die Nervi respiratorii theilt (Fig. 10 mm). Dasselbe gilt auch bei Acherontia von dem vierten, fünften, sechsten, siebenten bis zehnten Ganglion. Vor dem letzten Doppelknoten (77 und 72) finde ich jedoch keine Nervi respiratorii. Diese Ganglien haben nicht gleiche Entfernung. So finde ich:

Beitr. z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 313

Ganglion 3 von Ganglion 4 auf 3 mm entfernt

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Fanden wir oben bei den Thorakalganglien Kommunikation des medianen Nerven durch Seitenäste mit dem nächstfolgenden Ganglion, auch überall, wo der Nerv sich oberhalb eines Abdominal- sanglions gabelförmig spaltet, findet eine Verbindung mit diesem statt. Zwei feine Nervenfädchen (Fig. 12 n’n’) gehen von der Gabelungsstelle nach der centralen Punktsubstanz des folgen- den Ganglions. In den meisten Fällen fand ich diese Fädchen dicht neben einander verlaufend, in einzelnen Fällen wichen sie jedoch stark aus einander. Dass Lyonet, ein Musterbild genauer Beobachtung, diese Verbindung übersehen hat, darf uns nicht wundern, denn nur bei 100facher Vergrößerung (CC Zeıss), sehr hellem Licht und auber- dem starker Tingirung, gelang es mir, aber dann auch bei jeder der untersuchten Arten, diese Verbindung nachzuweisen.

Durch die Verbindung jedes medianen Nerven mit jedem nächst- folgenden Ganglion, wie wir es eben so für einen Thorakalganglion, als für einen Abdominalganglion gefunden haben, kommen wir zu dem höchst wichtigen Resultat, dass nämlich vom ersten bis zum letzten Bauchganglion das sympathische Nervensystem der medianen Nerven ein zusammenhängendes Ganzes darstellt. Die Nervenfädchen (Fig. 12 n’n’) und die Nervi laterales iransversi der Thorakalknoten vermitteln die Kommunikation von sämmtlichen medianen Nerven bis zum letzten.

Vergleichen wir jetzt mit Acherontia das centrale und sym- pathische Nervensystem von Harpyia und der anderen untersuchten Raupenarten. Wie bei Acherontia sind es auch bei Harnyia das erste, zweite und dritte Ganglion, welche durch bogenförmige Kom- ' missuren verbunden sind. Der letzte oder zehnte Knoten ist nicht doppelt; unmittelbar vor diesem, wie vor dem vierten bis neunten, ' verzweigen sich die Nervi respiratorii. Auch hier entstehen, wie oben "beschrieben, aus dem medianen Nerv zwischen erstem und drittem Ganglion die Nervi laterales transversi. Aber außerdem tritt, was ich bei keiner der anderen Raupenarten fand, nach dem Kopfehin aus, dem ersten Ganglion ein medianer Nerv ab, welcher sich an den

21 *

314 | Jos. Th. Cattie,

Tracheenstämmen des Kopfes verzweigt. Nur bei der Puppe von Sphinx ligustri fand Nrwrorr einen solchen Nerven und bildet ihn dann auch ab!. Die Raupe von Sphinx ligustri hat ihn jedoch nicht, wie ich vorher schon andeutete.

Auch bei der Raupe von Gossus ligniperda finden wir eine kleine Abweichung, nämlich keine Nervi laterales transversi, so wie wir sie bei den übrigen Arten fanden, aber doch finden wir Verbin- dungsäste mit dem vorderen Nervenpaare des nächstfolgenden Gan- glions. Lvoner ? hat sie schon beschrieben, aber nicht mit der Bedeutung, welche wir diesen Ästen geben, nämlich als Nerven von sympathischer Art, welche die Verbindung mit dem Ganglion darstellen und in die centrale Punktsubstanz verlaufen.

Wie bekannt ist, innerviren die drei Knoten, welche auf das Ganglion infra-oesophagale folgen, die drei wahren Füße der Raupen, durch das am meisten nach hinten gelegene Nervenpaar (Fig. 10 gg von 1, 2,5). Wie Nxwrorr beschrieben und für die verschiedenen Stadien abgebildet hat, werden bei den Puppen die Flügel und ihre Muskeln innervirt durch Nervenstämme, welche aus dem zweiten und dritten Ganglion entspringen, aber sich vorher mit Nervenstämmen, welche er aus den Kommissuren abtreten lässt, vermischt haben. Nach und nach findet eine Centralisirung der Thorakalganglien der Raupe statt und verschmelzen einige dieser Ganglien. Bei dem Imago von Sphinx ligustri beschreibt nun NrwProrr, dass die Flügelnerven aus den Kommissuren zwischen den beiden Thorakalganglien ? ent- springen. Aus welchen Thorakalganglien der Raupe diese beiden Gan- glien jedoch entstanden sind, geht aus seiner Beschreibung nicht deutlich hervor. Einmal (l. c. p. 394) ist das Metathorakalganglion entstanden aus dem zweiten, dritten und vierten Ganglion der Raupe und beginnt beim fünften Ganglion, welches atrophirt, die Chorda supraspina- lis. An einer anderen Stelle (p. 392 und 394) lässt er das Metathora- kalganglion aus dem dritten, vierten und fünften Ganglion der Raupe entstehen und bildet dieses auch so ab (Pl. XIV, Fig. 8).

Vergleichen wir die Abbildungen, welche Nzwrorr von dem centra- len, peripherischen und sympathischen Nervensystem der Raupe giebt mit denen der Puppe, so sehen wir erstens, wie oben bereits erwähnt, dass er unsere gefundenen Nervi laterales transversi aus den Kommis- suren hervorgehen lässt, und zweitens, dass diese Nervi laterales trans-

1 NEWPORT, 4832. Pl. XII, Fig. 5 und Pl. XIII, Fig. 2.

2 LyoneT, Traite u. s. w. 1. c. p. 202 und Pl. IX, Fig. 4 und 2. Die Äste 2 vor »jedem Ganglion auf den Muskeln aa.

® NEwPoRT, Phil. Transact. 1834. p. 394 u. 392. Pl. XIII, Fig. 6 u. Pl. XIV, Fig. 8,

i Beitr. z. Kenntn. d, Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 315

versi, mit dem ersten Nervenpaar des nächstfolgenden Ganglions zu einem Stamme vereinigt, entsprechend der fortschreitenden Metamor- phose, immer deutlicher bestimmt werden, dereinst ein Flügelpaar zu innerviren.

Nach und nach, während der Metamorphose, - verschmelzen diese Thorakalganglien, und da der Prothorakalknoten des Imago das erste Fußpaar innervirt, muss dieses Ganglion mit dem ersten Ganglion der Raupe homolog sein. Nur mit dem ersten allein, denn aus dem Meta- thorakalganglion entspringen die zwei anderen Fußpaarnerven und die Flügelnerven; überdies einige andere Nerven, so dass wir dieses Gan- glion als aus der Verschmelzung von zwei, drei und vielleicht vier ent- standen ansehen müssen. Denn auf welche Weise die zwei Wurzeln für die Flügelnerven, welche man bei Sphinx ligustri beobachtet, ent- standen sind, hat Nrwrorr weder durch direkte Beobachtungen bei Sphinxligustri, noch durch analoge Schlussfolgerungen nach Beob- achtungen bei Papilio urticae genau festgestellt. Doch geht aus allen seinen Abbildungen hervor, dass immer die Flügelnervenpaare aus den- jenigen Nervenpaaren entstehen, welche sich mit den Nervi laterales transversi verbunden haben. Aus diesem Verhalten, zusammen mit dem von mir gefundenen Ursprung dieser Nerven, dürfen wir also den Schluss ziehen, dass das sympathische Nervensystem in direkter Verbindung steht mit den Tracheen der Flügel.

Wegen Mangel an gut konservirten Puppen von Acherontia, war es mir nicht möglich die verschiedenen Stadien in den Veränderungen des Nervensystems bei Acherontia während der Metamorphose zu beobachten. Es ist mir daher auch unmöglich, etwas über die Gleich- werthigkeit der Thorakalganglien der Raupe und des Imago zu be- haupten.

Wo bei Acherontia.atropos die Ghorda beginnt, fand ich (siehe p-. 305) ein Nervenpaar und ein wenig abwärts noch zwei Paare. Wenn ich das letzte Ganglion des Imago gleichwerthig stelle mit dem Doppel- ganglion der Raupe, so deutet das Nervenpaar, wo die Ghorda beginnt, die Stelle des atrophirten sechsten Ganglion an, während die beiden feinen Nervenpaare auf das siebente, ebenfalls atrophirte Ganglion hin-

_ weisen möchten.

Innervirt bei allen mir bekannten Raupenarten das erste Ganglion das erste Paar wahrer Füße durch das anı meisten nach hinten gelegene Nervenpaar, so fand ich bei Harp yia andere Verhältnisse. Da entspringt an der Ventralseite des ersten Ganglions ein besonderer Nervenstamm, welcher sich gabelförmig theilt und das erste Fußpaar innervirt. Über- dies entspringen aus dem Knoten die gewöhnlichen zwei Nervenpaare.

316 Jos. Th. Oattie,

Das hintere Nervenpaar verbreitet sich jedoch in den longitudinalen Muskeln der Ventralseite.

Noch einen anderen Unterschied habe ich bei der Raupe von Harpyia vinula beobachtet. Wie Lyoxer für die Raupe von Gossus ligniperda beschreibt und abbildet!, laufen die Nervi accessorii seu respiratorii über die Reihen longitudinaler, ventraler-Muskeln hin. Im Allgemeinen gilt dies auch für Sphinx ligustri und Acherontia atropos, obwohl hierbei der Lauf nicht so regelmäßig ist. Beillarpyia vinula jedoch gehen diese Nerven, mit Ausnahme von denen des ersten und zweiten Thorakalganglions unter diesen Muskelbündeln durch.

Gelegentlich füge ich noch das Folgende hinzu. Im Hinterleib von Harpyia liegt eine Fettdrüse, mit zwei Auslührungskanälen, welche in die zwei Anhänge des Hinterleibes ausmünden. Die erste Hälfte des Ausführungskanals ist farblos, und das Gewebe besteht fast ganz aus fetthaltendem Bindegewebe. In der zweiten Hälfte werden die Kanal- wände hier und da stark chitinös und im umgebenden Bindegewebe liegen außer Fettzellen rothe Pigmentzellen eingebettet. Diese rothen Pigmentzellen geben dem Inhalt des Kanales eine rothe Farbe, und es ist diese rothe, fettähnliche Masse, welche die Raupe ausspritzt, um sich gegen Schlupfwespen zu vertheidigen. Auch Harpyia hat, wie Gos- sus, einen Sack, welcher mit einem ölartigen Fluidum gefüllt ist. Mit zwei Öffnungen münden die zwei Säcke bei Gossus in den Mund, während bei Harpyia nur ein Sack vorhanden ist, der, wenn das Thier dorsal geöffnet wird, rechts zwischen dem ersten und zweiten Ganglion gelegen ist. Die zwei Ausführungsgänge haben blinde Ausstülpungen und sind an der Ventralseite zwischen der Unterlippe und dem ersten Fußpaar zu suchen.

Eigenthümlich ist weiter die Abbildung, welche Newrorr von den Nervi accessorii der Raupe von Sphinx ligustri giebt. Aus dem letz- ten Ganglion entspringt bei ihm? auch ein medianer Nerv. Bei den untersuchten Exemplaren von Sphinx ligustri fand ich diesen nie- mals, eben so wenig bei derRaupe von Cossus ligniperda, Harpyia und Acherontia. Auch Lyonsr bildet ihn bei Cossus nicht ab. Bei allen meinen untersuchten Raupenarten wird das letzte Stigma nicht innervirt von den Nervi transversi, sondern von Nervenstämmchen, welche aus dem hinteren Theil des letzten Ganglions entspringen. So bei Acherontia durch einen Nerv aus dem letzten Ganglion, bei Har- pyia durch einen feinen Nerv aus der unteren, hinteren Seite des letzten

! Lyoner, Traite u. S. w. Pl. IX, Fig. 1 und 2. 2 Neweort, 1832. Pl. XII, Fig. 1.

IE 4

Beitr. z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst. d. Raupen. 317

Knoten, bei Gossus auch durch einen Ast des letzten (elften) Ganglion, welches dem zehnten aufgedrängt ist.

Weiter innerviren bei jeder der von mir untersuchten Raupenarten die aus dem ersten und zweiten Thorakalganglion entspringenden Nervi accessorii niemals ein Stigma, sondern nur den Längsstamm, welcher die Stigmata und seine Verästelungen verbindet. Vielleicht ist es mög- lich, die Behauptung zu wagen, dass diese Nervi respiratorii sich bei anderen Raupenarten auch nicht an der Innervirung eines Stigmas be- theiligen. |

Nachfolgende Tabelle kann dies verdeutlichen :

Vonhintengerech-/ Acherontia Haba a Syhinx leustri Cossus net wird das atropos en Pun.o ligniperda

it. Stigmapaar innervirt vom letzten vom letzten vom letzten |von den Nervi Doppelganglion| (44.) Ganglion | (A1.) Ganglion |transversi aus dem 40. Gan- glion undeinem Ast des letzten Ganglions

[897

. Stigmapaar innervirt von den Nervi ebenso ebenso ebenso transversi seu respiratorii, vor dem 10. Gan- glion 3. Stigmapaar innervirt |von den Nervi ebenso ebenso ebenso transversi vor dem 9.Ganglion

u, S. W.

8. Stigmapaar innervirt von den Neırvi ebenso ebenso ebenso transversi vor "dem 4.Ganglion y. Sigmapaar innervirt von Nerven aus|von einem vor-|von Nerven aus ebenso dem. Ganglion| wärts laufen- |dem 1.Ganglion den, medianen Nerv aus dem 4. Ganglion

Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass wirklich die Nervi transversi aus den ersten und zweiten Ganglien sich nicht an der Innervirung der Stigmata betheiligen. Vielleicht ist es nicht ohne Interesse daran zu erinnern, dass die medianen Nerven, aus denen diese Nervi lransversi entspringen, auch die Nervi laterales transversi entsenden, und dass diese dereinst die Tracheenstämme der Flügel innerviren werden.

An der Stelle, wo.der mediane Nerv sich theilt, beschreibt Newrorr

18 | Jos, Th. Oattie,

ein Ganglion, denn er sagi!: »They form occasionaly distinet, but irregularly shaped ganglia«, und bildet sie (Pl. XI, Fig. % e, f, 9, h) ab, mit der Beschreibung » of gangliform appearance «?. Niemals sah ich an diesen Stellen ein Ganglion, und ich stimme Lewie 3 bei, dass hier nie ein Ganglion anwesend ist. Wie aus Fig. 12 erhellt, auch Leypıe an der Raupe vonPygaera bucephala beobachtet hat, und mir an jeder der unter- suchten Raupenarten recht deutlich war, kommt das scheinbare Ganglion dadurch zu Stande, dass sich die beiden Gabeläste nach ihrer Theilung durch einen Zug bogiger Fasern wieder verbinden. »Die Stelle, welche die Ganglienzellen einnehmen sollten, ist eine dreieckige Lücke ‚« sagt Leyvic. Ich füge hinzu, dass diese Lücke in den meisten Fällen mit rundlich fünfeckigen, kleinen Kügelchen aufgefüllt ist, welche keinen Kern haben, sich nicht wie die Ganglienzellen mit Karmin tingiren, sich auch zwischen die Nervenfasern einschieben, sich in Äther lösen, und die ich desswegen als Fettkügelchen anspreche.

An derselben Stelle, wo Nkwrorr diese gangliösen Anschwellungen der medianen Nerven der Thorakalknoten abbildet (Pl. XII, Fig. 4), zeichnet er auch zwei Nervenfäden, welche die gangliöse Anschwellung mit dem folgenden Ganglion verbinden. Übrigens erwähnt er im Texte diese Ver- bindung nicht. Weder bei Sphinx ligustri, noch bei einer anderen untersuchten Raupenart fand ich eine derartige Verbindung. Ich glaube daher nicht an ihre Anwesenheit.

Fassen wir die gefundenen Resultate zusammen, so sehen wir, dass die Chorda noch nicht bei den Raupen anwesend ist, und dass sie bei Acherontia atropos aus gallertigem Bindegewebe besteht ®.

1 NEwPoRT, 1832. p. 394. 2 NEWPORT, 1832. p. 396.

3 Levoıe, Vom Bau u. S. w. p. 272.

* Ich kann nicht umhin, einer Vermuthung Raum zu geben, in welcher ich be- stärkt wurde durch eine briefliche Mittheilung von Herrn Prof. Harrıng. Prof. HArrınG schreibt mir: »Die Ausläufer der Zellen bilden ein Balkennetz, ungefähr wie in den Lymphdrüsen der Vertebrata. Vielleicht ist dies eine Mahnung für die physiologi- sche Bedeutung des Organs, obgleich es immer gefährlich ist, bei solchen abweichen- den Thierformen aus der histologischen Struktur die Funktion zu erschließen.« Oft ist mir derselbe Gedanke gekommen, wenn ich das Lückensystem der Zellen der Chorda verglich mit den Iymphoiden Follikeln des Milzgewebes, den Follikeln der Lymphknoten oder anderer Iymphoider Organe oder Blutgefäßdrüsen des Menschen oder der Vertebrata. Vergebens habe ich mich bemüht in den Lakunen des Gewebes Lymphoidzellen zu finden. Wäre dies geschehen, bestimmt hätte ich mich für reti- kuläre Bindesubstanz ausgesprochen, und im Texte darüber sprechend, auch die physiologische Funktion der Chorda behandelt.

Zur Bestätigung dieser Hypothese kann die Anwesenheit von sonst nicht erklär- ten Muskelbündeln an den oberen Hörnern der Chorda dienen, aber vor Allem, dass

Beitr. z. Kenntn. d. Chorda supra-spinalis d. Lepidoptera u. d. Nervensyst, d. Raupen. 319

Bei Acherontia ist das Vagussystem nur aus dem Stirnganglion und dem Nervus recurrens zusammengesetzt. Ein paariges System, das plexusartige Verbindungen mit dem Nervus recurrens eingeht, und ein großes Ganglion in der Magengegend, sind nicht anwesend.

Bei den untersuchten Raupenarten innerviren die kleinen lateralen sympathischen Ganglien des Kopfes die Tracheen. Sie stehen nie mit den Antennalnerven in Verbindung.

Das sympathische Nervensystem der Raupen ist ein zusammenhängen- des Ganzes. Die medianen Nerven, welche immer aus einem Ganglion entspringen, verbinden sich immer direkt mit dem nächstfolgenden Ganglion.

Bei den Thorakalknoten sind es die Nervi laterales transversi, bei den Abdomimalganglien zwei dünne Nervenfädchen, welche diese Ver- bindung darstellen.

An der Gabelungsstelle des medianen Nerven findet nie Ganglien- bildung statt.

Arnheim, April 1880.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XVI, Fig. 4. Das centrale Nervensystem von Acheronlia atropos. Vergr. 3/1.

9.5.0, Ganglion supra-oesophagale; g.i.o, Ganglion infra-oesophagale ; a, Nerven für die Antennen; 0, Nervi optici; S.g, Slirnganglion: 7, erstes Thorakalganglion mit Nerven für die Muskeln vom Nacken, den Beginn des Thorax und das erste Fußpaar;; 2, zweites Thorakalganglion mit Nerven für die Flügel (/f) und die Füße; 5, 4, 5, 6, Abdominal- ganglien; k, Anfang der Chorda supra-spinalis, an der Stelle wo einige (1 oder 2) Abdominalganglien der Raupe atrophirt sind.

Leypıs * an Exemplaren von Sphinx convolvuli das Vorhandensein eines unter- halb des Bauchmarks f befindlichen Blutsinus entdeckt hat, welcher Fund von BurGer ** bestätigt ist, dem auch ich nach eignen Untersuchungen mich anschließe. Bei Zygaena filipendula sah Burger diesen »infra-spinal Sinus mit einer äußerst feinkörnigen Masse angefüllt, die wohl nichts Anderes als coagulirtes Blut und zersetzte Blutkörperchen sein kann«. Fassen wir dabei ins Auge, dass

Leyoıg *** bei einer eben ausgeschlüpften Aperea Pernyi das Bauchmark in einer

regelmäßig pendelförmigen Bewegung sah, und auch Burgzr *** eine ähnliche Beob- achtung gemacht hat, so kommt es mir nicht unwahrscheinlich vor, dass die Chorda ein Iymphoides Organ ist. Damit sollte denn auch eine unverkennbare Verwandt- schaft angedeutet sein zwischen den infra-spinal Sinus der Juliden und anderer Arthropoden, und den Spinalblutgefäßen der Hirudineen und anderer

"Anneliden.

* Levis, Vom Bau u. Ss. w. p. 214, *%* BURGER, 1. c. p. 114. #27 BURGER, !.c. p. 148.

320 Jos. Th. Gattie, Beiträge zur Kenntnis der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera ete.

Fig. 2. Durchschnitt der Chorda von Acheronlia atrop. 140/4. Mit der Camera lucida gezeichnet. Behandlung mit Osmiumsäure. t, t, t, longitudinal laufende Tracheenstämme; a, Nervus sympathicus; 5,

Fig

Fig suren.

Fig

Fig

Fig Sr

Fig

Fig.

Fig von der

d, e, c, b, äußeres Neurilemm der Chorda; ff, hh, Kommissuren.

. 2a. Bezeichnung wie Fig. 2. .3. Optischer Durchschnitt der Chorda. tt, Tracheenstämme; ff; Kommis-

. 4. Stück der Chorda nach Essigsäure-Karmin-Glycerin-Behandlung. 590/14. . 5. Der Oesophagus mit dem Stirnganglion und Nervus recurrens. 3/4. . 6. Gabelförmige Theilung des Nervus recurrens, nicht unfern des Magens.

. 7. Der Magen von der Seite mit den Gabelästen des Nervus recurrens. 3/4.

8. Der Magen von der Vorderseite. 3/1.

. 9. Ganglion supra- und infra-oesophagale der Raupe von Acherontia atrop. Unterfläche. Theils schematisch. | 9.5.0, Ganglion supra-oesophagale; g.i.o, Ganglion infra-oesophagale; I,

Fig. 10. Raupe von Sphinxligustri. 6/1. A.A, longitudinale, dorsale Muskeln der Segmente (Muscles dorsaux, Lyo-

Fig

0 41. Mm

>

Anneau cerveux; ZI], Wurzeln des Stirnganglions ; I/II, Kopfmuskelner- ven; IV, Antennalnerven; V, Nervi optici; VI, Nerven für das laterale Integument des Kopfes; VII, Nerven für die lateralen sympathischen Kopfganglien; 7, Nerven für die Kopf- und Nacken-Muskeln; 2, Nerven für die Unterlippe und die Spinnwarzen; 5, Maxillarner'ven (Rollzungen- nerven des Imago); 4,4, Ursprung der Mandibularnerven 4;, 4, mit der Kreisverbindung 43, 43.

1—5, Ganglienknoten mit den Nerven der Körpersegmente 2—6 der

ner); a’a’, longitudinale, ventrale Muskeln (Muscles gastriques, LyoNET); b’b', diagonale, ventrale einander kreuzende Muskeln des dritten und vierten Segmentes. Die übrigen diagonalen ventralen Muskeln der anderen Segmente sind weggelassen, eben so die lateralen Muskeln zwischen a’a’ und A’A’. 1, 2,5, 4, 5, die Ganglien; bb, der mittlere Ast des medianen Nerven; cc, Nervi laterales transversi; dd, Verbin- dungsäste mit dem nächstfolgenden Ganglion ; ff, erstes oder vor- deres Nervenpaar; 99, das hintere oder zweite Nervenpaar; hh, ge- mischter Nerv, entstanden aus den Nervi laterales transversi und /f; bestimmt um Flügelnerven zu werden; 8.7, S.8, 8.9, siebentes, achtes, neuntes Stigma.

Drei Thorakalknoten der Raupe von Acherontia atropos. 12/4. medianer Nerv, sich theilend in ‘den Stamm (b) der Nervi accessorii transversi und in die Nervi laterales transversi aa, welche den Kom- missuren entlang laufen, dann scheinbar aus diesen hervortreten und mit dem ersten Nervenpaar /f des nächstfolgenden Ganglion einen Plexus bilden und sich verbinden ; ga ga, Nerven für das erste Fußpaar; 9393, Nerven für das zweite Fußpaar.

Fig. 12. Das sechste Ganglion der Raupe von Acherontia atropos mit Karmin tingirt und mit der Camera lucida gezeichnet. 40/4. Details nach 100/1. b, medianer Nerv, sich theilend in die Nervi transversi nn; b’, medianer

Nerv, nach dem folgenden Ganglion;; ti, Tracheenstämme; n’n’, Ver- bindung des medianen Nerven mit der fein granulirten Punktsubstanz des Ganglienknotens; ff, 99, das vordere und hintere Nervenpaar mit dem äußeren Neurilemm und seine Matrix mit zahlreichen Kernen; cc, Kommissuren mit ihrem äußeren Neurilemm und Matrix ; gz, die peripherischen Ganglienzellen des Knotens; gg, Querkommissuren der Punktsubstanz.

En

Über die Paarung und Fortpflanzung der Scyllium-Arten.

Von

Dr. Heinr. Bolau,

Direktor des Zoologischen Gartens in Hamburg.

Am 2%. August dieses Jahres starb ein im hiesigen Aquarium seit dem 2. Oktober 1875, also seit fast fünf Jahren gehaltener männlicher Hundshai, Seyllium caniculaL. (Sc. catulus Guv. nach Mürter und Hente). Die Untersuchung der Geschlechtstheile dieses Thieres gab mir eine willkommene Gelegenheit, meine früheren Beobachtungen ! über die Paarung der Scyllium-Arten zu ergänzen und klar zu stellen.

Was die Paarung selbst anlangt, so ist sie in unserm Aquarium einige Male am Katzenhai, Sc. catulusL. (Sc. canicula Guv. nach MüLLer und HEntE), gesehen worden, zwei Mal habe ich sie selber beobachtet. Einer unserer Angestellten will bemerkt haben, dass das Männchen schon am Tage vor der Begattung sich in der Nähe des Weibchens aufhielt und dasselbe verfolgte. In welcher Weise das letztere erfasst wird, wurde nicht beobachtet. Während der Begattung wird es vom Männchen auf eine höchst eigenthümliche Weise umfasst gehalten (Fig. I auf folgender Seite}; dieses schlingt sich quer um das Weibchen herum in der Weise, dass der Schwanztheil des Männchens sich von der rechten Seite des Weih- chens her über den Rücken desselben hinwegkrümmt, während von der linken Seite des Weibchens der Vordertheil des Männchens sich nach oben

und etwas von hinten in der Weise um das Weibchen schlingt, dass der

Kopf des Männchens über seinen Schwanztheil weg zu liegen kommt. Der umstehende Holzschnitt ist nach ein paar Skizzen, die ich von dieser seltsamen Verschlingung aufnahm, ausgeführt worden. Dabei führt das Männchen einen der von Perrı2 als Pterygopodien ! »Kleine Mittheilungen aus dem Aquarium des Zool. Gartens in Hamburg« in

» Verhandl. des naturw. Ver. v. Hamburg-Altona.« Neue Folge. ill, 1878. 2 Diese Zeitchrift. Bd. XXX. p. 296.

322 Heinr. Bolau,

bezeichneten Anhänge der Bauchflossen in die weibliche Geschlechts- öffnung ein. Im ersten von mir beobachteten Fall, am 18. Februar 1878, habe ich nicht bemerkt, welches der beiden Pterygopodien funktionirte. Am 8. März 1879, wo die Umschlingung der beiden Thiere in ganz gleicher Weise erfolgte, war das rechte Pterygopodium in Thätigkeit ge- wesen. Unmittelbar nach dem Coitus, wo ich den Fisch aus dem Wasser nehmen ließ, war dasselbe stark geschwollen, während das linke seine

Fig. 1.

normale Größe behalten hatte. Eine genaue Untersuchung des fraglichen Gliedes konnte ich ohne Gefährdung des Thieres nicht vornehmen. Der Holzschnitt Fig. 2 giebt daher nur ein ungefähres Bild desselben im eri-

girten Zustande. Ob in dem Falle, wo das linke Pterygo-

Kal er podium in Thätigkeit kommt, das Weibchen

von der andern Seite her vom Männchen Be umschlungen wird, d. h. so, dass der Kopf des Männchens sich von der rechten Seite

Fig. 2. um das Weibchen legt, der Schwanz aber von links, werden weitere Beobachtungen lehren müssen. In beiden Fällen dauerte der Goitus etwa 20 Minuten ;

ich selbst beobachtete ihn im ersten Fall die letzten 121/, Minuten, kam aber erst dazu, als die Thiere bereits etwa 10 Minuten zusammengehangen hatten. Im zweiten Fall beobachtete ich 15 Minuten; der Coitus hatte dieses Mal eiwa 5 Minuten gedauert, als.ich gerufen wurde. Während der Begattung athmete das Männchen Anfangs langsamer, dann schneller, zuletzt 56 Mal in der Minute, während es in ruhigem Zustande nur 38 Athemzüge in der Minute macht.

Mit meinen Beobachtungen stimmt sehr schlecht was ScumiprLein !

! »Beobachtungen über die Lebensweise einiger Seethiere in den Aquarien der Zool. Stat. in Neapel« in »Mitth. aus d. Zool. Stat. in Neapel«. 4878. I. p. 2.

Über die Paarung und Fortpflanzung der Seyllinm-Arten. 393

über die Begattung der Scyllien sagt: »Die Paarung der Scyllien gleicht, wie bei Octopus, mehr einem Kampfe, als einem Liebesspiel. Das Weib- chen wird vom Männchen mit den Zähnen an der Brusiflosse ergriffen und nun rollen und balgen sie sich auf dem Sande herum, wie in er- bittertem Zweikampf. Nach erfolgter Begattung, die in den beobachteten Fällen ungefähr 40—15 Sekunden dauerte, wurde ein ferneres Zusam- menhalten der Geschlechter nicht bemerkt«.

Ich habe von einem »rollen und balgen « nichts gesehen; die Thiere lagen vielmehr während der Paarung still an einer und derselben Stelle, und nur beim Männchen bemerkte ich, offenbar im Zustande der höch- sten Erregung, schwache, den ganzen Körper ergreifende Zuckungen. Nach dem Coitus legte sich das Männchen still auf den Sand, während das Weibchen einige Zeit lebhafı umherschwamm. Überdies dauerte die Paarung, mehr Minuten, als Scumiprzein Sekunden für dieselbe an- giebt. Es scheint mir, dass das von ihm Beobachtete nichts, als ein (Liebes?-) Spiel der Thiere mit einander gewesen ist.

Die Art der Übertragung der männlichen Samenflüssigkeit ist mir erst durch meine oben erwähnte neuere Untersuchung der männlichen Geschlechtstheile von Scyllium canicula klar geworden.

Das, was ich fand, stimmt vortrefflich mit der Beschreibung, die Perrı, l. c., von den männlichen Geschlechtstheilen von Seyllium giebt.

Ich stelle mir den ganzen Vorgang in folgender Weise vor: Beim Einschieben des Pterygopodiums in die Kloake wird die zum Theil rauhe Oberfläche desselben durch das Sekret der Glandula pterygopodii einge- salbt und schlüpfrig gemacht. Wahrscheinlich findet in diesem Augen- blick oder kurz vorher eine stärkere Absonderung dieses Sekretes statt und wird dasselbe durch die von Prrrı! beschriebene quergestreifte Muskulatur aus der Drüse hervorgetrieben. Wenn das Pterygopodium vollständig in die Kloake des Weibchens hineingeschoben ist, liegen die Kloakenmündungen beider Thiere unmittelbar an einander und der Samenerguss kann ganz direkt in die durch das Pterygopodium er- weiterte weibliche Kloake erfolgen. Ob dabei die an der innern Seite des Pterygopodiums liegende Rinne mit funktionirt, kann ich nicht sagen. Darnach hätten wir es also bei der Paarung der Scyllien mit einer direk-

_ ten Übertragung der Samenflüssigkeit von Kloake zu Kloake zu thun

und das Pterygopodium wäre nichts, als ein Organ, das, indem es in die weibliche Kloake eingeschoben wird, zunächst die Lage der männlichen und weiblichen Kloake zu einander fixirt und außerdem auch durch Er-

. weiterung der letzteren die Aufnahme der Samenflüssigkeit in sie er-

leichtert. 1], ce 337.

324 | Heinr. Bolau,

Da sowohl im Jahre 1878, wie 1879 zwei weibliche Katzenhaie in einem und demselben Behälter zusammen lebten, so habe ich nicht fest- stellen können, wie bald nach erfolgtem Coitus die Ablage der Eier be- gann, auch nicht, wie groß die Zahl der von einem Thier gelegten Eier ist. Im Jahre 1878 legten die beiden Weibchen zusammen im Ganzen 42 Bier, im Jahre 1879 sind trotz mindestens zwei Mal erfolgter Paarüng keine Eier gelegt worden. Es scheint demnach, was auch im Berliner Aquarium beobachtet wurde, dass ein mehrjähriger Aufenthalt im Aqua- rum ungünstig auf die Generationsorgane der Haie wirke.

Die Katzenhai-Eier sind bekamntlich durchscheinend und lassen da- her die allmähliche Entwicklung und die Bewegungen des Embryo von außen deutlich erkennen. Die Hundshai-Eier sind zwar viel größer 11 cm lang und 4,1 cm breit, während die Katzenhai-Eier nur 5,5 bis 6,0 cm zu 2,2—2,4 cm messen sie würden sich zur Beobachtung der Entwicklung der Jungen also noch besser eignen, haben aber leider eine so dicke Pergamenthaut, dass vom Embryo im Innern wenig zu sehen ist.

In den Besitz von 40 Eiern vom Hundshai, Seyllium canicula L., und 8 Eiern vom Katzenhai, Seyllium catulus L., kam unser Aquarium am 12. April 1877 durch Tausch mit dem Aquarium in Brighton. Außer- dem hatte im selben Jahre am 1. August einer unserer Katzenhaie ein Ei gelegt. Von den Hundshai-Eiern ging die Hälfte zu Grunde; aus den übrigen schlüpfte das erste Junge am 3. December 1877; die übrigen drei folgten am 1., 4. und 17. Januar 1878. Die Entwicklung bei uns dauerte demnach resp. 235, 264, 267 und 280 Tage. Von den 8 Katzenhai-Eiern aus Brighton schlüpften nach und nach 7 Stück in dem Zeitraum vom 19. August bis 16. Oktober, also nach 199—187 Tagen aus; eins ging zu Grunde. Da die Embryonen zur Zeit, als wir die Eier erhielten, in einigen derselben schon deutlich zu erkennen waren, so ist die Zeit ihrer Entwicklung im Ei zum Theil beträchtlich länger, als die oben ange- führten Zahlen angeben. Aus dem bei uns gelegten Ei schlüpfte das Junge nach 180 Tagen aus.

Von den oben erwähnten im Jahre 1878 bei uns gelegten 42 Eiern vom Katzenhai wurden einige an andere Aquarien abgegeben, die meisten aber bei uns ausgebrütet. Bei einer Anzahl von diesen ist die

Zeit ihrer Entwicklung genau beobachtet worden. Ich gebe dieselbe in den folgenden Zahlen :

Dauer der Entwicklung

bei 2 Eiern vom 13. Februar bis 27. Juli 165 Tage » 4 DD. )) » 7. August 468 » » » 5. März >». 30: » Wfl) ))

Über die Paarung und Fortpflanzung der Seyllinm-Arten. 395

‚beilEi vom 8.März bis 31. August == 176 Tage » el 12 September 112» » A » ».. NO 2 DT: » —475 » » » 43. April DL » —-.169. » Dein 2,90.) » 30. » lot » » 7. Mai » 24. Oktober = 167 »

Die jungen Katzenhaie sind in allen Fällen leider in den ersten Tagen ihres Lebens wieder zu Grunde gegangen.

Günstigere Resultate hatten wir dagegen mit den Hundshai-Jungen. Die vier oben erwähnten Thiere wurden am 1. März 1878 aus dem kleinen Behälter, in dem sie das Licht der Welt erblickt hatten, in einen größern versetzt. Sie hatten damals 22 cm Länge. Dreizehn Monate später, Mitte April 1879 maßen sie 33—33 cm, waren also in reichlich einem Jahre 10— 44 cm, d. i. etwa um die Hälfte gewachsen. Bis zu den heißen Augustiagen 1880 haben sie sich vortrefllich weiter ent- wickelt. Dann sind leider zwei von ihnen, wahrscheinlich, weil sie die große Wärme des Wassers nicht vertragen konnten, gestorben. Die beiden Überlebenden messen jetzt den 3. September 1880 42—44 cm.

Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium.

Von

Nicolaus Kleinenberg.

In einer Mittheilung über den neuen interessanten Hydroid-Polypen Hydrella (Zool. Anz. Nr. 60, 12. Juni 1880) sagt GorttE: »Ich muss hier- zu bemerken, dass ich die Eizellen von Eudendrium außerhalb der Gono- phoren und der proliferirenden Polypenköpfe viel häufiger innerhalb des Ektoderms als des Entoderms antraf; dies stellt aber ihren Ursprung in der letzteren Keimschicht nicht in Frage, denn wie mir mein Freund KLEINENBERG aus seiner reichen Erfahrung in diesen Dingen mittheilte, wandern die Eizellen des Eudendrium mit der größten Leichtigkeit aus dem Entoderm in das Ektoderm aus.«

Diese Worte enthalten die Möglichkeit eines Missverständnisses. Man könnte sie so deuten als wären meine Beobachtungen in Einklang mit der Behauptung Weısmann’s, dass die Eier von Eudendrium »zweifellos« im Entoderm entstehen (Zool. Anz. Nr.55, 10.Mai1880). Der Ausdruck »im Entoderm« oder »im Ektoderm«, den Werısmann fast durchgängig braucht, wo er vom Ursprung der Geschlechtszellen bei den Hydroiden spricht, ist fehlerhaft, denn er antwortet streng genommen gar nicht auf die vorausgesetzte Frage. Es handelt sich zu wissen, ob die Eier und Spermatozoen »aus« Zellen des Ektoderms oder »aus« Zellen des Ento- derms hervorgehen; an welcher Stelle und in welchem der beiden Blätter sie liegen ist zunächst gleichgültig. Ein Ei könnte im innern Blatt, d. h. umgeben von Entodermzellen,, entstehen und doch dem Ektoderm angehören, wenn es die Umbildung einer Ektodermzelle wäre, die sich aus ihrem ursprünglichen geweblichen Verband gelöst und zwischen die Elemente des andern Blattes gedrängt hat. Ist dagegen solch eine Ver- wischung der Zellen beider Blätter als unmöglich nachgewiesen worden, dann freilich gewinnt der Ausdruck bedingte Berechtigung. Nur wenn im Coelenteratenkörper eine unübersteigliche räumliche Scheidung zwi- schen Ektoderm und Entoderm bestände, würde es gestattet sein zu interpretiren : Gewebselemente, die ihren Ursprung im ‚Entoderm haben, entstehen aus Entodermzellen.

Über die Entstehung der Rier bei Eudendrium. 327

‘Und in der That gehen die Deutungen der meisten Beobachter, die sich mit der vorliegenden Frage beschäftigt haben, von der Annahme aus, dass die sogenannte Stützlamelle wirklich eine unverrückbare Grenz- marke zwischen den Gebieten des Ektoderms und des Entoderms fest- stellt. Gewiss ist diese Annahme äußerst bequem, denn sie hilft ein gutes Theil mühsamer und langweiliger Beobachtungsarbeit überschlagen oder unterschlagen ; Niemand hat sie aber auf ihre Richtigkeit ernstlich ge- prüft, trotzdem die Aufforderung dazu von mehr als einer Seite sehr nahe gelegt war.

Dass weiße Blutkörperchen nicht nur durch Gapillarwandungen, sondern selbst aus den verhältnismäßig so dicken Röhren der kleinen Arterien auszubrechen vermögen, ist bekannt. Die Stützlamelle vieler Hydroiden ist eine ganz dünne Schicht, die, wie aus der Form der akti- ven Bewegungen dieser Thiere hervorgeht, während des Lebens leicht jedem Drucke nachgiebt. Wenn also auf der einen oder der andern Seite der Stützlamelle Wanderzellen vorhanden sind, würde das Übergehen von Gewebselementen aus einem Blatt in das andere nicht besonders erstaun- lich sein. Aber wollte man auch die Undurchdringlichkeit der Stütz- lamelle zugeben, immer stände doch noch den Wanderzellen ein Weg offen zum Verlassen ihrer Bildungsstätten: um den Mundrand herum, wo Ektoderm und Entoderm von keiner Zwischenschicht aus einander gehalten sind.

Andrerseits lag wohl auch in den gegensätzlichen Angaben der Be- obachter, wonach bei einer Art Eier und Samen aus dem Ektoderm, bei einer zweiten aus dem Entoderm, bei einer dritten die Eier aus diesem, die Spermatozoen aus jenem Körperblatt hervorgehen sollen, eine starke Herausforderung zuzusehen, wie es mit der Zuverlässigkeit der entschei- denden Kriterien eigentlich beschaffen sei.

Als ich mich vor drei oder vier Jahren andauernd mit dem Bau und der Entwicklung der Tubularinen beschäftigte, waren es außer diesen Erwägungen noch neue Beobachtungen, welche dahin drängten, Auf- klärung zu suchen über die Fähigkeit der Geschlechtszellen den Ort zu wechseln, und über das Verhalten der Stützlamelle gegen die etwaigen Auswanderungsgelüste dieser Zellen. Was ich davon in Bezug auf Euden- drium weiß, ist ungefähr Folgendes. | Bei Betrachtung eines weiblichen Stöckchens findet man oft deutlich erkennbare Eizellen zunächst nur im Entoderm. Sieht man indessen genauer zu, so zeigen sich ganz ähnliche Zellen auch auf der Außenseite der überall vorhandenen zarten Stützlamelle, also im Ektoderm. Dies lässt sich schon am lebenden Thier leicht feststellen; die Scheidung beider Körperblätter ist so scharf, die Gleichartigkeit der erwähnten Zellen

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd, 99

3238 Nicolaus Kleinenberg,

diesseits und jenseits der Stützlamelle und ihre Beziehung zum nach- folgenden Fortpflanzungsvorgang so deutlich, dass man die Beobachtung gar nicht anders formuliren kann als so: in einer gewissen Entwicklungs- periode finden sich bei Eudendrium regelmäßig Eizellen sowohl im Ento- derm wie im Ektoderm. Dies hat auch GorTTE erkannt.

Soll man nun frischweg schließen, dass sich gleichzeitig ohne Unter- schied Ektoderm- und Entodermzellen in Eier umwandeln? Das geht schon darum nicht, weil man die Untersuchung an dieser Stelle nicht für abgeschlossen halten darf. Denn die jungen Eizellen unterscheiden sich bereits so sehr von den typischen Elementen jedes der beiden Blätter, dass sie nicht für anfängliche, sondern nur für weit vorgeschrittene Sta- dien des Umwandlungsvorganges aufgefasst werden können. Jüngere Formen sind am lebenden Thier nicht mit Sicherheit zu erkennen, da- gegen sehr wohl in passend behandelten Präparaten und am besten in feinen Querschnitten. Man findet dann im Ektoderm hier und dort einzelne Zellen, die in der Beschaffenheit ihres Protoplasmas, in ihrer Form und selbst in ihrer Größe fast völlig mit den Zellen des interstitiellen Ge- webes, zwischen denen sie liegen, übereinstimmen: von diesen ausge- zeichnet sind sie nur durch den merklich vergrößerten Kern und ein stark glänzendes Kernkörperchen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Zellen vorläufig nur sehr leicht veränderte Elemente der tiefern Schicht des Ektoderms sind, eben so sicher sind sie andererseits entstehende Eier, denn mit ihnen beginnt die Reihe sitetigster Übergänge zu immer größerer innerer und äußerer Umbildung, die ununterbrochen und direkt in das reife Ei hinüber führt. Es entstehen also Eier aus ektodermalen Zellen des interstitiellen Gewebes.

Und die Eier, welche im Entoderm liegen? Die Untersuchung zeigt, dass auch hier nicht alle Eizellen sich im selben Zustand befinden, man kann jüngere und ältere Formen unterscheiden, die ziemlich weit aus einander liegen. Aber die jüngsten, gerade kenntlichen Stadien fehlen hier stets, und von den vorhandenen Entwicklungsstufen haben die am wenigsten vorgeschrittenen größere Ähnlichkeit mit den tiefen Ektoderm- zellen, aber nicht die geringste mit den sie umgebenden Epithelien des Entoderms. Es fehlen vermittelnde Zustände zwischen Entodermzellen und Eiern. Die Umwandlung von Zellen des Ektoderms in Eizellen ist dagegen, wie gesagt, klar: so liegt der Schluss nahe, dass sämmtliche Eizellen im Ektoderm aus Ektodermzellen hervorgehen und dass einige von ihnen, oder vielleicht auch alle, während sie in der Metamorphose begriffen sind, ihre ursprünglichen Bildungsstätten verlassen, um sich ins Entoderm zu begeben. Man müsste ein Übertreten junger Eier aus

Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. 3939

dem einen ins andere Blatt annehmen, denn unveränderte Elemente des Ektoderms finden sich nie im innern Blatt.

Dagegen ließen sich aber doch eineMenge von Einwürfen ausdenken : dass die Umwandlung von Entodermzellen in Geschlechtszellen äußerst schnell verlaufe; dass der Vorgang sich in bestimmten Stunden der Nacht vollzöge wie manche Entwicklungserscheinungen vieler niederer Thiere wo es unmöglich ist die Untersuchung vorzunehmen und auch das Sammeln und Konserviren der Thiere behindert; dass die Eier nicht direkt aus präexistirenden Entodermzellen hervorgingen, sondern erst aus Theilungsprodukten derselben, wodurch die Zurückführung der einen auf die anderen sehr erschwert sein könnte, und was weiß ich sonst noch. Freilich wären all diese Einwände künstlicher oder gewaltsamer als die einfache Annahme des Auswanderns der Eizellen; immerhin ist es nicht wünschenswerth in einer Beobachtungsreihe einen Spalt an entscheiden- der Stelle auf noch so starkbeiniger Hypothese überspringen zu müssen. Man kann doch hineinfallen. Wahrscheinlich bin und wahrscheinlich her: in der modernen Zoologie werden wir bald vor lauter Wahrschein- lichkeiten die Wahrheit ganz und gar nicht mehr zu schen bekommen. Und im vorliegenden Fall lässt sich mit einigem Bemühen die Annahme durch eine Beobachtungsthatsache ersetzen. Man braucht die Lagever- änderungen der jungen Eier nicht zu erschließen, man kann dem Vor- gang Selbst als Zuschauer beiwohnen.

Eine Eizelle, die zu Beginn der Beobachtung ganz vom Ektoderm eingeschlossen ist, drängt und windet sich allmälig durch die Gewebe hindurch schneller, fast fließend wie eine freie Amoebe, wo das Ge- füge der Zellen locker ist, in fast unmerklichem Fortschreiten , wo sie, um sich Raum zu schaflen, den festern Zusammenhang der Gewebsele- mente zu überwinden hat bis sie dicht an die Stützlamelle zu liegen kommt. Später sieht man einen Theil ihrer Substanz jenseits der Stütz- lamelle, diese ist von einem pseudopodienartigen Fortsatz durchbohrt. Immer mehr vom Protoplasma der Eizelle fließt durch diese Bruchpforte der Lamelle hindurch, und endlich befindet sich dieselbe Zelle, die vor- her in der äußern Körperschicht lag, nun vollständig im Entoderm. Wahrscheinlich verstreicht nach dem Durchtritt das Loch in der Lamelle _ bald wieder. Die übergetretene Zelle kommt jedoch noch nicht zur Ruhe, sie zwängt sich zwischen die Entodermzellen ein, bis sie inmitten der- selben liegt. Zu direkter Berührung mit dem Inhalt der Nahrungshöhle gelangt sie jedoch, wie es scheint, niemals, sondern bleibt von einem Saum der seitlich an einander haftenden freien Enden der Darmepithelien bedeckt.

So wie die Eizellen aus dem Ektoderm in das Entoderm kriechen,

93°

330 | AU Nicolaus Kleinenberg,

können sie den Weg noch in umgekehrter Richtung zurück machen. Ichhabe diese Lageveränderung gleichfalls beobachtet, freilich seltener und weniger genau als die vorher beschriebene. Die wandernden Zellen waren dann immer schon sehr groß und von dichtem Protoplasma. In den Präparaten stößt man auf zahlreiche Eizellen, die offenbare Anzeichen eines Aufent- haltes im Entoderm an sich tragen, und doch auf der Außenseite der Stützlamelle liegen. Der Rücktritt der Eizellen aus dem Entoderm ins Ektoderm wird also wohl ein häufiges Vorkommnis sein.

Diese Beobachtungen scheinen mir zu beweisen, dass die Eier bei Eudendrium nicht aus Entodermzellen hervorgehen, auch nicht einmal im Entoderm entstehen, sondern dass sie umgewandelte Ektodermzellen sind, die alle oder zum großen Theil in einer gewissen Entwicklungs- periode zu wandern beginnen, durch die Stützlamelle hindurch in das Entoderm eindringen, hier eine Zeit lang verweilen und dann eventuell wiederum ins äußere Blatt zurückkehren.

Über die physiologische Bedeutung des zeitweiligen Aufenthaltes der Eizellen im Entoderm weiß ich nichts Besonderes zu sagen. Es liegt nahe darin ein Mittel zu vollkommenerer Ernährung zu sehen. In der That wachsen die jungen Eier im Entoderm beträchtlich. Doch ernähren sie sich nicht selbständig, sondern durch Vermittlung des Verdauungsepi- thels. Auch erreichen sie ihre volle Größe und Ausbildung erst nachdem das Gonophor entstanden ist.

Ob man sagen darf, dass die Wanderung der Eizellen sich » mit der größten Leichtigkeit « vollzieht, hängt natürlich davon ab, was man leicht nennt. So viel glaube ich bemerkt zu haben, dass die Stützlamelle ver- hältnismäßig nur schwachen Widerstand leistet, selbst geringeren als die dichteren Stellen des Ektodermgewebes.

Wenn aber auch die Eizellen auf keine beträchtlichen Hindernisse stoßen, ist es doch nicht leicht ihre Wanderungen zu verfolgen. Im Gegen- theil, es bedarf hierzu des Zusammentreflens mehrerer günstiger Um- stände, und ziemlicher Geduld und Aufmerksamkeit. Nicht alle Stöck- chen und nicht alle Stellen derselben sind geeignet, man muss solche suchen, deren Gewebe nicht dicht und besonders hell ist ; der Zweig muss unter dem Deckglas vor schädlichen Einflüssen so weit geschützt sein, dass er nicht abstirbt oder in seiner Lebensthätigkeit wesentlich herabgesetzt wird, ehe der immerhin langsame Vorgang beendigt ist; die Wanderung muss gerade in der durch die Achse gelegten optischen Durchschnitts- fläche vor sich gehen, weil man nur da die Grenze zwischen Ektoderm und Entoderm klar erkennen kann. Überdies ist der Unterschied zwi- schen dem Brechungsindex der Substanz des jungen Eies und jenem der umgebenden Zellen äußerst gering und wird häufig noch durch die Re-

Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. 331

flexe von den dichtern peripherischen Schichten der einzelnen Gewebs- elemente verdeckt: da ist es denn nahezu unmöglich den ganzen Umriss der, Form und Lage wechselnden, Eizelle beständig festzuhalten. Ein Merkmal hat man jedoch fast immer um die Eizelle nicht völlig aus dem Auge zu verlieren ihr stark glänzendes Kernkörperchen, das auch unter dunklern Gewebsschichten hervorleuchtet.

Als einzelner Fall würde die Erkenntnis des Ursprungs der Eizellen von Eudendrium bloß dazu beitragen die bestehende Unsicherheit über das allgemeine Gesetz, das die Entstehung der Geschlechtselemente bei den Goelenteraten und bei den übrigen Metazoen regelt, zu vermehren. Dagegen ist hier in den Nebenumständen vielleicht ein Weg angedeutet, auf dem es gelingen wird der Lösung der Frage näher zu kommen. Ich meine, dass es nun ganz und gar nicht mehr erlaubt ist ohne Weiteres zu schließen, Geschlechtszellen , die man in einer Schicht antrifft, seien aus Zellen dieser Schicht entstanden. Wenn bei Eudendrium die Eier aus Ektodermzellen entstehen und doch ins Entoderm gelangen, dann mag dasselbe wohl auch bei andern Thieren und bei der Bildung anderer Gewebe vorkommen. Selbst viel dichtere und ausgedehntere Zwischen- schichten wird man nicht von vorn herein für unüberwindliche Hinder- nisse erklären dürfen, denn wir haben kein Mittel die Energie der Wanderzellen zu bestimmen, ja wir wissen nicht einmal, ob bei ihren Translokationen bloß mechanische Kräfte zur Geltung kommen, oder ob der mechanische Vorgang nicht durch chemische Einwirkungen des Protoplasmas auf die umgebenden Substanzen vorbereitet und unter- stützt wird. Natürlich besteht aber andererseits durchaus kein Grund den zeitweiligen Ortswechsel zu einem allgemein verbreiteten Phänomen in der Bildungsgeschichte der Geschlechtszellen der Hydroiden zu machen und in der That fehlt er sicherlich bei Tubularia mesembryanthemum, T. larynx und Pennaria, und wohl auch bei sonst noch manchen Formen, während er bei andern wiederum wahrscheinlich ist.

So bleibt denn zur Feststellung des Ursprungs der Geschlechtszellen kein anderer Weg als sie in jedem Fall durch alle Übergänge bis auf prä- existirende Elemente der beständigen Gewebe zurückzuführen. Wo mir dies gelungen ist bei fünf Tubularinen und ein paar Medusen da habe ich die Geschlechtszellen jedes Mal aus Ektodermzellen hervorgehen gesehen. In andern Fällen wurden die Schwierigkeiten der Untersuchung nicht überwunden und es kam zu keiner sicheren Entscheidung. Darum habe ich auch nur von den Eiern von Eudendrium gesprochen, denn die Entstehung der Samenzellen war mir hier nicht hinreichend klar gewor- den als ich die Untersuchung abbrach. Aber nirgends habe ich die Um- wandlung von Entodermzellen in weibliche oder männliche Geschlechts-

332 Nicolaus Kleinenberg, Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium.

zellen gesehen. Auch von den Darstellungen anderer Beobachter, die dies beweisen wollen, überzeugt mich keine einzige völlig. E. van BEnk- .ven’s Angaben würden freilich kaum einen Zweifel über die Entstehung der Eier von Hydractinia echinata aus Entodermzellen aufkommen lassen, entsprächen seine Abbildungen genau den natürlichen Verhältnissen; und wenn ich sie bis jetzt noch nicht unbedingt anerkenne, so beruht das bloß auf der Erfahrung, dass die Behandlung mit Essigsäure, die er für seine entscheidendsten Präparate benutzt hat, gar leicht Täuschungen hervorbringt.

Ich weiß nicht wie es gekommen ist, dass Weısmann das Vorhanden- sein von Eizellen im Ektoderm bei Eudendrium übersehen hat. Vielleicht beobachtete er dasThier nur außer der Zeit seiner lebhaftesten Geschlechts- thätigkeit. Viele IHydroiden, und dies gilt auch für Eudendrium, bilden zwar das ganze Jahr hindurch Eier und Samen, in regelmäßig wieder- kehrenden Perioden tritt jedoch eine so beträchtliche Erhöhung der sexuellen Funktionen ein, dass man diese wohl als die eigentlichen Fort- pflanzungsperioden bezeichnen darf. Zwar reifen und entwickeln sich auch in den Zwischenzeiten viele Eier, aber neben diesen zeigen sich bei manchen Arten zahlreiche abortive Entwicklungen und andere viel auf- fallendere Abnormitäten. So gilt bekanntlich Tubularia für streng ge- trennt-geschlechtlich und unter den sehr vielen Stöckchen von T. mesembryanthemum, die ich während ihrer vollen Geschlechtsthätigkeit untersucht habe, fand sich auch nicht eins, bei dem männliche und weibliche Organe vereint gewesen wären. Zu anderen Zeiten des Jahres sind dagegen Hermaphroditen gar nicht selten. Und zwar entstehen die- selben dadurch, dass in ein und demselben Gonophor einige der Keim- zellen zu Eiern werden, während gleichzeitig andere sich in Samenzellen verwandeln. Man findet dann entwickelte Embryonen, unbefruchtete Eier, reife Spermatozoen und junze Samenzellen, Alles zusammen in derselben Knospe.

Eudendrium hat jährlich zwei Epochen erhöhter Geschlechtsfunktion, zu Beginn und gegen das Ende des Sommers. Ich erinnere mich freilich nicht in der übrigen Zeit des Jahres auffälligere Unregelmäßigkeiten der Entwicklung wahrgenommen zu haben, doch mögen sie immerhin vor- kommen, und ich wollte darauf hinweisen, weil möglicherweise hier die Ausgleichung der Widersprüche zu suchen ist.

Messina, Oktober 1880.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken.

Ein Beitrag zur Erkenntnis der Einheit des Molluskentypus.

Von

Dr. d. W. Spengel, Privatdocenten der Zoologie in Göttingen.

Mit Tafel XVII—XIX und zwei Holzschnitten.

In der Literatur über die Anatomie der verschiedenen Mollusken- classen finden sich ziemlich zahlreiche Angaben über das Vorkommen von » Wimperorganen « unbekannter Function, ohne dass je ein Forscher den Versuch gemacht hätte, dem Wesen dieser Organe ernstlich nach- zuspüren und den morphologischen Werth derselben zu ergründen. In Folge eines äußerlichen Anlasses kam ich dazu, mir diese Fragen selbst vorzulegen. Der einfachste Weg, über die Homologien der ver- schiedenen Wimperorgane ins Klare zu kommen, schien mir eine Ver- gleichung der Innervirungsweise derselben zu sein, und diesen konnte ich zunächstan der Hand der in derLiteratur vorliegenden Beobachtungen einschlagen. Das Ergebnis dieser Studien war, dass mir einerseits die Homologie der von verschiedenen Autoren bei Heteropoden , Pteropo- den und Pulmonaten beschriebenen Wimperorgane unzweifelhaft wurde und andererseits ein Organ der Prosobranchien, das bisher eine ganz andere Deutung erfahren hatte, als in den Kreis dieser Wimperorgane gehörig erschien. Da ich durch andere Arbeiten sehr in Anspruch ge- nommen war, konnte ich nicht daran denken, eine abschließende Untersuchung über diesen Gegenstand vorzunehmen. Indessen schien mir das Problem aus mehrfachen Gründen dankbar, und so konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, bei einem Aufenthalt in der Zoologischen Station in Neapel in diesem Frühjahr diese Organe bei einer Reihe von Mollusken zu untersuchen und namentlich meine oben angedeutete Vermuthung an einigen Prosobranchien zu prüfen. Ich gebe

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 99

334 J. W, Spengel,

im Folgenden die Grundzüge der Ergebnisse meiner Beobachtungen und knüpfe daran einige Schlussfolgerungen, die es zugleich rechtfertigen mögen, dass ich mit so fragmentarischen Untersuchungen an die Öffent- lichkeit trete. Eines der Resultate muss ich gleich hier vorweg erwäh- nen: es hat sich als unzweifelhaft herausgestellt, dass die in Rede stehenden Organe Sinnesorgane sind, und um ihnen.einen Namen zu geben, will ich sie als Geruchsorgane bezeichnen. Über die Berech- tigung dieser Benennung später noch einige Worte.

Im Interesse der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit wähle ich für meine Darstellung einen andern Gang, als ihn meine Untersuchung genommen hatte. Ich beginne mit den Prosobranchien und zwar mit den von v. Iuzrına! als anisobranchie Chiastoneuren bezeichneten Formen, von denen ich einige Arten von Trochus, Turbo und Vermetus untersucht habe, und schicke einen Überblick über den Bau des Nerven- systems voraus, der mir zugleich Gelegenheit bietet, einige Bemerkungen über die Benennung der einzelnen Theile desselben zu machen. Um den Schlund sind drei Ganglienpaare gruppirt, von denen für zwei zweckmäßige Namen vorhanden und fast allgemein anerkannt sind, näm- lich ein Paar Gerebralganglien und ein Paar Pedalganglien, von denen das erstere u. A. die Nerven zu den Sinnesorganen des Kopfes, das letztere die Nerven zu den Muskeln des Fußes abgiebt; dagegen sind für das dritte Ganglienpaar die verschiedensten Namen in Vorschlag ge- bracht, ohne dass sich einer allgemeinen Beifalls zu erfreuen gehabt hätte. Leider sehe ich mich genöthigt, selbst noch eine neue Bezeich- nung dafür vorzuschlagen, da der Huxrzy’sche Ausdruck » parietosplanch- nische« weder treffend noch bequem, in den unvermeidlichen Zusammen- setzungen aber geradezu unerträglich ist, während die Namen Branchial-, Visceral-, Viscerogenitalganglien etc. für andere Ganglien Verwendung finden. Mir scheint als eine möglichst kurze und indifferente Benennung der Name »Pleuralganglien« passend, den ich daher im Folgenden für die betreffenden Ganglien verwenden werde. Diese sechs Ganglien sind durch Nervenstränge unter einander verbunden, und unter diesen empfehle ich nach dem Vorgange von LacAzE-Durnizrs? die Fäden, welche die drei Ganglien einer Seite verbinden als »Connective« zu bezeichnen, dagegen den Ausdruck »Commissuren« auf die Verbindungsstränge zwischen den gleichnamigen Ganglien der beiden Seiten zu be- schränken. Dieselbe Bezeichnung ließe sich zweckmäßig, wie es schon

1 H. v. Inerıng, Das Nervensystem und die Phylogenie der Mollusken. Leipzig 4378,

2 H. pn LACcAZE-DUTHIERS, M&moire sur le systeme nerveux de l’Haliotide. Ann. Sc. Nat. Zool. (4) t. XI. p. 253— 254.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 335

von französischen Forschern geschehen ist, auch auf andere Thiere, namentlich Anneliden und Arthropoden, übertragen. Bei den chiasto- neuren Gastropoden würde demnach das circumoesophageale Nerven- system bestehen aus zwei CGerebral-, zwei Pleural- und zwei Pedalgan- glien, zwei Gerebropleural-, zwei Gerebropedal- und zwei Pleuropedal- Connectiven und einer Gerebral- und einer Pedalcommissur. Die Connective bilden jederseits ein Dreieck, in dessen Winkeln die Ganglien liegen, und die beiden Dreiecke sind durch die beiden Gommissuren verbunden. Die Pleuralganglien aber stehen durch einen sehr langen Nervenstrang in Zusammenhang, in den mehrere Ganglien eingeschaltet sind, welche Nerven zu verschiedenen Eingeweiden abgeben. Wir wollen diesen Strang daher mit v. Inrrına als » Visceralcommissur « be- zeichnen und die in dieser liegenden Ganglien unter dem Gesammtnamen » Visceralganglien« zusammenfassen. Die Visceralcommissur nun nimmt bei den Chiastoneuren einen höchst eigenthümlichen Verlauf, welchem der Inerıng’sche Ordnungsname entlehnt ist: der vom linken Pleural- ganglion entspringende Schenkel der Commissur zieht ventral wärts vom Darm nach rechts, wendet sich hier gegen die Rückenfläche, biegt dorsalwärts vom Darm wieder nach links und zieht in dieser Lage zum rechten Pleuralganglion. In den Verlauf dieser achterförmig gewundenen Commissur sind bald zwei, bald drei Visceralganglien ein- - geschaltet. Von diesen liegt eines etwa in der Mitte der Commissur, in der Nähe des Afters; es ist das »Abdominalganglion« v. Inzrıng’s. Von den beiden anderen liegt das eine, das »Subintestinalganglion«, in der rechten Hälfte, das andere, das » Supraintestinalganglion « in der linken Hälfte der Commissur. Bei denjenigen Formen, die nur zwei Visceral- ganglien besitzen, wie Vermetus, fehlt das Subintestinalganglion; doch entspringt an der entsprechenden Stelle der Commissur ein Nerv, der die rechte Hälfte des Mantels versorgt. Aus dem Supraintestinalganglion geht ein starker Nerv hervor, der Äste an die Kiemen und an die linke Mantelhälfte abgiebt, zum großen Theile aber in ein Organ, das bisher fast von allen Autoren als »rudimentäre Kieme«, » Nebenkieme «, » Er- gänzungskieme« oder dergl. bezeichnet worden ist, obwohl schon Wırzims! gezeigt hatte, dass dasselbe keine Kieme sei. WırLıans

' glaubte in der Achse einen nach außen mündenden Canal erkannt zu

haben, und deutete das Organ als »colour gland«, indem er die Ab- scheidung des Purpursaftes dahin verlegte. Der Einzige, der dem wirk- lichen Verhalten auf der Spur gewesen zu sein scheint, ist LacazE-

1 T. Wırrıams, On the mechanism of aquatic respiration and on the structure of the organs of breathing in inverlebrate animals. Ann. and Mag. Nat. Hist. (2) vol. XVII. p. 255.

338

336 J. W. Spengel,

Duruiers, der sich schon in seiner Abhandlung über den Purpur! sehr vorsichtig über die Kiemenähnlichkeit dieses Organes ausspricht, in seiner »Me&moire sur l’anatomie et l’embryogenie des Vermets«?, aber ganz be- stimmt erklärt, dass der bei Vermetus parallel links neben der Kieme hinziehende weißliche Strang keine zweite Kieme sein könne, sondern nervöser Natur sei, da zahlreiche Nervenfäden in ihn eintreten. Die späteren Beobachter haben keine nähere Untersuchung vorgenommen. Ich finde dasselbe seiner größten Masse nach aus Nervensubstanz, näm- lich einem mächtigen durch die ganze Länge des Organes verlaufenden und von zahlreichen Ganglienzellen begleiteten Faserstrange gebildet, und über diesem liegt eine hohe Epithelschicht, in welche man deutlich Fasern aus dem Nerven eintreten sieht. Sehr ähnlich verhalten sich die Geruchsorgane von Trochus (Fig. 18) und Turbo; sie liegen hier als eine bräunliche oder olivenfarbige birnförmige Masse, die sich nach vorn in einen feinen Faden fortsetzt, an der Basis des Kiementrägers. Der dicke hintere Theil des Organs besteht fast gänzlich aus einem großen Gan- glion, aus dem starke Fasern in das hohe Epithel treten. Die feineren Structurverhältnisse des Letzteren habe ich nicht eingehend untersucht. Das Geruchsorgan von Cyclostoma elegans (Fig. 3) wird von LacAzeE- Duruiers 3 abgebildet; doch findet sich im Text kein Bezug darauf.

Ein complicirterer Bau des Geruchsorganes kommt bei den Chiasto- neuren nicht vor; dagegen findet sich bei den Orthoneuren, von denen ich Capulus, Calypiraea, Natica, Murex, Nassa, Buccinum, Dolium, Cassis und Cassidaria untersucht habe, eine Form, die den Anlass zur Deutung des Organes als Kieme gegeben hat. Bei den acht letzten Gat- tungen besteht das Geruchsorgan wie bei vielen anderen von älteren Autoren (Cuvier, Quoy et GAIMARD, SOULEYET, DELLE ÜHIAJE etc.) unter- suchten und abgebildeten Formen (Fig. 15, Buccinum) aus einem durch die ganze Länge des Organes verlaufenden Mittelstrange und zwei Reihen von diesem entspringender seitlicher Fiedern. Bei Capulus (Fig. 17) finde ich nur an der rechten Seite diese Fiedern. Im feineren Baue scheinen mancherlei Verschiedenheiten zu bestehen, die ich nicht habe verfolgen können ; doch stimmen die Geruchsorgane aller von mir. untersuchten Orthoneuren darin überein, dass ihr Mittelstrang ganz von einem ungeheuer mächtigen Ganglion mit centralen Fasermassen und

‘1 H. DE LAcAzE-DUTHIERS, M&moire sur la Pourpre. Annales des Sciences Natu- relles, Zool. (4) t. XII. 14859.

2 Ann. des Sc. Nat., Zool. (4) t. XIII. 4860. p. 259.

3 H. oe LACAZE-DUTHIERS, Otocystes ou capsules auditives des Mollusques (Gastero- podes). Archives de Zoologie exper. et gen. t. I. pl. IH, Fig. 8. cf. H. For, ibid. t. VIII. p. 167.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 337

peripherischen Zellen eingenommen wird (Fig. 23), während die Fie- dern aus mehr oder minder hohen senkrechten Blättern bestehen und aus einer von hohen Wimperepithelien überzogenen bindegewebigen Grundlage (mit Bluträumen?) gebildet sind. In die Blätter treten aus dem Ganglion starke Nervenfasern ein (Fig. 23), die bei einigen Formen eine weite Strecke innerhalb des Epithels verlaufen (Nassa, Fig. 24), bei anderen (Murex) in der Bindegewebsschicht liegen und erst mit ihren letzten Ausläufern ins Epithel eindringen.

An der Homologie dieses Geruchsorganes der Orthoneuren mit dem der Chiastoneuren kann kein Zweifel sein. Dies zeigt am schlagendsten die Innervirung, für deren Schilderung ich mich indessen etwas aus- führlicher über den Bau des Nervensystem der Orthoneuren auslassen muss, da die Beziehungen desselben zu dem der Chiastoneuren durch die Untersuchungen von v. Inerına nicht klar genug gestellt sind. Bei allen Orthoneuren finden wir die gleichen drei Ganglienpaare des Central- nervensystems wie bei den Chiastoneuren, und auch die Verbindung der Ganglien jeder Seite durch drei CGonnective ist dieselbe wie dort; ferner besteht eine Cerebral- und eine Pedalcommissur. Dagegen soll sich das Visceralnervensystem nach v. Inerıng ganz anders verhalten. Dasselbe ist nach den Angaben dieses Beobachters symmetrisch angeordnet, so dass » diejenigen Nerven, welche rechts entspringen, auch in die rechte Körperseite, und diejenigen, welche links entspringen, in die linke Seite des Körpers sich vertheilen. Das erleidet nur eine scheinbare Aus- nahme in dem Verhalten des Kiemennerven«, welcher aus dem rechten Commissuralganglion (— Pleuralganglion mihi) entspringend quer über die Eingeweidemasse hin nach links an die dort gelegene Kieme tritt. Diese Kieme aber ist nach v. Inerıng’s Ansicht die auf die linke Körper- seite translocirte rechte Kieme, die Asymmetrie des Nervensystems daher nur eine scheinbare!. Die visceralen Ganglien, deren Zahl und Anordnung wechselt, müssen wir an einem einzelnen Beispiele be- trachten, für das ich das von v. Inzrına auf Taf. VII, Fig. 32, von mir nach eigenen Untersuchungen in Fig. 4 abgehildete Nervensystem von Cassidaria echinophora wähle, die als ein typischer Repräsentant dieser Gruppe dienen kann. Es sind hier vier Visceralganglien vorhanden, die v. Inerıng als Abdominal-, Genital-, Renal- und Branchial-Ganglion bezeichnet. Das Abdominalganglion (Sb, Fig. 4) ist durch zwei Connec- tive, die v. Inzring als Visceralcommissur deutet, mit den Pleuralgan- glien der rechten und linken Seite anscheinend symmetrisch verbunden. Aus demselben entspringt neben einem Nerven zum Spindelmuskel ein

I v. IHERING, a. a. ©. p. 104.

338 J. W. Spengel,

Connectiv zum Genitalganglion und von diesem ein solches zum Renal- ganglion, das »Nerven an die Niere, das Pericardium und vielleicht auch noch einen Ast an die Kieme abgiebt« (a. a. O. p. 124). Thatsächlich aber geht dieser Ast nicht an die Kieme, sondern läuft unter dem äußer- sten linken Rande der Kiemenhöhle, in Bindegewebe ziemlich dicht ein- gepackt, bis an das »Branchialganglion« (Sp) nach vorn und tritt in dieses ein. Ganz eben so verhalten sich u. A. Cassis, Dolium, Tritonium, Buccinum und vermuthlich viele, wenn nicht sämmtliche Orthoneu- ren. Die Verbindung zwischen dem Branchial- (Sp) und dem Renal- ganglion (Ab) ist bei Dolium und Tritonium schon von DELLE ChiAJE richtig beobachtet, wie aus den von KerzrstEin in Bronn’s Klassen und Ordnungen auf Taf. 86, Fig. 5 und Taf. 87, Fig. 2 reproducirten Ab- bildungen deutlich hervorgeht. Das Branchialganglion (Sp) aber ver- bindet sich nicht nur durch einen Strang mit dem rechten Pleuralganglion, wie es in v. Inerıng’s Figur dargestellt ist, sondern auch der daselbst mit 6 bezeichnete Nerv (Fig. #, s), der aus dem linken Pleuralganglion hervorgeht, tritt an das Branchialganglion, nachdem er einen Ast an den Sipho abgegeben hat. Es ist mir indessen wahrscheinlich, dass diese Anordnung nur dadurch zu Stande kommt, dass der Nerv 6 sich mit einen aus dem Branchialganglion zum Sipho tretenden Nerven verbindet, während ein Übergang von Fasern aus dem Nerven 6 in das Branchial- sanglion nicht stattfindet, und ich halte danach diese Verbindung nicht für eine ursprüngliche. So sind also sämmtliche visceralen Ganglien in einen Bogen eingeschaltet, dessen beide Enden jedoch gegabelt und mit beiden Pleuralganglien verbunden sind. Die in diesen -Bogen ein- geschalteten Ganglien nun verhalten sich genau so wie die Ganglien der Visceralcommissur der Chiastoneuren: das Abdominalganglion (Sb) giebt wie das Subintestinalganglion einen starken Nerven in die rechte Mantelhälfte, Genital- und Renalganglion versorgen wie das Abdominal- ganglion der Chiastoneuren (Ab) die Eingeweide, und das Branchialgan- glion (Sp) entsendet Nerven an die Kieme und an das Geruchsorgan. Kann sonach wol kein Zweifel darüber bestehen, dass die Visceralganglien der Orthoneuren denen der Chiastoneuren homolog sind, so wird man auch nicht lange im Zweifel darüber bleiben können, dass die homologe Commissur besteht, wenn man sieht, wie der Strang, der das linke Pleu- ralganglion mit dem Subintestinalganglion verbindet, unter dem Darme hinzieht, während derjenige zwischen dem Supraintestinalganglion und dem rechten Pleuralganglion über dem Darme verläuft. Dass aber die Ver- bindungen zwischen dem Subintestinalganglion und dem rechten Pleural- ganglion (s’) und zwischen dem Supraintestinalganglion und dem linken Pleuralganglion (s) als secundär zu betrachten sind, lehren uns schon

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 339

die Chiastoneuren wie Vermetus und Oyclostoma (Fig. 3), bei denen ent- sprechende noch sehr feine Nerven auf einer oder auf beiden Seiten vor- handen sind. Weitere Bestätigung wird diese Auffassung durch die Schilderung des Nervensystems der zeugobranchiaten Ghiastoneuren (Haliotis, Fissurella ete.) erhalten.

Es besteht somit auch bei Orthoneuren ob bei allen, werden ausgedehniere Untersuchungen ergeben eine geschlos- sene, und zwar wie bei den Chiastoneuren achterförmig gewundene Visceralcommissur, und die Symmetrie des visceralen Nervensystems kommt nur durch secundäre Verbindungen von Ganglien desselben mit den Pleural- ganglien zu Stande. Es ist möglich, dass bei manchen Formen die Continuität der Commissur unterbrochen ist und die secundären Ver- bindungen stärker als die primären geworden sind. Eine Eintheilung aber der Prosobranchien auf Grund des Vorhandenseins und Fehlens einer Torsion des Nervensystems ist nicht zulässig und um so weniger ausführbar, als wahrscheinlich reine Ghiastoneuren im Sinne v. Inerıng’s überhaupt nicht existiren. v. Inerına zählt zu diesen u. A. Cyclostoma, Turritella, Vermetus. Nach meiner obigen Darstellung des Nervensystems der Orthoneuren unterscheidet sich dieses ‚yon dem der Chiastoneuren nur durch die Existenz zweier secundären Connective, von denen eines das Subintestinalganglion mit dem rechten Pleuralganglion, das andere das Supraintestinalganglion, beziehungs- weise durch Vermittlung eines von diesem ausgehenden Nerven, mit dem linken Pleuralganglion verbindet. Nun aber habe ich bereits erwähnt, dass eine derartige Verbindung des Subintestinalganglions bei Vermetus, des Supraintestinalganglions bei Oyclostoma durch Lacaze-Dutniers be- schrieben und abgebildet ist. Ferner aber beschreibt v. Inerına ! selbst unter dem Namen »Intervisceralcommissur« das Connectiv zwischen Subintestinalganglion und rechtem Pleuralganglion bei Turritella. Die über andere angebliche CGhiastoneuren vorliegenden Untersuchungen sind nicht so genau, dass man über diesen Punkt etwas Sicheres aus ihnen entnehmen könnte. Indessen genügt das Vorhandene im Zu- sammenhange mit dem nunmehr hinsichtlich der Orthoneuren Festge- stellten, um darzuthun, dass die Glassen der Ohiastoneura und Orihoneura v. Iurrına’s unhaltbar sind.

An die anisobranchien Prosobranchien scheinen sich die Hetero- poden aufs Innigste anzuschließen, und man könnte geneigt sein, die geringen Abweichungen in ihrer Organisation auf Rechnung der An-

1 H. v. Inerıng, Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Amphineuren und Arthrocochliden. Morphol. Jahrb. Bd. III. p. 166.

340 J. W. Spengel,

passung an die pelagische Lebensweise zu setzen. Indessen bestehen nach den bisherigen Schilderungen Unterschiede eingreifender Art im Nervensystem der Heteropoden. Es werden drei Paare von Ganglien beschrieben, die den perioesophagealen Ganglien der Prosobranchien entsprechen sollen und bei Formen wie Atlanta und Carinaria auch auf den ersten Blick zu entsprechen scheinen. Sichergestellt ist indessen für Atlanta nur die Verbindung zwischen Cerebral- und Pedalganglien durch Gerebropedal-Connective (durch GEGENnBAUR!), während Huxıey? auch ein von GEGENBAUR nicht beobachtetes Gonnectiv zwischen den Cerebral- ganglien und einem »parietosplanchnischen« Ganglion beschreibt und abbildet. Verbindungen zwischen dem Pedalganglion aber und den parietosplanchnischen Ganglien erwähnt keiner der beiden Beobachter. Bei Carinaria sind von MıLne-EpwaArps und später von v. IHERING sieben Ganglien beschrieben, nämlich zwei Cerebral-, zwei Pedal- und drei Visceralganglien, und zwischen diesen bestehen nach den genannten Autoren Gerebropedal-, Gerebrovisceral- und Visceropedal-Connective. Es scheint danach auf den ersten Blick kaum zweifelhaft sein zu können, dass die zwei Visceralganglien der Atlanta und zwei der Visceralgan- glien der Carinaria nicht als solche, sondern als Pleuralganglien ge- deutet werden müssen: v. Inzerına bezeichnet sie daher nach seiner Nomenclatur als » Gommissuralganglien« und das dritte Ganglion der; Carinaria als »Abdominalganglion«. So naheliegend diese Auffassung erscheint, muss ich sie doch für unrichtig halten, und zwar hauptsäch- lich wegen der Beziehungen zum Geruchsorgan, das bei allen Heteropoden vorhanden und von allen Untersuchern beobachtet, von R. LEUCKART 3 sogar schon als Geruchsorgan gedeutet ist. LEUCKART und GEGENBAUR nennen es » Wimperorgan«, Huxrey »ciliated band«. Bei Pteroirachea (Firola) beschreibt es Leuckarr sehr trefiend folgender- maßen: »Es liegt auf der Vorderfläche des Nucleus oberhalb der Niere und stellt eine kahnförmige Vertiefung von ziemlich ansehnlicher Größe dar, deren aufgewulstete Seitenränder mit langen und starken, rädern- den Wimperhaaren besetzt sind. An die hintere Fläche tritt vom vorderen Eingeweideganglion ein ansehnlicher Nervenstamm und endigt hier mit einer ganglionären Anschwellung. Das Ganglion hat eine spindelförmige Gestalt und reicht vom vordern bis zum hintern Ende des Wimperorgans.« lch selbst habe das Geruchsorgan von Pierotrachea

1 C. GEGENBAUR, Pteropoden und Heteropoden. 4855. p. 107.

2 T, H. HuxLev, On the morphology of the cephalous Mollusca. Phil. Trans. 1853. p. 3

3 R. LEUCKART, Zoologische Untersuchungen. Heft 3. Heteropoden, Zwitter- schnecken, Hectocotyliferen. 4854. p. 35—36.

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Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 341

mutica untersucht und in Fig. 25 einen Schnitt durch dasselbe abge- bildet; man sieht das hehe Epithel des rinnenförmigen Organs und unter demselben den Durchschnitt des Ganglions, aus dem zu beiden Seiten Nerven in eine aus mehreren Lagen polygonaler Zellen zusammen- gesetzte Zone des Epithels eindringen. Nach außen von dieser Zone steht ein breiter Streifen von Wimperzellen, während den Grund der Rinne ein hohes Epithel einnimmt, in dem einzelne Zellen durch den Besitz einer ungemein langen, wie mir schien, nicht activ beweglichen Geißel ausgezeichnet sind.

Dies Geruchsorgan liegt bei den mit Kiemen ausgerüsteten Hetero- podengattungen Atlanta, Carinaria und Pterotrachea an der Basis der Kieme, bei der kiemenlosen Firolo:des an der entsprechenden Stelle. Wie aber steht sein Ganglion mit dem übrigen Nervensystem in Zusammen- hang? Es verbindet sich nach den übereinstimmenden Angaben aller Beobachter, die ich für Pierotrachea und Carinaria bestätigen kann, mit einem der sog. Eingeweideganglien. Dann aber entsteht nothwendig die Frage: kann unter solchen Umständen dies Ganglion ein Pleuralganglion sein, wie v. Iurrıne will? Ich bemerke dazu, dass die Pleuralganglien bei allen Prosobranchien dadurch ausgezeichnet sind, dass sie keine peripherischen Nerven, sondern nur die Visceralcommissur und die secundären Wurzeln derselben abgeben. Dies ist dagegen bei den ver- meintlichen Pleuralganglien der Heteropoden nicht der Fall, sondern das linke Eingeweideganglion von Pterotrachea verhält sich hinsichtlich der abgehenden Nerven wie das Abdominalganglion der Prosobranchien ; ihm entspricht das mittlere Eingeweideganglion von Carinaria. Das linke von Carinaria versorgt wahrscheinlich die Haut des Nucleus und ver- hält sich wie das Subintestinalganglion, vom rechten aber geht ein Nerv zu den Kiemen und zum Geruchsorgan, also wie vom Supraintesti- nalganglion der Prosobranchien. Die Verbindung des Geruchsorgans mit dem rechten der hinteren Ganglien ist ferner für Atlanta, Ptero- trachea und Firoloides festgestellt. Ich nehme daher an, dass die hinte- . ren Ganglien der Heteropoden nicht Pleuralganglien, sondern Visceral- ganglien sind. Dem aber scheint einerseits das Verhalten der Connective zu widersprechen, während andererseits diese Auffassung eine andere Deutung der übrigen Ganglien als bisher erheischt. Die Entscheidung der hier vorliegenden Fragen wird am leichtesten durch eine genaue

Untersuchung des Nervensystems von Atlanta zu gewinnen sein und

abhängen von dem Ergebnis der Beobachtung hinsichtlich der Anord- nung der von mir als Visceralcommissur gedeuteten Nerven. Es war mir bei den langgestreckten Pterotracheen, die mir allein zu Gebote standen, nicht möglich, zu ermitteln, ob der aus dem linken »Pedalgan-

249 J. W, Spengel,

glion« kommende Nerv zum rechten Visceralganglion und umgekehrt der aus dem rechten Pedalganglion kommende zum linken Visceralgan- glion zieht, und ich muss gestehen, dass ich die Beantwortung dieser Frage für Pferotrachea fast für unmöglich halten möchte, wo sechs sehr lange und sehr feine Nerven nahezu parallel dicht neben einander ver- laufen. Vielleicht beweist in dieser Beziehung indessen die Richtigkeit meiner Auffassung das in mehrfacher Hinsicht lehrreiche Nervensystem von Firoloides Desmarestiü Fig. 6). Hier entspringen aus dem »Pedal- ganglion« vier Nerven, die sich zu einem Stamme vereinigen, und dieser theilt sich dieht vor dem Nucleus in zwei Aste zu den beiden Visceral- sanglien. Diese Äste aber umgreifen nicht den Darm, wie sie es noth- wendig thun müssten, wenn es die hinteren Enden der Pleuropedal- Connective wären, sondern sie lassen beide den Darm zur Linken, wie es der hintere Abschnitt der torquirten Visceralcommissur thun muss. Ich habe dieser Auffassung in der Färbung der Figur 6 Ausdruck ge- geben. Ist diese richtig, dann muss aber die Verbindung der Gerebral- sanglien mit den Visceralganglien, die nach den übereinstimmenden Angaben von MıLne-EDwARDS, GEGENBAUR und v. Inzrıng für Carinaria wol nicht bezweifelt werden kann, und die nach Huxrry auch bei Atlanta besteht, als secundär entstanden betrachtet werden. Doch auch mit dieser Annahme sind die Schwierigkeiten noch nicht beseitigt, denn es fehlen uns noch die Pleuralganglien und die von diesen ausgehenden Connective. Die Ersteren können nur in den bisher als Pedalganglien gedeuteten Ganglien mit enthalten sein, bei Carinaria und Pteroirachea wahrscheinlich in einem der mehreren Lappen derselben. Dafür spricht die Existenz von zwei CGonnectivpaaren zu den Cerebralganglien bei Carinaria, während allerdings bei Pterotrachea und Firoloides nur ein Paar vorhanden ist und dasselbe auch bei Atlanta nach GEGENBAUR und Huxıey der Fall ist. Doch zeigt uns Firolordes, dass es bei den Hetero- poden zu weitgehenden Verschmelzungen von Nerven kommen kann, indem hier eine innige Verwachsung zwischen den Schwanznerven und der Visceralcommissur (resp., im Falle der Unrichtigkeit meiner Deutung, den Pleuropedal-Connectiven) besteht.

Nach meiner Auffassung besteht also das Nervensystem ar Hetero- poden (Fig. 5 und 6) aus zwei Cerebralganglien und zwei Pleuropedal- ganglien, zwischen denen die typischen Connective und Commissuren entweder deutlich erkennbar (Carinaria) oder durch Verschmelzung der Gerebropleural- und Gerebropedal-Connective verschleiert (Pferotrachea, Firoloides, Atlanta?) vorhanden sind, während die den Pleuralganglien entsprechenden Theile der Pleuropedalganglien durch eine achterförmige Visceraleommissur verbunden sind, in welche ein Abdominal- und ein

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken, 343

Supraintestinalganglion (Pterotrachea, Firoloides und Atlanta) oder außer- dem noch ein Subintestinalganglion eingeschaltet ist, und vom Supra- intestinalganglion entspringt in allen Fällen ein Nerv zum Geruchsorgan. Damit würde das Nervensystem der Heteropo- den vollständig auf das der Prosobranchien zurückgeführt sein und, da in der übrigen Organisation vollkommenste Übereinstimmung zwischen beiden Molluskengruppenr herrscht, auch weiter kein Grund bestehen, die Heteropoden als Classe von den Prosobranchien zu trennen, sondern die Heteropoden sind durch Anpassungan die pelagische Lebensweise modificirte Prosobranchien.

Dagegen lässt sich eine kleine, wie es scheint, scharf begrenzte Gruppe aus der Masse der Prosobranchien herausschälen, nämlich die von v. IHErInG unter dem Namen der Zeugobranchien seinen Chiastoneu- ren untergeordneten Haliotiden und Fissurelliden. Diese beiden Familien unterscheiden sich bekanntlich von den übrigen Prosobranchien durch den Besitz von zwei Kiemen, von denen die eine rechts, die andere links in der dorsalen Mantelhöhle liegt. Zwischen beiden Kiemen mün- det mit einem längern oder kürzern Analrohre der Darm aus, nachdem er kurz vorher das mit zwei Vorhöfen versehene Herz durchbohrt hat. Bei den Fissurelliden erscheinen die genannten Organe völlig symme- trisch angeordnet, bei den Haliotiden (Fig. 14) durch den großen Schalen- muskel sämmtlich nach links verschoben. Die Betrachtung des Nerven- systems lehrt indessen, dass diese Symmetrie nur eine scheinbare oder secundäre ist, und wir werden sehen, dass der Körper der Zeugobran- chien durchaus die typische Torsion des Prosobranchienkörpers besitzt.

Der Bau des Nervensystems von Haliotis (Fig. 1) ist dank den treff- lichen Untersuchungen von LacAze-DurHIers so genau bekannt wie von wenigen anderen Mollusken. Ich habe daher der Beschreibung des fran- zösischen Beobachters nichts hinzuzufügen, kann indessen in der Deu- tung eines wichtigen Abschnittes mit ihm und mit v. Iuerıng, der sich der Auffassung von LACAZE-DUTHIERS angeschlossen hat, nichtübereinstimmen. Die gangliösen Theile des perioesophagealen Nervensystems sind bei Halio- iis weniger von den Fasersträngen geschieden, und man kann daher keine scharf begrenzten Ganglien erkennen; aber es ist doch möglich, die den typischen Ganglien entsprechenden Abschnitte zu unterscheiden und zu benennen. Am leichtesten gelingt dies für die Cerebralganglien (Ce), die ‚zu beiden Seiten des Munddarmes liegen, während die Pedal- und Pleu- ralganglien einen gemeinsamen queren Strang (Pl.Pe) unter dem Schlunde bilden, der durch ein Gerebropedal- (ce.pe) und ein Cerebropleural- (ce.pl) Connectivpaar mit den beiden Cerebralganglien verbunden ist. Von diesem Pleuropedalstrange laufen zwei starke, von Ganglienzellen begleitete

344 J. W, Spengel,

Nerven (pe) in der Fußmusculatur bis nahe an das hintere Fußende, die durch eine Anzahl von Commissuren zu einer Art Strickleiter verbun- den sind. Von jedem dieser Stränge (Fig. 26) gehen lateralwärts zweierlei Nerven ab, von denen die ventralen den Fuß, die dorsalen die für Halio- tıs charakteristische krausenartige Umsäumung des dorsalen Theiles des Fußes versorgen. Lacaze-Duruiers betrachtet diese Krause als einen Theil des Mantels und nennt ihn daher »manteau inferieur«. Es würde danach von den großen Längsnervensträngen nicht nur der Fuß, sondern auch ein Theil des Mantels versorgt werden, und diese Thatsache ver- anlasst LAcaze-Duruiers, in den Längsnerven zwei Stränge zu unter- scheiden, nämlich einen »grand nerf palleal inferieur« und einen »grand nerf pedieux posterieur«, die nur durch eine »trace transparente « getrennt seien (p. 272). v. Inzrınag acceptirt diese Deutung und be- zeichnet den dorsalen Strang als »primären Pallialnerven«, den ventra- len als » primären Pedalnerven«, obwohl er die Krause als eine Epipo- dialbildung ansieht (p. 71). Dass v. Inzrıng im Rechte ist, wenn er die Krause dem Fuße zuzählt, geht aus jedem beliebigen Querschnitte durch eine Haliotis (Fig. 26 kr) unzweifelhaft hervor, eben so aber auch, dass die Trennung der Längsnerven in zwei Stränge in Wirklichkeit nicht besteht, sondern nur durch eine seichte Längsfurche vorgetäuscht wird. Dann aber können diese Nerven nur die Pedalnerven sein, und als solche müssen wir sie bezeichnen. Aus den Seiten des Pleuropedalstranges entspringt endlich die Visceralcommissur, die sich im Wesentlichen ganz eben so verhält wie die der anisobranchiaten Prosobranchien, vor Allem in typischer Weise torquirt ist, hinsichtlich der von ihr ausgehenden Nerven aber unser größtes Interesse beansprucht. Es ist hier (Fig. 1) nur ein Ganglion (Ab) in die Commissur eingeschaltet, das Abdominalganglion ; aus den dem Supra- und dem Subintestinalganglion entsprechenden Winkeln, an denen keine Ganglien liegen, geht je ein starker Nerv her- vor, der alsbald in ein Ganglion (O) eintritt. LacAze-Duruiers nennt diese Ganglien »ganglions branchiaux«, v. Inerıng aber hält sie für die beiden seitlichen Visceralganglien (Supra- und Subintestinalganglion). In Wirklichkeit haben dieselben eine ganz andere Bedeutung: es sind die Ganglien des bei Haliotis paarigen Geruchsorganes. An der Basis jedes Kiementrägers sieht man (Fig. 14) ein im Leben durch braunes Pigment ausgezeichnetes ovales Knötchen, das sich nach vorn in ein längs des freien Randes des Kiementrägers hinziehendes, gleich- falls pigmentirtes Band fortsetzt, und durchaus dem Geruchsorgan der Trochiden gleicht. Auf Querschnitten erkennt man in der Mitte das Ganglion und aus diesem strahlt eine Anzahl von Nerven aus, die in das flimmernde hohe Sinnesepithel, den Träger des Pigments, eintreten. Aus

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 345

dem hinteren Theile des Ganglions zweigt sich ein Nerv ab, der die Kieme versorgt.

Das Nervensystem von Fissurella stimmt in jeder Beziehung mit dem von Haliotis überein. Auch hier sind die zwei Längsnerven des Fußes, die durch Commissuren strickleiterartig verbunden sind, nicht primäre Pedal- und primäre Pallialnerven, wie v. Inerıng will!, sondern ausschließlich die Pedalnerven. Und eben so wie bei Haliotis sind nicht nur zwei Kiemen, sondern auch zwei an der Basis der Kiemen gelegene Geruchsorgane von einfachstem Baue vorhanden.

An die Haliotiden und Fissurelliden schließen sich die Palelliden an, die eine besondere Besprechung verlangen, da sie einige bemerkens- werihe Abweichungen darbieten und vermuthlich Übergangsformen von den Zeugobranchien zu den Anisobranchien enthalten. Dar? zerlegt die Patella-ähnlichen Schnecken in zwei Familien, von denen die der Ac- maeidae (mit den Gattungen Acmaea, Lottia und Scurria) durch den Besitz einer Kieme in der Mantelhöhle, die der Paiellidae (mit den Gat- tungen Patella, Patinella, Nacella, Helcion und Patina) durch den Mangel einer solchen »Nackenkieme«, dagegen den Besitz von Kiemenfäden in der Mantelrinne charakterisirt ist. Da die Gattungen Lottia und Scurria gleichzeitig eine Nackenkieme und Kiemenfäden in der Mantelrinne be- sitzen, so ist die morphologische Heterogeneität dieser beiden Arten von Athmungsorganen unzweifelhaft. Geruchsorgane waren bisher nicht be- kannt. Leider habe ich keinen Vertreter der Acmaeiden untersuchen können und muss mich auf eine Schilderung des Nervensystems von Paielliden beschränken, von denen ich Paiella vulgata untersucht habe (Fig. 2). Die beste Abbildung verdanken wir Lacaze-Durniers®; auch die von v. Inerına (Taf. VII, Fig. 31) ist im Wesentlichen richtig, giebt aber die Formverhältnisse ungenau wieder. Beide Beobachter stellen die achterförmig gewundene Visceralcommissur mit dem Abdominalgan- glion richtig dar und lassen von den dem Supra- und Subintestinalgan- glion entsprechenden Winkeln je einen Nerven zum Mantel treten. Ver- folgt man indessen diesen bis zu seinem Ende, so findet man daselbst ein kleines Ganglion (0), und über diesem liegt, wie man an Schnitten leicht sieht, ein hobes Cylinderepithel. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass wir auch hier wieder zwei Geruchsorgane mit den

1 H. v. Inerıng, Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Amphineuren und Arthrocochliden. Morph. Jahrb. Bd. II. p. 159.

2 W.H. DauL, On the limpets, Amer. Journ. of Conchology, vol. VI. pt. 3. 1871. p. 228— 282.

3 H. pe LacAze-Durniers, Otocystes ou capsules auditives des Mollusques. Arch. Zool. experim. t. 1. pl. IV, Fig. 46.

346 J. W. Spengel,

dazu gehörigen Ganglia olfactoria vor uns haben. Neben jedem ein kleines ovales Gebiet einnehmenden Geruchsorgane aber liegt eine gleich- falls ovale kleine Papille von orangegelblicher Färbung die (Fig. 28 k) von einem Netze relativ weiter Ganäle durchzogen ist und in der ich ein Rudiment der Nackenkieme glaube erblicken zu dürfen. Diese Deutung bedarf natürlich der Prüfung durch Untersuchungen über die Beziehungen zum Gefäßsystem so wie über das Verhalten bei anderen Arten und Gat- tungen der Patelliden, in denen möglicherweise die Organe in weniger reducirtem Zustande sich vorfinden werden. Bei Patina pellucıda scheinen sie mir noch weniger entwickelt als bei Patella; doch sind auch hier die beiden Geruchsorgane vorhanden.

Die von mir als rudimentäre Kiemen gedeuteten Organe der Patella vulgata sind in neuerer Zeit von zwei Beobachtern gesehen, indessen völlig verkannt worden. Ray LAnk&ster ! bezeichnet sie als » capito-pedal orifices« und sagt an einer Stelle, sie mündeten »in den die pharyngealen Eingeweide umgebenden Blutsinus«, an einer andern dagegen, sie » möchten als Genitalporen dienen«. v. Inrrına aber, der die Organe zuerst abbildet und für sie den Namen » Nuchalöffnungen « vorschlägt, konnte eine innere Öffnung nicht finden, und es schien ihm »als ob durch diese Nuchalöffnungen die in der Körperwand enthaltenen Blut- räume sich nach außen öffneten«2. Ich kann dagegen mit Bestimmtheit erklären, dass eine äußere Öffnung nicht existirt, die in Rede stehenden Organe daher weder Geschlechts- noch Gefäßöffnungen sein können, sehe aber in den Angaben der beiden genannten Beobachter über den Zu- sammenhang mit Theilen des Gefäßsystems eine Bestätigung meiner Deutung derselben als Kiemenrudimente, für welche mir in erster Linie das topographische Verhalten zum Geruchsorgan und Ganglion olfactorium zu sprechen scheint.

Schon bei Haliotis und Patella glaube ich die Anlagen der secun- dären Wurzeln der Visceralcommissur zu erkennen, und zwar in zwei Nerven, welche aus den Pleuralganglien entspringen. Bei Haliotis ver- bindet sich der linke (s) nach Lacaze-Durniers bereits in der für die Orthoneuren v. Inerıng’s typischen Weise mit der Visceraleommissur, wäh- rend der rechte (s’) in die rechte Seite des Mantels tritt. Bei Patella gehen beide in den Mantel und versorgen die hier gelegenen respira- torischen Blättchen.

Wollen wir auf Grund der auf den vorhergehenden Blättern darge-

1 E. Ray LANKESTER, On some undescribed points in the anatomy of the limpet (Patella vulgata). Ann. and Mag. Nat. Hist. (3) vol. XX. p. 334.

2 H. v. Inerıne, Zur Morphologie der Niere der sog. Mollusken. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. p. 605.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 347

stellten Thatsachen die Frage beantworten, wie wir uns die merkwürdige Torsion der Visceralcommissur entstanden denken sollen, so müssen wir zuvor erwägen, in welcher Gruppe der Prosobranchien wir die ur- sprünglichsten Formen zu erblicken haben. Nach der obigen Darstellung vom Verhältnis des Nervensystems der Chiastoneuren und des der Ortho- neuren zu einander könnte es auf den ersten Blick am einfachsten und naturgemäßesten erscheinen, die Orthoneuren als die ursprünglicheren Formen anzusehen und aus dem Nervensystem derselben dasjenige der Chiastoneuren dadurch abzuleiten, dass man sich die oben als secun- däre Wurzeln der Visceralcommissur bezeichneten Connective zwischen den Pleural- und Visceralganglien weggefallen denkt. Allein man über- zeugt sich doch bei reiflicher Erwägung der Thatsachen, dass die Sym- metrie des visceralen Nervensystems der Orthoneuren doch nur schein- bar ist. Wollte man das Subintestinalganglion in die Mittellinie, das Supraintestinalganglion sammt derKieme gemäß der Auffassung v. Inerıng’s an die rechte Seite verlegen und so die vermeintliche ursprüngliche Lage wieder herstellen, so würde zwar das Subintestinalganglion mit den beiden Pleuralganglien symmetrisch verbunden sein, die Visceralcom- missur aber, die Supra- und Subintestinalganglion verbindet, wäre gar keine Commissur mehr, sondern ein ausschließlich der rechten Seite angehöriger Nervenbogen, wie man sonst nichts der Art kennt, und die Existenz des Connectivs vom linken Pleuralganglion zu dem nach der Voraussetzung rechts gelegenen Supraintestinalganglion bliebe unerklärt. Dazu aber kommt, dass die Annahme derTranslocirung der rechten Kieme an die linke Seite des Darmes durch nichts mehr gerechtfertigt ist, nachdem wir erkannt haben, dass das zur Linken der Kieme gelegene gefiederte Organ keine rudimentäre Kieme, sondern ein Sinnesorgan ist. Vollends unhaltbar aber wird diese Hypothese durch den Nachweis der Existenz von zwei solchen Sinnesorganen bei den mit zwei echten Kiemen aus- gestatteten Zeugobranchien. Die Kieme der anisobranchiaten Prosobran- chien gehört mithin der linken Seite des Körpers an. Dann aber ist die Ableitung der Zeugobranchien aus diesen ganz undenkbar; es bleibt vielmehr nichts übrig, als die Zeugobranchien als die ursprünglicheren Formen zu betrachten. Dafür spricht von vorn herein der Umstand, dass - ihr Körper zwar nicht vollkommen symmetrisch ist, aber ein großer Theil der Organe doch wenigstens paarig ist. Dahin gehören in erster Linie die Kiemen und die Geruchsorgane, das Herz mit seinen zwei Vorhöfen und endlich nach den Beobachtungen v. Iszrıng’s! die Nieren. Zu letzte- rem Punkte muss ich mir jedoch einige Bemerkungen erlauben. An der

. 21H. v. Iaerıng, Zur Morphologie der Niere der sog. Mollusken. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. p. 537.

348 J. W, Spengel,

Existenz der beiden von v. Inerıng beschriebenen Organe kann kein Zweifel sein, eben so wenig wie an derjenigen ihrer symmetrisch rechts und links vom After gelegenen Mündungen. Allein es bleibt die merk- würdige, von v. IHErRInG richtig angegebene Thatsache bestehen, dass die Wandung der beiden Organe eine ganz verschiedene Structur be- sitzt, und derselben kommt doch vielleicht eine größere Bedeutung zu, als ihr Entdecker geneigt ist zuzugeben. v. Iuerına erwähnt nämlich nicht, dass man von einigen Anisobranchien (Purpura, Murex) zwei Drüsen zu den Seiten des Afters kennt, außer der Niere eine » Anal- drüse «, die LacazE Dutuiers entdeckt und in seiner Abhandlung über den Purpur beschrieben hat!. Ich möchte daher die Frage aufwerfen, ob nicht diese » Analdrüse« einer der beiden Nieren der Zeugobranchien entspricht. Dadurch wäre es natürlich nicht ohne Weiteres ausge- schlossen, dass beide Organe der Zeugobranchien Nieren seien, denn es könnte ja recht wol eine der Nieren zur Analdrüse herabgesunken sein. Andererseits ist es aber auch möglich, dass nur das eine Organ eine Niere ist. Darüber wird vor Allem der Nachweis einer Communication mit dem Herzbeutel entscheiden: mir ist ein solcher nur für die linke Niere von Haliotis gelungen. Diese aber ist gerade die kleinere und wird von v. Inzrıng bei Fissurella sogar als rudimentär bezeichnet. Ohne darauf viel Gewicht legen zu wollen, muss ich es aber doch jedenfalls für unrichtig halten, wenn v. Inerıne die linke Niere bei den Anisobran- chien völlig schwinden lässt; denn bei allen hierher gehörigen Arten, die ich selbst untersucht und von denen ich Abbildungen (z. B. in Bronn- Krrerstein, Taf. 78, 79) gesehen habe, liegt die Nierenöffnung zwischen Enddarm und Kieme, also links vom Darm, und auch LAcAZzE-DUTBIERS sagt von der Niere des Vermetus, sie finde sich in der »position habi- tuelle qu’on lui connait; on le trouve ä gauche de l’intestin rectum «2. Die Morphologie der Prosobranchien-Niere bedarf also, wie man sieht, einer neuen Untersuchung, welche diesen Möglichkeiten Rechnung trägt?®. Wie indessen die Antwort auch ausfallen mag, sie ändert an der That- sache nicht viel, dass bei den Zeugobranchien Organe paarig sind, welche bei den Anisobranchien nur einseitig ausgebildet sind, und in dieser Beziehung stehen gewiss die Ersteren den Urmollusken näher als die

1 H. De LAcAzE-Dutniers. Memoire sur la pourpre. Ann. Sc. Nat. Zool. (4) t. 12. p- 45.

2 H. pe LAcAzE-Dutalers, M&emoire sur l’anatomie et !’embryog£nie des Vermeis. Ann. Sc. Nat. Zool. (4) t. 43. p. 236.

3 Ich habe gelegentlich die Nieren einiger Prosobranchien (Dolium, Cassis, Cassi- daria, Buccinum, Murex) untersucht und überall einen großen Renopericardialporus

gefunden, der meines Wissens bis jetzt von Prosobranchien (abgesehen von den Heteropoden) nicht bekannt war.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. | 349

Letzteren, und wir werden daher, wenn wir eine Erklärung für die Kreuzung der Visceraleommissur suchen, von den Zeugobranchien aus- gehen müssen.

Wenn die Torsion im Laufe der Ontogenie zu Stande kommt, so dürfen wir erwarten, dass es möglich sein wird, dieselbe durch Rückdrehung wieder aufzuheben. Dieser Versuch muss natürlich mit der größten Umsicht ausgeführt werden, und namentlich darf man die Verbindungen, die zwischen dem Nervensystem und verschiedenen Organen des Körpers bestehen und natürlich den Bewegungen gewisse Schranken setzen, nicht außer Augen lassen. Die perioesophagealen Ganglienpaare müssen unverrückt um den Vorderdarm herum liegen bleiben: die Drehung be- schränkt sich auf die Visceralcommissur. Diese steht durch zwei Nerven mit epithelialen Sinnesorganen in Verbindung, die in der Rückenhaut des Thieres liegen, innerhalb dieser aber verschiedene Lage einnehmen können. Nicht ohne Weiteres klar ist die Lage der Commissur zum After, in so fern bei allen Zeugobranchien ein längeres Analrohr in die Kiemenhöhle hineinragt, an dessen Basis ventralwärts das Abdominal- ganglion liegt. Trotzdem hat man die Commissur als dorsal vom End- darm gelegen und nur durch die Ausbildung des dorsalwärts gekrümm- ten Afterrohres scheinbar ventral gerückt zu betrachten. Denn das terminale Ende des Körpers fällt bei den Zeugobranchien wie bei allen übrigen Prosobranchien nicht mit dem Hinterende zusammen, sondern ist auf den Rücken verschoben. Die weiteren Betrachtungen werden diese Auffassung erläutern und bestätigen. Durch dieselbe ist uns gleich ein Schritt vorgezeichnet, den wir bei unserm Versuche zur Rückdrehung des Nervensystems zu thun haben: wir müssen den After wieder ans Hinterende des Körpers bringen und lassen dabei die ihm benachbarten Theile, nämlich die Nierenöffnungen,, die Kiemen sammt den Geruchs- organen und das Abdominalganglion, folgen. Wir können dies Ziel auf dreierlei Wegen erreichen, indem wir den After erstens längs der Mittel- linie, zweitens im Bogen über die rechte Seite, drittens im Bogen über die linke Seite ans Hinterende schieben. Keine dieser Bewegungen allein führt zur Aufhebung der Torsion der Visceraleommissur. Durch eine Verschiebung im Bogen über die linke Seite würde die Torsion noch vermehrt werden, während eine Verschiebung über die rechte Seite zwar zur Folge haben würde, dass das Supraintestinalganglion in die rechte 'Körperhälfte fiele, allein das Subintestinalganglion bliebe nach wie vor gleichfalls in der rechten Hälfte liegen, da die Verbindung mit , dem Geruchsorgane verhindert, es unter dem Darme fort auf die linke Seite zu ziehen. Eine Bewegung des Afters in der Mittellinie nach hin- ten aber bringt allein keine irgend wesentlichen Veränderungen hervor. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XXXV. Ba. DA

390 J.. W. Spengel,

Es muss gleichzeitig eine Lagerungsänderung der umgebenden Organe, namentlich der Kiemen, und Geruchsorgane stattfinden, und zwar. in der Weise, dass dieselben sich um den Afterals Mittelpunkt eines Kreises so drehen, dass die linke Kieme mit dem zuge- hörigenGeruchsorgan imBogen vor demAfter herumauf die rechte, die rechte Kieme mit dem zugehörigen Ge- ruchsorgane im Bogen hinter dem After herum auf die linke Körperseite gelangt, bis sie gerade die entgegen- gesetzte Lage einnehmen. Während dieser Bewegung zieht sich die subintestinale Hälfte der Visceraleommissur unter dem Darme auf die linke Seite hinüber, denn sie findet kein Hindernis mehr, da die Verbindung des Subintestinalganglions mit dem Geruchsorgane jetzt hinter dem After vorbeischlüpfen kann, während die supraintestinale Hälfte gleichfalls unbehindert auf die rechte Seite gleitet. Der zwischen beiden Ganglien gelegene mittlere Abschnitt der Gommissur aber liegt nicht mehr vor, oder dorsal vom After, sondern hinter oder ventral von demselben. An dieser Drehung müssen natürlich alle benachbarten Organe theilnehmen, unter denen die Nieren und namentlich das Herz zu nennen sind. Die Vorhöfe des letzteren, in welche. bei den Zeugo- branchien wie bei allen übrigen Prosobranchien die Kiemenvenen von vorn her einmündeten, nehmen diese nach der Rückdrehung von hinten her auf, und die Aorta entspringt aus dem nunmehr naeh vorn gewendeten Ende des Herzens. Das Thier ist also nicht mehr prosobranchiat, sondern opisthobranchiat. Esist vollkommen symmetrisch und nur mit medianen oder paarigen Organen ausgestattet!. Um den Vorder- darm liegen die drei typischen Ganglienpaare mit den typischen Gonnec- tiven und Commissuren. Die Visceralcommissur ist sehr langgestreckt und liegt mit ihrem hintern Abschnitte hinter dem After, d. h. an der ven- tralen Seite des Darmes. Rechts und links vom After findet sich eine Nierenöffnung und eine Kieme, an deren Basis ein von der Visceral- commissur aus innervirtes Geruchsorgan mit großem Ganglion olfac- torium liegt. In die zwei Vorhöfe des Herzens münden von hinten die zwei Kiemenvenen ein. Aus einem so organisirten Mollusk kann man ‚sich durch eine der Bewegung des Uhrzeigers entgegen- gesetzt gerichtete Drehung des den Enddarm umgeben- den Organcomplexes um den Enddarm als Achse die Lagerung der Organe im Körper der Zeugobranchien entstanden |

1 Ich nehme dabei einstweilen die Duplicität der Nieren an. Die Geschlechts- sind noch nicht genügend untersucht, dass man sich eine Vorstellung von Irzustande bilden könnte.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken, 351

denken !, und ich bin geneigt, anzunehmen, dass diese Lagerung wirk- lich im Laufe der Ontogenie auf ähnliche Weise zu Stande kommt. Die Beobachtungen über die späteren Phasen der Entwicklung der Proso-

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Holzschnitt A.

! Ich habe in obenstehendem Holzschnitte einige successive Phasen dieses Drehungsvorganges darzustellen versucht, bemerke jedoch, dass in der Wirklichkeit die unter gleichzeitiger Größenzunahme des ganzen Thieres stattfindenden Ver- ' schiebungen nicht so auffällig und ausgiebig zu denken sind. Am besten kann man sich die etwas complicirten Lageveränderungen, welche diese Drehung zur Folge hat, in allen ihren Phasen an einem einfachen Modelle klar machen, das ich mir zusammengestellt habe, und das der Präparator GrApE am Zool.-zoot. Institut hier- selbst auf Wunsch anzufertigen bereit ist. Es besteht aus einem mit einem Glas- boden versehenen Blechkasten, in dem ein den Darm repräsentirender Eisenstab angebracht ist; um das hintere, den After darstellende Ende dreht sich eine Scheibe, welche einen kreisförmigen Ausschnitt der Decke des Kastens ausfüllt und außen die Kiemen nebst Geruchsorganen und die Manteldecke, innen das Herz, die Nie-

3u

352 J. W. Spengel,

branchien sind indessen noch zu dürftig, um eine Discussion aus diesem

Gesichtspunkte zu gestatten.

Entspricht der im Obigen dargelegte Versuch zur Erklärung der hisher räthselhaften Kreuzung des visceralen Nervensystems der Proso- branchien in der Hauptsache der Wirklichkeit, so ist also die linke Kieme der Zeugobranchien eigentlich die rechteund um- gekehrt, und dasselbe gilt für die Geruchsorgane und die Nieren.

Die Ableitung der Anisobranchien aus den Zeugobranchien ergiebt sich dann von selbst; nämlich einfach durch den Schwund der rechten Niere (siehe oben p. 348), der rechten Kieme und des rechten Geruchs- organes und compensatorische Vergrößerung der entsprechenden Or- gane der linken Körperhälfte. So bin also auch ich zu dem Resultate gelangt, dass die zur linken Seite des Darmes gelegene Kieme der Aniso- branchien eine translocirte rechte Kieme ist, allein auf ganz anderm Wege und in ganz anderm Sinne als v. Inrrıng; die sog. »rudimentäre Kieme« aber ist überhaupt kein Athmungsorgan, sondern ein Sinnes- organ und gehört nicht der entgegengesetzten, sondern derselben Seite wie die Kieme an.

Es entsteht jetzt natürlich die Frage, ob es etwa Mollusken giebt, die diesen hypothetischen zurückgedrehten Prosobranchien entsprechen, beziehungsweiseZwischenformen zwischen diesen und den gewöhnlichen Prosobranchien. Zwischenformen nun sind meines Wissens nicht be- kannt, und es scheint mir der Natur der Sache nach durchaus nicht nothwendig, dass sie je als ausgebildete Thiere bestanden haben. Denn wenn einmal die Druck- und Zugkräfte zu wirken begonnen hatten, welche die Drehung herbeiführten, so werden sie wahrscheinlich erst zur Ruhe gekommen sein, nachdem eine annähernde secundäre Sym- metrie erreicht war. Dagegen scheint mir ein Thier zu existiren, das der symmetrischen Stammform der Prosobranchien sehr nahe stehen dürfte, obwohl es in einem Punkte eine mir bis jetzt unerklärliche Ab- weichung zeigt. Es ist Chiton. Wir besitzen über das Nervensystem desselben außer einigen älteren Beschreibungen von CuvIErR, GARNER U. A. zwei ausführlichere Untersuchungen von E. Branpr! und von v. IHERING?.

ren und zwei kleine Ösen trägt. Durch diese Ösen läuft eine Gummischnur, welche von den gleich den übrigen perioesophagealen Ganglien mit Ölfarbe auf den Glas- boden gemalten Pleuralganglien ausgeht und die Visceralcommissur darstellt.

1 E. Branpt, Über das Nervensystem von Chiton (Acanthochites) fascicularis. Bull. Acad. Petersb. t. XIII. 4869. p. 462.

2 H. v. Inerıng, Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken. p. 43. Ferner: Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Amphi- neuren und Arthrocochliden. Morph. Jahrb. Bd. III. p. 456.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 353

Da die Darstellungen dieser Beobachter in einigen Punkten von einander nicht unerheblich abweichen, so habe ich einen Versuch gemacht, mir selbst durch Präparation und Schnitte das Nervensystem von Chiton vor Augen zu führen, ohne dass ich indessen zu vollkommener Klarheit ge- langt wäre. Beide Autoren beschreiben einen supraoesophagealen Bogen (Fig. 12 Ce) und von den Enden dieses ausgehend jederseits zwei starke Nervenstränge (Pe und V:), von denen der laterale (Vi) an der Basis der Kiemen hinziehend diese versorgt und von Branpr als » Kiemennerv «, von v. IHErıng als » primärer Pallialnerv« bezeichnet wird, während der mediale Strang, der Äste an den Fuß liefert, bei Branpr » Pedalnerv «, bei v. Iuering » primärer Pedalnerv« heißt. Der letztere Beobachter nun hat gefunden, dass die beiden primären Pedalnerven wie die ent- sprechenden Nerven von Haliotis und Fissurella durch eine Anzahl feiner Commissuren verbunden sind und dass »die beiden primären Pallial- nerven am bintern Körperende bogenförmig in einander übergehen « (Morph. Jahrb. III. p. 156). Unter dem Schlunde verläuft eine Com- missur, in welcher beide Autoren zwei laterale Ganglien unterscheiden (Subpharyngealganglien v. Iuerıng’s, vordere untere Pharyngealganglien Brandr’s); v. Inerıng nennt die Commissur »Subpharyngeal-Commis- sur«. Ich kann in diesen Subpharyngealganglien nach meinen Präpara- ten nichts erkennen als die etwas stärkeren Wurzeln der Commissur, die ich für die Pedalcommissur halte; es existirt ja auch bei Haliotis und Fissurella außer den zahlreichen feinen Commissuren zwischen den Pedalnerven eine stärkere vorderste Commissur als besondere Pedal- commissur. Die » primären Pallialnerven « betrachtet v. Inerıng als homo- log den von ihm mit dem gleichen Namen belegten dorsalen Hälften der Längsnerven des Fußes der Zeugobranchien; nachdem wir aber erkannt haben, dass diese eben nur die dorsalen Hälften der Pedalnerven sind und daher auf den Namen Pallialnerven keinen Anspruch haben, können wir auch diese Homologisirung nicht annehmen. Ist aber dieser Ver- gleich ausgeschlossen, so bleibt nur die Visceralcommissur übrig, und in der That bilden ja die in Rede stehenden Nerven bei Chiton, wie v. IBerıng nachgewiesen hat und durch Schnitte und Präparation leicht zu bestätigen ist, eine Commissur, d. h. sie gehen bogenförmig in ein- ander über. Ich will aber sogleich darauf hinweisen, dass dieser hin- tere bogenförmige Abschnitt bei Chiton stets dorsal vom Darme liegt, während die Visceralceommissur vor der Drehung ventral liegt. Trotz- dem glaube ich, an dieser Deutung, welche mir allein das Nervensystem

der Polyplacophoren auf das der übrigen Mollusken zurückzuführen zu ' gestatten scheint, festzuhalten, zumal da von dieser Visceralcommissur | wie bei den Prosobranchien die Nerven für die Kiemen abgehen. Die

354 I J. W. Spengel,

Kiemen aber sollen nach v. Inerına mit den Kiemen der Prosobranchien nichts zu thun haben, sondern wie diejenigen von Patella »Epipodial- kiemen « sein. Dagegen ist zunächst zu bemerken, dass die Vergleichung der Kiemen von Patella und Chiton von allen Untersuchern von Wiırrıans ! bis auf Dar ? mit Recht nachdrücklichst zurückgewiesen ist; ferner aber, dass weder die Kiemen von Patella noch die von Chiton als Epipodial- kiemen bezeichnet werden können, da beide dem Mantel angehören und dementsprechend innervirt sind, nämlich nach v. Inerrıng’s eigener Darstellung und Bezeichnung vom »primären Pallialnerven«. Anderer- seits hat schon WırLıams auf Grund einer sorgfältigen Untersuchung der Chitonkiemen ausgesprochen, »wenn bei COhiton zu jeder Seite der Afteröffnung ein Kiemenkegel stände und ohne Veränderung seiner Gestalt einfach vergrößert würde, so würden dadurch die Kiemen von Fissurella simulirt«, und ferner, »in der anatomischen Anordnung seien beide (d. h. die Kiemenkegel von Ohiton und die Kiemen von Fissurella) genau gleich«, und ihm hat sich Darı 3 angeschlossen. In der That ist die Übereinstimmung in den Grundzügen des Baues eine auffallende und weitgehende. =

Die Kiemen von Haliotis (Fig. 1%) oder Fissurella sind bekanntlich im Gegensatz zu den kammförmigen Kiemen von Buccinum, Murex und anderen » Pectinibranchien« federförmig, d. h. sie bestehen aus einem lang dreieckigen Mittelblatte, und auf jeder Seite dieses Blattes steht eine große Anzahl zarter dreieckiger Lamellen, die nach dem freien Ende der Kieme allmählich immer kleiner werden. Der feinere Bau dieser Lamellen bedarf weiterer sorgfältiger Untersuchung. Das Mittel- blatt besitzt zwei Ränder, einen mit Ausnahme des hintersten Ab- schnittes vollkommen freien dorsalen oder medianen und einen zum größten Theile am Boden der Mantelhöhle angewachsenen ventralen oder lateralen. Der vordere freie Abschnitt der Kieme wird von einem drei- eckigen, ausgeschweiften Fortsatze des Bodens der Mantelhöhle gestützt; dies ist der Kiementräger, an dessen medialer Seite das Geruchsorgan liegt. Den beiden Rändern des Mittelblattes entlang verlaufen zwei weite Gefäße: das ventrale führt das Blut zur Kieme und durch das

! T. WırLıans, On the mechanism of aquatic respiration etc. Ann. and Mag. Nat. Hist. (2) vol. XVI. p. 408.

2 W. H. Dart, On the limpets. Amer. Journ. Conchology. vol. VI. 1871. p. 240.

3 W.H. DaAıı, a. a. O.; ferner: Report on the limpets and Chitons of the Alas- kan and arctic regions. Scientific Results of the Exploration of Alaska. p. 67. »The gills are composed of a row of branchiae, each leaflet of which corresponds to a whole branchial plume, such as is found in Acmaea.« \

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 355

dorsale wird dasselbe, nachdem es zuvor die Lamellen durchströmt hat, in’den Vorhof des Herzens abgeführt!. Ganz entsprechend gebaut ist jeder Kiemenkegel von Chiton (Fig. 16). Ein solcher besteht aus einem Mittelblatte mit zwei Reihen von Lamellen;; durch den medialen, resp. ventralen Rand des Mittelblattes läuft das zuführende Gefäß, durch

1 v. IHerıng hat einen in manchen Puncten das Rechte treffenden Versuch ge- macht, die Morphologie der Prosobranchienkiemen zu klären. Da indessen die Auf- fassung des Geruchsorganes als translocirte linke Kieme nothwendig einige Irrthümer nach sich ziehen musste, so will ich das Verhalten der Kiemen und der Geruchs- organe an der Hand der beistehenden schematischen Querschnitte durch die Mantel- höhle und ihre Organe kurz darstellen. A stellt einen Schnitt durch den mittleren Theil der Mantelhöhle einer Zygobranchie dar: die Kiemen (k) hängen von ihrem Träger, 'an dessen medialer Seite das Geruchsorgan (o) sichtbar ist, frei in die Höhle hinein. Etwas weiter nach hinten (B) verbindet eine Membran ihren dorsalen Rand mit dem Afterkegel (a). Ein weiter nach vorn geführter Schnitt würde beide Kiemen vollkommen frei in der Mantelhöhle zeigen. Bei den Trochiden ist nur eine Kieme vorhanden, diese aber wie bei den Zygobranchien gefiedert, d. h. beide Seiten des Mittelblattes sind mit Lamellen besetzt. An der Spitze verhält sich diese Kieme genau wie die der Zygobranchien;; schon in der Mitte (C) aber verbindet eine Membran den dorsalen Rand mit der Manteldecke, welcher das Afterrohr eng anliegt. Durch diese Membran und den Kiementräger wird eine dorsale Höhle begrenzt, in welcher die lateralen Kiemenlamellen liegen. Am Kiementräger sitzt das Geruchsorgan (0). Bei der Mehrzahl der übrigen Azygobranchien (D) ist die

LU B

un

Holzschnitt 2.

_ Kieme (k) nicht mehr gefiedert, sondern nur kammförmig, indem die lateralen La- mellen geschwunden und die Verbindung mit der Decke der Mantelhöhle von hinten bis an das vordere Ende der Kieme vorgeschritten ist; die Höhle für die lateralen Lamellen existirt nicht mehr, und damit ist ein besonderer Kiementräger in Wegfall gekommen, so dass das Geruchsorgan (0) jetzt an der Decke der Mantelhöhle, links von der Kieme, liegt. Bei Ampullaria, deren sog. linke Kieme gleichfalls das Ge- ruchsorgan ist, ist dieses sehr weit von der Kieme weg ganz in die Nähe des links gelegenen Athemloches gerückt.

396 .J. W, Spengel,

den lateralen oder dorsalen das abführende; die Verbindung zwischen beiden stellen Blutcanäle her, die in den Lamellen liegen. Sind nun auch bei Chiton Geruchsorgane vorhanden? Ich bin nicht im Stande, diese Frage mit Sicherheit zu beantworten. Über der Basis der Kiemen verläuft, wie wir sahen, ein Nervenstrang, den ich als Visceralceommissur zu deuten versucht habe. Von diesem gehen Nerven in die Kiemen und zwar in jede Kieme zwei, von denen einer längs des lateralen, der andere längs des medialen Randes des Mittelblattes parailel den Ge- fäßen verläuft, und über dem lateralen oder dorsalen Nerven ist das Epithel an der Basis der Kiemen in einiger Ausdehnung wenigstens bei den untersuchten Chiton-Arten braun pigmentirt. Ich habe beobachtet, dass ruhig an der Wand einesGlasgefäßes hinkriechende Chitonen diesen pigmentirten Theil so vorwölbten,, dass der Strom des Athemwassers darüber kräftig hinstreichen musste. Indessen kann ich doch die Deu- tung dieses pigmentirten Epithels als rudimentäres Geruchsorgan nur mit Vorbehalt aussprechen : dasselbe würde alsdann bei Ohiton an der Seite des abführenden Kiemengefäßes liegen, während es bei allen Prosobranchien die Seite des zuführenden Gefäßes einnimmt. Wenn dies pigmentirte Epithel wirklich das Geruchsorgan darstellte, so läge darin natürlich ein sehr gewichtiges Argument für die Homologie der Kiemenkegel von Ohiton und der Kiemen der Zeugobranchien. Allein auch ohne dies scheint mir die Übereinstimmung im Bau der beiderlei Organe Beweis genug dafür zu sein, dass die in der Mantelrinne der Ghitonen gelegenen respiratorischen Kegel nicht eine aus vielen Theilen zusammengesetzteKieme, sonderneineAnzahlvon hinter einander gelegenen und den Kiemen der Proso- branchien homologen Kiemen darstellen; die Chitonen wären demnach nicht nur als Polyplacophora, sondern auch als Polybranchiata zu bezeichnen. Dann aber entspringen aus dem als Visceralcommissur gedeuteten Nervenstrange wie bei Prosobranchien die Nerven, welche die Kiemen versorgen, und ‘dies würde rückwärts schließend wieder ein Grund mehr sein, an dieser Deutung des Nervenstranges festzuhal- ten. Leider wissen wir nichts über die Innervirung des Herzens, der Niere und der Geschlechtsorgane; von Untersuchungen über diese Punkte ist der Beweis oder die Widerlegung dieser Auffassung zu erwarten. Wir wären somit zu einer Auffassung des Nervensystems von Chiton gelangt, welche eine Zurückführung der wichtigsten Theile! auf die typischen Bestandtheile des Prosobranchien-Nervensystems gestattet und zugleich auf einige andere Punkte der Organisation von Chiton will-

! Über die Sublingualganglien vermag ich zunächst nichts auszusagen.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 357

kommenes Licht wirft. Wir hätten danach in Chiton ein Mollusk vor uns, das der bilateral symmetrischen und ungedrehten Stammform der Prosobranchien näher steht als irgend ein anderes Mollusk, von dieser aber sich vornehmlich unterscheidet durch die dorsale Lage der Visce- ralcommissur,, die ihre Erkläruug wol nur in einer späteren Bildung des Afters finden dürfte. Ob die große Zahl der Kiemen eine von Chiton erworbene Eigenthümlichkeit ist, oder ob die Zweizahl einen Reductionszustand darstellt, lässt sich nicht entscheiden. Zu beachten ist die Existenz zweier Geschlechisöffnungen. Genaue Untersuchung erheischt dringend das Verhalten der Niere, namentlich mit Rücksicht auf ihre äußere Mündung und ihre Beziehung zum Herzbeutel, resp. der Leibeshöhle.

An die Chitonen dürften sich, wie LeuckArrT und v. Inrrıng bereits ausgesprochen haben, die Gattungen Neomenia und Chaetoderma an- schließen, deren Mollusken-Natur durch die neueren Untersuchungen immer unverkennbarer wird, während die Beziehungen zu den » Wür- mern« mehr und mehr schwinden. Ich muss es mir versagen, bei dieser Gelegenheit über eigene Untersuchungen, die ich an Neomenia, Chaeto- derma und ein paar verwandten unbeschriebenen Formen angestellt habe, Mittheilungen zu machen, da dieselben noch nicht abgeschlossen sind, und will nur auf die Schilderung der: Organisation von Chaeto- derma durch Hansen! hinweisen, in welcher wir ein Herz mit einer vordern Aorta, zwei vielleicht als Nieren anzusprechende Organe kennen lernen und gleichzeitig den Nachweis erhalten, dass der Zahn in der Mundhöhle liegt und von zwei Knorpeln gestützt wird, so dass die Ra- dula nicht zu verkennen ist. Und nach Koren und DanIELssen 2 besitzt auch Neomenia ein Herz und einen complicirt gebauten zwittrigen Ge- schlechtsapparat mit Eiweißdrüse, Schleimdrüsen und Receptaculum seminis. Sehr groß aber ist die Übereinstimmung im Nervensystem nach den Untersuchungen von GrArF 3. Die von diesem Beobachter veröffent- lichte schematische Abbildung des Nervensystems von Neomenia ist fast identisch mit unserer Abbildung des Nervensystems von Chiton (Fig. 12). Welche Bewandtnis es mit dem innern Schlundring hat, ob derselbe die Bucealcommissur oder eine Sublingualcommissur wie bei Chiion dar- stellt, ist nicht ersichtlich. Vor Allem aber ist die Existenz der langen

1 A, Hansen, Beskrivelse af Chaetoderma nitidulum Loven. Nyt. Mae. f. Naturv. XXI. 1877. Siehe Jahresber. über Anat. u. Phys. 4877. II. p. 89.

2 J. Koren og D. C. DaAnIELSsEn , Beskrivelse over nye arter henhoerende til slaegten Solenopus. Archiv for Mathematik og Naturvidensk. 1877. p. A.

3 L. Grarr, Anatomie des Chaetoderma nitidulum Loven. Diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 4166. Neomenia und Chaetoderma. Ebenda. Bd. XXVIII. p. 557.

358 J. W. Spengel,

ungedrehten Visceralcommissur (sn in GrArF's Figur) hervorzuheben, die am Hinterende zu einem dorsal vom After gelegenen Kiemengan- glion anschwillt. Das Nervensystem von Chaetoderma ist wesentlich gleich gebaut, nur fehlen die Commissuren zwischen den Pedalnerven. Nicht unerwähnt lassen möchte ich mit Bezug auf eine oben berührte Frage, dass Ohaetoderma und Neomenia ein Paar Kiemen -besitzen. Wie weit die Ähnlichkeit im Bau der drei Gattungen Chiton, Chaetoderma und Neomenia geht, lässt sich heute noch nicht sagen; sicher ist dieselbe sehr groß und erstreckt sich schon jetzt auf eine Anzahl wichtiger Organe, namentlich aber auf das Nervensystem, und hier ist allen dreien der Besitz einer dorsalen ungedrehten Visceralcommissur, von welcher die Kiemennerven ausgehen, gemein, so dass die vorläufige Vereinigung derselben in einer mit dem v. Inerıng’schen Namen Amphi- neuren! zu belegenden Molluskenclasse gerechtfertigt erscheint. Nachdem uns bei der Betrachtung der Prosobranchien das Geruchs- organ einen so vortrefflichen Wegweiser geliefert hat, wird es unsere nächste Aufgabe sein, zu ermitteln, ob auch die Opisthobranchien solche besitzen. Die bisherigen Beschreibungen wissen nichts davon. Ich er- fuhr indessen durch eine mündliche Mittheilung meines Freundes H. v. Inerıng, dass bei Aplysia in der Nähe der Kieme ein bisher unbe- kanntes Sinnesorgan von ihm aufgefunden sei. Ich unternahm daher, sobald sich mir Gelegenheit bot, eine Untersuchung der betreffenden Region des Aplysia-Körpers und entdeckte auch leicht das gesuchte Organ in Gestalt eines von bräunlichem Pigment umgebenen Grübchens, dessen Grund eine weißliche, kaum merklich gewölbte Scheibe ein- nahm. Das Organ (Fig. 8 und 20) liegt dicht vor der Kieme, zwischen dem Vorderende derselben und der Mündung einer eigenthümlichen, von Cuvier als »corps en forme de grappe« beschriebenen Drüse, die einen ätzenden Saft absondern soll?. Es gelingt sehr leicht, die Innervirung dieses Organes festzustellen. Um den Schlund liegen die drei typischen Ganglienpaare, die genau in derselben Weise verbunden sind wie bei den Prosobranchien. Pieural- und Pedalganglien sind nahe an einander gerückt. Aus jedem Pleuralganglion entspringt ein langer Nerv, der unter den Eingeweiden hin zu einem in der rechten Körperhälfte, dicht vor dem Herzbeutel gelegenen Ganglion zieht, wie dies Alles von Üuvier (a. a. ©. pl. Il und IV) schon trefflich abgebildet ist. Aus jeder Hälfte dieses Ganglion entspringen Nerven, und zwar aus der linkenu. A. ein mit einem Ganglion versehener Genitalnerv, und aus der rechten u. A. ein

1 H. v. Inerıng, Nervensystem der Mollusken. p. 31, 44. 2 G. Cuvier, Memoires pour servir a l’histoire et a l’anatomie des Mollusques. Art. iX.: Sur le genre Aplysia. Paris 1847. p. 24. pl. IV, Fig. 4 und 2 3.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 359

Nerv, der unter dem besagten Sinnesorgane ein Ganglion bildet und dann zur Kieme weiterzieht. Es ist wol nicht zu bezweifeln, dass die beiden Nervenstränge, die aus den Pleuralganglien entspringen und sich in dem rechts gelegenen Ganglion vereinigen, die Visceralcommissur darstellen; dafür spricht abgesehen von ihrem Ursprunge die charakte- ristische Verbindung mit einem Sinnesorgan, das dem die Kieme ver- sorgenden Nerven ansitzt, gerade wie das Geruchsorgan der Prosobran- chien. Der gröbere Bau des Geruchsorgans der Aplysıa ist sehr einfach ; ein senkrechter Schnitt durch dasselbe (Fig. 29) zeigt uns ein etwa halb- kugliges Ganglion olfactorium mit den charakteristischen ungeheuren Ganglienzellen der Opisthobranchien und über diesem ein Cylinderepithel mit kurzen Wimpern. Dieser Epithelfleck ist fast kreisrund und gegen die sehr dunkel pigmentirten wimperlosen Zellen der umgebenden Haut ziemlich scharf abgesetzt. Wie sonst habe ich auch hier die feineren Structurverhältnisse des Epithels nicht in den Bereich der Untersuchung gezogen.

Das Ganglion olfactorium ist schon von v. InerınG als »ein nahe an dem Ursprung des Vorhofes des Herzens aus der Kieme liegendes kleines Ganglion« beschrieben und abgebildet (p. 211. Taf. IV, Fig. 1A).

Gleiche Geruchsorgane von ebenfalls sehr geringer Größe habe ich bei Doridium aplysiaeforme und Gastropteron Meckelü (Fig. 21) gefun- den. Von letztgenannter Form ist das zugehörige Ganglion olfactorium auch v. IuErine nicht entgangen. Es ist das von ihm beschriebene Gan- glion des Kiemennerven »etwa in der Mitte zwischen dem vordern Ende der Kieme und dem hintern Ende der Stirnscheibe « (p. 213). Dagegen ist seine Darstellung der Innervirung zwar richtig, bedarf jedoch einiger näheren Erläuterung. v. Inzrıng lässt den Kiemennerven (Taf. III, Fig. 11, g) aus dem rechten » Visceralganglion« entspringen. Dieses ent- spricht nun nicht einfach dem Pleuralganglion (= Commissurganglion v. [BHErıng’s), sondern besteht (Fig. 7) aus mindestens zwei (oder drei) Ganglien, von denen das vorderste das rechte Pleuralganglion darstellt, das hintere aber ein Ganglion der Visceralcommissur, also ein Visceral- ganglion in unserm Sinne ist. Aus diesem nun kommt der Nerv hervor, der das Geruchsorgan und die Kieme versorgt. Beide Organe gehören wie bei Aplysia der rechten Körperseite an. Zwei weitere Visceral- ganglien sind nahe an das linke Pleuralganglion herangerückt, doch mit diesem nicht so innig verbunden wie auf der rechten Seite. Der Genital- neryv entspringt aus dem hintern Bogenabschnitte der Visceralcommissur, deren beide Schenkel ventralvom Darme verlaufen.

Das Geruchsorgan von Doridium aplysiaeforme und den dazu ge- hörigen Nerv scheint v. Inerıng übersehen zu haben, oder aber das

\

360 J. W. Spengel,

Nervensystem dieser Art stimmt doch nicht so vollkommen mit dem von Philine aperta überein, wie dieser Beobachter angiebt (p. 215). Ich habe letztere Art nicht untersucht, kann mich daher über dieselbe nicht mit Bestimmtheit aussprechen; doch muss ich die Richtigkeit der Schilde- rung v. Inerıng’s jedenfalls in dem Punkte bezweifeln, dass der Kiemen- nerv aus in der Mitte der Visceralcommissur eingelagerten Ganglien entspringe. Bei Doridium sind an der rechten Seite vom Schlunde vier Ganglien vorhanden, von denen drei durch die typischen CGonnective verbundenen dem Cerebral-, Pedal- und Pleural-Ganglion entsprechen, das vierte aber, das den rechten vordern Winkel des Dreiecks bildet und von v. IHERInG bei Philine zum Pleuralganglion gezogen ist, der Visceral- commissur angehört, wie daraus hervorgeht, dass aus ihm außer einem Nerven zum hintern Visceralganglion ein ziemlich starker Strang hervor- geht, der neben dem erstern herläuft und am vordern Ende der Kieme, zwischen dieser und der Geschlechtsöffnung, ein Ganglion bildet, das nichts anderes als das Ganglion olfactorium ist; über ihm lagert ein helles, von braunem Pigment umsäumtes Geruchsorgan. Der linke Schenkel der Visceralcommissur, der zum linken Pleuralganglion zurück- führt, verläuft wie der rechte ventral vom Darm.

Bei anderen Opisthobranchien ist es mir nicht gelungen, Geruchs- organe aufzufinden, und es bleibt daher weiteren Forschungen vorbe- halten, zu entscheiden, welche Verbreitung dieses Organ in der so formenreichen Ordnung hat. Die drei genannten Arten gehören sämmt- lich einer Gruppe an, die ihren Namen einem Charakter verdankt, der für die Ausbildung des in Rede stehenden Sinnesorganes sicherlich nicht ohne Bedeutung ist, der Gruppe der Tectibranchia Guvier’s oder der Steganobranchia v. Inerıng's. Die Kiemen liegen im Gegensatz zu den meisten übrigen Opisthobranchien, die wol als Dermatobranchia zu- sammengefasst werden, in einer nach außen mehr oder minder voll- kommen verschließbaren Kiemenhöhle, können also, wenn durch das Geruchsorgan eine ungeeignete Beschaffenheit des Alhemmediums ange- zeigt wird, diesem entzogen werden. Es wäre daher denkbar, dass das Geruchsorgan unter den Opisthobranchien wirklich auf die Tectibran- chien beschränkt wäre.

Die Erhaltung des Geruchsorganes in der Gruppe der Tectibran- chien aber ist für uns von größter Wichtigkeit, indem sie uns gestattet, Schlüsse hinsichtlich der Homologien im Nervensystem der Opistho- branchien und Prosobranchien zu ziehen, deren Tragweite ich recht hoch anschlagen möchte. Unter der Voraussetzung, dass die Geruchs- organe der Prosobranchien und der Opisthobranchien einander homolog seien und dafür spricht die Lage in der Nähe der Kieme, die Ver-

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 351

bindung mit dem diese versorgenden Nerven und die Zusammensetzung aus einem peripherischen Ganglion und einem diesem aufgelagerten hohen wimpernden Epithel werden wir nicht daran zweifeln dürfen, dass die Commissur, aus welcher der zum Ganglion olfactorium tretende Nerv sich bei den Tectibranchien 'abzweigt, die gleiche Commissur ist, welche bei den Prosobranchien die Geruchsnerven abgiebt. Dies ist aber bei den untersuchten Arten überall die Visceralcommissur ; dess- halb war Gewicht darauf zu legen, dass bei Gastropteron wie bei Dori- dium der Geruchsnerv nicht aus dem Pleuralganglion, sondern aus einem Visceralganglion entspringt, wie es oben geschehen ist. In diese Com- missur sind wie bei den Prosobranchien Visceralganglien eingeschaltet, welche Nerven für den Mantel und verschiedene Eingeweide, namenti- lich Nieren, Geschlechtsorgane und Herz, liefern. Sie verläuft aber nicht mit ihrem linken Schenkel unter, mit ihrem rechten Schenkel über dem Darme hin, sondern liegt ganz ventralvomDarm; sie istnicht gedreht, und das Geruchsorgan liegt nichtanderlinken, sondernan der rechten SeitedesKörpers. Ein Vergleich aber mit dem hypothetischen zurückgedrehten Nervensystem der Prosobran- chien lehrt uns, dass vollste Übereinstimmung besteht, sobald wir uns die linke Kieme sammt dem zugehörigen Geruchsorgan geschwunden denken. Erinnern wir uns aber, dass auch bei den Prosobranchien die ursprüng- liche linke Kieme und das ursprüngliche linke Geruchsorgan geschwun- den, die jetzt bei den gewundenen Thieren links vom Darme gelegenen Kieme und Geruchsorgan ursprünglich der rechten Seite angehört hatten, so kommen wir zu dem Schlusse, dass 1) die Kieme und das Ge- ruchsorgan der Tectibranchien den gleichnamigen Or- ganen der Prosobranchien entsprechen, und 2) dass das Nervensystem der Tectibranchienim Wesentlicheniden- tisch mit dem der Prosobranchien ist. Erwägen wir endlich, dass durch die hypothetische Rückdrehung der Prosobranchien die Lage der Kiemen und der Aorta zum Herzen umgekehrt worden, die Proso- branchien, mit anderen Worten, in Opisthobranchien verwandelt waren, so werden wir kein Bedenken mehr tragen, das Verhältnis der Proso- branchien zu den Opisthobranchien so auszudrücken, dass wir sagen: Prosobranchien und Opisthobranchien leiten sich von einer gemeinsamen Stammform ab, und sind aus dieser entstanden durch Drehung des perianalen Organcomplexes um 480° die Prosobranchien; bei den anisobranchiaten Prosobranchien wie bei den tectibranchiaten Opistho- branchien sind die Bestandtbeile der linken Hälfte dieses Organcomplexes geschwunden. Auf den Hermaphroditis- -

362 J. W. Spengel,

mus wird man, obwol er nach den bisherigen Beobachtungen allen Opisthobranchien eigen zu sein scheint, während weitaus die üher- wiegende Mehrzahl der Prosobranchien getrennigeschlechtig ist, wol kein entscheidendes Gewicht legen dürfen ; wenigstens scheint mir die einzige bekannte Ausnahme von dieser Regel, der complicirte Zwitterapparat von Valvata piscinalis zu beweisen, dass man auf diesen Grund hin keine scharfe Trennungslinie ziehen kann. Und was die Ausbildung von Anhangsdrüsen am Geschlechtsapparate betrifft, so wäre auf die Eiweißdrüse von Neritina und Paludina hinzuweisen (siehe die Abbildung bei Krrerstein in Bronn’s Klassen und Ordnungen nach BaupeLor, Taf. 88, Fig. 5).

Mit diesem Mangel der Torsion der Visceralcommissur hängt eine Erscheinung zusammen, die uns bei den Opisthobranchien vielfach in auf- fälligster Weise entgegentritt. Da die ungedrehte Commissur ausschließ- lich ventral vom Darme liegt, so kann der hintere Bogenabschnitt aus der ursprünglichen Lage in der Nähe des Afters weit nach vorn, bis hart an den Schlund rücken. So kommt der kurze enge viscerale Schlund- ring mit äußerster Annäherung der Visceralganglien an die drei Ganglien- paare des perioesophagealen Nervensystems zu Stande, wie wir sie bei den Pleurobranchiden und namentlich bei allen Dermatobranchien finden, während bei den Prosobranchien wol die Visceralganglien auf der Com- missur bis nahe an den Schlund gleiten können, wie z. B. bei Buccinum, die Commissur selbst aber nie sich zum engen Schlundringe zusammen- ziehen kann, da ihr mittlerer Abschnitt dorsal vom Darm liegt.

In der gesammten Anordnung des Nervensystems, namentlich auch hinsichtlich des letzterwähnten Verhältnisses, der Verkürzung der Vis- ceralcommissur, schließen sich den Opisthobranchien aufs Engste die Pulmonaten an. Ich kann hier die Streitfrage, welche Beziehungen zwischen den beiden großen Gruppen der Lungenschnecken, den wasserbewohnenden Basommatophoren A. Scum. oder Branchiopneusten v. Iuerıng und den landbewohnenden Stylommatophoren A. Scum. der Nephropneusten v. Iuerıng bestehen, unerörtert lassen, da das, was ich vorzubringen habe, sich auf die Basommatophoren beschränkt. Für diese schließe ich mich v. Inerıng’s Meinung an, dass sie von Formen abzuleiten sind, die mit den Tectibranchien verwandt waren und wie diese eine Kiemenhöhle mit einer Kieme besaßen. Doch möchte ich mich nicht gerade für die Tectibranchien selbst entscheiden, sondern vielmehr für die noch mit zwei Kiemen etc. ausgerüsteten Stammformen. Alle Basommatophoren besitzen eine ungedrehte, kurze Visceraleommis- sur, in welche drei oder vier Visceralganglien eingeschaltet sind (Lim- naeus, Fig. 41). Von diesen versorgen die zwei vordersten den Mantel,

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 363

die mittleren oder das mittlere die Eingeweide. Von den ersteren aber giebt eines, und zwar bei den rechtsgewundenen Gattungen Limnaeus und ‚Physa das rechte, bei der linksgewundenen Planorbis das linke einen Nerven an das von LacAzE-Duruiers ! entdeckte »nouvel organe d’innervation«, das entsprechend an der rechten, resp. linken Seite der Mantelhöhle gelegen ist. Die Schilderung, welche LacazE-Dursiers selbst und nach ihm Sımrortu 2 vom Baue dieses Sinnesorganes giebt, lässt mir keinen Zweifel darüber, dass es dasselbe Geruchsorgan ist, das wir nunmehr schon von allen Prosobranchien und einer Reihe von Tecti- branchien kennen. Lacaze-Durtniers charakterisirt das Organ als »eine Einstülpung eines Diverticulums der Haut und des äußern Cylinder- epithels in die Mitte eines Ganglions«. Sımrorn fügt einige Detailan- gaben hinzu und bildet einen Schnitt durch das »Lacaze’sche Organ« ab (Taf. XIX, Fig. 13). Neuerdings erwähnt es For ? in seiner Abhandlung über die Entwicklung der Mollusken. Er schildert nicht nur die be- greiflicherweise sehr einfache Entwicklung, sondern er vergleicht auch das Organ, dem er auch die Function eines Geruchsorganes zuschreibt, dem sogleich zu besprechenden Wimperorgan der Pteropoden, dem Wimperorgan der Heteropoden (vergl. oben p. 341) und dem von Lacaze- Dutuiers (a. a.O. pl. III, Fig. 8 p) abgebildeten, aber nicht beschrie- benen Geruchsorgan von Cyclostoma. Dass wir auch in dem »LaAcaAzr- schen Organ das Homologon des Geruchsorgans der Tectibranchien und Prosobranchien vor uns haben, bedarf nach dem über den Bau und die Innervirung Gesagten kaum der ausdrücklichen Constatirung. Dagegen hegegnen wir hier zum ersten Male einer Eigenthümlichkeit, die mir von Bedeutung für die Beurtheilung der Topographie des Schneckenkörpers überhaupt zu sein scheint. Ich meine die Inconstanz der Lage. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als sei die Verlegung des Geruchsorganes auf die linke Seite bei Planorbis eine einfache und nothwendige Folge der entgegengesetzten Windung des Körpers und der Schale. Allein es zeigt sich hier sehr deutlich, dass die Torsion der Visceralcommissur streng zu unterscheiden ist von der Windung des Eingeweidesackes: es sind nicht nur bei den Prosobranchien, wo die Torsion besteht, die Schalen durchgehends eben so gewunden wie bei der Mehrzahl der Pul-

1 H. pe LAcAze-DUTHIERS, Du Systeme nerveux des Mollusques Gasteropodes Pulmones aquatiques et d’un nouvel organe d’innervation. Arch. de Zool. exper. 1.0: 437.

2 H. Sınrora, Über die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Weichthiere. Diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 308: »LAcaze’sches Organ «. Ferner Anhang. p.338 ff.

3 H. For, Sur le developpement desMollusques. Arch. de Zool. experim. t. VIII. 1880. p. 166—167.

364 J. W, Spengel,

monaten, deren Visceralcommissur nicht gedreht ist, sondern die Rich- tung der Windung des Eingeweidesackes bei den Pulmonaten braucht nicht der Lage des Geruchsorganes zu entsprechen. Aller Wahrschein- lichkeit nach liegt dieser Fall bei Auricularia vor. Die Visceraleommissur dieser rechts gewundenen Schnecke, deren Nervensystem ich nur aus der Beschreibung und Abbildung v. Inerıng's (a. a. O. p. 222. Taf. IV, Fig. 15) kenne, enthält wie gewöhnlich drei Ganglien, und von diesen giebt das linke vordere (»Parietalganglion« v. Inerıng’s) außer einem feinen den Spindelmuskel versorgenden Nerven »einen sehr dicken Nerven ab, welcher nach außen läuft und bevor er sich in die Körper- wand verbreitet, ein Ganglion bildet, aus dem drei Nerven für die seit- liche Körperwandung und den Mantel entspringen«. Es scheint mir offenbar, dass dies Ganglion das Ganglion olfactorium ist. Ist dies aber der Fall und sind im Übrigen die Beobachtungen v. Inerıng’s richtig, so besitzt die rechtsgewundene Auriculariaeinlinkes Ge- ruchsorgan. Thatsachen dieser Art so wie allein schon die Erschei- nung der Inconstanz der Lage des Geruchsorganes nöthigen, meines Erachtens, zu der bereits oben erwähnten Annahme, dass die Pulmona- ten von Mollusken abstammen, welche noch beide Geruchsorgane, das rechte wie das linke, besaßen, nicht aber von Tectibranchien, denen nur das rechte Organ zukommt. |

Bei den Pteropoden hat GEGEnBAur ! Wimperorgane in bestimmter, charakteristischer Lage und Beziehung zum Nervensystem genauer be- schrieben und als Sinnesorgane gedeutet, die wir gleichfalls als Ge- ruchsorgane in Anspruch zu nehmen haben. Bei Hyalaea compla- nata fand er in der rechten Seite der ventralen Mantelhöhle vier Flimmerlinien,, von denen die drei vordersten einfache Reihen von Wimperzellen waren, während die vierte, innerste »als Grundlage eine homogen scheinende gelbliche Substanz zeigt. In diese Grundlage tritt ein starker Ast des Mantelnerven«. Die Vermuthung GEGENBAUR’s, diese Grundlage sei ein Ganglion, bin ich in der Lage, durch eigene Unter- suchung bestätigen zu können. In etwas geringerer Ausbildung dürften nach GEGEnBAuRSs Schilderung homologe Flimmerleisten bei Cymbulia Peroniüt (p. 50) und bei Tiedemannia (p. 62) vorhanden sein; doch fehlen hier Angaben über die Innervirung. Ein augenscheinlich hierher ge- höriges Organ hat GEGENBAUR bei einem jungen Pneumodermon beobachtet. Er beschreibt es folgendermaßen: »Es liegt auf der Bauchseite an der Basis des-über dem Herzen entspringenden Hautanhanges und wird hauptsächlich von einem gelblichen, etwas erhabenen Kreiswulste, der

1 C. GEGENBAUR, Pteropoden und Heteropoden. Leipzig 1853.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 365

0,44—0,20”’ im Durchmesser besitzt, gebildet. Von dem äußern Rande dieses Wulstes entspringen lange, lebhaft schlagende Cilien; von der Hälfte des Innenrandes treten fünf bis sechs Fortsätze, wie die Speichen eines Rades zum Mittelpunkt, um dort in einen Strang zu verschmelzen«, nämlich einen Nerven, den GzGEnBAUrR bis zum rechten unteren Schlund- ganglion verfolgen konnte. Die Geruchsorgane der thecosomen Pteropo- den sind in neuerer Zeit dann wieder von For! erwähnt und an der bereits oben angezogenen Stelle dem »Lacaze’schen Organ« der Pulmo- naten und dem Geruchsorgan der Heteropoden und der Paludina ver- glichen.

Betrachten wir nunmehr den Zusammenhang mit dem Nerven- system, über den leider in keinem einzigen Falle ganz präcise Beob- achtungen vorliegen. Am übersichtlichsten sind die Verhältnisse bei den Gymnosomen nach den Schilderungen von SouL£EyET 2, dessen Werke die Abbildung Fig. 10 entlehnt ist. Man erkennt leicht die sich in der Mittellinie berührenden Cerebralganglien (Ce), von denen Nerven zu den CGephaloconen und anderen Kopfanhängen ausgehen, die in der Tiefe gelegenen Pedalganglien (Pe), deren Nerven nicht gezeichnet sind, und zu beiden Seiten die Pleuralganglien (Pl). Es bestehen die typischen Connective. Von den Pleuralganglien geht die ventral verlaufende Visce- ralcommissur mit zwei Visceralganglien aus (blau). Das rechte von diesen muss dem von GEGENBAUR erwähnten unteren Schlundganglion ent- sprechen, zu dem dieser Beobachter den Nerven vom Geruchsorgan verfolgte. Nach SouLzyer’s Beschreibung geben die Visceralganglien wie bei allen anderen Mollusken Nerven zu den Eingeweiden und zum Mantel ab. Es dürfte also auch bei Pneumodermon das Geruchsorgan von einem rechten Ganglion der Visceralcommissur aus innervirt sein.

Das Nervensystem der Thecosomen unterscheidet sich von dem der Gymnosomen hauptsächlich in Charakteren, die mit der geringen Ent- wicklung des Kopfes einerseits und mit der mächtigen Ausbildung des weit nach vorn gerückten zweilappigen Schwimmfußes andererseits in Zusammenhang stehen. Die Pedalganglien von Hyalaea (Fig. 9) nehmen die vorderste Stelle ein und hinter ihnen liegen, gleichfalls ventral oder seitlich vom Darm, durch eine lange dorsale Commissur verbunden, zwei Ganglien, die den verschmolzenen CGerebral- und Pedalganglien entsprechen. Die Gonnective und Commissuren dieser perioesophagealen Ganglienpaare sind mit Ausnahme der Cerebraleommissur, als welche wir die erwähnte lange dorsale Commissur erkennen, aufs äußerste ver-

| ı H. For, Etudes sur le developpement des Mollusques. I. mem. Sur le deve- ' loppement des Pt6ropodes. p. 143, 167.

2 Voyage de la Bonite. Mollusques par SoULEYET. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 95

366 J. W, Spengel,

kürzt, und ebenso wird die Visceralcommissur vollständig von den zwei sich berührenden Visceralganglien eingenommen. Von diesen entspringen dann in genau derselben Weise wie bei Pneumodermon vier Nerven, von denen die zwei mittleren die Eingeweide und zwei äußeren den Mantel versorgen, und unter den letzteren tritt der rechte an das oben be- sprochene Geruchsorgan, wie ich mich durch eigene Untersuchung von Hyalaea und Oleodora überzeugt habe. Sruarr ! lässt irrthümlicher- weise das Flimmerorgan von Creseis acicula an der linken Seite liegen, beschreibt aber im Übrigen die Innervirung richtig.

Die angeführten Gattungen, die theils den Gymnosomen, theils den mit einer ventralen Mantelhöhle ausgestatteten Thecosomen angehören, besitzen also sämmtlich ein Geruchsorgan an der rechten Seite, dasmiteinem rechten Visceralganglion in Verbindung steht. Leider fehlen uns dagegen über das Geruchsorgan der Limaciniden, deren Mantelhöhle dorsal liegt, jegliche Beobachtungen, was um so mehr zu bedauern ist, als die Existenz eines Deckels auf dem mittleren Fußab- schnitte den Gedanken an nähere Beziehungen zu den Prosobranchien nahe legen könnte. Wir sind daher genöthigt, von den allgemeinen Schlussfolgerungen für die Pteropoden einstweilen die Limaciniden aus- zuschließen; dann aber berechtigen uns die oben mitgetheilten That- sachen einerseits zu dem Schlusse, zu welchem For auch durch seine Untersuchungen über die Entwicklung gelangt ist, dass die Pteropoden asymmetrische Thiere sind, die äußerlich und auch nur zum Theil wie- der zur Symmetrie zurückkehren; andererseits aber werden wir ihre Beziehungen zu anderen Mollusken dahin präcisiren können, dass sie sich durch Verlust der linken Bestandtheile des circum- analen Organcomplexes, und indem ohne Drehung eine Verlagerung dieses Gomplexes vom Hinterende an die ventrale Seite des Körpers? stattgefunden hat, von einer Stammform ableiten, die der durch Rückdrehung der zeugobranchiaten Prosobranchien gewonnenen Form im Wesentlichen gleicht. |

1 A. STUART, Über das Nervensystem von Creseis acicula. Diese Zeitschr. Bd. XXI. p. 320.

2 Es besteht noch eine andere Möglichkeit, diese Anordnung zu erklären: denkt man sich nämlich den Längsdurchmesser des Thieres sehr kurz, die Höhe dagegen sehr bedeutend, während der After mit seiner Umgebung die terminale Lage beibe- hält, so gehört die Athemhöble offenbar der dorsalen Seite und zwar der hinteren Hälfte derselben an. Der Unterschied der Limaciniden von den übrigen Pteropoden mag sich dann darauf beschränken, dass der After mit seiner Umgebung nicht ter- minal, sondern an der rechten Seite, wie bei den Tectibranchien, liegt. Ich habe zu- nächst keinen Anhalt, mich für eine oder für die andere Auffassung zu entscheiden.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 367

. Nachdem wir nunmehr die Übersicht über die Gastropoden in dem weitesten Sinne des Wortes, in dem dasselbe z. B. in der 3. Auflage von Craus’ »Grundzügen der Zoologie« angewandt ist, beendigt haben, wollen wir einen kurzen Rückblick halten, und daran einerseits eine kurze Besprechung einiger anderen Versuche zur Vergleichung der hier vereinigten Gruppen, andererseits einige Schlußfolgerungen für die Classification knüpfen.

Wir gelangten bei dem Versuche, die Drehung der Visceralcom- missur der Zeugobranchien aufzuheben, zu einer hypothetischen Mol- luskenform, die der Kürze halber das Urmollusk heihen mag, welche dadurch ausgezeichnet war, dass sie vielleicht mit Ausnahme des Geschlechtsapparates lauter mediane und paarige Organe in sym- metrischer Anlage besaß, nämlich einen vom Vorderende bis zum Hinter- ende gestreckt verlaufenden Darm, ein medianes Herz mit zwei Vor- höfen, welche die efferenten Gefäße zweier Kiemen aufnahmen, wahr- scheinlich zwei Nieren, von denen die eine rechts, die andere links vom After ausmündeten und vor Allem ein durchaus symmetrisches Nerven- system, das aus drei Paar perioesophagealen Ganglien bestand, die durch je drei Gonnective und drei Gommissuren verbunden waren; von diesen war die die beiden Pleuralganglien verbindende Visceralcommissur sehr lang und enthielt eingeschaltet mehrere Visceralganglien, von denen die mittleren Nerven an die Eingeweide, namentlich Herz, Nieren und Ge- schlechtsorgane, abgaben, während aus zwei seitlichen je ein Nerv ent- sprang, der in ein an der Basis jeder Kieme gelegenes Ganglion mit auf- liegendem epithelialen Sinnesorgan (Geruchsorgan) eintrat.

Aus diesem Urmollusk haben wir durch Drehung des circumanalen Organcomplexes um 180° Mollusken abgeleitet, die in jeder Beziehung die Organisation von zeugobranchiaten Prosobranchien besaßen.

Aus diesen zeugobranchiaten Prosobranchien entstanden in unge- zwungenster Weise durch Schwund der rechten, d. h. beim Urmollusk links gelegenen, Kieme, Geruchsorgan, Niere und Herzvorhof die aniso- branchiaten Prosobranchien mit Einschluss der Heteropoden.

Dagegen haben wir aus dem Urmollusk ohne Drehung des circum- analen Organcomplexes die Opisthobranchien (zunächst die Tectibran- ' chien), ferner die Pulmonaten und endlich die Pteropoden hervorgehen lassen.

Die Pteropoden unterscheiden sich von den beiden anderen unge- drehten Gruppen in erster Linie durch die ventrale Lage der Athemhöhle und der in dieser gelegenen Bestandtheile, beziehungsweise Mündungen, des circumanalen Organcomplexes.

Die Grundzüge des jetzt gebräuchlichsten Systems der Gastropoden

52

368 M dJ. W. Spengel,

rühren von MıLn£-Epwarps, der in seiner » Note sur la classification natu- relle des Mollusques Gasteropodes«! die Unzulänglichkeit der Ein- theilungsversuche von Lamarck, Guvier und BramviLLe darthat und dann selbst eine Classification vorschlug, in welcher die Heteropoden als »Gasteropodes nageurs« den übrigen »Gasteropodes ordinaires « gegen- über gestellt und innerhalb der letzteren Unterclasse als. zwei Sectionen die Gasteropodes pulmones und die Gasteropodes branchiferes ange- nommen wurden, und die letzteren wurden dann nach Maßgabe der Lage des Vorhofes zur Herzkammer in die Ordnungen der »Opistobranches « und der »Prosobranches« getheilt. Die Pteropoden sind von den Gastro- poden ganz ausgeschlossen. Von den hier gebildeten Gruppen hat eine der beiden obersten, die der »Gasteropodes nageurs«, bald fallen müssen. Im Übrigen hat die Eintheilung in den Hauptzügen bis auf den heutigen Tag Geltung behalten, obwol sie von einigen Seiten einer berechtigten Kritik unterworfen worden ist. Fragen wir nach dem Grunde dieser Thatsache, so glaube ich dafür besonders die unzweifelhafte Natürlich- keit der einen Gruppe, nämlich der Prosobranchien, anführen zu müssen. MıLne-Enpwarps hat aber nicht nur mit feinem Tacte die Zusammenge- hörigkeit der Pectinibranchien, Scutibranchien und Cyclobranchien Cuvier’s erkannt, sondern er hat auch mit großem Scharfblicke einen Charakter von hoher Bedeutung und großer Constanz herausgefunden, nämlich den Eintritt des Kiemenblutes von vorn her in den Vorhof und das Herz. Dieser Prosobranchismus, wenn ich mich so ausdrücken darf, ist eines der besten und constantesten Merkmale der Prosobranchien, und es wird daran nichts dadurch geändert, dass es auch nicht zu den Prosobranchien gehörige Gastropoden giebt, für welche dies Merkmal gleichfalls zutrifft. Allein als oberstes Eintheilungsprineip muss die Lage des Vorhofs natürlich aus diesem Grunde aufgegeben werden, und in so fern haben die Gegner dieses Namens vollkommen Recht. Eben so wenig kann es bestritten werden, dass die Charakterisirung, die MiLNE-EpwArDs seiner Section der Gasteropodes pulmones bei dem damaligen Stande der Kenntnisse allein hat geben können, nicht mehr ausreicht, und dass die Athmung durch Lungen oder durch Kiemen nicht mehr als oberstes Eintheilungsmerkmal angenommen werden kann, nachdem wir Lungen- schnecken als echte Prosobranchien kennen gelernt haben. Immerhin ist zu bedenken, dass MıLne-Epwarps in die Charakterisirung dieser Section den Besitz von hermaphroditischen Geschlechtsorganen aufgenommen hatte. Nach Ausscheidung einer geringen Anzahl von getrenntgeschlecht- lichen oder sonst abweichenden Lungenathmern wird man die Pulmo-

1 Ann. Sc. Nat. (3) t. IX. p. 102.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken, 369

naten zu Recht bestehen lassen können, und dann bleibt als Rest die große Menge der nicht-prosobranchiaten Kiemenschnecken nach, für die nun allerdings der Name Opisthobranchien recht wenig geeignet sein mag; aber auch gegen die Erhaltung desselben dürfte nicht viel einzu- wenden sein, wenn man nur bedenkt, dass das im Namen ausgedrückte Verhältnis einen recht wesentlichen, obschon nicht constanten und durch manche Beziehungen beeinflussten Charakter darstellt.

Huxrey geht in seiner Abhandlung »on the morphology of the cepha- lous Mollusca « ! nicht von Zweifeln an der Richtigkeit der MıLne-EpwArDs- schen Classification, sondern von der Absicht aus, ein umfassenderes, höheres Glassificationsprincip aufzustellen, das nicht nur auf die Gastro- poden Anwendung findet. Er stellt ein Urmollusk, einen » Archetypus«, auf mit bilateral symmetrischem Kopf und Körper, einem Bewegungs- anhange oder Fuß an der neuralen (— ventralen) Seite und einem un- gebogenen Darm mit endständiger Öffnung. Aus diesem »Archetypus« sollen hauptsächlich durch Veränderungen, welche den Darm und den Fuß betreffen, die verschiedenen Formen von kopftragenden Mollusken hervorgehen. Der Darm nämlich soll sich entweder neural- oder hämal- (— dorsal-) wärts krümmen, und danach wird der Eingeweidesack als »Abdomen«, resp. als »Postabdomen« bezeichnet. Nun soll den Gepha- lopoden, den Pteropoden und den Pulmonaten ein Abdomen, den Hete- ropoden, Pectinibranchien, Tectibranchien und Nudibranchien aber ein Postabdomen zukommen, und die einzelnen genannten Gruppen werden nach der Ausbildung der verschiedenen Theile des Fußes aus einander gehalten. Diese Eintheilung, die sich meines Wissens nie eines allge- meineren Beifalls zu erfreuen gehabt hat, trägt also der Übereinstimmung der Gepbalopoden und Pteropoden hinsichtlich der ventralen Lage der Athemhöhle Rechnung, trennt dagegen die Pulmonaten von den ihnen nächstverwandten Opisthobranchien, und bringt ferner die natürliche Begrenzung der Prosobranchien nicht genügend zum Ausdrucke?. Es will mir scheinen, dass Huxıry, indem er die offenbar vorhandene Ähn- lichkeit zwischen Gephalopoden und Pteropoden hauptsächlich auf die Krümmung des Darmes zurückführte, nicht eben einen sehr glücklichen Griff gethan hat, ohne dass ich darum diesem Charakter alle Bedeutung

absprechen wollte. Da aber die Entscheidung über die primäre Krümmung des Darmkanales wesentlich von der, bekanntlich sehr wechselnden, Lage des Afters abhängt, so muss sie mehr oder minder willkürlich aus- fallen, sobald der After an einer Seite des Körpers liegt. Und warum

1 Phil. Trans. vol. 443. 1853. p. 29. pl. 2—5. 2 Ich will nicht unterlassen hervorzuheben, dass HuxLey die Vereinigung der Heteropoden mit den Pectinibranchien befürwortet.

370 J. W. Spengel,

soll z. B. Doris mit ihrem dorsalen After ein Postabdomen, Janella! mit ihrem gleichfalls dorsalen After aber ein Abdomen besitzen? Überdies wird durch diese verschiedene Krümmung des Darmes keine Erklärung für andere Organisationsunterschiede geliefert, wie Huxr£y (p. 57) selbst zugesteht, dass dieselbe keinen Einfluss auf die Lage des Herzens habe.

Der neueste classificatorische Versuch stellt sich auf den Stand- punkt der Phylogenie und glaubt von diesem aus nicht nur keines der bisher geltenden Systeme bestehen lassen zu können und die von frühe- ren Autoren aufgestellten Gruppen in anderer Weise an einander reihen zu müssen, sondern es scheint ihm sogar nothwendig, die bisher als Mollusken zusammengefassten Formen nach gänzlichem Ausschluss der Chitoniden in vier Phylen zu zerlegen. Davon fallen auf die hier zu- nächst allein zu betrachtenden Gastropoden zwei Phylen, nämlich das der »Arthrocochliden « und das der »Platycochliden «. Gegen die erstere Gruppe ist nicht viel einzuwenden, in so fern sie nämlich alle die Formen unter einem neuen Namen zusammenfasst, die man nach MıLne-EDwArDs als Prosobranchien zu bezeichnen gewohnt war, und zwar mit Ein- schluss der Heteropoden. Die Platycochliden enthalten dann die »Ichnopo- den«, welche mit den bisherigen Opisthobranchien identisch sind, und außerdem die Pteropoden und Cephalopoden. Lassen wir zunächst die letztgenannte Glasse außer Betracht, da wir deren Beziehungen zu den übrigen Mollusken erst später erörtern können, so bleiben als Platy- cochliden diejenigen Gastropoden vereinigt, die nach unserer obigen Darstellung eine ungedrehte Visceralcommissur und asymmetrische Ent- wicklung der circumanalen Organe besitzen. So weit diese Qlassification sich der bisher geltenden anschließt, ist sie mithin unbedenklich, zumal da sich den neuen Namen manches Gute nachsagen ließe. Allein aufs Entschiedenste zu bekämpfen scheint mir einerseits der scharfe Gegen- satz, der zwischen den beiden obersten Gruppen aufgestellt ist, indem v. Inerıng sie nicht nur zum Werthe von Phylen erhoben hat, sondern selbst keine nähere Verwandtschaft zwischen denselben anerkennt, und andererseits die Zerlegung der Arthrocochliden in kleinere Gruppen oder Classen.. Den letzteren Punkt habe ich schon oben eingehender erörtert und brauche daher hier nur noch zu wiederholen, dass eine Trennung zwischen Chiastoneuren und Orthoneuren durchaus unausführbar ist und den Thatsachen nicht entspricht, indem dadurch z. B. gute natürliche Gruppen, wie die Rhipidoglossen und Taenioglossen, aus einander gerissen werden. Dagegen hätte wol der Gegensatz zwischen Zeugobranchien und Anisobranchien, den v. Inerına übrigens das Verdienst hat zum ersten

1 Siehe KEFERSTEIN, Klassen und Ordnungen. Taf. 102.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 371

Male klar hervorgehoben zu haben, im System einen schärfern Ausdruck erhalten können, obwohl es, wie oben erwähnt, nicht an vermittelnden Übergängen zwischen diesen beiden Gruppen fehlt.

Und was dann die Verwandtschaft zwischen Prosobranchien (Arthro- cochliden) und Opisthobranchien (Platycochliden, excl. Gephalopoden) betrifft, so kann meines Erachtens kein Zweifel darüber herrschen, dass dieselbe nicht nur in der That besteht, sondern sogar eine recht nahe ist, so dass die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen fast aus- schließlich die Anordnung und die Gestalt der einzelnen Organe be- treffen. Der Bau des Nervensystems der Gastropoden ist gewiss so eigenartig, dass man nicht annehmen kann, dass von zwei getrennten Ausgangspunkten aus eine so weitgehende Ähnlichkeit hätte zu Stande kommen können, die sich nicht nur aufdie Zahl derGanglienpaare, sondern auf die Beziehungen aller einzelnen Ganglien zu bestimmten Innervations- gebieten erstreckt, und in dieser Hinsicht möchte ich das Verhältnis zu einem so typischen Sinnesorgan, wie es das Geruchsorgan ist, nicht an letzter Stelle nennen. Und wie groß ist die Übereinstimmung im Bau der Excretionsorgane! Bei Prosobranchien und Opisthobranchien haben wir dieselbe auffallende Verbindung der Niere mit dem Herzbeutel, jenem eben so charakteristischen wie bei anderen Thieren völlig unbe- kannten Reste der Leibeshöhle. v. Inerıng’s Versuch !, einen wesentlichen Unterschied zwischen den Nieren der Arthrocochliden und denen der Platycochliden nachzuweisen, erscheint mir schon aus dem Grunde ver- fehlt, weil er auf diesen Zusammenhang keine Rücksicht nimmt, ganz abgesehen davon, dass die baumförmige Verästelung des Nierensackes allein doch noch keinen Anhalt bieten kann, denselben mit den Wasser- gefäßen der Plattwürmer zu vergleichen. Den Versuch im Einzelnen zu prüfen, ist hier nicht der Ort.

Das Ergebnis meiner eigenen, oben mitgetheilten Untersuchungen über das Nervensystem und das Geruchsorgan der Gastropoden führt, wie wir sehen, nicht zur Aufstellung eines neuen Systems, sondern es dient nur zur Klärung der zwischen den bekannten Gruppen bestehen- den verwandtschaftlichen Beziehungen, und es entsteht nun die Frage, ob es rathsam und nothwendig ist, dieser Erkenntnis in der Qlassification Ausdruck zu verleihen. Wie mir scheint ist die Entscheidung darüber nicht nur davon abhängig, ob man meine Combinationen billigt, sondern auch davon, ob man die Mängel, die den alten Namen anhaflen, für be- denklich hält oder nicht. Hält man sie für unzulässig und es ist ja

1 H. v. Inerıne, Zur Morphologie der Niere der sog. »Mollusken«. Diese Zeit- schrift. Bd. XXIX.

372 J. W. Spengel,

wol nicht zu bestreiten, dass es namentlich für den Lernenden ver- wirrend ist, dass es prosobranchiate Opisthobranchien geben soll —, und giebt man mir zu, dass der Prosobranchismus nicht einen primären Charakter bildet, sondern nur als eine der Folgen einer anderen Ur- sache anzusehen ist, so wird man vielleicht einige neue Namen den alten vorziehen, und ich erlaube mir, hierzu einige unmaßgebliche Vor- schläge zu machen. Nachdem durch meine Darstellung des Baues der Prosobranchien der Nachweis geführt ist, dass alle hierher gehörigen Formen eine oben näher geschilderte Drehung des Körpers erfahren haben, welche bei allen eine sehr charakteristische Kreuzung der Vis- ceralcommissur zur Folge hat, während bei den übrigen Gastropoden, bei denen die erwähnte Drehung des Körpers nicht eingetreten ist, auch diese Gommissur ungedreht geblieben ist, so könnte man wol die bis- her sogenannten Prosobranchien als Streptoneuren, die übrigen Gastro- poden als Euthyneuren bezeichnen. Innerhalb der Streptoneuren kann man dann Zeugobranchia oder Zygobranchia und Anisobranchia oder wol besser, da die hierher gehörigen Formen nicht zwei ungleiche, sondern nur eine Kieme besitzen, Azygobranchia unterscheiden. Die Euthyneuren zerfallen dann in die Opisthobranchia, für welche der allerdings nicht sehr bezeichnende, aber eben desswegen auch nicht verfängliche Name Ichnopoda v. InzrınG eintreten könnte, die Pieropoda und die Pulmonata. Man ist jetzt gewohnt, die Pteropoden völlig von den Gastropoden zu trennen, aber gewiss nicht mit Recht, und man darf meines Erachtens an dieser Trennung, so scharf begrenzt die Gruppe durch die eigenthümliche Ausbildung des Fußes erscheint, nicht festhalten, zumal nachdem man durch die schöne Abhandlung von For die weitgehende Übereinstimmung kennen gelernt hat, die zwischen den Pteropoden und Gastropoden hinsichtlich der Ontogenie besteht. Eine andere Frage ist es, ob man die Glasse der Pulmonaten aufrecht erhalten soll, oder ob die von v. Inzrıng vorgeschlagene Zerlegung der Pulmonaten, von denen natürlich unter allen Umständen die lungen- athmenden Streptoneuren auszuscheiden sind, in Branchiopneusia und Nephropneusta anzunehmen ist. Ich gestehe, dass ich mich der ersteren Ansicht zuneige, aber zu einer bestimmten Beantwortung der Frage nicht im Stande bin. So weit ich sehe, wird die Lunge der Heliciden, welche nach der Meinung v. Inzrıng’s nicht aus einer kiementragenden Mantelhöhle, sondern aus dem Endabschnitte der Niere hervorgegangen sein soll, nicht von Nierennerven, sondern von demselben Nerven ver- sorgt, der bei den Limnaeiden die Lunge versorgt, nämlich vom ersten Nerven der rechten Seite der Visceralcommissur. Wir würden dann also folgende Anordnung der Hauptgruppen erhalten:

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 373

Classe: Gastropoda.

1. Ordnung: Streptoneura. 4. Unterordnung : Zygobranchia. 52 » Azygobranchta. 2. Ordnung: EZuihyneura. 4. Tribus: Ichnopoda. 2. » Pulmonata. 3. » Pteropoda.

Über die Stellung der Chitonen habe ich mich schon oben geäußert, und brauche hier nur zu wiederholen, dass sie meiner Meinung nach von den Gastropoden auszuschließen sind und vorläufig mit Chaetoderma und Neomenia den »Solenogastres « GEGENBAUR'S eine besondere Classe der Amphineura v. Inzrıne’s bilden müssen.

Die Sinnesorgane der Lamellibranchien bestehen, so weit man bis- her wusste, in den wol allen zukommenden Otocysten, ferner in Papil- len und Haaren, denen man mit mehr oder weniger Recht die Funktion von Tastorganen zuschreibt, und endlich in den auf wenige Arten be- schränkten Augen des Mantelrandes. Diesen kann ich ein, wie es scheint, allen Muscheln eigenes epitheliales Sinnesorgan anreihen, das ich für das Homologon des Geruchsorgans der Gastropoden zu halten Grund zu haben glaube. Die Lage, in welcher man ein solches zu suchen haben würde, war mir durch meine Beobachtungen an Gastropoden klar genug angedeutet: es musste sich in der Nähe eines der Ganglien der Visceralcommissur finden. Wo aber sollte diese selbst sein? Einem glücklichen Zufalle habe ich es zu danken, dass ich nicht lange im Dunkeln zu tappen gebraucht habe: die erste Muschel, die ich öffnete, um nach einem etwaigen Geruchsorgane zu sehen, war eine Arca Noae, die mir zunächst für ganz andere Zwecke zu dienen bestimmt gewesen war. Auf den ersten Blick fiel mir eine zwischen dem Hinterende des Fußes und dem After gelegene quere Schlangenlinie grünbraunen Pigments (Fig. 22) auf, in der ich sofort, das gesuchte Sinnesorgan zu erkennen glaubte. Doch sprachen verschiedene Thatsachen gegen diese Deutung: vor Allem ergab die Durchmusterung einer Anzahl von anderen Muschel- arten wie Solen, Cyiherea, Venus, Pholas, Solecurtus, dass der bei Arca so auffällige Pigmentstreifen hier fehlte. Dann aber schien das Verhalten zum Nervensystem durchaus nicht zur Natur dieses Organes als Ge- ruchsorgan zu stimmen ; denn nach der landläufigen Anschauung, gegen ‚welche meines Wissens niemals, Bedenken geäußert worden waren, besteht das Nervensystem der Muscheln aus drei Ganglienpaaren, die den perioesophagealen Ganglienenpaaren der Gastropoden homolog sein sollten und demnach, der von mir vorgeschlagenen Nomenclatur gemäß,

374 J. W. Spengel,

als Gerebral-, Pedal- und Pleuralganglien zu bezeichnen wären. Von diesen Ganglien liegt das erste Paar mit seiner Gerebralcommissur vor dem Munde und ist durch je ein Connectivpaar mit den im Fuße ge- legenen Pedalganglien einerseits, und mit den an der ventralen Seite des bei Dimyariern hinteren, bei Monomyariern einzigen Schalenschließ- muskels angebrachten Pleuralganglien andererseits verbunden, wohin- gegen eine Commissur zwischen den Pedal- und den Pleuralganglien fehlt, eine Eigenthümlichkeit, durch welche das centrale Nervensystem der Lamellibranchien sich von dem aller übrigen Mollusken mit Ausnahme der Solenoconchen unterscheidet. Auf diesen Pleuralganglien nun liegt bei Arca Noae das oben erwähnte pigmentirte Sinnesorgan (Fig. 43 O0). Unter der Voraussetzung, dass dieses wirk- lich dem Geruchsorgan der Gastropoden entspreche, würde es also ent- weder in einer anderen Weise als bei diesen innervirt werden, nämlich aus den Pleuralganglien, statt aus Ganglien der Visceralcommissur, oder aber die Ganglien, von denen es bei Arca versorgt wird, könnten nicht die Pleuralganglien sein. |

Betrachten wir zunächst den Bau des Sinnesorganes von Arca Noae, oder, richtiger gesagt, der Sinnesorgane, denn das pigmentirte Band besteht aus zwei in der Mitte durch einen schmalen Zwischenraum ge- trennten Hälften, von denen jede am medialen Ende mit einer etwas unregelmäßig begrenzten Platte beginnt und nach den Seiten hin in eine allmählich schmäler werdende Linie ausläuft, die sich am Rande der als Kiementräger fungirenden Duplicatur hinzieht. Jedes Organ (Fig. 27) setzt sich wie das Geruchsorgan der Gastropoden aus zwei Bestand- theilen zusammen, nämlich einem hohen Cylinderepithel, dessen Be- grenzung durch die dunkle Pigmentirung sehr deutlich bezeichnet ist, und aus einem unter diesem gelegenen Ganglion, das etwa die gleiche Ausdehnung wie das Cylinderepithel hat, also sehr langgestreckt ist. Daraus erklärt es sich, dass dies Ganglion von den früheren Beobachtern, welche sich damit begnügt haben, diese Theile herauszupräpariren, ohne auf den mikroskopischen Bau zu achten, für einen starken Nerven erklärt ist. Es ist der in Duvzrnoy’s Abbildungen ! mit dem Buchstaben & bezeichnete Kiemennerv. In Wirklichkeit unterscheidet derselbe sich von allen von den hinteren angeblichen Pleuralganglien ausgehenden Nerven dadurch, dass er wie alle echten Ganglien der Muscheln eine dicke Rinde von Ganglienzellen hat, während diese den Connectiven und peripherischen Nerven fehlt. Die Achse nimmt ein dicker Strang. von Fasersubstanz ein. Auf Querschnitten erhält man daher genau das-

1 Siehe KEFERSTEIN, Classen und Ordnungen. Taf. XXXIV.

N

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 375

selbe Bild wie von einem Geruchsganglion eines Chiastoneuren. Die Ähnlichkeit beschränkt sich aber nicht auf das Ganglion, sondern aus diesem treten gerade so wie beim Geruchsorgan von Haliotis oder Trochus zahlreiche Nerven aus, die sich bald in das pigmentirte Gylinderepithel einsenken und sich in diesem verbreiten (Fig. 27), so dass wir dasselbe eigenthümliche Bild einer von starken Nervenfasersträngen durch- brochenen Epithelschicht vor uns haben wie dort. Gestattet diese Über- einstimmung im Bau wol schon keinen Zweifel mehr an der Gleichartig- keit der in Rede stehenden Sinnesorgane von Gastropoden und Arca, so findet diese Ansicht ihre Bestätigung in der entsprechenden Lage an der Basis der Kiemen, welche in beiden Fällen auf gewisse Beziehungen zum Athmungsvorgange, vermuthlich in einer Prüfung des Athem- mediums bestehend, schließen lässt, und es würde damit zugleich die Frage nach der Homologie von Lamellibranchien- und Gastropoden- kiemen aufgeworfen sein, für welche die Innervirung durch Nerven, welche aus dem Ganglion olfactorium hervorgehen, , sicher von Bedeu- tung sein dürfte.

Es sei nun hinzugefügt, dass das Geruchsorgan nicht nur bei Arca existirt, sondern auch bei zahlreichen andern, wenn nicht allen Muscheln, nur fehlt dort in den meisten Fällen, so bei Anodonta, Unio, Venus, Cytherea, Pholas, Solen ete., das Pigment, und man findet nur ein höheres Gylinderepithel und unter diesem das Ganglion olfactorium, von dem zahlreiche Nerven zum Epithel gehen, die z. B. bei Anodonta ein dichtes Netz unter demselben bilden. In allen Fällen zieht sich das Sinnes- epithel als ein Streifen vom angeblichen Pleuralganglion am Rande des Kiementrägers hin, und aus dem Ganglion olfactorium gehen nach außen die Kiemennerven hervor.

Wenn nun aber wirklich das Sinnesorgan dem Geruchsorgan der Gastropoden homolog ist, dann kann das hintere Ganglienpaar unmöglich den Pleuralganglien entsprechen, sondern es muss ein Visceralgan- glienpaar sein, und die Nervenstränge, welche diese Ganglien mit den Cerebralganglien verbinden, können nicht Cerebropleuralconnective sein, sondern bilden die Visceralcommissur. Mit dieser Deutung aber stimmt Alles, was wir über die Beziehung dieser Ganglien zu anderen Organen des Körpers wissen, aufs Vollkommenste überein. Zunächst wird der Mangel einer Verbindung dieser Ganglien mit den Pedalganglien, also, nach der landläufigen Auffassung, einer Pleuropedal- commissur verständlich. Dann aber brauchen wir nicht mehr anzu- nehmen, dass bei den Lamellibranchien aus den Pleuralganglien Nerven zu einer Reihe von Organen, nämlich dem Mantel, den Genitalien und Nieren und zum Schließmuskel ausgehen, die bei allen übrigen Mollusken

376 J. W. Spengel,

von Ganglien der Visceralcommissur geliefert werden, dessen ganz zu geschweigen, dass die sonst unerhörte Einschaltung des Fußes mit seinen sämmtlichen Retractoren in den Schlundring durch diese Auffassung beseitigt wird. Es würden dann allerdings Pleuralganglien überhaupt nicht vorhanden oder mit den Cerebralganglien verschmolzen sein; doch kann ich darin kein Hindernis für meine Deutung sehen, und stehe daher nicht an, die bisherige Ansicht, nach welcher das Nervensystem der Lamellibranchien nur aus den Bestandtheilen des perioesophagealen Nervensystems der Gastropoden zusammengesetzt sein soll, für unzu- treffend zu erklären ; vielmehr besteht meines Erachtens das Nerven- system der Lamellibranchien aus zwei Cerebral- (oder vielleicht Gerebropleural-) und zwei Pedalganglien mit Gerebral-und Pedalcommissur und zwei Gerebropedal- connectiven und ferner einer Visceralcommissur, in welche zwei Visceralganglien eingeschaltet sind, deren jedes miteinem Ganglion olfactorium nebst epithelialem Geruchsorgan verbunden ist.

Diese Visceralcommissur liegt ventral vom Darm, also gerade so wie bei unserm hypothetischen Urmollusk, und somit würde auch die OrganisationderLamellibranchien, abgesehen von dem Mangel der Pleuralganglien, in allen wesentlichen Zügen derjenigen des Urmollusk entsprechen. Die Muscheln würden diesem Ur- mollusk näher stehen als alle Gastropoden, da sie ausschließlich paarige und mediane Organe in symmetrischer Anordnung (Darm, Fuß, Herz mit zwei Vorhöfen, zwei Nieren in charakteristischer Verbindung mit dem Herzbeutel, zwei Geschlechtsdrüsen, zwei Kiemen mit zwei Geruchs- organen, Centralnervensystem mit ungedrehter Visceralcommissur) be- sitzen.

Über die den Lamellibranchien in so mancher Hinsicht sehr nahe stehenden Solenoconchen habe ich nach eigenen Untersuchungen nichts zu berichten und nach den Beobachtungen von LAcAzE-DuTHIERS nur einige Andeutungen zu machen, die kaum mehr als Vermuthungen zu sein beanspruchen. Die von den meisten Autoren (GEGENBAUR, HuxLey, Craus, v. Inerıng) den Pleuralganglien der Gastropoden gleich- gesetzten »ganglions voisins de ’anus« oder »ganglions respiratoires, branchiaux, abdominaux « von Lacaze-Durnuiers ! kann ich eben so wenig als solche anerkennen wie die angeblichen Pleuralganglien der Muscheln, mit denen sie den Mangel einer Verbindung mit den Pedalganglien gemein haben, denen sie indessen schwerlich entsprechen dürften, da

1 H. pe LaAcAzs-DuTHiErs, Histoire de l’organisation et du developpement du Dentale. Ann. Sc. Nat. Zool. (4) t. VI. p. 369. pl. 43.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 377

die von ihnen abgehenden Nerven sich anders verhalten; jedes giebt bei Dentalium nur einen Nerven an das Postabdomen ab, ob auch zu der dort gelegenen Geschlechtsdrüse, wird von Lacaze-Durniers nicht angegeben. Dagegen entspringen die Nerven, welche den Mantel ver- sorgen, von den Ganglien, welche LacazE-Durniers als »secundäre hintere Anschwellungen der Gerebralganglien« bezeichnet. Ich bin geneigt, in diesen die vordersten Visceralganglien, in den »gan- glions respiratoires« hintere Visceralganglien zu sehen und die angeblichen Gerebropleuralconnective zusammen mit der CGommissur zwischen den respiratorischen Ganglien als die Visceralcommissur zu betrachten. Die Annahme, es möchten die Nerven zu dem bekann- ten eigenthümlichen Tentakelapparat nicht von den Cerebral-, sondern von den vorderen Visceralganglien entspringen und dann dieser Apparat vielleicht das Geruchsorgan repräsentiren, ist wol durch die Zuverlässig- keit der Lacaze-Duruiers’schen Beobachtungen ausgeschlossen. Anderer- seits wäre es möglich, dass die durch besonders starke Flimmerung ausgezeichnete Region an der ventralen Seite des Mantels gegenüber dem After, welche der französische Beobachter als eine rudimentäre Kieme ansieht, das Geruchsorgan darstellte. Die Entscheidung werden weitere Untersuchungen zu liefern haben.

Es bleiben als letzte Molluskenclasse die Cephalopoden übrig. Leider vermag ich für diese noch weniger positive Angaben zu machen als für die Dentalien; doch werden meine Vermuthungen vielleicht als Richtschnur für weitere Untersuchungen nicht ohne Werth sein.

Durch Körniker ! ist bekanntlich ein Paar von Sinnesorganen in der Nähe der Augen einer Reihe von Gephalopoden entdeckt, die von ihm als Geruchsorgane gedeutet wurden. Dieselben bestehen aus zwei mehr oder weniger tiefen Grübchen dicht hinter den Augen, bei den Deca- poden etwas nach der Bauchseite hin, bei den Octopoden in dem Winkel, in dem sich der Mantel an den Kopf setzt. Die Wand dieser Grübchen besteht nach den Untersuchungen von ZERNOFF 2 aus dreierlei Elementen, nämlich Wimperzellen, Sinneszellen und mit einem eigenthümlichen Nebenkörper versehenen Ganglienzellen. Sind diese Geruchsorgane der CGephalopoden den im Obigen behandelten Sinnesorganen der übrigen Mollusken homolog oder nicht? Ich möchte zunächst constatiren, dass für die Identität der Function die Lage am Eingange der Mantelhöhle zu sprechen scheint. Ich kann ferner mit Bestimmtheit erklären, dass in der ganzen Mantelhöhle kein weiteres epitheliales Sinnesorgan existirt; denn ich habe nicht nur dieselbe mit aller Sorgfalt bei erwachsenen und

1 A. KöLLıker, »Entwicklungsgesch. der Cephalopoden«. Zürich 1844. p. 107. 2 ZERNOFF, Bull. Soc. Imp. Nat. Moscou. 1869.

378 J. W, Spengel,

jungen Thieren von der Oberfläche her durchmustert, sondern Schnitt- serien durch junge Sepien und Octopus hergestellt. Es findet sich weder auf den Ganglia stellata noch an den Kiemen eine ceircumseripte Epithel- verdickung, die man als ein Sinnesorgan in Anspruch nehmen könnte. Die sog. Milz, die allen Gephalopoden eigen zu sein scheint! und an die man allenfalls hätte denken können, da es ein noch wenig bekanntes und functionell dunkles Organ ist, hat sicher nichts damit zuthun. Wenn also die Cephalopoden überhaupt im Besitze von Organen sind, die den Geruchsorganen der übrigen Mollusken entsprechen, so können es füg- lich nur die von KörLiker entdeckten Organe sein. Dagegen aber scheint der nervöse Apparat zu sprechen. Nach den übereinstimmenden An- gaben von KöLLıker, Gutron?, ZERNOFF, V. IHERING und KLEMENSIEWIGCZ ® entspringt der Geruchsnerv in der Nähe des N. opticus aus dem Gentral- nervensystem. Welchen morphologischen Werth dieser Punkt des Centralnervensystems aber hat, darüber lässt sich, scheint mir, bisher keine bestimmte Meinung äußern. Alle bisherigen Versuche, die den Schlund umgebende Ganglienmasse der Gephalopoden auf die Ganglien der Gastropoden zurückzuführen, scheinen von der Annahme auszugehen, dieselben müssten den centralen drei Ganglienpaaren entsprechen. Wäre dies der Fall, so würden hier die Geruchsorgane vom Central- nervensystem aus innervirt werden, während sie bei den Gastropoden zur Visceralcommissur gehören. So weit ich die Thatsachen übersehe, scheint mir indessen Nichts dagegen, sondern vielmehr Alles dafür zu sprechen, dass die Ganglienmasse des Gephalopodenkopfes außer den centralen Cerebral-, Pedal- und Pleuralganglien incl. Buccalganglien auch die gesammte Visceralcommissur mit wenigstens zwei mächtigen Visceralganglien enthält. Als solche glaube ich jedenfalls die » portion blanche posterieur« der »masse inferieure« von Ün£ron, das »hintere untere Schlundganglion « von OwsJannıkow und KowALevsky ® in Anspruch nehmen zu müssen, da aus demselben die Nerven zu den großen Mantel- ganglien oder Ganglia stellata und die Visceralnerven zu den Ge- schlechts- und Excretionsorganen entspringen, also Nerven, welche bei allen übrigen Mollusken ihren Ursprung aus Visceralganglien nehmen.

1 Ich fand eine wenn auch schwächer entwickelte Milz auch bei Decapoden, nämlich Sepia und Loligo.

2 J. Cukron, Recherches pour servir a l’'histoire du systeme nerveux des C&pha- lopodes dibranchiaux. Ann. Sc. Nat. Zool. (5) t. V. 1866.

3 R. KLEMEnSIEwIcZz, Beiträge zur Kenntnis des Farbenwechsels der Cephalopo- den. Wiener Akad. Sitzungsber. 1878.

4 Pu. Owssannıkow und A. KowALEvskY, Über das Centralnervensystem und das Gehörorgan der Cephalopoden. M&m. Acad. Sc. Petersbourg. (7) t. XI. 1867.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 379

Dann würden wir in der Kopfganglienmasse der Cephalopoden also nicht drei, sondern vier Ganglienpaare zu suchen haben und dem ent- sprechen auch die von allen Beobachtern unterschiedenen vier Ab- schnitte, von denen einer dorsal, die drei andern ventral liegen. Leider bin ich zur Zeit nicht in der Lage, eine eingehende Untersuchung über das Verhalten der Commissuren und Connective in dieser Ganglienmasse anzustellen, von der Aufschluss über die hier noch vorliegenden Räthsel zu erwarten ist. Man könnte von vorn herein einen Einwand gegen diese Deutung erheben, nämlich, dass ja eine Visceralcommissur außer- halb des Kopfes vorhanden sei (siehe v. In£rıng, p. 255, Taf. V, Fig. 24). Allein ich vermag in dieser nichts als eine secundäre Verbindung zweier peripherischen Nerven zu erkennen, zumal da solche accessorische Commissuren bekanntlich auch zwischen den Ganglia stellata! vor- kommen (siehe v. Inerıng, p. 257—258) und vollends nicht, nachdem Brock? gezeigt hat, dass diese scheinbare Commissur nur durch eine Kreuzung der Nervenfasern zu Stande kommt. Im Übrigen halte ich zunächst eine eingehendere Discussion des Nervensystems der Gephalo- poden für ziemlich aussichtslos, und begnüge mich mit dem Hinweise auf die oben angedeutete Möglichkeit der Zurückführung desselben auf das Nervensystem der Gastropoden oder richtiger des Urmollusks. Gelingt diese, dann wird auch der Vergleichung der übrigen Organi- sationsverhältnisse kein unüberwindliches Hindernis mehr im Wege stehen; denn es sind bekanntlich bei den CGephalopoden sämmtliche iypischen Organe der Mollusken vorhanden und zwar in medianer, beziehungsweise symmetrischer Anordnung. Die Entscheidung über die specielleren verwandtschafilichen Beziehungen werden allerdings weniger durch die Ergebnisse in Betreff der Geruchsorgane und der Visceralcommissur beeinflusst werden als durch die Beantwortung der Frage nach dem Homologon des Fußes bei den Gephalopoden, nach dem morphologischen Werthe der Arme und des Trichters. Eine Ableitung der Cephalopoden vom Urmollusk scheint in allen Fällen möglich. Ent- sprieht der Trichter dem Fuße, so können wir uns den gesammten circumanalen Organcomplex an die Bauchseite gewandert denken, ohne dass dabei die gegenseitige Lage der Organe erheblich verändert würde; entsprechen die Arme dem Fuße, so werden wir den Gephalopoden- körper etwa so orientiren, wie es Huxrey gethan hat und wie wir es oben (p. 366 Anmerkung) als einen möglichen Fall für die Pteropoden angegeben haben, nämlich so, dass die innere Armfläche der Bauch-

1 J. Brock, Versuch einer Phylogenie der dibranchiaten Cephalopoden. Morph. Jahrb. Bd. VI. p. 227—228. 2 J. Brock, a. a. O. p. 229—230. Taf. XII, Fig. 9.

380 J. W, Spengel,

seite, die sog. Rückenseite der vorderen und die sog. Bauchseite der hinteren Hälfte der Rückenseite eines kurzen, aber sehr hohen Thieres entspräche. In ersterem Falle würde die Mantelhöhle ventral, in letzterem dorsal liegen. Die ungedrehte Visceraleommissur ist in beiden Fällen aufs äußerste verkürzt und als ein zweiter Schlundring in den Kopf hineingezogen. Wie weit diese rein hypothetische Zurückführung der Gephalopodenorganisation auf die typische Molluskenorganisation, die nichts als ein Versuch zu sein beansprucht, der einige Gesichts- punkte für weitere Uniersuchungen zu präcisiren beabsichtigt, zutrifft, muss die Zukunft lehren.

Lamellibranchiaten und Solenoconchen einerseits und Gephalopoden andererseits würden sonach mit den euthyneuren Gastropoden den Besitz einer ungedrehten Visceralcommissur gemein haben und daher wol auch als euthyneur bezeichnet werden können. Allein es hieße doch offenbar den Werth dieses Charakters für die Classification auf- heben , wollte man, indem man auch diese drei Molluskenclassen den Euthyneuren anschlösse, die bisher als Prosobranchien bezeichneten Streptoneuren in Gegensatz zu allen übrigen Mollusken bringen und diese unter dem gemeinsamen Charakter der Euthyneurie zu einem Ganzen vereinigt denken. Die Euthyneurie ist eben ein Charakter des Urmol- lusks, der sich bei allen Mollusken mit Ausnahme der Streptoneuren erhalten hat; aber trotzdem ist einerseits die Verwandtschaft der Strepto- neuren mit einzelnen der euthyneuren Classen eine viel innigere als mit anderen, während andererseits die Euthyneurie bei Formen erhalten ist, die sich in anderen Merkmalen so weit von einander entfernen, wie es überhaupt innerhalb des Typus der Mollusken möglich ist. Man darf da- her, wenn man den Charakter der Euthyneurie in der Classification ver- wenden will, ihn nicht als oberstes Eintheilungsprincip aufstellen, sondern nur als ein Merkmal innerhalb einer auf gemeinsame Charaktere anderer Art begründeten Gruppe benutzen. Nun aber stellen sich die Lamelli- branchien und Solenoconchen sowol wie die Gephalopoden durch die fast vollkommene Symmetrie ihrer gesammten Organisation in bestimmtesten Gegensatz zu den Gastropoden, bei denen die Bestandtheile der ursprüng- lichen linken Seite des eircumanalen Organcomplexes geschwunden sind und dadurch eine ganz bestimmte Art der Asymmetrie hervorgebracht ist, mit alleiniger Ausnahme der Zygobranchien, welche uns eine Über- gangsform zu den noch symmetrischen Stammformen der Gastropoden darstellen. Innerhalb der durch diese Asymmetrie vereinigten Gastro- poden nun erlangt die Euthyneurie den Werth eines classificatorischen Charakters, und diesem Verhalten habe ich in der oben (p. 373) auf- gestellten Anordnung einen Ausdruck zu geben gesucht. Dagegen

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 381

müssen die bilateral symmetrischen Mollusken nach anderen Merkmalen gruppirt werden, und in dieser Beziehung entspricht das übliche System allen Anforderungen an eine natürliche Eintheilung. Die Lamellibranchien sind durch ihre zweiklappige Schale, die Bildung ihrer Kiemen und den Mangel einer Zunge vor allen übrigen Mollusken aus- gezeichnet, die Solenoconchen durch ihre röhrenförmige Schale, den Mangel der Kiemen und den Besitz einer Zunge von den Lamellibran- chien unterschieden, denen sie sich in anderer Beziehung, namentlich im Bau des Nervensystems, entschieden anschließen, während die Gephalopoden mit ihren Armen, ihrem Trichter und der eigenthümlichen Differenzirung des Kopfes eine abgesonderte, in mancher Hinsicht noch unverstandene Stellung einnehmen. Dass sie alle aber, Gastropoden, Cephalopoden, Lamellibranchien und Solenoconchen, sich von einer gemeinsamen Stammform ableiten, welche bereits sämmtliche typischen Organe aller jetzt existirenden Mollusken besaß, lässt sich so überzeugend darthun, wie es nur überhaupt innerhalb irgend eines Typus des ganzen Thierreiches möglich ist, und ich hoffe, dass es mir an der Hand eines unscheinbaren, aber durch sein regelmäßiges Auftreten und seine con- stanten Beziehungen zum visceralen Nervensystem bedeutsamen Sinnes- organes? gelungen sein wird, einen Schritt in der Erkenntnis der Ein- heit des Molluskentypus vorwärts zu thun.

Göttingen, im September 1880.

i Bei der Übereinstimmung in dem Besitze einer ventralen Mantelhöhle, be- ziehungsweise eines hohen kurzen Körpers mit dorsaler, sich nach hinten öffnender Mantelhöhle zwischen Cephalopoden und Pteropoden liegt gewiss der Gedanke an eine nähere Verwandtschaft dieser beiden Classen, den namentlich v. IHERING aus- gesprochen hat, sehr nahe, und ich verkenne nicht, dass auch die Ähnlichkeit der

' Cephaloconen und ihres Innervirungsapparates mit den Cephalopoden-Armen für diese Ansicht zu sprechen scheint; allein die durchgreifende Symmetrie des Cepha- lopodenkörpers, für welche noch durch die neuesten Untersuchungen von Brock »Versuch einer Phylogenie der dibranchiaten Cephalopoden« die ursprüngliche bilaterale Symmetrie des Geschlechtsapparates wahrscheinlich gemacht ist, im Gegensatz zu derspeciell gastropodenartigen Asymmetrie der Pteropoden scheint doch einen so directen Zusammenhang auszuschließen, ganz abgesehen von anderen Schwierigkeiten der Zurückführung, und man wird, unter Voraussetzung der in Rede stehenden Homologie, wol annehmen müssen, dass die Cephaloconen der gymnosomen Pteropoden schon einer noch symmetrischen Stammform eigen waren, von denen sich beide Classen abgeleitet haben.

2 Ich habe dieses Sinnesorgan stets als Geruchsorgan bezeichnet und glaube, dass diese Benennung dem entspricht, was man aus der Lage des Organs über seine Function erschließen kann. Es liegt überall in der Nähe der Kiemen und zwar in ı unverkennbarer Weise gerade so, dass das Athemwasser über diese Organe hin- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 36

J. W. Spengel,

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XVII.

In allen Figuren ist die Visceralcommissur mit ihren Ganglien blau, das Geruchsorgan braun angelegt. Die Buccalganglien sind nicht mit dargestellt.

Ab, Abdominalganglion ;

Ce, Cerebralganglien;;

ce, Cerebralcommissur ;

ce.pe, Gerebropedalconnectiv ;

ce.pl, Gerebropleuralconnectiv;

Pe, Pedalganglien ;

pe, Pedalnerven von Haliotis und Paiella ;

O0, Ganglion olfactorium;

Sb, Subintestinalganglion ;

Sp, Supraintestinalganglion ;

s und s’, linke und rechte secundäre Wurzel der Visceralcommissur, bei Haliotis und Paiella Mantelnerven.

Fig. A. Nervensystem, Geruchsorgane und Kiemen von Haliotis nach LAcAzE- DUTHIERS. |

Fig. 2. Nervensystem, Geruchsorgane und Kiemenrudimente von Patella.

Fig. 3. Nervensystem und Geruchsorgan von Cyclostoma nach LAcAZE-DUTHIERS.

Fig. 4. Desgl. von Cassidaria echinophora.

Fig. 5. Desgl. von Pteroirachea mutica.

Fig. 6. Desgl. von Firoloides Desmaresti.

Fig. 7. Desgl. von Gastropteron Meckelü.

Fig. 8. Desgl. und Kieme von Aplysia leporina.

Fig. 9. Desgl. von Hyalaea nach SoULEYET, Geruchsorgan nach eigenen Bea achtungen.

Fig. 10. Desgl. von Pneumodermon nach SouLEYET, Geruchsorgan nach GEGENBAUR.

Fig. 44. Desgl. von Limnaeus nach LACAZE-DUTHIERS. Fig. 12. Nervensystem, Geruchsorgane und Kiemen von Chiton.

Vi, Visceralcommissur; Sl, Sublingualganglien.

Fig. 43. Nervensystem und Geruchsorgane von Arca nach DUVERNOY,

Tafel XVIII.

Das Geruchsorgan ist braun angelegt. Fig. 44. Organe der Mantelhöhle von Haliotis tuberculata (&/A).

a, Afterkegel ; dr, Schleimdrüse der Manteldecke.

streichen muss, ehe es zu den Kiemen gelangt. Man sieht dies sehr hübsch z. B. bei den Streptoneuren wie Buccinum (Fig. 45), wo das Geruchsorgan gerade hinter dem Sipho liegt und mit seiner Spitze noch in denselben hineinragt; ferner ist dies in sehr evidenter Weise bei den Cephalopoden der Fall. Man kann daraus schließen, dass das Organ die Aufgabe hat, die chemischen, resp, physikalischen Eigenschaften des Athemwassers zu prüfen, und es scheint mir, dass die Prüfung der Beschaffen- heit des Athemmediums die primäre Function eines Geruchsorganes ist, ohne damit bestreiten zu wollen, dass auch die Prüfung der Nahrungsstoffe auf gewisse Eigen- schaften Aufgabe der Geruchsorgane sein kann und offenbar in vielen Fällen ist.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. 383

Fig. 45. Kieme (links) und Geruchsorgan (rechts) von Buccinum undatum, letzteres mit der Spitze in den Sipho, s, hineinragend (4/4).

Fig. 16. Eine Kieme von Chiton sp. [von Helgoland] (ca. 20/4).

Fig. 47. Geruchsorgan von Capulus hungaricus (A0/A).

Fig. 48. Geruchsorgan von Trochus cinereus (5/4).

Fig. 49. Pyrula tuba, zur Darstellung der Lage des Geruchsorganes an der Manteldecke nach SouLEvEr (1/2).

Fig. 20. Kieme und Geruchsorgan von Aplysia leporina.

tr, traubenförmige Drüse.

Fig. 24. Gastropteron Meckelii mit ventralwärts geschlagenen Flossen (2/1).

Fig. 22. Ventrale Ansicht des hinteren Schließmuskels und der anliegenden Organe (Fuß, Kieme, Afterrohr) von Arca Noae (2/}).

Tafel XIX,

Das Nervensystem ist gelb angelegt.

Fig. 23. Querschnitt durch das Geruchsorgan von Murex trunculus (A0/A).

Fig. 24. Senkrechter Schnitt durch zwei Blätter des Geruchsorganes von Nassa sp., zur Darstellung der Nerven im Epithel (140/4).

Fig. 25. Senkrechter Schnitt durch das Geruchsorgan von Pierotrachea mutica (230/A).

m, Muskel.

Fig. 26. Querschnitt durch eine junge Haliotis tuberculata mit den Pedalnerven- stämmen, von dem Äste zur Fußsohle und zur Krause, kr, abgehen ; m, Mantelrand.

Fig. 27. Senkrechter Schnitt durch das Geruchsorgan von Arca Noae, parallel der Medianebene des Körpers (65/1).

Fig. 28. Senkrechter Schnitt durch das Kiemenrudiment, k, das Geruchsorgan, 9, und das Ganglion olfactorium von Patella vulgata (140/A).

Fig. 29. Senkrechter Schnitt durch das Ganglion olfactorium und das Geruchs- organ von Aplysia leporina (140/A).

236 *

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. Von

0. Bütschli.

Mit Tafel XX und XAXl.

Durch die Bearbeitung der Gregarinen für die Neuausgabe der Protozoa des Bronn’schen Lehrbuchs veranlasst, suchte ich mich im verflossenen Sommer durch eigne Beobachtungen auf diesem Gebiet etwas zu orientiren. Unter solchen Umständen konnte es natürlich nicht mein Bestreben sein, in systematisch eingehender Weise zur Lösung der zahlreichen Fragen, die hier eines Bearbeiters noch harren, beizu- tragen, sondern der wesentliche Zweck der unternommenen Studien war, wie bemerkt, eigne Orientirung und Belehrung, namentlich auf denjenigen Gebieten der Gregarinenforschung, die in neuerer Zeit durch die schönen Untersuchunger von Aımk ScHNEIDER so wesentliche Be- reicherung erfahren haben. Erfreulich war es mir daher, dass sich als Lohn meiner Bemühungen außer bestätigenden Erfahrungen immerhin eine Anzahl Resultate ergaben, die, wie ich glaube, zur Aufklärung einiger nicht unwichtiger Punkte in der Lebensgeschichte der Grega- rinen Einiges beizutragen vermögen.

Die schon zur Genüge hervorgehobene Natur meiner Unter- suchungen wird mich entschuldigen, wenn ich in den folgenden Zeilen nicht Abgeschlossenes und allseitig Durchgeführtes vorlege, sondern gewissermaßen eine Auslese hier und dort gemachter Beobachtungen. Eine weitere Vertiefung meinerseits in diesen Gegenstand glaubte ich auch unterlassen zu sollen, um meine freie Zeit den anderweitigen Arbeiten dadurch nicht länger zu entziehen. In Anbetracht dieser Ver- hältnisse und weiterhin des Umstandes, dass ich in nächster Zeit, bei Bearbeitung der Gregarinen für das Bronn’sche Lehrbuch, Gelegenheit haben werde, die Gesammtheit unseres Wissens von dieser Gruppe

| |

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 385

umfänglich und mit eingehender Berücksichtigung der Litteratur darzu- stellen, glaube ich auch än dieser Stelle auf ein genaueres Eingehen auf die früheren Leistungen und die Meinungen anderer Forscher ver- zichten zu dürfen und werde mich darauf beschränken, die Resultate meiner Beobachtungen in möglichster Kürze darzustellen. Natürlich soll hier nur das Wichtigere derselben hervorgehoben werden, während ich rein Bestätigendes bei der allgemeinen Darstellung der Gregarinen im Bronn’schen Lehrbuch anzuführen Gelegenheit haben werde.

I. Beobachtungen über die Fortpflanzung der Gregarina (Clepsidrina) Blattarum v. Sieb.

Diese leicht zu erhaltende Form diente mir, wie schon manchem meiner Vorgänger, zu Studien über die so interessante Fortpflanzungs- geschichte; und durch eine gewisse Begünstigung, deren ich mich durch die Massenhaftigkeit, in welcher sich die Gregarinen in den von mir untersuchten Blatten vorfanden, erfreute, gelang es mir auch hier einiges Neue und wohl nicht Unwesentliche über den Fortpflanzungsvor- gang zu ermitteln.

Die Gegarinen sind eigentlich diejenigen Protozoön, bei welchen zuerst der Konjugationsprocess als eine wichtige Erscheinung des Fort- pflanzungslebens auch auf thierischem Gebiet in Erwägung kam. Be- kanntlich war es die wichtige Arbeit Strin’si, die 1848 zuerst die Konjugation als einen sehr wesentlichen Faktor im Leben der Gregarinen erkannte; die schon lange bekannten, an einander hängenden Grega- rinen glaubte Stein, als in Konjugation begriffen auffassen zu dürfen und suchte den allmählichen Übergang solcher Paare in die Cysten- bildung und ihre schließliche Verschmelzung (Kopulation) hauptsächlich durch seine Beobachtungen an der Gregarina (Clepsidrina) polymorpha der Mehlkäferlarve zu belegen. Wenngleich die Konjugation der Gregarinen seit diesen Srtein’schen Beobachtungen ihr Bürgerrecht in der Wissenschaft nicht ınehr verlor, trotz mannigfacher Bestrebungen das Vorkommen derselben überhaupt in Abrede zu stellen, so blieb dennoch die ganze Frage nach dem Konjugationsprocess immer noch

sehr dunkel. Ein so genauer Beobachter unserer Wesen wie SCHNEIDER?

giebt zwar die Konjugation, oder vielmehr Kopulation, bei der Encysti- rung gewisser Gregarinen zu, scheint aber dennoch geneigt zu sein, die Bildung der Cysten gewöhnlich aus solitären Thieren ohne Kopulation

1 Archiv für Anat. und Physiol. 1848. p. 182—223. ? Arch. de zoologie experim. IV. 4875. p. 493—604.

386 0. Bütschli,

vor sich gehen zu lassen und leugnet vor allen Dingen völlig die Be- ziehung der zu Paaren zusammenhängenden Polycystideen zur Kopu- lation und Cystenbildung. Nach seinen Anschauungen nämlich, die auch für die Monocystideen gegründet erscheinen, geschieht die Ver- einigung der sich konjugirenden Thiere stets mit den gleichnamigen Körperenden, während sich bekanntlich die paarweise zusammenhängen- den Polycystideen gerade immer mit den ungleichnamigen Körperenden an einander hängen. Die innerhalb der CGysten so gewöhnlich wahr- nehmbare Sonderung des Inhalts in zwei Halbkugeln, scheint er, mit Ausnahme des Falles bei Dufouria agilis, wo es ihm glückte, die Kon- jugation und Cystenbildung selbst wahrzunehmen, auf eine Theilung des Cysteninhalts zurückzuführen. Durch meine Beobachtungen an der Gregarina Blattarum ist es mir jedoch gelungen, mit Sicherheit nachzu- weisen, dass die paarweis zusammenhängenden Gregarinen sich defini- tiv zusammen encystiren und kopuliren.

Das Gleiche habe ich auch bei der Gregarina polymorpha der Mehl- käferlarve, jedoch nicht mit derselben völligen Sicherheit festzustellen vermocht. Ich will daher zunächst über die Beobachtungen an letzt- erwähnter Gregarine kurz berichten. Bei einer Mehlkäferlarve, deren Chylusdarm von einer ungeheuren Menge der Parasiten erfüllt war, fand sich im hinteren Abschnitt desselben gleichzeitig schon eine recht beträchtliche Anzahl Cysten vor. Neben diesen ließen sich jedoch alle Übergänge zwischen den sehr langgestreckten, zusammenhängenden Gregarinenpaaren und den Cysten auffinden. Dieser Übergang verläuft ganz genau in der schon von Stein 1848 geschilderten und abge- bildeten Weise. Die Individuen eines zur Encystirung sich anschicken- den Paares verkürzen und verbreitern sich mehr und mehr, so dass sie durch die ovale Form allmählich bis in die kugelförmige übergehen. Den Kern und das sogenannte Kopfsegment (Protomerit Scaneiper’s) habe ich bei diesen, aus kugelförmig kontrahirten Individuen zusammenge- setzten Paaren nicht mehr wahrgenommen, jedoch kann ich hierauf keinen größern Werth legen, da die Untersuchung in dieser Richtung nur eine flüchtige war. An die eben erwähnten Stadien schließen sich dann weitere an, bei welchen sich die beiden kugelförmig kontrahirten Individuen mit abgeplatteten Flächen zusammenlegen und schließlich die mehr oder minder ovalen Cysten mit schon deutlicher, zarter Hülle, jedoch noch durchaus erhaltener Trennungsgrenze zwischen den beiden kopulirten Individuen. Alle die gleichzeitig im Chylusdarm dieses Exemplars gefundenen zahlreichen Cysten zeigten noch aufs deutlichste die Trennnngslinie der beiden konjugirten Individuen, so dass sich hier- aus, wie aus den voranstehend aufgeführten Beobachtungen, wohl mit

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 387

Sicherheit schließen lässt, dass sämmtliche Gysten in der geschilderten Weise aus konjugirten Individuen hervorgegangen waren. Wenn ich oben bemerkte, dass diese Beobachtungen an Gregarina polymorpha nur einen geringeren Grad von Sicherheit darbieten, so bezog sich dies darauf, dass in diesem Fall die Encystirung nicht durch fortdauernde Beobachtung eines und desselben Exemplars hat festgestellt werden können, während das Letztere bei dem jetzt zu schildernden Encysti- rungsakt der Gregarina Blattarum mehrfach geglückt ist. Auch hier waren es wieder zwei Exemplare von Blatta, die mit einer ganz unge- heuren Zahl der Parasiten inficirt waren, welche das Material zu den Beobachtungen lieferten. Eben so wie bei der Mehlkäferlarve fand sich auch hier eine ansehnliche Zahl fertiger Cysten in der hinteren Hälfte des Chylusdarmes vor; das eine der Thiere enthielt nicht weniger wie sechs fertig gebildete Cysten. Hier ging jedoch die Eneystirung auch noch bei der Untersuchung des Darminhalts in Eiweißlösung auf dem Object- träger weiter fort. Auch bei dieser Form sind es die zusammenhängen- den Paare, die sich zur Encystirung und Kopulation anschicken. Die erste bemerkenswerthe Veränderung, welche ein solches, zur Encysti- rung übergehendes Paar zeigt, besteht auch hier in einer Kontraktion und größeren Abrundung der einzelnen Individuen, namentlich wird auch die Absetzung des Protomerits (Kopfsegment) von dem Deutomerit (Rumpfsegment) weniger scharf (Fig. 1 a). Gleichzeitig macht sich je- doch auch eine ziemlich breite, helle, körnerfreie, peripherische Region des Leibes bemerklich und die Färbung der Thiere ist im durchfallen- den Licht eine mehr bräunliche geworden. Die in diesem Zustand be- findlichen Paare zeigen eine recht lebhafte Beweglichkeit, wobei nament- lich auffällt, dass, im Gegensatz zu der sonst bekanntlich gewöhnlich eingehaltenen, geraden Fortbewegungsrichtung, bei diesen Paaren eine ausgesprochene Neigung vorhanden ist, sich im Kreis herum zu bewegen. Dabei sind die Thiere selbst auch ziemlich gestaltsveränderlich, indem Einschnürungen, die sich bald hier, bald dort bilden, diesen Form- wechsel hervorrufen. Bei dem in Fig. I a abgebildeten Exemplar zeigt sich weiterhin schon eine, wenn auch nur wenig ausgesprochene, Schiefstellung der beiden Individuen zu einander, indem sich das hintere mit seinem rechten Vorderrand an den entsprechenden Hinterrand des Vorderthieres angelegt hat. Mit dieser beginnenden Schiefstellung der beiden Individuen zu einander dürfte, wie ich vermuthe, auch die Kreis- bewegung in Zusammenhang stehen. Der weitere Fortschritt der Kon- jugation vollzieht sich nun derart, dass, wie Fig. 4 b zeigt, die beiden Thiere sich mit ihren entsprechenden Seitenrändern successive mehr und mehr zusammenlegen, bis schließlich, nach Verlauf von noch nicht

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ganz einer halben Stunde, beide mit den Seitenrändern 'sich völlig ver- einigt haben und sich nun in der Fig. 1 c wiedergegebenen Weise präsentiren. Die Protomerite beider sind noch auf das deutlichste er- halten, liegen jedoch naturgemäß an den entgegengesetzten Polen des etwa ovalen konjugirten Körpers.

Während dieses ganzen Vorganges dauert die Kreisbewegung des in der Encystirung begriffenen Paares fort, nur nimmt der Radius der Kreisbahn, je mehr sich die Thiere zusammenlegen, an Größe ab, bis schließlich, auf dem in Fig. 4 c abgebildeten Stadium, die Kreisbe- wegung in Rotation übergegangen ist. Sobald die völlige Zusammen- lagerung der beiden Individuen in der geschilderten Weise sich voll- zogen hat, beginnt auch, mit der Ausscheidung einer gallertigen Hüllschicht um dieselben, zuerst die eigentliche Encystirung. Die durchsichtige Gallertschicht (Fig. 1 c, gh) macht sich hauptsächlich durch die auf ihrer Oberfläche anklebenden Fremdpartikelchen bemerkbar. Unter fortdauernder Rotation runden sich die beiden konjugirten Thiere mehr und mehr zu einer einheitlichen Kugel ab, ohne dass jedoch die Trennungsgrenze der beiden Individuen an Deutlichkeit abnähme ; da- gegen haben sich jedoch jetzt die beiden Protomerite (Fig. ! d, pm) ganz in das Nivellement der Kugeloberfläche zurückgezogen, lassen jedoch noch immer eine Abgrenzung gegen die Deutomerite erkennen. Die Ausscheidung der Gallerthülle macht rasche Fortschritte; dieselbe ist auf dem Stadium Fig. 1 d schon beträchtlich gewachsen und unter ihr ist eine sehr zart geschichtete, innere Hülle (Fig. ! d, ch) aufgetreten, die erste Anlage der inneren oder eigentlichen Cystenhülle. Weiterhin verliert sich nun die Rotation des Cysteninhalts mehr und mehr, dauert jedoch, wenn auch langsam, noch wenigstens gegen 1/, Stunde, wohl auch noch länger, fort, wie man namentlich daran erkennt, dass der Verlauf der Trennungslinie der beiden Individuen, so wie die noch an- gedeuteten Protomerite, ihre Lage ändern. Kurze Zeit nach dem ersten Auftreten der inneren oder eigentlichen Gystenhülle verdickt sich deren innerste Lage zu der ziemlich dicken und dunklen, glänzenden eigent- lichen Cystenhülle, die äußerlich, jedoch nicht immer, noch eine Anzahl zarter Auflagerungsschichten erkennen lässt (Fig. 1 e, ch). Dass diese dunkle, glänzende und anscheinend homogene Hülle selbst wieder aus zahlreichen koncentrischen Schichten zusammengesetzt ist, wird sich aus ihrem weiteren Verhalten ergeben. Eigenthümlich erscheint, dass die ganze Gyste nun noch eine Formveränderung erfährt, nämlich all- mählich die ovoide Gestalt annimmt, welche die ausgebildeten Cysten stets zeigen {Fig. I e). Der ganze Vorgang der Encystirung, wie er so- eben geschildert wurde, und in den Figuren I a—e von einem und dem-

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selben Paar wiedergegeben ist, verlief etwa in einem Zeitraum von 5/, Stunden.

Wie schon bei der Gregarine der Mehlkäferlarve gefunden wurde, so zeigten auch hier sämmtliche im Chylusdarm. vorhandenen Cysten noch aufs deutlichste die Trennungsgrenzen der beiden Individuen und häufig ließen sich auch noch die beiden oder doch ein Protomerit auf- finden.

Was die weiteren, nun innerhalb der Cyste sich abspielenden Ent- wicklungsprocesse anbetrifft, so habe ich dieselben nicht systematisch verfolgt, da die Undurchsichtigkeit des Objektes einen großen Aufwand von Material und Zeit und zur genauen Feststellung der Kernverhält- nisse wahrscheinlich den Versuch der Anwendung der Schnittmethode erfordert. Eine Reihe von Einzelheiten, die ich jedoch beobachtete, will ich hier kurz zur Sprache bringen. Die auf dem Stadium Fig. I e noch deutlichen Protomerite scheinen bald mit den Deutomeriten zu verschmelzen, wenigstens ließ sich nach circa drei Stunden nichts mehr von ihnen auffinden.

Im Gegensatz zu diesem raschen Untergang der Protomerite steht die sehr lange Erhaltung der Trennungsgrenze zwischen den beiden encystirten Individuen, d. h. also die relativ späte Verschmelzung der- selben zu einem einheitlichen Cysteninhalt. Nach den Erfahrungen, die ich darüber in mehreren Beobachtungsreihen gesammelt habe, er- folgt diese Vereinigung erst etwa 48 Stunden nach dem Beginn der Encystirung und zwar erst, nachdem die Cyste den Enddarm passirt hat und mit dem Koth nach außen getreten ist. Noch eigenthümlicher er- scheint jedoch die Thatsache, dass die Bildung der Sporen (Pseudo- navicellen) schon sehr frühzeitig anhebt, lange bevor die Verschmelzung sich vollzogen hat. Wie mir nach einer, jedoch nicht ganz sicheren Beobachtung schien, beginnt sogar die Pseudonavicellenbildung schon wenige Stunden nach der Ausbildung der Gyste. Wenn nun auch, wie in den okigen Zeilen hervorgehoben worden ist, die Trennungsgrenze zwischen den beiden sich kopulirenden Thieren noch so lange sicht- bar bleibt, so möchte ich daraus doch nicht unbedingt den Schluss ziehen, dass der Verschmelzungsprocess überhaupt erst relativ so spät nach vollzogener Encystirung anhebt. Es wäre ja leicht denkbar, dass die Verschmelzung im Innern beginnt, so dass auf der Oberfläche die äquatoriale Trennungsgrenze trotz theilweiser Verschmelzung noch deutlich zu sehen ist. Über ein solches, mir nicht unwahrscheinlich dünkendes Verhalten ließe sich aber nur durch die Anfertigung von Durchschnitten der Cysten auf geeigneten Entwicklungsstadien sicherer Aufschluss erhalten.

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Was nun die Pseudonavicellenbildung anbetrifft, die wie bemerkt, schon sehr frühzeitig anhebt, so deutet das, was ich davon gesehen, darauf hin, dass dieselbe sich hier wohl nach Art eines allseitigen, auf der gesammten Oberfläche der beiden encystirten Individuen statt- findenden Knospungsprocesses vollzieht. Zwar habe ich das Nähere dieses Vorganges nicht verfolgt, jedoch lässt sich aus dem Gesehenen und aus dem, was von dem Bildungsvorgang der Pseudonavicellen der Gregarinen überhaupt bekannt ist, nicht wohl auf einen andern Vor- gang schließen. Die jugendlichen Pseudonavicellen fanden sich, etwa 24 Stunden nach vollzogener Encystirung, in Gestalt einer peripheri- schen, hellen Lage, die Oberfläche der beiden noch nicht vereinigten, encystirten Individuen überziehend. Dicht zusammengedrängt, bilden sie gleichsam ein Cylinderepithel, das die Oberfläche des Gysteninhalts, ähnlich wie das Blastoderm den Nahrungsdotter eines Insekteneies, überdeckt. Von der Fläche betrachtet, erscheint diese Pseudonavicellen- schicht wie ein aus polygonal sich abplattenden Zellen zusammenge- setztes Epithel. Auf der Vereinigungsfläche der beiden encystirten Individuen scheint es wohl sicher nicht zur Bildung von Sporen zu kommen. Eine Hülle besitzen die jugendlichen Pseudonavicellen dieses Stadiums noch nicht; ihr Protoplasma erscheint ganz hell und durch- sichtig, fast durchaus körnchenfrei; nur zuweilen bemerkt man wenige, feine dunkle Körnchen in einigen derselben. Letztere Verhältnisse lassen sich natürlich nur dann gut wahrnehmen, wenn man die Cyste sprengt und den Inhalt hervortreten lässt. Hierbei nehmen die isolirten Pseudonavicellen eine abgerundete, ovale bis kuglige, zuweilen jedoch auch etwas unregelmäßige Form an!, so dass ihre verlängert, prisma- tische Gestaltung im Innern der CGyste wohl auf gegenseitige starke Pressung zurückzuführen ist. Besonders bemerkenswerth erscheint jedoch, dass sich an den isolirten, jugendlichen Pseudonavicellen das Vorhandensein eines Zellkerns sicher konstatiren lässt. Derselbe liegt fast stets etwas excentrisch, ist kuglig und besitzt eine deutliche, ziem- lich dunkle Hülle, der Inhalt erscheint blass, nicht körnig. Essigsäure (1%/,) macht den Kern noch deutlicher und mit Alaunkarmin lässt er sich gut färben, so dass über seine Kernnatur nicht wohl ein Zweifel bestehen kann.

Dieser in vieler Hinsicht bemerkenswerthe Nachweis eines Zell- kerns in den jugendlichen Sporen veranlasst mich, noch mit einigen Worten auf die Kernverhältnisse der eneystirten Individuen überhaupt

1 Amöboide Bewegungen, die nach dieser zum Theil unregelmäßigen Gestal-

tung der isolirten Pseudonavicellen vielleicht zu vermuthen wären, vermochte ich nicht zu beobachten.

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 891

einzugehen. Bekanntlich bildet das Verhalten der Zellkerne bei der Kopulation einzelliger, thierischer und pflanzlicher Wesen eine sehr interessante und wichtige Frage, hauptsächlich im Hinblick auf die in neuerer Zeit so mannigfach aufgeklärten Befruchtungserscheinungen der vielzelligen Wesen. Ohne Zweifel werden die Vorgänge bei den Grega- rinen dereinst in dieser Beziehung eine recht wichtige Rolle zu spielen berufen sein. Vorerst jedoch sind unsere Erfahrungen auf diesem Ge- biet zu unsicher, um mehr wie einige Vermuthungen zu gestatten. Die allgemeine Annahme sprach sich seither dafür aus, dass die Kerne der sich encystirenden und kopulirenden Gregarinen nach einiger Zeit durch Auflösung zu Grunde gingen.

Die wenigen Beobachtungen, welche ich durch Sprengung jugend- licher, dem Chylusdarm entnommener Cysten gemacht habe, gestatten mir nicht eine gegründete Ansicht über das Schicksal der Kerne der beiden sich kopulirenden Individuen zu äußern, dennoch möchte ich hier hervorheben, dass nach meiner Überzeugung durch die seitherigen Beobachtungen der behauptete Untergang der Kerne gewiss nicht mit der, durch die neuern Erfahrungen auf ähnlichen Gebieten, wünschens- werthen Sicherheit erwiesen ist, sondern dass es neuer, mit den so wesentlich vermehrten Hilfsmitteln der modernen Technik ausgerüste- ter Untersuchungen bedarf, um über das Schicksal der Kerne definitiv zur Klarheit zu gelangen. Ich persönlich habe mich bis jetzt über- zeugt, dass in den beiden Individuen einer sehr jugendlichen Cyste aus dem Chylusdarm die Kerne noch vorhanden waren, dass dieselben sich jedoch gegenüber denen der nicht encystirten Thiere sehr wesentlich verändert zeigten. Sie schienen an Größe beträchtlich abgenommen zu haben, besaßen eine sehr zarte Kernhülle und einen sehr feingranulir- ten Inhalt. Von den so ansehnlichen Nucleoli der gewöhnlichen Kerne war gar nichts mehr vorhanden. Bei Weitem interessanter jedoch gestaltete sich das Verhalten einer etwas weiter entwickelten Cyste, an der von Bildung der Pseudonavicellen noch nichts zu beobachten war. Hier fand sich nämlich in dem peripherischen Protoplasma des Cysteninhalts eine sehr große Anzahl kleiner Kerne vor, die sich durch die Färbung mit Alaunkarmin recht deutlich nachweisen ließen. Ihre Gestalt war meist rundlich, zum Theil jedoch auch etwas unregel- mäßig und in ihrer weiteren Beschaffenheit schlossen sie sich zunächst an die früher geschilderten Kerne der jugendlichen Pseudonavicellen und die soeben erwähnten, veränderten Kerne der noch nicht so weit entwickelten Gyste an. Die Größenverhältnisse dieser peripherischen Kerne waren etwas verschieden, jedoch übertrafen sie die Kerne der jugendlichen Pseudonavicellen an Größe. Es scheint mir nun kaum

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fraglich zu sein, dass die Kerne der Pseudonavicellen ihre Entstehung von jenen peripherischen Kernen nehmen, dass letztere sich an dem Knospungsprocess, welcher zur Bildung der Pseudonavicellen führt, betheiligen. Fraglich muss dagegen bis jetzt die Herleitung jener zahl- reichen peripherischen Kerne erscheinen : ob dieselben nämlich im Cysten- inhalt neu gebildet werden, oder, wie dies nach den Erfahrungen der neueren Zeit bei Weitem wahrscheinlicher ist, sich von den ursprüng- lichen Kernen der beiden kopulirten Thiere herleiten. Die Entschei- dung hierüber wird nur durch eine Reihe methodischer Beobachtungen festzustellen sein, zu welchen meine lückenhaften Untersuchungen viel- leicht einige Anregung geben werden.

Auf einen zweifelhaft gebliebenen Punkt erlaube ich mir gleichfalls noch hinzuweisen. Es schien mir, dass auch bei den mit ausgebildeter, oberflächlicher Schicht von jugendlichen Pseudonavicellen versehenen Cysten sich im Innern des peripherischen Protoplasmas noch kern- artige Körper vorfinden, jedoch ließ sich darüber keine völlige Sicher- heit erreichen.

Man wird zugestehen, dass auch die eben geschilderten wenigen Beobachtungen über die Kernverhältnisse der Gysten vor und während der Pseudonavicellenbildung eine Vergleichung der letzteren mit der Blastodermbildung im Insektenei sehr nahe legen. |

Wir kehren nach dieser Abschweifung wieder zu dem Entwick- lungsprocess der CGysten zurück. Die Pseudonavicellenschicht besteht, so weit meine Beobachtungen reichen, stets nur aus einer einzigen Lage und die sie zusammensetzenden, jugendlichen Pseudonavicellen lassen, so lange sie noch diese peripherische Schicht bilden, nichts deut- liches von einer Hülle erkennen. Nach einer gewissen Zeit nun ver- schwinden die Sporen völlig von der Oberfläche des Cysteninhalts; den Zeitpunkt dieses Verschwindens habe ich nicht hinreichend sicher beobachtet, jedoch möchte ich glauben, dass er ziemlich zusammen- fällt mit der völligen Vereinigung der beiden, bis jetzt noch immer durch eine deutliche Trennungslinie markirten Individuen.

Wie schon früher bemerkt, vollzieht sich diese völlige Vereinigung etwa 48 Stunden nach eingetretener Encystirung. Wenn nun dieser Art der Gysteninhalt sich völlig einheitlich gestaltet hat, ist von der früheren Pseudonavicellenschicht auf der Oberfläche desselben nichts mehr zu erkennen, vielmehr wird letztere von einer ziemlich dicken, etwas heller wie der übrige Cysteninhalt erscheinenden Zone gebildet, die von den bekannten Körnern der Gregarinen durchaus erfüllt ist. Dieses Verschwinden der Pseudonavicellenschicht erklärt sich in der Weise, dass sie in den Gysteninhalt einwandern, ob aktiv, oder in irgend

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einer anderen Weise, vermag ich nicht anzugeben, und dass sie weiter- hin sich im Centrum des körnigen Cysteninhalts zu einer centralen Masse zusammenhäufen und hier ihre definitive Ausbildung erfahren, über die ich jedoch etwas Weiteres nicht festgestellt habe!. Diese An- häufung der Pseudonavicellen im Cysteninbalt macht sich bald daran bemerklich, dass sich dessen Centrum aufhellt, indem die Masse der durchsichtigen Sporen das Licht besser passiren lässt. Diese Aufhellung der Centralmasse der CGyste tritt schon etwa 12—16 Stunden nach der völligen Verschmelzung der beiden kopulirenden Individuen sehr deut- lich hervor.

Der weitere Fortschritt in der Entwicklung der Cysten koncentrirt sich nun hauptsächlich auf die Ausbildung der Einrichtungen zur Aus- streuung der Pseudonavicellen, auf die Bildung der zuerst von Stein, später genauer von A. ScunEiper beobachteten, sogenannten Sporo- ducte. Das erste Auftreten dieser Sporoducte scheint eirca 48 Stunden nach der völligen Verschmelzung der beiden kopulirten Individuen stattzufinden. Ich habe die Bildung dieser interessanten Einrichtungen zur Ausstreuung der Sporen nicht von ihren ersten Anfängen verfolgt; an den ersten Stadien, die ich wahrnahm,, waren dieselben stets ziem- lich weit entwickelt, jedoch lässt sich aus dem Verhalten der fertigen Organe wohl noch ein ziemlich sicherer Schluss auf ihre wahrschein- liche Entstehungsweise ziehen. Um für diese das richtige Verständ- nis zu finden, müssen wir hier nachholen, dass sich schon auf einem sehr frühen Stadium der Encystirung, noch bevor es zur Pseudonavi- cellenbildung gekommen ist, um den Gysteninhalt eine innerste, zarte Membran nachweisen lässt, eine Hülle, die bei der Bildung der Sporo- ducie eine wichtige Rolle zu spielen scheint. An der unverletzten Cyste habe ich diese Membran weder auf solch frühen Stadien noch auf den späteren mit Sicherheit wahrzunehmen vermocht, dagegen ließ sich dieselbe nach Sprengung der Cysten und dem Austritt des Inhalts aufs deutlichste erkennen. Schon die frühesten Stadien der Sporo- ductbildung sind selbst bei sehr schwacher Vergrößerung leicht daran kenntlich, dass die Bildungsstelle jedes Sporoducts durch einen ziem- lich ansehnlichen, hellen Fleck in der dunkelkörnigen äußeren Partie des Cysteninhalts bezeichnet wird (Fig. 4 spd). Diese hellen Flecke sind darauf zurückzuführen, dass sich eine ganz helle und namentlich von groben Gregarinenkörnern vollständig freie Plasmamasse an den Bildungsstellen der Sporoducte angesammelt hat und hier in radiärer

1 Denselben Vorgang hat auch schon A. Scuneiper bei den Clepsidrinen beob- achtet, auch er hat jedoch den eigentlichen Modus der Wanderung nicht festzu- stellen vermocht,.

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Richtung die dunkelkörnige Außenregion des Cysteninhalts, von dem hellen Centralhaufen der Pseudonavicellen bis zu der Oberfläche, durch- setzt, hier natürlich in Gestalt eines mehr oder minder regelmäßig rundlichen und hellen Fleckes erscheinend. In der Achse dieser strang- förmigen, hellen Plasmamasse tritt nun schon aufs deutlichste die An- lage des eigentlichen Sporoductes hervor, in Gestalt eines zartwandigen Schlauches (Fig. 5 spd), der sich von der Oberfläche des Cysteninhalts schon ziemlich tief gegen das Centrum hin verfolgen lässt und der wahrscheinlich schon in seiner definitiven Länge angelegt ist, d. h. bis etwa zur Oberfläche des Pseudonavicellenhaufens im Centrum der Cyste reicht. Dieser Sporoductschlauch erscheint nun, wie die genauere Untersuchung ausweist, als eine direkte Fortsetzung der oben erwähn- ten, innersten Cystenhülle und scheint es mir auch sehr wahrschein- lich, dass der Sporoduct sich schon jetzt durch eine feine Öffnung in der Fläche dieser Membran öffnet. Darauf deutet die ganz helle, durch- sichtige, peripherische Endigung des Sporoductes hin (Fig. 5).

Der Sporoduct selbst ist ein sich nach innen nur wenig verjüngen- der Schlauch, der jedoch häufig dicht hinter seinem peripherischen Anhangsende eine einschnürungsartige Verengerung zeigt. Hiermit sind jedoch die Eigenthümlichkeiten des Sporoductes und namentlich des hellen plasmatischen Stranges, in dessen Achse er eingebettet ist, noch nicht erschöpft. Untersucht man einen der hellen Flecke in der Flächen- ansicht bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 5), so beobachtet man in der hellen Masse des Fleckes um die als helles Kreischen hervorleuchtende, peripherische Mündungsstelle des Sporoducts eine Ansammlung sehr feinkörnigen Protoplasmas (w), die sich nach den Rändern des Fleckes hin strahlenartig in Fortsätze auszieht, welche sich schließlich netzarlig verästeln, unter einander anastomosiren und sich zwischen den Körnern der umgebenden, körnigen Masse scheinbar verlieren. Bei genauerem Zusehen jedoch stellt sich heraus, dass diese feinkörnigen Plasmazüge und Netze sich auch noch durch die ganze körnige Masse hindurch fort- setzen und die Körner demnach von den Maschen dieses feinkörnigen Plasmanetzwerkes umschlossen werden. Letzteres tritt mit voller Deut- lichkeit hervor, wenn man an einer derartigen Gyste die verdunkelnden, undurchsichtigen Körner durch Kalilauge (35°/,) zerstört, während da- durch das plasmatische Netzwerk nicht wesentlich angegriffen wird; dann hat man Gelegenheit dasselbe in seiner ganzen Ausdehnung zu übersehen (siehe auch Fig. 6) und an den reifen Cysten auch das Ver- halten dieses Plasmanetzes zu den Sporoducten festzustellen. An den jugendlichen 'Sporoducten ist dies durch Anwendung der Kalilauge nicht möglich, da dieselben durch dies Reagenz zerstört werden, wo-

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 395

gegen sich die Sporoducte der reifen Cysten widerstandsfähig gegen die Kalilauge erweisen, eben so wie dies von der Sporoductenhülle, wie ich die früher beschriebene, innerste Umhüllungsmembran nennen will, gilt.

Die geschilderten Bauverhältnisse der körnigen Außenmasse des Cysteninhalts scheinen mir nun darauf hinzudeuten, dass hier eine Art Differenzirung des Protoplasmas vorliegt, wie sie schon mehrfach von verschiedenen Objekten beschrieben wurde; das netzförmig verästelte, feinkörnige Plasma ließe sich etwa als Protoplasma, die helle durch- sichtige Zwischenmasse hingegen als Paraplasma im Sinne KuPpFFEr’S bezeichnen. Im letzteren sind dann die Körner, umschlossen von den Maschen des feinkörnigen Protoplasmanetzwerkes, eingelagert. Was nun das Verhalten des plasmatischen Netzwerkes zu den Sporoducten- schläuchen betrifft, so zeigt sich an den durch Kalilauge aufgehellten Cysten, dass ähnlich, wie dies bei der Betrachtung von der Fläche schon zu bemerken war, die Sporoducte in ihrem ganzen Verlauf von diesem Plasmanetz umsponnen werden, und dass sich um den ganzen Sporoduct ein, wenn auch zarter Schlauch dieses dichteren Plasmas vorfindet, mit dem sich das Plasmanetz in Verbindung setzt (Fig. 13). Nach diesen Befunden, die vom wesentlich fertig gebildeten Sporoduct entnommen sind, glaube ich, dürfen wir uns etwa folgende Vorstellung von dem Bildungsvorgang der Sporoducte entwerfen. Der erste Schritt hierbei wird wohl der sein, dass sich durch Auseinanderweichen der Körner in der Außenregion des Cysteninhalts, an gewissen Stellen die hellen, körnerfreien Stränge bilden. In der Achse eines solchen Stranges wird sich nun das feinkörnige, ihn durchsetzende Plasmawerk schlauchförmig anordnen und im Innern dieses Schlauches wird der eigentliche Sporoduct durch Abscheidung oder plasmatische Umbildung erzeugt werden und zwar von Anfang an in direktem Zusammenhang mit der sogenannten Sporoductenmembran. Schon sehr frühzeitig scheint sich auch, wie oben schon hervorgehoben wurde, eine direkte Ausmündung des Sporoductenschlauches nach außen, d. h. in den Raum unterhalb der eigentlichen Cystenhülle, zu finden.

Die Zahl der in solcher Weise gebildeten Sporoducte schwankt sehr bei den verschiedenen Cysten und steht wohl zunächst im innig- sten Zusammenhang mit der sehr verschiedenen Cystengröße. Letztere ist ihrerseits natürlich abhängig von der Größe der sich zur Encystirung anschickenden Thiere. Die geringste Zahl der von mir bei kleinen Cysten gefundenen Sporoducte betrug drei,‘die höchste Zahl dagegen bei sehr ansehnlichen Cysten etwa ein Dutzend.

Bemerkenswerthe Veränderungen an den Sporoducten, im Verlaufe

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der weiteren Reifung der Cysten bis zu ihrem Aufbrechen, konnte ich kaum beobachten ; nur scheint die feinkörnige Plasmamasse, die wie ein Ringwulst das peripherische Ende des Sporoductes umgiebt (Fig. 12 und 13 w), sich allmählich noch mehr zu verdichten. Im optischen Durchschnitt sieht man sie häufig deutlich etwas wulstartig nach innen vorspringen und bemerkt an ihr manchmal auch recht deutlich eine zarte, senkrecht zur Oberfläche gehende Faserung. Die Zeit, welche von dem ersten Auftreten der Sporoducte bis zu der Eröffnung der ausgereiften Cysten und dem Hervorbrechen der Sporoducte verstreicht,\ beträgt nach mehrfachen Beobachtungen etwa 36—48 Stunden, so dass die gesammte Reifung der Gysten der Gregarina Blattarum, wenigstens bei sommerlicher Temperatur, circa fünf Tage in Anspruch nimmt. Jedoch glaube ich, dass gerade der Zeitpunkt der Eröffnung der Gysten häufig Schwankungen unterworfen ist; ich habe wenigstens einen Fall beobachtet, wo am vierten Tag nach dem ersten Auftreten der Sporo- ducte die Gyste noch der Eröffnung harrte und andererseits hatte ich häufig Gelegenheit wahrzunehmen, dass auch ein zu frühzeitiges, anor- males Aufbrechen stattfinden kann. Dieses zu frühzeitige Aufspringen der Cysten, das-sich zuweilen schon vor der völligen Vereinigung der encystirten Individuen ereignet, ist nicht mit einer Ausstülpung der Sporoducte, in so fern solche schon vorhanden sind, verbunden. Es reißt dabei die Gallerthülle und die darunter liegende eigentliche Cystenmembran ein und diese letztere drückt dann durch ihre starke Zusammenziehung, von der weiter unten noch die Rede sein wird, den Cysteninhalt aus der Rissstelle ‘heraus. Hierbei erhält sich entweder die Sporoductenmembran intakt und der Cysteninhalt wird dann, von dieser eingehüllt, nach außen befördert, oder, indem diese Haut ein- reißt, fließt der Inhalt aus und zerstreut sich.

Die Eröffnung der reifen Cysten vollzieht sich wohl normaler- weise in der Art, dass die ins Innere des Gysteninhalts hereinragenden Sporoducte nach außen ausgestülpt werden, die eigentliche Gysien- membran und die Gallerthülle durchsetzen und so eine Kommunikation des Cysteninhalts mit der Außenwelt herstellen. Den Moment der Hervorstülpung der Sporoducte habe ich nicht beobachtet ; durch Druck gelang es nicht, die Sporoducte ohne Zersprengung der eigentlichen Cystenhaut zur Ausstülpung zu bewegen. Wenn nun auch keine Frage darüber sein kann, dass die Sporoducte einfach ausgestülpt werden, wobei wohl auch ein Druck der sehr gespannten, eigentlichen Gysten- hülle mitwirken dürfte, so ist es mir doch bis jetzt unerklärlich ge- blieben, wie die sich ausstülpenden Sporoducte, die doch immerhin ziemlich resistente Cystenhülle zu durchsetzen vermögen, und dies in

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einer Weise, dass durchaus nichts von einer Rissstelle oder einem Loch an der Durchtrittsstelle des Sporoducts zu erkennen ist. Dies ist wenig- stens nicht der Fall an denjenigen CGysten, deren Eröffnungsgang in der normalen Weise verlief. Immerhin trifft man auch gar nicht sel- ten Cysten, wo die Cystenmembran thatsächlich an einer Stelle einen Riss zeigt, durch den auch wohl ein Sporoduct hervorgestülpt sein kann. Eben so wenig vermag ich auch diejenigen, gar nicht seltenen Fälle für normal zu halten, wo aus einer derartigen Rissstelle der Cystenhülle der gesammte Inhalt, jedoch. umschlossen von der Sporo- duetenhaut ausgetreten ist und sich gleichzeitig die Sporoducte meist nur zum Theil hervorgestülpt haben. Diese nur theilweise Hervor- stülpung der Sporoducte beobachtete ich jedoch auch bei normalem Verlauf gar nicht selten.

Über den Austritt der Pseudonavicellen mit Hilfe der Sporoducte dürften noch einige Worte zugefügt werden. Das Agens für die Aus- streuung der Pseudonavicellen ist in unserem Fall ohne Zweifel nur in der relativ mächtigen Spannung, unter welcher sich die Gystenhülle befindet, zu suchen. Sobald diese verletzt wird, und das Gleiche wird sich auch nach Hervorstülpung der Sporoducte zeigen, zieht sie sich sehr energisch zusammen, indem ihre Dicke ungemein, bis zum Zehn- fachen und mehr der ursprünglichen, wächst und gleichzeitig an der nun ansehnlich dicken und durchsichtigen Membran eine sehr deut- liche Schichtung hervortriti. Der starke Druck, der von der Cysten- haut demnach auf den Inhalt ausgeübt wird, genügt ohne Zweifel zum Hervortreiben der Pseudonavicellen durch die Sporoducte.

Zur Sicherung dieses Vorganges ist jedoch gewissermaßen noch eine Leitungsvorrichtung vorhanden, welche von dem centralen Haufen der Pseudonavicellen zu jedem Sporoduct hinführt und die dadurch entstanden ist, dass der früher erwähnte plasmatische Schlauch, dem wir eine wichtige Rolle bei der Erzeugung des Sporoducts zuschrieben, sich nach der Hervorstülpung desselben noch erhält und, in dem plas- matischen Netzwerk gewissermaßen aufgehängt, die Hinleitung der Pseudonavicellen zu der Ursprungsstelle des Sporoduets "übernimmt (Fig. 6 S).

Über die hervorgestülpten Sporoducte ist wenig zu bemerken; ihre Basis steht auf dem schon früher erwähnten feinkörnigen und am hervor- gestülpten Sporoduct häufig etwas hervorgewölbten Ringwulst auf (Fig. 13 w). Weiterhin bemerkt man häufig, jedoch keineswegs immer und nicht selten nur undeutlich, eine scheinbare Anschwellung des Basaltheils des Sporoducts, die in manchen Fällen sich wie ein beson- deres, stärker angeschwollenes Basalglied desselben ausnimmt und von

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SCHNEIDER auch in dieser Weise aufgefasst wird (Fig. 6). Genaue Unter- suchung mit starken Vergrößerungen lehrt jedoch, dass es sich hier nicht um ein derartiges Basalglied handelt, sondern dass dieser An- schein hervorgerufen wird von einer körnig-fasrigen und ziemlich unregelmäßigen Masse, die den Basaltheil des Sporoducts umgiebt (Fig. 12 5). Woher dieselbe stammt, ist mir jedoch- nicht klar ge- worden. |

Hinsichtlich des Baues der reifen Pseudonavicellen ist hier nur wenig zu bemerken; dieselben besitzen eine etwa länglich tonnen- förmige Gestalt; die Endflächen ihrer Schale sind etwas verdickt und dunkler wie die Seitenfläche (Fig. 7 a—b). Der protoplasmatische In- halt scheint anfänglich, wie dies ja auch zu erwarten, den Binnenraum der Hülle vollständig auszufüllen und zieht sich erst allmählich nach der Entleerung mehr aus den Enden zurück ; der eingeschlossene Proto- plasmakörper ist auch bei den reifen Pseudonavicellen anfänglich sehr durchsichtig und hell und erst allmählich nach der Entleerung treten in ihm eine ziemliche Anzahl dunkler, glänzender Körnchen auf, die sich allmählich mehr im Gentrum des Protoplasmakörpers anzuhäufen scheinen (Fig. 7 a); zuweilen erscheint das Plasma auch etwas undeut- lich vacuolär (Fig. 7b).

Einen Kern nachzuweisen, ist mir bis jetzt bei den reifen Pseudo- navicellen der Gregarina Blattarum nicht geglückt, jedoch zweifle ich nicht im geringsten, dass er sich findet. Ich habe nämlich versäumt, die Anwendung von Reagentien und Färbungsmitteln zu versuchen und erst nachträglich wurde mir die Anwesenheit des Kernes in den noch hüllenlosen, jugendlichen Pseudonavicellen bekannt. Wie gesagt, kann ich unter diesen Umständen nicht zweifeln, dass sich auch im proto- plasmatischen Inhalt der reifen Pseudonavicellen ein Kern findet, da die Gegenwart eines Zellkerns ja auch schon durch Aım£ ScHnEiDer bei einer ziemlichen Zahl von Pseudonavicellen erwiesen wurde.

Bekanntlich fehlt bis jetzt jede gesicherte Beobachtung über das weitere Schicksal der Pseudonavicellen der Polycystideen. Eine Thei- lung des protoplasmatischen Inhalts und die Bildung sogenannter sichel- förmiger Körperchen, wie sie sich für die Monocystideen der Regen- würmer und die sogenannten eiförmigen Psorospermien leicht erweisen lässt, wurde hier bis jetzt nur in einem Fall von Scuneiver beobachtet und auch ich habe bei längerer Beobachtung der in Wasser aufbe- wahrten, entleerten Sporen keine wesentliche Veränderung an denselben beobachtet.

Meines Wissens ist bis jetzt noch niemals der Versuch gemacht . worden, die reifen Pseudonavicellen einer Insektengregarine wieder an

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 399

‘ein Insekt zu verfüttern, um in dieser Weise vielleicht die doch ge- wöhnlich angenommene, direkte Inficirung der Wohnthiere durch die Pseudonavicellen zu erweisen und womöglich die allmähliche Ent- wicklung der Gregarine durch dieses Hilfsmittel ab ovo zu erforschen. Ich habe nun den Versuch gemacht, eine solche Übertragung durch Verfütterung der reifen Pseudonavicellen hervorzurufen eigentlich zwar in der Erwartung, dass er misslingen würde, oder dass es doch wenigstens kaum möglich sein dürfte, die jugendlichen Gregarinen im Darminhalt bei ihrer Kleinheit mit Sicherheit zu erkennen der Ver- such ist jedoch gegen Erwarten gleich beim ersten Mal vollständig ge- glückt. Daraus entnehme ich die Hoffnung, dass es bei weiterer Fort- setzung dieser Experimente wohl gelingen dürfte, das Geheimnis der Gregarinenentwicklung mit Sicherheit aufzuklären. Mir persönlich ist es bis jetzt nur gelungen, eine Anzahl der Entwicklungsstadien festzu- stellen, während ich leider gerade die allerersten und sehr wichtigen Vorgänge noch unaufgeklärt lassen muss.

Eine recht beträchtliche Quantität reifer, von zahlreichen Cysten entleerter Pseudonavicellen wurden mit etwas Wasser und Mehl zu einem Brei angerührt und nun je eine isolirte Blatta orientalis ohne weitere Nahrung, als etwas von diesem pseudonavicellenhaltigen Mehl- brei, in ein feuchtgehaltenes Glasgefäß eingesperrt. Der Mehlbrei wurde sehr rasch von den Insekten aufgezehrt. Am dritten Tag nach der Fütterung wurde das erste der Thiere untersucht, eine schon ziemlich erwachsene Blatta, die eine sehr ansehnliche Quantität Pseudonavicellen aufgenommen hatte. Ich war auch in der Auswahl dieses Versuchs- thieres vom Glück begünstigt, da es sich bei der Untersuchung heraus- stellte, dass dasselbe fast völlig frei von Gregarinenschmarotzern war, nur einige wenige, etwas größere, jedoch noch sehr jugendliche Formen wurden aufgefunden, die sich nicht auf die vorgenommene Infektion zurückführen ließen, sondern ohne Zweifel schon bei einer früheren Gelegenheit aufgenommen worden waren.

Die Untersuchung des Inhalts des Chylusdarms ergab nichts Be- merkenswerthes, es fanden sich darin kleine flagellatenartige Wesen, so wie zahlreiche sehr helle und homogene rundliche Körper, die etwas an Amöben erinnerten, an denen sich jedoch mit Sicherheit keine Formveränderung nachweisen ließ. Pseudonavicellen oder leere Hüllen derselben waren nicht aufzufinden. Ich ging jedoch nun, durch die SCHNEIDER'Schen Untersuchungen, so wie durch eigene Beobachtungen über die ursprüngliche Befestigung der jugendlichen Gregarinen an dem Darmepithel aufmerksam gemacht, zur Untersuchung dieses über. Zu diesem Behuf wurde das Epithel des Chylusdarms einer Maceration in

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einem Gemisch von schwacher Essigsäure und Kochsalzlösung unter- worfen und die Epithelzellen hierauf durch Zerzupfen möglichst isolirt. Bei der Untersuchung derselben zeigte sich nun, dass dieselben von einer ganz ungeheuren Menge jugendlichster Gregarinen besetzt waren, die unzweifelhaft, einmal wegen der großen Zahl, in der sie sich vor- fanden , andererseits wegen der relativ nur wenig erheblichen Größen- unterschiede, welche sie zeigten, auf die vorgenommene Infektion zurückzuführen waren.

Diese jugendlichsten Gregarinen, von welchen die kleinsten die Größe einer Pseudonavicelle kaum übertrafen (0,006—0,008 mm), finden sich, wie gesagt, nicht frei im Darminhalt, sondern sind einge- senkt in das Protoplasma der Innenenden der Darmepithelzellen (Fig. 9). Stets fand ich in das Binnenende einer Epithelzelle nur eine einzige junge Gregarine eingesenkt. Wie gesagt, übertrafen die kleinsten der- art angetroffenen Gregarinen die Größe der Pseudonavicellen nur wenig und stellten kleine, etwas birnförmige Zellen dar, die bis zur Hälfte oder etwas über die Hälfte in das Protoplasma der Epithelzellen einge- senkt waren (Fig. 9, Fig. 8a—d). Das etwas breitere Ende des Körpers war hierbei stets in das Innere der Zelle eingebettet, das verschmälerle Ende dagegen schaute aus der Zelle heraus und umschloss den stets sehr deutlichen Kern, der immer dieselbe excentrische Lage zeigte und einen sehr ansehnlichen,, dunklen Nucleolus enthielt. Das Protoplasma dieser jugendlichen Gregarinen erschien nach der Essigsäureeinwirkung ganz gleichmäßig fein granulirt und etwas dunkelgelblich. Von einer Scheidung zwischen Protomerit und Deutomerit ist bei diesen jugend- lichsten Formen noch nichts vorhanden. Neben diesen kleinsten Formen fanden sich jedoch nun zahlreiche weitere, die schon mehr heran- gewachsen waren. Die Gestalt und das allgemeine Aussehen verändert sich hierbei zunächst wenig, wenn auch die Form gewöhnlich eine etwas gesirecktere wird. Wenn durch das fortschreitende Wachsthum etwa die zwei- bis dreifache Länge der kleinsten beobachteten Zustände erreicht ist, tritt zuerst eine Scheidung des Körpers in zwei Regionen auf, indem sich etwa in dessen Mitte eine dunkle Linie als Grenze zwischen einem Kopf- und einem Rumpftheil zeigt (Fig. 8e). Ersterer ist ein- gesenkt in die Epithelzelle, der letztere, welcher den Kern enthält, ragt aus derselben heraus. Der kernhaltige Rumpftheil wächst nun viel rascher als der Kopftheil, so dass er letzteren bald mehrfach an Volumen übertrifft (Fig. 8 f, 9, Fig. 9), und dadurch die Gesammtge- stalt der jugendlichen Gregarine sich der einer erwachsenen Poly- cystidee nähert. Gelegentlich traf ich jedoch auch einige Formen an, die ein umgekehrtes Verhältnis, in der Größe ihrer beiden Körperab-

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 401

schnitte zeigten (Fig. 8 h), jedoch dürfte sich wohl in diesen Fällen das normale Verhalten beim Weiterwachsthum rasch herstellen.

Die ansehnlichsten Formen der jugendlichen Gregarinen, die ich in dem Versuchsthier fand und auf die stattgehabte Infektion zurück- führen kann, besaßen etwa eine Länge von 0,025 mm. Ich glaube, es kann keinem Zweifel unterliegen, dass in dem beschriebenen Fall die Infektion thatsächlich geglückt und die gefundenen jugendlichen Grega- rinen aus den aufgenommenen Pseudonavicellen hervorgegangen waren. Über das Wie dieses Hervorgehens geben jedoch meine Untersuchungen bis jetzt noch keinen Aufschluss. Zu vermuthen wäre ja wohl zunächst, dass der protoplasmatische Inhalt der Pseudonavicelle einfach aus seiner Hülle hervorbricht und sich mit Hilfe amöboider Bewegungen in der Epithelzelle ansiedelt. In Anbetracht der von den Pseudonavicellen der Regenwürmer etc. bekannten Bildung sichelförmiger Körperchen und der von E. van Benepen geschilderten Processe bei der Gregarina gigantea des Hummers, glaube ich jedoch, dass man in diesen Ver- muthungen etwas vorsichtig sein muss. Der Inhalt der Pseudonavi- cellen könnte nämlich innerhalb der Hülle oder nach dem Hervor- brechen vielleicht doch zunächst noch gewisse Vermehrungserschei- nungen darbieten, bevor er sich in den Epithelzellen ansiedelt.

Auch hinsichtlich der Weiterentwicklung der jugendlichen Grega- rinen sind einige Zweifel noch zu lösen. Es fragt sich nämlich : welche Abschnitte des erwachsenen Gregarinenkörpers aus den zwei Leibes- abschnitien der jugendlichen Form hervorgehen. Diese Frage wird dadurch hervorgerufen, dass auf einem gewissen, mittleren Stadium ihrer Entwicklung die Gregarina Blattarum, ähnlich wie dies durch SCHNEIDER für zahlreiche verwandte Formen gezeigt wurde, nicht zwei sondern drei Körperabschnitte unterscheiden lässt. Außer dem soge- nannten Protomerit (Kopf) und Deutomerit (Rumpf) findet sich nämlich auf diesem Stadium noch ein zapfenförmiger bis halbkugeliger , vorder- ster, kleiner Abschnitt, das sogenannte Epimerit SchnEiper’s, das dem viel ansehnlicher entwickelten Kopfzapfen des Stylorhynchus und anderer Genera entspricht und wie dieser zur Festhaftung an den Epi- thelzellen des Chylusdarmes dient. Für Gregarina Blattarum ist das Vorhandensein eines solchen Cephalinstadiums (nach Scuneiper, der diese mit Kopfzapfen versehenen Thiere Cephalins, im Gegensatz zu der kopfzapfenlosen, erwachsenen Form, den Sporadins, nennt) bis jetzt noch nicht bekannt gewesen. Wie gesagt, findet sich dieses Stadium jedoch auch hier vor und ist dasselbe noch wie die jugendlichsten Stadien an den Epithelzellen festgeheftet, indem das Kopfzäpfchen in das innere Ende einer Epithelzelle eingesenkt ist (Fig. 10 und 41). Die

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mangelnde Beobachtung der Übergangsstadien zwischen den ganz jugendlichen, zweitheiligen Gregarinen und diesen Gephalins macht es vorerst unmöglich, zu entscheiden, ob der vordere Körperabschnitt der ersteren, der ja bekanntlich in die Epithelzelle eingesenkt ist, gänzlich zum Kopfzäpfchen wird und sich der kernhaltige, hintere Abschnitt in das spätere Protomerit und Deutomerit sondert, oder ob-Epimerit und Protomerit durch eine Untertheilung- des ursprünglichen Vorderab- schnitts der jugendlichen Gregarine hervorgehen. Auch bei der Gregarina Blattarum wird schließlich das Kopfzäpfchen abgeworfen und an der Stelle, wo seine Ablösung von dem vorderen Pol des Protomerits stattgefunden hat, bemerkt man an dessen Guticula gewöhnlich eine Art von Einziehung und Zusammenfaltung, die vielleicht von dieser Lösung des Kopfzäpfchens herrührt. -

Hiermit habe ich das, was ich über die Fortpflanzungsverhältnisse der Gregarina Blattarum zu beobachten vermochte, berichtet und wende mich nun zu einigen Beobachtungen über die Monocystis magna des Regenwurms.

II. Über die Befestigung der Monocystis magna (A. Schmidt) und über die Pseudonavicellen der Monocysten von Lumbricus terrestris.

Wie ich schon im vorhergehenden Abschnitt zu schildern Gelegen- heit hatte, ist hauptsächlich durch die trefflichen Beobachtungen ScHNnEiDer’s für eine ganze Reihe von Polycystideen der Nachweis ge- führt worden, dass dieselben in ihrem Jugendzustand an Epithelzellen befestigt sind. Noch bedeutsamer wird uns diese Erfahrung erscheinen, wenn wir die im vorhergehenden Abschnitt geschilderten Beobachtungen über die jugendlichsten, tief in die Epithelzellen eingesenkten Grega- rinen berücksichtigen. Erinnern wir uns gleichzeitig noch, dass die mit den eigentlichen Gregarinen aufs innigste verwandten ei- und kugel- förmigen Psorospermien nicht nur zum Theil in Zellen eingesenkt sind, sondern ins Innere derselben selbst eindringen, so erscheint uns dies in neuerer Zeit für die Polycystideen allgemeiner nachgewiesene Verhalten noch wichtiger. Für die jugendlichen Gregarinen wird auch ohne er- hebliche Zweifel behauptet werden dürfen, dass ihnen die Epithelzellen nicht ausschließlich einen Stützpunkt zu ihrer Festhaftung bieten, son- dern dass sie wohl auch sicher durch Vermittlung derselben Nahrung zu ihrem sehr energischen Wachsthum beziehen, ähnlich wie dies für die Psorospermien gültig ist.

Es ist nun ohne Zweifel von einem gewissen Interesse, dass es mir geglückt ist, auch für eine Monocystis, nämlich die kolossale Mono-

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 403

eystis magna aus dem Hoden des Lumbricus terrestris die gleiche Zellenbefestigung zu erweisen. Der erste Regenwurm, den ich zum Zweck der Gregarinenuntersuchung öffnete, lieferte mir diese schöne Monoecystisform, die bis 5 mm Länge erreicht, in großer Menge. Bei der Eröffnung des Hodens fiel mir sofort auf, dass die meisten Monocystis in dem Trichterende des Hodens angesammelt waren und dass sie dem Herausnehmen einen sehr energischen Widerstand entgegensetzten. Bei der weiteren Manipulation stellte es sich bald heraus, dass die Grega- rinen an der Trichtermembran in irgend einer Weise befestigt waren. Präparirte man nun ein Stück der Trichterhaut mit den fest anhängen- den, zahlreichen Monocystis heraus, so war auch leicht die Art der Befestigung zu erkennen (Fig. 14). Jede Monocystis war auch hier mit ihrem etwas zugespitzten einen Ende eingesenkt in eine sehr ansehn- liche Flimmerzelle des Epithels der Trichterhaut.

Diese ansehnlichen Flimmerzellen,, in welchen die Monocysten be- festigt sind, stehen zwischen den gewöhnlichen flimmernden Epithel- zellen der Trichterhaut, erheben sich jedoch hoch über die Ebene des übrigen Epithels, in Gestalt ansehnlicher, sehr hübsch pokalförmiger Gebilde. Allseitig ist diese pokalförmige Zelle mit langen, zarten und lebhaft sich bewegenden Gilien besetzt. Ins freie Ende dieser Zelle, in die pokalförmige Aushöhlung, ist nun das zugespitzte Ende der Mono- eystis recht fest eingesenkt. Über die Kernverhältnisse dieser großen, die Monoeysten tragenden Zellen wurde ich auch durch Färbung nicht ganz sicher , jedoch wurde es sehr wahrscheinlich, dass in dem Basal- ende der Zellen sich zwei kleine Kerne finden.

Einige Aufmerksamkeit, die ich auf die Pseudonavicellencysten in den Hoden der Regenwürmer richtete, ergab mir einige Aufschlüsse über die auch hier in dem protoplasmatischen Inhalt der Pseudonavi- cellen nicht fehlenden Kerne, die, wenn sie auch zum Theil nur eine Bestätigung der Befunde von ScanEIber sind, hier dennoch kurz hervor- gehoben werden mögen. Die Gysten im Regenwurmhoden sind nicht nur an Größe ungemein verschieden, sondern auch sehr in Bezug auf die Größenverhältnisse der in ihnen zur Entwicklung gelangenden Pseudo- navicellen. Inwiefern diese Unterschiede, die jedoch durch Übergangs- stufen verknüpft zu sein scheinen, sich möglicherweise auf ihren Ur- sprung von verschiedenen Monocystisformen zurückführen lassen, ich bin nämlich mit Stein und Schmipr sehr geneigt, das Vorkommen verschiedener Arten im Regenwurmhoden zu befürworten müssen wir hier dahingestellt sein lassen. Zu den wenigen Beobachtungen, die ich über diese Monocystispseudonavicellen anstellte, wählte ich die

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größeste, sich findende Form, die gegenüber der kleinsten ganz riesen- haft erscheint.

Das jugendlichste, beobachtete Ausbildungsstadium repräsentirte sich als ein etwas spindelförmiges Protoplasmastück, in dem zahlreiche stark glänzende, dunkle Körnchen etwas einseitig angehäuft waren, während das mehr körnerfreie Ende einen sehr deutlichen, hellen, wenig granulirten Kern aufwies (Fig. 15). Die Kernnatur dieses letzt- beschriebenen Körpers ergab sich, auch ohne Färbungsversuche, auf das sicherste aus seinem allgemeinen Aussehen. Dass dieses Stadium thatsächlich als ein sehr jugendliches zu betrachten ist, ergiebt sich daraus, dass die Hülle noch sehr zart und ganz einfach erscheint, so wie dem Protoplasmakörper allseitig dicht aufliegi. Ein fortgeschritteneres Ausbildungsstadium sehen wir in Fig. 16. Hier ist die Hülle schon dick und dunkelglänzend, jedoch sind die schon wohl ausgebildeten End- zapfen noch ziemlich blass, während sie späterhin gleichfalls dunkel und glänzend werden. Der protoplasmatische Inhalt der Pseudonavi- celle hat sich jetzt aus den Polen zurückgezogen und in demselben tritt noch recht deutlich der Nucleus hervor, den ich jedoch auf diesem Stadium gegen früher wesentlich verändert fand. Er war viel größer und erschien ganz blass und homogen. Ein weiteres Stadium, auf welchem der Inhalt sich wieder durch den ganzen Innenraum der Pseudonavicelle erstreckt und statt des einen großen Kernes sich eine Anzahl kleiner vorfinden, habe ich nicht sicher beobachtet, jedoch glaube ich Anhaltspunkte für das Vorkommen eines solchen beobachtet zu haben. Weiterhin boten sich dann der Untersuchung noch die durch ScunEiper’s Arbeit genau bekannten Stadien mit ausgebildeten, sichel- föormigen Körperchen dar, die ich in der Zahl von vier bis acht in je einer Pseudonavicelle antraf. Ihr Hervorgehen durch eine Zertheilung des Inhalts habe ich nicht näher verfolgt, jedoch scheint aus ihrer sehr regelmäßigen Anordnung, die bei der Polansicht der Pseudonavicellen häufig sehr deutlich zu erkennen ist, hervorzugehen, dass sie durch einen sehr regulären Theilungsprocess ihren Ursprung nehmen werden (Fig. 18). Die dunklen Körner des ursprünglichen Pseudonavicellen- inhalts sammeln sich dabei, wie es scheint, an dem einen Pol des sich zertheilenden Protoplasmakörpers axial an und werden als ein soge- nannter »nucl&eus de reliquat« abgesondert (Fig. 47 und 18 r). Von einiger Wichtigkeit scheint mir nun hauptsächlich noch die ganz sichere Beobachtung eines Nucleus in jedem der sichelförmigen Körperchen, die sich unschwer schon an den nicht gesprengten Pseudonavicellen machen lässt. Die Nuclei sind meist oval, ziemlich hell und fein granu- lirt. Sie treten durch Behandlung der stark gepressten Pseudonavicellen

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 405

mit Essigsäure noch viel deutlicher hervor und gelingt es dann leicht, sie mit Alaunkarmin intensiv zu färben. ScunEiper hat schon die Gegen- wart der Nuclei in den aus den Pseudonavicellen hervorgetriebenen sichelförmigen Körperchen durch Anwendung der Osmiumsäure nach- gewiesen. Die von mir gegebene Bestätigung dürfte nicht uner- wünscht sein.

III. Über eine eiförmige Psorospermie aus dem Darm des Lithobius forficatus.

Das Vorkommen der sogenannten eiförmigen Psorospermien oder Coccidien, die bekanntlich zuerst beim Kaninchen entdeckt wurden, wurde bei den wirbellosen Thieren zuerst von Kross! für Helix, dann von EBERTH ? und später Aımt Schneider? für die Gephalopoden er- wiesen. Dagegen ist bis jetzt noch kein Beispiel ihres Vorkommens bei den Arthropoden bekannt geworden. Ich war so glücklich, in dem Lithobius forficatus, dessen Darmkanal ich nach Gregarinen durch- suchte, ein recht hübsches Beispiel für das Auftreten dieser Zellen- schmarotzer auch bei den Arthropoden aufzufinden. Bei der Durch- suchung des Mitteldarminhalts dieses Myriopoden fielen mir ziemlich häufig Körperchen auf, die eine ungemein große Ähnlichkeit mit den sichelförmigen Körperchen der Regenwurmpseudonavicellen und weiter- hin den entsprechenden Körperchen der eiförmigen Psorospermien, wie sie von Kross, Eımer * und Scuneider beschrieben werden, darboten. Die lebhaften Bewegungserscheinungen, welche diese Körperchen bei genauerer Beobachtung erkennen ließen, bestätigten diese Auffassung noch mehr‘. |

Ihre Gestaltung in der Ruhelage erhellt am besten aus der Ab- bildung Fig. 19a. Sie sind gebildet aus einem hellen, mit zarten,

1 Abhandlungen der Senckenberg. naturf. Gesellsch. Bd. I. 1855. p. 189.

2 Diese Zeitschr. Bd. XI. 1862. p. 397.

3 Arch. de Zoologie experim. T. IV. 1875. p. XL.

4 Ta. Einer, Über die ei- und kugelförmigen Psorospermien der Wirbelthiere. Würzburg 1870.

5 Aımz SCHNEIDER fand gleichfalls im Darminhalt des Lithobius schon beweg- liche sichelförmige Körperchen, die er geneigt ist, in nähere Beziehung zu der von ihm im Lithobiusdarm gleichfalls aufgefundenen, kleinen Monocystidee, der Adelia ovata zu bringen. Der Mangel jeglicher Größenangabe in der ScHNEIDEr' schen Arbeit macht es unmöglich, mit Sicherheit festzustellen, ob die von ihm gefundenen, sichelförmigen Körperchen wirklich mit den hier beschriebenen identisch sind, wenngleich dies natürlich höchst wahrscheinlich sein dürfte (siehe SCHNEIDER, Arch. ‚zoologie experim. T. IV. p. 599. T. XVI. Fig. 8).

406 | 0. Bütschli,

jedoch ziemlich dunklen Körnchen durchsetzten Protoplasma und ent- halten in ihrer Mittelregion einen recht ansehnlichen, ovalen Nucleus (n), mit beträchtlich großem Nucleolus. Ein Nucleus ist bis jetzt in den sichelförmigen Körperchen der Psorospermien meines Wissens noch nicht aufgefunden worden, es dürfte daher dessen hier relativ leichter Nachweis nicht ohne Interesse sein. Was die Bewegungserscheinungen der Körperchen betrifft, so bestehen diese zunächst in ziemlich ener- gischen Zusammenkrümmungen der beiden Enden, wobei die Gestalt der Fig. 195 angenommen wird, und Wiederausstreckungen; oder aber einer Zusammenziehung des Körperchens und hauptsächlich des einen Endes, das dabei mehr anschwillt, zu einem etwas unregel- mäßigen, birnförmigen Gebilde (Fig. 19 e). Auch aus diesem Zustand kehrt jedoch das Körperchen wieder durch allmähliche Streckung in die schwach gekrümmte Ruhelage zurück. Am meisten erinnerte mich letzterwähnte Bewegung und Gestaltsveränderung an die Bewegungs- vorgänge kriechender Euglenen, weniger an die Bewegungen der eigentlichen Amöben, wie ich denn auch wirkliche amöboide Bewe- wegungen, wie sie namentlich von: Eımer geschildert wurden, nicht beobachtet habe. Außerdem konnte ich jedoch zuweilen auch noch Schwimmbewegungen der Körperchen wahrnehmen ; dieselben schwam- men dann ziemlich rasch, entsprechend ihrer Krümmung, im Kreise. umher und boten dann scheinbar große Ähnlichkeit mit kleinen Flagel- laten dar !!.

Durch die Auffindung dieser Körperchen angeregt, durchforschte ich nun auch das Darmepithel und stieß denn auch sehr bald auf zahl- reiche Epithelzellen, welche mehr oder minder ansehnliche, eiförmige Psorospermien einschlossen.

Die in den Epithelzellen gewöhnlich in der Einzahl, zuweilen je- doch auch in Zweizahl, enthaltenen Psorospermien besitzen eine ziem- lich verschiedene Größe. Die kleineren von ovaler Gestaltung schließen sich zunächst den stäbchenförmigen Körperchen an, namentlich auch durch ein noch recht helles, wenig körniges Protoplasma. Sie scheinen ziemlich energisch, zunächst hauptsächlich in die Länge zu wachsen und gleichzeitig füllt sich das Plasma mehr und mehr mit dunklen und ziemlich groben Körnern, so dass es schließlich so körnerreich erscheint, wie das Entosark zahlreicher Gregarinen. Aus diesem körnigen Plasma leuchtet jedoch stets der ansehnliche, jetzt ziemlich rund gewordene Nucleus (siehe Fig. 20) mit seinem großen, gregarinenartigen Nucleolus sehr deutlich und hell hervor. Späterhin scheinen die in dieser Weise

1 Eine ähnliche Bewegung hat auch schon Kross zuweilen beobachtet.

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 407

ausgewachsenen und ansehnlich längsgestreckten Psorospermien, an welchen ich nie etwas von einer deutlichen Hülle beobachtet habe, sich in der Längsachse etwas zusammenzuziehen und gestalten sich ziemlich regulär ovoid bis rein oval. Jetzt erfolgt der Encystirungsprocess, indem sich eine dem Inhalt ziemlich dicht aufliegende Hülle bei zahlreichen dieser ovoiden Psorospermien erkennen lässt. Bei einer ganzen Anzahl solcher umhüllter Psorospermien ließen sich jedoch weiterhin noch deutliche Anzeigen einer zweiten, äußeren Umhüllung erkennen, indem sich an dem einen Pol eine solche zärtere Außenhülle von der dickeren Innen- hülle abgehoben, als ein sehr kleines oder ansehnlicheres Spitzchen er- hob (siehe Fig. 21 und 22).

‚Um jedoch die Serie der Entwicklungszustände dieser Psorosper- mien zu vervollständigen, zeigten sich weiterhin noch im Innern der Epithelzellen mehrfach, wenn auch nicht gerade häufig, ovale Gruppen dicht zusammengeschmiegter, sichelförmiger Körperchen, um die ich jedoch mit Sicherheit eine Umhüllung nicht zu erkennen vermochte (Fig. 23). Nur bei einer solchen Gruppe, die sich isolirt in der Flüssig- keit vorfand, jedoch höchst wahrscheinlich künstlich aus der sie ur- sprünglich einschließenden Zelle befreit worden war, fand ich eine deutliche, etwas eckige Hülle vor (Fig. 24).

Dass diese Gruppen sichelförmiger Körperchen aus den Psorosper- mien durch Zertheilung hervorgehen, darf wohl aus der ziemlich über- einstimmenden Größe beider, andererseits jedoch auch aus der Analogie mit den Von den verwandten Psorospermien bekannten Entwicklungs- erscheinungen gefolgert werden. Immerhin muss in dieser Hinsicht noch vieles fraglich bleiben, namentlich ist es auffallend, dass die reifen Psorospermien sich durch ein so sehr körniges Protoplasma auszeichnen, während die sichelförmigen Körperchen der Gruppen aus ganz hellem, feinkörnigen Protoplasma bestehen und dass zwischen den Körperchen der Gruppen eine körnige Rückstandsmasse, wie sie bei den verwandten Psorospermien stets gefunden wurde, nie entdeckt werden konnte.

Immerhin glaube -ich, dass der Nachweis des Vorkommens einer Cocceidie im Darmepithel eines Myriopoden und zwar einer Coceidie, die trotz ihrer bis jetzt sehr unvollständig bekannten Lebensgeschichte, ‚gewiss die meiste Ähnlichkeit mit der durch Einer so genau bekannt gewordenen Psorospermie des Darmepithels der Maus darbietet einiges Interesse verdient.

22

408 0. Bütschli,

Am Schlusse dieser Mittheilungen bitte ich nochmals das Lücken- hafte der hier niedergelegten Beobachtungen aus den schon oben her- vorgehobenen Gründen entschuldigen zu wollen.

Heidelberg, September 1880.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XX,

Fig. A—43. Von Gregarina (Clepsidrina) Blattarum v. Sieb.

Fig. 1a—Ae. Encystirungsvorgang eines zusammenhängenden Paares.

Fig. 1a. Anfangsstadium der Beobachtung.

Fig. 4b. Circa 40 Minuten später.

Fig. 4c. Circa 1/4 Stunde später; die Abscheidung der Gallerthülle (gR) hat schon begonnen.

Fig. 1d. Circa 20 Minuten später ; die eigentliche Gystenhülle (ch) ist schon angelegt.

Fig. 1e. Circa 25 Minuten später; die eigentliche Cystenhülle ist schon ziemlich ausgebildet.

Fig. 2. Eine völlig ausgebildete Cyste (circa 46 Stunden nach der Encystirung). Gallerthülle (gh) sehr ansehnlich ausgebildet. Die völlige Verschmelzung der beiden kopulirten Individuen hat noch nicht stattgefunden, die Pseudonavicellenschicht ist wohl entwickelt. Unterhalb derselben haben die Körner des Plasmas eine eigen- ihümlich reticuläre Anordnung angenommen.

Fig. 3. Ein kleines Stück des Randes einer Cyste desselben Entwicklungs- stadiums stärker vergrößert. gh, Gallertschicht, ch, eigentliche Cystenhülle, hierauf ps die Pseudonavicellenschicht und schließlich nach innen davon die körnige Plas- mamasse.

Fig. 4. Weiter entwickelte Cyste mit Anlage der Sporoducte;; stärker vergrößert wie die früheren Figuren. Die Pseudonavicellen haben sich nach der völligen Ver- schmelzung der beiden Individuen ins Centrum des Cysteninhalts zu einem Haufen zusammengezogen, daher hat sich das Centrum ps aufgehellt. Man bemerkt die An- lagen von vier Sporoducten (spd).

Fig. 5. Eine solche Sporoductanlage stärker vergrößert; spd der eigentliche Sporoduct; w, der Wulst von feinkörnigem Plasma, welches das Mündungsende des- selben umgiebt, und sich strahlig netzförmig zwischen die Körnermassen hinein erstreckt.

Fig. 6. Eine reife Cyste mit neun hervorgestülpten Sporoducten. Die eigent- liche Cystenhülie (ch) hat sich stark zusammengezogen und sehr verdickt, sie er- scheint jetzt sehr deutlich geschichtet. Die Pseudonavicellen sind durch die Sporo- ducte zum größeren Theil entleert, doch restirt noch ein im Centrum der Cyste gelegener Haufen (ps). Durch Behandlung mit Kalilauge sind die dunkeln Körner- massen des Cysteninhalts zerstört; man bemerkt daher sehr deutlich das zarte

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. 409

plasmatische Netzwerk, in dessen Maschen die Körner eingebettet sind und die plasmatischen Schläuche (S, S), die zur Leitung der Pseudonavicellen nach den Sporoducten dienen. Vergrößerung circa 430.

Fig. 7a und b. Zwei reife Pseudonavicellen,, längere Zeit nach der Entleerung. Vergrößerung circa 3200.

Fig. 8sa—h. Eine Reihe von Entwicklungsstufen jugendlichster Gregarinen, die, wie Fig. 9 zeigt, in das Ende der Darmepithelzellen eingesenkt sich finden. Ver- größerung circa 4000.

Fig. 9. Jugendlichste Gregarinen in drei Darmepithelzellen eingesenkt;; n, Kerne der Epithelzellen.

Tafel XXI.

Fig. 10. Weiter entwickelte Gregarinen; nur das sog. Epimerit (Ep) ist noch in die Epithelzellen (Z) eingesenkt. n, Kerne der Epithelzellen. Vergrößer. circa 220.

Fig. 41. Dasselbe Entwicklungsstadium der Gregarine stärker vergrößert. ep, Epimerit, pm, Protomerit, dm, Deutomerit.

Fig. 12. Basale Hälfte eines ausgestülplen Sporoducts. w, feinkörniger basaler Plasmawulst; S, plasmatischer Schlauch, in dessen Innerem der Sporoduct ent- stand; b, körnig-faserige Masse, die gewöhnlich das Basalende des Sporoducts um- giebt.

Fig. 43. Mündungsende eines noch nicht ausgestülpten Sporoducts; sph, die Sporoductenmembran des Cysteninhalts; w, der feinkörnig-faserige Basalwulst; S, der plasmatische Schlauch, der den eigentlichen Sporoduct spd umhüllt, und, von diesem ausgehend, das plasmatische Netzwerk, in dessen Maschen die Körner durch Kalilauge zerstört sind.

Fig. 44. Ein Stück der Trichtermembran aus dem Hoden von Lumbricus ter- restris mit zahlreichen, in pokalförmigen Flimmerzellen eingepflanzten Exemplaren der Monocystis magna. Vergrößerung circa 56.

Fig. 415—18. Große Pseudonavicellen aus dem Hoden von Lumbricus terres- tris. Fig. 15, jugendlichster Zustand; Fig. 46, weiter entwickelt; Fig. 47, reif, mit acht sichelförmigen Körperchen;; Fig. 18, Pseudonavicelle mit acht sichelförmigen Körperchen im optischen Querschnitt. n, Kerne; r, der sogenannte nucleus de reli- quat. (Fig. 45—147 Vergrößerung circa 2200, Fig. 418 etwas mehr.)

Fig. 49—24. Psorosperm aus dem Darm von Lithobius forficatus. Vergröße- rung circa 4400.

Fig. 19a—e. Sichelförmige Körperchen aus dem Darminhalt. a, in Ruhe- lage; db, zusammengekrümmt; c, in unregelmäßig ovaler Zusammen- ziehung.

Fig. 20. Psorospermie einer Darmepithelzelle.

Fig. 24 und 22. Zwei encystirte Psorospermien. Beide wahrscheinlich mit doppelter Hülle; a, die Außenhülle, am einen Pol etwas abgehoben, i, die Innenhülle.

Fig. 23. Gruppe sichelförmiger Körperchen in einer Epithelzelle. Eine Umhüllung der Gruppe wurde nicht deutlich. n, Kern der Epithel- zelle.

Fig. 24. Eine ähnliche Gruppe, jedoch mit deutlicher Hülle; frei gefun- den. n, Kern der Körperchen.

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Zehnte Mittheilung. Corticium candelabrum 0, Schmidt.

Von

Franz Eilhard Schulze in Graz.

Mit Tafel XXI.

In seinem grundlegenden Werke über die Spongien des adriati- schen Meeres hat O. Scumipr im Jahre 1862 unter dem Namen Corti- cium candelabrum eine Spongie beschrieben, welche ihm von allen bekannten Formen so wesentlich abweichend erschien, dass er sie ge- radezu als eine »familienlose Waise « bezeichnete.

Seine Gattungsdiagnose lautet: »Spongia incertae hucusque fami- liae, globosa, superficie glabra, osculis multis, minimis perforata. Parenchyma e duobus stratis compositum, corticali paulo densiori et quodammodo fibroso et centrali laxiori, jus gelatum referenti. Ambo continent corpuscula silicea varie formata«; während die einzige Spe- cies mit folgenden Worten charakterisirt wird: »Corticium oblonge- globosum, obscure fuscum. Stratum corticale diametro 2 ad A mm subflavum, multis canaliculis peripheriam petentibus permeatum. Cor- pusculorum siliceorum duo genera, unum, quod quatuor radios habet alterum, quod in statu perfectae evolutionis formam candelabri praebet.«

In der ausführlicheren deutschen Beschreibung bezeichnet Scumimr die zahlreichen 0,068—0,3 mm großen Öffnungen, welche an der Ober- fläche des Schwammes zu bemerken sind, mit Bestimmtheit als » Aus- strömungslöcher« und erwähnt dann noch ein die dicke Rindenschicht durchsetzendes »Netzwerk gelblicher Fäden«, welche »unregelmäßig breitgedrückt und oft in breitere Lamellen übergehend, auf das Mannig- fachste anastomosiren und in einzelnen größeren Ausweitungen Em- bryonen enthalten sollen.

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 411°

Die zugehörigen Abbildungen beziehen sich nur auf die Kiesel- körper. Sie stellen außer einfachen Vierstrahlern einige jener merk- würdigen »Kandelaber« dar, und zwar sowohl die gewöhnliche aus- gebildete Form als auch einige minder komplicirte.

Das im Jahre 1864 erschienene »erste Supplement zu den Spongien des adriatischen Meeres« von O. Scuuipr enthält zwar keine weiteren Mittheilungen über Corticum candelabrum, jedoch findet sich daselbst dieser früher als ganz isolirt stehend aufgefasste Schwamm in dem Ver- zeichnisse aller bis dahin beschriebenen adriatischen Arten mit Chon- drosia und Chondrilla unter den Gummineen aufgeführt.

Ein Fragment des bei Sebenico aufgefundenen Scunipr’schen Originalexemplares ist sodann 1864 von Köruıker hinsichtlich des histiologischen Baues ebenfalls untersucht und in dessen Icones histio- logicae p. 67 eingehend beschrieben. Auch Körrker stellt diesen merkwürdigen Schwamm zu den Gummineen und unterscheidet an demselben wie O. Scunipr zwei differente Substanzen. Die von ScHMIpr als »Rindenschicht « bezeichnete hyaline Gewebsmasse nennt er wegen ihrer hellen mit Knorpelzellen ähnlichen Elementen durchsetzten Grund- lage »Gallertsubstanz« und macht ausdrücklich auf die große Ähn- lichkeit mit gewissen Knorpelformen aufmerksam. Die von diesem knorpelähnlichen Gewebe allseitig umschlossene und auch (in Beglei- tung der Wasserkanäle) vielfach durchsetzte Markmasse oder centrale Pulpa nennt er »Röhrchensubstanz« und behauptet, dass die- selbe aus stark gewundenen und stellenweise kugelig erweiterten, also »rosenkranzförmigen Wimperkanälen« bestehe. Durch gruppenweise Vereinigung solcher Wimperkanäle zu besonderen Syste- men seien rundliche Läppchen von Drüsenbläschengestalt gebildet. So- wohl von der Außenfläche des Schwammes als auch von der großen unteren oder inneren Gallertmasse führen nach Köruiker’s Darstellung zahlreiche mit einer deutlichen Epithelauskleidung versehene Wasser- kanäle zu diesen »rosenkranzförmigen Wimperkanälen« und stehen nachweisbar in offener Verbindung mit denselben. Außer den schon von Schmipt bemerkten Embryonen findet KörLiker in der Nähe der größeren Wasserkanäle auch Eier.

Körııker’s Angaben sind sodann von Schnipr in seinem zweiten Supplemente zu den Spongien des adriatischen Meeres 1866 im Wesent- lichen bestätigt und in so fern erweitert, als der letztere jetzt die mit freiem Auge sichtbaren Poren der äußeren Schwammoberfläche nicht mehr als Oscula sondern als stabile Einströmungsöffnungen auffasst, durch welche das Wasser in Kanäle eintritt, welche baum- arlig verästelt zu der an Dicke wechselnden Schicht der » graugelben

412 Franz Eilhard Schulze,

Röhrchensubstanz« hinführen, während an der unteren Seite dieser letz- teren ausführende Kanäle abgehen, welche die basale Gallertmasse durchsetzen und sich schließlich zu einigen Hauptkanälen vereinigen. Letztere münden dann mit etwas verdeckten Endöffnungen den wahren Osculis an dem Seitenrande oder unterwärts nach außen.

Unter den Spongien der Küste von Algier hat Scumpr im Jahre 1868 ein flaches und mit unregelmäßigen Vertiefungen versehenes Exemplar von Gorticium candelabrum gefunden; außerdem aber noch eine die Blätter und Schichten einer Kalkalge durchwachsende, neue krustenförmige Spongie, welche er ebenfalls zur Gattung Corticium stellt und nach ihrer Form, besonders aber nach gewissen flach kegel- förmigen oder zipfelartigen Erhebungen der Oberfläche Cortieium plicatum nennt. Hinsichtlich des Verhaltens der von Schmir jetzt als Sarcoid- und Zellsubstanz bezeichneten Gallert- und Röhrchensub- stanz Köruiker’s findet er eine vollständige Übereinstimmung mit ande- ren Gummineen; jedoch fehlen die makroskopischen Poren der Ober- fläche. Von Kieselkörpern beschreibt er einfache vierstrahlige Sterne mit spitz auslaufenden Enden. Zuweilen finden sich jedoch auch Vier- strahler, bei denen nur ein Strahl spitz endet, während die anderen drei sich in je zwei Endspitzen theilen.

Die äußerste Oberflächenschicht ist mit sehr kleinen länglichen. granulirten Kieselkörpern so dicht durchsetzt, dass eine besondere, sich auch in die Zipfel erhebende, feine, weißgraue Rinde entsteht, welche sich besonders auf Vertikalschnitten durch ihre Farbe deutlich von dem übrigen blassgelblichen Schwammkörper absetzt.

Außer dieser neuen Art von Algier beschreibt Scumipr in dem nämlichen Bande p. 25 noch eine dritte Art derselben Gattung, Corti- cium stelligerum aus dem adriatischen Meere, von welcher jedoch nur ein Exemplar in Gestalt einer weiblichen Kruste zur Beobachtung kam. Auch hier besteht deutliche Sonderung einer speckartig aussehenden Rinde von der graugelblichen Markmasse. Eben so soll die Figuration des Wasserkanalsystems ähnlich sein wie bei den Gummineen. Von Kieselskelettheilen finden sich einfache Vierstrahler mit drei unter sich gleich langen und einem vierten kürzeren Strahle, ferner schlank- strahlige kleine Sterne und endlich sehr kleine kurzstrahlige Sternchen, welche letzteren auf die äußerste Rindenschicht beschränkt sind.

Eine Änderung der Anschauung über den Werth der Kieselnadel- formen im Gegensatze zur Rindenbildung für die Beurtheilung der natürlichen Verwandischaft der Spongien veranlasste ©. ScHmipr im Jahre 1870 in seinen »Grundzügen einer Spongienfauna des atlantischen Gebietes« p. 64 die Gattung Corticium ganz aus der Gruppe der Gum-

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 413

mineen zu entfernen und den Schwämmen mit ankerförmigen Nadeln anzureihen.

Dieser veränderten Auffassung Schmipr’s von der Verwandtschaft der Gattung Corticium hat sich indessen CARTER nicht angeschlossen. Derselbe urgirt vielmehr im Jahre 1873 in seiner Arbeit »On two new species of Gummineae«! die vorwiegende Bedeutung der Rindenschicht- bildung und fügt den genannten drei Corticium-Arten O. ScHmipr's unter dem Namen Corticium abyssi eine vierte hinzu, welche bei der Porcupine-Expedition vor dem englischen Kanal in einer Tiefe von 500 Faden gedredgt war. Carter schildert das seiner Beschreibung zu Grunde liegende Exemplar als eine der Unterlage krustenartig an- liegende elastische Masse mit glatter schlüpfriger Oberfläche. Eine dünne durchscheinende Corticalschicht setzt sich gegen die opake, massige, aus ovoid cells bestehende Binnensubstanz ab. Das reich verästelte ausführende Kanalsystem durchsetzt den ganzen Körper und mündet in einzelnen mit freiem Auge erkennbaren rundlichen Osculis vents«) an der Oberfläche aus, in der sich außerdem zahlreiche mikroskopische schlitzförmige Hautporen befinden. Hinsichtlich des histiologischen Baues berichtet Carter, dass die Rinde aus einem feinfaserigen, an kleinen körnigen Zellen reichen Grundgewebe mit zahlreichen Kiesel- körpern besteht, nach außen zu ihren Abschluss in einer dünnen trans- parenten, festen, parallelfaserigen und von den Poren durchsetzten Cuticula findet, nach innen zu dagegen durch die Einlagerung zahl- loser eiförmiger Körnerzellen in die weißliche Masse des Binnenkörpers übergeht. An der Innenfläche der ausführenden Wasserkanäle, deren Endigungsweise im Innern aber eben so wenig wie der Verlauf der von der Oberfläche kommenden Porenkanäle festgestellt werden konnte, findet CARTER ein aus schmalen konischen Zellen bestehendes kontinuir- liches einschichtiges Epithellager. Die Kieselkörper bestehen aus sehr kleinen »birotulate« und größeren »biternate spicules«. Die ersteren, welche an jedem Ende eines geraden Achsenstabes vier kreuzweise gestellte und etwas zurückgebogene radiäre Arme besitzen, kommen zwar unregelmäßig zerstreut im ganzen Schwammkörper vor, sind aber besonders reichlich in der Wand der ausführenden Kanäle angehäuft. Die biternate spicules dagegen finden sich zwar ebenfalls durch die ganze Masse vertheilt, bilden aber außerdem ein einschichtiges Lager unmittelbar unter der Oberfläche. Sie bestehen aus einem stumpf- spitzen Achsenstabe, von welchem in der Nähe des stumpfen Endes drei unter gleichen Winkeln (120°) zu einander orientirte Querarme

1 Annals of nat. hist. 4873. Vol. XII. p. 17. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 98

414 Franz Eilhard Schnize,

rechtwinklig abstehen. Letztere sind jedoch nicht einfach glatt, sondern senden etwa von ihrer Mitte jederseits einen schräg (unter einem Winkel von circa 60°) abstehenden Seitenast ab, enden also drei- strahlig. Alle vorragenden Theile dieser zierlichen Kieselkörper sind mit parallelen Querringen von kleinen spitzen Zacken versehen. CARTER hat festgestellt, dass bei den der Oberfläche zunächst -liegenden und eine ziemlich gleichmäßige Schicht bildenden Kieselkörpern dieser letzteren Art die Querarme stets parallel der Oberfläche und dicht unterhalb derselben liegen, während (der längere Achsenschaft senk- recht zur Oberfläche und mit seinem spitzen Ende nach innen ge- richtet ist.

Eine fünfte Art der Gattung Corticum hat Carter! nach einer eigenthümlichen Kieselnadelform aus Diatomeen-reichem Sande von Colon (Panama) im Jahre 1874 aufgestellt und Gorticium Kittoni genannt. Die betrefienden Kieselkörper bestehen aus einem geraden drehrunden Achsenstabe, dessen eines Ende in eine stumpfe Spitze ausläuft, während von dem anderen etwas breiteren Ende zwei, drei oder vier S-förmig gebogene kürzere Arme unter gleichen Winkeln schräg nach außen abstehen. Diese Arme so wie der größere, distale Endtheil des Achsenstabes sind mit feinen Zacken dicht besetzt, wäh- rend der kürzere proximale Abschnitt glatt erscheint. Carter glaubt aus einer gewissen Ähnlichkeit, welche diese Nadeln mit den in der Rinde von Corticium abyssi so häufig gefundenen besitzen, auf ihre Zugehörigkeit zu einer Species derselben Gattung schließen zu dürfen.

Als Gorticium parasiticum hat endlich GCarrer im Jahre 1876 eine weiche dünne Spongienkruste bezeichnet, welche sich an einer aus 862 Faden Tiefe vor dem englischen Kanal heraufgeholten Esperia fand. Die nur von den Kieselnadeln durchbohrte glatte Oberfläche zeigte keine deutlichen Poren oder Oscula. Da das Vorhandensein einer difierenten Rindenschicht nicht erwähnt ist, muss wohl deren Fehlen angenommen werden. Die Körpermasse zeigt einen areolären Bau und ist reichlich durchsetzt von regellos gelagerten, gestreckten, drehrunden und schwach wellig gebogenen Kieselnadeln, welche an dem einen Ende spitz aus- laufen, am anderen dagegen eine Stecknadelkopf-ähnliche Verdickung zeigen, und bis auf diesen glatten Endknopf mit feinen Zacken dicht besetzt sind. |

Die Bezeichnung Corticium Wallichii, welche sich in einem Auf- satze von Carter? aus dem Jahre 1879 für eine neu beschriebene

1 Annals of nat. hist. Vol. XIV. p. 253. 2 Annals of nat. hist. Ser. V. Vol. 5. p. 353.

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 415

-Spongienform angewandt findet, beruht hinsichtlich des Gattungsnamens auf einem Irrihume, wie dies Carter selbst später an einem andern Orte ! ausdrücklich erklärt hat, und soll Gummina Wallichii heißen.

Endlich hat noch ©. Scumipr? eine weitere Species Corticium versatile hinzugefügt, welche von St. Vincent stammt und bei »gum- mineenartiger Beschaffenheit des Weichkörpers« vierstrahlige Kiesel- körper besitzt, deren einzelne Strahlen theils einfach zugespitzt enden, theils in zwei bis fünf spitze Zacken auslaufen, und in dieser Art der Endigungsweise der einzelnen Strahlen die mannigfachsten Kombi- nationen aufweisen. Zugleich hat O. Scumivr an demselben Orte als wesentlichen Charakter der Gattung Corticium erstens die Vier- strahligkeit oder die aus dieser Grundform direkt ableitbare Gestalt der Kieselkörper und zweitens die »gummineenartige Beschaffen- heit des Weichkörpers« hingestellt, und in Folge dessen GArTEr’s Corti- cium parasiticum, welches derartige Nadeln nicht enthält, aus der Gattung Corticium ausgeschieden. Auch das Corticium Kittoni und abyssi von CARTER Scheint O. Scnmipr wenig Anrecht auf diesen Gattungs- namen zu haben, da beide nicht mehr die Vierstrahligkeit der Spicula deutlich erkennen lassen ; den letzteren dieser beiden Schwämme hält er außerdem für identisch mit Samus anonyma Gray.

Es sind also im Ganzen folgende sieben Corticium-Arten aufgestellt worden:

4) Corticium candelabrum O. S. 1862. 2) C. plicatum O. S. 1868.

3) €. stelligerum O. S. 1868.

4) G. abyssi Carter. 1873.

5) C. Kittoni Carter. 187%.

6) C. parasiticum Carter. 1876.

7) C. versatile O. S. 1880.

Ohne mich jetzt schon auf eine nähere Erörterung der Frage einzu- lassen, welche von diesen genannten Arten in die ursprünglich mit Cortieium candelabrum allein begründete Gattung Corticium aufzu- nehmen sind, wende ich mich zur Mittheilung der Ergebnisse meiner Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung dieser letzteren Art, welche für die betreffende Gattung jedenfalls typisch sein und bleiben wird.

1 Journal of Roy. Microsc. Soc. Vol. II. p. 494 und 495. 2 Die Spongien des Meerbusens von Mexico. p. 69.

38

16 | Franz Eilhard Schulze,

Gorticium candelabrum 0. Schmidt.

Die Gestalt und Größe der zahlreichen Exemplare von Corticium candelabrum, welche ich von verschiedenen Fundorten ! theils lebend, theils in Alkohol absolutus gut konservirt erhalten habe, variirt be- deutend. Die größeren, bis zu 6 Gentimeter und darüber im Durch- - messer starken Stücke sind meistens ganz unregelmäßig rundlich oder knollig und von einer ziemlich glatten Oberfläche ähnlich dem von O. Scumipvr in dem zweiten Supplemente seiner Spongien des adria- tischen Meeres in Fig. 2 der Tafel abgebildeten (übrigens ungewöhnlich großen) Exemplare. Daneben kommen häufig mehr oder minder dünne, flach aufliegende Krusten geringerer Größe von unregelmäßig lappiger Gestalt mit bald mehr glatter bald mehr höckeriger Oberfläche vor, während die kleinsten Exemplare (ich fand deren bis zu I mm Durch- messer herab) in der Regel einfach knopfförmig erscheinen und, mit etwas eingezogener Basis flach der Unterlage aufsitzend, an ihrer ebenen oder dellenartig vertieften Oberseite spaltenförmige Einziehungen zeigen. | |

Hinsichtlich der Konsistenz zeichnet sich Corticcum candelabrum durch eine gewisse Derbheit und Festigkeit aus, welche fast der- jenigen des Hyalinknorpels gleichkommt. Die Färbung variirt von lich- tem Gelb durch Braun bis zu Schwarz und erscheint einigermaßen abhängig von der Lokalität. Während nämlich die an der dalmatini- schen Küste gefundenen Stücke sämmtlich gelblich bis hellbraun aus- sehen, zeigen die von Ponape erhaltenen Krusten eine dunkel rostbraune Farbe, und eine von Gebu stammende Knolle ist sogar intensiv blau- schwarz. Übrigens scheint die Farbe weder an der gesammten Ober- fläche noch durch die ganze Dicke ein und desselben Stückes durchaus gleichartig.

Vor Allem markiren sich erhebliche Differenzen zwischen den bei- den verschiedenartigen Substanzen des Schwammkörpers, welche von dem Entdecker der Art unterschieden sind. ©. Scnmipr beschreibt seine Rindensubstanz als eine gelbliche Schicht, an deren äußerster Ober- fläche eine dünne Lage braunen Pigmentes vorkomme, welche sich nach innen zu wenig scharf absetze, aber in die Wandungen der Kanäle sich forisetze; während er die Centralsubstanz eine graue durchscheinende Pulpa nennt.

An einigen mittelgroßen Fxemplaren, welche ich in Lesina lebend untersuchen konnte, fand ich die an der Basis stark entwickelte, an der

' Es sind dies Lesina, Sebenico, Neapel, Cebu, Ponape.

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 417

Schwammoberfläche dagegen nur sehr dünne » Rindensubstanz« ge- gewöhnlich ganz schwach gelblich tingirt und durchaus hyalin, wäh- rend die opake Markmasse sich durch eine hellrothbraune Färbung auszeichnete (Fig. 1). Im Spiritus blasst dann die Farbe so voll- ständig aus, dass die hyaline Rinde völlig farblos und die Pulpa milch- weiß erschien. An dem in jeder Beziehung gut in Alkohol konservirten Stücke von Cebu, welches mir aus dem Wiener Hofmuseum durch freundliche Vermittlung des Herrn Dr. von MARENZELLER zur Unter- suchung überlassen wurde, zeigte sich die intensiv schwarze Färbung auf die äußerste Gewebslage beschränkt, während die basale Partie der hyalinen Substanz nur schwach gelblich tingirt war, und die opake Centralsubstanz grauweißlich aussah.

In Betreff des Verhältnisses der beiden verschiedenen Substanzen des Schwammkörpers zu einander habe ich zunächst hervorzuheben, dass die Entwicklung der hyalinen Substanz !, von welcher die opake Substanz 1 allseitig umschlossen und in Zügen durchsetzt wird, keineswegs in allen Fällen so bedeutend ist, wie in dem großen von O. Schmipr zu- erst beschriebenen und abgebildeten, auch Köruiker’s Darstellung zu Grunde liegenden Stücke, wo sie wohl über die Hälfte des ganzen Körpervolumens ausmacht. Im Allgemeinen findet man die hyaline Substanz um so stärker entwickelt, je älter und größer der Schwamm ist; und zwar gilt dies ganz besonders von der basalen, d.h. der Unter- lage direkt aufliegenden Partie derselben, welche bei dem Gesammt- wachsthum des Schwammes viel mehr an Volumen zunimmt als die opake Masse. An der äußeren Oberfläche dagegen bildet sich die hya- line Substanz auch bei größeren Stücken nur zu einer verhältnismäßig dünnen Rindenschicht aus, welche einerseits, um den Seitenrand der Kruste herumziehend, in die Basalmasse kontinuirlich übergeht, andererseits, dem Laufe der zuführenden Gefäße folgend, mit zahl- reichen röhrenförmigen Fortsetzungen in die opake Masse eindringt. Dass nun die letztere im Ganzen als eine reich und tief gefaltete Platte aufzufassen ist, lehrt sowohl die Betrachtung senkrechter Schnittflächen bei auffallendem Lichte, als auch das Studium sehr dünner Durchschnitte bei durchfallendem Lichte, tritt aber besonders deutlich an solchen Durchschnitten hervor, welche von ganz jungen Krusten senkrecht zur Oberfläche angefertigt sind (Fig. 5).

Die den Schwamm durchsetzenden Wasserkanäle lassen eben so

! Ich ziehe diese einfach das optische Verhalten angebende Bezeichnung der beiden schon bei der Betrachtung mit unbewaffnetem Auge leicht und scharf unterscheidbaren Substanzen den von Scnunivr und KÖöLLıker gewählten Benen- nungen vor,

418 Franz Eilhard Schulze,

wie bei allen bisher von mir studirten Spongien zwei antagonistisch sich gegenübersiehende Systeme erkennen, nämlich einerseits das von der Schwammoberfläche zu den Geißelkammern hinleitende und anderer- seits das von den letzteren zu den Osculis und durch diese nach außen ableitende System. Das erstere beginnt mit zahlreichen runden Kanalöffnungen, welche, schon dem unbewaffneten Auge deutlich sicht- _ bar, entweder ganz unregelmäßig zerstreut oder zu kleinen Gruppen vereint stehen (Fig. 3). Der Durchmesser dieser meistens trompeten- artig geformten Einströmungsöflnungen variirt erheblich und kann bis zu 0,3 mm betragen. Jede derselben führt in einen senkrecht ein- dringenden Kanal, welcher zunächst einige Seitenäste abgiebt und sich darauf unregelmäßig baumartig verzweigt. Die letzten feinen End- röhren sämmtlicher Verzweigungen münden schließlich in je eine birn- förmig gestaltete Geißelkammer und zwar stets an deren stumpfen Ende ein (Fig. 6 und 8).

Zwischen den großen Haupteingangsröhren scheinen übrigens noch ganz feine Kanälchen die äußere Randschicht zu durchsetzen, um direkt zu den oberflächlich gelegenen Geißelkammern zu gelangen. Zwar habe ich solche Mikroporen nicht als offene Gänge beobachten können, doch schließe ich auf ihr Vorhandensein aus folgenden Um- ständen. An dünnen Tangentialschnitten der äußersten Rinde finden sich zwischen den gerade hier sehr dicht gelagerten Kieselkörpern in ziemlich gleichen Distanzen kleine rundliche Stellen, wo die Spicula fehlen und die hyaline Weichkörpermasse das Licht durchscheinen lässt, und wo auch oft genug Andeutungen eines kollabirten Kanälchens zu bemerken sind. Ein eigenthümliches Verhältnis habe ich an einigen größeren Schwammexemplaren, so auch bei dem großen Scamipr’schen Originalstück von Sebenico angetroffen. Trägt man hier durch einen tangential geführten Schnitt die äußere Schicht ab, und betrachtet die- selbe bei durchfallendem Lichte von der äußeren Seite, so bemerkt man zwischen den zahlreichen rundlichen Löchern, welche den großen einführenden Kanälen entsprechen, Netze von knotig erweiterten Kanälchen, welche unweit der Schwammoberfläche und derselben nahezu parallel liegen. Dieselben stehen einerseits mit den oberfläch- lich gelegenen Geißelkammern, andererseits mit kurzen parallel der Schwammoberfläche hinziehenden Gängen in Zusammenhang, welche letzteren sich wiederum als Ausläufer von blasenförmigen Hohlräumen der Rindenschicht darstellen (Fig. 9). Da sich nun gerade oberhalb solcher blasenförmiger Hohlräume die nämlichen hellen Kieselnadel- freien Stellen vorfinden wie ich oben in der Haut kleinerer Schwamm- exemplare beschrieb, und für Andeutungen von kollabirten Hautporen-

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 419

kanälchen erklärte, so bin ich geneigt, auch hier dergleichen anzu- nehmen ; und zwar um so mehr als ich keine anderen Zugangswege zu jenen Blasenräumen entdecken konnte.

Während demnach die großen weitmündigen Zuleitungskanäle das Wasser zu den tiefer gelegenen Geißelkammern hinführen, sind außer- dem höchst wahrscheinlich noch einfache enge Hautporenkanäle zwi- schen jenen weiteren Zugängen vorhanden, um das Wasser den ober- flächlichsten Geißelkammern zuzuführen, respektive in blasenförmige Hohlräume zu leiten, aus welchen es mittels kurzer Gänge in eng- maschige Kanalnetze und von diesen aus endlich in die oberflächlichen Geißelkammern eindringt!.

Jede einzelne Geißelkammer stellt einen birnförmigen Hohlraum von circa 45 u Durchmesser dar, an dessen stumpfem Ende und zwar ziemlich in der Mitte desselben je ein Endzweig des zuleitenden Kanal- systems einmündet, während aus dem entgegengesetzten sich allmählich verjüngenden Endtheile. der Kammer je ein ausführendes Kanälchen hervorgeht (Fig. 8). Durch Vereinigung mehrerer dieser primären Ab- fuhrkanälchen entstehen etwas weitere Gänge, welche wiederum durch spitzwinklige Vereinigung mit anderen Gängen ähnlichen Durchmessers so wie durch seitlichen Eintritt primärer Abzugskanälchen zur Bildung immer größerer Ableitungskanäle führen. Letztere durchsetzen dann in großer Zahl und unter Bildung reichlicher Anastomosen die mehr oder minder dicke hyaline Basalmasse des Schwammes, um schließlich in einigen wenigen, meistens etwas verdeckt gelegenen spaltenförmigen Osculis am Seitenrande oder an einer hohl liegenden Stelle der Unter- seite auszumünden.

Aus dieser meiner Darstellung erhellt, dass ich in der opaken Sub- stanz keine » Wimperkanäle« oder »rosenkranzförmige, anastomosirende Kanäle« mit »ketienartig hinter einander folgenden Erweiterungen « gefunden habe, wie KörLıker sie beschrieben hat, sondern eben nur die Geißelkammern in einfacher wenn auch vielfach gefalteter Lage.

Wie man sich nun die allmähliche Ausbildung eines derartigen

komplicirten zu- und ableitenden Kanalsystems durch die Faltelung der

1 KÖLLIKER, welcher die nämlichen beiden von außen her eindringenden Kanalformen bereits erkannt und als » weitere und engere« unterschieden hat, giebt ebenfalls an, dass sich die weiteren bis tief in die »Röhrensubstanz« hinein begeben, während die engeren sich nur in der Rindengallerte verästeln und mit den oberflächlich gelegenen Kanälchen der »Röhrchensubstanz« verbinden. In- dessen ist er geneigt eben so wie ursprünglich O. Scuuipr die weiten, tiefer ein- dringenden Kanäle als Ausströmungskanäle zu deuten, während O. Scumipr später, 1866, wie schon erwähnt, zu der von mir hier vertretenen entgegengesetzten Auf- fassung gelangte.

420 Franz Eilhard Schulze,

oberen Wand einer zunächst einfach sackförmigen Anlage des eben fixirten Schwammes unter gleichzeitiger Massenzunahme des Mesoderms vorzustellen hat, das habe ich bereits in meiner letzten Mittheilung in dieser Zeitschrift, Band XXXIV, p. #22 an der Hand der Entwicklungs- geschichte von Plakina monolopha so wie durch vergleichende Betrach- tung des Baues verschiedener Plakina-Arten im ausgebildeten Zustande (ebenda p. 441 und 442) angedeutet. Zu der nämlichen Auffassung führt ohne Weiteres auch der in Fig. 5 dargestellte senkrechte Durch- schnitt eines sehr jungen, kaum stecknadelknopfgroßen Corticium candelabrum. Hier münden nämlich in den spaltenförmigen Hohlraum, welcher sich dicht oberhalb der hyalinen Basalplatte befindet, die weiten abführenden Gänge in der Weise ein, dass man sich die letzteren zwanglos als durch einfache Faltelung der oberen Wand einer sack- formigen Anlage entstanden denken muss, deren untere Wand eben die Basalplatte ausmacht. Eben so leitet die Gestalt der weiten zuführen- den Gänge, so wie die ganze Figuration der zwischen diesen beiden Systemen gelegenen, die Geißelkammern enthaltenden Platte zu einer solchen Vorstellung hin. Wenn sich nun bei weiterem Wachsthume sowohl die zuführenden als die abführenden Gänge, oder was das- selbe ist die Einbauchungen und die Ausbauchungen der oberen Sackwand verlängern und durch immer reichere Faltelung der letzteren, immer reichere Verästelungen erfahren, so muss schließlich jenes komplieirte zu- und ableitende Kanalsystem und jene komplicirte Figu- ration der zwischenliegenden Geißelkammerschicht entstehen, welche wir bei größeren oder ausgewachsenen Stücken antreflen.

Histiologische Struktur.

Wegen der Knorpelkonsistenz der hyalinen Substanz von Corti- cium candelabrum sind hier die histiologischen Verhältnisse leichter zu studiren, als bei den meisten übrigen Spongien; und daher auch schon frühe besonders von KörLıker in seinen Icones histiologicae im Wesentlichen richtig dargestellt.

Trotzdem wird eine eingehende Berichterstattung über die Ergeb- nisse meiner eigenen Untersuchungen um so weniger überflüssig er- scheinen, als durch dieselben hier und da noch einzelne bisher nicht bekannte Thatsachen aufgedeckt werden konnten.

Ektoderm. Bei vielen und besonders jüngeren Exemplaren von Corticium candelabrum lässt sich ein kontinuirliches einschichtiges Plattenepithel an der gesammten freien Körperoberfläche mit gleicher Deutlichkeit er-

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 49

kennen , wie etwa bei Halisarca lobularis oder bei Plakina monolopha. Die mäßig hohen, oft fast kubisch gestalteten Zellen grenzen sich scharf von einander ab, zeigen eine ebene Endfläche und besitzen in der Mitte ihres leicht körnig getrübten Protoplasmaleibes je einen kugeligen Kern (Fig. 7). Eine Geißel habe ich nicht wahrnehmen können. Als eine unmittelbare Fortsetzung dieses äußeren Plattenepithels stellt sich das sämmtliche zuführenden Kanäle sammt ihren blasenförmigen Auftrei- bungen und knotigen Kanalnetzen der Rinde in kontinuirlicher Lage aus- kleidende Zellenlager dar (Fig. 7, 8 und 9); wie sich besonders deutlich an der trompetenförmigen Eingangsöffnung der von der Oberfläche in die Tiefe führenden weiten Zugangskanäle erkennen lässt. Auch die Beschaffenheit dieser epithelartigen Zellenauskleidung des zuführenden Kanalsystems weicht nicht wesentlich von derjenigen des äußeren Ober- flächenepithels ab, nur in den letzten feinsten Endkanälchen vermindert sich die Höhe der Zellen. Bei dem blauschwarz gefärbten Stücke von CGebu finden sich in den platten Ektodermzellen der freien Oberseite so wie der größeren einführenden Wasserkanäle zahlreiche dunkle Pig- mentkörnchen (Fig. 10).

Wenn nun auch bei den größeren, wahrscheinlich älteren Stücken das Zellenlager an der freien Körperoberfläche häufig nicht mehr sicher nachzuweisen ist, vielleicht weil es einfach durch Abreiben oder auf andere Weise an dieser exponirten Stelle zerstört wurde, so zeigen doch auch hier die sämmtlichen zuleitenden Wasserkanäle jene epi- theliale Auskleidung auf das deutlichste (Fig. 6).

Die oben aus einander gesetzte Vorstellung von der Entstehung des zuführenden Kanalsystems, wie sie aus den bekannten entwicklungs- geschichtlichen Thatsachen sich ergiebt, rechtfertigt die Bezeichnung des so eben besprochenen Zellenlagers als Ektoderm.

Entoderm.

Bei meiner Darstellung der Entwicklung von Plakina monolopha habe ich die Gründe angegeben, welche mich bestimmen, die Epithel- auskleidung der Geißelkammern und des gesammten ableitenden Kanal- systems als Entoderm zu bezeichnen. Der Leser jenes Aufsatzes (diese Zeitschrift, Bd. XXXIV, p. 407) wird sich erinnern, wie die dort mit- getheilten entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen zu der Über- zeugung geführt haben, dass gerade diese Zellenlager der Geißel- kammern und des abführenden Kanalsystems aus jenem einfachen Epithel hervorgehen, welches den durch Spaltung entstandenen mittleren Hohlraum der einfach sackförmigen Schwammanlage auskleidet und dort als Entoderm zu bezeichnen ist.

422 Franz Eilhard Schulze,

Die Zellen, welche beim ausgebildeten Schwamm die Geißel- kammern auskleiden, lassen sich zwar an dünnen Schnitten und nach gelungener Tinktion als die bekannten Geißel-tragenden Kragen- zellen erkennen, wie sie an dem nämlichen Orte bei allen bisher studirten Spongien zu finden sind, indessen stellen sie hauptsächlich wegen ihrer Kleinheit kein besonders günstiges Objekt für eindringende Untersuchungen dar. Nur das mag besonders hervorgehoben werden, dass hier eben so wie bei Halisarca lobularis und bei Plakina die ganze Kammerwand bis zu dem engen Ausgangskanälchen mit Kragenzellen versehen ist, im Gegensatze zu den zwar ebenfalls birnförmigen, aber nur in dem hinteren halbkugeligen Grunde mit dieser Zellenform aus- gekleideten Kammern von Euspongia und mehreren anderen Horn- spongien.

Mesoderm.

Die Sonderung jener beiden differenten Substanzen, welche ich oben als hyaline und opake bezeichnet habe, rührt nicht allein von der Gegenwart der Geißelkammern in der letzteren her, sondern mehr noch von jenen kleinen , stark lichtbrechenden Körnchen, welche die an sich hyaline Grundsubstanz des Mesoderms in der nächsten Um- gebung der Geißelkammern reichlich durchsetzen, Körnchen, wie wir sie in gleicher Beschaffenheit schon bei den Chondrosiden, den Spongi- den, bei Hircinia und jüngst auch bei einigen Plakiniden an der näm- lichen Stelle angetroffen und als die Hauptursache der opaken Be- schaftenheit und weißlichen Färbung kennen gelernt haben. In der That lassen sich ja auch bei jenen früher besprochenen Spongien eben so wie hier zwei differente Substanzen schon makroskopisch sehr wohl unterscheiden ; nur erscheint dort die hyaline, d. i. körnchenlose Masse niemals so klar durchscheinend und so knorpelartig fest wie hier.

Die geradezu überraschende Ähnlichkeit des histiologischen Cha- rakters der hyalinen Substanz von Corticium candelabrum mit gewissen Hyalinknorpelarten ist schon von Körrıker hervorgehoben. In einer ziemlich stark lichtbrechenden homogenen Grundsubstanz zeigen sich unregelmäßig rundliche oder auch hier und da in spitze Zipfel ausge- zogene scharf begrenzte Lücken, in deren jeder eine Zelle liegt. Von dem körnchenarmen Protoplasma dieser Zellen gehen radiäre Ausläufer zur Innenwand der betreffenden Grundsubstanzlücke oder in deren spitze Ausläufer hinein. Von faserigen Elementen der Grundsubstanz, wie sie Scumiıptr und auch KörLiker erwähnen, habe ich nichts ent- decken können, und möchte dieselben auf Schrumpfungserscheinungen zurückführen.

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 423

Jene schwarze Varietät des Corticıum candelabrum, welche von Cebu stammt, enthält in den Mesodermzellen, welche nahe der Ober- . fläche des Schwammes liegen, dunkle Pigmentkörnchen in wechseln- der Zahl.

Ich habe schon in einer früheren Mittheilung einmal darauf hin- gewiesen, dass wohl kaum bei irgend einer Spongie deutlicher das Vorhandensein einer von dem Zellenprotoplasma differenten Grund- substanz sich erkennen lässt, als gerade bei Gorticium candelabrum. Von einem Syneytium, wie noch von manchen Spongiologen die Haupt- gewebsmasse des Schwammkörpers genannt wird, kann meiner Ansicht nach nur da die Rede sein, wo die Protoplasmaleiber benachbarter Zeilen so vollständig mit einander verschmolzen sind, dass sich zwi- schen denselben keine Grenzen markiren. Dies ist nun zwar hei manchen Spongien an einzelnen Stellen und zwar in der Regel da, wo das lebhafteste Wachsthum stattfindet, wie etwa an der Oberfläche von Euspongia, wirklich der Fall; jedoch eben nur an einzelnen beschränk- ten Stellen. Die große Hauptmasse des Mesoderms aller von mir unter- suchten Spongien dagegen stellt eben kein Syneytium sondern eine Bindesubstanz dar, in so fern sich zwischen den auch hier vor- handenen Protoplasmakörpern der Zellen eine nicht protoplasmatische Grundsubstanz befindet, sei dieselbe nun flüssig, gallertartig oder selbst knorpelhart, homogen, faserig oder körnig. Dies letztere Verhältnis ist gerade in der hyalinen Mesodermmasse von Corticium candelabrum desswegen besonders leicht zu erkennen, weil hier die Grundsubstanz durch ihre derbe Konsistenz und ihr starkes Lichtbrechungsvermögen sich ungewöhnlich scharf von den darin zerstreut liegenden Zellen ab- setzt.

Der histiologische Bau der anderen, im durchfallenden Lichte dunkel, bei auffallendem weißlich erscheinenden Mesodermpartie stimmt zwar hinsichtlich der zelligen Elemente mit demjenigen der eben be- sprochenen hyalinen Masse überein, unterscheidet sich jedoch, wie schon mehrfach erwähnt, dadurch wesentlich von jener, dass die zwischen den Zellen befindliche Grundsubstanz mit kleinen, rundlichen, stark lichtbrechenden Körnchen dicht durchsetzt ist (Fig. 8). Eine solche Körncheneinlagerung kommt außer in der Umgebung der Geißelkammern auch in nächster Nähe der kleineren zu- und ableitenden Kanälchen vor, wenngleich hier nur in ganz dünner Schicht (Fig. 8). So deutlich nun auch im Großen und Ganzen jene beiden differenten Mesoderm- partien von einander geschieden erscheinen, so besteht doch eigentlich keine ganz scharfe Grenze zwischen denselben; in so fern die Distanz der Körnchen von der ganz opaken Masse aus gegen die völlig hyaline

424 Franz Eilhard Schulze,

Substanz hin allmählich zunimmt, bis die Körnchen schließlich ganz aufhören. |

Die Kieselkörper

sind ausschließlich auf das Mesoderm beschränkt. Sie kommen sowohl in der hyalinen als auch in der durch Körncheneinlagerung opaken Substanz vor. Während sie bei manchen Schwammexemplaren und zwar besonders bei den flach krustenartig ausgebreiteten so dicht ge- drängt liegen, dass sie sich fast berühren, rücken sie in anderen, ge- wöhnlich durch Größe und starke Entwicklung der hyalinen Substanz ausgezeichneten Stücken so weit aus einander, dass sie um das Drei- fache ihres Durchmessers und weiter von einander entfernt liegen.

Wie schon der Entdecker unserer Spongie in der ersten Beschrei- bung hervorhob, lassen sich zwei verschiedene Formen der Spicula unterscheiden, nämlich einfache Vierstrahler und die sogenannten »Kandelaber«. Erstere kommen in großer Anzahl und ziemlich gleichmäßiger Vertheilung durch die ganze Mesodermmasse zerstreut - vor, während die letzteren einerseits ein ziemlich kontinuirliches ein- schichtiges Lager dicht unter der gesammten Außenfläche des Schwam- mes (und zwar nicht bloß der Oberseite und Seitenfläche, sondern auch der Unterseite) so wie in der Wand aller größeren Wasserkanäle bilden , andererseits spärlich und unregelmäßig vertheilt auch in der übrigen Mesodermmasse zu finden sind.

Die allmählich gegen das freie Ende zu sich verjüngenden und schließlich in eine Spitze auslaufenden drehrunden Äste der einfachen Vierstrahler gehen von einem gemeinsamen Punkte entweder unter ziemlich gleichen Winkeln oder in der Richtung der Ecken einer drei- seitigen Pyramide mit einer differenten Hauptachse aus einander. Im ersteren Falle pflegen sie annähernd gleich lang (36—40 u) zu sein.

Merkwürdig und schon von O. Scumipr hervorgehoben ist der Um- stand, dass die Strahlen nur selten ganz gerade, vielmehr meistens ent- weder alle vier oder zu dreien schwach wellig, resp. S-förmig, seltener in einer einfachen Bogenlinie gebogen sind (Fig. 11 a—c).

Von diesen einfachen Vierstrahlern scheinen nun in der That die von ©. Scumipt ganz treflend als »Kandelaber« bezeichneten Kiesel- körper auf den ersten Blick principiell und wesentlich verschieden zu sein, in so fern von der Vereinigungsstelle dreier unter sich gleicharti- ger oder doch sehr ähnlicher Basalstrahlen ein vierter ganz anders ge- stalteter Theil sich erhebt, an welchem man mit Scumipr einen kurzen säulenförmigen Körper und mehrere horn- oder gabelzinkenförmige, spitz auslaufende Fortsätze unterscheiden kann. Diese letzteren sind es

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. A495

gerade, welche beim Vergleiche des Ganzen mit einem Kandelaber den auf der oberen Platte aufgesteckten Lichtern entsprechen würden. Die drei Basalstücke, welche unter gleichen Winkeln schräg nach unten und auswärts aus einander weichen, laufen an ihrem äußeren freien Ende in zwei bis fünf, gewöhnlich aber in vier schwach divergirende und meistens etwas gekrümmte spitze Zacken aus, welche, an demselben Kandelaber annähernd gleich lang, bei verschiedenen Kandelabern sehr verschiedene Ausbildung zeigen können. Der säulenförmige Körper des Hauptstückes verbreitert sich nach oben zu und trägt hier die bald an- nähernd parallel stehenden, bald schwach divergirenden Zinken, deren jede an ihrem äußeren kantenartig zugeschärften Rande mit einer Reihe spitzer Höcker oder Stacheln versehen ist. Der größte dieser Stachel ist der unterste, welcher von dem breiten Basaltheil der Zinke schräg nach außen und abwärts gerichtet ist, während die übrigen bis zur Endspitze der Zinke hin allmählich an Höhe abnehmen (Fig. 14 m und n). Die Zahl der Zinken wechselt außerordentlich; gewöhnlich schwankt sie zwischen vier und sieben. Auch ihre Anordnung ist nicht überall die gleiche. Bald stehen sie sämmtlich in einem Kreise, so dass die Mitte der Endplatte des Kandelabers frei bleibt; bald findet sich gerade in der Mitte der letzteren eine centrale Zinke; bald ist die Vertheilung eine völlig unregelmäßige.

Sind nun auch die eben geschilderten Kandelaberformen die bei Weitem häufigsten, so finden sich doch daneben zuweilen auch ab- weichend gebildete und zwar in der Regel viel einfacher erscheinende. Einige solcher abnormer Gestalten hat schon ©. Scamipr erwähnt und abgebildet. Bei diesen erscheint einerseits die Zahl und Größe der End- zacken der drei basalen Strahlen, andererseits die Zahl und der Stachel- besatz der oberen Zinken so beträchtlich vermindert, dass sogar Kande- laber mit nur zwei Endzacken an den Basalstrahlen und auch nur zwei Zinken an dem oberen Körperende zu finden sind (Fig. 41 ! und A).

Bei dieser großen Variabilität der Kandelaber besonders in der Richtung zur Vereinfachung erschien es mir von vorn herein nicht unwahrscheinlich, dass sich beim eifrigen Suchen auch noch deutliche Übergangsformen zwischen echten Kandelabern und den einfachen Vier- strahlern würden auffinden lassen; und somit eine Zurückführung der ersteren auf den reinen vierstrahligen Typus gelingen müsste.

In der That ist mir dies nun auch nach einigen Bemühungen in so weit geglückt, als ich Kieselkörper gefunden habe, bei welchen zwar eben so wie bei notorischen Kandelabern zwei oder mehrere zinken- förmige Bildungen dem verbreiterten Ende eines säulenförmigen Schaftes aufsaßen, bei welchen aber die vom anderen Ende des letzteren ab-

436. Franz Eilhard Schulze,

gehenden drei basalen Strahlen gerade so wie die einfachen Strahlen der gewöhnlichen Vierstrahler gebildet waren (Fig. 11 «). Bei noch anderen Kieselkörpern war auch die Zinkenähnlichkeit der Endauf- sätze des Hauptstrahles ganz verloren gegangen und es zeigten sich daselbst nur einige (vier bis zwei) einfache, schräg divergirende End- zacken der nämlichen Art, wie sie sonst den Basalstrahlen der Kande- laber zukommen (Fig. A1 e, f, gund h). In solchen und ähnlichen Fällen tritt denn auch oft genug die Differenz zwischen den einfachen spitz aus- laufenden Basalstrahlen und jenem vierten als Körper bezeichneten Strahle sowohl hinsichtlich der Form als auch der Winkelstellung so vollständig zurück , dass sich eben nur ein einfacher Vierstrahler mit Endspaltung eines seiner vier, übrigens gleich gearteten und unter gleichen Winkeln aus einander gehenden Strahlen darstellt. Eine solche Unregelmäßigkeit aber, wie die einfache Endspaltung eines Strahles kommt bekanntlich bei vielen Kieselkörperformen gelegentlich einmal als Abnormität vor.

Es scheint mir daher keinem Zweifel zu unterliegen, dass zwischen den normalen einfachen Vierstrahlern und jenen häufig so komplieirt gebauten Kandelabern von Corticium candelabrum eine ziemlich kon- tinuirliche Reihe von Übergangsformen vorkommt, wie man sie eben nur unter der Voraussetzung erwarten darf, dass dieselben sich auf die nämliche Grundform zurückführen lassen, resp. aus derselben sich her- ausgebildet haben.

Demnach werden sowohl die drei Basalstrahlen als auch der Zinken tragende Körperschaft der Kandelaber je einem einfachen Strahl eines gewöhnlichen typischen Vierstrahlers homolog sein, das heißt, sich aus einem solchen entwickelt haben. Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, dass die Kandelaber fast sämmtlich unmittelbar unter der freien Außenfläche des Schwammkörpers, resp. deren Epitheldecke so wie unter der Zellenauskleidung der größeren Wasserkanäle liegen, und zwar stets so orientirt, dass sie ihre Zinkenkrone diesen freien Flächen zuwenden (Fig. 6, 7 und 10). Höchst wahrscheinlich ist es gerade die an diesen Orten besonders reiche Wasser- und Nahrungszu- fuhr, welche die benachbarten Kieselkörper und zumal ihren nächst ge- legenen Strahl zu einer so bedeutenden Wucherung befähigt und ver- anlasst.

Hinsichtlich der Entwicklung der Kieselkörper habe ich zwar nicht bei Larven oder eben fixirten jungen Schwämmen, wohl aber an einem größeren aus Cebu stammenden Exemplare eine bemerkenswerthe Beobachtung machen können. Ich fand nämlich in geringer Entfernung von der äußeren Schwammoberfläche in einer rundlichen, mit einzelnen

Untersuchungen über den Ban und die Entwicklung der Spongien. 4937

Pigmentkörnchen versehenen Mesodermzelle ein sehr kleines, voraus- sichtlich erst vor Kurzem neu angelegtes Kieselspiculum, welches schon einen deutlich ausgebildeten regelmäßigen Vierstrahler mit geraden und spitz auslaufenden , glatten Strahlen darstellte, aber noch so vollständig in dem Protoplasma der Zelle eingebettet lag, dass nicht einmal seine Endspitzen in die umgebende Grundsubstanz hineinragten (Fig. 10). Aus dieser Beobachtung scheint mir mit Sicherheit hervorzugehen, dass dieses Kieselspieulum wirklich im Innern der betreffenden Mesoderm- zelle entstanden ist. Ich schließe mich daher jetzt der schon von O. ScumiDT, CARTER, KELLER und anderen Spongiologen geäußerten An- sicht, dass die Anlage der Kieselspicula in Zellen erfolgt, um so lieber an, als auch bei eben fixirten jungen Plakina monolopha dieser Ent- stehungsmodus der Spicula mir selbst als der wahrscheinlichste erschien.

Genitalprodukte.

Wiederholt habe ich in demselben Schnitte Sperma und Eier verschiedener Entwicklungsstadien neben einander angetroffen. Gorti- cium candelabrum gehört also zu den hermaphroditischen Spon- gien. Zuweilen kommen neben jungen Eiern fast reife Embryonen vor; in der Regel stehen jedoch sämmtliche Eier auf annähernd gleicher Ent- wicklungsstufe.

Wenn sich auch keine bestimmte Anordnung oder Gruppirung der Genitalprodukte erkennen lässt, so ist es doch leicht zu bemerken, dass sie am reichlichsten auf der Grenze zwischen der Geißelkammern führenden opaken Masse und der basalen hyalinen Substanz, und hier wieder speciell in der Nähe der abführenden Wasserkanäle vorkommen, dass sie dagegen in der hyalinen Rinde und Basalsubstanz selbst ganz fehlen.

Sperma.

Leider habe ich es versäumt, die lebenden Spermatozoen zu stu- diren. Doch konnte ich an feinen, gut tingirten Schnitten geschlechts- reifer Stücke die durch ihre besonders intensive Karmintinktion sofort in die Augen fallenden Spermaballen neben den Eiern leicht auffinden und hinreichend genau untersuchen, um zu erkennen, dass sie nicht wesentlich von denjenigen anderer Spongien abweichen. Auch hier stellt jeder Spermaballen ein unregelmäßig rundliches Klümpchen von Zellen dar, welche um so kleiner und zahlreicher sind, je mehr sie sich ihrer Reife nähern. Während die Köpfchen der mit einem feinen Schwanzfaden versehenen ausgebildeten Spermatozoen sehr kleine, stark

428 Franz Eilhard Schulze,

lichtbrechende, ovale Körperchen darstellen, bilden die unreifen Sperma- tozoen blasse rundliche Zellen von circa 2 u Durchmesser mit kleinem dunklem Kerne. Die reiferen Elemente finden sich stets im Gentrum des Ballens, während die weniger weit vorgeschrittenen an der Peri- pherie liegen und sich auch wohl an der Innenfläche der betreflenden Mesodermlücke in einfacher Lage ausbreiten (Fig. 12).

Eier.

Die unregelmäßig rundlichen Eier erreichen bei der Reife einen Durchmesser von circa 0,2 mm und sind alsdann so dicht mit stark lichtbrechenden kugeligen Dotterkörnern verschiedener Größe erfüllt, dass der ziemlich voluminöse Eikern mit seinem großen glänzenden Kernkörperchen gewöhnlich ganz verdeckt ist. Die Innenwand der das reifende Ei enthaltenden Mesodermlücke ist wie bei allen bisher studir- ten Spongien so auch hier mit einem einfachen Lager platter Endothel- zellen ausgekleidet, welche ohne Zweifel aus einfachen gewöhnlichen Bindesubstanzzellen der Nachbarschaft nach Schwund der zugehörigen Grundsubstanz entstanden sind.

Verfolgt man den Entwicklungsgang eines Eies durch die häufig neben einander liegenden Stadien zurück, so kann man sehr gut das erste Auftreten und das weitere Wachsthum der Dotterkörner verfolgen. Die jüngsten Eier, welche sich als solche noch sicher erkennen lassen, besitzen ein nur von ganz feinen Körnchen leicht getrübtes Protoplasma und unterscheiden sich von den gewöhnlichen Bindesubstanzzellen, ab- gesehen von dem etwas bedeutenderen Umfang nur durch ihren größeren Kern mit dem auffällig voluminösen und stark lichtbrechenden Kern- körperchen (Fig. 13).

Wenn ich auch den Gang der Eifurchung hier nicht genau habe verfolgen können, so habe ich mich doch davon überzeugt, dass die Furchung eine totale ist und zur Bildung einer mit heller Flüssigkeit erfüllten Blastula führt, deren zellige Elemente sich nach reichlicher Theilung zu einer einfachen Lage schmaler cylindrischer Zellen aus- bilden. Eben so wie bei Plakina und vielen anderen früher untersuch- ten Spongien findet man die mit Karmin leicht und intensiv sich färben- den kleinen ovalen Kerne dieser schmalen Gylinderzellen zunächst am äußeren Ende derselben (Fig. 14). Bei älteren Larven erscheinen da- gegen diese Kerne sämmtlich in der Richtung der Zellenachse in die Länge gezogen. Wahrscheinlich tritt dann später, ähnlich wie bei den Embryonen von Plakina monolopha, eine Theilung der cylindrischen Blastulazellen und eine Einwanderung ihrer Abkömmlinge in die hyaline Masse ein, welche den Binnenraum der Blastula erfüllt.

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. 429

Leider ist es mir nicht gelungen, ganz reife oder gar frei umher- schwärmende Larven von Corticium candelabrum zu erhalten, so dass ich natürlich auch keine Beobachtungen über die Metamorphose anstellen - konnte.

Graz, im November 1880.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXII.

Sämmtliche Abbildungen beziehen sich auf Corticium candelabrum O. Schmidt.

Fig. 4. Eine mittelgroße lebende Kruste, auf einem Steine sitzend. Von der Insel Lesina. Natürliche Größe.

Fig. 2. Ein in starkem Alkohol gut konservirtes Exemplar von der Insel Cebu Philippinen. Natürliche Größe.

Fig. 3. Theil der Oberfläche eines großen Exemplares. Vergrößerung 4/4.

Fig. 4. Senkrechter Durchschnitt von der Hälfte eines großen, in Spiritus gut erhaltenen Exemplares. Natürliche Größe.

Fig. 5. Senkrechter Durchschnitt eines sehr kleinen Exemplares. Vergrößerung 20/4. Mit der Camera lucida gezeichnet.

Fig. 6. Feiner Schnitt, senkrecht zur Oberfläche eines mittelgroßen gehärteten und tingirten Exemplares von der dalmatinischen Küste. Vergrößerung 200/4.

Fig. 7. Feiner Schnitt, senkrecht zur Oberfläche geführt, von dem nämlichen Exemplare. Vergrößerung 500/14.

Fig. 8. Theil eines feinen Schnittes aus der opaken, weißlichen Markmasse eines gut gehärteten und tingirten Exemplares. Eine Geißelkammer in der Flächen- ansicht, die andere im Durchschnitt. Vergrößerung 600/1.

Fig. 9. Äußerste 'Grenzschicht von einem großen Exemplare, durch einen dicht unter der Oberfläche und derselben annähernd parallel geführten Schnitt abgetragen, in der Ansicht von außen. Die Kieselspicula sind nicht gezeichnet. Vergr. 400/1.

Fig. 10. Senkrechter Schnitt von der oberflächlichsten Partie des in Fig. 2 dar- gestellten Exemplares von Cebu. Vergrößerung 600/4.

Fig. 41. Verschieden gestaltete Kieselspicula aus ein und demselben Exemplare von Lesina. Vergrößerung 600/1.

a—c, gewöhnliche Formen der einfachen Vierstrahler ;

d, ein abnormer Vierstrahler mit Seitenzacke eines Strahles;

e—h, Vierstrahler, dessen einer Strahl sich in zwei oder mehrere Zacken spaltet;

i, Vierstrahler, dessen einer Strahl in zwei lange Zinken ausgeht, welche den Zinken des Hauptstrahles der Kandelaber gleichen;

k, Vierstrahler, dessen Strahlen sich sämmtlich in je zwei unregelmäßig gestaltete Zacken spalten ;

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. : 29

430 Franz Eilhard Schulze, Unters, über den Bau und die Entw. der Spongien.

l, Kandelaber mit einfacher Zinkenkrone; m und n, Kandelaber mit reicherem Zinkenbesatz des Hauptstrahles.

Fig. 42. Spermaballen aus einem im September bei Lesina erbeuteten Exem- plare. Vergrößerung 600/1.

Fig. 43. Unreifes Ei. Der große Kern schimmert noch deutlich aus der Dotter- körnchenmasse hervor. Im umgebenden Mesodermgewebe bemerkt man links oben eine ganz junge Eizelle zwischen den kleineren Bindesubstanzzellen. Vergrößerung 400/A.

Fig. 44. Nahezu reife Larve ohne Geißeln. Vergrößerung 400/4.

Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. Von

Dr. August Gruber, Docenten der Zoologie in Freiburg im Br.

Mit Tafel XXI.

Einleitung.

In der vorliegenden Arbeit, deren Resultate ich schon kurz im Zoologischen Anzeiger Nr. 70 veröffentlicht habe, möchte ich eine Reihe von Beobachtungen besprechen, welche bisher ganz unbekannte Gesichts- punkte über Fortpflanzung und Wachsthum der Rhizopoden, speciell einer Thalamophore des süßen Wassers enthalten.

Die Untersuchungen sind gemacht an Euglypha alveolata, welche sich in großer Menge in einem kleinen Glasgefäß auf dem hiesigen zoo- logischen Institut entwickelt hatte.

Woher der Inhalt des Glases stammt, kann ich nicht mit Bestimmt- heit angeben, wahrscheinlich aber aus hiesiger. Umgegend.

Ich fand unter den Thieren sehr häufig Exemplare, die mit den Schalenmündungen fest an einander geheftet waren, eine Stellung, die bei den Monothalamien schon sehr häufig beobachtet worden war.

Ich glaubte, wie man gewöhnlich annimmt, hier einen Konjuga- tionsakt vor mir zu sehen und ging nun darauf aus zu untersuchen, ob nicht irgend welche Veränderungen im Weichkörper der Thiere zu kon- statiren wären.

Zu meiner Freude sah ich gleich bei einem der ersten Exemplare, die ich bei 350facher Vergrößerung betrachtete, wie der Kern sich in die Länge zog, sich theilte und ein Theilstück in das anliegende Indi- viduum hinüberwanderte, so wie ich dies unten genau beschreiben werde. Nachdem dies geschehen und die Kerne in jedem der beiden Thiere sich neu aufgebaut hatten, trennten diese sich von einander.

239%

432 August Gruber,

Ich blieb lange im Unklaren, ob ich in diesem interessanten Pro- cesse eine Konjugation oder eine Vermehrung durch Theilung vor mir habe.

Gegen eine Konjugation sprach der Umstand, dass immer nur eines der Thiere einen Kern hatte, das andere aber keine Spur eines solchen zeigte.

Der Gedanke an eine Theilung dagegen wurde näher gerückt, ein- mal dadurch, dass ich kleine Exemplare der Euglypha nie finden konnte und die Thiere sich doch offenbar stark vermehrten, ferner durch die Kenntnisnahme einer Beobachtung, welche Leıpy gemacht !, wo er zwei Thiere in oben erwähnter Stellung vorfand, von welchen das eine viel kleiner war, als das andere, aber schon im Lauf einer Stunde die nor- male Größe erreicht habe. Außerdem beschrieb Leipy eine Strömung in der Sarkode, die auch ich in gleicher Weise gesehen hatte.

Da aber eine so rasche Ausscheidung einer neuen Schale mir un- wahrscheinlich schien und ich trotz mehrtägigen Suchens nie zwei Exemplare von ungleichem Umfang zusammen fand, war ich schon wieder geneigt an eine Konjugation zu denken, als ich schließlich doch zu meiner Befriedigung vollständig ins Klare darüber kam, dass es sich hier um einen Theilungsprocess handle, den ich seither in seinen ein- zelnen Phasen und zwar in ununterbrochener Reihe bis zur Herstellung . eines neuen Individuums verfolgen konnte. |

Ehe ich zur Beschreibung des Vorganges schreite, erwähne ich, dass ich denselben der Klarheit und Übersicht halber in den Figuren A bis 14 halb schematisch dargestellt habe, während alle übrigen Bilder möglichst genau nach der Natur, theilweise mit Hilfe des Zeichenappa- rates, aufgenommen sind.

Bei kräftig entwickelten und normal gestalteten Exemplaren von Euglypha alveolata sieht man in oder auf der oberflächlichen Schicht des Weichkörpers und zwar an dem Leibesabschnitt, wo der Kern ge- legen ist, eine Menge kleiner Körperchen liegen, die durch stärkere Lichtbrechung deutlich sich abheben (Fig. 1).

Es sind dies nichts anderes als die Schalenplättchen, weiche schon frühere Beobachter, wie ScruLze 2, HrrrwısG und Lesser ? u. A. gesehen und beschrieben haben und welche einerseits zur Vermuthung einer Neubildung der Schale durch Häutung geführt haben, andererseits als

1 Leıpy, Fresh water Rhizopods of North America. Report of the U. S. Geol. Survey of the Territories. 4879.

2 Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XI.

3 Archiv für mikr. Anatomie. Bd. X. Suppl.

Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata, 433

das Material aufgefasst worden waren, welches zum Aufbau einer inne- ren Cystenhülle dienen sollte. Allerdings haben diese Plättchen die Bestimmung eine neue Schale zu bilden, aber nicht für das Thier, in welchem sie liegen, sondern für ein durch Theilung entstandenes Tochter- individuum.

Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist eine höchst über- raschende:

Schreitet nämlich die Euglypha zur Theilung, so tritt etwas Proto- plasma aus der Mündung aus; gleichzeitig setzen sich die beinahe kreis- runden konvex-konkaven Schalenplättchen (Fig. 30) in Bewegung und rücken eines nach dem andern der inneren Wand der Schale entlang ebenfalls der Mündung zu. Die ersten, welche in das ausgetretene Protoplasmaklümpchen gelangen, fügen sich zwischen die Zacken der Schalenöffnung ein (Fig. 2 und 15); inzwischen ist noch etwas mehr Protoplasma hervorgetreten und dem entsprechend rücken immer neue Schalenplättchen heran (Fig. 3); einzeln oder zu mehreren liegen sie Anfangs regellos in der Sarkode, um sich gleich darauf mit größter Regelmäßigkeit an die ersten anzufügen, respektive sich wie a. unter sie zu schieben (Fig. 4 und 16).

Nach einer bis anderthalb Stunden sind alle etwa 80 Schalen- plättchen aus dem Mutterthier ausgewandert und haben ein tannen- zapfenarliges Gebilde um die ausgetretene Sarkode geformt (Fig. 6 und 17). Letztere erhält nun immer weiteren Nachschub aus dem Inne- ren des Mutterthieres, treibt dadurch die sich deckenden Schalenplätt- chen immer mehr aus einander, bis sie etwa nach dreiviertel Stunden die normale Lage zu einander erreicht haben und eine vollständige neue mit Protoplasma erfüllte Schale entstanden ist, welche der Mündung des Mutterthieres eng anliegt (Fig. 7 und 18). Die Schalenplättchen greifen bald mehr bald weniger über einander, so dass die gemein- schaftlichen Sehnen entweder Vier- oder Seckserke begrenzen, die dess- halb sich deutlich ausprägen, weil die Stellen, wo die Platten sich decken, dunkler erscheinen (Fig. 31 und 32). Die neu entstandene Eu- glypha gleicht nun in ihrer äußeren Form ganz dem Mutterthier und auch das Protoplasma unterscheidet sich nur dadurch, dass es meistens nicht so viel Körnchen enthält, also durchsichtiger erscheint (Fig. 18). Ein wesentlicher Bestandtheil aber fehlt dem neuen Geschöpfe, näm- lich der Kern und dieser rückt merk würdigerweise erst jetzt als Theil- stück des Mutterkerns in das Tochterindividuum ein:

Schon während der Bildung der neuen Schale hat sich am Nucleus ‘eine Veränderung gezeigt, indem feine Körnchen oder gewundene Linien in ihm auftreten [s. u.] (Fig. 7 und 18).

434 August Gruber,

Bald darauf geräth er in Bewegung und geht langsame Formver- änderungen ein (Fig. 7) bis er anfängt in der Richtung der Längsachse des Thieres sich zu strecken. Dabei tritt eine deutliche Längsstreifung in ihm hervor, die eine kommende Theilung andeutet (Fig. 8 und 19). Etwa fünf Minuten später werden die Streifen immer deutlicher, d. h. die zwei Systeme von Längslinien, welche von den Polen zum Äqua- tor streichen. Der Nucleus ist schließlich so lang geworden, dass er fast das ganze Thier in der Längsachse durchzieht (Fig. 9 und 20); darauf hin erfolgt nun die Einschnürung in der Mitte und wieder fünf Minuten später hat sich der Nucleus in zwei Theile getheilt (Fig. 10 und 21), von welchen der eine im Mutterthier liegen bleibt, während der andere allmählich in die neu entstandene Euglypha hinüber wandert (Fig. 10, 22 und 23). Etwa eine halbe Stunde nach der Theilung des Kernes liegen seine beiden Theilstücke weit getrennt von einander in den bei- den Individuen, haben aber die Streifung verloren und sind so blass geworden, dass sie kaum noch als hellere Stellen hervorschimmern (Fig. 44 und 24). Jetzt beginnt ein merkwürdiges Phänomen, nämlich eine vollständige Mischung der beiden Sarkodeleiber in Folge einer raschen cirkulären Strömung, die einmal in jedem der Thiere kreist, außerdem aber noch einen Lauf an beiden Schalen entlang nimmt, so wie das auf Figur 41 durch Pfeile angegeben ist, während die Figur 25 zeigt, dass . die dunklen Körnchen,, welche vor der Mischung nur in einem Thier lagen, nachher in beiden gleichmäßig vertheilt sind.

Das Rotiren der Sarkodemassen dauert etwa eine Viertelstunde, wird dann schwächer und schwächer, um endlich ganz aufzuhören. Während dessen sind die Kerne allmählich beiderseits in den Schalen- grund gerückt (Fig. 12 und 25) und haben begonnen immer deutlicher hervorzutreten. Aber erst nachdem die Protoplasmaströmung aufgehört hat, zeichnen sie sich wieder scharf von der Umgebung ab und haben etwa eine halbe Stunde später den normalen sogenannten bläschen- förmigen Bau angenommen, der schon von früheren Autoren genau be- schrieben worden (Fig. 26). Jetzt erst haben wir zwei vollwerthige Individuen vor uns, die zu selbständigem Leben fähig sind.

Das Protoplasma zieht sich von der Schalenwand etwas zurück, wie man dies bei allen normalen Thieren beobachtet (Fig. 26) und es tritt auch bald eine Lockerung in der Vereinigung der beiden Euglyphen ein; an der Verbindungsstelle kommen Pseudopodien hervor (Fig. 15 und 27) und die Trennung des neu entstandenen Thieres von seiner Mutter erfolgt (Fig. 14 und 28). Damit ist dieser merkwürdige Ver- mehrungsprocess abgeschlossen!

Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. 435

Ich wiederhole die Hauptresultate, um sie den bisher bekannten Thatsachen gegenüber zu stellen: Was zunächst die Bildung der Be- standtheile zum Aufbau einer neuen Schale für den Theilspross be- trifft, so habe ich zwar aus eigener Anschauung vor der Hand noch keine Analoga, glaube mich aber doch berechtigt, für alle aus einzelnen Stücken zusammengesetzten Gehäuse eine ähnliche Entstehungsweise anzunehmen (siehe Nachtrag).

Ganz zweifellos scheint mir dies bei Quadrula, wo F. E. ScuuLze! die Schalenplättchen lose eder zu Packeten vereinigt in einem leeren Gehäuse auffand, eben so wie ich das bei ausgestorbenen Euglyphen- Schalen so häufig beobachtete (Fig. 29). Ferner bildet Leipy (a. a. ©. Tafel XXXIX, Fig. 25) bei Placocysta oflenbar eine Phase aus dem Theilungsprocess ab, und zwar jenen Moment, wo die neue Schale ge- bildet ist, der Mutterkern sich aber noch nicht getheilt hat. Schließlich ist auch für Arcella, deren Schale ja auch aus Plättchen oder Prismen besteht, von Scuneiper?2 und von R. Herrwıg und E. Lesser3 ein Theilungsprocess beschrieben worden, der dem hier beschriebenen ent- sprechen wird (siehe Nachtrag).

Außerdem dürften ganz gewiss alle folgenden Monothalamien ihre Schale einem ähnlichen Entstehungsvorgang verdanken, nämlich Gypho- deria, Sphenoderia, Campascus, Assulina, Placocista, Nebela, Flahel- lulum, Heleopera, Gentropyxis, Cochliopodium u. a. Was die Formen betrifft, welche ihre Schale aus Fremdkörpern aufbauen, also die vielen Difflugia-Arten, so verweise ich auf die Bemerkung, die BürscnLı (in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, p. 133) in Bezug auf die Bildung solcher Schalen macht, es lasse sich dieselbe nur so er- klären, »dass das zum Schalenbau verwerthete Fremdmaterial in die protoplasmatische Leibesmasse der Difflugien selbst aufgenommen und nachträglich auf der Oberfläche zur Bildung der Schale angelagert wurde«.

Eben so wird man wohl auch annehmen dürfen, dass das zur Thei- lung schreitende Thier vorher die Sandkörnchen sammelt und in sich aufnimmt, die ja in der That häufig im Protoplasma gefunden werden, und dass es damit für seinen Theilungsspross eine neue Schale errichtet.

Exemplare in vermeintlicher Conjugationsstellung sind ja schon oft beobachtet worden®. Ein Schalenwachsthum ist also bei dieser Art

! Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XI.

2 Archiv für Anat. und Physiol. 1854.

3 Archiv für mikr. Anatomie. Bd. X. Suppl.

4 Ich habe seither öfters ganz ungleich große Difflugienschalen mit ihren Mün- dungen an einander liegen sehen, offenbar einen Theilungsakt, wie den hier be-

436 August Gruber,

der Fortpflanzung nicht zu berücksichtigen und es sind die Betrach- tungen, wie man sich dasselbe zu denken hat, ob etwa nach M. ScHuLTzE durch innere Resorption und Anlagerung von außen oder wie sonst, überflüssig geworden. Bei den Polythalamien legt bekanntlich der Protoplasmakörper, wenn ihm die alte Kammer zu eng wird, eine zweite an derselben an und wahrscheinlich geschieht dies auf dieselbe Weise, wie bei der Theilung der Monothalamien.

Eine andere Art der Entstehung müssen wir wohl für die mit dünnen häuligen, nicht aus einzelnen Theilstücken bestehenden Schalen annehmen, wie wir sie z. B. bei Hyalosphenia, Gromia, Platoum, Lecy- thium, Lieberkühnia u. a. finden und gerade bei letzteren ist die Beob- achtung gemacht worden, dass sich bei der Theilung die Schale mit- sammt dem Protoplasmaleib halbirt.

Wenn aber wie z. B. bei Mikrogromia das Thier sich innerhalb der Schale theilt und der eine oder beide Sprösslinge nackt aus- schlüpfen , oder wenn der Körper in eine Brut von ausschwärmenden Keimen zerfällt, wie das für Arcella angegeben wird!, so müssen diese Sprösslinge freilich im Stande sein, selbst ihre Schale zu bilden!

Ich möchte hier weiter auf jene Doppelbildungen aufmerksam machen, welche bei monothalamen Rhizopoden sowohl als auch bei polythalamen beobachtet worden sind.

Bürscazı widmet ihnen in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs auch einige Aufmerksamkeit und glaubt dieselbe auf eine frühzeitige, unvollständige Theilung zurückführen zu können, welche noch im schalenlosen Zustande stattgefunden habe, während Arcock 2, scheint es, darin einen Beweis für seine Theorie eines mehrfachen Schalen- wechsels sieht, indem er die Doppelbildungen als unvollständige Thei- lungen während der Häutung auffasst. Auch über diese Frage ver- schaffte mir eine Beobachtung bei Euglypha vollständige Aufklärung: Ich fand nämlich ein in Theilung begriffenes Thier in dem Stadium, wo die Schale des Theilsprosses eben angelegt ist, und letzterer zeigte sich schon im Entstehen als eines jener Doppelmonstra, wie ich es auf Fig. 33 naturgetreu dargestellt habe, wahrscheinlich erzeugt durch irgend einen störenden Einfluss beim Aufbau des Gehäuses aus den einzelnen Schalen-- plättchen.

Der Zustand ist also wie immer angenommen wurde ein ab-

schriebenen, darstellend. Leider konnte ich den Verlauf des Vorgangs nicht weiter verfolgen.

t O0. BürscaLı, Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XI.

2 On the life history of the Foraminifera. Mem. of the liter. a. philos. soc. of Manchester. Vol. III. 1868.

Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. 437

normer und hier löste sich die Doppelschale nicht einmal ab, sie wurde allmählich durch die Sarkode zu einem einfachen Sacke aufgebläht und zerfiel später. Der Kern des Mutterthieres zeigte die Anlage zur Theilung durch Körnigwerden, blieb aber auf diesem Stadium stehen, so dass ich das Thier nicht weiter verfolgte.

Was die Betheiligung des Kernes bei dem Theilungsakte der Rhizopoden betrifft, so beschränken sich unsere Kenntnisse darüber wohl auf den einzigen von F. E. Scnurze ! beschriebenen Fall bei Amöba polypodia: Hier ging aber wie gewöhnlich die Kerntheilung der des Protoplasmas voraus. Bei Euglypha hingegen sehen wir das Theilstück zu einem vollkommen ausgebildeten neuen Thier heranwachsen, ehe der Mutterkern sich eingeschnürt hat.

Es dürfte dies ein neuer Beweis sein für die Ansicht, die Strass- BURGER in Seinem Werke über »Zellbildung und Zelltheilung«? aus- spricht, dass »die Kerntheilung und die Zelltheilung zwei von einander zu trennende Vorgänge sind«. Ich muss mich nach diesen meinen Beob- achtungen, die, wie gesagt, am lebenden Thier gemacht und auf ganz zweifellose Bilder sich stützen, entschieden STtrassBurgER anschließen ' und das »eigentlich Aktive bei den Zellbildungsvorgängen« nicht im Kerne sondern in dem Protoplasma suchen. Bei Euglypha baut das Protoplasma selbständig das neue Thier sammt seiner Schale auf und erst, wenn es damit zu Ende ist, scheint es den Kern zur Theilung anzu- regen. Dieser Vorgang steht ja durchaus nicht unvermittelt da, denn einmal sind im Pflanzenreich mehrere Fälle beschrieben worden, wo eine Zelltheilung der Kerntheilung vorangeht. Bei allen vielkernigen Zellen andererseits theilen sich die Kerne unabhängig vom Protoplasma, während bei den einkernigen Thierzellen die Theilung des Kernes der Theilung der Zelle wohl immer vorangeht ®.

Es frägt sich hier, ob man zwischen Sprossung und Theilung einen fundamentalen Unterschied suchen will, oder ob man R. Herrwıc ? recht giebt, der beide für identische Vorgänge erklärt. In letzterem Falle hätten wir auch bei den einzelligen Thieren Analoga zu der Fortpflan- zungsweise der Euglypha; denn bei der Knospenbildung von Spiro- chona® und von Podophrya * gemmipara hat Herrwiıc nachgewiesen, dass

1 Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. X1.

2 Dritte Auflage. 1880.

3 ZIEGLER (Unters. über patholog. Bindegewebs- und Gefäßneubildung. Würzburg 4876) beschreibt die Entstehung von Sprossen, in denen Kerne erst nachträglich auftreten.

* Morphologisches Jahrbuch. Bd. 1.

5 Jenaische Zeitschrift. Bd. XI.

438 August Gruber,

die Derivate des Mutterkerns erst nachträglich in die schon gebildeten Knospen hereinrücken, und bei Podophrya quadripartita ist nach Bürscrri! der endogen entstandene Schwärmsprössling sogar ganz ausgebildet, ehe er von dem Kerne des Mutterthieres seinen Antheil erhält. Auch diese Fälle beweisen unbestreitbar die Selbständigkeit des Protoplasmas gegenüber dem Kern. ı

Bei Euglypha sahen wir, dass mit dem Eintreten des Nucleus in das neu entstandene Thier die oben beschriebene Protoplasmaströmung begann, so dass es scheinen möchte, als ob erst in diesem Moment die Sarkode eine Anregung zur Lebensthätigkeit erhalte. Doch bewiesen ist damit nicht, dass diese Anregung wirklich vom Kern ausgehe, denn es bethätigt sich ja die Strömung zu gleicher Zeit auch im Mutterthier und dieses hat während des ganzen Vorganges nie des Kerns entbehrt.

Schließlich möchte ich nochmals auf die Strukturveränderung des Kerns bei Euglypha während der Theilung aufmerksam machen.

Der einzige Fall einer beobachteten Kerntheilung bei Rhizopoden ist, wie gesagt, der von F. E. ScuuLze beschriebene und dort ist es nicht gelungen eine Differenzirung im Nucleus wahrzunehmen. Um so interessanter war es mir bei Euglypha schon mit unbedeutender Ver- größerung und am lebenden Thier die bekannten Kernfiguren auf das Deutlichste zu sehen in der Weise wie sie von Bürscauı u. A. bei den Infusorienkernen beschrieben worden sind.

Ich konnte sogar immer der Streckung und dem Streifigwerden des Kerns die von Fremming 2 beschriebene Knäuelform vorangehen sehen, während ich zuerst die Ansicht STrAssBURGER's bestätigt zu finden glaubte, wonach Anfangs feine Körnchen auftreten und diese sich zu gewundenen Linien vereinigen sollten. Die Punkte, welche man zwi- schen den verschlungenenen Streifen sieht, erweisen sich, wie ich glaube, als die Querschnitte der letzteren.

Es ist damit wieder ein sicherer Beweis geliefert, dass wir im Nucleus der Rhizopoden eben so wie in dem der übrigen Protozoen einen typischen Zellkern zu erblicken haben.

Freiburg, November 1880.

! Jenaische Zeitschrift. Bd. X. ? Beiträge zur Kenntnis d. Zelle und ihrer Lebenserscheinung. II. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XVII.

Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. - 439

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXIII,

Fig. —14. Halbschematische Darstellung des Theilungsvorganges bei Euglypha alveolata.

Die Figuren 4—7 zeigen den allmählichen Aufbau der neuen Schale aus Schalenplättchen, welche vom Mutterthier erzeugt sind (Fig. 4) und welche nun aus der Schalenöffnung auswandern, um sich dachziegelförmig über das ausgetretene Protoplasma zu legen (Fig. 5).

In den Figuren 7—14 ist die Kerntheilung dargestellt, das Körnigwerden des Kernes, dann die Streifung, die Streckung in die Länge und schließlich der Zerfall in zwei Stücke, von denen eines in die neue Schale wandert, während das andere im Mutterthier bleibt.

In Figur 44 ist der Moment wiedergegeben, wo die beiden Kerne ganz blass geworden und wo die Strömung im Protoplasma vor sich geht. Die Pfeile deuten die Richtung des Stromes an.

In Figur 43 ist das neue Thier ganz fertig und in Fig. 44 lösen sich Mutter und Tochter von einander ab.

Die Figuren 45—28 stellen den gleichen Process noch einmal dar, mit dem Unterschied, dass diese Bilder nach der Natur aufgenommen sind und zwar bei HARTNACK, Ocular 3, Objektiv 7, also circa 350 maliger Vergrößerung.

Fig. 29. Eine leere Euglyphaschale mit den Schalenplättchen, welche für einen Theilspross bestimmt waren.

Fig. 30. Schalenplättchen von der Fläche und von der Seite.

Fig. 34 und 32. Die Lage der Schalenplättchen zu einander, wodurch Sechs- oder Vierecke entstehen.

Fig. 33. Die Entstehung einer sogenannten Doppelbildung.

Nachtrag.

Während des Druckes dieser Arbeit ist es mir gelungen auch bei Cyphoderia denselben Theilungsprocess zu verfolgen, worüber ich später noch ausführlicher zu berichten hoffe. Es ist diese Beobachtung desshalb von Interesse, weil Cyphoderia eine ganz ähnliche Schalenstruktur besitzt, wie Arcella. Also wird wohl auch bei letzterer die Theilung eben so vor sich gehen, was um so eher anzunehmen ist, als ja schon eine Phase derselben beobachtet wurde, nämlich die Protoplasmaströmung von einer Schale zur andern.

Januar 4884.

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. Von

B. Ulianin in Moskau.

Mit Tafel XXIV.

Die in den nachfolgenden Blättern niedergelegten Beobachtungen wurden während der Sommermonate des Jahres 1879 in Sebastopol ge- sammelt!. Als Beobachtungsmaterial dienten Eier verschiedener Or- chestia-Arten (mediterranea, Montagui , Bottae), die überall am Strande des Hafens von Sebastopol unter faulenden Zosteramassen in großen Mengen zu finden sind, so wie theilweise Eier des im schwarzen Meere sehr gemeinen Gammarus poecilurus. Trächtige Weibchen der letzt- genannten Art findet man während des ganzen Sommers bis in den Spätherbst; mit Brut beladene Weibchen der Orchestia-Arten findet man im Gegentheil nur während der Sommermonate; schon gegen Mitte September werden eiertragende Orchestia- Weibchen sehr selten; zu Ende des Monats sucht man nach ihnen vergebens. Um in jeder Zeit in beliebiger Menge Orchestia- Eier gewünschter Stadien zu besitzen, brauchte ich große Glasgefäße, die ich mit faulender Zostera füllte; nicht trächtige Weibchen, die in solche Gefäße zusammen mit einer Anzahl Männchen gesetzt sind, begatten sich bald und legen in ihre Bruttasche in der Regel schon am nächsten Tage Eier ab. Wenn man mehrere sol- cher Gefäße bei der Hand hat, so ist es nicht schwer eine ganze Reihe auf einander folgender Entwicklungsstadien beständig bereit zu haben ; damit wird das Anschaffen des Materials sehr erleichtert und sehr viel Zeit erspart.

Die Eier aller genannten Orchestia-Arten sind prachtvolle Unter-

i Die Hauptresultate dieser Untersuchungen wurden der Zool. Sektion der VI. Versammlung Russischer Naturforscher in St. Petersburg (December 4879) mitge- theilt. Siehe Zool. Anz. Nr. 52. p. 4163—165.

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 441

suchungsobjekte. Ihre beträchtliche Größe erlaubt eine ziemlich ein- gehende Untersuchung der Eier mit schwachen Vergrößerungen im auf- fallenden Lichte; wegen der Größe der Eier ist es auch nicht schwer sich bei der Wahl der Schnittfläche zu orientiren. Sehr günstig für die Untersuchung bei auffallendem Lichte erweist sich außerdem die dunkel- violette Farbe des Dotters, auf dem die weißen zelligen Elemente beson- ders schön zu beobachten sind.

Als beste Erhärtungsflüssigkeit für frühere Entwicklungsstadien der Amphipoden-Eier erwies sich die von KLeinengerG empfohlene Mischung von Pikrin- und Schwefelsäure. Diese Flüssigkeit wirkt ausgezeichnet auf Eier, in denen entweder noch das Blastoderm nicht angelegt ist, oder wenn ein solches schon vorhanden ist, eine Cuticularhaut, die den Em- bryo umhüllt, noch nicht ausgeschieden ist. Gleich nach der Wirkung der Mischung auf solche junge Eier beginnt das Chorion sich stark aufzublähen ; gewöhnlich schon nach wenigen Minuten nach dem Einlegen des Eies in die Mischung platzt das Chorion und wird von dem Ei abgestreift. Nach ungefähr zweistündigem Aufenthalte des Eies in der Mischung wurde es in Alkohol entfärbt, dann mit BeAare’scher Karminlösung tingirt. So be- handelte Eier gaben mir eine Reihe ausgezeichneter Schnitte.

Viel schwieriger gelingt das Erhärten von Eiern späterer Entwick- lungsstadien, nämlich solcher Stadien, wo rings um den Embryo eine feine Cuticularhaut ausgeschieden ist, und zwischen dieser Haut und dem Embryo eine gewisse Quantität eiweißartiger Flüssigkeit sich an- sammelt. Die erhärtende Flüssigkeit dringt durch die Guticularhaut nur äußerst langsam und schwer, wesshalb die eiweißartige Flüssigkeit, die den Embryo umspült, nicht gerinnt; das Reactiv gelangt auch nicht bis an den Embryo, der unerbärtet bleibt. Unter der Wirkung sieden- den Wassers gerinnt freilich die den Embryo umspülende Flüssigkeit; der Embryo wird auch zur Erhärtung gebracht. So behandelte Präpa- rate sind aber zum Schneiden nicht verwendbar, da die geronnene ei- weibßartige Flüssigkeit so fest an die Oberfläche des Embryo, so wie an die innere Fläche der Cuticularhaut anklebt, dass es niemals gelingt sie zu entfernen ohne den Embryo zu Grunde zu richten. Um solche spätere Stadien der Orchestia-Eier zu härten fand ich nur ein Mittel. Ich brachte frische Orchestia-Eier in einem Uhrgläschen unter die Lupe und zerriss mit der Nadel die Cuticularhaut an der Bauchseite des Embryo. Nachdem der größte Theil der eiweißartigen Flüssigkeit durch den Riss ausgeflossen ist, bringe ich das Ei in die erhärtende Flüssigkeit, die jetzt verhältnismäßig leicht bis zum Embryo gelangt. Die Schwierig- keit und der Zeitverlust bei dieser Manipulation sind Ursachen, warum ich von späteren Entwicklungsstadien nur wenige und ziemlich unvoll-

442 B. Ulianin,

ständige Beobachtungen zusammenzubringen im Stande war. Von den im Nachfolgenden mitgetheilten Beobachtungen sind die unvollkommen- sten die Beobachtungen über die Entstehung des Enioderms, das sich bei den Orchestien verhältnismäßig sehr spät anlegt; über die Ent- stehung des unteren Keimblattes habe ich nur ganz vereinzelte Beob- achtungen gemacht, die ich den späteren Bearbeitern der Entwicklung der Amphipoden ganz besonders zur Prüfung empfehle. |

Litteratur.

H. RATuke, Zur Morphologie. Reisebemerkungen aus Taurien. 4837. Enthält Beob- achtungen über Entwicklung der Amphithoe picta, Gammarus gracilis, Amathia carinata und Hyale pontica. Die Beobachtungen von RATHKE haben Bedeutung nur in historischer Hinsicht.

MEıssner, Beobachtungen über das Eindringen der Samenelemente in den Dotter. (Diese Zeitschr. Bd. VI.) Enthält die ersten sehr dürftigen und größten- theils unrichtigen Angaben über das kugelförmige Organ,

LA VALETTE ST. GEORGE, Studien über die Entwicklung der Amphipoden (Abhandl. d. naturhist. Gesellsch. zu Halle. V. 1860. p. 155—166. 2. Tf.).

LA VALETTE studirte sehr eingehend die Entwicklung des Eies des Gammarus pulex im Eierstocke, so wie den Entwicklungsgang des Blasto- derms. Über den Bau des ausgebildeten kugelförmigen Organs sind auch einige exaktere Beobachtungen als bei MEıssner mitgetheilt. i

Fr. MüLLer, Für Darwin. 1864.

Das Vorhandensein der Larvenhaut bei Amphipoden -Embryonen wird zum ersten Male gezeigt.

A. Donrn, Studien zur Embryologie der Arthropoden. Habilitationsschrift. 1868. Die ziemlich oberflächlichen Beobachtungen von Donrn beziehen sich auf die Dotterklüftung des Eies, auf das Anlegen und die Ausbildung der Falte, die den Kopftheil des Embryo von dem Schwanztheile abgrenzt, und auf den Entwicklungsgang des kugelförmigen Organes.

E. van BENEDEN und E. BesseLs, M&emoire sur la formation du blastoderme chez les Amphipodes, les Lerneens et les Copepodes (M&moires couronnes de l’Acad. roy. de Belgique. XXIV. 1869). Vorläufige Mittheilung in d. Bul- letin de l’Acad. roy. de Belgique. 2ser. XXV. 1868. p. 443. Beobach- tungen über die Bildung des Blastoderms beim marinen Gamm. locusta und bei dem im süßen Wasser lebenden Gamm. pulex und fluviatilis. Besonders eingehend ist die Segmentation der ersten der genannten Arten beschrieben.

E. Bessers, Einige Worte über die Entwicklungsgeschichte und den morphologi- schen Werth des kugelförmigen Organes der Amphipoden (Jenaische Zeit- schrift. V. 4869). Sehr oberflächliche Beobachtungen über die Entwick- lung der Amphipoden und über den Bau des kugelförmigen Organes. Das letztgenannte Organ wird mit dem Rückenstachel der Zo&a homologisirt.

A. Donrn, Die Überreste des Zoea-Stadiums in der ontogenetischen Entwicklung der verschiedenen Crustaceen-Familien (Jenaische Zeitschrift. V. 4870). Das kugelförmige Organ wird mit dem Rückenstachel der Zo&a homologisirt;

Zur Entwicklungsgeschiehte der Amphipoden. 443

zur Feststellung dieser Meinung werden viele Thatsachen aus der Ent- wicklungsgeschichte und Anatomie der Crustaceen verschiedener Abthei- lungen gebracht.

Frisch abgelegte Eier der von mir untersuchten Orchestia- Arten sind, wie aus der Tafel XXIV zu sehen ist, dunkelviolett gefärbt und vollkommen undurchsichtig. Der Inhalt des frischen unverletzten Eies scheint ausschließlich aus fettartigen dunkelvioletten Tropfen verschie- dener Größe zu bestehen. An unter dem Mikroskop zerquetschten Eiern ist es aber nicht schwer sich zu überzeugen, dass diese tropfenartigen dunkelvioletten Körperchen nicht den ganzen Inhalt des Eies ausmachen, dass zwischen ihnen eine ansehnliche Menge einer durchsichtigen fein- körnigen Masse vorhanden ist, mit anderen Worten, dass das Ei, wie das schon von LA VALETTE an den Eiern des Gammarus pulex ganz rich- tig erkannt wurde, aus dem durchsichtigen Bildungsdotter oder dem Protoplasma und aus dem farbigen Nahrungsdotter oder dem Deutoplasma besteht.

Das frisch abgelegte Ei ist nur von einer ziemlich weit von seiner Oberfläche abstehenden Membran dem Chorion umhüllt. Eine Dotterhaut fehlt den Orchestia-Eiern ; von der Abwesenheit der Dotter- haut ist es leicht sich zu überzeugen durch Untersuchung von unter dem Mikroskop zerquetschten Eiern, so wie durch Durchmustern feiner Schnitte aus frisch gelegten Eiern.

_ Wegen der vollkommenen Undurchsichtigkeit der Orchestia - Eier

kann man an lebendigen Eiern kein Keimbläschen unterscheiden ; nichts was an ein Keimbläschen erinnert, konnte ich an zerquetschten Eiern, so wie an Schnitten auffinden. Trotzdem glaube ich nicht, dass das Keimbläschen fehlt; vielmehr bin ich geneigt anzunehmen, dass es, ähnlich wie in Eiern anderer Thiere, einer ganzen Reihe von Verände- rungen unterworfen ist, die es nur äußerst schwer unterscheidbar machen. Schon bald nachdem das Ei in dem Brutsack des Weibchen ange- langt ist, beginnt es sich vermittels einer Ringfurche in zwei ganz gleiche Hälften zu theilen (Fig. 1). Die Furche, die Anfangs ziemlich tief ist und die zwei Hälften des Eies scharf von einander abgrenzt, wird allmählich seichter, bis endlich die Segmentationskugeln wieder scheinbar voll- kommen zusammenfließen. An Querschnitten, die aus solchen zwei- getheilten Eiern angefertigt wurden und in denen ich auch kein Keim- bläschen auffinden konnte, sieht man, dass die Furchung des Eies nur ganz oberflächlich ist, und dass die größere Masse des Eies unsegmentirt bleibt. Auch in allen späteren Phasen der Segmentation bleibt sie ober- flächlich.

444 B. Ulianin,

Bald nachdem das Ei sich in zwei Theile zerlegt hat, zerfällt es in vier unter einander gleiche Theile (Fig. 2). Im Innern des Eies dieses Stadiums findet man beständig vier sehr große amöboide Zellen, von denen eine in der Fig. 12 abgebildet ist!. Diese Zellen bestehen aus einem feinkörnigen Protoplasma, das eine Anzahl fadenförmiger, zum Theil sehr langer Fortsätze aussendet und in deren Centrum ein blasen- förmiger Kern mit mehreren langgezogenen, sich stark färbenden Kern- körperchen zu sehen ist. Diese vier großen Zellen, die zur Zeit des Zer- fallens des Eies in vier Theile im Inneren des Nahrungsdotters liegen, treten bald auf die Oberfläche des Eies hervor und unterscheiden sich auf dem dunkelvioletten Grunde des Nahrungsdotters als vier große sternförmige Körper, von denen jeder aufeiner der vier Furchungskugeln seine Lage hat. Es ist nicht schwer sich an lebendigen Eiern zu über- zeugen, dass diese Zellen echte amöboide Zellen sind: zuweilen sieht man alle fadenförmigen Fortsätze sich in den Körper der Zelle einziehen, dann wieder neue Fortsätze aus dem Körper der Zelle herauswachsen. An Schnitten, die aus Eiern dieses Stadiums mit den vier ersten an die Oberfläche des Eies ausgetretenen Zelien genommen sind, sieht man, dass diese amöboiden Zellen mit dem größten Theile ihrer Masse in den Nahrungsdotter eingesunken sind und dass sie nur mit einem kleinen Theile ihrer Körper auf die Oberfläche des Eies heraustreten (Fig. 15).

Diese vier großen amöboiden Zellen, die zuerst auf die Oberfläche des Eies gelangen, liefern, wie das aus dem Nachstehenden zu sehen

1 Diese Zellen entsprechen offenbar den Zellen, die bei der Bildung des Blasto- derms im Insekten-Ei, so wie im Eie verschiedener anderer Arthropoden beobachtet wurden. Inseinem Handbuche der vergleichenden Embryologie spricht BaLrour diesen kernhaltigen Anhäufungen von Protoplasma die zellige Natur ab. (Deutsche Ausgabe. p. 114.) Die von dem englischen Embryologen angeführten Gründe einer solchen Meinung sind folgende: A) die zellige Natur der aus dem Inneren der Arthropoden- Eier austretenden Körper ist mit der vom Verfasser gemachten Auffassung der Eier als einzellige Gebilde unvereinbar und 2) gegen die Deutung dieser Körper als Zellen sprechen die Beobachtungen über die Entwicklung der Araneinen und anderer Arthropoden. Alles was bis jetzt über die Blastodermbildung bei verschiedenen Arthropoden bekannt ist, scheint mir ganz gut mit der zelligen Natur der aus dem Inneren des Eies auf seine Oberfläche austretenden Körper zu stimmen. Alle solche Körper werden als aus einem Kern und aus ihn umhüllendem Protoplasma bestehend beschrieben und abgebildet; von allen Beobachtern werden diese Körper, wenn sie an die Eioberfläche gelangen, als Blastoderm zellen gedeutet; warum diese Zellen, wenn sie noch vom Nahrungsdotter umhüllt sind, Kerne genannt werden müssen, ist schwer zu verstehen. Der andere von BaLrour angeführte Grund für seine An- schauung (die einzeilige Natur sämmtlicher thierischer Eier) kann auch nicht ins Gewicht kommen, da die Auffassung, die sich BALrour über die Natur des Eies ge- macht hat, noch längst nicht bewiesen ist.

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 445

ist, das Material für alle Zellen des Blastoderms; außer diesen vier pri- mären enormen Zellen treten aus dem Inneren des Eies auf seine Ober- fläche keine zelligen Elemente mehr.

Einige Zeit nachdem auf der Oberfläche der vier ersten Furchungs- kugeln die vier großen amöboiden Zellen erschienen sind, beginnen diese sich zu theilen; jede von den vier Zellen verlängert sich. wird biskuitförmig und theilt sich endlich in zwei sehr ungleiche Theile (Fig. 3). Gleichzeitig mit der Theilung der vier großen Zellen zerfällt auch vermittels eines spaltförmigen Risses die Oberfläche jeder der vier Furchungskugeln in zwei sehr ungleiche Felder. Dieses Zerfallen des Nahrungsdotters wird, wie mir scheint, durch die Bewegungen der vom Nahrungsdotter fast vollkommen umgebenen amöboiden Zellen bewirkt. Solche oberflächliche,, zuweilen ziemlich unregelmäßige Spaltungen des Nahrungsdotters beobachtet man bei jeder Theilung der an der Ober- fläche des Eies wandernden amöboiden Zellen. Wenn die Bewegungen der Zellen zur Zeit des schon gebildeten Blastoderms aufhören, dann schwinden auch sehr bald die durch Spaltung des Nahrungsdotters ent- standenen Felder.

Am Ende der Theilung der vier primären amöboiden Zellen ist die Oberfläche des Eies in acht Felder getheilt; jedes von diesen Feldern trägt auf seiner Oberfläche eine sternförmige amöboide Zelle. Vier von diesen Feldern sind groß und tragen große amöboide Zellen, während die anderen vier kleiner und mit kleinen amöboiden Zellen versehen sind. Wenn man ein Ei dieses Stadiums von der Seite, wo die kleinen Zellen gelagert sind, beobachtet (Fig. 3 giebt ein Bild des Eies in einer solchen Lage), so bilden die großen Felder des Nahrungsdotters mit den zu- gehörigen großen Zellen die äußere Reihe, während die kleinen Felder des Nahrungsdotters mit ihren kleinen Zellen die innere Reihe bilden.

Die in diesem Stadium eintretende Differenzirung der amöboiden Zellen in große und kleine erlaubt schon in dieser sehr frühen Zeit der Entwicklung der Orchestia den Ort des Anlegens des Blastoderms be- stimmt zu erkennen : die erste Anlage des Blastoderms geschieht immer im Centrum des Kreises, der aus den kleinen Zellen gebildet ist. Wir sind folglich im Stande schon in dieser Zeit der Entwicklung im Ei zwei Pole zu unterscheiden ; einen von diesen Polen, den nämlich, an welchem die Anlage des Blastoderms geschieht und der der Bauchfläche des späteren Embryo entspricht, bezeichne ich mit dem Namen unterer Pol des Eies; den enigegengesetzten Pol nenne ich oberen Pol; die diese zwei Pole vereinigende Achse bezeichne ich als Querachse.

Im Laufe der weiteren Entwicklung des Eies vermehren sich die großen und kleinen sternförmigen Zellen, so wie die ihnen als Unterlage

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. NXXV, Ba. 30

446 B. Ulianin, _

dienenden Felder des Nahrungsdotters. Die erste Theilung geschieht in der Querrichtung (parallel der Querachse des Eies). Am Ende der Thei- lung besteht das Ei aus sechzehn Feldern des Nahrungsdotters, auf deren jedem eine amöboide Zelle liegt; acht von diesen Zellen sind groß, die anderen acht klein. Wie aus der Fig. 4 zu sehen ist, bilden die Zellen, ähnlich wie in dem vorigen Stadium, zwei concentrische Kreise. Das nächste Stadium, das in der Fig. 5 abgebildet ist, unterscheidet sich durch die Vermehrung der amöboiden Zellen bis zu zweiunddreißig. In diesem Stadium sind die sechzehn kleinen Zellen in zwei koncen- trische Kreise dicht am unteren Pole gedrängt. Mit diesem Stadium hört das Zerfallen des Nahrungsdotters in Felder auf; diese beginnen von dieser Zeit an allmählich zusammenzufließen. Mit dem Anfange der Ver- schmelzung der Felder des Nahrungsdotters fällt auch die erste Anlage des Blastoderms zusammen.

Gleich nachdem die Zahl der amöboiden Zellen bis zweiunddreißig gewachsen ist, beginnt ein außerordentlich reges Leben am unteren Pole des Eies in dem Gebiete der kleinen Zellen. Diese Zellen, besonders die Zellen der inneren Reihe, zeigen zu dieser Zeit viel stärkere amö- hboide Bewegungen. Vermittels dieser Bewegungen nähern sich diese Zellen an einander noch mehr; einige von ihnen theilen sich, andere scheinen im Gegentheil mit den nahestehenden zusammenzufließen. Endlich ziehen einige von diesen Zellen ihre Pseudopodien in den Kör- per zurück und wandeln sich zu ruhenden Zellen um, die eine mehr oder minder ausgeprägte polygonale Form haben und die die ersten Zellen des Blastoderms bilden (Fig. 6). Die Zahl dieser ersten Zellen des Blastoderms ist sehr variabel; in der Fig. 6 ist ein Ei abgebildet, in dem sechs solche eben gebildete Zellen des Blastoderms sich finden; nicht selten aber beobachtete ich solcher aus der inneren Reihe der kleinen amöboiden Zellen neugebildeter Zellen acht, in einigen Fällen sogar zehn.

Nachdem die kleinen amöboiden Zellen der inneren Reihe in ruhende Zellen des Blastoderms umgewandelt sind, treten auch in den kleinen Zellen der äußeren Reihe Vorbereitungen zum Übergange in die Blasto- dermzellen auf. Sie verlängern sich, wie das aus der Fig. 6 ersichtlich ist, in der Richtung der ersten schon angelegten Zellen des Blastoderms und nehmen die für in Theilung begriffene Zellen charakteristische biskuitförmige Form an. Die von diesen Zellen durch Theilung ab- stammenden neuen kleineren amöboiden Zellen wandern in die Nähe der ruhenden Zellen des Blastoderms, ziehen die fadenförmigen Fort- sätze ein, und wandeln sich in ruhende Zellen um, die ganz ähnlich den zuerst angelegten Blastodermzellen sind. Nach mehrfacher Theilung - Anfangs der kleinen Zellen der äußeren Reihe, dann der großen Zellen

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 447

der inneren und endlich der äußeren (oberen) Reihe und nach allmäh- licher Umwandlung der durch diese Theilungen neu entstandenen Zellen in ruhende polygonale Zellen erscheint das Blastoderm in Form einer großen Scheibe, die ungefähr zwei Drittel der ganzen Eioberfläche ein- nimmt. Der obere Rand dieser Scheibe ist, wie die Fig. 9 zeigt, nicht gerade, sondern wellenförmig. Die acht Auswüchse des Randes der Blastodermscheibe entsprechen den großen amöboiden Zellen der äußeren {oberen) Reihe, die zuletzt das Material zur Bildung der Blastoderm- scheibe lieferten.

So geht die Bildung des Blastoderms bei den von mir beobachteten Orchestia-Arten vor sich. Über die ersten Entwicklungsstadien der Amphipoden besitzen wir zwei ausgezeichnete Arbeiten, nämlich die von LA VALETTE ST. GEORGE über Gammarus pulex und die von E. van BENEDEn und E. Bessers über Gamm. locusta und fluviatilis. Nach den Angaben von LA VALETTE klüftet sich das Ei des Gamm. pulex nicht; das Blastoderm wird aus Zellen gebildet, die im Inneren des Eies aus Derivaten des Keimbläschens und aus Anhäufung des Bildungsdotters um denselben entstehen, und allmählich auf die Oberfläche des Eies heraustreten. Diese Angaben von La VALrTTE ähneln sehr dem, was ich an den Eiern der Orchestia-Arten beobachtet habe. Es finden sich nur folgende Unterschiede : 4) während die Orchestia-Eier, wenn auch einer sehr oberflächlichen und kurzen doch einer echten Furchung unter- worfen sind, segmentiren sich die Eier des Gamm. pulex gar nicht; 2) beim Gamm. pulex tritt aus dem Inneren des Eies eine große An- zahl von Zellen, die, wenn sie an die Oberfläche des Eies gelangt sind, direkt zu Zellen des Blastoderms werden; bei den Orchestien aber treten aus dem Inneren des Eies nur vier große amöboide Zellen, die nur nach mehrfacher Theilung und Wanderung auf der Oberfläche des Eies in ruhende Blastodermzellen übergehen; während der Wanderung der amöboiden Zellen auf der Oberfläche des Eies wird außerdem der Nah- rungsdotter wieder einer Art oberflächlicher Segmentation unterworfen; 3) bei den Orchestien ist es möglich gleich nach der ersten Theilung der vier großen aus dem Inneren des Eies ausgetreienen amöboiden Zellen den Pol zu unterscheiden, an welchem das Blastoderm angelegt wird und der später der Bauchfläche des Embryo entsprechen wird; bei dem Gamm. pulex aber ähneln alle Blastodermzellen einander, so dass es nicht möglich ist, den Bildungspol des Eies früh zu unterscheiden.

Etwas dem ähnliches, was La VaLktte bei Gammarus pulex gesehen hat, beobachteten E. van BEnEDEN und Bessers beim Gamm. fluviatilis. Die Eier dieser Art sollen ähnlich wie die Eier des Gamm. pulex keiner Segmentation unterworfen sein; ähnlich auch den Eiern des Gamm.

30 *

448 ‚B. Ulianin,

pulex geht die Bildung des Blastoderms vor sich. Der einzige Unter- schied soll nur darin bestehen, dass in den Eiern des Gamm. fluviatilis nicht wie bei dem Gammarus pulex und bei den Orchestien das ganze Protoplasma auf einmal von dem Deutoplasma des Eies sich trennt und auf die Oberfläche des Eies gelangt, sondern nur allmählich aus dem Inneren des Eies herauswandert. Nach den Angaben von van BENEDEN und Besseıs soll das nach dem Austreten der Blastodermzellen aus dem Inneren des Eies auswandernde Protoplasma nicht zum Aufbau neuer, sondern zur Vergrößerung der schon angelegten Blastodermzellen ver- wendet werden.

Der Bildungsmodus des Blastoderms bei dem marinen Gamm. locusta unterscheidet sich ziemlich wesentlich von dem, was bei den ge- nannten Süßwasserformen beobachtet wurde. Nach den Beobachtungen von van BENEDEN und BesseLs unterliegt das Ei des Gamm. locusta einer totalen Furchung!, bei deren Anfange, nämlich wenn das Ei sich in zwei ungleiche Hälften getheilt hat, schon der Bildungspol, welcher der Bauchfläche des späteren Embryo entspricht, zu unterscheiden ist. Nach Beendigung der Theilung besteht das Ei aus einer großen Anzahl von Segmentationskugeln, die an der Peripherie des Eies liegen und aus einer im Gentrum des Eies befindlichen Masse Nahrungsaotter 2. Bald tritt in den an der Peripherie des Eies gelegenen Segmentationskugeln eine Diflerenzirung des Protoplasma von dem Deutoplasma auf; die erstere, den Kern der Furchungskugel einschließend, sammelt sich am äußeren Rande der Kugel, während der Nahrungsdotter näher zum Centrum des Eies liegt. Diese Differenzirung des Protoplasma von dem Deutoplasma tritt anfänglich an dem Bildungspole des Eies auf und Schreitet nur allmählich auf die anderen Theile des Eies über. Die am Bildungspole zuerst angelegten Zellen des Blastoderms theilen sich auch früher als die später angelegten und bilden eine Art Keimscheibe.

Alle diese über die Bildung des Blastoderms bei verschiedenen Amphipoden angeführten Beobachtungen zeigen, dass bei allen bis jetzt untersuchten Arten eine sogenannte segm. intravitellina, Bosr. (super- ficiale Furchung, Hex.) statt hat. Am ähnlichsten dem, was in den Eiern von Spinnen und Insekten bei der Bildung des Blastoderms vorgeht,

! Eine totale Furchung bei den Amphipoden wurde schon früher von KowA- LEVSKY, METSCHNIKOFF und Dourn beobachtet.

2 An Eiern von Gammarus poecilurus konnte ich mich überzeugen, dass die Furchen, die das Zerfallen des Eies in Segmentationskugeln bedingen, nicht die ganze Masse des Eies durchschnüren und dass der centrale Theil des Eies unbe- rührt bleibt. Ähnliches geht wahrscheinlich bei dem dem Gamm. poecilurus sehr nahen Gamm. locusta vor.

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 449

ist die Blastodermbildung bei den Süßwassergammariden (Gamm. pulex und fluviatilis). Die Eier der Orchestien bilden schon einen Übergang zu der segm. extravitellina, Ber. (discoidale Furchung, Hex.): das ganze Protoplasma des Eies wird bier aus dem Deutoplasma in Form von vier sroßen Zellen, die das Material für das ganze Blastoderm liefern, ausge- schieden; das Blastoderm wird auch bei den Orchestien als eine scharf ausgeprägte Scheibe angelegt. In den Eiern von einigen niederen Krustern (Caligus, Anchorella u. A.) soll schon nach van BENEDEN und Besses eine echte segm. extravitellina vorkommen: bei diesen Crusta- ceen wird aus dem Ei das ganze Protoplasma in Form einer Zelle ausge- schieden ; aus dieser einen Zelle entstehen durch wiederholte Theilungen die Zellen des Blastoderms.

Zu der Zeit, wo noch nicht alle amöboiden Zellen des Orchestia-Eies zur Bildung der Blastodermzellen verbraucht sind und die Blastoderm- scheibe noch lange nicht ihre volle Größe erreicht hat, wird das mittlere Blatt oder das Mesoderm angelegt; die Bildung des Entoderms ge- schieht erst viel später.

Wenn die Blastodermscheibe ungefähr die in der Fig. 8 abgebildete Größe erreicht hat, wird ihr Centrum undurchsichtig. An Schnitten, die durch die Scheibe in diesem Stadium geführt sind, sieht man, dass an der Stelle, wo die Scheibe undurchsichtig geworden ist, schon zwei Zellenschichten vorhanden sind, und dass die wenigen Zellen der unte- ren Schicht unregelmäßig zerstreut und in Form und Größe sehr unbe- ständig sind (Fig. 13).

Über die Abstammung dieser Zellen von den Blastodermzellen kann kein Zweifel sein. Für eine solche Abstammung der Mesoderm- zellen spricht nicht nur der Umstand, dass in dem Ei zu dieser Zeit keine anderen Mutterzellen als die des Blastoderms vorhanden sind, sondern hauptsächlich die Thatsache, dass man oft an Schnitten in der Theilung begriffene Blastodermzellen beobachten kann (Fig. 13 biz).

Das Zerspalten des Blastoderms in Ekto- und Mesoderm beschränkt sich nicht nur auf das Centrum der Blastodermscheibe. Schnitte, die aus der Scheibe in verschiedenen Stadien genommen sind, zeigen, dass An- fangs nur die im Centrum der Scheibe liegenden Blastodermzellen sich theilen, später aber diese Theilung gleichzeitig an verschiedenen Stellen eintritt. Zur Zeit der vollkommenen Ausbildung der Scheibe sind die Zeilen des Mesoderms schon in mehreren Lagen unter dem Ektoderm angehäuft (Fig. 14). In diesem Stadium wird auch das kugelförmige Organ angelegt.

Beobachtungen über die Bildung des kugelförmigen Organes wurden

450 | B. Ulianin,

bis jetzt nur von Dourn mitgetheilt!. Diese Beobachtungen stimmen aber mit dem, was ich bei den Orchestien gesehen habe, wenig überein.

Donrn zufolge wird das kugelförmige Organ auf dem Rücken des Embryo zu der Zeit angelegt, wenn das Blastoderm schon um das ganze Ei herum gewachsen ist. Die erste Anlage des Organes besteht aus einem Haufen von Zellen, die viel größer als die Blastodermzellen sind ; diese Zellen verlängern sich, werden birnförmig und begrenzen eine röhren- förmige Vertiefung, die in ihrer Mitte erscheint?. Ich bin sehr geneigt zu glauben, dass Dourn die frühesten Stadien der Entwicklung des kugelförmigen Organes übersehen hat, und dass er ein schon fast voll- kommen ausgebildetes Organ beobachtet hat. Die folgende Beschreibung dessen, was ich an Orchestia-Eiern beobachtete, wird, wie ich hoffe, zur Bestätigung dieser Meinung dienen.

Wenn die Keimscheibe ihre volle Ausbildung erreicht hat, d.h. wenn schon alle amöboiden Zellen zur Bildung der Scheibe verbraucht sind und die Scheibe ungefähr zwei Drittel der gesammten Eioberfläche einnimmt, dann beginnt an irgend einem Punkte des Randes der Scheibe ein reges Theilen der Zellen des Ektoderms. In Folge dieses Theilens . der Zellen und des mit diesem Theilen der Ektodermzellen im Zusammen- hange stehenden lokalen Wachsthums des Ektoderms bildet sich schon bald ein ziemlich ansehnlicher streifenföormiger Auswuchs des Ekto- derms, ein Auswuchs, der vom Rande der Scheibe nach dem oberen Pole des Eies gerichtet ist und der später an seinem freien Ende in eine kleine Scheibe sich erweitert (Fig. 9). Im Centrum dieser Scheibe unterscheidet man bald eine Vertiefung, die Anfangs sehr seicht, allmäh- lich aber tiefer wird. Schnitte, die durch diesen Auswuchs geführt sind, zeigen, dass wir es hier mit einer echten Einstülpung des Ektoderms zu thun haben (Fig. 16). Die Zellen, die die Vertiefung begrenzen, sind stark in die Länge gezogen und mit einem sehr feinkörnigen Protoplasma erfüllt.

Das so angelegte kugelförmige Organ bleibt eine geraume Zeit fast ganz unverändert, während seine Lage auf dem Ei schon bald eine ganz andere wird: es wird allmählich gegen den oberen, dem Rücken des späteren Embryo entsprechenden, Pol des Eies geschoben. Zur Zeit, wo das kugelförmige Organ seine definitive Lage am oberen Pole des Eies annimmt, ist schon der ganze Nahrungsdotter von den Keimblättern bedeckt. |

Während des Wanderns der Anlage des kugelförmigen Organs gegen

1 A. Donrn, Studien zur Embryologie der Arthropoden. Habilitationsschrift.

1868. 2 ].c. p. 40. Taf. I, Fig. 8—10 a.

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 451

den oberen Pol des Eies ist es, wie gesagt, nur sehr wenigen Verände- rungen unterworfen; diese Veränderungen bestehen nur in der allmäh- lichen Vertiefung der Einstülpung des Ektoderms, so wie in der starken Verengung der in diese Einstülpung führenden Öffnung. Wenn das Organ seine definitive Lage am oberen Pole des Eies eingenommen hat, ist es schon exquisit kugelförmig geworden, während die Höhle, die im Organe sich findet, cylinderförmig ist.

Sobald das kugelförmige Organ diese Ausbildung erreicht hat, wird von seiner freien Oberfläche, so wie von der Oberfläche des übrigen Ektoderms eine feine strukturlose Cuticularhaut ausgeschieden. Diese Cuticularhaut ist Anfangs hart an die sie absondernde Zellenschicht ange- schmiegt und darum nur äußerst schwer zu unterscheiden. Bald aber häuft sich zwischen dem sich bildenden Embryo und dieser Cuticular- haut eine Flüssigkeit, die allmählich das Häutchen von den unter ihr liegenden Ektodermzellen losmacht; die Verbindung mit den Ektoderm- zellen erhält sich nur in dem Inneren des kugelförmigen Organs; wie bekannt, erhält sich diese Verbindung bis zur Atrophie des Organs.

Die zwischen der Guticularhaut und dem Embryo sich sammelnde Flüssigkeit über deren Herkommen und Bedeutung für den Embryo ich leider nichts sagen kann ist Anfangs vollkommen klar und unge- färbt. Bei weiterer Entwicklung des Embryo häuft sich aber in dieser Flüssigkeit, die stark an Volumen zunimmt, eine beträchtliche Masse einer feinkörnigen Substanz, die mehr oder weniger stark braungelb gefärbt ist. Zur Zeit wo diese Flüssigkeit unter der Cuticularhaut er- scheint, platzt gewöhnlich das Chorion, so dass das Ei nur durch die Cuticularhaut begrenzt ist.

Über die Bedeutung des kugelförmigen Organs wurden von ver- schiedenen Autoren verschiedene Meinungen ausgesprochen; da allen diesen Meinungen aber theils ungenügende, theils auch verfehlte Beob- achtungen zu Grunde lagen, so blieb die Frage über die Bedeutung des in Rede stehenden Organes bis jetzt, ungeachtet der zwanzig Jahre, die seit seiner Entdeckung verflossen sind, unentschieden.

MEıssner, der das kugelförmige Organ der Amphipoden entdeckte, beobachtete es an zerquetschten Embryonen, die schon ziemlich weit entwickelt waren. Nach den von Meıssner veröffentlichten Abbildungen zu urtheilen, untersuchte er ein zerstörtes Organ, das an Lappen der zer- rissenen Cuticularhaut hing. Die Einstülpung der Cuticula in das kugel- föormige Organ wurde von ihm als eine Öffnung in der Cuticula, nämlich als eine Mikropylöffnung erklärt. Da er die Membran, in der er eine Mikropylöffnung zu finden glaubte, irrthümlich für die Dotterhaut hielt,

452 B, Ulianin,

so zog er den Schluss, dass die Befru&htung des Eies der Amphipoden noch im Eierstocke vor der Bildung des Chorions geschehe.

Dasselbe Organ wurde später von La VALETTE ST. GEORGE viel ein- gehender und richtiger an ziemlich weit entwickelten Amphipoden- Embryonen beobachtet. Er unterscheidet im Organe zwei verschiedene Theile: 1) die Öffnung an der als Chorion gedeuteten Cuticularhaut und 2) das kugelförmige Organ, das mit dieser Öffnung im Zusammenhange steht und das im Rückengefäße des Embryo liegen soll. Die Öffnung der Cuticularhaut deutet La VALETTE als eine Mikropyle, dem kugelförmigen Organe ist er aber geneigt eine Rolle bei der Respiration des Embryo zuzuschreiben. Später! bekannte La VALettE die Unmöglichkeit, die scheinbare Öffnung der Cuticularhaut als eine Mikropyle anzusehen.

Endlich glaubte Sars? dem kugelförmigen Organe (auch den blatt- föormigen Anhängen des Asellus-Embryo) eine Rolle bei der Ernährung des Embryo vindiciren zu können.

Diese Versuche, die physiologische Bedeutung des kugelförmigen Organs zu erklären, erwiesen sich bald als verfehlte: die Beobachtung von La VALETTE über das Eindringen des Organs in das Rückengefäß des Embryo wurde nicht durch weitere Untersuchungen bestätigt; zur Verstärkung der Sırs’schen Meinung kann man auch keinen einzigen Beweis anführen; im Gegentheil spricht Alles, was vom Bau des kugel- förmigen Organes und von seiner Lage im Körper des Embryo bekannt ist, gegen die Meinung von Sars. Die beiden oben angeführten Ver- muthungen über die Deutung des Organs sind auch mit meinen Beob- achtungen über seine Entwicklung unvereinbar: wir wissen, dass das Organ zu der Zeit angelegt wird, wo noch kein einziges Organsystem im Embryo differenzirt ist; dass es seine volle Entwicklung erlangt zu der Zeit, wo die wesentlichsten Organsysteme noch nicht angelegt sind; end- lich, dass, wenn der Embryo seine volle Entwicklung erlangt hat, das betrefiende Organ zu Grunde geht. Wenn man dem kugelförmigen Or- gane eine physiologische Rolle zuschreiben will, so muss man ihm die- selbe Bedeutung für das Leben des Embryo zuschreiben, wie jeder anderen Zelle des Embryo; die Zellen des kugelförmigen Organes, ähn- lich allen übrigen lebendigen Zellen des Embryo, ernähren sich, ath- men u. s. w. Eine speciellere physiologische Bedeutung kann man gewiss nicht dem kugelförmigen Organe zuschreiben.

Viel treffender ist dieses Organ als ein ererbtes Organ anzusehen,

1 E. van BENEDEN und E. Bessers, M&em. sur la formation du blastoderme etc. p. 30 des bes. Abdr. Anmerkung.

2 G. O. Sars, Histoire naturelle des Crustaces d’eau douce de Norvege. 4 Livr. p- 121.

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 453

ein Organ, dem keine specielle physiologische Funktion zukommt, das aber eine hohe morphologische Bedeutung hat. Für eine solche Anschau- ung, die von E. van BENEDEN, Donrn und Besses zuerst geäußert wurde, spricht die sehr frühe Anlage des Organes, sein baldiges Verschwinden beim weiteren Wachsthum des Embryo, endlich das Vorkommen des- selben Organes in noch verkümmerterem Zustande bei einigen anderen Crustaceen.

Wie schon oben, bei der Litteraturübersicht gezeigt wurde, be- mühten sich BesseLs und besonders Dourn, die Frage über den morpho- logischen Werth des kugelförmigen Organes zu lösen. Beide kamen selb- ständig zu dem Schlusse, dass das kugelförmige Organ dem Rückenstachel der Zo&a homolog ist.

Für die Richtigkeit einer solchen Meinung führt BesseLs fast gar keine Beweise an, während Donnn eine ganze Reihe von Thatsachen aus der Anatomie der Crustaceen verschiedener Ordnungen, so wie aus deren Entwicklungsgeschichte zur Unterstützung seiner Anschauungs- weise zusammenstellt.

Als morphologisch gleichwerthige Theile sieht Dourn verschiedene Gebilde an, die auf dem Rücken verschiedener ausgewachsener Crusta- ceen, so wie CGrustaceenlarven ihren Platz haben; als Theile homolog unter einander und zugleich homolog mit dem Stachel der Zoea be- trachtet er: das kugelförmige Organ der Amphipoden und einiger Isopoden, den Rückensaugnapf der Daphniden, den frontalen Auswuchs, vermittels dessen viele von den parasitischen Gopepoden an fremde Körpersich anheften, den saugnapfähnlichen Auswuchs, vermittels dessen nach Dourn die Fixirung der Cirripedienlarven geschieht u. s. w.

Donrn basirt sein Raisonnement auf seine Beobachtungen über die Entwicklung des kugelförmigen Organes und auf die mehr oder weniger große Ähnlichkeit dieser Entwicklung mit der Entwicklung der oben genannten Gebilde bei verschiedenen Crustaceen. Da aber die Beob- achtungen von Donrn als unvollständige und zum Theil unrichtige sich erwiesen haben, so müssen alle aus diesen Beobachtungen gezogenen Folgerungen auch als unrichtige angesehen werden.

Meine oben angeführten Beobachtungen über die Entwicklung des kugelförmigen Organs können gewiss nicht zur Stütze der von BesseLs und DoHurn ausgesprochenen Meinung dienen: gegen die Homologie des kugelförmigen Organs mit dem Rückenstachel der Zo&a spricht die Zeit so wie der Ort der Anlage des Organs. Meine Beobachtungen über die Entwicklung des kugelförmigen Organs dienen aber nicht nur zur Widerlegung der Meinung der genannten Forscher, sie enthalten auch deutliche Fingerzeige bezüglich des Organs, mit dem das: uns interes-

454 B. Ulianin,

sirende Gebilde homolog ist und dienen folglich zur Lösung der Frage über den morphologischen Werth des kugelförmigen Organs.

Das kugelförmige Organ wird, wie oben gezeigt wurde, als eine lokale Einstülpung des Ektoderms angelegt; die Zellen dieser Einstülpung scheiden eine Cuticula aus, die mit der zur selben Zeit von der Ober- fläche des Embryo ausgeschiedenen Guticularhaut im Zusammenhange steht. Wenn man in anderen Thieren nach ähnlichen Bildungen sucht, so fällt gleich die große Ähnlichkeit auf, die zwischen dem kugelförmigen Organe und der sogenannten Schalengrube der Mollusken existirt. Die frappante Ähnlichkeit dieser zwei Gebilde wird um so augenfälliger, je mehr der Vergleich durchgeführt wird.

In der That ganz ähnlich der Schalengrube der Mollusken wird das kugelförmige Organ der Amphipoden vor allen anderen Organen ange- legt, in der Zeit, wo die Keimblätter sich noch zu differenziren beginnen oder sich eben differenzirt haben ; ganz der Schalengrube der Mollusken ähnlich entsteht das kugelförmige Organ der Amphipoden durch eine lokale Einstülpung des Ektoderms; das Provisorische des kugelförmigen Organes der Amphipoden endlich verstärkt noch seine Ähnlichkeit mit der Schalengrube der Mollusken: wir wissen, dass bei denjenigen Mol- lusken, bei denen eine Schale fehlt, die Schalengrube schon bald nach ihrem Anlegen zu Grunde geht. Die Ähnlichkeit der beiden Gebilde ist so groß, dass ich keinen Zweifel habe sie als Homologa zu betrachten.

Wir kennen bis jetzt nur Weniges über das Vorkommen bei anderen Arthropoden von dem kugelförmigen Organe der Amphipoden ähnlichen Gebilden. Dem kugelförmigen Organe der Amphipoden am ähnlichsten ist das provisorische Organ, das am Rücken der Poduren-Embryonen sich findet; wie bekannt, wird es ähnlich dem kugelförmigen Organe der Amphipoden als erstes Organ im Eie und durch lokale Einstülpung des Ektoderms angelegt!. Ein etwas verkümmerteres Organ findet sich außerdem bei den Embryonen verschiedener Isopoden (Idotea 2, Cymo- thoa 3, Oniscus®), bei Praniza5, bei den Gumaceen ® und bei den Penta- stomiden?’. In den Fällen, wo das Organ am meisten verkümmert ist, besteht es aus einer Anzahl von etwas vergrößerten Zellen des Ekto-

1 B. ULıanın, Beobachtungen über die Entwicklung der Poduren (Hsp. Oom. Aroour. Ecrecrzosu. XXI. ». 3. T6. V. puc. 6, 7).

2 Dourn, Studien zur Embryologie der Arthropoden. 1868. p. i4. Fig. 7.

3 BurLAR, On the developm. of the parasitic Isopoda (Philosoph. Transact. for the J. 1878. Vol. 469. P.II).

4 BoBRETZKy, Diese Zeitschr. Bd. XXIV.

5 Dourn, Diese Zeitschr. Bd. XX. 1870.

6 Dourn, Jenaische Zeitschr. V. 4870.

7 LEUCKART, Bau und Entwicklung der Pentastomiden.

Zur Entwicklungsgeschiehte der Amphipoden. 455

derms; bei weiterer Entwicklung verschwindet diese lokale Verdickung des .Ektoderms ohne Spur. In anderen Fällen stülpt sich dieser ver- dickte Theil des Ektoderms etwas ein. Bei den Amphipoden und Po- duren geht diese Einstülpung des Ektoderms so weit, dass ein echtes kugelförmiges Organ entsteht.

Wenn wir diese freilich sehr dürftigen Data über die Veränderungen, denen das kugelförmige Organ bei den Arthropoden unterworfen ist, mit dem vergleichen, was wir über die Veränderungen kennen, die die Schalengrube bei verschiedenen Mollusken erleidet, so bringt dieser Vergleich nur Bestätigung für die Meinung über die Homologie der bei- den Gebilde. Die Schalengrube der Mollusken erscheint wie bekannt, wie das kugelförmige Organ der Arthropoden entweder in Form einer einfachen lokalen Verdickung des Ektoderms oder in Form einer sack- artigen Vertiefung dieser Verdickung des Ektoderms. Für die Homologie des kugelförmigen Organes der Arthropoden mit der Schalengrube der Mollusken spricht folglich nicht nur die Lage beider Organe am Körper des Embryo, so wie die Zeit und die Art ihrer Anlagen, sondern auch die Ähnlichkeit der Veränderungen, denen die beiden Organe unter- worfen sind. I

Die Homologie des kugelförmigen Organs der Arthropoden mit der Schalengrube der Mollusken einmal festgestellt, so fragt sich, ob die Arthropoden auch ein Homologon des Produktes der Schalengrube, ein Homologon der Schale besitzen ?

Die Schale der Mollusken ist ein Produkt der Absonderung des so- genannten »Mantels«, der seinerseits nichts Anderes als eine lokale Ver- dickung des Ektoderms (Schalengrube) ist!. Die Ausscheidung der Schale der Mollusken ist folglich auf eine besondere speciell einge- richtete Stelle des Ektoderms aufgelegt. Bei den Arthropoden sehen wir das nicht. In einer Periode der Entwicklung scheidet das ganze Ekto- derm des Arthropoden-Embryo eine Cuticularhaut aus und das kugel- förmige Organ funktionirt eben so wie das übrige Ektoderm. Die CGuti- cularhaut der Arthropoden-Embryonen kann darum nicht mit der Schale der Mollusken homologisirt werden. Einige Arthropoden besitzen eine

1 Gewöhnlich werden unter der Bezeichnung »Mantel« ganz verschiedene Ge- bilde zusammengestellt. So z. B. ist der Mantel der Cephalopoden etwas ganz Ande- res als der Mantel der Gasteropoden und anderer Mollusken. Der Mantel der Gastero- poden ist nichts Anderes als das Epithelium, das den Boden der Schalengrube aus- kleidet und das nach Ausgleichung der Grube die Schale absondert , der Mantel der Cephalopoden entsteht aber als eine Duplikatur des Ektoderms, die gleichzeitig mit der Schalengrube (echtem Mantel) angelegt wird, folglich etwas ganz Anderes als der letztere ist. Der Mantel der Cephalopoden ist am besten dem Mantel der Brachiopo- den zu vergleichen.

456 B. Ulianin,

mehr oder weniger entwickelte Schalengrube, während das Produkt dieser Grube die Schale fehlt.

Das Vorhandensein einer Schalengrube bei allen etwas sorgfältig auf ihre Entwicklung untersuchten Mollusken wird mit vollem Rechte als ein Beweis für die gemeinsame Abstammung dieser Thiere gehalten!. Die Schalengrube giebt auch gute Hinweise über die Aufeinanderfolge in der Entstehung einzelner Glieder der Klasse der Mollusken. In denFällen, wo die Schale im Inneren des ausgewachsenen Tbieres liegt (Gephalopoda decapoda z. B.), schließt sich die Schalengrube schon sehr früh und die Schale wird von dem Epithelium der vom Ektoderm abgeschnürten Schalenhöhle secernirt. Schon bei den den Decapoden nahe stehenden Cephalopoda octopoda, die einer inneren Schale entbehren, bleibt die Schalengrube ungeschlossen und dient als Zeuge der nahen Verwandt- schaft der beiden Gruppen. Bei den übrigen Mollusken wird die Schale im Inneren der Schalengrube nur in pathologischen Fällen secernirt; in der Regel wird die Schale von einem verdickten Theile des Ektoderms ausgeschieden, der in einigen Fällen temporär vor der Abscheidung der Schale eingestülpt sein kann. Offenbar ist diese Einstülpung des Ekto- derms, die in gar keinem Zusammenhange mit der Bildung der Schale steht, als ein von Formen mit innerer Schale ererbter Vorgang anzusehen.

Wenn man gezwungen ist, die Schalengrube der Mollusken als ein für die Thiere dieser Klasse sehr charakteristisches Gebilde anzusehen und sie als einen kostbaren Zeugen der Aufeinanderfolge der Entwick- lung der einzelnen Glieder der Klasse zu betrachten, so ist kein Grund, diese Bedeutung demselben Gebilde bei den Arthropoden abzusprechen. Das Vorhandensein der Schalengrube bei den Arthropoden ist demnach ein sicherer Beweis, dass die Arthropoden und Mollusken sich aus einem gemeinsamen Stamme entwickelt haben. Die Anatomie der Arthropoden und Mollusken giebt auch, wie bekannt, manche Winke, die für die Ver- wandtschaft der beiden Klassen sprechen.

Alles Gesagte führt zu diesem feststehenden Schlusse. Für weitere, mehr in die Einzelheiten eingehende Schlüsse, erweisen sich aber die Thatsachen noch als viel zu mangelhaft. Wir können desswegen nur ganz muthmaßlich über den Grad der Verwandtschaft der Arthropoden

1 Einer entgegengesetzten Meinung ist nur H. v. IaErıng (Vergleichende Ana- tomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken. Leipzig 1877), der in der Schalengrube und der Schale keinen Beweis für die phylogenetische Einheit des Molluskenstammes sehen will. Ich kann nur den Einwänden, die gegen eine solche Anschauung von BosrETZKY (Untersuchungen über die Entwicklung d. Cephalopoden. 4877. p. 64), Huxtey (Grundzüge der Anatomie der wirbellosen Thiere. Deutsch von

Dr. SpEnGEL. 4878. p. 595) und GEGENBAUR (Grundriss der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. 4878) ausgesprochen Sind, beistimmen.

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 457

mit den Mollusken reden; wir können nur vermuthen, dass die Form, aus der die Arthropoden- und Molluskenstämme sich entwickelt haben, aus einer Anzahl unter einander gleichen Metameren bestand, dass diese Form mit einer dorsal gelegenen inneren Schale versehen war, ein Rückengefäß, einen am hinteren Körperende sich öffnenden Darmkanal und ein aus einem Schlundring und einer Bauchnervenkette bestehen- des Nervensystem besaß. Von den in unserer Zeit lebenden Formen stehen dieser hypothetischen Form am nächsten die sogenannten Placo- phoren (Chitonen), bei denen die Gliederung des Leibes in eine Anzahl von Metameren noch klar ausgeprägt geblieben ist, von der inneren Schale aber, wie es scheint, nur die unbedeutendsten Reste geblieben sind!. Da zum Aufbau aller dieser Betrachtungen der Grund zur Zeit noch viel zu unsicher ist, so glaube ich besser zu thun, sie nicht weiter zu führen; ich begnüge mich damit die Blutverwandtschaft der Arthro- poden mit den Mollusken festzustellen und gehe zur Schilderung der wenigen Beobachtungen über, die ich über die Anlage des Ento- derms gesammelt habe.

Während, wie oben gezeigt wurde, sich schon sehr früh die zwei oberen Keimblätter im Eie der Orchestien differenziren, erscheint die erste Anlage des Entoderms verhältnismäßig sehr spät. Dieses Anlegen des Entoderms geschieht nämlich zu der Zeit, wo das Ektoderm schon um die ganze Oberfläche des Eies gewachsen ist und das kugelförmige Organ am Rücken des Embryo, der von der Cuticularhaut umhüllt ist, seinen definitiven Platz eingenommen hat. Da diese späteren Stadien, wie gesagt, nur äußerst schwer zur Erhärtung gebracht werden können und mir nur wenige brauchbare Schnitte aus diesen Stadien gelungen sind, so konnte ich auch nicht der Bildung des Entoderms Schritt für Schritt folgen. Trotzdem aber, dass mir nur ganz vereinzelte Beob- achtungen über die Bildung des Entoderms zu machen gelungen ist, stehe ich nicht an, diese dürftigen Thatsachen mitzutheilen in der Hoff- nung, dass sie den späteren Beobachtern vielleicht auch der Beachtung werth erscheinen werden. |

Zu der Zeit, wo das kugelförmige Organ seine Lage am Rücken des Embryo erlangt hat, und der ganze Embryo von einem feinen Cuticular- häutchen umhüllt ist, beginnt der gefärbte Nahrungsdotter sich in Dotter- schollen von verschiedener Größe und Form zu theilen. Diese Dotier-

1 Für eine äußerst rudimentäre Schalengrube muss man, wie mir scheint, das stark entwickelte Cylinderepithel deuten, aus dem KowALevsky zufolge der Rücken des Chiton-Embryo besteht. Nach KowALevsky sollen die Zellen dieses Epithels an ähnliche Zellen des Mantels (der Schalengrube) der anderen Mollusken-Embryonen erinnern (Zool. Anzeiger. II. Jahrg. p. 473).

458 | Bo lnun

schollen erhalten sich aber nur sehr kurze Zeit: bald werden sie wieder völlig unsichtbar.

Auf wenigen Schnitten, die mir aus solchen späteren Stadien ge- lungen sind, sieht man, dass ähnlich wie bei manchen anderen Arthro- poden das Zerfallen des Nahrungsdotters in Dotterschollen vom Eindringen von Zellen in den Dotter herrührt. Auf denselben Schnitten sieht man auch, dass das Zerfallen des Dotters in Dotterschollen in der Nähe des kugelförmigen Organes anfängt (Fig. 17) und von diesem Punkte wie von einem Centrum durch den ganzen Nahrungsdotter sich verbreitet. Diese Schnitte führen mich zu der Annahme, dass es äußerst wahrscheinlich ist, dass die Zellen, die in die Dottermasse eindringen und den Zerfall des Dotters in Dotterschollen hervorrufen, von den Zellen des kugelförmigen Organes abstammen. Vorausgesetzt dass bei den Orchestien, ähnlich dem, was bei anderen Crustaceen beobachtet wurde, die das Zerfallen des Dotters in Dotterschollen hervorrufenden Zellen zum Aufbaue des Mitteldarmes verbraucht werden, nimmt das Entoderm seinen Ursprung von den Zellen des kugelförmigen Organes.

Erwiese sich die Vorstellung, welche ich mir von dem Processe der Entodermbildung mache, als eine richtige, so würde bei den Orchestien die Bildung des Mitteldarmes eine ziemlich eigenartige sein. Die Unter- schiede aber, die zwischen der soeben geschilderten Bildung des Ento- derms und der bei anderen Arthropoden beobachtet sind, scheinen mir keine große Bedeutung zu haben: nach dem, was wir über die Bildung der Keimblätter bei verschiedenen Thieren wissen, trifft man hier sogar bei nahe verwandten Thieren ziemlich große Verschiedenheiten. Wir wissen z. B., dass im Kreise der Arthropoden das Entoderm bei den Crustaceen fast gleichzeitig mit dem Mesoderm angelegt wird, während bei den Insekten (Seidenwurm) das Entoderm viel später als das Meso- derm sich differenzirt 1; eine sehr verspätete Differenzirung des Ento- derms wurde, wie bekannt, auch bei den Gephalopoden beobachtet. Die Ungleichzeitigkeit der Differenzirung der beiden unteren Keimblätter bei den Orchestien kann darum uns auch nicht befremden. Ähnlich wie bei anderen Crustaceen entsteht bei den Orchestien das Mesoderm dureh Zersplitierung des Blastoderms, während das Entoderm aus vom Ektoderm abstammenden und in den Dotter einwandernden Zellen zu- sammengesetzt wird. Die Thatsache, dass die in den Dotter einwan- dernden Zellen von den Zellen des kugelförmigen Organes abstammen, kann uns auch nicht sehr befremden : das kugelförmige Organ ist, wie

1 TicHonIRorF, Über Entwicklungsgeschichte des Seidenwurms (Zool. Anzeiger. Il. Jahrg. p. 65).

Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. 459

oben gezeigt wurde, ein ererbtes verkümmertes Organ, das seine frühere Bestimmung mit der Zeit verloren hat und dem im Laufe der Zeit neue Funktionen bei der Bildung des Entoderms aufgelegt wurden.

Moskau, November 1880.

Erklärung der Abbildungen.

Für alle Figuren gelten folgende Bezeichnungen:

az, amöboide Zellen; ec, Ektoderm; biz, Biastodermzellen ; f, Dotterfurchen; blz’, in der Theilung begriffene Blasto- k, vom Protoplasma umhüllte Kerne der dermzellen ; Dotterschollen ; ch, Chorion; ms, Mesoderm ; d, Nahrungsdotter; Lh, Larvenhaut; ds, Dotterschollen; schg, Schalengrube. Tafel XXIV.

Fig. 1. Zweigetheiltes Orchestia-Ei.

Fig. 2. Viergetheiltes Orchestia-Ei. Vier große amöboide Zellen sind auf die Oberfläche der Furchungskugeln herausgetreten.

Fig. 3. Die vier amöboiden Zellen haben sich auf acht vermehrt. Vier von den Zellen sind klein, die anderen vier groß.

Fig, 4. Stadium mit sechzehn amöboiden Zellen, von denen acht groß und die anderen acht klein sind.

Fig. 5. Stadium mit zweiunddreißig amöboiden Zellen, von denen sechzehn groß, die anderen sechzehn klein sind.

Fig. 6. Die kleinen amöboiden Zellen der inneren (unteren) Reihe haben sich schon zu ruhenden Blastodermzellen umgewandelt; in den kleinen Zellen der zwei- ten Reihe gehen Vorbereitungen zur Theilung vor sich.

Fig. 7. Die Zahl der ruhenden Blastodermzellen ist stark auf Kosten der zweiten Reihe der kleinen amöboiden Zellen gewachsen; in den großen amöboiden Zellen der inneren (unteren) Reihe gehen Vorbereitungen zur Theilung vor sich.

Fig. 8. Zur Bildung der Keimscheibe sind schon die großen amöboiden Zellen der inneren (unteren) Reihe verbraucht.

Fig. 9. Alle amöboiden Zellen sind schon zur Bildung des Blastoderms ver- braucht. Erste Anlage des sogenannten Mikropylenapparates.

Fig. 10. Der ganze Nahrungsdotter ist von dem Blastoderm umwachsen. Der Mikropylenapparat hat seine definitive Lage am Rücken des Embryo erreicht.

In den Figuren 4—A0 ist das Chorion nicht abgebildet.

Fig. 14. Ein viel weiter entwickelter Embryo um die gelb-bräunlich gefärbte Flüssigkeit, die sich zwischen dem Embryo und der Cuticularhaut sammelt, zu zeigen.

Fig. 12. Theil eines Schnittes durch ein viergetheiltes Ei, in welchem die amö- boiden Zellen noch nicht auf der Oberfläche der Furchungskugeln angelangt sind.

460 B. Ulianin, Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden.

Fig. 43. Bildung der Mesodermzellen durch Theilung der Blastodermzellen. Der Schnitt wurde von einem etwas jüngeren als in der Fig. 8 dargestellten Ei ge- nommen.

Fig. 44. Weitere Entwicklung des Mesoderms. Der Schnitt wurde von einem etwas älteren als in der Fig. 8 dargestellten Ei genommen.

Fig. 45. Schnitt durch ein Ei, das ungefähr in dem Fig. 6 abgebildeten Stadium ist. Auf dem Schnitte sieht man die Dotterspalten, die amöboiden Zellen, so wie die zuerst angelegten ruhenden Blastodermzellen.

Fig. 16. Schnitt durch ein in dem Stadium Fig. 9 sich befindendes Ei. Der Schnitt geht durch die Anlage des sogenannten Mikropylenapparates.

Fig. 17, Querschnitt eines Embryo ungefähr vom Stadium der Fig. 14. Der Schnitt ist durch den Mikropylenapparat geführt.

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. Von

Dr. med. et phil. Paul Fraisse.

Mit Tafel XXV und XXVl.

Unter den Sinnesorganen erfreuten sich in letzter Zeit besonders die Augen der Aufmerksamkeit der Forscher.

Man fand Augen bei wirbellosen Thieren vom Typus der Wirbel- thieraugen (SEemper) und an der Bauchseite verschiedener Fische solche Organe, die nach dem Typus der Augen bei Wirbellosen gebaut waren (LEUCKART, Ussow, LEvDiIg).

Alle diese Augen sind jedoch, jedes in seiner Art, gut ausgebildet und repräsentiren einen bestimmten Typus, der, wenn auch bei den erwähnten Thieren abnorm und höchst auffallend, doch bei einer ande- ren Thiergruppe zur Regel geworden ist.

Anders ist dies bei einigen Augen von Seeschnecken, deren Unter- suchung mich schon vor längerer Zeit auf dem zoologisch-zootomischen Institute zu Würzburg beschäftigte und deren Bau so abweichend ist, dass sie das Interesse der Fachgenossen jedenfalls in Anspruch nehmen werden, da an ihnen die phylogenetische Entstehung des Sehorgans in fast schematischer Weise erkannt werden kann.

I. Das Auge von Patella.

Bei Patella coerulea (var. fragilis) aus dem Hafen von Mahon und bei einer kleineren Varietät derselben Species von Neapel finden sich am unteren Ende der zusammengezogenen Tentakel, nicht weit von deren Basis auf dem am meisten hervorragenden Theil der konvexen Seite, kleine schwarze Pünktchen, die sich trotz ihrer geringen Größe an gut konservirten Spiritusexemplaren deutlich erkennen lassen.

Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 34

462 Paul Fraisse,

Diese Pünktchen wurden von jeher für Augen gehalten, so dass in allen Lehrbüchern zu finden ist, dass Patella Augen besitzt; ihr anato- mischer Bau ist dagegen bisher völlig unbekannt geblieben.

Von einem besonderen Augenträger (OÖmmatophor) ist nichts zu be- merken, auch nicht von einer Verwachsung eines solchen mit den Ten- takeln selbst. ;

Zur näheren Untersuchung führte ich sehr dünne Schnitte durch den isolirten Tentakel nach den verschiedensten Richtungen. Am besten traf ich die Augen auf Querschnitten, die senkrecht zur Mittellinie des Thieres gestellt waren; besonders instruktiv war eine Schnittserie, die durch die mit dem Kopf in Zusammenhang gebliebenen Fühler eines kleinen Exemplars von Patella coerulea gelegt war.

Das Auge (Fig. 1) erscheint hier als eine kleine 0,12 mm im Durch- messer haltende Blase, deren Form etwas länglich ausgezogen oder seit- lich komprimirt ist, so dass der Längsdurchmesser den Querdurchmesser etwas übertrifft. Die Epithel- oder einschichtigen Epidermiszellen gehen direkt in die Zellen der Retina über und lassen den Follikel an der oberen Seite 0,05—0,09 mm weit offen.

Die Epithelzellen haben am Tentakel einen Längsdurchmesser von 0,05 mm und eine Breite von 0,008 mm. Dieselben verschmälern sich gegen das Auge zu, werden auch etwas kürzer, stehen gedrängter und gehen dann ganz allmählich in die Zellen der Retina über, welche eine durchschnittliche Länge von 0,04 mm und eine Breite von 0,002 mm haben; die Zellen sind am längsten an der Basis des Auges und ver- kürzen sich, indem sie in die Zellen des Epithels übergehen. Am vor- deren Ende sind sie stark pigmentirt, während die hintere Seite mit den etwas länglichen und 0,004 mm großen Kernen frei von Pigment ist.

Die Pigmentansammlung ist am stärksten in den der Öffnung des Auges gegenüberliegenden Zellen und verliert sich allmählich in den die Öffnung umgebenden.

Vor der von einer scharfen Linie umgrenzten Pigmentschicht findet sich noch ein kleiner nicht pigmentirter Rand, den ich am liebsten als Cuticularsaum auffassen möchte, und auf dem kleine Fäserchen vorzu- kommen scheinen, deren Struktur jedoch an konservirten Exemplaren nicht genau zu erkennen ist. |

Sicher ist, dass die ganze das Auge bildende Zellschicht nur aus einer einzigen Lage dünner, schlanker Zellen besteht, deren oberer Theil von schwarzem, nach oben scharf begrenzten Pigment eingenommen wird, und die alle als gleichartig angesehen werden müssen.

Bei Weitem am auffallendsten muss erscheinen, dass ein eigentlicher N. Opticus fehlt. Wenn auch einzelne Nervenfasern herantreten mögen,

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 463

deren Darstellungsweise mir übrigens durchaus nicht gelungen ist, so lässt sich doch auf keinem meiner Präparate auch nur eine Spur des erstgenannten Nerven entdecken.

Man kann auf Querschnitten durch den ganzen Fühler deutlich den

Fühlernerven vom Ganglion an verfolgen, nie aber von ihm oder vom Ganglion cephalicum zum Auge abgehende Zweige oder direkt dorthin verlaufende Nervenstämme auffinden. Eben so auffallend ist der Mangel einer Linse und eines Glaskörpers, da sich keine Spur solcher Gebilde nachweisen lässt, wenn man nicht etwa den oberen unpigmentirten Theil der Zellen als das Rudiment einer Linse auffassen will. Sehr konstant scheint mir dagegen bei Patella coerulea eine Hautfalte an der unteren Seite der Augenöffnung zu sein, welche besonders muskulös gebaut, den Thieren zum Schutz dieses subtilen Organs dient, und vielleicht als erster Beginn eines Augenlides aufgefasst werden könnte.

Bemerkenswerth erscheint ferner die verschiedene Größe und ver- schiedenartige Ausbildung dieses sonderbar gebauten Organes. Selbst bei demselben Thier wurde das eine Auge gut ausgebildet und in der angegebenen Größe gefunden, während das andere uw kleiner und viel weniger stark pigmentirt war.

So hätten wir denn ein Gebilde vor uns, das in keiner Weise als Auge gedeutet werden könnte, dessen Bau wenigstens von dem der bis- her bekannten lichtempfindenden Organe so bedeutend abweicht!, dass man es kaum für ein derartiges Sinnesorgan halten dürfte, wenn nicht die Entwicklungsgeschichte uns eine gewisse Erklärung geben würde.

Wie wir schon durch frühere private Mittheilungen des Herrn Professor Semper und die vor Kurzem erschienene Arbeit meines Freun- des J. Carrıire?2, der die hauptsächlichsten Punkte derselben auf der Naturforscherversammlung in Baden-Baden darlegte, ersehen haben, bildet sich das Auge bei Schneckenembryonen durch eine Einstülpung der Epidermis.

In ganz frühen Stadien ist diese Einstülpung nach oben offen, wäh- rend sich später der Follikel völlig abschnürt. Die Retinazellen mit ihrem Pigment gehen aus dem Ektoderm hervor und sind nichts als um- gewandelte Epidermiszellen.

Nachdem das Auge mit allen seinen typischen Theilen so gut wie vollkommen ausgebildet ist, tritt erst eine Verbindung des inzwischen

1 Das Auge von Nautilus ist wenigstens mit deutlich erkennbaren Nerven aus- gestattet.

? Studien über die Regenerationserscheinungen bei den Wirbellosen, I. Die Regeneration bei den Pulmonaten. Würzburg, STAUDINGER, 1880.

31 *

464 Paul Fraisse,

aus dem Gehirn hervorgewachsenen Nervus opticus mit den Retina- zellen ein.

Man findet beim embryonalen Auge ein Stadium, in welchem es dem eben von Patella beschriebenen Organ fast gleich ist!. Die Blase hat sich noch nicht völlig geschlossen, die Epidermiszellen sind schon zum Theil in Retinazellen umgewandelt und stellenweise pigmentirt, während von Nerv und Linse noch nichts zu entdecken ist.

Es fragt sich nun, ob wir berechtigt sind, ein auf so niedriger Stufe der Entwickelung stehen gebliebenes Gebilde als Auge aufzufassen, da ja der leitende Apparat, der die Lichtempfindungen dem Gehirn über- mitteln soll, hier fehlt.

Morphologisch dürfen wir es sicher thun, denn die Vergleichung _ mit dem embryonalen Auge der Landpulmonaten berechtigt uns dazu; ob aber die physiologische Funktion dieselbe ist wie bei den gleichen Organen anderer Thiere, wissen wir nicht.

Berücksichtigen wir das, was wir über die Funktionen des leben- den Protoplasma’s der Zelle wissen, so sehen wir, dass eine gewisse Licht- empfindung schon den Protozoen nicht abzusprechen ist.

Dieselbe Empfindung, die dem Protoplasma dieser niedrigsten Or- ganismen zukommt, wird den amöboiden, also völlig lebens- und pro- liferationsfähigen Zellen des höher organisirten Thierkörpers nicht fehlen. In hohem Maße sind nun die Zellen der Epidermis bei Wirbelthieren und Wirbellosen bildungs- und umwandlungsfähig, ja aus ihnen allein entstehen die hauptsächlichsten Theile aller Sinnesorgane.

Ich glaube desshalb wohl, dass diese Zellen, die sich in der glei- chen Weise wie beim Embryo der Pulmonaten zu einem Follikel ein- stülpen und ihr Protoplasma nur zum Theil in Pigment umwandeln, wohl im Stande sind, jede für sich einen Lichteindruck zu empfangen.

Wie diese verschiedenen Eindrücke dann allerdings gesammelt und dem Gehirn übermittelt werden mögen, steht dahin; ob das Thier also mit diesen rudimentären Organen wirklich sieht, wissen wir nicht, wir wissen dies aber auch nicht von denjenigen Schnecken, deren Augen einen Nerv haben, sondern wir vermuthen es bloß.

II. Das Auge von Haliotis.

Von seiner philippinischen Reise brachte Professor SEMPER in seiner reichhaltigen Sammlung mikroskopischer Präparate Augen von Haliotis asinina mit, welche offen waren. Seit vielen Jahren wurden dieselben

1 CARRIERE, 1. c. Taf. I, Fig. 43 b.

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 465

in dem Kolleg über allgemeine Zoologie demonstrirt, aber Niemand hatte bisher die Verhältnisse bei verwandten Mollusken einer näheren Prüfung unterzogen.

Die Untersuchung dieser eigenthümlich gebauten Organe führte mich zunächst zur Entdeckung des offenen Patella-Auges. Als ich zur Vergleichung die Augen von Haliotis heranziehen musste, gestattete mir mein verehrter Lehrer die Bearbeitung seines gesammelten Materials.

Obwohl dasselbe nur in Spiritus konservirt war, ließ es dennoch eine genaue Untersuchung der Gewebe zu.

Besser jedoch zeigten sich die feineren Verhältnisse bei den mit Chromsäure behandelten Augen von Haliotis tuberculata aus dem Mittel- . meer, die meiner Darstellung zunächst zu Grunde liegen werden.

Das Material hatte ich zum Theil selbst auf den Balearen im Hafen von Mahon gesammelt, zum Theil ließ ich es konservirt aus Neapel kommen; die besten Augen erhielt ich jedoch von Herrn Dr. v. Kenner, der dieselben persönlich in Neapel konservirt hatte. Ausgezeichnete Präparate gaben besonders diejenigen Thiere, welche in Chromsäure ab- getödtet wurden, der einige Tropfen einer Aprocentigen Überosmium- säurelösung zugesetzt waren.

Die Augen von Haliotis tuberculata sind so groß, dass man sie leicht schon am lebenden Thier erkennen kann; sie stehen unterhalb der großen Tentakel auf besonderen Augenträgern, welche ausgestreckt und eingezogen werden können. Wenn der letztere Fall eintritt, wird das Auge jedoch nie verdeckt, wie dies bei den Landpulmonaten und den Rückenaugen der Onchidien der Fall ist, sondern bleibt an der Spitze des Ommatophors.

An gut konservirten Sehorganen bemerkt man schon mit unbe- wafinetem Auge eine kleine Einsenkung des Augenträgers, welche mit einer graulichen Masse ausgefüllt ist, unter welcher das schwarze Pig- ment des Auges kugelförmig bindurchschimmert. Auf gut geführten Schnitten, die der kleinen Elemente wegen außerordentlich dünn sein müssen, sieht man nun, dass auch das Auge von Haliotis aus einem offenen Becher besteht, welcher aber von dem aus einer sulzigen Masse gebildeten Glaskörper ausgefüllt ist.

Das Auge von Haliotis tuberculata hat einen Längsdurchmesser von 0,67 mm und eine Breite von 1,0 mm. Die Öffnung ist durchschnitt- lich 0,07 mm breit. |

Die cylinderförmigen Zellen der Epidermis gehen in derselben Weise, wie bei Patella, direkt in die langen, schmalen Zellen der Retina über, nur tritt das Pigment noch näher an die Öffnung des Augenbechers heran, wie bei dem erstgenannten Mollusk.

466 Ä ‚Paul Fraisse,

Die Retinazellen sind alle von gleicher Natur, die vorderen jedoch kürzer als die am Fundus stehenden und in Folge dessen auch nicht so unverhältnismäßig schmal.

Die Länge der Zellen variirt zwischen 0, 08 und 0,04 mm; die die Öffnung umgebenden Zellen sind jedoch bone kürzen

Letztere sind fast ganz von Pigment erfüllt, so dass keine Kerne in ihnen erkannt werden können. Je mehr sich jedoch die Zellen der Re- tina den gewöhnlichen Epidermiszellen nähern, desto deutlicher treten wiederum die Kerne zu Tage.

Die Zellen sind alle außerordentlich schmal, nämlich nur 0,002 bis höchstens 0,004 mm breit, und erreichen diesen Durchmesser auch nur an den Stellen, an denen die Kerne liegen, welche denselben Durch- messer besitzen. Sonst sind sie vollständig fadenförmig und so dicht an einander gedrängt, dass man die Retina mit einem außerordentlich feinen Kamme vergleichen könnte. Da die Kerne nicht auf gleicher Höhe liegen, sondern ganz unregelmäßig in dem letzten unpigmentirten Drittel vertheilt sind, so kann man leicht zu der falschen Ansicht kommen, dass in den einzelnen Zellen mehrere Kerne vorhanden seien. Selbst auf so außerordentlich dünnen Schnitten, wie man sie jetzt mit Hilfe des Schlittenmikrotomes und des Lone’schen Messers anzufertigen im Stande ist, an denen man nur eine einzige Zellenlage unter dem Mikro- skop zu betrachten hat, ist man der Gefahr dieser Täuschung ausge- setzt. Da nun GrABEr neuerdings in den Retinazellen einiger Anne- liden mehrere Kerne gefunden haben will, so lag die Annahme, dass auch bei unserer Haliotis mehrere Kerne in den Zellen vorhanden seien, sehr nahe. Als es mir jedoch gelang, einen sehr dünnen Schnitt (circa 1/10 mm), der die Zellen gerade in ihrer ganzen Länge zeigte, unter dem Mikroskope durch leichtes Auftupfen auf das Deckgläschen in der Weise zu zerquetschen , dass wenigstens einige Retinazellen gut isolirt wurden, erkannte ich ganz unzweifelhaft, dass jeder Zelle nur ein Kern zukommt, der etwas länglich gestaltet und von fast homogenem Inhalte oftmals sogar bis in die Pigmentschicht hineinreicht. Das Pigment nimmt fast zwei Dritttheile der Zelle ein und schließt nach vorn mit einem scharfen Saume gegen die Linse zu ab, zugleich das Ende der Zellen bildend.

Ich habe behauptet, dass die Zellen der Retina alle gleichartig seien, und glaube zu dieser Behauptung durchaus berechtigt zu sein, obwohl man sich durch den ersten Blick auf ein günstiges Präparat fast vom Gegentheil überzeugt halten könnte. Die Zellen liegen nämlich, wie schon gesagt, so dicht gedrängt, dass leicht die mannigfaltigsten Ver- schiebungen und Quetschungen eintreten, welche dann wieder eine ab-

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 467

weichende Form einzelner Zellen zur Folge haben. Keine dieser Formen ist jedoch konstant, und wenn in Fig. 11 die Zellen ihren Kern in der Mitte und in Folge dessen auch eine bauchige Auftreibung in der Mitte haben, die Zelle c dagegen kolbenförmig ist, da ihr Kern sehr weit nach unten sieht, so lässt sich dadurch noch nicht auf eine innere Ver- schiedenheit dieser Zellen schließen ; ihre Form kann ganz einfach durch die mechanischen Wachsthumsverhältnisse erklärt werden.

Auf keinen Fall lassen sich in diesem Auge so difficile Verhältnisse erkennen, wie sie von HEnsen bei Pteroceras und in den Augen einiger Gephalopoden aufgefunden sind, vielmehr bietet die Retina ein fast sche- matisch einfaches Bild.

Von einer Nervenschicht in dem letzten Drittel der Retinazellen kann ich ebenfalls nichts erkennen und die Basalmembran ist überflüs- sig, da die Enden der Zellen in höchst charakteristischer Weise, wie wir sogleich sehen werden, von Nervenfasern und Ganglien umgeben sind.

Bevor ich jedoch zu diesen Verhältnissen übergehe, möchte ich einen Punkt berühren, welchen ich nicht völlig aufklären konnte, da es mir nicht möglich war, lebendes Material zu beschaffen. Eshandelt sich näm- lich um die Anwesenheit von Stäbchen oder stäbchenähnlichen Gebilden.

Die Linse besteht, wie ich schon oben erwähnte, aus einer gallert- artigen Substanz, welche im Leben glashell ist, im Tode sich jedoch trübt und je nach der Behandlung mit verschiedenen Reagentien in der verschiedenartigsten Form gerinnen kann. Bei den Chromsäurepräpa- raten ist sie gewöhnlich faserig und blasig geronnen, und zwar in der Weise, dass, wie ich es in Fig. 2 dargestellt habe, die Fasern radiär nach der Retina zu verlaufen. Der an der Öffnung liegende Theil ist leicht konvex abgerundet und schließt dieselbe vollständig ab.

Je mehr sich nun die einzelnen Fäden der Retina nähern, desto feiner werden sie und schließlich ragen sie in der Weise an die Retina- zellen heran, dass ein kleiner konischer Zwischenraum zwischen ihnen bleibt, welcher etwa der Breite einer einzelnen Zelle entspricht. Da die Linse sich bei der angegebenen Behandlung mit Pikrokarmin gelblich

färbt, so sind diese Verhältnisse sehr genau zu erkennen.

Hier tritt vor Allem die Frage ein, welche ich vorläufig der Zukunft zur Entscheidung lassen muss, ob nämlich diese konischen, von der Sub- stanz der Linse umgebenen glasigen Theilchen, welche dem oberen Ende der Retinazellen aufsitzen, als Stäbchen aufzufassen sind, oder nicht.

Mir gelang es bei der angegebenen Quetschmethode nicht, Genaues zu erkennen, es kann nur die Untersuchung des frischen Materials Ent- scheidendes zu Tage fördern.

468 Paul Fraisse,

Eine ganz besondere Eigenthümlichkeit des Haliotisauges ist däs Verhalten des Nervus opticus.

Der sehr stark ausgebildete Nervenstrang geht vom Gehirn ab und tritt, indem er sich kurz vor dem Auge theilt, in mehreren Ästen än dasselbe heran.

Meistens sind es drei Zweige, oft auch nur zwei; ihre Zahl ist also durchaus nicht konstant.

Vor dem Auge breiten sich nun diese Nervenäste in der Weise aus, dass sie das ganze Auge umfassen und direkt mit den Enden der Retina- zellen in Verbindung treten, so dass diese in den Nerv wie in ein Polster eingesenkt sind. Der Opticus hat schon eine beträchtliche Dicke, 0,05 mm, und führt eine große Anzahl von Ganglienzellen, die Ansamm- lung derselben in der Umgebung des Auges ist jedoch eine noch bedeu- tend größere.

Während man an der Peripherie des. querdurchschnittenen Opticus nur kleine Ganglienzellen in großer Anzahl erkennt, treten in den gan- glionären Anschwellungen, welche den Bulbus umfassen, auch größere Zellen auf, welche die kleinen etwa um den dreifachen Durchmesser übertreffen. Diese sind vereinzelt an dem ganzen Rande hin gelagert und stets von einer Anzahl kleinerer Ganglienzellen umgeben.

Der Nervus opticus sowohl wie die erwähnten Anschwellungen desselben sind von einer ziemlich starken bindegewebigen Hülle um- geben, welche mit vielen kleinen Bindegewebskörperchen versehen ist.

In der Mitte finden sich nur Nervenfasern ohne Kerne, die Gan-' glienzellen sind, wie schon erwähnt, alle randständig. Einen Central- kanal konnte ich nicht wahrnehmen.

Dass der Opticus viele Ganglienzellen führt, steht im Widerspruch zu der Betrachtung Sınroru' si, welcher bei den einheimischen Gastro- poden gefunden hat, dass der Opticus im Gegensatz zum Fühlernerven völlig von Ganglienzellen frei ist. Dagegen findet diese Thatsache eine auffallende Analogie bei den Cephalopoden 2 und Heteropoden, hinter deren Auge ja ein oft außerordentlich bedeutendes Ganglion auftritt. Ich habe mich absichtlich davor gehütet, die Bezeichnung Ganglion für diese eigenthümliche Nervenbildung an dem Haliotisauge anzuwenden. Es handelt sich meiner Ansicht nach hier nur um eine außergewöhn- lich umfangreiche Ausdehnung des Sehnerven und nicht um ein eigent-

! Über die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Weichthiere. Diese Zeit- schrift. Bd. XXVI. p. 244.

2 Hensen, Über das Auge einiger Cephalopoden. Diese Zeitschrift. Bd, XV. Taf. XI.

3 cf. die Arbeiten von LEUCKART, GEGENBAUR und HENSEN. #

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 469

liches Ganglion. Es zwingt mich hierzu die Vergleichung der feineren Struktur, welche bei beiden Theilen bis auf die vorher erwähnten großen Ganglienzellen völlig identisch ist. Außerdem erhalte ich durch die Kombination guter Querschnittserien den Eindruck, als wenn der Sehnerv sich in gehirnartigen Windungen um das Auge herum- este, ohne sich an irgend einer Stelle zu unterbrechen. Aus diesen Gründen wähle ich lieber die etwas schwülstige Bezeich- nung »ganglionäre Anschwellung«, als das nicht ganz zutreffende Wort » Ganglion «.

Was den ferneren anatomischen Bau des Auges und seiner Um- gebung betrifit, so finde ich nichts, was ich den weiteren typischen Theilen höher organisirter Augen als analog an die Seite stellen könnte.

Das Haliotisauge liegt einfach in lockerem Bindegewebe, welches hier dieselbe Struktur hat wie an anderen Theilen des Körpers; von einer Sclera und anderen das Auge umgebenden Häuten ist hier keine Spur zu entdecken.

Im Großen und Ganzen sind die hier vom Auge der Haliotis tuber- culata geschilderten Verhältnisse auch auf das Auge von Haliotis asinina, bei welcher Species Semper zuerst die offene Becherform erkannte, zu übertragen.

Der Durchmesser der Augen von H. asinina beträgt nach den Srnm- per’schen Präparaten 2,0 mm; die Gestalt derselben ist fast kugelrund, die Öffnung aber nicht größer wie bei H. tuberculata.

Auch hier windet sich der Opticus, nachdem er sich kurz vor dem Bulbus in mehrere Äste getheilt hat, in vielfachen Schlingen um das Auge herum, hier und da Anschwellungen bildend, die den Durchmesser der ursprünglichen Nerven um das Doppelte übertreffen.

Die Zellen der Retina sind 0,13 mm lang und ebenfalls ganz außer- ordentlich schmal ; die obersten zwei Drititheile sind von schwarzem, feinkörnigem Pigment angefüllt, welches hier aber nicht mit einem scharfen Grenzsaume endigt, sondern vielfach Fortsätze noch in die Linse hinein aussendet.

Kerne habe ich an den ungefärbten Präparaten nicht deutlich er- kennen können, zweifle jedoch nicht daran, dass sie in ähnlicher Weise angeordnet sein werden, wie bei H. tuberculata. Neben dem schwarzen Pigment, welches den oberen Theil der Retinazellen einnimmt, finden sich häufig noch größere braune Pigmentkörnchen und Haufen in dem untern Theil dieser Zellen, so dass oftmals die Retina völlig dunkel er- scheint.

Über die stäbchenartigen Fortsätze der Retinazellen konnte ich auch bei H. asinina nicht recht ins Klare kommen. Es ist zwar ein Saum

470 Paul Fraisse,

vorhanden, der, 0,12 mm breit, über der ganzen Retinaschicht liegt und eine faserige Struktur zeigt, so dass man sehr an die von Horrmann! be- schriebenen Stäbchen im Auge von Nautilus erinnert wird; ich halte dieselben eher für den untersten in dieser eigenthümlich streifigen Weise geronnenen Theil der Linse, als für Stäbchenfortsätze.

Der mittlere Theil der Linse ist wiederum blasig geronnen, die Öffnung der Blase wird durch dieselbe wie von einem Pfropf vollständig ausgefüllt.

Eigenthümlich ist es, dass mitunter mitten in der Linse Pigment- flecke vorkommen, welche jedoch wahrscheinlich durch die Konser- virungsmethode dorthin geschwemmte Theile des Retinapigmentes sind.

Eine Umhüllungsmembran ist hier eben so wenig vorhanden wie bei H. tuberculata.

III. Das Auge von Fissurella.

Wie wunderbar verschieden oft die anatomischen Verhältnisse nahe verwandter Thiere sein können, davon giebt das jetzt zu betrachtende Sinnesorgan ein recht frappantes Beispiel.

Bei Fissurella und zwar F. rosea fand Brren ? schon im Jahr 1867 eben so wie bei Margerita grönlandica eine Öffnung im Bulbus, durch welche man zum freiliegenden Glaskörper gelangen konnte. |

i Über die Stäbchen in der Retina des Nautilus. Niederl. Archiv für Zoologie. Bd. 1. p. 180. Taf. XIII, Fig. A b.

2 Phidiana lynceus og Ismaila monstrosa ved. Ruv. Bercn (Videnskabelige Med- delelser fra den naturhistoriske Forening i Kjobenhavn for Aaret. 1866. Nr. 7—9, p. 140. Anm. Det virkelige Öie sees hos Margariterne (M. grönlandica, Ch,; M. stri- ata, Brod. & Sow.; M. helicina, Phipps) som en sort Prik skinne igjennem Spidsen af Ophthalmophoriet; paa denne Prik sees, fordetmeste mere udadtil, et lille aflangt Hul, som snart var större, snart mindre og ved Tryk lod sig udvide (Tab. IV A, Fig. 16, A7). Indenfor samme fandtes ingen Lindse og, som det syntes, heller intet Glas- legeme. Hos den lille Fissurella rosea (Lmk.) syntes der at vaere en lignende Aab- ning paa Öiet tilstede som hos Margariterne. Mangel paa tilstraekkeligt Materiaie o. a Omslaendigheder tillode mig ikke at undersöge de herhenhörende Forhold hos andre Aspidobranchier (Rhipidoglosser). Öiet vilde altsaa, dersom dette bekraef- ter sig, frembyde den samme maerkelige Bygning uden dioptrisk Apparat som den, der nu med tilstraekkelig Sikkerhed er paaviist hos Nautilerne. Under alle Omstaen- digheder vil det herefter vaere af ikke ringe Interesse at iagttage Udviklingen af Oiet hos Margariterne, og denne vil maaskee kunne kaste Lys over Udviklingsfor- holdene af dette Organ hos Molluskerne i det Hele, og muligviis vil det da vise sig, at der ogsaa hos denne Klasse under Öiets Dannelse skeer en Indkraengning fra Hud- bladet, saaledes som C. SEmpER ogsaa synes at have iagitaget det hos en Landpul- monat fra Phillippinerne (sml. Hensen, Über den Bau des Schneckenauges. Arch. f. mikroskopische Anatomie. II. 1866).

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 471

M. Braun ! machte auf der Naturforscherversammlung in Baden- Baden 1879 die Mittheilung, dass er ebenfalls bei Fissurella offene Augen gesehen habe, jedoch fehlt hier leider die Angabe der Species. Mir standen nun leider nur zwei Species von Fissurella aus dem Mittelmeer zur Verfügung, nämlich Fissurella costata und Fissurella graeca; bei beiden ist das Auge vollständig geschlossen, nähert sich jedoch in anderer Beziehung den eben beschriebenen Sehorganen ganz auber- ordentlich.

Das Auge von F. graeca liegt dicht unter der 0,3 mm breiten Epi- dermis, jedoch so, dass die Zellen der CGornea nicht an die Epithelzellen anstoßen, sondern durch eine kleine Bindegewebsschicht von denselben getrennt sind. Diese Bindegewebsschicht ist verschieden dick, oft nur wenige Zelllagen breit, häufiger jedoch so stark, dass das Auge 1,1 mm weit von der Epidermis entfernt liegt.

Das Auge (Fig. 3), welches einen Durchmesser von 0,3—0,5 mm hat, ist fast kugelrund, selten etwas seitlich komprimirt, so dass es dann eine birnförmige Gestalt erhält.

Eine Verbindung der Retina mit den Epidermiszellen ist natürlich an diesem völlig geschlossenen Augenfollikel nicht wahrzunehmen, je- doch kann kein Zweifel daran gehegt werden, dass auch bei Fissurella nach Analogien der vorher besprochenen Sinnesorgane die Retina aus umgewandelten Epidermiszellen besteht. Die Retinazellen sind wieder- um am Fundus des Auges am längsten, nämlich 0,05 mm lang, sie ver- kürzen sich an den Seiten und werden an dem oberen der Epidermis direkt zugekehrten Theile vollständig glatt, wie dies von den Augen der Landpulmonaten ? bereits bekannt ist. Obgleich ich ebenfalls sehr großes Bedenken trage die bei den Wirbelthieren angewandte Nomenklatur auf die Augen der Wirbellosen zu übertragen, so glaube ich, dass man hier am wenigsten Anstoß erregen wird, wenn man mit Sınroru und Andern diesen Theil als Gornea bezeichnet.

Freilich liegen bei Fissurella die Verhältnisse etwas anders, wie z.B. bei Helix pomatia, denn das Auge liegt hier tiefer und das Epithel des Augenträgers ist über dem Auge und der Cornea fast gar nicht abge- plattet, sondern besteht aus den gewöhnlichen langen cylinderförmigen Zellen; nur die Schleimzellen mangeln dieser Stelle.

Die Retinazellen (Fig. 12) sind bei F. graeca deutlich in zwei ver- schiedene Gruppen gesondert. Die einen sind lang und an ihrem unte- ren Ende außerordentlich schmal, ihr 0,008 mm langer und 0,003 mm

1 Amtlicher Bericht 1879. Sitzung der Zoolog. Sektion v. 19. September. 2 Sımroru, Über die Sinnesorgane der einheimischen Weichthiere. Diese Zeit- schrift. Bd. XXVI. p. 240 ff. Taf. XV, Fig. 10 b.

ATI | Paul Fraisse,

breiter Kern liegt gerade in der Mitte der Zellen, welche sich nach der Linse zu becherförmig erweitern und im obersten Drittel mit schwarzem feinkörnigen Pigment erfüllt sind, welches an dem inneren Retinarand eine scharfe Linie bildet. Dazwischen lagern andere dickere Zellen von 0,04 mm Breite, welche die Lücken zwischen den schmalen Stielen der langen Zellen genau ausfüllen. Ihr Kern ist 0,008 mm breit und kugel- rund, der Inhalt desselben gekörnelt und zwar in viel gröberer Weise wie bei den oben beschriebenen langen Kernen.

Der sonstige Inhalt dieser breiten Basalzellen ist homogen. Pigment scheint in ihnen nicht vorhanden zu sein, ihre zwischen dem breiten Kopfiheil der Pigmentzellen hindurchgehenden spitzen Ausläufer wären auch viel zu schmal, als dass die Pigmentansammlung in denselben einen Zweck haben könnte.

Es war mir leider nicht möglich die Verbindung der Retinazellen mit dem N. opticus genau nachzuweisen, denn obgleich auch bei F. graeca der N. opticus sich in ähnlicher Weise um das Auge herum aus- breitet wie bei Haliotis, ist hier doch eine Basalmembran vorhanden, die die Retinazellen von den Nervenwindungen trennt.

Ich habe mir aus meinen Präparaten eine Ansicht gebildet, die mir vorläufig noch die beste Erklärung für diese doppelte Zellenlage zu ge- ben schien: >

Betrachten wir noch einmal das Auge von Haliotis, so sehen wir von dem innern Rande der Retina Fasern ausgehen, welche in den Glaskörper, resp. in die Linse, verlaufen; hierdurch wird eine eigen- thümliche Streifung hervorgerufen, die leicht das Bild vom Stäbchen vortäuscht.

Bei Fissurella haben wir nun ganz ähnliche Verhältnisse ; auch hier gehen zwischen zwei langen Pigmentzellen Fäserchen ab, welche sich innerhalb des Glaskörpers verlieren. Zwischen diesen bleibt wiederum ein konischer Theil über jeder Pigmentzelle frei, so dass dasselbe Bus hervorgerufen wird, wie bei Haliotis.

Ich halte detnindien die dicken Basalzellen nicht bloß für Stützzellen der eigentlichen Retinazellen, sondern für diejenigen Organe, von denen der Glaskörper, resp. dieLinse, abgesondert wird, während diePigmentzellen, meiner Ansicht nach, allein als Endapparate desN. op- ticus fungiren.

Ich brauchte so eben die Bezeichnung Glaskörper und Linse, und glaube auch durch die Darstellung der eigenthümlichen Verhältnisse bei Fissurella im Stande zu sein, die sich noch immer um diese Worte dre- henden Streitfragen in gewisser Beziehung beilegen zu können.

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 473

Alle Linsen bei den Cephalophoren, mit alleiniger Ausnahme der Rückenaugen von Onchidium, sind unbedingt reine Guticularbildun- gen. Es ist dies auch schon von fast allen Forschern anerkannt worden und ich glaube, dass auch Leynpıe !, der bei Paludina die Verhältnisse anders darstellte, sich zu dieser Ansicht bekehrt hat.

Eben so ist der Glaskörper bei den Mollusken ein cuticulares Ge- bilde, jedoch wie aus der Hensen’schen Beschreibung der Verhältnisse bei einigen Prosobranchiern ? hervorgeht, von der Linse scharf getrennt. Ich halte nun Glaskörper und Linse bei den Mollusken im Allgemeinen, im Besonderen aber bei Fissurella für identisch.

Auch bei Fissurella gerinnt der Inhalt des Auges bei Behandlung mit erhärtenden Flüssigkeiten in doppelter Weise; der innere hier völlig kugelige Theil wird zu einer festen, homogenen Masse, die sehr brüchig ist und unter dem Messer in viele Splitter zerspringt, während der äußere Theil dagegen, wie schon gesagt, in faseriger Form gerinnt. Beide Gerinnungsprodukte sind scharf von einander getrennt und färben sich auch verschiedenartig durch Pikrokarmin. Der innere runde Theil, die Linse, wird in der Mitte gelb, am Rande und in den Bruchspalten dunkelroth; der faserige Theil, der Glaskörper, wird schwach rosa gefärbt.

Trotz dieser verschiedenen Färbung nun glaube ich, beide Theile dennoch als homolog auffassen zu können, da die Vergleichung mit Ha- liotis zeigt, dass hier ähnliche Verhältnisse schon in Bildung begriffen sind. Auch hier ist der mittlere Theil von anderer Beschaffenheit wie der Randtheil, aber die beiden Zonen gehen noch unmerklich in ein- ander über.

Es wird also meiner Ansicht nach von dem jugend- lichen AugebeiFissurelladurch dieselben Zellen zuerst die Linse abgesondert, und nachdem dieselbe genügend groß ist, der sogenannte Glaskörper gebildet, in wel- chem die Linse eingebettet liegt.

Das Verhalten des N. opticus ist fast wie bei Haliotis, nur theilt sich der Sehnerv nicht vor dem Bulbus, sondern geht als geschlossener, 0,5 mm starker Strang in vielfachen Windungen an das Auge heran. In mannigfachen Ausläufern, die ebenfalls viele Kleine Ganglienzellen enthalten, umgiebt er die Augenblase, nur den oberen Theil, die soge- nannte Cornea, freilassend. Auch hier fehlt eine eigentliche Sclera;

! Über Paludina vivipara. Diese Zeitschrift. Bd. II. 1850. 2 HENSEN, Über den Bau des Schneckenauges. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. II. p. 399 ff.

474 Paul Fraisse,

dieselbe wird vielmehr durch die ganglionäre Anschwellung des Seh- nerven ersetzt.

Eine eigenthümliche Bildung muss ich noch erwähnen, die ich mehr- fach bei den Augen von Fissurella, einige Male aber auch bei Haliotis tuberculata antraf, es bilden sich nämlich mitunter kleine Neben- augen, welche durch cystenartige Einstülpung der Retina entstehen. Wir erhalten dadurch ein Bild, wie es Carrısre! bei der Regeneration der Schneckenaugen wiederholt beobachtet hat.

Es sind entschieden abnorme Bildungen, mit denen wir es hier zu thun haben, aber man sieht gerade hieran, welche außerordentlich in- tensiven Wachsthumsverhältnisse im Auge dieser Meeresschnecken statt- finden.

Von Fissurella costata erhielt ich nie so deutliche und wohlerhal- iene Präparate; ich füge desshalb nur an, dass das Auge auch bei dieser Species unbedingt vollständig geschlossen istund dass die Maßverhältnisse im Grossen und Ganzen dieselben sind, wie die oben beschriebenen.

Resume.

Betrachten wir die soeben beschriebenen Sinnesorgane noch ein- mal, indem wir sie unter einander und mit den Augen anderer Thiere vergleichen, so finden wir, dass das Auge von Patella auf der allernie- drigsten Stufe der Sinnesorgane steht, wenn man es überhaupt als sol- ches betrachten kann.

Da wir jedoch durch die Mittheilungen Senrer’s, welche dann Hrnsen, BOBRETZKY, SIMROTH und CARRIERE weiter verwerthet haben, wissen, dass, wie schon gesagt, das Molluskenauge sich durch eine Einstülpung des Ektoderms bildet, da wir ferner wissen, dass der Nerv erst in späteren Entwicklungsstadien zu der Retina hinzutritt, so glaube ich wiederholt meine Ansicht dahin aussprechen zu müssen, dass das problema- tische Organ von Patella ein Puylosenatish entstehen- des Auge darstelle.

Als nächster Verwandte von Patella wird nun seit längerer Zeit Chiton aufgefasst, der, wie ich mich an mannigfachen Schnittserien überzeugen konnte, im erwachsenen Stadium keine Augen besitzt, ob- gleich die Larve nach Lov£n Augenpunkte haben soll. Da höchst wahr- scheinlich Chiton?2 den Würmern (Neomenia und Chaetoderma) von allen Mollusken am nächsten steht, so wäre hierin schon ein bedeuten- der Beweis für die Wahrscheinlichkeit meiner Theorie geliefert.

1 ]. ce. Tat. IT, Big. 22. 2 Verg]. v. Inerıng, Monographie des Nervensystems der Mollusken.

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 475

“Nun sind nach der andern aufsteigenden Weise hin Haliotis und Fissurella sehr nahe verwandt mit Patella; und gerade bei diesen Schnecken finden sich auch, wie wir gesehen haben, die bereits etwas höher organisirten Augen, während Trochus und Turbo, welche man mit diesen unter der Sektion der Kammkiemer (Ctenobranchia) vereinigt, bereits Sehorgane besitzen, welche in nichts von dem Typus, wie er gewöhnlich bei Mollusken vorkommt, abweichen.

Suchen wir nach Analogien bei anderen Thieren, so treffen wir offene Augen noch bei anderen Mollusken und zwar bei Nautilus, wo sie bereits durch Owen und VALENCIENNES entdeckt, durch HEnsen! jedoch zuerst genauer beschrieben wurden, und bei Margarita groenlan- dica, bei der sie Bereu zuerst auffand.

Nun repräsentirt aber Nautilus ebenfalls eine Übergangsstufe zu den höher organisirten Cephalopoden, welche ebenfalls sämmtlich ge- schlossene und hoch ausgebildete Augen besitzen.

Wie es sich mit Margarita verhält, ist mir allerdings nicht ganz klar, da ich nicht im Stande bin, der in dänischer Sprache geschriebe- nen Abhandlung Beren's vollständig zu folgen.

Wir wissen ferner, dass unter den Würmern, und zwar den Blut- egeln, eigenthümliche Sinnesorgane auftreten, die von Lrypig zuerst als Augen, von Ranke ? als Übergangssinnesorgane angesehen werden.

Diese am Kopfe der Hirudineen stehenden Organe sind ebenfalls offene Becher, ihr Lumen ist jedoch nicht von einer Guticularausschei- dung eingenommen, sondern von großen eigenthümlich gebauten Zellen, zu denen ein deutlicher Nerv herantritt. Dass wir es hier ebenfalls mit einem in Bildung begriffenen Auge zu thun haben, unterliegt keinem Zweifel, nur ist dasselbe wiederum nach einem ganz anderen Typus angelegt. Die Analogie mit den eben beschriebenen Molluskenaugen be- schränkt sich darauf, dass dieser Sinnesbecher sich ebenfalls durch eine Einstülpung von Ektodermzellen bildet.

Was die von mir angewandte Nomenklatur betrifft, so habe ich mich zum Theil an meine Vorgänger gehalten, zum Theil bin ich davon einigermaßen abgewichen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil die bisher gebräuchlichen Bezeichnungen der verschiedenen Schichten von den Wirbelthieraugen entlehnt sind und leicht den Gedanken er- regen können, man habe es hier mit homologen Geweben zu thun. Auch das Wort Retina hätte ich gern verbannt und dafür die Bezeich-

i Über das Auge einigerCephalopoden. Diese Zeitschr. Bd. XV. p. 203. Taf. XIX, Fig. 71—81 und Taf. XX, Fig. 82—84.

2 Beiträge zu der Lehre von den Übergangs-Sinnesorganen etc. Diese Zeit- schrift. Bd. XXV. p. 143 ff, Taf. X.

476 Paul Fraisse,

nung »Stäbchenzellen« gebraucht, wenn ich nicht gefürchtet hätte, auch hierdurch wieder falsche Vorstellungen zu erwecken.

Diejenigen Zellen, welche als lichtpercipirende Organe aufgefasst werden können, sind gerade bei den beschriebenen Mollusken sehr charakteristisch gebaut; was hier fast schematisch klar liegt, findet sich aber mehr oder weniger deutlich auch bei anderen Molluskenaugen, besonders bei den Helicinen. Die sogenannte Retina besteht, wie wohl jetzt als definitiv sicher angenommen werden kann, aus einer Reihe länglicher Zellen, deren vorderer Theil von schwarzem Pigment ange- füllt ist.

Dieses Pigment ist nun mehr oder minder randständig, so dass in der Mitte auf dünnen Querschnitten ein unpigmentirter cylinderförmiger Kanal bleibt, der direkt in den unpigmentirten Theil der Zelle übergeht (Fig. 9 und 13).

Es wäre vielleicht nicht unfruchtbar diese Zellen mit den Stäbchen des Arthropodenauges zu vergleichen, da man es ja, wenn man den Cuticularsaum des Patella-Auges mit in Betracht zieht, fast mit homo- logen Bildungen zu thun hat.

Leipzig, im Oktober 1880.

Über Molluskenaugen mit embryonalem Typus. 477

_ Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXV und XXVI

Fig. 1. Augen von Patella coerulea, stark vergrößerter Längsschnitt. E, Epider- mis, C, Cuticula, F, faseriges Bindegewebe (Cutis), Bg, lockeres Bindegewebe, R, Retina, 08, obere Schicht (Cuticularsaum), P, Pigment.

Fig. 2. Auge von Haliotis tuberculata, Längsschnitt. R, Retina, N, ganglionäre Anschwellung des Sehnerven.

-Fig. 3. Auge von Fissurella graeca. R, Retina, @, Glaskörper, L, Linse, N, gan- glionäre Anschwellung des Sehnerven, O, Nervus opticus.

Fig. 4. Schematische Darstellung eines Längsschnittes durch das Auge von Patella.

Fig. 5. Desgl. von Haliotis tuberculata.

Fig. 6. Desgl. von Fissurella graeca. Buchstabenbezeichnung wie oben.

Fig. 7. Retinazellen von Haliotis asinina.

Fig. 8. Querschnitt durch den unpigmentirten Theil der Retinazellen von Fis- surella graeca. AR, eigentliche Retinazellen mit dunkel gefärbten Kernen, S, Stütz- zellen. |

Fig. 9. Längsschnitt durch den Fühler von Patella coerulea. A, Auge, Gl, Fühler- ganglion mit dem Fühlernerven.

Fig. 10. Schematische Darstellung einer Stäbchenzelle von Patella coerulea. N, Nucleus, a, unpigmentirte Schicht, d, Pigmentschicht, c, Cuticularsaum, d, Fäser- chen.

Fig. 44. Querschnitt durch einige Retinazellen von Patella coerulea. (Das Pigment ist wandständig angeordnet.)

Fig. 12. Einige Retinazellen von Patella coerulea im Zusammenhange.

Fig. 13. Desgl. von Haliotis tuberculata. N, Nerv, a, bandförmige Zelle mit mittlerer Anschwellung, c, kolbenförmige Zelle, d, normale Form.

Fig. 44. Retinazellen von Fissurella graeca. R, Pigmentzellen, P, Pigment, Z, Stützzellen.

. Fig. 45. Querschnitt durch den pigmentirten Theil der Zellen von Fissurella graeca.

Fig. 16. Querschnitt durch den pigmentirten Theil von Haliotis tuberculata.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 32

Die Eiweilsdrüsen der Amphibien und Vögel.

Von

Dr. phil. Paul Arno Loos in Leipzig.

Mit Tafel XXVIL.

Einleitung.

Die Literatur über die Eiweißdrüsen, resp. Eileiter der nackten Amphibien, ist eine sehr spärliche. Ich kenne darüber eigentlich nur zwei Arbeiten, die eine von Börteuer: »Über den Bau und die Quellungs- fähigkeit der Froscheileiter «! und die von Neumann und GrUNAU gemein- schaftlich ausgeführte : »Die Drüsen der Froscheileiter «2. |

Nach Börrtcner’s Untersuchungen bestehen die Drüsen aus drei Schichten, einer äußeren Bindegewebslage, einer mittleren Drüsenzellen- schicht und einer inneren Flimmerzellenschicht. Sie bilden ein System dichtgedrängter Schläuche, die senkrecht auf die sie nach außen hin begrenzende Eileiterwand gestellt sind. Die Drüsenzellen sind in ein- facher Schicht neben einander gruppirt und enthalten in sich einen un- regelmäßig begrenzten Kern. Bei stärkerer Vergrößerung zerfällt der Inhalt der Zelle in lauter polygonale Körperchen, deren Centrum von einem Pünktchen eingenommen wird, so dass ein einzelnes Partikel- chen einer Zelle nicht unähnlich ist. Zwischen den Drüsenschläuchen ziehen sich Blutgefäße hindurch, die meist mit Blutkörperchen angefüllt sind. Was BörrcHer über den Bau des Eileiters mittheilt, beschränkt sich lediglich auf die gröbsten Verhältnisse. Überdies ist deutlich aus seiner Arbeit zu ersehen, dass er frische Eileiter gar nicht untersucht hat, sonst würde er erwähnt haben, dass die polygonalen, zellenähn- lichen Gebilde erst nachträglich in der Drüsenzelle entstehen.

Näher auf den feineren Bau der Drüsen gehen Nrumann und GRUNAU ein, und sie konnten dies eben nur durch Untersuchung frischer Ob-

! Vırcuow’s Archiv. Bd. XXXVI. 2 Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XI.

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 479

jekte. An einem in humor aqueus untersuchten Zerzupfungspräparate entdeckten NEumann und Grunau eigenthümliche kleine kugelige Körper- chen, die in großer Zahl die Zusatzflüssigkeit durchsetzen; sie sind nichts als ausgetretener Zellinhalt und erscheinen eniweder isolirt oder zu Gruppen verschiedener Größe vereinigt. In den entwickelteren Tuben sind sie größer als in weniger ausgebildeten, dabei aber weniger licht- brechend und mit einem hellen Pünktchen in ihrem Centrum versehen. Diese sogenannten Colloidkügelchen sind es, welche die ungeheure Quellungsfähigkeit bedingen. Eine Membran hat Nrumann nie direkt wahrgenommen, wohl aber scheint eine solche vorhanden zu sein. Nach Behandlung mit Mürzzr’scher Flüssigkeit verschwinden die Colloidkügel- chen vollständig. Im Umfange des Kernes erscheint etwas glänzendes Protoplasma als schmaler Hof, von dessen Peripherie Strahlen ausgehen, die unter sich ein Netz zu bilden scheinen. Eigenthümlich ist (nach beiden Verfassern) das Verhalten der Zellmembran, indem diese von einer kreisrunden scharfen Öffnung durchbrochen ist, so dass man die Zelle als Becherzelle betrachten darf. Unter solchen Umständen er- scheint es Neumann auch begreiflich, wesshalb die einzelnen Zellen bei der Quellung nur so wenig Volumzunahme zeigen. Nachdem die Ab- sonderung vor sich gegangen, verfallen die Zellen einer fettigen Degene- ration.

Ehe ich zur specielleren Darstellung meiner Untersuchung über- gehe, sei es mir gestattet in kurzen Zügen noch die Grundlagen zu entwickeln, welche für die Beurtheilung der Ansichten zu berücksich- tigen sind, die ich auf Grund meiner Beobachtungen allmählich ge- wonnen habe.

Es ist bekannt, dass Scawann und ScHLEIDEN die ersten waren, welche überhaupt die Natur und physiologische Bedeutung der Zelle für jeden Organismus erkannten. Im Anschluss an die Auffassung der Botaniker betrachtete man Zellmembran, Zellinhalt, Kern und Kern- körperchen als wesentliche und nothwendige Attribute auch für die ihierische Zelle. Diese Ansicht hat lange die Wissenschaft beherrscht, bis man mehr und mehr auf Widersprüche gerieth. Dass der Begriff zu eng gefasst war, fühlte man wohl, und sicherlich wäre der Zwang dieses Schemas längst abgeschüttelt worden, hätte nicht der Einfluss der Ent- decker der Zelle so lange fortgewirkt. Im Laufe der Zeit wurde dar- gethan, dass es Zellen giebt, die ohne Membran fungiren, dass anderen Kernkörperchen, manchen sogar Kerne fehlen, und im Gegensatze dazu beobachtete man Zellen, die bedeutend komplicirter gebaut waren, als man der Theorie nach hätte vermuthen sollen. Schließlich gewann man die Überzeugung, dass das Plasma der wichtigste Theil der Zelle

32*

480 Paul Arno Loos,

sei, dass im Plasma der eigentliche Sitz der Bewegung und des Lebens sich finde.

Die Thatsache, dass wir zwar organische Substanzen künstlich darstellen können, die mit solchen, von der Natur gebildeten vollkommen gleiche chemische Molekularzusammensetzung besitzen, aber dennoch keine Spur von Leben zeigen, nöthigt Brücke zu dem Schlusse, dass in der lebenden organischen Substanz und speciell im Plasma der Zelle außer der chemischen Struktur noch eine andere, die » Organisation der Zelle« vorhanden sein müsse, an die die Lebenserscheinungen ge- knüpft sind !.

Was Brücke hier logisch erschlossen, sollte sich denn bald durch Thatsachen bewahrheiten. KLEInENBERG war der erste, welcher diese Organisation im Kerne des Hydra-Eies in Gestalt eines Netzes positiv nachwies. Im Jahre 1876 machte Fremming ähnliche Erfahrungen an Muscheleiern, die dann durch O. Herrwis und van BENEDEN bestätigt wurden unter Hinzufügung neuer Funde an Echinodermen und Säuge- thieren. An diese Mittheilungen schließt sich noch eine Reihe neuerer Untersuchungen, von denen hier besonders die von HEITZmann ?, FLEM- MInG und Cnaun berücksichtigt werden sollen.

Die Beobachtung der Amöben ergab, dass das Plasma feingranulirt und von netzförmig ausgebreiteten Strängen durchsetzt ist, zwischen denen Vacuolen sich finden. Während am lebenden Thiere diese Vacuo- len unter den Augen des Beobachters entstehen, wiederum unsichtbar werden, um an anderen Orten aufzutauchen, tritt bei Zusatz von destil- lirtem Wasser eine vollständige Starre ein; mehrere kleinere Vacuolen drängen sich zu einer größeren zusammen, die dann eine buckelförmige Auftreibung bedingt. Von ganz besonderer Wichtigkeit sind die Beob- achtungen über das Verhalten der weißen Blutkörperchen. Zunächst als ein homogenes Klümpchen erscheinend, verändert sich die Zelle bei Einwirkung gewisser Reagentien in ganz sonderbarer Weise: Bei einer Temperaturerhöhung von 30—35° werden »im Centrum des Klümp- chens ein oder zwei mattgraue, opake, homogene Körper sichtbar. Von jedem dieser Körper gehen radiäre konische Speichen aus, die sich in den Nachbarkörper einsenken, und da wo sie gegen die Peripherie des Klümpchens hin gerichtet sind, in ein Maschenwerk übergehen, welches den ganzen Leib des Klümpchens durchsetzt und dessen Knotenpunkte als leichte Verdickungen oder Körnchen erscheinen lässt. Der centrale Körper, die Speichen und deren Verdickungen zeigen ein völlig gleiches

1 BRÜCKE, »Elementarorganismen «. 2 HEITZMANN, Untersuchungen über das Protoplasma. 68. Bd. der Sitzungsber, der k. Akad. der W. III, Abth.

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 481

optisches Verhalten; die Maschenräume hingegen machen den Eindruck heller strukturloser Felder«. HEıtzmann zieht aus seinen Beobachtungen den Schluss: »Das Kernkörperchen, der Kern, die Körnchen mit ihren Fädchen sind die eigentliche lebendige kontraktile Materie, diese feste Materie ist eingelagert und aufgespannt in einer nicht lebendigen, nicht kontraktilen Flüssigkeit. Mit anderen Worten: Die kontraktile Materie enthält in Maschenräumen und umschließt als Schale eine nicht kontrak- tile flüssige Materie, welch letztere aber, wie die Diffusionserscheinungen beweisen, nicht reines Wasser sein kann.«

Fremming’s »Beobachtung über die Beschaffenheit des Zellkernes « geht, wie schon der Titel andeutet, mehr auf die Struktur des Kernes ein. Da ich aber auch hierzu einige Beobachtungen hinzuzufügen habe, erlaube ich mir, Folgendes hervorzuheben. Fıemmins machte seine Untersuchungen an den Epithelzellen der Harnblase des Salamanders. Nach Behandlung mit 40procentiger Essigsäure tritt in denselben ein deutliches Netz hervor, welches mit der Kernwand in Zusammenhang steht. Kernkörper und Nebenkernkörper sind darin nur bisweilen zu sehen, deutlicher werden solche bei Glycerinzusatz und ganz besonders durch Färbung mit Hämatoxylin, welch letztere Methode überhaupt das Gerüst sehr vortheilhaft hervortreten lässt. Wasser macht die Kerne quellen, zerstört die Gerüste. Fremnng hat die Angabe Herrwie’s, dass das Plasmanetz mit dem Kernnetze durch Poren der Kernmembran in direkter Verbindung stehe, nicht bestätigen können ; er glaubt im Gegen- theile gesehen zu haben, dass das Kernnetz sich ganz anders gegen Reagentien verhalte als das Plasmanetz. Cuuni schließlich, den ich zu- letzt hier erwähne, fand in dem Ektoderm der CGtenophoren (speciell der Cestiden) Zellen, die einen ganz ähnlichen Bau aufweisen, wie die Heıtzmann’schen Blutkörperchen.

Auf einem gewissen Entwicklungsstadium sind die betreffenden Zellen erfüllt von einer trübkörnigen und einer helleren plasmatischen Substanz. Bei fortschreitender Entwicklung beginnen rasch die hellen Massen des Plasmas zu großen Vacuolen zusammenzufließen, die bald durch enges Aneinanderpressen eine polyedrische Gestalt annehmen und zu soliden, das Licht stark brechenden Schollen erstarren. Der trübkörnige Inhalt der Zelle erfüllt nach Cuun den Raum zwischen den hellen Ballen als strangförmig verästelte Masse. Das Stadium, in welchem die stark lichtbrechende Vacuolensubstanz noch in vollkommen runden Körnern erscheint, bezeichnet Cuun mit dem Namen Körnerzellen. Die Kerne, noch vollkommen rund, zeigen ein kleines glänzendes Kern-

! Die Ctenophoren des Golfes von Neapel und der neu nun Meeresab- schnitte. Leipzig 4880. p. 151 und 454.

489 Paul Arno Loos,

körperchen. Indem die Körner, welche meist eine ziemlich starke äußere Randzone differenzirt haben, an Größe zunehmen, pressen sie das zwischenliegende Plasma nebst dem noch unveränderten Kern auf ein äußerst feines Netz zusammen. Auch der Kern wird schließlich ge- presst, so dass es scheint, als strahlen die Netzfäden von demselben aus; Caun nennt die Zellen auf diesem Stadium Glanzzellen, Körnerzellen wie Glanzzellen sind nach ihm principiell dasselbe, und nur durch anderen Wassergehalt des Protoplasmas verschieden.

Charakteristisch für die eben besprochenen Zellstrukturen ist der Umstand, dass eine strenge Scheidung von Plasmanetz und von in ihm eingeschlossener Substanz hervortritt. Letztere kann aber verschieden modificirt erscheinen; in den Blutkörperchen ist diese Zwischensubstanz nach Hrırzmann ein leichtflüssiges Liquidum, dem Zellwasser ent- ‚sprechend, während sie in den Glanzzellen zu festen Schollen erstarrt. Der Grund dieser Erscheinung ist jedenfalls in einer verschiedenen che- mischen Zusammensetzung zu suchen. Wie Hrırzmann zeigte, ist die Zwischensubstanz für das Wesen der Zelle von untergeordneter Be- deutung, daher wird eine Verschiedenheit in der chemischen Konstitu- tion derselben auf das Princip, nach welchem die Zelle gebaut ist, nicht von Einfluss sein können.

Bau der Eiweißdrüsen bei nackten Amphibien.

Bei der Darstellung meiner Untersuchung darf ich wohl die Be- merkung vorausschicken, dass ich bereits zum Abschluss gekommen war, als mir Börtcaer’s und Neumann’s Arbeiten bekannt wurden. Die Objekte, an denen ich die Untersuchung begann, waren Kröten. Ende März erhielt ich das erste Individuum, welches kurz vor der Ab- sonderung des Eiweißes stand; Mitte April fand ich zwei Exemplare gerade beim Akte der Eiablage, während später gesammelte Thiere verschiedene Stadien der Regeneration und Neubildung der Drüsen zeigten.

Sämmtliche Eileiter behandelte ich zum Theil mit Mürrer’scher Flüssigkeit, zum Theil mit 1/,—!/,procentiger Chromsäure, dann mit ab- solutem Alkohol. Bedeutende Schrumpfungen waren hierbei nicht zu vermeiden. Da ich in den Ferien guter Instrumente entbehrte, war ich verhindert, die Eileiter frisch zu untersuchen, ich musste daher diese Lücke auf dem zoologischen Institut zu Leipzig unter der trefflichen Leitung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Geheimen Hofrath Professor Dr. LeuckArT, auszufüllen suchen.

Was die Beschreibung der gröberen Verhältnisse des Froschei- leiters (und in den Hauptpunkten stimmt hiermit der Kröteneileiter voll-

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 483

kommen überein) anbelangt, so berufe ich mich auf die Darstellungen ‚Börrcher’s und NEUMANN’S; es sei nur hinzugefügt, dass die Drüsen- schläuche an ihrem untersten Ende bedeutend sich verengern, so dass nur eine verhältnismäßig kleine Öffnung nach außen führt. In den meisten der Drüsenzellen war ein geschrumpfter Kern zu erkennen, der fast immer wandständig war, so dass es oft den Anschein hatte, als ob Lücken zwischen zwei angrenzenden Zellen vorhanden seien.

Ganz anders ist die Anordnung der Drüsen bei den geschwänzten nackten Amphibien. Eigentliche Drüsenschläuche, wie sie so typisch bei der andern Abtheilung, den ungeschwänzten Amphibien hervor- traten, existiren hier gar nicht; dagegen ist der ganze Eileiter von etwa 8—10 neben einander verlaufenden Längsfalten durchzogen, auf denen die Drüsenzellen sich einfach ansetzen, so dass sie mit ihrem freien Ende in das Lumen des Eileiters ragen. Wenn ich schon hier bemerke, dass der Bau der Drüsenzellen beim Salamander dem beim Frosche vollständig gleicht, so geschieht es desshalb, um anzudeuten, dass das Princip der Entwicklung der Fläche hier in schönster Weise sich durch- geführt findet. Der Frosch, der bei Weitem größere Eiweißmassen abzusondern hat, als etwa der Salamander, würde, wenn die Anord- nung der Drüsen im Eileiter mit der z. B. des Salamanders überein- stimmte, eine so unverhältnismäßig mächtige Eileiterfläche besitzen müssen, dass dadurch das Regelmaß der Organisation in bedenklicher Weise gestört würde.

Neben dem stark geschrumpften Kern zeigt sich ein großer heller Fleck, der meist dem freien Ende zugekehrt ist, während der Kern mehr der Wand sich nähert. Überdies ist leicht zu konstatiren, dass am Grunde der Falte die Anzahl der Kerne bedeutender ist, als man nach der Anzahl der vorhandenen ausgebildeten Zellen erwarten sollte; bei genauerem Zusehen ergiebt sich, dass an der bindegewebigen Grund- lage der Falte eine Menge weniger entwickelter Zellen verborgen liegen, die jedenfalls als Ersatzzellen fungiren.

Schon ältere Forscher haben beobachtet, dass der ganze Eileiter der Amphibien flimmert. Sämmtliche Drüsenzellen, welche mit ihrem äußeren Ende bis frei in die Tubenhöhle reichen, sind besetzt von einem kontinuirlichen, mit mächtig entwickelten Cilien bekleideten Flimmersaume, den man als Ausscheidungsprodukt der Drüsenzellen erkannt hat. Interessant, doch bis jetzt kaum richtig beurtheilt, ist das Vorkommen des Flimmerbesatzes bei den ungeschwänzten Amphibien. Das Bild, welches Böttcher davon giebt, zeigt sicher nicht die Verhält- nisse in der der Natur entsprechenden Weise; eben so scheint NEumann eine unrichtige Ansicht über das Vorkommen des Flimmerbesatzes zu

184 Paul Arno Loos,

haben. Die Hauptmasse der Drüsenzellen bis zu der vorher beschrie- benen verengten Stelle ist flimmerlos; erst über die eigentliche Drüse hinaus wird das charakteristische Flimmerepithel wahrgenommen. Es setzt sich nämlich über die verengte Stelle nur das, die Lücken zwischen den Drüsen ausfüllende Bindegewebe zottenartig in das Eileiterlumen fort, und eben diese Fortsätze sind die alleinigen Träger der Flimmer- zellen.

Im Laufe der Untersuchung musste ich mich bald davon über- zeugen, dass das Plasma, welches bei schwächerer Vergrößerung homo- gen erscheint, eine netzartige Zeichnung erkennen lässt, die ich auf den ersten Augenblick eher für den Ausdruck eines Lückensystems zwischen geronnenen Eiweißklümpchen hätte halten mögen, als für ein wirk- liches körperliches Netz. Wenn mir aber schon die Färbung des Netzes auffallen musste, so kam dazu noch der Umstand, dass an den Ver- einigungsstellen mehrerer Fädchen sich eine körnchenartige Anschwel- lung fand. Diese Befunde ließen mich vermuthen, dass ich ähnliche Verhältnisse vor mir haben möchte, wie sie in neuester Zeit mehrfach ‘an Zellen, wie Zellkernen beschrieben wurden. Es musste nun die nächste Aufgabe sein, den Kern einer genaueren mikroskopischen Ana- lyse zu unterwerfen, um nach dieser Richtung hin ins Klare zu kommen. In der That bestätigte sich meine Vermuthung, denn auch der Kern zeigte eine netzartige Struktur, ja noch mehr, einige Bilder deuteten unbedingt darauf hin, dass der Kern sich unmittelbar in die feinen Netzfäden des Plasmas fortsetzt.

So überzeugend für den Augenblick auch diese Beobachtungen sein mochten, so regten sich doch bald Zweifel an der Richtigkeit derselben, namentlich flößte mir der Umstand einiges Misstrauen ein, dass das Kernnetz in vielen Fällen dieselbe Weite zeigte, wie das des Plasmas, dass ferner die Fädchen des ersteren die des letzteren bei Weitem an Dicke übertrafen und überhaupt auf einen viel weniger feinen Bau schließen ließen. Leider konnte der Thatbestand an frischen Objekten nicht geprüft werden, da die Laichzeit der Kröten längst vorüber war. Nur der Zufall setzte mich in den Stand, diese Lücke auszufüllen. Ich erhielt nämlich eine Anzahl von Unken, welche die Eier noch nicht ab- gelegt hatten, und da ich schon im Voraus vermuthen konnte, dass wegen der nahen Verwandtschaft von Kröten und Unken hier ähnliche Verhältnisse obwalten dürften, so behandelte ich diese in der nämlichen Weise mit » Mürzer’scher Flüssigkeit« und Chromsäure, wie früher die Kröten. In der That zeigten sich auch bei diesem Objekte dieselben Zellen , dieselben Kerne, dasselbe Plasmanetz. Da der Zusammenhang der einzelnen Drüsenzellen kein allzu inniger und fester war, gelang

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 485

es leicht, dieselben zu isoliren. Als ich zum ersten Male ein solches, mit Lymphflüssigkeit behandeltes möglichst frisches Präparat unter dem Mikroskope betrachtete, war ich überaus überrascht, denn anstatt des Plasmanetzes bemerkte ich in der Zelle eine bedeutende Anzahl stark lichtbrechender runder Körperchen. Sie zeigten eine koncentrisch- schalige Anordnung und erreichten eine Größe bis zu 0,0025 mm. Dies Bild erinnerte mich sofort an die Heırzmann’schen Beobachtungen über die weißen Blutkörperchen, in denen auch der ganze Zellenleib von Plasmasträngen durchzogen wird, welche Flüssigkeitsvacuolen ein- schließen. Um über die Natur der Kügelchen klar zu werden, wurde ihr Verhalten gegen Reagentien geprüft. Bei Zusatz von 4 procentiger Essigsäure konnte man deutlich verfolgen, wie nach und nach die Anzahl der Kügelchen sich verminderte, bis schließlich nur noch ein geringer Theil derselben an der Peripherie der Zelle übrig blieb.

Sehr vortreffliche Dienste leistet bei Untersuchung frischer Objekte die Methode der Schwarzanilinfärbung, indem sich dadurch verschieden intensiv gefärbte Zellenelemente deutlich von einander abheben, ohne dass auch nur irgend welche sichtbare Veränderung des Gewebes vor sich geht. Fast gleichen Vortheil bietet eine sehr verdünnte Lösung von Hämatoxylin. Überaus rasch und verhältnismäßig intensiv färbt sich der Kern, aber auch ‘die Kügelchen bleiben nicht ganz blass, dagegen erweisen sich die Plasmastränge als farblos. Letzterer Umstand dürfte wohl damit in Zusammenhang zu bringen sein, dass der noch lebens- fähige Theil der Zelle, so lange er eben lebt, von Reagentien nicht beeinflusst wird, während die todien Kügelchen leichter Farben an- nehmen. 3

Bringt man, um das Objekt durchsichtiger zu machen, noch etwas Glycerin hinzu, so tritt das Schwinden der Kügelchen eben so ein wie bei Zusatz von Essigsäure. Sobald die besagten Reagentien zur Wir- kung kommen, sieht man die kugeligen Gebilde sich allmählich ver- größern. In demselben Maße, wie sie wachsen, verlieren sie ibr starkes Lichtbrechungsvermögen, bis sie, an einem bestimmten Punkte ange- kommen, plötzlich zusammenfallen, wie wenn etwa bei Schmelzpunkt- bestimmungen ein Paraffinkügelchen plötzlich in einen anderen Aggre- 'gatzustand übergeht. An einigen dieser Kügelchen lässt sich erkennen, wie von ihnen ein kleines spaltähnliches Kanälchen ausgeht, durch welches der Inhalt auszufließen scheint.

Diese Beobachtung jedoch dürfte desshalb nicht absolut sicher hin- zustellen sein, da es schwer ist, die Sache klar zu sehen, und da ferner nur drei dergleichen Fälle vorliegen. Schwache Kalilauge, 3—4procentige Salzlösung, Chromkali, verdünnter Alkohol, Glycerin, destillirtes Wasser,

486 Paul Arno Loos,

etwa 1/igop procentige Osmiumsäure und andere Reagentien bewirken rascher oder langsamer das Schwinden der Kügeichen. 1/,,, procentige Osmiumsäure ist das einzige Reagens, welches die Kügelchen annähernd gut erhält. Nach etwa 24 stündigem Stehen sind dieselben zwar noch deutlich zu erkennen, doch erscheinen sie so modificirt, als wären schwach wirkende Reagentien angewendet worden; die Kügelchen er- scheinen darnach größer und blasser als in frischem Zustande. Häufig sieht man, nachdem der größte Theil der Kügelchen verschwunden ist, in der Zelle einen größeren Tropfen, der gewöhnlich an der dem Kern gegenüber liegenden Seite gefunden wird. Bisweilen bemerkt man auch mehrere solcher Tropfen, die aber ebenfalls bald verschwinden und in einen einzigen großen zusammenfließen. Es unterliegt nach Obigem keinem Zweifel, dass die kugelähnlichen Körperchen nicht aus fester Masse bestehen, sondern flüssiger Natur sind.

Bei Anwendung mechanischen Druckes vermittels des Deckgläs- chens treten die Kügelchen aus der Zelle theils in Gruppen, theils einzeln heraus, während das zurückgebliebene Plasma, sich kontra- hirend, als eine krümelige Masse um den Kern sich koncentrirt. Die ausgetretenen Kügelchen flottiren frei in der neutralen Zusatzflüssig- keit, ohne sich bedeutend zu ändern, was uns um so mehr über- raschen muss, als wir in ihnen Flüssigkeitströpfchen erkannt haben. Um diese Thatsache zu erklären, wären zwei Möglichkeiten vorhanden:

1) Könnten wir annehmen, dass die Intracellulartröpfehen mit der Zusatzflüssigkeit sich nicht mischen.

2) Könnte eine erhärtete Rindenschicht vorhanden sein, die den Zusammentritt beider Flüssigkeiten verhindert.

Gegen den ersten Fall spricht der Umstand, dass die in verdünn- tem Glycerin flottirenden Kügelchen, wenn sie auch noch so oft an einander stoßen, ja sogar an einander haften, niemals zusammen- fließen. Bisweilen ist sogar um die Kügelchen ein feiner Saum wahr- zunehmen, der besonders dann deutlich hervortritt, wenn zwei der- selben an einander liegen. |

Obwohl Böttcher wie Neumann die Existenz eines centralen Körper- chens in den Tröpfchen annehmen, kann ich dennoch diese Beobachtung nicht bestätigen ; sehr leicht ist es möglich , dass das optische Verhalten der Tröpfchen zu Täuschungen Veranlassung gegeben hat. Wenn oben- genannter Fall, dass die Kügelchen auch außerhalb der Zelle ihre Selbständigkeit bewahren, schon auf die zweite Möglichkeit hindeutet, so gewinnt unsere Vermuthung, dass in der That eine verdichtete Rand- zone vorhanden sei, an Wahrscheinlichkeit noch dadurch, dass an den Kügelchen nach ihrem Freiwerden dieselben Vorgänge sich abspielen,

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 487

wie an der Zelle. Die besagten Körperchen vergrößern sich, sie ver- lieren ihr Lichtbrechungsvermögen, sie verschwinden plötzlich. Letz- terer Umstand ist ein schlagender Beweis dafür, dass die in Nr. 1 auf- gestellte Möglichkeit hier nicht in Betracht zu ziehen ist. Hiernach ist es sehr wahrscheinlich, dass wirklich eine Rindenschicht existirt, und wohl können wir annehmen, dass es nicht eine fremde Substanz ist, die membranartig die Tröpfchen umhüllt, sondern dass die Tröpfchen- ‚substanz selbst an der Peripherie verdichtet, äußeren Einflüssen einen gewissen Widerstand entgegenzusetzen vermag. Als Analogon hierfür dürfte wohl die von CGuun beobachtete Randzone an den Körnerzellen anzusehen sein. Während in vorliegendem Falle die Rindenschicht an einzelnen dieser Körner überaus deutlich ist, geht sie an anderen all- mählich in die nur wenig lichtbrechende Centralschicht über, so dass eine Grenze zwischen beiden nicht mehr zu ziehen ist.

Das auffällig massenhafte Auftreten von Flüssigkeitströpfchen in den Eiweißdrüsenzellen kurz vor der Eiablage kann uns über die Natur der Kügelchen kaum im Zweifel lassen: sie sind die Eiweißkügel- chen. Nun erklärt sich auch das Verhalten gegen Reagentien. Die ‘Volumzunahme in Zusammenhang mit dem Schwinden des starken Lichtbrechungsvermögens, das Vergehen, resp. Gelöstwerden der Rand- zone sind lediglich auf Quellungserscheinungen zurückzuführen. Ich musste überrascht sein, als ich las, dass Neumann diese Drüsenzellen für Becherzellen erklärt. Da diese Ansicht den Schwerpunkt seiner Arbeit bildet, sah ich mich genöthigt, die Resultate meiner Untersuchung nochmals einer genauen Prüfung zu unterziehen. Ich verhehlte mir nicht die Möglichkeit, dass an gewissen, meinerseits übersehenen Orten ‘außer den von mir als vollständig geschlossen erkannten Zellen viel- leicht Becherzellen mit ganz besonderen physiologischen Nebenfunktionen vorhanden sein könnten, doch war mein Suchen darnach vergeblich. Erst als ich die Abbildungen Nzumann’s genauer prüfte, wurde mir klar, worauf wohl die Annahme von Becherzellen zurückzuführen sein dürfte.

Diese Zeichnungen und die von Neumann ausgesprochene Behaup- tung, dass die Becherzellen niemals einen Hals zeigen, überzeugten mich, dass er den früher erwähnten, auch in seiner Entstehung beob- achteten Tropfen für den Bechermund gehalten. Wir sahen, dass der Kern ‚auf der einen, der Tropfen immer auf der enigegengesetzten Seite liegt; wenn daher der Kern wandständig ist, muss naturgemäß der Tropfen nach der freien Fläche zu gelegen sein, und dies dünkt mich der Um- stand zu sein, der NEumann zum Irrthum verleitete. Die Angabe, dass die besagte Becheröffnung im optischen Querschnitt als Ellipse erscheine,

488 Paul Arno Loos,

die sogar unter Umständen einer Geraden sich nähere, kann ich nicht bestätigen. Dass der Tropfen nicht immer die strenge Kugelgestalt bei- behält, ist richtig; allein dies hängt mit den Quellungserscheinungen zusammen. Die Zellmembran ist bei den Salamandern resistenter als bei den Kröten, jedenfalls desshalb, weil bei ersteren die Drüsenzellen, oder besser die absondernden Zellen, nicht von einem Drüsenskelett, der Basalmembran, gestützt werden, sondern frei in das Lumen des Eileiters ragen. Auch hier ist übrigens in jeder Zelle die Anwesenheit des Tropfens wie wir denselben später noch genauer kennen lernen werden, zu bemerken. Eine Kernmembran, ein Kernnetz und ein Plasmanetz sind in der Drüsenzelle überall vorhanden; es wird sich nun zunächst darum handeln, festzustellen, in welchem Zusammen- hange diese drei Gebilde mit einander stehen. Schon O. Herrwie hat in gewissen Zellen einen direkten Zusammenhang des Plasmanetzes mit dem Kernnetze zu sehen geglaubt, den Fremmine jedoch leugnet. Um so erfreulicher aber ist, dass Hrırzmann zu positiven Resultaten in dieser Richtung gelangte. Nach ihm ist der Kern des weißen Blutkörperchens nur eine lokale Verdichtung des Plasmanetzes.

Bringt man zu einer frischen Eiweißzelle Anilinschwarz, so ent- steht ein Bild, welches der eben angeführten Beobachtung Hrırzmann’s zu widersprechen scheint: sofort färbt sich der Kern blass blauschwarz, während das Plasma keine Veränderung wahrnehmen lässt. Die Kern- contouren sind scharf gegen das Plasma abgesetzt, so dass ein Zusammen- hang zwischen Plasma- und Kernnetz nicht stattzufinden scheint. So unwahrscheinlich hiernach auch ein inniger Zusammenhang sein mag, so lässt er sich in so fern nicht in Abrede stellen, als noch die Möglich- keit vorhanden ist, dass die verschieden intensive Färbung, als Aus- druck einer chemischen Differenz allein auf Rechnung der Membran kommen kann. Sprechen doch andere Thatsachen genug dafür, dass nicht der Kern in der Zelle als Individuum im Individuum existirt, sondern dass beide organisch zu einer Einheit verbunden sind. Es sind dies folgende:

4) Bei Quetschpräparaten lässt sich nie ein Kern vollkommen iso- liren. Wäre der Kern eben so lax mit dem Plasma verbunden, wie beispielsweise die Eiweißkügelchen, so hätte auch er frei in der Zusatz- flüssigkeit gefunden werden müssen.

2) Die Beobachtung des großen Tropfens, der aus dem Zusammen- fließen der Eiweißkügelchen entsteht, lehrt, dass derselbe nie den Zell- kern begrenzt, sondern immer, oder wenigstens in allen beobachteten Fällen, dem Kern möglichst fern liegt.

3) Sprechen für einen Zusammenhang die mit Ghromsäure und

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 489

Alkohol behandelten Schnitte. Ich habe öfters Gelegenheit gehabt, an solchen Präparaten einen direkten Übergang der Kernfortsätze in das Plasmanetz mehr oder weniger weit verfolgen zu können.

4) Die Schrumpfung des Kernes, die sicher ganz eigenthümlicher Art ist, würde sich, wenn wir den Kern als vollkommen isolirt im Plasma annehmen wollten, nicht erklären lassen, es würde sich dann die Kernmembran wenig buckelig oder runzelig zusammenziehen. Die Kugelgestalt des Kernes würde trotz der Härtung nahezu dieselbe bleiben müssen, da die Kontraktionskräfte gleichmäßig von allen Seiten auf den Kern wirken. Dagegen fand ich stets den Kern nach mehreren Rich- tungen hin ausgezogen, als sende er ähnlich einer Ganglienzelle Fort- sätze nach außen. Man könnte meinen, diese Fortsätze wären durch den Druck des von außen her anliegenden Eiweißes hervorgerufen wor- den; dann müsste aber der Druck ein den thatsächlichen Verhältnissen widersprechender sein, sollte im Innern eine so bedeutende Wirkung ausgeübt werden. Es sei bemerkt, dass die Ausläuferanfänge eben die- jenigen Stellen sind, an welchen der Kern mit den Plasmafäden in Verbindung steht, dass hier von außen her wirkende Kontraktionskräfte ihre Angriffspunkte haben.

Bevor wir uns jedoch über den Zusammenhang von Kern und Plasmanetz entscheiden können, dürfte eine eingehendere Betrachtung der Kernstruktur erforderlich sein.

- Mehrere Wochen vor der Absonderung des Eiweißes zeigt der Kern (0,008—0,012 mm) eine vollkommen runde Gestalt. Im Innern bemerkt man eine große Zahl kleiner koncentrisch-schalig um das Kernkörper- chen angeordneter Körnchen,, welche ihre Anwesenheit bald durch das starke Lichtbrechungsvermögen verrathen. Das Kernkörperchen, wel- ches eine ziemliche Größe besitzt, ist nirgends regelmäßig contourirt und im Innern ebenfalls von stark lichtbrechenden Körperchen durchsetzt. Vielleicht sind diese Körperchen Analoga der Vacuolen Eimer’s!; es müsste aber dann bemerkt werden, dass eine Struktur im Kern, wie Eimer und Andere sie beschrieben, an diesem Objekte nicht beobachtet wurden. Dass im Kern das Netz weniger fein gefunden wurde, als im Zellplasma, ist früher erwähnt worden. In einem späteren Stadium, vielleicht kurz vor der Absonderung des Eiweißes, erblickt man von den kleinen, stark lichtbrechenden Körnchen nichts mehr; an deren Stelle aber sind wenige größere, mit geringerer Lichtbrechungsfähigkeit begabte Tropfen getreten. Es sind dies Verhältnisse ganz ähnlich denen, die wir am Plasma vorfanden. Was liegt daher näher, als anzunehmen,

1 Eimer, Über den Bau des Zellkerns. Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd. XIV. 1877.

490 Paul Arno Loos,

dass auch am Kern ähnliche Processe sich abspielen? Die Differenzirung in Plasmanetz und Zwischensubstanz, das optische Verhalten der letzte- ren, die Veränderungen im Inneren, alle diese Thatsachen lassen uns darüber nicht im Zweifel. Fügen wir noch hinzu, dass der Kern auch bezüglich der Produktion des Eiweißes vollkommen mit dem ihn um- gebenden Zellenplasma übereinstimmt, so dürfte wohl die Wahrschein- lichkeit eines innigen Zusammenhanges von Kern und Zellplasma zur Genüge dargethan sein. |

Hiermit haben wir die Möglichkeit gewonnen, die früher gestellte Frage wieder aufzunehmen: Worin besteht der Zusammenhang von Plasma- und Kernnetz ?

Zwei Fälle haben meiner Ansicht nach eine größere Wahrschein- lichkeit für sich.

1) Es könnte das Plasmanetz, wie das Kernnetz mit der Membran so verbunden sein, dass je die Enden der Fäden an der Membran an- geheftet wären.

2) Wäre der Fall möglich, dass die Membran Poren besäße, durch welche hindurch beide Netze kommuniciren.

Die eigenihümlichen Gerinnungserscheinungen würden mit der ersten Annahme recht wohl in Einklang zu bringen sein, wüssten wir nicht, dass wahrscheinlich eine chemische Differenz von Plasma und Kern- membran existirt, indess ist mir ein Beispiel eines solchen Vorkommens nicht bekannt. Es bleibt somit allein die Möglichkeit, dass die Kern- membran durchbohrt ist; prüfen wir daher, welche Gründe hierfür sprechen.

Die Gerinnungsphänomene stehen hiermit nicht in Widerspruch; es käme lediglich darauf an, Poren, wie sie logisch erschlossen wurden, thatsächlich nachzuweisen. Weder an frischen Objekten, noch an sol- chen, die frisch auf dem Objektträger mit Reagentien behandelt wurden, noch auf Schnitten lässt sich mit Sicherheit eine durchbrochene Mem- bran wahrnehmen. Wenn ich auch öfters Andeutungen davon zu sehen glaubte, so waren sie doch nie für eine genügende Erkennung hin- reichend. Mehr Vortheile, als die obengenannten Methoden, bot die der Maceration. Zu diesem Zwecke wurde ein Stück des Eileiters zwei Tage lang in eine schwache Lösung von Pikrokarmin gelegt, darauf das Ob- jekt zerzupft, und so gelang es, Kernmembranen leicht zu isoliren. Mit ziemlicher Sicherheit konnte auf der scharf umgrenzten Membran etwas gequollener Kerne eine Zeichnung von dunklen Punkten wahrgenommen werden, die immerhin als Ausdruck einer Durchbohrung in Anspruch genommen werden dürfte. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der Kern der Eiweißdrüsenzelle mit dem übrigen Theile derselben in kon-

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 491

tinuirlichem Zusammenhange steht und sich nur dadurch von ihm unter- scheidet, dass er, mehr verdichtet, ein engmaschigeres Netzwerk bildet, das in unserem Falle von einer membranösen Hülle unvollkommen nach außen hin begrenzt ist. Das Kernkörperchen, welches in fast allen Fällen vorhanden war, gehört ebenfalls in den kontinuirlichen Zu- sammenhang herein.

Es ist jetzt Grund zu der Behauptung vorhanden, dass ähnliche Resultate, wie sie Heırzmann durch die Beobachtungen an Blutkörper- chen gefunden, auch bei der Untersuchung der Eiweißzellen sich er- geben:

Kernkörperchen, Kern und Plasmanetz sind wenig modificirte Theile einer und derselben lebendigen Substanz. Ein Unterschied, der für den ersten Augenblick von großer Bedeutung zu sein scheint, ist das Vor- handensein der Kernmembran an der Eiweißzelle; ich meine aber, dass hierdurch das Princip, auf welches beide Zellarten zurückzuführen sind, nicht im mindesten geändert wird, kennen wir doch ähnliche Zellpro- dukte in großer Anzahl. Einer jetzt ziemlich allgemein verbreiteten An- schauung nach ist die Zell- wie auch die Kernmembran nur ein Aus- scheidungsprodukt der Zelle, das, von der Diosmose abgesehen , weiter keine Funktion als die der Stütze übernimmt.

Absonderung des Eiweilies bei nackten Amphibien.

NEUMANN und GrunAaU nehmen an, dass aus den von ihnen voraus- gesetzten Becherzellen kontinuirlich ein Strom von Colloidsubstanz aus- trete und die Eier umgebe. Sie finden daher die Thatsache erklärlich, dass die Eiweißzellen in humor aqueus nur von 0,03—0,045 bis zu 0,045—0,06 mm aufquellen, eine Differenz, die in keinem Verhältnis zu der allgemeinen Quellungsfähigkeit des Eiweißes steht. Hierzu muss ich bemerken, dass es kaum rathsam sein dürfte, Quellungsversuche mit humor aqueus auszuführen und zum allerwenigsten dann, wenn dieselben eine Thatsache, wie die in Frage stehende, beweisen sollen. Wendet man andere Quellungsmittel an, wie destillirtes Wasser, so wird sehr bald der Inhalt so an Volumen zunehmen, dass die Membran platzt.

NEUMANN und Grunau konstatirten in der Hülle einiger in dem Ei- leiter zurückgebliebener Eier das Vorhandensein noch unveränderter Colloidkügelchen. Wie wollen aber beide dies Vorkommen nach ihrer Theorie erklären? Man kann sich kaum vorstellen, dass eine derartige Masse von Eiweiß, wie sie an Froscheiern wahrzunehmen ist, in so kurzer Zeit von Becherzellen abgesondert werden könnte. Schon a priori ‚erscheint es den morphologischen Verhältnissen mehr entsprechend,

492 Paul Arno Loos,

dass die Zellen Blasen darstellen, die, prall mit Eiweiß erfüllt, beim Platzen ihren ganzen Inhalt entleeren.

Als ich eine längere Zeit hindurch unterlassen hatte, frische Unken zu untersuchen, und dann später meine Beobachtungen wieder auf- nahm, fiel mir auf, dass die Kügelchen, welche früher in so charakte-- ristischer Weise auftraten, ihre eigenthümliche starke Liehtbrechung bei Weitem nicht mehr in dem früheren Maße zeigten. Die Kügelchen waren weniger von einander durch scharfe Gontouren unterschieden, sie waren größer geworden, ihr Lichtbrechungsvermögen hatte abgenommen. Schon damals war in mir der Gedanke rege geworden, ob nicht diese Erschei- nung mit der fortschreitenden Entwicklung der Eiweißzellen zusammen- hängen möchte. Spätere Beobachtungen haben in der That meine Ver- muthung bestätigt; es sind obige Bilder nicht unähnlich denen, wie sie hei Behandlung mit Reagentien entstehen. Beide Male haben wir es jedenfalls an erster Stelle mit Quellungserscheinungen zu thun, welche in erstbeschriebenem Falle so beträchtlich sind, dass dadurch das Gleich- gewicht gestört wird und somit die ganze Flüssigkeitsmasse in einen Ballen zusammenfließt. Ob sich nicht zugleich ein chemischer Process dabei abspielt, lässt sich kaum mit Sicherheit entscheiden, doch dürfte eine solche Annahme nicht unwahrscheinlich sein.

Die Kügelchen, welche an Volumen zugenommen haben, drücken jetzt stärker auf das Netz, an einer Stelle giebt dasselbe nach und die Flüssigkeiten strömen zusammen. Das Netz, welches vorher die ganze Zelle ausfüllte, hat sich kontrahirt und in Folge der Zerreißung des Netzes und der damit zusammenhängenden Aufhebung des von den Kügelchen ausgeübten Druckes zieht sich das Plasma nach der Kernseite zusammen, auf der es mehr Anknüpfungspunkte hat. Im zweiten Falle, in welchem die Volumzunahme Resultat der natürlichen Entwicklung ist, findet jedenfalls neben der Wasseraufnahme eine Vermehrung der Substanz des Eiweißes selbst von Seiten der Zelle statt. Für Quellung spricht entschieden der Verlust des Lichtbrechungsvermögens; denn gewisse Stadien, kurz vor der Absonderung des Eiweißes untersucht, gleichen früheren , mit Quellungsmitteln behandelten vollkommen. Die Behaup- tung, dass auch eine Zunahme der Eiweißsubstanz selbst stattfindet, bedarf wohl kaum eines Beweises, denn so koncentrirt dürfte das Ei- weiß doch wohl nicht von Anfang an in der Zelle sein, dass es nur der Quellung bedürfte, um jene mächtigen Eiweißvolumina zu liefern. Die Colloidkügelchen wachsen, sie müssen aber, da sie nur einen beschränk- ten Raum einnehmen können, schließlich auf einander, wie auf die Scheidewände, nämlich das Netz, einen Druck ausüben; die Folge davon ist eine polyedrische Abplattung der Kügelchen und eine Zusammen-

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 493

pressung des Netzes. Auf diese Weise entsteht ein Bild, welches man leicht mit einem Lückensystem verwechseln könnte. Wer Guun’s Ab- bildungen, Taf. XV, betrachtet, wird mit mir darin übereinstimmen, dass die Ähnlichkeit derselben mit den meinigen entschieden auf einen prin- eipiellen Zusammenhang schließen lässt. Aus der Untersuchung frischer Zellen während der Absonderung des Eiweißes würden wir sehr wenig entnehmen können, da es sich bei der Hinfälligkeit sämmtlicher Zellen- bestandtheile schwer entscheiden lässt, was natürlich und was durch Präparation und sonstige Einflüsse entstanden ist. Wenn auch hierbei durch die Härtung mannigfache Veränderungen bedingt sind, so kennt ınan doch diese zum größten Theile und kann daher mit Recht auf Ver- hältnisse schließen, die nicht direkt wahrgenommen werden können.

Kurz vor der Absonderung des Eiweißes zeigen Schnitte noch ganz ähnliche Verhältnisse, wie sie am Anfange der Arbeit beschrieben wur- den, nur haben die Zellen sowohl, wie auch die Colloidpolyeder ein be- deutenderes Volumen angenommen. Das Netz ist weitmaschiger, schärfer geworden, die Kerne treten durch ihre Größe mehr hervor, der Aus- führungsgang dagegen ist auf ein Minimum redueirt. An der äußeren bindegewebigen Eileiterwand stehen die Zellen bedeutend gedrängter und bilden hier gleichsam eine eigene Schicht. Während früher die Achsen der Drüsenzellen mit der des Eileiters meist einen Rechten bildeten, neigt sich jetzt die Zelle in ihrer Längsachse der Drüsenmün- dung mehr oder weniger zu. Alle diese Umstände werden später ihre Er- klärung finden.

Die ersten Andeutungen der Absonderung äußern sich darin, dass die Zellen sich mehr in die Länge strecken und zugleich eine größere Neigung gegen den Drüsenmund hin annehmen. Bald bemerkt man, dass an gewissen Zellen die Membran am freien Ende reißt und dass aus der so entstandenen Öffnung das Eiweiß in langen, streifigen oder fadenförmigen Zügen hervorströmt. Das Plasmanetz reißt ebenfalls an vielen Stellen, eben so wird der Kern aus seiner Kontinuität gelöst, auch er verliert gleich der Drüse an Volumen und kollabirt, so dass man schließlich nur noch die zusammengefaltete Kernmembran erkennt. Diese Thatsachen im Verein mit der früher erwähnten morphologischen Übereinstimmung von Plasma und Kern machen es höchst wahrschein- lich, dass auch der Kern an der Produktion des Eiweißes sich betheiligt. Kurze Zeit, nachdem der Process der Absonderung beendet ist, bietet sich dem Beobachter ein Bild, das von der frühern Struktur wenig mehr erkennen lässt. Ein buntes Durcheinander von Kernen, Fragmenten des Plasmanetzes, der Basalmembranen und von zurückgebliebenem Eiweiße erfüllt den Raum, der früher die Zellen barg. Die einzige Hindeutung

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 33

494 Paul Arno Loos,

auf den ehemaligen Ort, an welchem die Drüsenzellen standen, liegt in der Anwesenheit der Bindegewebshülle. Unberührt von allen Verände- rungen blieb eine Schicht von Zellen, die sich arn Grunde der Eileiter- wand vorfindet; sie repräsentirt die Ersatzzellen, welche bald nach der Absonderung sich entfalten.

Es sind hier eine Reihe von Beobachtungen zusammengestellt, die sämmtlich an gehärteten Präparaten gemacht wurden, da es leider zu schwer, ja sogar vielfach unmöglich ist, am frischen Objekte sich von der absoluten Richtigkeit der Thatsachen zu überzeugen. An dem That- sächlichen ist also nicht zu zweifeln; dagegen dürfte die Beantwortung der Frage noch Gegenstand des Streites sein, ob der eben geschilderte Process der Eiweißabsonderung der Wirklichkeit entspricht, oder mit andern Worten, ob die Zerreißung der Membran Produkt der natürlichen Entwicklung oder der Einwirkung der Chromsäure und des Alkohols ist?

Dass Reagentien im Stande sind, ähnliche Erscheinungen hervorzu- rufen, habe ich beobachtet, als ich ein Stück eines wenig entwickelten Eileiters in verdünntes Glycerin legte. Nach wenig Stunden quoll der Eileiter mächtig auf, aus den beiden Schnittstellen trat eine gallertige Masse von Eiweiß, die bei mikroskopischer Untersuchung gequollene Kerne nebst Resten des Plasmanetzes ergab. Es unterliegt keinem Zweifel, dass durch die übergroße Spannung, welche das quellende Eiweiß auf die Zellmembran ausübte, eine Zerreißung derselben verursacht wurde. Der Einwand, dass man es dort mit Quellung zu thun hatte, während in unserem Falle es sich um Kontraktion handelt (denn der gehärtete Ei- leiter ist an Volumen geringer als der frische), verliert seine scheinbare Wichtigkeit, wenn man bedenkt, dass die Chromsäure, die hier zur Härtung verwandt wurde, nach innen äußerst langsam eindringt, so dass sich die äußerste bindegewebige Eileiterwand schon etwas kontra- hirt hat, schon hart geworden ist, wenn auf das Eiweiß noch kein Rea- gens eingewirkt hat. Es wäre immerhin nicht undenkbar, dass bei einem so entstehenden Drucke eine Membran, wie sie diejenige der Ei- weißzellen zur Zeit der Reife ist, zerreißen und der Inhalt ausfließen könnte. Als ich das abgelegte Eiweiß von Bufo untersuchte und hierin keine Spur von einem Kern-, resp. Netzfragmente fand, war ich zu der Arsicht geneigt, dass doch vielleicht das Eiweiß sich absondere, ohne dass desshalb die Zellmembran zerreißen müsse. Wäre nicht das Nächst- liegende, anzunehmen, dass das Eiweiß einfach durch die Membran diffundire? Wir werden uns bald überzeugen, dass diese Anschauung eine irrige ist, indem die Eiweißabsonderung in Wahrheit mit dem Zu- grundegehen der Zelle in innigem Zusammenhange steht. Wie wollten wir uns erklären, dass die Membran kurz vor der Absonderung des Ei-

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 495

weißes so äußerst hinfällig wird? Ist es in diesem Stadium ja kaum mehr möglich, eine Zelle zu isoliren, ohne sie zu beschädigen! Was sollte das wirre Bild bedeuten, welches nach der Absonderung sich uns zeigt, woraus wollte man die Existenz der wandständigen unentwickel- ten Zellen erklären? Alle diese Umstände sind beweiskräftig genug dafür, dass weder eine Diffusion, noch eine Absonderung durch Becher- zellen statifindet. Am meisten entspricht den thatsächlichen Verhält- nissen der Untergang der Zelle.

Mehrere Wochen nach der Laichzeit gewahrt man an Kröten von einer wandständigen Zellwucherung gar nichts mehr; ein neuer Drüsen- komplex ist an die Stelle des alten getreten, allein die Epithelzellen kommen weder an Zahl, noch an Größe denen der eben ausgestoßenen Drüsen gleich. Wenn ich nicht irre, geht auch ein Theil der binde- gewehigen Septen mit zu Grunde, so dass von der Eileiterwand her nicht nur das Drüsenepithel, sondern die ganze Drüse mit ihrer Um- gebung erneuert wird. Obwohl keine Spur von altem Eiweiß mehr vor- handen ist, sieht man fast das ganze Lumen der neugebildeten Drüse erfüllt von degenerirten, gelblich aussehenden Massen, die zuweilen noch Andeutungen an eine vergangene Struktur erkennen lassen ; sie sind meiner Überzeugung nach die Reste der früheren Eiweißdrüsen. Viel deutlicher bietet sich der Anschauung der Process des Zellener- satzes an dem Eileiter von Triton. An fast jedem Präparate sah ich alle Übergangsstadien von den eben an dem Grunde der bindegewebigen Falte entstehenden bis zu den vollkommen ausgewachsenen, mit Flimmer- kleid besetzten Zellen.

Bei der Entscheidung der Frage, ob das Eiweiß diffundiren könne oder nicht, haben wir einen ziemlich sichern Anhalt in den Resultaten der Diffusionsversuche. Wir haben die Thatsache kennen gelernt, dass Colloidsubstanzen durch eine thierische Membran nie hindurchwandern, während dies die Krystalloidsubstanzen stets thun. Sind auch in neue- rer Zeit gewisse Eiweißkörper zum Krystallisiren gebracht worden, so steht es doch fest, dass das Eiweiß im gewöhnlichen gallertartigen Zustande, ja selbst wenn es krystallisiren könnte, eine so unbedeutende Wanderungsgeschwindigkeit besitzt, dass dieselbe hier nicht in Betracht kommen kann. Es dürfte der Einwand ungerechtfertigt sein, dass wohl ein Unterschied zu machen sei zwischen Diffusion todten Eiweißes durch todte Membranen und Wanderung lebenden Eiweißes durch lebende Membranen. Der Satz, welchen ich oben ausgesprochen, gelte ja nur für den ersteren Fall, ich sei daher keineswegs berechtigt, dieselben auch auf lebende Objekte auszudehnen. Nun sind im Laufe der Ent- wicklung der Eiweißtröpfchen Quellungserscheinungen beobachtet wor-

33 *

496 Paul Arno Loos,

den. In der Physiologie aber gilt der Satz: Der Inhalt einer Zelle kann nur dann durch Imbibition fremde Flüssigkeiten aufnehmen, kann nur dann quellen, wenn die Lebensthätigkeit der Zelle gestört ist. Wenn wir auch die zur Sekretion reife Zelle nicht gerade als todt bezeichnen wollen, so können wir ihr doch eben so wenig volle Lebensthätigkeit vindieiren. Es dürfte meiner Meinung nach der Schluss nicht zu ge- wagt sein, dass eine Wanderung so beträchtlicher Eiweißmassen durch eine Zellmembran hindurch nicht stattfinden kann.

Fassen wir die gewonnenen Resultate zusammen, dann dürften die- selben etwa folgendermaßen lauten: Die Drüsenepithelzelle besteht im Allgemeinen aus einem netzartig verzweigten Plasma, welches zwischen seinen Maschen eine große Anzahl von Eiweißtröpfchen birgt. Anfangs : klein und stark lichtbrechend, nehmen dieselben im Laufe der Ent- wicklung allmählich an Größe zu, sie verlieren in demselben Maße, in welchem sie wachsen , ihr Lichtbrechungsvermögen, sie quellen. Auf diese Weise entsteht ein Druck sowohl auf die Zellmembran, wie auf den Zellinhalt, durch welchen ähnliche Erscheinungen bedingt sind, wie schon Guun sie an den Glanzzellen der Rippenquallen beobachtete : Die Zellmembran dehnt sich bis zu einem gewissen Grade aus, während innerhalb derselben die Eiweißtröpfchen gegenseitig sich polyedrisch abplatten und alles zwischenliegende Gewebe auf ein Minimum zu- sammenpressen. Ist die Drüsenepithelzelle auf dem Stadium der Reife angelangt, so giebt die Membran, welche bis dahin immer dünner und hinfälliger geworden ist, dem innern Drucke nach, sie platzt, und das Eiweiß strömt fadenartig aus der Zelle hervor. Jedenfalls nimmt auch der Kern an der Produktion des Eiweißes Theil.

Bau der Eiweilidrüsen bei beschuppten Amphibien und Vögeln.

Wenn wir uns früher überzeugen konnten, dass die schwanzlosen nackten Amphibien trotz der verschiedenen Anordnung der Drüsen- zellen bezüglich des Baues derselben vollkommen unter sich überein- stimmen, so dürfte schon dies als eine Hindeutung darauf anzusehen sein, dass auch die beschuppten Amphibien eine analoge Struktur der Eileiterdrüsenzellen besitzen mögen. Konnten wir einerseits bei Triton von eigentlichen Drüsen gar nicht reden (denn die Eileiterwand ist ziemlich regelmäßig mit großen, eiweißabscheidenden Zellen besetzt), sahen wir andererseits bei Fröschen und Kröten die Drüsenzellen in ein wohlgeordnetes System von neben einander liegenden, geradverlaufenden Schläuchen verpackt, so lässt sich doch immer die Thatsache konstatiren, dass der Bau der Drüsenzellen derselbe bleibt.

Die KEiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 497

Bei beschuppten Amphibien und Vögeln erscheinen die Drüsen als Einstülpungen von der inneren Eileiterwand her. Diese Einstül- pungen, welche zuerst becherförmig gestaltet sind, wachsen allmählich zu Schläuchen heran, welche unter vielfachen Krümmungen und Win- dungen die bindegewebige Unterlage kreuz und quer durchsetzen. Am vollkommensten hat sich der Übergang von ursprünglichem Rileiter- epithel in Drüsenepithel (welches nebenbei bemerkt niemals flimmert) bei Pelias Berus erhalten. Man ist in der That häufig nicht im Stande zu entscheiden, ob man Eileiter- oder Drüsenepithel vor sich hat. Ähn- liche Verhältnisse finden sich bei Coronella und Coluber, nur scheint hier neben der mehr regelmäßigen Anordnung der Drüsenschläuche auch das Drüsenepithel etwas modificirt zu sein. Mit Sicherheit habe ich beobachten können, dass die Drüsenschläuche von 0,025 mm Durch- messer sich gabeln, so dass sich hierdurch der Umstand erklärt, dass zu einem verhältnismäßig reichen Drüsenpolster nur wenig Ausfüh- rungsgänge vorhanden sind.

Am auffälligsten ist der Unterschied der beiden Arten von Epithel- zellen bei den Vögeln. Wenn hier die Verhältnisse versteckter sind, als bei den Amphibien, so liegt dies an der Kleinheit des Objektes.

Es sei erwähnt, dass alle angeführten Beobachtungen an gehärtleten Präparaten gemacht wurden.

Die nächste Aufgabe würde nun sein, zu entscheiden, ob bei be- schuppten Amphibien und Vögeln bezüglich der Struktur der Eiweib- drüsenzellen dieselben Verhältnisse obwalten. Wiederum giebt uns der oben erwähnte Tropfen, welcher bei Behandlung des Objektes mit Rea- gentien entsteht, einen ziemlich sichern Anhalt. Eben dieser Tropfen konnte klar erkannt werden bei Coluber und Coronella, bei den Vögeln dagegen nur andeutungsweise; Pelias kann desswegen hier nicht in Be- tracht kommen, da das untersuchte Objekt auf einer sehr frühen Ent- wicklungsstufe sich befand. Das Suchen nach einem Kernnetze blieb lange erfolglos. Zwar schien der Zellinhalt gekörnelt, auch waren bis- weilen kleine Fädchen zu sehen, allein mit Sicherheit ein Netz nachzu- weisen, war mit den zunächst mir zu Gebote stehenden Mitteln unmög- lich. Als sich mir aber Gelegenheit bot, Schnitte von Eileitern mit einer SeiBerT'schen Öl-Immersion prüfen zu können, da bestätigte sich das Vorhandensein eines Plasmanetzes auch bei den beschuppten Amphibien und Vögeln.

Dass im Eileiter der Vögel eine sehr drüsenreiche Schicht existirt, war Schon MEckeL von Hemssacn! bekannt. Er schreibt: »Im Uterus-

1 MeEckEr von HEmssAcH, Die Bildung der für partielle Furchung bestimmten Eier. Diese Zeitschrift. III. Bd. 1851. p. 429.

498 | Paul Arno Loos,

horn ist die Schleimhaut bei trächtigen Hennen sehr dick und wulstig, dichtgedrängte, von zähem Sekret erfüllte keulenförmige Follikel, Glan- dulae utriculares, bedingen das Hervortreten vieler dicker Falten. In diesen Drüsen bildet sich durch Auflösung weicher, körniger Epithelial- zellen ein feinkörniger Eiweißschlamm, den man in großen Tropfen ausdrücken kann !«. Lzypıc dagegen sieht beim Kanarienvogel Eiweiß- drüsen nicht mit Sicherheit, wohl aber sind während der Legzeit alle Epithelzellen prall mit Eiweißkügelchen gefüllt.

Lanpoıs dagegen schließt sich in der Hauptsache wieder MeckrL an, nur wird mir nicht recht klar, was er meint mit den Worten: »Die Drüsen liegen unter dem Flimmerepithel so eingebettet, dass bis in die Höhle des Eileiters sowohl in dem kleinzelligen Gewebe, wie auch in dem Epithel ein Gang offen gehalten wird, durch den das Eiweiß ge- langen kann.« Warum schreibt Lanvoıs nicht einfacher: Es sind Drüsen mit einem Ausführungsgang vorhanden!? Dieser Umstand, so wie der, dass die Drüsen in ihrer ersten Anlage vollständig geschlos- sen und auch später noch überall von kleinen Drüsenzellen im Innern ausgefüllt sein sollen, macht den Eindruck, als wären die wahren Ver- hältnisse hier nicht erkannt worden. »Diese kleinen Zellen sagt Lanpoıs weiter, »stehen der Untersuchung hindernd im Wege. Durch Einwirkung von Kali kann man sie leicht zerstören, worauf die Drüsen scharf hervortreten. «

Eine noch wunderlichere Ansicht scheint Brasıus über den Bau der Eiweißdrüsen zu haben. Er beschreibt sie als »längliche oder runde Follikel mit centralem Gang. Zur Zeit der Absonderung verschwinden nach seiner Ansicht die Zellcontouren mehr und mehr und der ganze Inhalt der Zelle erfüllt gleichmäßig den Raum der Drüse«. Durch Platzen der Basalmembran soll dann das Eiweiß nach außen gelangen. Aus dem Gesagten folgt, dass die Drüsen betrachtet werden als Schläuche oder Blasen, die überall geschlossen sind, denn warum sollte die Drüsenhülle platzen, um den Inhalt zu entleeren, wenn ein Aus- führungsgang vorhanden ist?

Die Lösung des Räthsels ist eine sehr einfache. Aus Brasıus’ Ab- bildungen geht deutlich hervor, dass er die Querschnitte der zu einem Drüsenpolster verschlungenen Drüsenschläuche falsch gedeutet hat, und dies hat seinen Grund in der schon früher erwähnten spärlichen Zahl von Ausführungsgängen.

! LeuckArt schließt sich dieser Darstellung an und bezieht sich ausdrücklich auf die von ihm zur Kritik der Mecker’schen Angaben angestellten Untersuchungen. Art. Zeugung. p. 892.

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 499

Nach meinen Erfahrungen entstehen die Eiweißdrüsen der Vögel, speciell die des Raben (corvus corone), durch Einstülpung des Epithels. Mitte März ist die Anlage der Drüsen sehr gut zu erkennen ; man sieht, wie auf einem Querschnitt einer Eileiterfalte etwa von 20 Punkten aus nach innen, der Bindegewebsunterlage zu, das Epithel sich einsenkt und so eine deutlich nach außen offene, becherförmige Höhle bildet. Abgesehen von den durch Druck bedingten Veränderungen lässt das Mikroskop einen Unterschied zwischen den Zellen des ursprünglichen Epithels und denen der eben entstandenen drüsigen Einstülpungen nicht wahrnehmen.

Eine Basalmembran ist schon hier deutlich zu sehen. Nach kurzer Zeit sieht man die anfangs länglichrunden Zellkomplexe immer weiter nach innen wuchern, es entsteht ein Schlauch, der aber nie nach außen hin sich abschließt. Hat der Schlauch die ganze Länge vom Epithel bis zum bindegewebigen Septum durchwachsen,, so biegt er um, da er an demselben einen Widerstand zu finden scheint und wächst in entgegen- gesetzter Richtung, sich vielfach schlängelnd, weiter.

Auf diese Weise entsteht das für Vögel so charakteristische Drüsen- polster. Das äußerst spärliche Auftreten von Ausführungsgängen (ein Querschnitt, der sechs Zotten getroffen hatte, zeigte deren nur zwei) lässt vermuthen, dass die Schläuche nicht einfach verlaufen, sondern sich gabeln, und in der That sind solche gegabelte Schläuche mehrfach wahrgenommen worden. Der Einwand dürfte nicht ungerechtfertigt sein, dass die Anzahl der Ausführungsgänge im entwickelten Eileiter der Anzahl der Anlagen nicht entspricht, da in der Anlage gegen 15 Drüsenöffnungen auf dem Querschnitt einer Zotte zu beobachten sind. Der Grund dieser Erscheinung liegt jedenfalls darin, dass mit der Ent- wieklung des Eileiters auch die Fläche bedeutend sich vergrößert, nach- dem die Drüsen sämmtlich angelegt sind; durch interstitielles Wachs- thum rücken dann die Drüsen aus einander.

Die Raben zeigen zwischen den einzelnen Schläuchen eine noch ziemlich entwickelte bindegewebige Zwischensubstanz, besonders aber sind auch die Basalmembranen sehr deutlich wahrnehmbar. Anders ist es bei Huhn und Hausente, hier ist die Drüsenmasse unter dem Flimmerepithel so dicht verfilzt, dass es nur auf äußerst feinen Schnitten gelingt, die Drüsenelemente deutlich zu unterscheiden. Daher mag es gekommen sein, dass einige Forscher, und unter ihnen auch Stricker, die Existenz von Drüsen im Eileiter der Vögel leugnen. Wäre es wohl denkbar, dass die ungeheuern Eiweißmassen, wie sie das Huhn produeirt, allein von dem einschichtigen, einfachen Cylinderepithel des Eileiters abgesondert werden könnten? Darf es uns doch nicht

500 Paul Arno Loos,

wundern, dass bei Huhn und Hausente die Drüsen viel massenhafter vorhanden sind, als bei Raben und andern, nur wenig Eier legenden Vögeln.

Wie schon erwähnt, sieht Lanpois die Eiweißdrüsen erfüllt mit kleineren Zellen, die hin bei der Untersuchung frischer Objekte sehr hinderlich waren.

Die »Uterindrüsen«, sagt Lanpoıs, »sind von kleinen Zellen er- füllt«; allein eine Beschreibung derselben giebt er nicht, jedenfalls weil er sich über ihre Natur noch nicht klar ist. Dass kleine Zellen in der That nicht vorhanden sind, beweisen gehärtete Präparate, ferner das Verhalten der zellenähnlichen Gebilde gegen Kalilauge. Warum werden denn bei Zusatz jenes Reagens die großen Zellen deutlicher, während die kleinen ganz und gar verschwinden? Sicher hatte Lanpoıs nichts Anderes vor sich, als die Eiweißkügelchen, von denen bereits vorher gehandelt wurde.

Brasıus beobachtete dasselbe wie Lannoıs, nur drückt er sich vor- sichtiger aus, indem er nicht von Zellen, sondern von Molekülen spricht, die er allerdings schon für Eiweißkörperchen hält.

Präparate aus dem Eileiter der Unke, welche mit Osmiumsäure behandelt sind, zeigen ganz ähnliche Bilder, wie sie sich an gehärteten Vogeleileitern ergeben. Der feinere Bau des Kernes schließt sich voll- kommen an die früher beschriebenen Kernstrukturen an. Um die bis- weilen in mehrfacher Anzahl vorhandenen unregelmäßig contourirten Kernkörperchen herum befinden sich nur wenige größere helle Stellen, welche sicher den größeren Tropfen im Kern der Eiweißzelle der Kröte an die Seite zu setzen sind. Zwischen ihnen gewahrt man deut- lich Plasmastränge, welche vom Kernkörperchen aus verfolgt werden können.

Bemerkungen zur Absonderung des Eiweilies bei beschuppten Amphibien und Vögeln.

In den geschichtlichen Bemerkungen des vorigen Abschnittes wur- den bereits die Ansichten von MerckeL von Hemspacn und BLasıus er- wähnt; es wurde ferner gezeigt, dass ihre Beobachtungen, obwohl sie nicht richtig gedeutet wurden, sich mit den an den nackten Amphibien erlangten Resultaten recht wohl in Einklang bringen lassen. Alle That- sachen sprechen dafür, dass Amphibien und Vögel im Bau der Eiweiß- drüsenzellen übereinstimmen, sollte man daher nicht vermuthen, dass auch in beiden Fällen die Art der Absonderung des Eiweißes eine ähnliche sei ? Das »Zerlaufen der Eiweißdrüsen«, das vermeinte Platzen der Drüsen- hülle, die Existenz der kleinen Eiweißkügelchen in den Drüsenzellen,

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 501

ihr Verhalten gegen A6procentige Kalilauge; alles dies muss uns in unserer Vermuthung bestärken.

Der Güte des Herrn Professor Dr. Rauser verdanke ich ein Präpa- rat aus dem Eileiter einer Hausente, welches über dem Cylinderepithel eine ganz ansehnliche Schicht von faserigem Sekret zeigt, ohne dass an den einzelnen Zellen auch nur eine Spur von Veränderung wahrnehm- bar ist. Das Bild war ganz dazu geeignet, die Ansicht zu erwecken, dass hier eine kontinuirliche Absonderung, wie sie namentlich von Magendrüsen bekannt ist, vor sich gehe, oder mit andern Worten, dass diese Absonderungsweise von Eiweiß mit der der Amphibien nicht im Einklang stehe. Wenn wir auch nicht behaupten können, ob das faserige Sekret gerade Eiweiß sei, so steht doch so viel fest, dass dasselbe an der Bildung des Eies partieipirt; es würde sich nur darum handeln, festzustellen, in welcher Weise dies geschieht.

Eben so wenig wie wir annehmen dürfen, dass das Sekret der Kalkschale die Entstehung giebt, so wenig wahrscheinlich ist es, dass die Fasern sich einfach mit dem aus den Drüsenschläuchen kommen- den Eiweiß mengen, um mit diesem eine homogene Masse zu bilden. So bleibt uns denn nur noch die Möglichkeit, in den Gylinderepithel- zellen den Herd für die Bildung der Schalenhaut und der die verschie- denen Eiweißschichten trennenden Membranen zu sehen. Wie viel mehr Wahrscheinlichkeit hat doch diese Auffassung gegenüber denen von Ber, Meerer und Anderen! Welch komplicirte Processe müssten im Ei sich abspielen, sollte die Schalenhaut eben so durch Gerinnung entstanden sein, wie künstlich erzeugte Eiweißmembranen, und wie noch viel unbegründeter ist Mecker’s allerdings schon vielfach zurück- gewiesene Behauptung, dass die Schalenhaut der Vogeleier der mensch- lichen Decidua an die Seite zu setzen sei! Vergleicht man unter dem

Mikroskop die Fasern der Schalenhaut mit den eben aus dem Gylinder- epithel ausgetretenen, so wird man an der Identität beider Objekte nicht mehr zweifeln können. Wenn wir wissen, dass die Schalenhaut ihre definitive Dicke im unteren Theile des Eileiters erhält, werden wir begreifen, dass hier gerade neben den Längsfalten auch noch Querfalten auftreten.

Die erste Arlage der Eiweißdrüsen fällt bei den Krähen Mitte März, wenn eben die Eier des Ovariums sich zu entwickeln beginnen. Es muss hierbei ganz besonders hervorgehoben werden, dass zu dieser Zeit außer den neu entstehenden keine Eiweißdrüsen vorhanden sind, dass sie sämmtlich sich neu bilden. Dieser Umstand setzt voraus, dass die früher vorhanden gewesenen Drüsen zu Grunde gegangen sein müssen. Der Meinung, dass diese Beobachtungen etwa zufällig an

502 Paul Arno Loos,

jungen Thieren gemacht seien, an denen zum ersten Male die Drüsen sich bilden, ist enigegenzuhalten, dass auch ältere Individuen dasselbe zeigen!. Es dürfte hiernach mit Recht behauptet werden, dass nach jedem Jahre, ja sogar wahrscheinlich nach jeder Brunstperiode die Drüsen sich rückbilden, um dann von Neuem sich vom Epithel her einzustülpen. Näheren Aufschluss über die Art der Rückbildung geben uns spätere Stadien.

An einer Krähe, die drei Eier bereits abgelegt hatte und eins noch im Eileiter barg, zeigten sich im Drüsenepithel Veränderungen: Einige Cylinderzellen zeichneten sich dadurch vor anderen aus, dass der Kern, welcher bisher immer rund erschien, sich länglich auszog, die regel- mäßigen Contouren verlor und an Volumen zunahm. Die Möglichkeit, diese Veränderungen als Folge von Reagentien anzusehen, ist desshalb ausgeschlossen, weil an jüngeren Stadien, die genau in derselben Weise behandelt waren, dergleichen nie wahrgenommen wurde. Recht wohl vereinigt sich diese Beobachtung mit jener an den Drüsenzellen einer Krähe, welche bereits 10 Tage gebrütet hatte: Die Drüsenschläuche waren hier nicht mehr so scharf begrenzt, aber noch weniger waren es die darin sich findenden Zellen, das Epithel hatte sich deutlich von der Basalmembran abgehoben, der Kern war weniger scharf contou- rirt, kurz das ganze Bild war ein verwischtes, es zeigte deutliche Spuren des Unterganges. Ja noch mehr: Nirgends (ich konnte die Präparate noch so vorsichtig behandeln) war das das Lumen des Eileiters be- srenzende Cylinderepithel auch nur auf geringe Strecken mit dem bindegewebigen Theile der Längsfalte mehr in Zusammenhang. Nur in kleinen faltigen Einbuchtungen befanden sich noch spärliche Reste davon, aber auch sie hatten sich bereits von ihrer Unterlage abgehoben. Von wo aus dann später das neue Epithel entsteht, ist mir räthselhaft, aber dennoch können wir angesichts dieser Thatsachen keinen Zweifel mehr darüber hegen, dass das Drüsen-, wie auch das Gylinderepithel einer weitgreifenden Degeneration anheimfällt.

Amphibien wie Vögel zeigen somit bezüglich des Baues der Ei- weißdrüsen und der Absonderung des Eiweißes vollkommene Überein- stimmung.

Vorstehende Arbeit wurde gefertigt auf dem zoologischen Institut

1 Schon LEUckART hebt hervor (Art. Zeugung p. 872), dass die Eiweißdrüsen bei Vögeln und beschuppten Amphibien (Eidechsen) während der Brunstperiode zwar vorhanden sind, in der Zwischenzeit aber fehlen.

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Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. 503

zu Leipzig unter der trefflichen Leitung meines hochverehrten Lehrers Herrn Geh. Hofrath Professor Dr. Leuckart. Es drängt mich, an dieser Stelle meinen Gefühlen tiefster Verehrung und wärmsten Dankes gegen meinen großen Lehrer Ausdruck zu geben. Ich kann nur mit Freuden bekennen, dass Herr Geh. Hofrath Leuckarr ein lebhaftes Interesse an meiner Arbeit genommen und mir stets mit Rath hilfreich zur Seite stand.

Leipzig, im Oktober 1880.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXVII,

Fig. 4. Stück eines Kröteneileiters in Chromsäure gehärtet. a, ungestörtes Plasmanetz;; b, gestörtes, zerrissenes Plasmanetz;; c, ausfließendes Eiweiß.

Fig. 2. Dessgleichen nur näher von der Eileiterwand genommen, wo die Drüsenzellen sehr eng an einander gepresst erscheinen.

Fig. 3. Kern vergrößert.

Fig. 4. Drüse aus einem Froscheileiter, in Osmiumsäure gehärtet. a, Drüsen- zellen; b, Kerne; d, verengte Stelle, welche zugleich unteres Ende des Drüsen- schlauches ist; c, Flimmerzellen;; e, Eileiterwand.

Fig. 5. Drüsenzelle frisch aus dem Eileiter genommen; Stadium kurz vor der Absonderung. a, Colloidkügelchen; db, Kern.

Fig. 6. Dessgleichen nach Einwirkung schwacher Reagentien. Die Colloid- kügelchen sind nur noch in geringer Zahl koncentrisch-schalig angeordnet, Dem Kern b gegenüber befindet sich ein großer Tropfen, das Produkt der zusammen- geflossenen Colloidkügelchen.

Fig. 7. Dessgleichen nach Einwirkung von Essigsäure. Alle Colloidkügelchen sind verschwunden, vom Kern aus erstreckt sich ein Netz d.

Fig. 8. Quetschpräparat. Die Membran der Drüsenzelle ist durch Druck ge- platzt, die Colloidkügelchen sind dadurch frei geworden, während das eigentliche Plasma sich nach dem Kern hin kontrahirt hat. |

Fig. 9. Ein Kern isolirt, neben dem Kernkörperchen noch stark lichtbrechende Colloidkügelchen zeigend.

Fig. 10. Stück eines Eileiters von Corvus corone. Stadium von Ende März.

04 Paul Arno Loos, Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel.

Das Epithel wuchert eben in die bindegewebige Unterlage hinein und bildet so die Anlagen der Drüsen.

Fig. 44. Ausgebildete Drüsen im Längs- und Querschnitt; bei a theilt sich ein Drüsenschlauch in zwei. Corvus corone.

Fig. 12. Drüsen von Corvus corone kurz nach der Absonderung des Eiweißes. Das Eileiterepithel ist bei a abgestreift.

Fig. 13. Stück des Eileiters der Haushenne während der Eiweißabsonderung. a, Drüsenpolster;; b, Epithelzellen des Eileiters, welche das faserige Produkt c ab- sondern.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten.

Von

Oskar Krancher aus Schneebere.

Mit Tafel XXVII und XXIX.

Trotzdem schon seit langer Zeit die Athmung der Thiere Gegen- stand der eingehendsten Beobachtungen gewesen ist, und auch die dabei in Betracht kommenden Organe vielfach untersucht worden sind, hat doch bisher die Tracheenathmung der Insekten nur wenig Berück- sichtigung gefunden. Wohl haben viele Forscher, und darunter finden wir die Namen der berühmtesten Größen der Jetztzeit, diesen Gegen- stand berührt und auch Manches in Betreff der Tracheenathmung unter- sucht, doch giebt es immer noch viele Punkte, die berücksichtigt zu werden verdienen, bevor wir ein Gesammtbild des Ganzen erhalten.

Im vorigen Jahre durch meinen hochverehrten Lehrer, den Herrn Geh. Hofrath Professor Dr. R. Leuckarr auf dieses Gebiet aufmerksam gemacht, habe ich mich seit dieser Zeit befleißigt, die Athmungsorgane der Insekten so viel als möglich einer genaueren und eingehenderen Be- trachtung zu unterziehen. Vor Allem richtete ich mein Augenmerk auf den Bau der Stigmen und den bei der Athmung so wichtigen Tracheen- verschlussapparat. Die aus meinen Untersuchungen hervorgehenden Resultate nun sind es, welche ich in dieser Arbeit niederlege. Bevor ich jedoch dieselben mittheile, sei es mir gestattet, einen kurzen Überblick über die Untersuchungen der früheren Forscher zu geben.

Geschichtliches.

Obwohl es eine ganze Reihe von Forschern ist, die der Tracheen- athmung ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben, so ist doch die Litteratur über den Bau der Stigmen und den damit verbundenen Quetschapparat eine nicht allzugroße.

Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 34

506 Oskar Krancher,

Arıstoteugs (1)! war der Ansicht, dass die Insekten überhaupt nicht athmeten, trotzdem er oft genug beobachtet hatte, dass dieselben starben, sobald sie mit Öl vollständig bestrichen wurden. Er nahm eine den Thieren eingepflanzte Luft an, die im Körper hin und her bewegt würde, eine Ansicht, die in ähnlicher Weise auch von Prinius vertheidigt wurde. Erst späteren Forschern war es vorbehalten, über diesen Punkt einiges Licht zu verbreiten. Zu diesen zählen besonders MarrıcHi (3), SWANMER- Dam (2), Lyoner (k), SCHEELE, SPALLANZANI, VAUQUELIN, Erris und Andere, welche das enorme Athmungsbedürfnis der Insekten erkannten und den Versuch machten, die eingeathmete und wieder ausgestoßene Luft so- wohl quantitativ als auch qualitativ zu bestimmen. Besonders wiesen dieselben durch Versuche nach, dass die Insekten zwar einige Zeit in unathembarer Luft aushalten können, und dass eine Wasserstoff- oder Kohlensäureathmosphäre ihnen nicht so schädlich ist, wie den Wirbel- thieren, dass dieselben aber doch schließlich in dieser zu Grunde gingen. Einmal darauf aufmerksam gemacht, sollte man bald zu weiteren Resul- taten gelangen. Man entdeckte die Öffnungen, durch welche die Luft in den Körper aufgenommen wird. Ich erwähne hier zunächst SwANmMER- pam (2), der die Stigmen bei zahlreichen Insekten nachwies, selbst unter schwierigen Verhältnissen, wie beispielsweise bei Palingenia longicauda, bei der dieselben, wie er selbst sagt, außerordentlich klein seien. Reaumur (5) und DE GEER (6) lieferten eine ganze Reihe von Abbildungen verschiedener Bruststigmen und sprachen auch bereits die Vermuthung der Gegenwart von Luftlöchern am Abdomen aus. Lyoner (4) war der eigenthümlichen Ansicht, dass bei den Raupen nur ein mechanisches Eindringen der Luft in die Tracheen stattfinde, und stützte sich dabei auf das Resultat eines Versuches, der darin bestand, dass er die Stigmen mit Seifenwasser bestrich, um zu sehen, ob kleine Bläschen auf den- selben entständen. Da dies aber nicht der Fall war, so war nach seiner Ansicht obiger Satz vollkommen gerechtfertigt. Diesem schloss sich an- fangs auch Tarvıranus (7) an, der sich direkt auf Lyoner’s Versuch be- rief, später aber anderer Meinung wurde, indem er hervorhob, dass die Stigmen des Hinterleibes besonders in der Ruhe, die der Brust aber insbesondere im Fluge aus- und einathmeten. Auch stellte er Versuche durch Bestreichen mit Öl an, um dadurch die Existenz einer wirklichen Athmung zu beweisen. Gurt SPRENGEL (8) giebt in seinem Werke eine ganze Anzahl der schönsten Abbildungen von Stigmen, welche die sorg- samen Beobachtungen dieses Forschers kennzeichnen. So zeigt er uns unter Anderem die Stigmen der Larve des Nashornkäfers, erklärt solche

1 Die in Klammern eingeschlossenen Zahlen beziehen sich auf die Nummern des der vorliegenden Arbeit am Ende beigefügten Litteraturverzeichnisses.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 507

von der Puppe von Smerinthus populi und Libellula depressa und führt sogar die der Larve von Dytiscus marginalis vor.

In einer kleineren Abhandlung von Rensser (9) aus dem Jahre 1817 finden wir bereits einige Andeutungen über das Verschließen der Stigmenöffnungen, einen Vorgang, den derselbe besonders an Raupen, die er unter Wasser hielt, Gelegenheit nahm zu beobachten. Ebenso konnte er das Athmen der Insekten dadurch nachweisen, dass er beob- achtete, wie beim Eindringen der Luft in die Trachee der Bauch der- selben anschwoll, bei dem Auspressen aber zusammenfiel.

Eine weitere Bereicherung unserer Kenntnisse über die Athmungund die Athmungsorgane der Insekten datirt von BurmEIsTer (40), der die ver- schiedenen Arten der Stigmen in recht anschaulicher Form beschreibt und auch von dem Verschluss der Tracheen einige Kenntnis hat, indem er sagt:

» Die Stigmen sind mit eigenen muskulösen Vorrichtungen versehen, welche den Eingang öffnen und verschließen, so dass, nach Willkür des Thieres, bald Luft durch dieselben in die Röhre dringen, bald der Zu- gang ganz abgehalten werden kann.«

Doch der eigentliche Tracheenverschlussapparat war ihm ent- gangen; begreiflich, da derselbe eine nur sehr unbedeutende Größe be- sitzt. Bei Oryctes lässt Burmeister den dicht an das Stigma gerückten Verschlussapparat direkt auf das Stigma wirken, allerdings in etwas unkorrekter Weise; denn nicht das Stigma wird durch jenen Quetsch- apparat verschlossen, sondern die Trachee, die an das Stigma sich an- setzt. Deshalb hat auch Lanpoıs diesen Apparat ganz richtig den Tracheenverschlussapparat genannt. Die Stigmen bezeichnet Bur- MEISTER ganz richtig als Spalten oder kleine runde Öffnungen, die, an den Seiten der Leibesringel gelegen, theils von einem eigenen Hornringe umgürtet werden, theils auch von der äußeren Körperhaut selbst ge- bildet sind. Ein Jahr nach Burmeister erschien die von Oken (41) ins Deutsche übersetzte »Einleitung in die Entomologie« von Kırsy und SPENGE (44), worin ein ganzes Kapitel der Athmung der Insekten gewid- met ist. Hier wird bereits auf den komplicirten Bau der Luftlöcher Rücksicht genommen, indem dieselben mit einem Munde verglichen werden, der vermöge seiner Lippen geschlossen und geöffnet werden könne. Dass überdies auch die Idee eines Tracheenverschlussapparates ziemlich deutlich hervortritt, erkennt man an dem Satze:

»Das Thier, wo diese Organe mit Lippen versehen sind, hat ohne Zweifel einen Muskelapparat, womit es dieselben öffnen oder schließen kann; dieses soll durch Aufheben oder Niederlassen, oder vielmehr durch Zusammenziehen und Erschlaffen geschehen. «

Von anderen zu jener Zeit erschienenen Arbeiten, die theils nur

34 *

508 Oskar Krancher,

die Zahl der Stigmen und ihre Lage am Körper angeben, theils auch im Allgemeinen sich mit der Athmung der Insekten befassen, erwähne ich noch die von Carus (12), Durour (13), Gerstäcker (1%) und Pieter (15).

Im Lehrbuche von Beremann-Leuckart (16) finden wir gleichfalls einige recht interessante Angaben, aus denen hervorgeht, wie weit die Kenntnis des Quetschapparates und des Baues der Stigmen bereits zu Anfang der fünfziger Jahre sich abgerundet hatte. Seiner Wichtigkeit halber theile ich diesen Passus wörtlich mit. Er lautet:

»Der Durchtritt der Luft durch die Stigmen ist dem Einflusse eines besonderen regulatorischen Apparates unterworfen, der nur in wenigen Fällen vollkommen zu fehlen scheint. Dann bilden die Stigmen einen einfachen Querschlitz, beständig klaffend und offen für die durchtreten- den Gase. In anderen Fällen können die lippenförmigen Ränder durch einen besonderen kleinen Muskel einander genähert werden. Noch häufiger ist es, dass sich am Anfangstheil der Trachee ein zierlicher Muskelapparat entwickelt, der an eingelagerte Hornstückchen sich fest- setzt und die Kommunikation mit den Luftlöchern unterbrechen kann. Zur Abwehr fremder Körper, zum Schutz vor Staub, Wasser und der- gleichen, sind die Lippen der Stigmen sehr gewöhnlich mit einfachen oder befiederten Haaren besetzt, und etwas trichterförmig nach innen gezogen, während in ihrem Umkreise ein fester, horniger Ring sich aus- spannt. «

In dieser Weise mehren sich die Angaben, bis schließlich L. Lan- voıs (17) mit einer genaueren Beschreibung des Quetschapparates her- vortrat. Er behandelte zunächst einige Pediculinen und unterzog hier neben den Respirationsorganen auch den Tracheenverschluss einer näheren Betrachtung, indem er besonders nachwies, dass diese Vor- richtung dazu diene, die Tracheen in der Nähe der Stigmen zu ver- schließen, und zwar mit Hilfe eines kleinen Muskels, der ein Chitin- stäbchen an dieselbe andrängt. Bei nachlassender Muskelkontraktion sah er den Apparat durch die Elasticität der Chitintheile sich von selbst wieder öffnen.

Auf diesen so wichtigen Apparat einmal aufmerksam gemacht, untersuchte bald darauf dessen Bruder H. Lanpoıs (19) die Verhältnisse hei den verschiedenen Entwicklungsstufen der Lepidopteren, besonders bei Vanessa urticae, die, wie er nachwieß, in allen drei Stadien Stigmen- verschlüsse besitzt, obwohl dieselben in ihrer Bildung mannigfach von einander abwichen. Kurze Zeit darauf erschien eine weitere Mit- theilung desselben Forschers, in welcher er in Gemeinschaft mit TaELEN auf den Bau der Stigmen und des damit verbundenen Tracheenverschluss- apparates bei Tenebrio molitor näher einging (20), und schließlich, nach

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 209

Untersuchungen einer größeren Reihe von Insektenspecies aller Ord- nungen, eine größere Abhandlung über »den Tracheenverschluss bei den Insekten« (21). Der Werth dieser Arbeit und die Wichtigkeit derselben darf in keiner Weise unterschätzt werden, giebt sie uns doch zuerst ein Gesammtbild der großen Verschiedenheit dieses für alle Insekten so wich- tigen Apparates und seiner oft ziemlich komplicirten Beschaffenheit. Auch noch in einem später erscheinenden Werke von L. Lanpoıs (18) über » die Bettwanze und verwandte Hemipterengeschlechter« widmet derselbe ein volles Kapitel der Respiration, wobei er in ziemlich eingehender Weise des Baues der Stigmen und des Quetschapparates gedenkt, obwohl er dazu nur eine sehr ungenaue Abbildung giebt.

Ebenso sind in dem so berühmt gewordenen Werke von H. Lannoıs (22) über den Stimmapparat der Insekten manche Andeutungen über den Bau der Stigmen und der mit diesen verbundenen Stimmbänder und Brummringe niedergelegt.

Ein weiteres wichtiges Werk auf diesem Gebiete ist das in neuester Zeit erschienene Buch über die »Morphologie des Tracheensystems« von Pırmen (23). Dasselbe hat unser Wissen um einen bedeutenden Schritt dadurch gefördert, dass es neben dem Tracheensystem und den Tracheen- kiemen ganz besonders auch die Stigmenbildung in den verschiedenen Insektengruppen eingehend behandelt. Gleichzeitig wird darin das Ver- hältnis erörtert, in dem die Stigmen zu den Tracheenkiemen stehen, und der Nachweis geliefert, dass beide Organe weder ihrer Lage noch ihrer Zahl nach sich entsprechen, also auch keinerlei genetische Beziehung zu einander haben.

Auch GrABeEr (24) widmet in seinen »Insekten« dem Athmungs- apparate ein besonderes Kapitel, in dem er verschiedene wichtige Mo- mente berücksichtigt und auch den Quetschapparat in gebührender Weise erwähnt. Er vergleicht sehr schlagend die Stigmen mit Thüren und die Quetschapparate mit Schlössern, die vom Thiere selbst geöffnet und ge- schlossen werden können, so dass letzteres die Luftaus- und -einfuhr vollkommen in seiner Gewalt hat.

Schließlich bemerke ich noch, dass Leverart (25 und 26) die Dipterenlarven auf ihre Stigmenbildung untersucht hat und dabei zu Resultaten gelangt ist, mit denen die meinigen vollkommen überein- stimmen. Ebenso ist noch Weısmann (27) zu erwähnen, der neben der allgemeinen Entwicklung der Dipteren auch zugleich die der Stigmen beachtete, sowohl zur Zeit der Bildung des Embryo, als in der nach- embryonalen Zeit, bei den verschiedenen Larvenzuständen , der Puppe und der Imago. Näheres hierüber soll weiter unten erwähnt werden.

Die weitaus größeste Bedeutung von all diesen Arbeiten darf wohl

510 Oskar Krancher, -

den Untersuchungen von L. und H. Lanpoıs beigelegt werden. Durch sie ist zuerst ein genauer Einblick in den wenn auch kleinen, so doch regelrecht wirkenden Mechanismus dieser Apparate und ihrer großen Wichtigkeit geschaffen worden.

Allgemeines.

Bevor ich zu dem eigentlichen Thema meiner Arbeit übergehe, schicke ich einige Bemerkungen über den Bau der Stigmen im Allge- meinen, über ihre Lage, über Tracheenverschluss und deren Wichtig- keit, sowohl für die Athmung, als für den Flug des Insektes, voraus.

Als die einfachsten Stigmen, diejenigen, welche man gleichsam als unterste Stufe derselben hinstellen könnte, sind jene zu betrachten, welche nur eine Öffnung oder Spalte der Körperhaut vorstellen. Dieselbe kann je nach Umständen rund oder elliptisch sein und ist meist von einem Chitin- ringe umgeben, der sicherlich als Spange jener Öffnung dient, um diese vor dem Zusammenfallen zu schützen. Dass natürlich hier weder von Lippen, noch von einer Beweglichkeit des Randes die Rede sein kann, versteht sich von selbst. Derartige einfache Luftlöcher treffen wir in sehr typischer Form beispielsweise bei den Wanzen, nur kommt hier noch hinzu, dass das Stigma sich nach hinten zu trichterförmig verengt und die eigentliche Öffnung dann ziemlich klein ist. Auch möchten die Dipteren hierher in so weit zu rechnen sein, als dieselben in ihren Ab- dominalstigmen die gleiche primitive Form zeigen. Oft tritt nun an diesen Stigmen noch dadurch eine Komplikation auf, als über diese Öff- nung hin sich eine Menge steifer Haare oder Borsten erstrecken, die dazu dienen, fremde Körper, wie Staub, Wasser und dergleichen, vor dem Eindringen zurückzuhalten. Ich erwähne hier die Stigmen der Puliciden. Ebenso sind im Inneren des Stigmas oft Näpfchen und Spangen anzu- treffen, die sicherlich dazu bestimmt sind, die Öffnungen in der Ruhe offen zu erhalten.

Komplicirter bereits gestalten sich diejenigen Stigmen, die mit Lip- pen versehen sind. Burmeister (10) rechnet zu diesen Formen als unterste Stufe die Stigmen der Orthopteren und erwähnt besonders Gryllotalpa. Dieselben stellen einen aufgeworfenen, mit kurzen Haaren besetzten Rand dar, dessen eine Seite meist etwas höher steht und theilweise über die anderen hinweggreift, so eine Art Deckel bildend. Den Verschluss, der bei diesen Stigmen in Betracht kommt und fest mit denselben ver- wachsen ist, hat Burmeister allerdings ziemlich richtig erkannt, indem er von einem kleinen Muskel spricht, der von einem hornigen Vorsprung des unteren Lippenwinkels entspringt und sich an zwei hornige Halb- ringe ansetzt, die den Anfang des Luftloches umgeben. In wie weit

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 511

dies korrekt erscheint, wird weiter unten einer eingehenderen Be- sprechung unterliegen. Ebenso sind die Stigmen einiger kleiner Cole- opteren hierher zu zählen. Weit komplieirter aber gestalten sich diese Stigmen dadurch, dass an den oben genannten Lippen sich mehr oder weniger verzweigte Haare ansetzen, die dann entweder unabhängig und isolirkı von einander sind, wie bei den meisten Käfern und vielen Schmetterlingen, oder durch ihre feine Verzweigung unter einander eng verfilzt sind, so dass sie bei oberflächlicher Betrachtung nicht von ein- ander zu unterscheiden sind.

Diese Art der Stigmen findet sich größtentheils bei den Larven der Lepidopteren. Oft sind auch die Haare durch Querfortsätze mit einander verwachsen, so dass sie dem Auge als ein Sieb entgegentreten, wie es gleichfalls viele Larven der Lepidopteren und eine große Anzahl der Coleopieren erkennen lassen. Wozu dieses feine Haarnetz in den Stig- men sich befindet ist leicht zu ersehen; es dient als Seihapparat der in die Trachee aufzunehmenden Luft, um den fremden Körpern den Eintritt in die Lufträume zu versperren. Dieses Haarfilter ist oft sehr schön aus- gebildet, und bietet dem Beobachter oft die prächtigsten Bilder. Ich verweise hier auf die Stigmen der CGoleopteren, besonders unseres Dytis- cus marginalis.

Als weitere Form der Stigmen tritt uns ferner diejenige enigegen, welche makroskopisch ziemlich kreisrund erscheint, bei näherer Be- trachtung aber aus einem sehr breiten Rande und einem koncentrischen Mittelstück besteht. Dies Stigma erscheint ziemlich komplicirt und sein Bau ist einzig und allein durch Längs-, Quer- und Flächenschnitte zu ergründen. Eine derartige Form zeigen die Larven der Lamellicornier. Burneister hat den Bau dieses Stigma vollkommen missverstanden. Was er für die eigentliche Öffnung des Stigma ansah, ist nur eine stärkere Chitinanhäufung, die als Ansatz des Muskels dient. Weiteres wird sich später an geeigneter Stelle finden.

Eine besondere Form von Stigmen ist auch diejenige, bei der sich über die äußere Öffnung nach innen zu ein Chitinnäpfchen hinwegwölbt, an dessen einer Seite dann die Trachee ihren Ursprung nimmt. Hierher gehören besonders die Stigmen der Hymenopteren, wohl auch zum Theil die der Puliciden.

Endlich erwähne ich noch die Stigmen der Dipterenlarven und Puppen, die sich aus einer Anzahl von Einzelstigmen zusammensetzen, röhrenförmig nach unten laufen und sich dort zu einer gemeinschaft- lichen Trachee vereinigen , der die einzelnen Röhren, besonders an den vorderen Stigmen, wie Finger an der Hand, aufsitzen.

So können wir also folgende Haupttypen der Stigmen unterscheiden:

512 Oskar Krancher, |

I. Stigmen ohne Lippen:

a) Das einfachste Stigma ist ein Loch, um das herum sich ein Chitinring legt (Acanthia).

b) Das Stigma ist aus einer Reihe von Einzelstigmen zusammen- gesetzt, die meist von einem gemeinsamen Chitinringe um- geben sind und deren röhrenförmige Fortsätze sich nach unten zu einer Trachee vereinigen (Larven und Puppen der Dipteren).

ll. Stigmen mit Lippen:

c) Die Lippen stellen einfach gebaute, spärlich behaarte Chitin- wülste vor (Gryllotalpa).

d) Die Lippen sind meist dachförmig nach innen zulaufend und zeigen eine üppige Behaarung, die nicht selten zu einem engen Filznetz zusammengepackt ist (Goleopteren, Lepi- dopteren).

e) Das ziemlich runde Stigma zeigt an der einen Seite ein nach dem Centrum vorspringendes Mittelstück (Larven der Lamelli- cornier).

Was die Anzahl der Stigmen bei den verschiedenen Thieren anbe- trifft, so ist diese eine stets variirende. Sogar in den verschiedenen Ent- wicklungsstufen treten uns hier die größten Mannigfaltigkeiten entgegen. Es ist darum ziemlich schwierig, hierüber bestimmte Gesetze und Regeln aufzustellen. Pırmen (23) hat in seinem Werke diesen Gegenstand in einem besonderen Kapitel: »Die Formentypen des unvollständig ge- schlossenen Tracheensystems bei den Insektenlarven« eingehend behan- delt. Das vollständig geschlossene Tracheensystem belegt er mit dem Namen apneustisch, das ganz offene aber mit dem Namen holopneustisch ; die dazwischen liegenden zwölf Formentypen nennt er dann hemi- pneustisch. Letztere Gruppe besitzt wieder verschiedene Unterab- theilungen, sei es, dass die Stigmen am Thorax einfach und am Ab- domen vollzählig vorhanden sind (peripneustisch), sei es, dass nur das Abdomen (metapneustisch) oder nur der Thorax (propneustisch) je ein Paar Stigmen aufzuweisen hat, oder sei es schließlich, dass Thorax und Abdomen zugleich je ein Paar Stigmen besitzen (amphipneustisch).

Der Hauptsache nach unterscheiden wir zweierlei Arten von Stigmen, nämlich: |

1) Die Thorakalstigmen, meist als zwei Paare vorhanden, jedoch oft auch nur in einem Paare vertreten. |

2) Die Abdominalstigmen, die in verschiedener Zahl am Hinterleibe vorhanden sind.

Wie bereits erwähnt, trifft man die Thorakalstigmen meist in zwei

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 513

Paaren an, sei es nun, dass diese am Pro- und Metathorax, sei es, dass sie am Meso- und Metathorax ihre Lage haben. Noch nie aber hatte man bis jetzt gefunden, dass Stigmen am Pro- und Mesothorax zugleich vor- kommen, vielmehr schloss stets das Vorhandensein von Luftlöchern am ersten Brustringel eine Anwesenheit solcher am zweiten aus und umge- kehrt. Die allgemeine Gültigkeit dieses Satzes wird jedoch widerlegt durch das Vorhandensein von Stigmen am Pro-, Meso- und Metathorax bei den Puliciden. Das erste Stigma des Thorax ist allerdings etwas schwierig aufzufinden, und dies mag wohl auch der Grund des leichten Übersehens desselben gewesen sein; verfolgt man jedoch die Trachee in ihrem Längsstamme, so wird man schließlich auch dies Stigma auf- finden. Dasselbe ist von einer stärkeren Chitinspange umgeben und meist unter der Kopfkrause des Flohes verborgen. Es ist dies aber der einzige bekannte Fall, in dem Stigmen zugleich an allen drei Brustringeln der Imago auftreten. Dieses Umstandes thut auch TascHEnBErG (28) in seinem neu erschienenen Werke über die Flöhe gebührend Erwähnung.

Was die Abdominalstigmen anbetrifft, so ist deren Anzahl in den verschiedenen Gruppen eine sehr verschiedene. Als Norm lässt sich hinstellen, dass dieselbe die Zahl von neun Paaren nicht überschreitet, wie denn überhaupt die größte Zahl von Stigmen bei den Hexapoden über zehn Paare nicht hinausgeht. Dieselben liegen meistentheils zwi- schen zwei Abdominalringeln, können jedoch auch bis auf die Mitte derselben vorrücken. Größtentheils trifft man sie dem Rücken ange- nähert, und stets symmetrisch an beiden Seiten der Ringel; doch finden sie sich gelegentlich auch mehr oder weniger nach der Bauchfläche zu, wie dies beispielsweise bei den Pediculinen zu ersehen ist. Die mehr oder weniger versteckte Lage der Stigmen korrespondirt meist mit der verschiedenen Lebensweise der Thiere. Solche Insekten, die in staubi- ger Luft sich aufhalten oder vielleicht gar auf den Aufenthalt in der Erde angewiesen sind, tragen ihre Athemlöcher am meisten versteckt, wie dies bei den meisten Käfern und wohl allen Hymenopteren der Fall ist [vergleiche hierzu Beramann-LeuckArt (46)]. Bei den ersteren liegen sie in den dünnen Verbindungshäuten zwischen je zwei Ringen, bei den letzteren am oberen Rande der Segmente, so dass sie beim fernrohr- artigen Übereinanderschieben der Abdominalsegmente vollkommen be- deckt werden, ohne dass die Zufuhr der Luft deshalb gänzlich abge- schlossen wäre. Bei den Käfern sind sie außerdem noch von den schützenden Flügeldecken überlagert. Anders gestaltet sich dies bei den Insekten, die einer reineren Athmosphäre angehören, wie wir dies bei den Pulieiden, Pediculinen, Acanthiaden und ähnlichen Formen antreffen.

514 Oskar Krancher,

Hier liegen die Stigmen frei auf der Körperoberfläche, indem sie mehr oder weniger weit in die einzelnen Segmente hinein vorrücken.

Finden sich die Stigmen frei und ohne jegliche Bewehrung am Ab- domen, dann sind dabei andere Momente maßgebend, durch welche ein Eindringen von fremden Körpern in die Trachee verhindert wird. In solchen Fällen ist vielleicht der Körper selbst sehr dicht behaart, wie bei den meisten Dipteren und Neuropteren, wohl auch vielen Lepidopte- ren, oder es stellt das Stigma entweder einen schmalen Spalt vor, der durch eine Anzahl von randständigen Haaren überdeckt ist, wie es viele Orthopteren zeigen, oder es ist das Innere des Stigma durch eine üppige Wucherung von Haaren zu einem dichten Filter für die Luft geworden, wie solches den meisten Insekten zukommt. So sehen wir, dass auch in dieser Hinsicht ein’ jedes Thier dem Medium, in dem es sich aufhält, vollkommen angepasst ist.

Hinter der äußeren Stigmenöffnung liegt nun mehr oder weniger weit entfernt der Tracheenverschlussapparat, mit dem sich, wie be- merkt, besonders H. Lannoıs und TueLen beschäftigt haben. Derselbe besteht der Hauptsache nach, gleich den Hartgebilden der Trachee und des Stigmas, aus Chitin, und setzt ein Gebilde zusammen, an dem wir vier Theile unterscheiden können, wie ich das in den folgenden Unter- suchungen des Weiteren aus einander setzen werde. Diese sind:

1) der Verschlussbügel,

2) der Verschlusshebel oder Verschlusskegel,

3) das Verschlussband,

4) der Verschlussmuskel.

Die ersten drei Theile sind chitinisirt; sie umgeben das Tracheen- rohr ringförmig und sind gelenkartig mit einander verbunden. Der Ver- schlussbügel besitzt meist eine halbmondförmige Gestalt und umspannt gewöhnlich die eine Hälfte des Tracheenrohres. Auf der anderen Seite treffen wir das Verschlussband, das durch allerhand Vorrichtungen, die den Verschlusshebel oder Kegel vorstellen, gegen den Verschlussbügel _ angedrückt wird. Dieser Hebel zeigt sich meistentheils als ein schwacher Chitinstab, der den Verschluss bewerkstelligt; er kann aber auch, recht- winklig gebogen, zu einem typisch ausgeprägten Hebel werden, wie bei den Lepidopteren, oder er kann in Form von zwei Kegeln auftreten, die mit ihrer Basis gegen den Verschlussbügel hin drücken.

Der Verschluss wird durch die Kontraktion von Muskeln bewirkt, während die Öffnung durch die Elastieität der Chitintheile selbst erfolgt. Im Zustande der Ruhe ist natürlich der Apparat geöffnet, so dass die Luft in den Tracheen ohne Hindernis mit der äußeren Luft kommunicirt. Der Verschlussmuskel besteht im Großen und Ganzen aus einer mehr

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 515

oder minder beträchtlichen Anzahl von Fasern, die allesammt gut quer- gestreift sind und nach Karminfärbung ihre Kerne ziemlich prägnant hervortreten lassen. Meist ist der Ansatz des Muskels nun so, dass sich das eine Ende desselben an den Verschlusskegel befestigt, während das andere Ende an den Verschlussapparat selbst, und hier wohl stets an den Verschlussbügel sich inserirt. Doch findet man auch Fälle, wo das andere Ende des Muskels an die Hypodermis sich anheftet. Hat aber, wie bei Melolontha, der Verschlussapparat zwei Hebel aufzuweisen, so verbindet natürlich der Muskel diese beiden unter einander und bewirkt durch kräftige Kontraktion einen festen Verschluss der Trachee. Man darf jedoch nicht glauben, dass dies die einzige Art der Tracheenver- schlüsse sei. Unser Apparat zeigt vielmehr einen außerordentlich ver- schiedenen Bau. Von den oben beschriebenen Hebeln abgesehen, er- scheint er bald in der Form von Klappen (Sirex), bald als Pinzette (Pulex), bald auch als ein Ring (Larve von Dipteren) mit daran sitzendem Ringmuskel, oder als Ring, welcher einfach zusammengezogen wird (Thorakalstigmen der Dipteren), wie dies bei den einzelnen Ordnungen und Arten genauer erörtert werden soll. Aber so viel sei schon hier gesagt, dass Tracheenverschlussapparate keinem Insekte fehlen, wenn sie auch bei einigen Arten minimal ausgebildet sind. Ja selbst ein jedes Stigma besitzt den Quetschapparat. Hinter dem letzteren beginnt dann erst die eigentliche Trachee mit ibrer spiraligen Zeichnung und ihrer Ästelung.

Auf die Frage, wie man sich jenen Tracheenverschlussapparat entstanden denken könnte, möchte ich folgende Antwort geben : »Der- selbe stellt nichts weiter vor, als eine lokal verdickte Stelle der Spiral- faser der Trachee, die sich schließlich in jene Theile umgestaltet hat.« Leider sind gerade über diesen Punkt noch keine Untersuchungen ge- macht worden, obwohl es recht lohnend sein würde, ihn zum Gegen- stand einer eingehenderen Untersuchung zu wählen. Meine Behauptung stützt sich darauf, dass bei dem primitivsten Verschlussapparate, wie wir ihn bei den Larven der Dipteren und beim Mehlwurme vor Augen haben, die ganze Trachee an jener Stelle von einem aus zahlreichen Chitinschichten bestehenden Ringe umgeben ist, der einer verdickten Spiralfaser nicht unähnlich ist. Selbst die komplicirteren Apparate lassen jene Zusammensetzung oft noch deutlich erkennen, so dass man fast der Ansicht werden könnte, als sei der Verschlussbügel, bei dem dies vor- zugsweise der Fall ist, aus lauter einzelnen Tracheenspiralen zusammen- geleimt. Durch eine größere lokale Chitinablagerung bildeten sich dann die damit zusammenhängenden stärkeren Chitintheile, wie sie uns in den Verschlusskegeln in mannigfacher Form entgegentreten.

516 Oskar Krancher,

Dass die Verschlussmuskeln von Nerven versorgt werden, hat H. Lanpoıs in seiner Abhandlung über Tracheenverschlüsse ziemlich deutlich an der Cossusraupe und bei Melolontha nachgewiesen, so dass ich glaube, hier einer weiteren Beachtung dieses Punktes enthoben zu sein.

Welch hohe Bedeutung die Tracheenverschlussapparate für die Athmung der Insekten und ebenso für deren Flugvermögen haben, hat schon Lanpoıs (21) angedeutet; doch glaube ich diesen so wichtigen Punkt hier nicht ohne Weiteres übergehen zu dürfen.

Die Tracheen durchziehen den Körper der Insekten in der mannig- fachsten Verzweigung, und verästeln sich an den Organen, an die sie herantreten, bis zu den feinsten Gapillaren. Doch ist an allen Stellen ihre Struktur eine gleiche, indem sie, wie besonders Guun (29) nach- gewiesen hat, überall aus einer chitinigen Spiralhaut bestehen, über die sich eine kernhalltige Zellschicht, die äußere Peritonealhülle, ausbreitet. Da nun aber die Tracheen vermöge ihrer Struktur durchaus nicht dazu geeignet sind, die Luft in sich selbst fortzubewegen, dieselbe aber bis in die letzten Endigungen der Trachee eintreten muss, um dort den Oxydationsprocess zu erfahren, so müssen Momente vorhanden sein, welche die Luft zwingen, bis dahin vorzudringen. Deren giebt es eine ganze Reihe, sei es die Körperbewegung, welche eine Verengung und Ausdehnung der Trachee veranlasst, sei es, dass Tracheen in Muskel- fasern liegen und so bei deren Kontraktion verengt und erweitert wer- den, sei es sogar, wie Lanvoıs angiebt, dass der Blutstrom oder die Be- wegung von Muskeln, die den größeren Tracheenstämmen aufliegen, dabei ins Spiel kommen. Aber alles dies vermag nicht in der Weise zu. wirken, wie es der Tracheenverschlussapparat thut. Fehlte dieser, so könnte das Thier überhaupt nicht athmen und wäre somit unfähig, zu leben. Ohne Tracheenverschluss würde das Thier, wollte es athmen, die Luft, welche in den Körper eingesogen wird, stets wieder durch die entsprechende Gegenbewegung ausstoßen :: nie würde dieselbe bis zu den feinsten Verästelungen vordringen. Tritt aber der Tracheenver- schlussapparat in Wirkung, und die Tracheen sind mit Luft gefüllt, so wird die Luft durch Zusammenziehen des Körpers und der damit ver- bundenen Verengerung der Tracheen wohl oder übel bis in die feinsten Enden derselben gedrängt, wo der Gasauslausch in ausgiebigster Weise erfolgen kann. Beim Öffnen sämmtlicher Verschlussapparate wird dann die Luft durch Körperbewegung und Zusammenschiebung des Abdo- mens, durch Laufen oder Fliegen, größtentheils wieder entfernt, bis die Operation von Neuem beginnt. Wir sehen also, welch große Wichtig- keit der Verschlussapparat für die Athmung hat.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. Ä 517

Aber von nicht minder großer Bedeutung ist er auch für die Flug- bewegung des Insektes, weil ja während des Fluges die Respiration eine gesteigerte ist. Kurz vor dem Fluge werden die Tracheen und die damit theilweise verbundenen Tracheenblasen mit Luft vollgepumpt, um ein- mal ein Reservoir für die gesteigerte Athmungsthätigkeit abzugeben, und ferner auch, um den Körper specifisch leichter zu machen. Dieses Voll- pumpen kann man sehr deutlich bei Maikäfern beobachten, die kurz vor ihrem Abfluge ruckweise Bewegungen machen und dann gleichsam in die Luft hinaus springen. Alles das aber könnte natürlich nicht statt- finden, wenn die Tracheenverschlüsse fehlten, denn nur mit Hilfe der letzteren wird die einmal eingesogene Luft in das Innere der Tracheen gequetscht, bis dieselben und die damit zusammenhängenden Blasen gleichsam von Luft überfüllt sind.

Dass die Stigmen wirklich als Einfuhröffnungen der Luft dienen, lässt sich, wie es viele ältere Forscher und auch Lanpoıs gethan haben, am leichtesten experimentell dadurch nachweisen, dass man einfach die Stigmen mit Öl verklebt, wobei das Thier schließlich nach kürzerer oder längerer Zeit wegen Mangel an nöthiger Luft zu Grunde geht. Am besten zu diesen Zwecken eignen sich natürlich nackte oder nur sehr spärlich behaarte Raupen, wie Sphinx ligustri, Cossus ligniperda und dergleichen, da man deren Stigmen sehr deutlich erkennen kann und nicht in die Lage kommt, einige derselben zu übersehen.

Bevor ich nun zu demjenigen Abschnitte übergehe, welcher eine specielle Darstellung meiner Untersuchungen enthält, erwähne ich, dass alle folgenden Beobachtungen im hiesigen zoologischen Institute ge- macht worden sind, und zwar unter der persönlichen Leitung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Geheimen Hofrathes Professor Dr. R. Leuckart. Ich glaube darum hier den günstigsten Platz gefunden zu haben, diesem meinen verehrten Lehrer meinen wärmsten und innigsten Dank auszusprechen, sowohl für die gütige Leitung und den thätigen Beistand bei der Präparation und Untersuchung, als auch für die un- ermüdliche Hilfe, die er mir stets angedeihen ließ, und für die Güte, mit welcher derselbe mir bei oft eintretendem Mangel aus den Vor- räthen des zoologischen Institutes das geeignete Material überließ und es ermöglichte, Arten zu untersuchen, die für mich sonst schwierig zu erlangen gewesen wären.

Bei den nun folgenden Detailangaben werde ich so verfahren, dass ich die einzelnen Species nach den von Craus (30) in seinem Lehrbuche aufgestellten sieben Ordnungen betrachte, zunächst aber dieselben in übersichtlicher Weise hier zusammenstelle.

918

II.

MI.

IV.

‚Oskar Krancher,

Hexapoda.

. Rhynchota, Schnabelkerfe :

1) Aptera oder Parasitica :

Pediculus capitis, Haematopinus suis, Phthirius pubis.

2) Phytopihires:

3) Cicadaria:

4) Hemiptera:

Acanthia lectularia.

Diptera, Zweiflügler:

4) Aphaniptera:

Pulex irritans, P. canis, P. avium.

2) Pupiparae:

Melophagus ovinus, Anapera pallida.

3) Brachycera:

Musca vomitoria, M. domestica, Sarcophaga carnaria, Oestrus bovis, Gastrus equi.

4) Nemocera:

Lepidopteren, Schmetterlinge:

Microlepidopteren:

2) Geometrina:

Noctuina :

Bombyeina:

Euprepia (Raupe), Bombyx mori, Cossusligniperda (Raupe).

Sphingina:

Macroglossa stellatarum, Sphinx euphorbiae (Raupe), Sme- rinthus populi (Puppe), S. tiliae (Raupe), S. ocellata (Raupe und Imago).

6) Rhopalocera:

Vanessa Jo (Raupe), Pieris brassicae.

Orthopteren, Geradflügler :

4) Thysanura:

2) Orthoptera genuina:

Forficula auricularia, Gomphocerus, Gryllotalpa vulgaris, Gryllus campestris. 3) Orthoptera pseudo-Neuroptera : Aeschna grandis, Libellula virgo.

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. Neuroptera, Netzflügler:

4) Planipennia: Rhaphidia, Panorpa communis, Chrysopa perla. 2) Trichoptera :

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 519

VI. Coleopteren, Käfer: 1) Gryptotetramera: Coceinella septempunctata. 2) Cryptopentamera: Lina populi, Hylobius abietis. 3) Heteromera: Melo& proscarabaeus. 4) Pentamera:

Cantharis dispar, Elater murinus, Geotrupes stercorarius, Melolontha vulgaris (Larve und Imago), Oryctes nasi- cornis, Osmoderma eremita, Silpha obscura, Necropho- rus vespillo, Hydrophilus piceus, Dytiscus marginalis, Carabus auratus, GC. nemoralis, Cieindela campestris.

VII. Hymenopteren, Hautflügler : 1) Terebrantia: Sirex gigas (Larve und Imago). 2) Entomophaga: 3) Aculeata:

Formica rufa, Vespa vulgaris, V. crabro, Bombus terrestris,

Apis mellifica.

Rhynchota.

Was zunächst die Litteratur dieses Abschnittes anbetrifft, so sind hier besonders die beiden Arbeiten von L. Lannoıs (19, 20) zu erwähnen, welche die Stigmen und den Verschlussapparat der Pediculinen und der Bettwanze behandeln.

Die Stigmen der Pediculinen erscheinen alle, wenigstens bei den von mir untersuchten Arten, in Form eines mehr oder minder großen trichterförmigen Näpfchens, mit einer kleineren Öffnung, die nach außen, und einer größeren, die nach innen zu gelegen ist. Besonders typisch tritt dies uns bei Phthirius pubis entgegen. Die äußere Öffnung bildet ein ziemlich kleines Loch, das zu der inneren trichterförmigen Weite meist etwas excentrisch liegt. Es ist von einem schwachen Chitinringe umgeben, der als Spange für die Öffnung dient.

Am Körper der Läuse kann man überhaupt sieben Paar Stigmen vorfinden, von denen das erste Paar am Thorax gelegen ist, während die anderen dem Abdomen angehören. Wie bereits früher gesagt, zeigt das Bruststigma einen etwas abweichenden Bau und ist, was besonders hervorzuheben, größer als die des Abdomen. Alle Stigmen sind unter einander durch deutlich sichtbare Tracheenstämme verbunden; die bei-

520 Oskar Krancher,

den letzten haben einen starken Querstamm zwischen sich, der die Ver- bindung der beiden Längsstämme am Hinterende des Körpers vermittelt. Von diesen Stämmen zweigen sich andere ab, die schließlich als feine Ästchen und Capillaren an die Organe herantreten. Der hier überall sich vorfindende Verschlussapparat der Trachee liegt oft ziemlich weit vom Stigma entfernt.

Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse bei den anders Abtheilungen der Rhynchoten,, wie beispielsweise bei den Acanthiaden, nur dass bei diesen die äußere Öffnung die größere und die innere die kleinere und engere ist, so dass das Stigma hier vollkommen die Form eines Trichters annimmt. Auch liegt hier der Verschlussapparat dem Stigma weit näher, als bei den Läusen.

Betrachten wir jetzt die einzeln untersuchten Species, und zwar zunächst:

Pediculus capitis.

Wie bereits gesagt besitzt die Kopflaus, wie auch alle anderen, sieben Paare Stigmen, von denen das vordere dem Thorax angehört und zwischen dem ersten und zweiten Beinpaare seine Lage hat, also wohl dem Prothorax zuzurechnen ist. Es zeichnet sich durch Größe und eigenthümliche Form aus, die von der der Abdominalstigmen wesentlich abweicht. Auf Querschnitten tritt es als ein nach innen zu verlaufender, zipfelartig sich verengender Raum entgegen, der äußerlich von der Körperhaut kuppelartig überwölbt ist und eine eigenthümliche Quer- streifung zeigt. Im Inneren sind an den Wandungen zahlreiche Haare angesetzt, die nach allen Richtungen hin aus einander stehen und am besten auf guten Querschnitten zu beobachten sind. Rings um jenen zipfelartigen Anhang findet sich eine ziemlich starke Chitinhülle, welche jedenfalls dazu dient, den Querschnitt des Trichters stets offen zu er- halten. Derselbe ist von eigenthümlichen Spiralleisten durchzogen, die jedoch nicht unter sich zu einem Ganzen verbunden sind, sondern Chitinringe vorstellen, die auf der einen Seite nicht geschlossen sind, vielmehr von einem Spalte durchsetzt werden!, der sich über die ganze Länge hinzieht und fast den Glauben erwecken kann, als habe man es mit einem engen Gange in der Trachee zu thun. Theilweise sind diese Spiralleisten auch ganz unregelmäßig vertheilt und dann zu einem ver- worrenen zellenartigen Netze verbunden. Da, wo die eben besprochene Chitinhülle endigt, setzt sich die Trachee an, die in Form eines dünn- häutigen Rohres ohne weitere Struktur bis an den Tracheenverschluss-

1 Eine gleiche Bildung ist bisher der einzige Fall dieser Art, von LEUCKART an Tracheenfäden gewisser Heuschrecken beobachtet. WaAsner's Zootom. Bd. II. p. 88.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 521

apparat sich verfolgen lässt. Dieser tritt uns als ein elliptischer Ring entgegen, welcher, dunkler pigmentirt, als das anliegende Rohr, um den bei Weitem größten Theil der Trachee herumgelest ist. Da nun, wo dieser Ring offen ist und nur eine dünne, kaum erkennbare Chitinlamelle die Lippen desselben verbindet, befindet sich ein Muskel, welcher den Enden ansitzt. Die Wirkung desselben besteht darin, dass er den ohne- hin nur engen Ring schließt und die Trachee damit unwegsam macht. Von oben betrachtet erscheint das Stigma als Scheibe, in welcher meist etwas excentrisch die sehr kleine Öffnung liegt, die von einem schwachen Chitinringe umgürtet ist. Um die Öffnung herum ordnet sich eine Reihe radiärer Strahlen, die nach innen zu verlaufen. Anders aber gestalten sich die Abdominalstigmen, die in sechs Paaren sich finden und, was besonders von den letzten beiden Paaren gilt, bis an den Seitenrand vorrücken. Ihre Form ist die eines umgekehrten Trich- ters, dessen hinterer Theil also der weitere ist. Die äußere Öffnung ist ziemlich klein und von einem zierlichen Chitinringe umgeben, dem die dem Hautskelett der Insekten so oft zukommende zellenförmige Zeich- nung eigen ist. Der Innenraum des Trichters ist mit einer Menge Haaren versehen, so dass das Ganze einem Filter gleicht, in dem die Luft von den Staubpartikeln gereinigt wird. Nachdem das Näpfchen seine größte Weite erreicht hat, zieht es sich plötzlich zu einer sehr engen Röhre zu- sammen, an der in nicht allzugroßer Entfernung der Quetschapparat liegt. Auch an diesen Stigmen stellt derselbe einen mehr oder minder deutlichen Chitinring dar, welcher die Trachee einschnürt und auf der- selben sich spaltet, indem der eine Theil desselben nach dem äußeren, der andere nach dem inneren Theil der Trachee zu verläuft. Die Trachee erfährt dabei eine deutlich hervortretende Knickung, so dass der Raum für die hindurchtretende Luft beträchtlich verengt ist. Wird die Knickung um ein Weniges verstärkt, so muss ein vollkommener Verschluss er- folgen. Wie aber ein solcher herbeigeführt wird, habe ich lange Zeit vergebens zu erforschen gesucht, da ich trotz aller angewandten Metho- den von einem Muskel nichts entdecken konnte. Lanpoıs spricht in seinem Werke über die Pediculinen von einem Chitinstäbchen, das den Verschluss bewirke; doch habe ich bei Pediculus capitis auch mit den stärksten Vergrößerungen keine Spur eines derartigen Gebildes ent- decken können. Nur Phihirius pubis und Haematopinus suis zeigen ein solches. Ob und wie weit somit unsere Untersuchungen betreffs dieses Punktes aus einander gehen, muss ich vorläufig dahin gestellt sein lassen; doch leuchtet es ein, dass ein Muskel hier nicht unbedingt noth- wendig ist. Wenn das Thier durch Körperzusammenziehung die Luft in die äußersten Enden der Tracheenverzweigungen treiben will, so Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 35

522 Oskar Krancher,

werden die Tracheen ohne Zweifel in andere Lage kommen, so dass eine Knickung der Trachee eintritt und den Verschluss herstellt.

Haematopinus suis.

Den oben beschriebenen Verhältnissen ähnliche sind auch bei diesem Thiere zu finden, bei dem die Präparation übrigens weniger schwierig ist, da die Körpergröße nicht unbeträchtlich gewachsen, und die Lage der Stigmen durch stark pigmentirte Chitinstellen deutlich hervortritt. Auch hier zählen wir sieben Stigmen, von denen das vorderste dem Thorax zufällt und am Grunde des zweiten Beinpaares, also am Mesc- ihorax, liegt. Wie bei der vorigen Art zeichnet sich dasselbe vor den anderen durch seine Größe aus. Es hat eine trichterförmige Gestalt und äußerlich einen stark gewölbten, länglich ovalen, wulstigen Chitinring, der die bekannte zellig-strahlige Zeichnung aufweist. Die äußere Öff- nung ist nicht allzugroß zu nennen, jedoch keineswegs so klein, wie bei den übrigen Pediculinen. Nach innen zu setzt sich das Stigma in eine strahlig-streifige, wenig tiefe Höhlung fort, welche unten mit dem hier sehr deutlich hervortretenden Verschlussapparate ihren Abschluss findet. Selbiger stellt einen starken, tief schwarzen, länglich ovalen Chitinring vor, der sich vollkommen an die eine Seite der Trachee anschmiegt, nach der einen Seite hin ziemlich stark zapfenförmig sich auszieht und dort mit dem Verschlusshebel gelenkartig verbunden ist. Letzterer stellt ein der Länge des ausgezogenen Ringes entsprechendes Chitinstäbcehen vor, das sehr deutlich erkennbar ist. Zwischen dem Stäbchen und dem Chitinringe zieht sich die Trachee hindurch, welche erst hinter diesem Verschlussapparate ihre regelmäßige Spiralstruktur zeigt.

Das freie Ende des Chitinhebels und das freie Ende des langge- zogenen ovalen Ringes sind nun durch einen schwachen Muskel mit einander verbunden, welcher bei seiner Kontraktion beide Chitintheile einander nähert und dann, nach Pinzettenart, einen vollkommenen Ver- schluss der Trachee herstellt.

Nicht sehr von diesen Stigmen verschieden sind die des Abdomens. Zwar sind dieselben viel kleiner, als die thorakalen, doch zeigen auch sie jenen wulstförmigen Rand mit seiner eigenthümlich zelligen Thei- lung und die tief nach hinten gehende zipfelartige Tute. Letztere ähnelt dem Theile des Stigma der Kopflaus, welcher direkt hinter der äußeren Öffnung am Thorax nach innen zu gelegen ist, indem er ebenfalls jene nicht geschlossenen Spiralringe zeigt, die ich bei jenem bereits erwähnt habe. Doch treten dieselben hier deutlicher hervor und geben so dem Ganzen ein zierliches Aussehen. Das Innere ist mit einem Walde von Haaren besetzt, der hinten, wo sich jener Theil verengt, natürlich viel

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 523

dichter erscheint, als an der vorderen Seite. Wo die eigenthümliche, stark chitinisirte Bildung aufhört, vereinigt sich die Trachee zu einer außerordentlichen Feinheit, und dort ist es, wo der Quetschapparat zu suchen ist. Derselbe tritt in der Weise auf, dass auf der einen Seite der Trachee ein ziemlich langes, dunkelbraunes Chitinstäbchen auf- liegt, dessen freies Ende knopfartig angeschwollen ist. Die andere Seite der Trachee zeigt einen ziemlich kräftigen Chitinstreifen, der sich längs der Trachee hinzieht und dem Hebel gegenüber in ein breiteres Blättchen sich umwandelt. Zwischen diesem und dem freien Ende des eigentlichen Hebels spannt sich ein zarter Muskel aus, der sich nur aus einigen Fasern zusammensetzt und schon durch geringe Kontraktion ein Verschließen der dort ohnehin nur engen Trachee bewirkt, indem der längere Hebel dabei gegen den Chitinvorsprung der anderen Seite ge- drückt wird.

Phtihirius pubis.

Die Stigmen der Filzlaus sind, wie der gesammte Athmungsapparat, deutlich zu erkennen, da die Spiralen der Tracheen wenigstens in den Hauptstämmen durch ihre Pigmentirung deutlich hervortreten. Da hier- von L. Lannoıs in Band XIV dieser Zeitschrift auf Tafel I eine sehr gute Abbildung gegeben hat, wird es nicht nöthig sein, näher darauf einzu- gehen.

Phthirius pubis hat, wie alle Läuse, sieben Paar Stigmen, von denen das erste dem Prothorax zukommt, sich aber von den anderen, die sämmtlich am Abdomen sich vorfinden, weder durch seine Größe noch durch seinen Bau wesentlich unterscheidet. Auffallenderweise ent- sprechen aber die Stigmen des Abdomens den Leibesringeln hier keines- wegs, denn die drei vorderen liegen so dicht beisammen, dass man sie nicht gut auf Leibesringel zurückführen kann.

Was die Gestalt der Stigmen anbetrifft, so sind sie denen von Pedi- culus capitis gleich gebaut, indem sie ausnahmslos jene umgekehrte Trichterform besitzen, die sie, wie Lanpoıs sehr richtig sagt, einer Blüthenknospe nicht unähnlich macht. Die äußere Öffnung ist sehr klein, liegt zu der inneren, bedeutend weiteren, meist excentrisch und ist von einem braunen, mit zelliger Struktur versehenen Chitinringe umgeben. Von diesem aus erstreckt sich auf der ziemlich starken Chitinhülle des Trichters entlang eine verworrene Zeichnung, welche dem Ganzen eine oberflächliche Ähnlichkeit mit einem Reisigbüschel giebt. Im Inneren sitzen dann eine große Menge ziemlich straffer Haare, die besonders bei starker Vergrößerung sehr deutlich hervortreten. Sie stehen meist bunt durch einander und wenden sich nach allen Richtungen hin, so dass sie

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594 Oskar Krancher,

eine Art engen Filzes bilden, in dem die Luft bei ihrem Durchpassiren jegliche fremde Substanzen absetzen muss. Lannoıs spricht von 16 bis 18 Haaren, die er besonders auf Flächenansichten von innen gefunden habe. Dies muss ich insofern korrigiren, als wohl einige Haare sich durch bedeutendere Größe auszeichnen, diese aber durchaus nicht als Besonderheiten hervorzuheben sind, da, wie schon gesagt, die ganze innere Fläche dicht mit Haaren besetzt ist. Nach innen zu verengt sich dann das Näpfchen ziemlich plötzlich zu einem ganz dünnhäutigen engen Gang, in dem gleichfalls noch eine Anzahl Haare ihren Sitz hat. Oft kann man an jenem Gange auch eine zarte Ringelung und Streifung beobachten. Später verengt sich diese Röhre immer mehr, um sich schließlich wieder an der Ursprungsstelle der eigentlichen Trachee zu erweitern. Dort nun, wo die stärkste Verengung der Trachee sich findet, liegt der Tracheenverschlussapparat. Derselbe ist sehr klein und für den ersten Augenblick fast unverständlich. Nur bei sehr starker Ver- größerung kann man sich ein Bild jener künstlichen Vorrichtung machen. Man erkennt dann zunächst einen kleinen Hebel, der die Stärke einer Chitinspirale in der Trachee nicht viel überschreitet, dafür aber eine mäßige Länge besitzt, gekrümmt erscheint und am freien Ende etwas angeschwollen ist. Selbiger sitzt der einen Seite der Trachee an jener ganz verengten Stelle auf, während ihm gegenüber an der anderen Seite, ganz ähnlich wie bei Haematopinus suis, ein kleiner Chitinknoten liegt. Ein diesem Apparate angepasster kleiner Muskel verbindet dann das freie Ende des Hebels mit dem Chitinknoten und bewirkt bei ge- höriger Kontraktion einen vollkommenen Schluss der dünnhäutigen Trachee. L. Lınnoıs behauptet, dass der Muskel dieses Apparates am Chitinpanzer des Körpers angeheftet sei; welche Länge müsste dann aber dieser Muskel im Vergleich zum Apparate selbst besitzen, da doch diese ganze Quetscheinrichtung ein ziemliches Stück von der äußeren Öffnung entfernt liegt! \

Acanthia lectularia.

Suchen wir uns zunächst über die Zahl der Stigmen bei der Bett- wanze zu orientiren, so finden wir ein Paar thorakale und sieben Paar abdominale. Die ersteren liegen am Mesothorax und zeichnen sich vor den anderen wieder durch eine hervorragende Größe aus. Da sie aber im Übrigen den Abdominalstigmen in jeder Beziehung gleichen, so be- schränke ich mich darauf, hier die Gestalt, die Form und den Bau dieser letzteren zu erörtern. Dieselben sind nicht groß und liegen, abweichend von dem Verhalten der anderen Insekten, am Bauche. Sie besitzen einen tief braun pigmentirten wulstigen Ring, der sich nach innen zu trichter-

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 525

förmig verengt und an der engsten Stelle die eigentliche Stigmenöffnung zeigt, die zu der äußeren großen Spange etwas excentrisch gelegen ist und eine kleine, ellipsenförmige Gestalt hat. Weiter nach hinten zu setzt sich dann die Trachee fort, welche an ihrer spiraligen Zeichnung deutlich zu erkennen ist. Diese erweitert sich sofort ziemlich bedeutend und tritt dann mit den Längsstämmen in Verbindung, zugleich Zweige an die Organe abgebend. Dicht hinter der verengten Stigmenöffnung liegt nun der Verschlussapparat, der uns in sehr einfacher Form ent- gegentritt. Er besteht aus einem einfachen, hohlen Hebelarm von kräf- tiger Ausbildung und eigenthümlich gekrümmter, oft sogar ausge- schweifter Gestalt, welcher sich an die Trachee ansetzt und schließlich in einen braunen chitinisirten Ring ausläuft, der die Trachee umfasst und als eine minimale Anlage des Verschlussbügels betrachtet werden kann. An dem freien Ende des Hebels hat sich, rechtwinklig zu dem- selben, ein Muskel entwickelt, der aus circa 10—1%2 Fasern besteht und nach Färbung des Präparates mit Pikrokarmin sehr deutlich hervortritt. Das Außenende desselben inserirt sich mit ziemlich breiter Fläche an der Hypodermis des betreffenden Körperringels. Die Wirkung dieses Apparates ist leicht verständlich. . Sobald sich der Muskel kontrahirt, muss der Hebel diesem Zuge folgen, womit eine Drehung und theil- weise Knickung der Trachee verbunden ist.

Was die Zeichnung anbetrifft, die L. Lanpoıs vom Stigma der Bett- wanze und dem damit verbundenen Tracheenverschlussapparate giebt, so ist diese etwas primitiv und unverständlich, indem sie zeigt, dass die Hohlräume des Hebels und der Trachee direkt mit einander kommuni- ciren. Dies ist durchaus nicht der Fall; vielmehr bildet der Hebel mit dem Chitinringe, welcher die Trachee umgiebt, ein völlig selbständiges Gebilde. Dass das Stigma der Wanzen vollkommen unbewehrt ist, hängt mit der Lebensweise der Thiere zusammen; dieselben finden sich, wie bekannt, größtentheils nur an solchen Orten, wo reine und staub- freie Luft die Hauptbedingung ist, nämlich in der Nähe der Menschen. Eine Seihung der Luft würde unter solchen Umständen ziemlich unnöthig sein, um so mehr, als die außerordentlich feine Öffnung durch geringe Drehung des Hebelarmes zu einer äußerst minimalen Spalte verengt wird.

Dipteren.

Die Stigmen der Dipteren besitzen mit wenigen Ausnahmen (meist Thorakalstigmen) sehr viel Ähnlichkeit unter einander. Wie bei den Rihynchoten erscheinen dieselben im Großen und Ganzen als einfache Öffnungen, die allerdings bei dem einen oder anderen Thiere noch mit

526 Oskar Krancher,

feinen Haaren in geringer Zahl überspannt sind. Es gilt dies nament- lich von den kleineren Stigmen des Abdomens, während die des Thorax nicht bloß durch ihre Größe und einen reichen Besatz mit verzweigten Haaren sich auszeichnen, sondern oftmals auch eine nicht ganz leicht zu verstehende Konstruktion besitzen. An diesen Stigmen will H. Lanpoıs auch einen Stimmapparat entdeckt haben. Ob aber und wie weit der- selbe Recht hat, kann ich nicht sagen. Ich habe freilich all die von ihm beschriebenen Vorrichtungen angetroffen, möchte aber trotzdem weit eher jene Chitinringe, welche Lannoıs als Brummringe beschreibt, als zum Verschlussapparat gehörig in Anspruch nehmen. Dass an jenen Ringen sich gardinenartige Häute befinden, welche Lannoıs Stimmbän- der nennt, kann ich durchaus nicht verneinen, allein es ist mir sehr zweifelhaft, ob diese in der beschriebenen Weise in Betracht kommen. Ebenso und vielleicht noch eher könnten auch die Härchen in den Stigmen bei der Vibration als mit betheiligt gedacht werden. So viel ist jedenfalls sicher, dass die Stimme schwindet, wenn man einem Insekte die Oberfläche des Körpers einölt und nur die Stigmen offen lässt. Man könnte darauf hin fast vermuthen, dass die Stimme der Fliegen durch die Vibration der am Körper so zahlreich angebrachten Haare bewirkt werde.

Was ferner den Quetschapparat der Dipteren anbetrifft, so ist dieser meist ein ziemliches Stück von der Stigmenöffnung entfernt und stets da angebracht, wo die Trachee eine bedeutende Verengung zeigt. Er be- steht aus einem oder zwei Hebeln und zeigt einige Ähnlichkeit mit dem der Pediculinen. Da diese Thiere ihrer Lebensweise nach vollkommene Luftinsekten sind, so ist der Quetschapparat für sie von enormer Wichtig- keit und von relativ bedeutender Ausbildung.

Die Stigmen haben ihre Lage zu zwei Paaren am Thorax und in verschiedener Zahl (zu vier bis acht Paaren) am Abdomen. Sie liegen sämmtlich mehr der dorsalen Seite zugewendet, als der ventralen, und stets an beiden Seiten des Leibes.

Pulex irritans und P. canis.

Da die Stigmen beider Thiere sich wenig von einander unterschei- den, so behandle ich beide zusammen, indem ich jedoch darauf hinweise, dass das Stigma von P. canis seiner äußeren Gestalt nach fast kreisrund erscheint, während das von P. irritans länglich oval ist und oft noch an beiden Seiten eine leichte Einkerbung zeigt. Freilich ist dies letztere nicht bei allen Stigmen der Fall und meist nur an den vordersten und hintersten Abdominalstigmen aufzufinden.

Was die Anzahl der Luftlöcher anbetrifft, so treffen wir am Thorax

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Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 5937

drei und am Abdomen sieben Paare an, also die größtmöglichste Zahl, die überhaupt bekannt ist, indem alle Segmente außer dem Kopfe und dem letzten Abdominalringel damit versehen sind. Wie schon oben er- wähnt, sind die Flöhe die einzigen Insekten, bei denen alle drei Thora- kalsegmente Stigmen tragen, während bei den übrigen Arten deren nur zwei gefunden werden, indem sonst das Vorhandensein von Stigmen am ersten Brustringel deren Existenz am zweiten ausschließt und um- gekehrt (Parm£n, 23). Was nun die Lage der Stigmen an den thorakalen Segmenten betrifft, so finden wir, dass die beiden ersten, also das des Pro- und Mesothorax,, dicht am Grunde der beiden vorderen Beinpaare angebracht sind, während das dritte Paar weiter nach dem Rücken zu gelegen ist und somit ziemlich vereinzelt dasteht. Alle drei unterschei- den sich durch wenig bedeutende Größe von denen des Abdomens, stehen aber im Übrigen denselben betreffs ihres Baues gleich. Ich habe übrigens lange gesucht, bevor ich das Stigma des ersten Brustringels auffand, da dasselbe vermöge der Hornleistchen und Chitinringel ziem- lich schwer zu erkennen und meist noch von der am Kopfe des Flohes sich befindenden Krause überdeckt ist. Einmal mit der Lage desselben bekannt geworden, konnte ich es auch bei allen anderen Arten nach- weisen. Die Stigmen des Abdomens schließen sich bald in einer regel- recht geordneten Reihe direkt an das Metathorakalstigma an (Pulex avium), bald beginnen sie auch, wie bei P. canis, auf einer weit tiefer gelegenen Stelle und ziehen sich nun in gerader Linie bis zum letzten Ringel hin, so dass das Metathorakalstigma dann ganz außerhalb jener Reihe, fast an der Rückenkante seines Ringels, zu liegen kommt. Das letzte Stigma ist gleichfalls nicht leicht nachzuweisen, da es am Rande eines siebartigen Ansatzes gelegen ist. Am besten findet man es noch, wenn man den Lauf der Trachee nach außen verfolgt.

Betreffs des Baues der Stigmen ist nun zunächst zu bemerken, dass bei den Flöhen dieselben trichterförmigen Vertiefungen existiren, die fast allen Dipteren eigen sind. Äußerlich zeigt das Stigma einen schmalen, aber oft sehr schwarz pigmentirten Chitinring, der die Öffnung umgiebt und äußerlich eine Reihe von unverzweigten straffen Haaren trägt, deren Zahl zwischen sechs und zehn schwankt. Nach innen zu zieht sich der Ring zu einem Trichter zusammen, der unten in eine sehr niedliche kleine Öffnung ausläuft, an die sich ein birnförmiges Säckchen ansetzt. Dieses ist an der einen Seite mit einer zweiten Öffnung versehen, von der dann die eigentliche Trachee ihren Ursprung nimmt, die sich zu- nächst in ziemlich weit von einander gelegenen Spiralwindungen stark erweitert, um sich dann wieder zu verengen. An dieser Stelle nun ist es, an der man den Tracheenverschlussapparat findet. Noch weiter nach

528 Oskar Krancher,

innen zu erweitert sich die Trachee wieder, bis sie sich schließlich in der bekannten Weise verästelt.

Der Quetschapparat besteht aus zwei kleinen Hebeln, welche an ihrem einen Ende scharnierartig in einander eingelenkt sind und an der Unterseite der Trachee sitzen, während das andere Ende knopfartig an- geschwollen ist. Die beiden Köpfchen dienen dem Verschlussmuskel als Ansatzstellen, so dass derselbe die beiden Hebelchen mit einander ver- bindet, die Trachee also vollständig von diesen drei Theilen umgeben ist. Der Muskel ist sehr zart und nur aus einigen wenigen Fäserchen zusammengesetzt. Trotzdem aber verrichtet er seinen Dienst in sehr vollkommener Weise, denn wenn sich derselbe auch nur um ein Ge- ringes kontrahirt, wird ein vollkommener Verschluss der Trachee be- wirkt, da ja dieselbe in dem Winkel liegt, in dem die beiden Hebelchen zusammenstoßen. Wir haben es hier also mit einer Vorrichtung zu thun, wie sie uns am einfachsten in der gewöhnlichen Quetschpinzette vor Augen geführt wird.

Die Länge der Hebelarme variirt bei den verschiedenen Thieren, die mir zur Untersuchung vorlagen, nur insofern, als dieselben bei der einen Art etwas länger, bei der anderen etwas kürzer sind; gewöhnlich auch sind dieselben posthornartig gebogen. Dabei wird man zuweilen finden, dass der eine Hebelarm immer etwas kleiner ist, als der andere; und zwar ist es stets der nach hinten zu gelegene, der eine stärkere Ausbildung zeigt.

Von den Pupiparen konnte ich durch gütige Vermittelung meines Freundes G. RıEam

Melophagus ovinus

untersuchen. Diese durch ihre Lebensweise interessante Lausfliege be- sitzt im Ganzen neun Paar Stigmen, von denen zwei dem Thorax und die übrigen dem Abdomen zugehören. Dieselben liegen sämmtlich am Rücken; nur die beiden letzten Paare rücken so weit nach der Seite hin, dass man sie wohl eher als ventrale in Anspruch nehmen könnte. Die Stigmen selbst sind ziemlich groß und lassen allesammt einen sehr eigenthümlichen Bau erkennen. Es sind besonders die Thorakalstigmen, die sich vor den übrigen durch Größe und absonderlichen Bau in solchem Maße auszeichnen, dass sie besonders betrachtet werden müssen.

Sie liegen am Pro- und Metathorax, sind von gleicher Größe und gleicher eiförmiger Gestalt. Ihr Rand besteht aus einem Chitinringe, der nach außen zu heller wird und nach und nach in der umgebenden Körper- haut verschwimmt, an seiner inneren Seite aber tief schwarz erscheint. Das Stigma selbst nun zieht sich eierbecherartig nach innen, was be-

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 529

sonders an Quer- und Längsschnitten deutlich hervortritt, und hat in seinem Inneren einen förmlichen Wald von vollkommen unverzweigten straffen Haaren, welche radiär von allen Seiten nach der Mitte zu ge- richtet sind, um dort mit ihren Spitzen über einander zu greifen und so ein gutes Filter abzugeben. Die innere Öffnung des Näpfchens liegt voll- kommen koncentrisch und ist, entspechend der Größe des Stigma, nicht gerade klein zu nennen. Auf Schnitten nun, die rechtwinklig auf die Fläche jenes Stigma ausgeführt sind, tritt uns der Weiterverlauf der anhängenden Trachee deutlich entgegen. Dieselbe macht zunächst eine ganze Menge Fältelungen und sackartiger Ausbuchtungen, gleichsam als sei sie durch Zusammenziehung des Körpers in sich selbst hinein ge- sehoben worden. In ihrem Inneren ist sie mit Stacheln ausgestattet, die sicherlich nur zurückgebildete Haare vorstellen. Hinter einem sehr an- sehnlichen Sacke verengt sich die Trachee dann plötzlich zu einem dünnen Gange, und hier nun ist die Stelle, wo der Tracheenverschluss- apparat zu suchen ist. Da derselbe aber mit dem der Abdominalstigmen übereinstimmt und sich einzig durch eine dem Stigma entsprechende kräftigere Ausbildung hervorthut, so verweise ich auf die weiter unten folgende Beschreibung.

Was die Abdominalstigmen anbelangt, so weichen diese in rein Baue bedeutend von dem der eben beschriebenen ab. Auf der äußeren Fläche erscheinen sie fast kreisrund, von einem tief pigmentirten Chitin- ringe umgeben, der auch hier nach und nach in die hellere Körperhaut übergeht. Von der Außenöffnung aus erstreckt sich nach innen ein eierbecherartiges Näpfchen, das auf Querschnitten genau dieselbe Ge- stalt zeigt, wie wir sie oben bei den thorakalen Stigmen existiren sehen. Auf der Flächenansicht bemerkt man zunächst zwei größere Spangen in Form von Chitinringen, die im Inneren des Stigma liegen, während fast genau im Centrum des Kreises eine kleine Öffnung als heller Fleck sich abhebt, umrahmt von dunklerem Chitin. Um über die Bildung genauer mich zu verständigen, fertigte ich Querschnitte an, und die er- langten Resultate waren für mich geradezu überraschende. Jene Spangen, die sich dem Auge auf Flächenbildern als Ringe kund thun, sind nichts Anderes, als näpfchenartig auftretende Hervorwölbungen, von denen die eine in der anderen, oder besser gesagt, die eine unter der anderen sich erhebt. Ein jedes der zwei Näpfchen oder Glocken ist in der Mitte der Wölbung von einem Loche durchbohrt, so dass wir im Ganzen drei Stigmenöffnungen antreffen, die, auf der Flächenansicht ganz gleich- mäßig über einander liegend, den oben erwähnten hellen Fleck be- dingen.

Weiter nach innen zu erkennt man die nur wenig gefältelte Trachee,

980 Oskar Krancher,

welche sich schließlich ganz bedeutend verengt und dort dem Ver- schlussapparat zum Ansatz dient. Erst hinter diesem beginnt die Spiral- zeichnung der Trachee.

Der Verschlussapparat besteht bei allen Stigmen von Melophagus aus einem einzigen, weit von der Öffnung entfernt liegenden Hebel- arme, der durch seine posthornartig gekrümmte Gestalt sehr an den- jenigen bei Haematopinus suis erinnert. Das obere, freie Ende ist schaufelförmig verbreitert und dient dem Muskel als Ansatzstelle, welcher sich mit seinem anderen Ende an einen kleinen Chitinvorsprung an- heftet, der jenem Hebel an der Trachee gegenüber steht. Die Wirkung des Muskels ist somit leicht ersichtlich. Sobald Kontraktion stattfindet, wird jener Hebel gegen den kleinen Chitinansatz gedrückt, die zwischen beiden liegende Trachee zusammengequetscht und der Verschluss der- selben bewirkt. Somit haben wir es auch hier mit einer deutlichen Pin- zettenvorrichtung zu thun.

Anapera pallida.

Dieses Insekt, welches mir nur in einem einzigen Exemplare vor- lag, erinnert in seiner ganzen äußeren Stigmenbildung vollkommen an die Musciden. Die Thorakalstigmen sind groß, viel größer als die des Abdomens, und zwar sind die des ersten Ringels, genau wie bei Musca vomitoria, langgezerrt, nach unten spitz zulaufend, während die obere Seite breiter sich gestaltet, so dass das Ganze einem sehr spitzwinkligen gleichseitigen Dreiecke nicht unähnlich ist. Das andere thorakale Stigma ist mehr elliptisch. Beide sind sowohl durch eigene innere Behaarung als auch durch eine solche am ganzen Thorax vor dem Eindringen frem- der Körper geschützt. Was die Abdominalstigmen anbelangt, so sind diese sehr klein, tragen an ihrer Außenseite einen schwarzen Chitinring und in ziemlicher Entfernung von der äußeren Öffnung den Quetsch- apparat. Überdies ähneln sie in einer solchen Weise den Stigmen der Musciden, dass ich, was den Bau derselben anbetrifft, einfach auf diese letzteren verweise. Als einziger Unterschied kann nur der gelten, dass bei Anapera auch die Abdominalstigmen im Inneren mit Haaren besetzt sind, was bei den Musciden nie zu finden ist; und ferner der, dass die innere Behaarung der Thorakalstiigmen eine sehr einfache, wenn nicht gar spärliche ist, während die der Musciden, besonders von Musca vomi- toria, eine überaus reiche genannt zu werden verdient.

Von den nun folgenden Brachyceren habe ich eine ganze Reihe untersucht und überall gleiche Verhältnisse angetroffen. Auch bei den Larven, wenigstens der Musciden, stimmte der Bau im Großen und Ganzen überein. Die Puppen zeigten stets zwei größere Stigmen am

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 531

Abdomen und zwei kleinere am Prothorax. Dem Entwicklungsgange folgend werde ich zunächst die Larve, dann die Puppe und schließlich die Imago der Musciden einer Betrachtung unterziehen, um hieran dann noch eine kurze Darstellung der Stigmen bei den Larven einiger Oestri-

den zu reihen.

Larven.

Musca vomitoria.

Die Larven der Musciden besitzen im Ganzen zwei Paar Stigmen, von denen das eine kleinere Paar zu beiden Seiten des Prothorax liegt, während das andere, das bereits makroskopisch sehr deutlich hervor- tritt, am letzten Leibesringel seine Lage hat. Betrefis der Entstehung der Stigmen verweise ich auf die bereits im Eingange erwähnte Arbeit von WEISMAnN (27), aus der wir entnehmen, dass die Stigmen in der dritten Entwicklungsperiode des Embryo als zwei wulstförmige, relativ große Höcker sich bilden, die sich bei fortschreitendem Wachsthume des Embryo mehr und mehr verkleinern, bis sie schließlich in der Mitte einen Chitinring erhalten, welcher sich zu einer Spalte erweitert und so das Stigma bildet. Dies sind die Abdominalstigmen, die auf dem Rücken des zwölften Segmentes liegen. Dieselben besitzen aber an- fangs, wie zuerst von Lruckarr nachgewiesen ist, der uns die merk- würdige Metamorphose dieses Apparates kennen lehrte, nur eine Öf- nung. Gelangt das Thier zur ersten Häutung, dann finden wir das Stigma in der Weise umgewandelt, dass dasselbe statt jener einen Spalte deren zwei zeigt. Gleichzeitig hat sich aber noch ein anderes Paar von Stigmen’gebildet, das den ersteren entgegengesetzt das Vorderende der Larve einnimmt. Die Stigmen entstehen dadurch, dass ein dort befind- liches Tracheenästchen zur Haut sich hinzieht, kolbig anschwillt, mit der Hypodermis in Verbindung tritt, Chitin ablagert und bei der Häu- tung nach außen durchbricht. Dasselbe unterscheidet sich in seiner Größe und in seinem Baue ganz bedeutend von dem des Hinterendes. Nach der zweiten Häutung ändert sich das hintere Paar der Stigmen wiederum, und zwar derartig, dass die Zahl der Spaltöffnungen auf drei steigt, die dann bis zur Verpuppung persistiren.

In ganz ähnlicher Weise beschrieb LEUcCKART (25) schon früher die Verhältnisse bei der Larve von Melophagus ovinus, indem er zeigt, dass die Larve dieser von mir oben angezogenen Lausfliege anfangs jederseits gleichfalls ein einfaches Stigma aufweist, und zwar von so geringer Größe, dass es früher gänzlich übersehen wurde. Dieses eine Stigma soll sich nach LeuckArr nun bei der nächsten Häutung sogleich in drei dicht neben

592 Oskar Kraucher,

einander liegende Stigmen verwandeln, die sich je mit einem braunen Chitinringe umgürten. Dabei wäre dann also die Stufe, wo zwei Stig- men innerhalb eines Ringes auftreten, bei Melophagus ovinus über- sprungen. Die Stigmen, welche wir bei den Muscidenlarven am Pro- thorax angetroffen haben, fehlen hier gänzlich. Sie werden auch bei der Entwicklungszeit der Larve (in der mütterlichen Vagina) ohne Nutzen sein.

In dem der zweiten Häutung folgenden Stadium hatte ich Gelegen- heit, eine Anzahl Muscalarven untersuchen zu können.

Die Abdominalstigmen erscheinen hier bereits in ihrer definitiven Form, indem sie vor Allem einen deutlich hervortretenden Chitinring von fast runder Form zeigen, innerhalb dessen sich die drei oben erwähnten langgestreckten und stark chitinisirten Öffnungen vorfinden. Dieselben liegen dicht neben einander und sind insofern eigenthümlich gebaut, als die Ränder derselben durch eine Menge Queranastomosen überbrückt sind, so dass sie ganz das Ansehen eines Siebes erhalten. Eine jede dieser Spalten setzt sich nach innen zu in einen der Form entsprechen- den Gang fort, bis sich die drei Röhren, genau so, wie es LEUCKART von Melophagus ovinus beschreibt, in kurzer Entfernung von der äußeren Öffnung zu einer einzigen Trachee vereinigen, die gewöhnlich dort eine bedeutende Weite erreicht. Doch ist sie ohne jegliche Spiralzeichnung, bis sich schließlich noch weiter nach innen zu eine Stelle findet, welche sich durch die dunklere Chitinanhäufung auszeichnet und den Queisch- apparat bildet. Erst hinter diesem erscheint die Spirale in der Trachee.

Anders verhält es sich nun mit dem Thorakalstigma. Dieselben sind im Vergleich zu den oben genannten ziemlich klein und bestehen aus einer ganzen Reihe von einzelnen separirten Luftlöchern; welche sämmtlich in eine gemeinschaftliche Trachee münden und meist zu sieben bis neun zusammen liegen. Bei M. vomitoria bilden ‚sie einen Halbbogen, der dem Auge ein reizendes Bild darbietet. Bei starker Ver- größerung tritt uns ein jedes Einzelstigma als ein Chitinring entgegen, welcher an der einen Seite nicht vollständig geschlossen erscheint. Der- selbe entsendet nach der Mitte schwache Chitinstäbchen, die unter ein- ander dicht verbunden und verwachsen sind; jedoch lassen sie in der Mitte einen langen, aber äußerst engen Querspalt offen, der zur Einfuhr der Luft dient. Dadurch, dass diese Öffnung ungeheuer klein ist, denn mit 625facher Vergrößerung erscheint sie als kaum erkennbarer, heller Streifen, wird es fremden Körpern, und sei es noch dem kleinsten Stäub- chen, außerordentlich schwer werden, in das Lumen der Trachee einzu- dringen. Nach innen zu setzt sich dann die vereinigte Trachee ein ziemliches Stück als undurchsichtiges, stark chitinisirtes Rohr fort, bis

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 533

endlich eine Stelle sich findet, wo jene CGhitinmasse zu einem Wulste sich verdickt, welcher den Quetschapparat repräsentirt. Derselbe, genau so eingerichtet, wie bei den Abdominalstigmen, stellt. einen starken Chitinring vor, der die Trachee vollkommen umgürtet und aus einer An- zahl von einzelnen Spiralen zusammengesetzt ist. Dieser Ring zeigt an zwei gegenüber liegenden Stellen eine Einbiegung, wodurch eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Scharniergelenk entsteht. Um ihn herum legen sich zur Hälfte Muskeln, welche an einem kleinen nach hinten zu führen- den Ansatzstücke sich hinziehen und an der Trachee selbst ihren Ansatz finden. Soll diese verschlossen werden, so kontrahirt sich der Muskel, die eine Hälfte des Ringes schlägt sich nach der anderen Hälfte zu vor, beide nähern sich und bewirken dadurch eine Zusammenquetschung der Trachee, so dass der Verschluss ein vollkommener ist. Die ganze Vor- richtung erinnert sehr an die so vielfach im Gebrauche befindlichen Ratten- und Fuchsfallen.

Musca domestica.

Ähnlich wie bei der eben beschriebenen Larve liegen die Verhält- nisse auch hier, weshalb ich mich kürzer fassen kann. Der einzige Unterschied findet sich in der äußeren Erscheinung der Stigmen, und zwar derjenigen, welche am Abdomen liegen. Bei diesen treffen wir die drei Öffnungen als drei vom Centrum nach der Peripherie des Kreises hinziehende Strahlen an, die jedoch nicht gerade sind, sondern sich, ähn- lich den Speichen in manchen Schwungrädern, posthornartig krümmen. In den Räumen zwischen den Öffnungen sowohl, wie um das ganze Stigma herum, ziehen sich dunkelschwarze, ziemlich breite Chitinla- mellen, welche dem Apparate bei makroskopischer Betrachtung ein schwarzes Aussehen verleihen, so dass derselbe auf der weißen Haut der Larve in Form von zwei dunklen Punkten deutlich hervortritt. Die Quer- anastomosen zwischen den Rändern der Öffnungen sind weit zahlreicher und verlaufen direkt, selten oder gar nicht unter sich zusammenhängend.

Ich mache auf diese Verhältnisse ganz besonders aufmerksam, da dieselben bei einer systematischen Unterscheidung beider Fliegenlarven sehr gut verwendet werden könnten. Der gleiche Unterschied findet sich bei den Puppen vor, zu denen ich jetzt übergehe.

Puppen.

Musca vomitoria.

Auch die Puppe dieser Fliege zeigt zwei Paare Stigmen (nicht, wie Weısmann fälschlich angiebt, nur eines), in ihrer Lage denen der Larven

5934 Oskar Krancher,

entsprechend, indem auch hier das größere Paar dem Abdomen und das kleinere dem Prothorax zukommt. Ebenso stimmt der Bau im Allge- meinen mit den Stigmen der Larve überein, nur dass hier Alles viel stärker chitinisirt ist. Die drei Spalten sind durch starke, dunkelbraun bis schwarz erscheinende Chitinspangen von einander getrennt, und die darüber hingespannten Stäbchen bilden ein weit dichteres Maschennetz, als bei der Larve. Nach innen zu entsenden die Öffnungen je einen kurzen Kanal, der mit dem anliegenden schließlich zu einem einzigen, der Trachee, zusammentritt. In geringer Entfernung vom Stigma liegt der Quetschapparat, in Form des von der Larve her bereits bekannten Chitinringes. Die Thorakalstigmen, die ganz am vorderen Ende des Körpers gelegen sind, zeigen denselben Bau, wie bei der Larve. Sie er- scheinen in Form eines lang gezogenen Chitinringes, aus dem heraus die ganze Schar der Einzelstigmen auf fingerförmigen Fortsätzen hervor- ragt. Diese vereinigen sich nach unten zu einer einzigen Trachee, welche in nicht allzuweiter Entfernung vom Stigma den bereits bekannten Tracheenverschlussapparat trägt. Die Untersuchung dieses Stigma ist übrigens mit Schwierigkeiten verknüpft, die dadurch bedingt wer- den, dass sowohl das Stigma selbst, wie auch die dasselbe umgebenden Theile sehr stark chitinisirt sind und bei einer starken Vergrößerung das ohnehin schon dunkle Gesichtsfeld in solcher Weise verfinstern, dass von einer eingehenderen Analyse kaum die Rede sein kann. Besser ge- lang mir dies bei

Musca domestia.

Die Stigmen der Puppe dieser Fliege sind ganz eben da gelegen, wie bei M. vomitoria; auch zeigen sie eine ganz ähnliche Bildung und Größe. Was zunächst die beiden Abdominalstigmen anbetrifft, so bilden diese in ihrer äußeren Form einen stark geschwungenen Halbbogen, der unten durch ein gerades Chitinstück verbunden ist. Von diesem aus erstreckt sich, ähnlich wie bei den Stigmen der Lamellicornierlarven, ein stark gefärbtes unpaares Mittelstück in das Stigma, dessen peripherischer Theil durch zwei starke Chitinstrahlen, die von dem Mittelstück aus- gehen, in drei Theile zerlegt wird, welche den drei bereits besprochenen Öffnungen der Larve entsprechen. Diese sind nun von Chitinstäbchen und deren Verzweigungen so dicht durchsetzt, dass sie ein ganz enges Netz vorstellen, in dem nur einige dunklere Stäbchen sich deutlicher abheben. Es leuchtet ein, dass ein derartiges Netz ein Sieben der Luft in solch ausgezeichneter Weise gestattet, dass auch nicht das kleinste Stäubchen in die Trachee zu gelangen vermag. Nach hinten setzt sich das Stigma direkt in die Trachee fort, an der in geringer Enifernung

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 535

vom Stigma der Ring, welcher das Verschließen derselben bewirkt, sichtbar ist.

Die Thorakalstigmen sind ganz in derselben Weise gebaut, wie bei der Puppe von M. vomitoria, nur dass dieselben wegen der helleren Pigmentirung des Chitins deutlicher zu erkennen sind, so dass ihr fingerförmiger Bau sehr hübsch hervortritt. Die einzelnen Luftlöcher liegen in einem Halbbogen dicht neben einander, ganz wie bei der Larve, und sind auch in derselben Weise gebaut, nur dass sie durchaus chiti- nisirt sind. An ihrer Außenfläche sendet ein stärkerer Chitinring Stäb- chen nach der Mitte zu, die unter einander eng verbunden sind, jedoch in der Mitte noch einen langen schmalen Spalt erkennen lassen, der zum Durchtritt der Luft dient. Sehr gut erkennt man auch hier die röhrenförmigen Fortsätze, welche nach innen führen und sich dort zu einer einzigen Trachee vereinigen.

Imago.

Die Stigmen des ausgebildeten Insektes treten uns in verschiedener Gestalt entgegen, je nachdem sie am Thorax oder am Abdomen sich vor- finden. Ihre Zahl beträgt an ersterem zwei und an letzterem fünf Paare, und nicht, wie Weısmann (27) fälschlich angiebt: vier. Während nun die des Hinterleibes äußerst klein sind und in ihrem Baue sehr genau unter einander übereinstimmen, erscheinen die des Thorax groß und von absonderlicher Gestaltung. In einiger Beziehung sind aber auch die beiden Thorakalstigmen wieder verschieden. Übrigens werde ich, da M. vomitoria und M. domestica nur um ein Geringes von einander ah- weichen, deren Bau zusammen behandeln und die einzelnen Unter- scheidungsmerkmale an geeigneter Stelle hervorheben.

Betreffs der Thorakalstigmen ist zunächst zu erwähnen, dass beide ihre Lage am Pro- und Metathorax haben. Wenn Weısmann behauptet, dass der Prothorax bei keinem ausgebildeten Insekte Stigmen trage, so verweise ich einfach auf die Arbeit von Pırmen (23), welcher diesen Satz dahin korrigirt, dass der Prothorax nur dann kein Stigma trägt, wenn der Mesothorax mit einem solchen versehen ist. Ausgeschlossen bleibt aber nicht, dass der Prothorax Stigmen tragen kann, wenn diese am zweiten Brustringel fehlen.

Das prothorakale Stigma ist von beiden Bruststigmen bei M. vomi- toria das kleinere, bei M. domestica wohl eher das größere zu nennen. Es ist von länglich ovaler Gestalt, indem die eine Seite mehr spitz, die andere mehr abgerundet erscheint. Äußerlich ist es von einem starken Chitinrande umgeben, der nach dem Inneren zu flächenhaft eine Menge

536 Oskar Krancher,

Haare entsendet, so dass dadurch wieder ein Filter hergestellt ist. Die Haare sind bei M. vomitoria sehr stark verzweigt und reichen weit über einander hinweg, während sie bei der Stubenfliege nur sehr spärlich auftreten und seltener Verzweigungen gestatten. Das Stigma selbst zieht sich nach hinten trichterförmig, oder besser gesagt dachförmig, zu- sammen, indem es schließlich an der engsten Stelle einen Chitinring erkennen lässt, der, analog der Form des Stigma, gleichfalls in die Länge gezogen ist. Derselbe bildet unten eine dünne Lamelle, während er an der oberen abgerundeten Seite mit seinen seitlichen Theilen nicht zusammentritt, sondern getrennt bleibt. An dieser Stelle ist es, wo sich ein Muskel inserirt, welcher sich von da fächerförmig nach oben aus- breitet und sich schließlich mit seiner breitesten Seite an den Winkel eines Chitinvorsprunges des Thorax anheftet. Zwischen jener äußeren Öffnung und dem eben besprochenen Chitinringe befindet sich noch ein anderer weniger deutlicher Ring, der wohl nur als Spange dient, damit das Stigma nicht in sich zusammenfällt. Dieser Ring erweitert sich an der oberen Seite des Stigma flächenhaft und bildet dort eine ziemlich weite Öffnung, durch die der bereits genannte Muskel hindurchtritt. Dieser ganze Apparat, an dem noch zwei weichhäutige Bänder zu er- wähnen sind, welche nach dem inneren Lumen der Trachee vorspringen, wird von Lanpoıs als Stimmapparat gedeutet und in ganz gleicher Aus- bildung auch am Metathorakalstigma beschrieben. Mein Bedenken hier- gegen habe ich bereits im Eingange hervorgehoben. Ich finde in diesem Apparate nichts weiter, als eine Einrichtung zum Tracheenverschluss. Wirkt nämlich der Muskel in Folge einer Kontraktion, so werden die beiden Hälften des Chitinringes angezogen, so dass sie einander sich nähern und die Luft absperren. Bei vollständigem Verschlusse reichen schon die oben erwähnten zwei häutigen Lamellen hin, die etwa noch offen bleibende Spalte zu verschließen. Dass der Apparat noch weiter dazu diene, die Stimme zu erzeugen, kann ich weder behaupten, noch in Abrede stellen.

Das zweite Bruststigma, welches am Metathorax liegt, ist bei M. vomitoria das größere, bei unserer Stubenfliege das kleinere. Es hat eine ähnliche Form, wie das soeben beschriebene, ist aber weniger lang und um so breiter. Eine genaue Abbildung giebt H. Lanpoıs in seiner Abhandlung über die Stimmapparate in dieser Zeitschrift Band XVII, Taf. X, Fig. 9, so dass ich mich auf diese hier beziehen kann. Das Stigma zeigt äußerlich einen starken Chitinrand, an dem zwei un- gleiche Lippen sitzen, von denen die eine kleinere beweglich zu sein scheint, während die größere festsitzt. Beide bestehen aus einer Menge starker Haarstäbchen, welche sich oft theilen und mit einer Unzahl von

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 537

Haaren besetzt sind, so dass ein dicht verfilztes Haarnetz entsteht. In dieser Weise treffen wir es bei M. vomitoria an. Bei M. domestica ist die Behaarung eine ziemlich geringe. Die Haare, welche über die äußere Öffnung hinwegstehen, sind meist nur sehr wenig verzweigt und stellen somit eine nur wenig schützende Decke für die Trachee dar. Doch muss man dabei noch die Behaarung des Thorax in Betracht ziehen, unter der diese Stigmen, und eben so die vorderen, derart versteckt liegen, dass man dieselben erst genauer erkennt, wenn man die Haare entfernt hat. Nach innen zu setzt sich die Trachee an, welche sich gleichfalls verengt und in geringer Entfernung vom Stigma genau denselben Apparat trägt, den wir an den prothorakalen Stigmen einer eingehenderen Behandlung unterworfen haben. Der Muskel setzt sich gleichfalls in einer winkligen Chitinspange fest und bewirkt durch seine Kontraktion einen Schluss der Öffnung.

Die Abdominalstigmen der Fliegen sind in fünf Paaren vorhanden, die allesammt an den Seiten des Hinterleibes liegen und ihrer außer- ordentlichen Kleinheit halber leicht zu übersehen sind. Ihre Form ist eine mehr oder weniger runde bis ovale, oft auch etwas in die Länge gezogen. Äußerlich stellen die Stigmen einen tief schwarzen Pigmentring ohne jegliche Behaarung vor, der sich nach innen zu in die Trachee fortsetzt, um sich schließlich, ein ziemliches Stück von der äußeren Öffnung entfernt, zu verengen. An dieser Stelle hat der Verschluss-

apparat seine Lage. Bis hierher hat die Trachee eine sehr unregelmäßige Spiralzeichnung aufzuweisen, die sich weiter noch dadurch auszeichnet, dass die einzelnen Spiralen nach innen zu eine ganze Menge kurzer Stacheln entsenden, deren Zweck mir ziemlich unklar ist, da sie wohl schwerlich dazu dienen, den etwa eingesogenen Staub zurückzuhalten. Wie bereits erwähnt sitzt an jener Stelle, wo sich die Trachee etwas verengt, der Tracheenverschlussapparat, und erst hinter diesem beginnt sich die Trachee zu verzweigen und ihre regelmäßige Spiralringelung anzunehmen. Der Quetschapparat tritt uns hier vor Allem deutlich durch seinen Verschlussbügel entgegen, welcher die Trachee zur großen Hälfte umgiebt. Derselbe ist besonders bei M. vomitoria sehr stark aus- gebildet, und wegen seiner dunklen Pigmentirung leicht sichtbar. Die andere Hälfte der Trachee umgiebt ein schwacher Chitinstreifen, der auf beiden Seiten mit dem Verschlussbügel zusammenhängt und wohl mit dem Verschlussbändchen identisch ist. Auf diesem, etwas nach der Seite gerückt, sitzt der Verschlusshebel, der eine zapfenförmige Gestalt besitzt und gleichfalls deutlich hervortritt. Dieser Hebel trägt an seiner Spitze einen Muskel, der mit seinem anderen Ende an der Hypodermis

des Körpers ansitzt, durch Kontraktion den Hebel anzieht und dadurch Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 36

538 Oskar Krancher,

den Verschlussring in der Weise verengt, dass er zu einem langgezo- genen engen Ovale wird. Hierbei wird das Bändchen gegen den Bügel gedrückt und der Verschluss bewerkstelligt.

Bei M. domestica reducirt sich jener Verschlussbügel auf ein weit kleineres Chitinknöpfchen, während hingegen der Verschlusshebel er- heblich größer sich gestaltet, als bei M. vomitoria. Derselbe ist überdies an seinem freien Ende knopfartig verdickt. Der Verschluss findet in der Weise statt, dass der an diesem Knöpfchen und an der Trachee an- sitzende Muskel dem Hebel eine geringe Drehung ertheilt, wodurch der- selbe gegen das ihm gegenüber stehende Chitinblättchen gedrückt wird.

Bei anderen Fliegenarten, wie beispielsweise bei Sarcophaga car- naria, habe ich die gleichen Verhältnisse angetroffen, weshalb ich hier, um mich nicht zu wiederholen, darüber hinweggehe.

Oestriden-Larven.

Aufmerksam gemacht durch Herrn Geh. Hofrath Prof. Dr. Leuckart auf die sonderbare entoparasitische Lebensweise der Oestriden-Larven, beschloss ich, auch diese Thiere in die Reihe meiner Betrachtungen zu ziehen; und gerade hier zeigten sich die auffallendsten Formen unter allen bisher betrachteten Stigmen. Zwar konnte ich nur Gastrus equi und Oestrus bovis untersuchen, doch erhält man bereits durch sie ein Bild von der sonderbaren Athmung, die diesen Thieren eigen ist.

Schon ScHRÖDER VAN DER Kork (34) und nach ihm Scariger (32) und Brauer (33) haben in ihren Arbeiten über Oestriden-Larven und Imago die Respiration dieser Thiere berücksichtigt und die Stigmen in ziemlich eingehender Weise beschrieben, döch weichen meine Untersuchungen von denen oben genannter Forscher in verschiedenen Punkten ab.

Die Stigmen scheiden sich, wie bei den meisten Dipteren-Larven, in zwei Paare, von denen das eine größere am letzten Abdominalringel in Gestalt einer breiten Platte, der sogenannten Stigmenplatte, welche fast den ganzen hinteren Theil des Abdominalringels bedeckt, seine Lage hat. Diese Platte ist groß, makroskopisch deutlich wahrzunehmen, und mit beiden Stigmen versehen, wobei sie entweder noch die zwei Hälften erkennen lässt (Oestrus bovis), oder nicht (Gastrus equi).

Das andere Stigmenpaar liegt am Thorax, und zwar in unmittel- |

barer Nähe der Mundtheile. Äußerlich ist es kaum wahrzunehmen, da es meist tief in der Haut verborgen liegt. Nur durch Auseinanderziehen der begrenzenden Falten kann man die Stigmen als dunkle Punkte er-

kennen. Dass sie aber ofien sind, beweisen die Tracheen, welche an sie herantreten. Doch bemerkt ScHEIBErR, dass sie wohl nur äußerst

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 539

selten zum Athmen verwendet werden dürften, da die Stigmenöffnungen in Ermangelung jeder verschließenden Vorrichtung klafften und somit stets durch Schleim verstopft seien.

Gastrus equi.

Wie bereits bei den früher beschriebenen Dipteren-Larven erwähnt wurde, besitzen auch die der Pferdebremse die Fähigkeit, die Stigmen- platte tief nach innen einzuziehen, wodurch dieselbe dann von den sich hervorwulstenden Hautfalten überdeckt wird. Deshalb ist sie auch an Spiritusexemplaren äußerlich nicht oder doch nur sehr wenig sichtbar. An Sielle derselben erkennt man nur eine lange quere Spalte, durch jene oben und unten sich findenden Hautwülste gebildet, unter denen die Stigmenplatte gelegen ist. Sehr gut kann man diese Verhältnisse auf Querschnitten erkennen, welche parallel der kürzeren Achse der Stigmenplatte angefertigt werden.

Nach Brauer sollen diese Wülste den Zweck haben, die Stigmen- platte von dem Magenschleime der Pferde zu befreien dadurch, dass sie beim Zurückziehen der Platte einfach darüber hinwegstreichen. Die Stigmenplatte ist einer Ellipse nicht unähnlich und enthält beide Stig- men, welche nur durch eine von der einen Seite bis in die Mitte vor- springende Einbuchtung von einander getrennt werden. Jedes einzelne Stigma besteht aus drei bereits von früher her uns bekannten Einzel- stigmen, welche sich in kühnem Schwunge über die ganze Breitseite des Stigma hin erstrecken. Ein jedes Einzelstigma ist aber wieder durch zahlreiche kleine Chitinstäbchen in eine große Anzahl von Fächern ge- theilt, die sich nach außen zu kugelig vorwölben und an ihrer äußersten Wölbung je eine kleine Einbuchtung tragen. Offenbar hat diese Bildung den Zweck, die in geringer Menge im Magen vorhandene respirable Luft in großer Oberfläche mit den Organen der Aufnahme in Berührung zu bringen.

Dicht hinter diesen Längsspalten stößt man auf ein außerordentlich enges und fein verzweigtes Haarfilznetz von fast schwammiger Be- schaffenheit, das die Spalten von beiden Rändern her im Inneren voll- kommen überdeckt, so dass auch nicht das kleinste Wassertheilchen durchzudringen vermag. Außerdem tritt noch ein zweiter, hiervon voll- kommen getrennter Filz in der Luftkammer auf, welcher die ganze Stigmenplatte im Inneren überzieht und besonders hinter den einzelnen Öffnungen dicht entwickelt ist. In dieser Form besitzen die inneren Respirationsorgane einen vollkommenen und intensiven Schutz vor dem Eindringen fremder Stoffe.

Nach innen zu setzt sich an jedes einzelne Stigma die Trachee an,

36*

540 Oskar Krancher,

die sich jederseits in zwei und schließlich in vier einzelne Äste gabelt, welche den Körper seiner ganzen Länge nach durchziehen und durch diese Symmetrie auf Querschnitten schon makroskopisch ein recht hüb- sches Bild geben.

Von den acht großen Tracheenstämmen zweigen sich zahlreiche kleinere Stämmchen und Kanälchen ab, von denen jedes an seinem Ende eine große Blase trägt, die in gewisser Beziehung mit der Tracheenend- zelle identisch ist und von ScHRÖDER VAN DER Kork »Lungenbläschen « genannt wird. In dieser Blase löst sich die Trachee quastenförmig zu immer feiner werdenden Ästchen auf, so dass schließlich die Enden nur noch als feine Streifchen zu erkennen sind. Außerdem enthält sie in sich einen, besonders bei Karminfärbung deutlich hervortretenden, Zell- kern, in dem drei bis vier Kernkörperchen deutlich zu erkennen sind. Aus dieser sonderbaren Einrichtung der inneren Respirationsorgane geht hervor, dass es sich hier um eine enorme Flächenvergrößerung handelt, die es gestattet, mit größester Sicherheit auch die kleinste Menge Sauer- stoff aus der im Magen sich vorfindenden Luft aufzunehmen.

Die beiden Thorakalstigmen finden sich zu beiden Seiten der Mund- theile, am zweiten Leibesringel, und stellen einen nach außen gewölbten glockenförmigen Zapfen vor, an den sich im Inneren die Trachee an- schließt. Dieser Zapfen ist an seiner Außenseite mit zahlreichen, wirr durch einander liegenden Öffnungen versehen, die je eine elliptische Form besitzen und von sechs bis acht straffen Härchen überdeckt wer- den. Innerlich ist Glocke und Trachee mit einem Filz dicht verzweigter Haare ausgestattet, der auch hier einen Seihapparat vorstellt und be- sonders an der Stelle sich dicht gestaltet, wo die eigentliche Trachee mit ihrer spiraligen Zeichnung beginnt. Ebenda zeigt dieselbe auch eine Einschnürung, an der man wohl versucht sein könnte, den Verschluss- apparat zu vermuthen ; doch wage ich hierüber kein bestimmtes Urtheil, da ich keine frischen Exemplare zu untersuchen Gelegenheit hatte. Eben- sowenig gelang es mir irgend einen besonderen Verschlussapparat an den Abdominalstigmen zu entdecken. Vielleicht, dass derselbe durch die Hautfalte ersetzt ist, welche sich beim Zurückziehen über die ge- sammte Stigmenplatte hinweglegt.

Etwas anders, jedoch immerhin sehr ähnlich, gestalten sich die Verhältnisse bei

Oestrus bovis.

Die Stigmen bilden auch hier eine größere Platte, welche am letzten Leibesringel ihre Lage hat. Doch sind beide vollkommen von einander getrennt und frei, ohne jeglichen Wulst, so dass sie dem Auge, zumal

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 541

sie auch sehr dunkel pigmentirt sind, deutlich sichtbar werden. Sie besitzen die Form eines Halbkreises und liegen mit ihren Breitseiten einander zugekehrt, so dass das Ganze einer Ellipse nicht unähnlich ist. Ein jedes Stigma lässt nahe dem Rande, wo beide zusammenstoßen, einen hellen runden Fleck erkennen, der, gleich dem Stigma, von einem dunklen Chitinrande umgeben ist und leicht für eine Luft-Öffnung ge- halten werden könnte. Dem ist aber durchaus nicht so, denn jener Fleck stellt nur eine Vertiefung der Stigmenplatte vor, die unten durch eine dichte Chitinmembran abgeschlossen ist. Brauer (33) nennt dies die falsche Stigmenöffnung und ScHEIBEr (32) ist der Ansicht, dass dies ein Überbleibsel von Bildungen aus früheren Larvenstadien sei, in denen die Stigmen lange röhrenförmige Anhänge vorstellen. So viel aber ist gewiss, dass diesen Vertiefungen jegliche Funktion bei der Respiration abgeht. Von diesen vermeintlichen Öffnungen gehen radienförmig starke, mannigfach verzweigte Strahlen nach der Peripherie des Halbkreises hin, welche sich tief in das Innere der Trachee hinein fortsetzen. Auf Flächen- und Querschnitten erkennt man bei starker Vergrößerung, dass es röhrenförmige Kanäle oder eigentlich vielmehr Rinnen sind, welche in ihrem Inneren mit einem außerordentlich zarten und dichten Haarfılz ausgekleidet sind. Man hat es in diesen Gebilden mit den eigentlichen Öffnungen des Stigma zu thun, durch welche die Luft in die Trachee eingeführt wird. Von diesen Kanälen hängen gewöhnlich mehrere unter einander zusammen. Ebenso tragen dieselben meist noch eine ganze Anzahl seitlicher Ausbuchtungen und Zweige. Sie öffnen sich nach innen zu direkt in die Trachee und bilden in dieser drei von einander ge- trennte Abtheilungen, die von dunkelbraunen Chitinringen umschlossen werden. Wir sehen somit auch hier das Stigma in drei Einzelstigmen zerfallen!. Äußerlich ist über beide Stigmen eine starke Chitinhaut gespannt, die von zahlreichen Öffnungen durchbrochen ist. Letztere werden von

1 In einem noch höheren Grade ist das der Fall bei einer Oestriden-Larve aus der Dasselbeule eines Menschen, die Herr Dr. FALKkENSTEın an der Lorenzoküste ge- sammelt und dem Herrn Professor LEUCKART geschenkt hat. Es ist dieselbe Art, welche CoQuEREL (Ann. soc. ent. France. T. II. p. 95 u. 784) vom Senegal beschrie- ben hat. Die Stigmenplatten dieser Larve bestehen wie Herr Professor LEUCKART mir zeigte je aus vier Abtheilungen, von denen eine zur Aufnahme des oben be- schriebenen hellen Fleckes bestimmt ist, die drei anderen aber je ein geschlängeltes langes Stigma enthalten, das nach dem Außenrande hin gelegentlich einen kleinen blinddarmartigen Fortsatz abgiebt. Die vorderen Stigmen sind weit vollständiger entwickelt, als bei den früher betrachteten Arten, und zeigen jederseits sechs läng- liche Öffnungen, die sehr bald in eine sackartige Tracheenerweiterung hineinführen.

542 Oskar Krancher,

einem feinen Haarnetz überdeckt und führen in engen Gängen zu den oben beschriebenen radienförmigen Rinnen, die eigentlich erst durch diese Überbrückung zu Kanälen werden. Diese Öffnungen haben viel Ähnlichkeit mit denjenigen, die uns von den Thorakalstigmen von Gastrus equi her bekannt sind, nur dass sie sich durch bedeutendere Größe auszeichnen. Hinter jener Stelle, wo die radienförmigen Kanäle in die Trachee münden, zeigt sich an letzterer ein dunkler Streifen, der dieselbe ringförmig umgiebt. Es ist leicht denkbar, dass dies der Ver- schlussapparat der Abdominalstigmen ist, zumal es mir nicht gelungen ist, eine andere Verschlussvorrichtung zu entdecken.

Zwischen beiden Stigmen bemerkt man bei äußerer Flächenansicht noch eine dritte Öffnung. Es ist diejenige des Afters.

Die Thorakalstigmen finden sich im Unterschiede von denjenigen bei Gastrus equi auf einer wenig dunklen Platte vereinigt. Sie sind klein, von einem breiten Chitinringe umgeben und tragen auf ihrer äußeren Öffnung eine dünne Membran, die von zahlreichen kleinen Löchern durchbrochen ist, welche direkt in die Trachee überführen. Letztere schließt sich je an ein Stigma an. Trotzdem aber ist es fraglich, ob jene Stigmen bei der Athmung Verwendung finden, da auch hier die Hautfalte, in der dieselben verborgen liegen, immer vollständig mit Schleim verstopft ist, so dass die Luft schwerlich bis zum Stigma selbst vorzudringen vermag. |

Wir gelangen jetzt zur III. Ordnung der Insekten, zu den

Lepidopteren.

Um über die Stigmen dieser Thiere und ihren Bau zu einem end- gültigen Resultate zu kommen, wird es gerathen sein, wie bei den Mus- ciden, in genetischer Weise zu verfahren, zunächst also die Raupen, hierauf die Puppen, und schließlich die Schmetterlinge einer genaueren Betrachtung zu unterwerfen. Genau in derselben Weise behandelt auch H. Lanpois (19) die Tracheenverschlüsse bei den Lepidopteren.

Die Form der Stigmen ist bei allen eine sehr ähnliche, indem die- selben überall ein längliches Oval vorstellen. Auch vertiefen sie sich meist nach innen zu dachförmig und tragen dann an der am meisten verengten Stelle den Quetschapparat. Dieser ist in den drei Entwick- lungsstufen nicht allzu verschieden, was Lannoıs als merkwürdig her- vorhebt, und besteht immer aus einem Hebelarme, der auf einem lang- gezogenen ovalen Ringe oder überhaupt einem doppelarmigen Gebilde rechtwinklig aufsitzt. Überdies liegt der Verschlussapparat immer dicht hinter dem Stigma, ohne jedoch mit demselben in irgend welcher Weise verwachsen zu sein.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 543

Raupe.

Von den Raupen habe ich eine ganze Anzahl untersucht und im Grunde genommen immer denselben Bau gefunden. Die wenigen Fälle, in denen derselbe abweichend erschien, werde ich besonders berück- sichtigen, sonst aber mich behufs Erläuterung der Stigmen besonders an die Raupe von Cossus ligniperda halten, da ich die Luftlöcher der- selben einer sehr eingehenden Betrachtung unterzogen habe.

Was zunächst die Zahl derselben anbetrifft, so beläuft sich dieselbe bei allen Raupen auf neun Paare. Hierunter verstehe ich nur die wirk- lich offenen Stigmen. Von ihnen gehört das vorderste und größere dem Prothorax, während die anderen acht Paare dem Abdomen zufallen. Außerdem aber finden sich am Meso- und Metathorax noch zwei soge- nannte verschlossene Stigmen, bei denen wohl vom inneren Tracheen- stamme aus ein Ast jederseits nach der Körperhaut zu verläuft, welcher auch den üblichen Verschlussapparat trägt, aber von einer äußeren Öff- nung keine Rede ist. Die Form der offenen Stigmen im Allgemeinen ist eine länglich-ovale. Äußerlich treffen wir einen ziemlich dunklen Chitinrand, welcher sich meist oben über die Öffnung des Stigma hin- wegschlägt und nach unten zu dachförmig sich verengt, was besonders an Querschnitten deutlich hervortritt. In einer gewissen Tiefe nun er- blickt man auf der Flächenansicht eine dicht verfilzte Masse, auf der sich lauter kleine Köpfchen erheben, die mit Stacheln dicht besetzt zu sein scheinen. In der Mitte zieht sich ein schmaler, langer Spalt hindurch, welcher die eine Lippe von der anderen trennt. Um nun über jene Filzmasse und überhaupt den Bau des Stigma definitive Gewissheit zu erlangen, fertigte ich Quer- und Längsschnitte an und erhielt dadurch insofern ein unerwartetes Resultat, als die fast unverständlich mir entgegentretende Filzmasse als eine Unsumme von Haaren sich ergab, welche in ungleicher Höhe stehen und ihre Köpfchen sämmtlich nach oben richten. Dabei sind die Haare so lang, dass die Köpfchen fast in eine Ebene zu stehen kommen, ein Umstand, auf den schon das Flächen- bild hinweist. Die Haare selbst stellen kleine Chitinstäbchen vor, die an ihrem Ende oft gegabelt sind und eine ganze Menge von Nebenhaaren tragen, wie das besonders in ausgiebiger Weise an den Köpfchen der Fall ist. Dadurch nun, dass diese Stäbchen sehr dicht und in verschiedenen Etagen über einander stehen und die dichte Behaarung verfilzt und verworren ist, erhält das Ganze das oben erwähnte eigenthümliche Aus- sehen. Derjenige Theil des Stigma, welcher die soeben besprochenen Haare trägt, und überdies nach innen zu etwas vorgewölbt ist, setzt sich

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darüber hinaus noch in ziemlich unveränderter Weise fort, bis er schließ- lich sich bedeutend verengt und mit dem Tracheenverschlussapparat sich verschließt. Erst hinter dem Quetschhahn beginnt die Trachee sich zu theilen.

Bei einigen anderen Raupen gestalten sich die eben beschriebenen Verhältnisse etwas anders. Meist nämlich ziehen sich die Stigmen nicht so tief dachförmig nach innen, wie es bei Cossus der Fall ist, sondern bilden zur äußeren Körperhaut nur eine geringe Vertiefung. Was aber die Haare anbelangt, so sind dieselben mit ihren Querfortsätzen meist eng verwachsen und zu einer fein durchlöcherten Platte geworden, durch welche die Luft im wahren Sinne des Wortes gesiebt wird. Derartige Verwachsungen betreffen aber nicht nur die oberen Haare, sondern alle, so viel deren in mehrfacher Stufe über einander stehen. Ein Bild hier- von kann man natürlich nur auf Quer- und Flächenschnitten erhalten, wie ich solche von verschiedenen Raupen besitze. Zu dieser Art der Stigmen zählen die von Sphinx euphorbiae, von allen Euprepia-Arten, Smerinthus ocellatus, Sphinx tiliae, Sphinx ligustri und dergleichen mehr. Bei Bombyx mori findet sich, wie auch bei den beiden zuerst genannten, ein starker, schwarz pigmentirter Chitinring um das Stigma. Die Haare sind hier nicht verklebt, sondern frei, in drei bis vier Etagen über einander.

Die Stigmen der Raupen einiger Tagschmetterlinge, als Vanessa Jo, V. urticae und Pieris brassicae, sind allesammt nach demselben Typus gebaut; auch ihre Haare sind mehr oder weniger verfilzt, stehen aber meist nur in einer Fläche zusammen. Bei Vanessa Jo sind sie vermöge eingelagerten Pigmentes intensiv schwarz gefärbt. Ebenso ist an diesen Stigmen keine Vertiefung wahrzunehmen; der dasselbe umgebende dunkle Rand setzt sich vielmehr unmittelbar in die chitinöse Oberhaut des Insektes fort. Dicht hinter dem Stigma liegt da, wo die Trachee an den Seiten bedeutend komprimirt ist, der Quetschapparat, welcher in seinen Grundformen bei allen von mir untersuchten Raupenspecies der- selbe war. Er besteht aus den im Eingange erwähnten vier Bestand- theilen, von denen vor Allem der Verschlussbügel Beachtung verdient, da derselbe bald als ein sehr deutlicher, bald auch als ziemlich schwacher Chitinstreifen mehr als die Hälfte der Trachee umgiebt. Bei einigen Raupen, besonders denen der oben erwähnten Tagschmetterlinge, zeigt dieser an seinem unteren Ende eine Theilung in zwei Äste, von denen der eine sich der Trachee der Länge nach anschmiegt, während der kürzere sich nach der anderen Seite um die Trachee herumwendet. Bei anderen Raupen, als bei Cossus, Smerinthus populi, Bombyx mori, tritt derselbe als ein einfach gebogener Chitinstab auf.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 545

An das obere Ende des Bügels setzt sich dann der Verschlusshebel fest, der seiner eigenthümlichen Gestalt wegen hier besonders beschrie- ben werden muss. Derselbe stellt in vielen Fällen, wie fast allgemein bei den Larven der Tagschmetterlinge, einen einfachen Chitinstab vor, der oben an den Verschlussbügel gelenkartig angesetzt ist, unten aber einen rechtwinklig dazu gebogenen Hebelarm trägt. Doch ist dieser erste Chitinstab bei den Raupen der Bombycinen und Sphinginen durchgängig doppelt, seiner Gestalt nach einem lang gezogenen Ringe ähnelnd. Der- selbe zeigt zwischen seinen beiden Schenkeln eine mehr oder weniger breite Spalte, bei Bombyx mori eine solche von außerordentlicher Enge. Das rechtwinklig angesetzte Stück, der eigentliche Hebelarm, ist ver- schieden lang und zeigt an seiner Umbiegungsstelle eine bedeutende Anschwellung, während er selbst Anfangs dünn ist und nach dem freien Ende hin sich verdickt, oft sogar tellerförmig verbreitert oder mit einigen Zapfen ausgestattet ist. Die Verbindung zwischen dem Verschlussbügel und dem Hebel stellt das Verschlussband her, das seinen Ansatz an der Umbiegungsstelle des Hebels hat, an der zu diesem Zwecke oft noch eine kleine zapfenförmige Verlängerung angebracht ist. Dieses Bändchen ist verschieden konstruirt, indem es theils seiner Dünne und Zartheit halber kaum zu erkennen ist, wie bei Cossus ligniperda, theils aber auch sehr deutlich hervortritt, wie bei Bombyx mori. Zu erwähnen ist noch, dass ich besonders bei Cossus ligniperda, und ebenso auch bei vielen anderen Raupen, gefunden habe, dass die bisher genannten Theile des Quetsch- apparates, und vornehmlich der Hebelarm, mit einer dicken Hypodermis- schicht überkleidet sind.

Der Muskel, der den Quetschapparat bewegt, ist, wie ich wenigstens bei Cossus und Bombyx mori gefunden habe, ein doppelter. Der eine Theil erstreckt sich vom Hebelarm nach dem unteren Theile des Ver- schlussbügels und hat durch seine Kontraktion ein Annähern des Hebels und Bändchens an den Bügel zur Folge, wodurch der Verschluss zu Stande kommt. Der andere Muskel aber bewirkt gerade das Gegentheil, also ein Öffnen des Apparates. Er sitzt auf der anderen Seite dem Hebel an und heftet sich mit seinem zweiten Ende an die Hypodermis des be- treffenden Leibesringels fest. Er hat eine ziemliche Länge und kann durch seine Kontraktion leicht ein Öffnen der Trachee hervorrufen. Lanvoıs spricht in seiner Abhandlung nur von einem Muskel, nämlich dem, der der Hypodermis ansitzt, und den er fälschlich zum Schließer des Apparates macht. Dass er den anderen Muskel übersehen hat, findet seine Erklärung darin, dass derselbe ziemlich schmal und klein ist und nur aus einigen Fasern besteht. Ob das gleiche Verhältnis auch bei

546 Oskar Krancher,

den Raupen der Tagschmetterlinge wiederkehrt, hatte ich bisher keine Gelegenheit nachprüfen zu können.

Puppe.

Die Stigmen der Schmetterlingspuppen sind, wie bei den oben be- schriebenen Puppen der Musciden, durchaus chitinisirt. Sie stellen äußerlich einen stark gewulsteten Rand vor, welcher sich nach innen. zu, ähnlich der Raupe, dachförmig verengt bis zu einer schmalen Längs- spalte, welche dann direkt in die Trachee führt. Der zwischen dem äußeren Ringe und jener Öffnung liegende Theil zeigt einen eigenthüm- lichen Bau, indem auf ihm allerhand Längsfurchen sich hinziehen, die an ihren Rändern eine Unsumme von feinen Spitzchen tragen. Dies setzt sich so fort bis zur inneren Öffnung, an der wir schließlich einen Kranz von Zähnen vorfinden, welche wiederum mit kleineren Zähnchen und Härchen bedeckt sind. Dieselben haben eine solche Stellung, dass der Zahn der einen Seite stets in eine Lücke der anderen Seite zu liegen - kommt, wodurch die Öffnung eine sehr enge wird. Nach innen zu schließt sich die Trachee an, welche in unmittelbarer Nähe des Stigma den Verschlussapparat trägt. Derselbe ist ganz nach dem Vorbilde des- jenigen der Raupe gebaut und zeigt nur insofern einigen Unterschied, als er seines bedeutenden Pigmentgehaltes halber meist deutlicher her- vortritt. Ferner konnte ich hier nur einen Muskel konstatiren, der aber nicht, wie Lanpoıs bei Vanessa urticae gefunden haben will, sich an der Hypodermis der Haut anheftet, sondern der den Kopf des Hebels mit dem unteren Ende des Verschlussbügels verbindet.

Was schließlich die Zahl der Stigmen bei der Puppe anbetrifft, so beläuft sich dieselbe nur auf acht Paare, von denen ein Paar dem Thorax und sieben Paare dem Abdomen zuzuzählen sind. Ich habe hierauf be- sonders Smerinthus populi, S. ocellatus und eine kleine Eule untersucht und fand überall dieselben Verhältnisse. Lannoıs beschreibt die Ein- richtung des Stigma der Puppe von Vanessa urticae, und auch diese stimmen im Allgemeinen mit den oben behandelten überein. Auch hier bildet das Stigma einen länglich ovalen Ring, der sich nach innen in lauter einzelne Zähne fortsetzt. Dieselben sollen an der einen Seite stärker entwickelt sein, als an der anderen, und zugleich noch vier Reihen feiner Härchen tragen, die den Zweck haben, Staubtheilchen von dem Inneren der Trachee zurückzuhalten. Der Ring steht nach hinten zu mit der Trachee in Verbindung und trägt in ziemlicher Nähe des Stigma den Verschlussapparat, der dem von mir beschriebenen ganz gleich gestaltet ist.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 547

Imago.

Auch bei den Schmetterlingen sind die Stigmen ihrer äußeren Form nach längliche Ovale. Der Chitinring, der sie umgiebt, ist an der einen Seite stärker entwickelt, als an der anderen, und trägt hier oftmals sogar eine Reihe feiner Spitzen und Stacheln, wie ich dies besonders bei Smerinthus populi angetroffen habe. Der andere Rand ist nicht so stark ausgebildet und hebt sich nur wenig von der chitinisirten Körperhaut ab. Von dieser Seite aus wird das Stigma von dachziegelförmig über einan- der liegenden Schuppen bedeckt, welche das Eindringen von Staub- partikelchen verhindern. Gleichzeitig kommt dabei noch die oft sehr bedeutende Behaarung des Leibes in Betracht. Macroglossa stellatarum besitzt eine ganze Reihe ziemlich lang vorstehender Haare, die unter einander durch Queranastomosen verbunden und durch unzählige feine Härchen dicht verfilzt sind. Dieselben haben ihren Stand an derjenigen Seite des Stigma, welche keine Schuppen an der Außenseite trägt, so dass also die Schuppen und verfilzien Haare sich gegenseitig von beiden Seiten ergänzen.

Nach innen zu schließt sich wieder das Tracheenrohr mit der Quetschvorrichtung an, an der wir auch hier einen mehr oder minder deutlichen Verschlussbügel erkennen, der besonders bei Macroglossa stellatarum, Bombyx mori, Smerinthus populi und S. ocellatus deutlich in die Augen fällt. Bei Vanessa urticae soll derselbe nach Lanpoıs durch die Tracheenintima vertreten sein, die an dieser Stelle wulstartig aufge- trieben wäre. Ich untersuchte Pieris brassicae, fand den Bügel hier aber in seiner typischen bogenförmigen Gestalt. Oft ist derselbe, ähnlich wie bei manchen Raupen, an seinem Unterende gegabelt, so dass sich dann der eine Theil um die Trachee herumlegt, während der andere Theil nach außen hornförmig vorsteht. An den oberen Fortsatz des Ver- schlussbügels setzt sich der Verschlusshebel fest, welcher dieselbe Form zeigt, die bereits bei der Raupe und Puppe erwähnt wurde, nur dass der der Trachee anliegende Theil desselben zwischen seinen beiden Armen oft nur eine sehr geringe Spalte erkennen lässt. Den vollkommenen Schluss dieses Ringes um die Trachee stellt schließlich das Verschluss- bändchen her, welches bald als dünnhäutige Lamelle auftritt und des- halb oft nur sehr wenig sichtbar ist, bald aber auch durch dunklere Färbung deutlicher hervortritt, wie ich es bei verschiedenen Species be- obachten konnte. Es sitzt an dem Winkel des Verschlusshebels an und heftet sich mit seinem anderen Ende an den Verschlussbügel.

Das letzte Glied dieses Apparates bildet, wie gewöhnlich, der

548 Oskar Krancher,

Muskel, welcher in der Weise angebracht ist, dass er sich zwischen der knopfförmigen Anschwellung des Hebelarmes und dem unteren Ende des Verschlussbügels ausspannt. Seine Wirkung ist leicht einzusehen, denn in Folge der Kontraktion wird, wie bei der Raupe und Puppe, einfach der Hebel in Verbindung mit dem Bändchen dem Verschluss- bügel genähert und die dazwischen liegende Trachee zusammenge- quetscht. In der Mitte zeigt der Muskel oft eine stärkere Anschwellung, wie es besonders bei Pieris brassicae und nach Lanvoıs auch bei Pieris rapae der Fall ist. Betrefis der Lage des Verschlussapparates im Körper des Insektes sei nur so viel erwähnt, dass der Hebel stets an der Hinter- seite des Stigma gelegen ist, indem der gegabelte, resp. ringförmige Arm also stets nach oben zu liegt, wie in den früheren Zuständen.

Schließlich erwähne ich noch, dass ich in’letzter Zeit ein eben aus- geschlüpftes Räupchen von Smerinthus ocellatus auf ihre Stigmen hin untersuchte. Ich fand hier alle neun Paare, wie bei der ausgebildeten Raupe, bereits geöffnet; während aber das Bruststigma und die beiden letzten des Abdomens sich durch bedeutende Größe auszeichneten, tra- ten die anderen ihrer außerordentlichen Kleinheit halber fast ganz zu- rück. Von dem feineren Baue und der Haarbekleidung konnte ich noch nichts entdecken, nur bemerkte ich äußerlich einen deutlich hervor- tretenden Chitinring und dicht hinter dem Stigma den Quetschapparat, der bereits in diesem Stadium seine definitive Form angenommen hatte. Es wäre jedenfalls sehr interessant, die Metamorphose der Stigmen bei den verschiedenen Häutungen der Raupe zu untersuchen, wobei sich dann möglicherweise ähnliche Komplikationen herausstellen werden, wie wir solche bei den Dipterenlarven antreffen.

Orthopteren.

Auch bei diesen Thieren lässt sich ein gemeinsamer Bau der Stig- men und des damit verbundenen Tracheenverschlussapparates nicht verkennen. i

Die ersteren stellen überall eine einfache, sehr lang ausgezogene Spalte vor, die zu beiden Seiten einen aufgeworfenen Chitinrand zeigt, der sich schließlich tiefer nach innen zu in zwei Klappen fortsetzt, welche das Stigma für den ersten Augenblick als ziemlich groß erscheinen lassen. Der Quetschapparat ist meist direkt mit dem Stigma verwachsen und gleicht einer Pinzetteneinrichtung, welche durch einen zwischen den Klappen angebrachten Muskel wirkt. Die Bildung ist bei allen von mir untersuchten Orthopteren so übereinstimmend, dass ich, als ich Forficula auricularia untersuchte und in einigem Zweifel war, zu welcher

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 549

Ordnung dieselbe gehöre, doch sofort aus dem Baue der Stigmen 'er- kannte, dass sie in die Nähe der Grillen zu stellen sei. Genau so ge- stalten sich auch die Bruststigmen der Libellen, die somit nach ihrer Stigmenbildung unter allen Umständen zu den Orthopteren und nicht zu den Neuropteren zu zählen sind.

Betrachten wir zunächst die Stigmenbildung bei

Gryllotalpa vulgaris.

Dieselbe zeigt im Ganzen neun Paar Stigmen, von denen die bei- den vorderen dem Thorax, die übrigen aber dem Abdomen zufallen. Erstere sind am Meso- und Metathorax gelegen. Die Stigmen des vor- deren Paares sind bei Weitem die größeren. Sie stellen je einen fast zwei Millimeter langen Spalt vor, der senkrecht zur Längsachse des Thieres an den Seiten des betreflenden Brustringels gelegen ist. Die beiden Ränder sind wulstartig aufgeworfen, hängen an dem unteren Winkel zusammen und schlagen sich oben über einander hinweg, bis sie als gebogene Chitinstäbchen schließlich in der Körperhaut verlaufen. Nach innen zu entsendet die eine Hälfte eine ganze Reihe senkrecht diesem Rande aufsitzende einfache Haare, während die andere Hälfte deren nur eine sehr spärliche Zahl aufweist. Der Quetschapparat ist eng mit dem Stigma verwachsen, indem er sich vom Rande aus nach unten als eine schwache Chitinlamelle fortsetzt, an die sich dann die Trachee anschließt. Da, wo die Ränder sich als gekrümmte Chitinstäb- chen über einander hinwegschlagen, tritt diese Lamelle zurück, so dass sie gleichfalls in jenem Chitinstäbchen endigt. Das eine dieser Stäbchen verläuft direkt in der Körperhaut des Insektes, während das andere sich erst über dieses hinwegkrümmt und nun, gleichsam als Hebel fungirend, an der Krümmung selbst den Ansatzpunkt für den Muskel abgiebt. Letzterer breitet sich von dort fächerartig nach oben zu aus, in derselben Weise, wie es oben von den Thorakalstigmen der Musciden beschrieben ist. Mit seinem breiten Ende inserirt sich derselbe an einer verdickten Stelle der Körperhaut. Seine Wirkung ist leicht zu erklären und sehr effektvoll, denn sobald sich derselbe in seinen nach verschiedenen Richtungen hin ausstrahlenden Muskelfasern zusammenzieht, wird die unbewehrte Seite des Stigma und die daran sich ansetzende Lamelle gegen die bewehrte Seite mit ihrer nach innen verlaufenden Chitinla- melle gezogen, so dass ein Schluss unvermeidlich ist.

Betreffs des zweiten Thorakalstigma erwäbne ich, dass dieses in seinem Baue vollkommen mit denen des Abdomens übereinstimmt, wes- halb ich eine specielle Beschreibung desselben nicht für nöthig erachte. Es zeichnet sich nur durch seine bedeutende Größe vor den Abdominal-

550 Oskar Krancher,

stigmen aus, welche sich übrigens ihrerseits gleichfalls derart unter- scheiden, dass das erste Stigma am kleinsten erscheint, die übrigen aber nach hinten zu mehr und mehr wachsen, bis schließlich das letzte Stigma beinahe die Größe des metathorakalen erreicht.

Was die sonstige Bildung dieser Stigmen anbetrifft, so finden wir auch an ihnen zwei Klappen, von denen die eine weit größer ist, als die andere. In der Mitte zwischen beiden erscheint ein langer Spalt, der von beiden Seiten her durch kurze straffe Haare bedeckt wird, die den erhabenen Rändern des Stigma aufsitzen. Dieselben ziehen sich noch etwas nach innen hinein und mögen wohl dazu bestimmt sein, der Luft als Seiher zu dienen. Am hinteren Theile des Stigma, und zwar an den beiden Seiten der Klappen, erhebt sich je ein stark gefärbter Fort- satz, zwischen denen sich ein Muskel ausspannt. Derselbe besteht aus einer Anzahl von Muskelfasern, die zusammen ein ziemlich ansehnliches Muskelbündel vorstellen. Eine Kontraktion desselben bewirkt ein Zu- sammenziehen der beiden Ränder der Klappen, wodurch dann die da- zwischen befindliche Trachee in der Weise verengt wird, dass an einen Durchtritt der Luft nicht zu denken ist.

Nur wenig anders gestalten sich die Verhältnisse bei

Gryllus campesitris.

Auch hier finden wir im Ganzen neun Paar Stigmen, von denen die zwei vorderen sich auf Meso- und Metathorax vertheilen, während die anderen dem Abdomen angehören. An den mesothorakalen Stigmen treffen wir dieselben Verhältnisse, wie bei der Maulwurfsgrille, weshalb ich mich auf eine nähere Erörterung nicht weiter einlasse. Etwas ab- weichend aber gestalten sich die des Abdomens und die des dritten Brustringels. Was zunächst ihre Größe anbetrifft, so nimmt dieselbe nach dem dritten und vierten Abdominalstigma hin ab, um im siebenten wieder bedeutender zu werden. Ihrer äußeren Form entsprechend treffen wir zunächst zwei große, braun chitinisirte Platten von halbkreisförmiger Gestalt, welche an der Außenseite gleich der sie umgebenden Körper- haut mit starken Haaren besetzt sind. Da, wo die beiden Platten mit ihren Breitseiten an einander stoßen, wulsten sie sich etwas nach oben empor, so einen lief schwarzen Chitinring bildend, der die Stigmen- öffnung umgiebt. Derselbe ist an seinen beiden Seiten von verschiedener Bildung, denn während die eine Seite eine Menge steif vorstehender Haare zeigt, welche das Sieb des Stigma vorstellen, ist die andere voll- kommen unbewehrt und senkt sich schräg nach innen.

Dieser letztere Theil zeigt eine aus lauter Sechsecken bestehende netzförmige Zeichnung, wie man sie oft an Stigmenrändern beobachtet.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 51

Nach der einen Seite zu läuft dieser Rand in einen stark angeschwollenen Zapfen aus, welcher in sich eine Öffnung trägt, so dass das Ganze einem Nadelöhr nicht unähnlich wird. Dieser Zapfen dient zur Anheftung des Muskels, der sich mit seinem anderen Ende an einen größeren Vorsprung der gegenüber liegenden Klappe ansetzt und nun durch seine Kontraktion die eine Klappe unter die andere hinzieht und dadurch einen intensiven Schluss der Trachee bewirkt.

In ganz gleicher Weise, wie bei den bisher beschriebenen Arten, sind auch die Stigmen bei Gomphocerus eingerichtet. Jedoch sind dieselben außerordentlich klein und darum auch schwieriger zu unter- suchen. Der einzige Unterschied liegt darin, dass sich der Zapfen bei diesen Heuschrecken zu einem ganz bedeutenden Hebel entwickelt, an dem dann ein Muskel sitzt, der sich in der bekannten fächerartigen Ver- breiterung an die Hypodermis der Körperhaut ansetzt und nun durch seine Kontraktion den ohnehin schon engen Spalt des Stigma vollständig abschließt.

Auch die Stigmen von Forficula auricularia sind ganz in der- selben Weise gebaut, wie bei der Feldgrille; nur darin findet sich eine Verschiedenheit, dass der Schließmuskel nicht an die Körperhaut, son- dern einen plattenartigen Fortsatz des Stigma selbst sich ansetzt.

Betrachten wir nun die Verhältnisse bei den

Libellen,

von denen ich schon oben gesagt habe, dass sie ihrer Stigmenbildung halber zu den Orthopteren gezählt werden müssen. Gleich diesen tragen sie auch neun Stigmen, am Thorax zwei Paare und am Abdomen deren sieben. Die des Thorax vertheilen sich auf den Pro- und Mesothorax und zeigen einen eigenthümlichen, unter einander ziemlich übereinstiimmen- den Bau. Da ich besonders das Stigma des Mesothorax untersucht habe, so gebe ich von diesem eine nähere Beschreibung, die zunächst Aeschna grandis entlehnt ist, aber auch für andere Libellen, zum Beispiel Libel- lula virgo, in derselben Weise passt.

Das Stigma stellt äußerlich einen tief schwarzen, ziemlich breiten Chitinring vor, der die Öffnungen umrahmt und nach seiner Innenseite zu regelmäßig gebuchtet erscheint. Zugleich entsendet er über die Stigmen- fläche eine Menge einfacher, peitschenförmiger Haare, die allerdings nur eine sehr geringe Abwehr für die Staubpartikelchen bilden. Nach innen zu verengt sich das daran schließende Tracheenrohr genau wie bei den Dipteren, und trägi schließlich an der am stärksten verengten Stelle einen ziemlich kräftigen Chitinring, der an der nach außen liegenden Seite zu jener den Orthopteren, und besonders Gryllus, eigenen nadel-

552 | . Oskar Krancher,

öhrförmigen Verdickung anschwillt. Die andere Seite ist hiervon voll- kommen frei und zeigt nur eine über den Chitinrand vorstehende dunkle Klappe. Dabei sind beide Seiten der Trachee gefältelt und mit einer großen Zahl von Stacheln besetzt, die an ihrem Grunde unter einander durch dunkle Leisten verbunden sind, so dass das Ganze mehr oder weniger eine zellenförmige Zeichnung repräsentirt. Dieser ganze Appa- rat stellt den Quetschapparat vor. Der dabei in Betracht kommende Muskel zeigt, wie wir das auch bei den bisher beschriebenen Thorakal- stigmen fast stets gefunden haben, eine fächerförmige Ausbreitung, indem er sich an eine direkt über dem Stigma liegende sehr stark und deutlich hervortretende Chitinspange ansetzt. Der Muskel selbst besteht nun aus zwei Abtheilungen, von denen eine jede gewissermaßen einen beson- deren Muskel bildet. Der eine, welcher zugleich der größere ist, setzt sich an die nadelöhrförmige Anschwellung an und bewirkt durch seine Kontraktion ein Straffziehen des in die Trachee eingelagerten Chitin- streifens. Das andere kleinere Muskelbündel hingegen inserirt sich an der bereits erwähnten Klappe und bewirkt durch sein Zusammenziehen ein Annähern der Klappe nach jenem Chitinstreifen hin. Kontrabiren sich beide Muskeln zugleich, so muss, da jetzt beide Chitingebilde ein- ander genähert werden, auf alle Fälle ein Schluss der sich nach hinten ansetzenden Trachee erfolgen. Das prothorakale Stigma ist mehr in die Länge gezogen und stellt einen Spalt von nahezu zwei Millimeter vor. Da dasselbe von Lannoıs (22) bereits in ziemlich eingehender Weise be- schrieben worden ist, besonders des Schwirrapparates halber, der darin sich vorfinden und aus einer Menge zarter Häutchen bestehen soll, die durch festere Chitinzähne von einander getrennt sind, so verweise ich auf diese Beschreibung.

Die Abdominalstigmen zeigen einen sehr breiten, langen Chitinring, der in der Mitte eine lange enge Spalte besitzt, welche die Stigmenöfl- nung vorstellt. Diese zieht sich näpfchenförmig nach innen und ist mit einer Unsumme von feinen Haaren ausgestattet, die den Staub der Luft zurückhalten. Das Näpfchen verengt sich schließlich ganz zu einer engen Querspalte, an welcher der Quetschapparat seine Lage hat. Da derselbe besonders an einer kleineren Libelle sehr deutlich hervortrat, so lege ich diesen meiner Betrachtung zu Grunde.

Um die Trachee herum legt sich der Verschlussbügel, der auf der einen Hälfte ziemlich breit und dunkel ist, während er auf der anderen als eine nur schwache Chitinspange entwickelt ist, der ich darum auch den Namen Verschlussbändchen beilegen will. Diesem sitzt ein kleiner Hebel auf, der durch einen Muskel mit dem Verschlussbügel in Verbin- dung steht. Kontrahirt sich derselbe, so wird der Hebel mit dem Bänd-

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 5593

chen gegen den Verschlussbügel hin gedrückt, die Trachee wird zu- sammengepresst und dadurch der Verschluss hergestellt. Wir erkennen in dem hier sich findenden Verschluss einen ziemlich einfachen Mecha- nismus, ähnlich jenem, den wir später auch bei den Goleopteren vor- finden werden.

Bei Aeschna grandis ist der Verschlussapparat der Abdominalstigmen genau so wie an den Stigmen der Brust.

Neuropteren.

Da mir von der Ordnung der Neuropteren im Ganzen nur zwei Species vorlagen, so muss ich mich auch bei der Schilderung im All- gemeinen auf einige wenige Bemerkungen beschränken. Bei den von mir untersuchten Arten besitzen die Stigmen nur eine unbedeutende Größe. Sie tragen äußerlich meist nur an der einen Seite einen schärfer hervortretenden Chitinring, während die andere Seite dachförmig sich nach innen zieht, gewöhnlich auch durch eine sehr starke Behaarung aus- gezeichnet ist. Hinten schließt sich dann die Trachee an, die ganz dicht am Stigma eine geringe Verengung erkennen lässt, da hier der Quetsch- apparat gelegen ist. Was die Zahl der Stigmen anbetrifit, so fand ich allgemein neun Paare vor, von denen zwei dem Thorax angehören, - während die übrigen sieben dem Abdomen zufallen. Die Thorakal- stigmen vertheilen sich so, dass das größere Paar dem Prothorax ange- hört, während das kleinere am Metathorax liegt. Da die Stigmen der beiden von mir untersuchten Arten in anderer Beziehung von einander abweichen, so unterwerfe ich sie getrennt einer eingehenderen Be- trachtung.

Panorpa communis.

Wie bereits erwähnt, finden wir am Thorax zwei Stigmen vor, von denen das prothorakale länglich oval erscheint und an den Breitseiten dachförmig sich nach innen verengt. Diese beiden Ränder sind ziem- lich dicht mit einer Reihe von Haaren besetzt, welche über die innere Öffnung herüber greifen und dem Staub Einhalt gebieten. Da, wo das Stigma sich am meisten verengt und der Übergang in die Trachee statt- findet, liegt jederseits ein Chitinstäbchen. Beide stehen unten in Zu- sammenhang und dienen an der oberen Seite, ohne hier in einander überzugehen, einem fächerartig sich ausbreitenden Muskel zum Ansatz, der mit seiner Breitseite an die Hypodermis der Körperhaut sich befestigt. Durch seine Kontraktion bewirkt er ein Annähern beider Chitinlamellen und damit ein Zusammenquetschen der dazwischen liegenden Trachee.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 37

554 Oskar Krancher,

Das metathorakale Stigma ist, wie bereits früher erwähnt wurde, nierenförmig gestaltet. Die eine Seite zeigt einen starken Chitinhalb- ring, der sich nach innen zu in die Trachee fortseizt, während die andere Seite eine schräg nach innen zu geneigte Chitinlamelle bildet, die mit einem dichten Haarnetze versehen ist. Auch der äußere Rand des Stigma ist jederseits mit einer Menge mehr oder minder langer Haare bewachsen, die an der Chitinlamelle bis in den Grund des Stig- ma hinein sich fortsetzen und somit einen echten Seihapparat für die Luft vorstellen. Dort nun, wo die Trachee mit ihrer spiraligen Zeichnung hervortritt, ist die Lage des Quetschapparates, der auch hier eine sehr einfache Form hat. Von einem besonderen Verschlussbügel ist Nichts zu sehen; selbiger wird vielmehr durch den nach innen sich fortsetzen- den Chitinrand der einen Stigmenseite repräsentirt. Diesem gegenüber steht auf einer etwas stärker hervortretenden Spirale des Tracheenrohres der Hebel, der im Vergleich zum Stigma selbst eine ziemlich bedeutende Größe besitzt. Das äußerste Ende dieses Hebels ist mit dem dunkel ge- färbten Stigmenrande durch einen Muskel verbunden, der bei seiner Kontraktion einen Verschluss in der Weise bewirkt, dass er den Hebel gegen den Stigmenrand hin drückt. In fast ganz gleicher Weise sind auch die Stigmen des Abdomens gebaut, nur mit dem Unterschiede, dass dieselben äußerst klein sind und dadurch der Untersuchung einige Schwierigkeiten entgegensetzen. Doch habe ich auch von diesen Stig- men die schönsten Bilder mit deutlich sichtbaren Muskeln erhalten.

Sehr ähnlich sind die Stigmen bei

Rhaphidia.

Bei dieser Species treffen wir die Stigmen des Prothorax von nieren- förmiger Gestalt, während alle übrigen länglichen Ovalen gleichen. Doch stimmen sie alle in ihrem Baue mit denjenigen von Panorpa überein, weshalb ich es für unnöthig erachte, diese einer besonderen Betrach- tung zu unterwerfen. Nur der Tracheenverschlussapparat mag hier be- sondere Erwähnung finden, da derselbe sich durch seine eigenthümliche Gestalt beträchtlich von denen der vorher beschriebenen Art unter- scheidet. Vor Allem treffen wir einen deutlichen Verschlussbügel an, der sich durch seine mächtige Größe scharf abhebt und in der Mitte eine schwache Einbuchtung zeigt. Mit demselben steht auf der einen Seite der Verschlusshebel gelenkartig in Verbindung, der sich durch eine eigenthümlich dreieckige Gestalt und wellenförmige Biegung auszeichnet und an der anderen Seite durch das Verschlussbändchen mit dem Ver- schlussbügel zusammenhängt. Der Muskel, der die freie Spitze des

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 555

Hebels mit dem Verschlussbügel verbindet, bewirkt durch seine Kon- traktion eine kräftige Abschließung der Trachee.

Am gestaltreichsten unter allen Insekten sind in Betreff ihrer Stig- menbildung die

Coleopteren.

Die Mannigfaltigkeit in der Bildung dieser Theile spricht sich eben so wohl in der Form, wie in der Organisation aus und betrifft in gleicher Weise die eigentlichen Stigmen wie den Quetschapparat. Der äußeren Form nach könnte man wohl zwei Arten der Stigmen unterscheiden, nämlich:

4) die länglich ovalen, welche die weitaus verbreitetsten sind,

2) diejenigen, welche noch ein koncentrisches Mittelstück zeigen.

Sie liegen entweder in gleicher Höhe mit der Körperhaut des Thieres, oder senken sich etwas dachförmig nach innen zu ein; doch ist das letztere nur wenig von Bedeutung. Mit alleiniger Ausnahme von Lina populi sind dieselben auch allgemein mit mehr oder minder zahlreichen Haaren besetzt, welche, wie bei den Raupen, einen wirksamen Seih- apparat vorstellen. Die Haare sind entweder nur einfache Borsten oder oftmals verzweigte, starke Chitinstäbchen, die dann gewöhnlich noch dicht mit Härchen besetzt sind. Zum Beleg verweise ich auf die Stigmen- haare des Dytiscus marginalis. In anderen Fällen sind dieselben auch durch zahlreiche Querbalken unter einander zu einem Netze verbunden, über das sich dann gewöhnlich noch eine dünne, siebartig durch- brochene Hautlamelle ausspannt, welche die Luft beim Einströmen zu passiren hat.

Was die Tracheenverschlussapparate anbetrifft, so kann man drei Kategorien unterscheiden:

4) Stigmen, bei denen der Verschluss der Trachee nur durch einen einfachen Hebel bewerkstelligt wird,

2) Stigmen, die einen Doppelhebel besitzen,

3) Stigmen, bei denen der Verschluss in ganz besonderer Weise durch Anziehen eines ringförmigen Chitinstreifens an ein koncentrisches Mittelstück erzeugt wird.

An allen Verschlussvorrichtungen der Coleopteren sind, mit alleiniger Ausnahme der unter 3 erwähnten Stigmen, die im Eingange erwähnten vier Bestandtheile mehr oder weniger deutlich ausgebildet, so dass man über die Wirkung des betreffenden Apparates nie in Zweifel sein kann. Was schließlich noch die Lage und Zahl der Stigmen betrifft, so sei be- merkt, dass man bei den Coleopteren im Ganzen gleichfalls neun Paare

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findet, von denen zwei Paare dem Thorax und sieben Paare dem Ab- domen zukommen. Die der Brust zeichnen sich stets durch ihre be- deutendere Größe aus, sind aber betreffs ihres Baues genau so konstruirt, wie die Abdominalstigmen. Gerade dadurch aber eignen sich dieselben oft sehr gut zum Studium besonders bei solchen Thieren, bei denen die Hinterleibsstigmen nur bei stärkerer Vergrößerung vollständig sich ana- lvsiren lassen.

Von Larven dieser Ordnung untersuchte ich diejenigen von Melo- lontha vulgaris, Oryctes nasicornis, Hydrophilus piceus und Dytiscus marginalis, die ich zunächst einer eingehenderen Behandlung unterziehe.

Larven.

Melolontha vulgaris.

Die Larve des Maikäfers besitzt neun Paar Stigmen; jedoch gehört hier nur ein Paar dem Thorax an, während sich die übrigen acht Paare auf das Abdomen vertheilen. Ihre Größe weicht nur sehr wenig von einander ab, und ihr Bau ist bei allen ein gleicher, weshalb sich meine Beschreibung auf alle beziehen wird. Das Stigma ist, wie überhaupt bei den Larven sehr vieler, wenn nicht gar aller Lamellicornier, aus- gezeichnet durch ein Chitinstück, welches sich vom Rande aus nach der Mitte zu vorschiebt, dessen Natur aber, besonders von BURMEISTER, voll- kommen missverstanden ist, indem derselbe in diesen Vorsprung die eigentliche Öffnung des Stigma verlegte, was aber vollkommen irrig ist. Durch dieses Mittelstück erhält vielmehr das Lumen des Stigma eine wurst- oder Q-förmige Krümmung, welche von zahlreichen Chitin- stäbchen durchzogen ist, die das unpaare Mittelstück mit dem äußeren Chitinrande verbinden. Die Stäbchen sind wieder durch zahlreiche Queranastomosen unter sich verbunden und stellen somit ein Gitter dar, über das schließlich noch eine feine Haut mit zahlreichen äußerst kleinen Öffnungen ausgespannt ist. Es ist leicht zu ersehen, dass es hierdurch auch den kleinsten Staubtheilchen unmöglich gemacht ist, in das Innere der Trachee zu gelangen, denn jene Öffnungen sind erst mit sehr starker Vergrößerung erkennbar. Welchen Werth nun aber das Mittelstück selbst für das Stigma hat, erfuhr ich durch Querschnitte, die dasselbe gut getroffen hatten. Sie zeigten, dass der Vorsprung im Inneren eine

Höhlung enthalte, in der ein Muskel gelegen ist, und zwar der Verschluss-

muskel des Quetschapparates. Der letztere ist von ziemlich einfachem Bau, indem er nur eine lokale Verdickung der Trachee in geringer Ent- fernung vom Stigma vorstellt. Diese reicht um das ganze Stigma herum und biegt sich auf den beiden unteren Seiten des unpaaren Mittelstückes

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 997

in Gestalt eines stärker hervortreienden Chitinwulstes nach aufwärts, wo beide mit dem unpaaren Mittelstück verschmelzen. An jener Stelle, wo die Umbiegung erfolgt und die beiden Äste sich am meisten einander nähern, sind dieselben durch ein deutlich erkennbares Chitinbändchen verbunden, an das der Muskel mit ziemlich breiter Fläche sich anheftet, während das entgegengesetzte Ende im Inneren des Vorsprunges sich inserirt, und zwar an der oberen Stelle, wo ein kleiner Chitinzapfen vorspringt, der durch zahlreiche Fältelung und mannigfache Vorsprünge eine geeignete Insertionsstelle abgiebt. Die Wirkung dieses so eigen- ihümlich gestalteten Apparates ist nicht eben schwierig zu übersehen. Eine Kontraktion des Muskels muss das Bändchen anziehen und damit auch die beiden Umbiegestellen des um die Trachee liegenden Chitin- ringes, wodurch jener gegen das unpaare Mittelstück gepresst wird, so dass ein Eindringen von Luft in die Trachee fortan unmöglich ist. Die Trachee setzt sich dicht an das Stigma an und zieht sich im Inneren längs des unpaaren Vorsprunges hin, so dass der Muskel nicht im Inneren der Trachee, sondern noch außerhalb derselben liegt.

Genau dieselben Verhältnisse traf ich an den großen Stigmen der Larve und Imago eines Nashornkäfers, auf die ieh somit nicht noch ein- mal zurückzukommen brauche.

Dytiscus marginalis.

Da die Larven dieses Käfers sich im Wasser aufhalten, so glaubte ich in deren Stigmenbildung eine ganz besondere Eigenthümlichkeit vorfinden zu können; und ich sollte mich auch nicht getäuscht haben. Die äußere Form der Stigmen markirt sich als ein ziemlich dunkler Ring, von dem aus, wie man auf Querschnitten erkennt, eine dünne Lamelle nach vorn sich vorwölbt, die in der Mitte eine sehr kleine Öffnung trägt. Nach innen zu setzt sich der äußere Chitinring direkt in die Trachee fort, die sich mehr und mehr erweitert und auf der ganzen Strecke eine verworrene Spiralzeichnung erkennen lässt. Das Innere ist mit einem dichten Filz von Haaren besetzt. Schließlich hört jedoch diese Zeichnung plötzlich auf, die Trachee wird weichhäutig und komprimirt sich nach zwei Seiten hin sehr stark, hier den Quetschapparat tragend. Derselbe besteht aus einem Verschlussbügel, der die Trachee zur Hälfte umgiebt, während die andere Seite vom Verschlusshebel und Bändchen umgürtet wird, wodurch der Ring geschlossen ist. An der dem Hebel gegenüber liegenden Seite trägt der Verschlussbügel einen Zapfen, der mit dem Hebel in einer Muskelverbindung steht.

Ähnlich finden wir die Verhältnisse auch bei der Larve von

558 Oskar Krancher,

Hydrophilus piceus.

Hier ist die äußere Form des Stigma insofern abweichend, als letzteres mehr eine nierenförmige Öffnung in sich einschließt, welche an ihrem Rande von einer ganzen Anzahl von Haaren bedeckt ist, durch welche die Öffnung förmlich verstopft wird. Von hier aus zieht nun die Trachee mit wenig deutlicher Spiralzeichnung nach innen zunächst bis an den Quetschapparat hin, der übrigens weniger weit abliegt, als bei Dytiscus marginalis. Letzterer gleicht demjenigen der soeben beschrie- benen Larve fast ganz genau, nur dass der Hebel weit kräftiger und der ganze Apparat viel schwärzer ist. Erst weiter nach innen zu erhält die Trachee, die sich dabei ziemlich stark erweitert, ihre typische Spiral- zeichnung.

Die ganze Bildung des Stigmenapparates (Länge und Behaarung des Ansatzrohres, Enge der Öffnung) repräsentirt offenbar eine hübsche An- passung an das Wasserleben.

Imago.

Lina populi.

Das Stigma dieses rothen Blattkäfers, äußerlich von einem Chitin- ringe umgeben, verengt sich nach innen zu trichterförmig und ist an seinem Rande vollkommen unbewehrt. Die nach innen zu sich fort- setzenden Ränder zeigen die bei vielen Insekten bereits erwähnte zellen- föormige Struktur. Die Trachee, die an dieselben sich ansetzt, trägt den Verschlussapparat dicht hinter dem Stigma. Derselbe ist aus zwei Hebeln zusammengesetzt, die von verschiedener Größe sind und unter sich durch einen Muskel verbunden werden, bei dessen Kontraktion die Basis der beiden Hebelarme gegen den hier wenig deutlich sich abhebenden Verschlussbügel andrückt und auf diese Weise den Verschluss herstellt. Das Öffnen des Apparates wird, wie bei allen anderen hier in Betracht kommenden Verschlussvorrichtungen, durch die Elasticität der Chitin- theile selbst bewirkt.

Hylobius abietis.

Bei diesem kleinen Rüsselkäfer ist die äußere Öffnung von einem hervorgewulsteten, länglich ovalen Chitinringe umgeben, der vermöge seiner eigenthümlichen, ringsum sich findenden Querstreifung wie aus lauter einzelnen Stücken zusammengesetzt erscheint. Nach innen zu verengt sich die Öffnung um ein Weniges, in sich eine Menge einfacher Haare tragend, welche beim Durchstreifen der Luft alle fremden Körper

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 559

zurückhalten. Dicht hinter dem Stigma sitzt der Verschlussapparat, dessen starker und kräftiger Bügel deutlich hervortritt. Derselbe be- sitzt eine ziemliche Breite und ist sehr dunkel pigmentirt. In gleicher Weise hat auch der Verschlusshebel an allen Stigmen eine kräftige Aus- bildung. Beide, Verschlusshebel und Verschlussbügel, lassen zwischen sich nur eine geringe Spalte und werden diese natürlich vollkommen schließen, sobald der Verschlussmuskel, welcher zwischen dem Hebel und einem zapfenartig vorspringenden Theile des Verschlussbügels sitzt, in Wirkung tritt.

Melo& proscarabaeus.

Das ovale Stigma ist von einem festen, tief schwarzen Chitinringe umgeben. Nach innen setzt sich derselbe in eine sich verengende hellere Chitinlamelle fort, die durch ihre scharf begrenzten hexagonalen Zellen besonders ausgezeichnet ist. An der inneren Öffnung sitzen eine große Anzahl quer durch einander stehender, unverzweigter Haare, die den Filter des Stigma repräsentiren. Dicht hinter dem Stigma liegt der Ver- schlussapparat, der gleichfalls durch seine tiefe Schwärze auffällt. Die eine Hälfte der Trachee wird von einem halbmondförmig gebogenen Ver- schlussbügel umgeben, der ebensowohl durch ein Gelenk mit dem Ver- schlusshebel verbunden ist, wie er andererseits um die Trachee sich herumlegt und durch das Bändchen mit dem Hebel in Berührung tritt. Letzterer hat eine eigenthümliche Gestalt und erinnert an den Drücker des Telegraphen, indem der Kegel fast endständig sitzt, während der Hebel selbst sich stabförmig ausdehnt, um mit dem Bügel in Artikulation treten zu können. Der Muskel verbindet nun einfach den Kegel dieses Hebels mit dem Ende des Verschlussbügels und bewirkt auf diese Weise bei der Kontraktion ein Annähern des ersteren an diesen. Zum Schluss erwähne ich noch den Umstand, dass der Verschlusshebel sowohl, wie auch der Bügel an ihren Innenseiten gleichfalls mit Haaren besetzt sind, die offenbar dazu dienen, die etwa durch das äußere Haarfilter hindurch gedrungenen Staubtheilchen zurückzuhalten.

Elater murinus.

Wie bei den anderen Käfern, so stellen auch die Stigmen des Schnell- käfers einen länglich-ovalen Ring vor, der an seinen beiden Seiten mit vorstehenden und besonders an den Köpfchen reich verzweigten Haaren versehen ist. Der Rand zieht sich als ein dünnes Häutchen mit schwacher dachförmiger Verengung nach innen und trägt in nur geringer Tiefe den Quetschapparat, der aus zwei kleinen Kegelchen besteht, welche beson- ders an den Bruststigmen sehr prägnant hervortreten. Dieselben sind

60 Oskar Krancher,

durch einen Muskel mit einander verbunden und werden bei Kontraktion desselben mit ihrer Basis gegen den an der anderen Seite der Trachee sich vorfindenden Verschlussbügel gedrückt, wodurch der Verschluss hergestellt ist. Während diese Kegel am Bruststigma ziemlich gleiche Größe besitzen, sind dieselben an denen des Abdomens von verschie- dener Ausbildung, indem hier der eine als sehr kräftiger Verschlusshebel auftritt, der andere aber ein nur minimales Höckerchen vorstellt.

Geotrupes stercorarius.

Die Form der Stigmen beim Mistkäfer ist eine vollkommen gleich- mäßig elliptische, bedingt durch einen tief dunkelbraunen Chitinring, der das Ganze umgiebt. Derselbe sendet nach der Mitte der Öffnung zu eine ganze Reihe von mehr oder minder starken Chitinstäbchen, die unter einander durch Queräste zu einem engen Netze verbunden sind und an der Außenseite, genau wie bei der Melolonthalarve, in eine dünne Haut verlaufen, die das Ganze bedeckt und eine große Menge der fein- sten Poren zeigt. In der Mitte jedoch bleibt ein enger, wellenförmig gekrümmter Spalt frei, der die eigentliche Öffnung des Stigma bildet und mit einer Unzahl von feinen Härchen bewehrt ist. Der Chitinring zieht sich nach innen in die Trachee aus, die sich sofort sehr stark zu- sammenpresst und an dieser Verengung den Verschlussapparat trägt. Derselbe besteht aus dem bekannten halbmondförmig gebogenen Ver- schlussbügel, der die eine Seite der Trachee als dünner Chitinstreifen umgiebt. An dem einen Ende steht derselbe mit dem Verschlusshebel in Verbindung, der hier insofern einige Abweichung zeigt, als auf dem eigentlichen dunkleren Kegel noch ein kleinerer von heller Farbe auf- sitzt. Den vollständigen Verschluss dieses Ringes bildet schließlich das Bändchen. Der Muskel endlich sitzt mit seinem einen Ende an dem Kegel und dem darauf sitzenden Kegelchen fest, während das andere Ende, anstatt wie bei den anderen Coleopteren, sich dem Verschluss- bügel anzuschließen, ausnahmsweise an der Hypodermis des betreffenden Leibesringels sich inserirt. Dadurch aber wird die Wirkung des Ver- schlussapparates in keiner Weise benachtheiligt, denn eine Kontraktion des Muskels wird auch hier das Zusammenquetschen der Trachee be- wirken.

Melolontha vulgaris.

Die Stigmen des Maikäfers ähneln in vieler Beziehung denen des eben beschriebenen Geotrupes, nur dass die eine Lippe weit breiter ist, als die andere. Wie dort, so zieht auch hier zwischen den beiden Lippen ein Spalt hin, nur dass derselbe eine bedeutendere Weite zeigt, mit der

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 561

dann natürlich auch eine stärkere Behaarung Hand in Hand geht. Eben- so treffen wir die von den Chitinstäbchen und ihren Verzweigungen aus- gehende poröse Haut, die das Chitinnetz überzieht. Der dicht hinter dem Stigma gelegene Tracheenverschlussapparat besteht aus einem stark vortretenden Verschlussbügel, der die Trachee sichelförmig umgiebt und auf der anderen Seite mit zwei großen Hebeln in Verbindung steht, die durch den starken Verschlussmuskel unter einander verbunden sind. Durch die Kontraktion des aus vielen Fasern bestehenden Muskels wird die Basis beider Hebel gegen den Bügel gedrückt und der Verschluss hergestellt. Lässt die Kontraktion nach, so öffnet sich der Apparat ver- möge der Elasticität der Chitintheile, besonders wohl des gekrümmten Verschlussbügels.. Im Inneren des Tracheenrohres, direkt vor dem Quetschapparate, ist um die Öffnung des Stigma herum ein dunkler Chitinbalken ausgespannt, der eine zarte Streifung hat und von Lanpoıs mit dem Namen Brummzunge belegt ist. Dieselbe ist an der einen Seite mit der Trachee verwachsen und ragt auf der anderen Seite frei in die- selbe hinein. Es ist übrigens durchaus nicht unwahrscheinlich, dass dieselbe beim Ein- und Ausströmen in vibrirende Bewegung versetzt wird und das Brummen des Maikäfers erzeugt. Die Größe der Stig- men ist, wie gewöhnlich bei den Insekten, eine ziemlich verschiedene ; jedoch ist der Bau und der Verschlussapparat überall der gleiche.

In ganz derselben Weise ist auch das Stigma von Osmoderma ere- mita und der damit verbundene Quetschapparat mit seinen zwei Hebeln gebaut, weshalb ich auf dieses hier nicht näher eingehe.

Silpha obscura.

Auch bei den Aaskäfern treffen wir einen ähnlichen Bau der Stigmen an, wie bei den letztbeschriebenen Arten. Das ovale Stigma wird von einem gleichgestalteten Ringe umspannt, welcher schwach sich vertieft und mit starken Chitinhaaren besetzt ist, welche die mannigfachste Ver- zweigung und feinste Behaarung zeigen. Ohne unter einander verkittet oder verwachsen zu sein, lassen dieselben in der Mitte einen spalt- förmigen langen Raum frei, der durch die daselbst zusammenstoßenden Haare noch bedeutend verengt wird. Nach hinten zu sitzt in unmittel- barer Nähe des Stigma der stark ausgebildete Verschlussapparat, wel- cher am meisten Ähnlichkeit mit demjenigen von Melo& hat und darum keiner besonderen Beschreibung bedarf. Nur so viel sei noch erwähnt, dass auf dem sehr großen Verschlusskegel noch ein sehr kleiner Kegel hakenförmig aufsitzt, der zum eigentlichen Ansatz des Muskels be- stimmt ist.

562 ‚Oskar Krancher,

Necrophorus vespillo.

Auch die Stigmen des Todtengräbers zeigen einen ähnlichen Bau, weshalb ich denn auch hier von einer eingehenderen Beschreibung ab- sehe und nur erwähne, dass bei denselben die Lippen, welche durch die vom Chitinrande vorstehenden Haare gebildet werden, von ungleicher Größe sind. Die Spalte, welche dieselben zwischen sich lassen, erinnert an die des Maikäfers. Der dicht hinter dem Stigma liegende Quetsch- apparat besteht aus dem starken Verschlussbügel, der auf der einen Seite der Trachee halbmondförmig derselben sich anschmiegt, und den beiden Verschlusskegeln, welche sich von einander durch ihre Gestalt bedeutend unterscheiden. Während der eine nach oben mehr abge- rundet erscheint, trägt der andere dort einen stark nach innen zu ge- krümmten Zapfen, welcher dem Muskel als Ansatzstelle dient. Derselbe sitzt zwischen beiden Kegeln und bewirkt durch seine Kontraktion einen festen Verschluss.

Hydrophilus piceus.

Die Stigmen dieser Thiere sind nicht sehr komplicirt gebaut, indem der Rand derselben nur wenig deutlich von der Körperhaut sich abhebt. Sie haben eine länglich-ovale Gestalt und zeigen an den beiden Seiten eine spärliche Behaarung, die an der einen Seite jedoch weit stärker auftritt, als an der anderen. Durch dieselben erhält das Stigma nur einen sehr spärlichen Filtrirapparat; allein ein solcher dürfte für das Bedürfnis des Insektes, das nach Art aller Wasserkäfer die Luft zunächst aus dem unterhalb der Flügeldecken gelegenen Raume entnimmt, voll- ständig ausreichen. Ganz entgegengesetzt hierzu ist der Verschluss- apparat ausgebildet, der nirgends in seiner Art schöner gefunden werden kann. Der Verschlussbügel tritt als ein halbmondförmig gekrümmter, ziemlich breiter und stark chitinisirter Strang auf, der die eine Hälfte des Stigma vollkommen umgiebt, während die andere den beiden sehr kräftig ausgebildeten Verschlusskegeln zukommt, die unter einander durch eine dünne Lamelle, das Verschlussband, verbunden sind und meist in ihrer Ausbildung einige, wenn auch geringe, Größenunterschiede zeigen.

Zwischen beiden sitzt dann der Muskel, welcher durch seine Kontraktion die Basis beider Kegel direkt an den Verschlussbügel andrückt, so dass |

ein weiteres Eindringen von Luft dann unmöglich wird.

Dytiscus marginalis.

Obgleich Lebens- und Athmungsweise hier im Wesentlichen die |

gleichen sind, wie bei der vorigen Art, so zeigen die Stigmen und der Quetschapparat doch einen weitaus verschiedenen Bau.

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Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 563

Ich habe mich mit den Stigmen dieses Käfers sehr eingehend be- schäftigt und fand schließlich, dass man betrefis der Größe derselben drei Gruppen unterscheiden kann:

4) Bruststigmen, welche sich durch eine ziemliche Länge und ge- ringe Breite auszeichnen und nicht allzureichlich behaart sind.

2) Fünf vordere Abdominalstigmen, welche eine mehr elliptische Form besitzen und an der einen Seite mit langen, starken Haaren besetzt sind, während die andere Seite deren nur ziemlich kurze aufweist.

3) Die beiden letzten Abdominalstigmen, welche sowohl durch ihre bedeutende Größe, als durch ihre enorm dichte Behaarung sich aus- zeichnen.

Um über die Größe der Stigmen einen genaueren Überblick zu er- langen, habe ich dieselben mikroskopischen Messungen unterworfen und dabei folgende Werthe gefunden, denen ich zugleich die Anzahl und Bildung der Haare anfüge, welche an beiden Seiten vorkommen:

| Breite | Länge | Hintere Seite | Vordere Seite

11 | 0,398 1,559 23 Haare Wenig behaart. II 0,494 1,4178 Dicht behaart, halb so lang. IV 0,468 0,866 Viertels so lang. . V 0,476 ° 0,944 Sehr kurz. VI 0,476 1,074 Sehr kurz. vi 0,485 4,034 Sehr kurz. VI 0,624 2,096 39—40 Haare, halb so groß. IX 0,632 1,949 30—34 Haare, fast von . derselben Größe.

Die Form der Stigmen ist überall die eines lang gezogenen Ovales, das gewöhnlich halb so breit, als lang ist. Das Stigma hebt sich wegen seiner geringen Einsenkung nur wenig von der äußeren Körperhaut ab und zeigt an dem Chitinrande, der das ganze Stigma umgiebt, zu beiden Seiten eine sehr zierliche Behaarung. Die einzelnen Haare stellen sehr starke Chitinstäbchen vor, welche sich zum Theil gabeln und verästeln und dicht mit feinen Härchen bewachsen sind, so dass sie bei sehr starker Vergrößerung die reizendsten Bilder geben. Meist ist, wie bereits aus

_ den vorstehenden Angaben hervorgeht, die eine Seite stärker ausgebildet,

als die andere, indem die Chitinstäbchen der einen Seite sich durch be- deutende Länge auszeichnen. Durch das dichte Haarsieb wird für die eintretende Luft ein wirksames Filtrum hergestellt. Nach innen zu schließt sich an das Stigma die Trachee an, welche dicht hinter dem- selben den Verschlussapparat trägt. Derselbe besteht aus einem nur

564 Oskar Krancher, | wenig hervortretenden Verschlussbügel, welcher an der einen Seite | gelenkartig mit dem Verschlusshebel verbunden ist, während die andere | Seite erst mittels des Bändchens einen Schluss jenes Ringes um die; Trachee herstellt. Der Kegel zeigt eine eigenthümliche, mannigfach ! gebogene Gestalt und trägt an seiner Spitze den Verschlussmuskel, wel- | | cher mit seinem anderen Ende mit der Trachee verbunden ist.

Dass die Thorakalstigmen eines Insektes durch bedeutende Größe sich auszeichnen, ist eine Erscheinung, die wir fast überall bei diesen Thieren antreffen; dass aber Abdominalstigmen jene enorme Größe auf- | weisen, erscheint als eine sehr auffallende Eigenthümlichkeit. Ich habe dieselbe bis jetzt nur bei diesem einzigen Käfer angetroffen. Doch hängt dies eng mit der Lebensweise des Wasserschwimmkäfers zusammen ; denn bei seinen Bewegungen im Wasser nimmt er meist eine solche Stellung ein, dass das Abdomen nach der Wasseroberfläche zu gerichtet ) ist. Die unter den Flügeldecken haftende Luft wird hierbei stets nach " dem höher gelegenen Raume zu streben, wo also die beiden großen Abdominalstigmen sich finden, die nun ihrer bedeutenderen Größe halber [ die Luft auch in größerer Menge aufzunehmen vermögen.

Carabus.

Von den Garabiden untersuchte ich sowohl Carabus auratus als auch GC. nemoralis und gelangte bei beiden zu sehr übereinstimmen- | den Resultaten. Der äußere chitinöse Rand ist ziemlich breit, hat eine länglich-ovale Form und zeigt sehr deutlich jene zellige Struktur, die bereits mehrfach erwähnt wurde. Nach innen zu stehen in geringer } Tiefe eine Menge feiner, dicht verfilzter Haare, durch die ein um so wirksamerer Filter hervorgebracht wird, als dieselben selbst wieder äußerst dicht behaart erscheinen (vgl. die Stigmenhaare von Dytiscus marginalis). Dicht hinter dem Stigma sitzt dann der Verschlussapparat, h der in ganz gleicher Weise gebaut ist, wie wir ihn bei Dytiscus margi- nalis gefunden haben. Nur betreffis der Verschlusskegel finden sich einige Unterschiede, die der Erwähnung bedürfen, insofern nämlich der" Kegel von C. auratus durch seine bedeutende Größe ausgezeichnet ist, während der Hebel von C. nemoralis weit kleiner erscheint und auf sich noch ein kleines helles Zäpfchen sitzen hat, das zur Insertion des Ver- j |

schlussmuskels dient.

Cicindela campestris.

Die Stigmen des Sandkäfers stellen kleine ovale Ringe vor, die in" kurzer Vertiefung ringsum eine gleichmäßig dichte Behaarung zeigen. | An die beiden Breitseiten des Stigma setzen sich gleichgestaltete drei- |

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 565

eckige Chitinplatten an, welche dem Stigma in der Körperhaut einen festen Halt geben. Nach innen zu setzt sich das Stigma in die Trachee fort, welche kurz hinter demselben den Tracheenverschlussapparat trägt, der zu den einhebeligen Verschlüssen gehört und zum Ansatz des kräf- tigen Muskels einen stark ausgebildeten Kegel zeigt.

Aus all dem voranstehend Mitgetheilten ersehen wir, dass die äußere Gestalt der Stigmen bei allen Coleopteren ein und dieselbe, nämlich eine länglich ovale, ist. Die Art und Weise der Behaarung und die bedeutendere oder geringere Ausbildung des Verschlussapparates hängt ganz und gar mit der Lebensweise der Thiere zusammen. Die- jenigen Käfer, welche meist in staubiger Luft, auf dem Erdboden oder wohl gar in der Erde leben, zeigen eine ziemlich starke Behaarung der Stigmenränder, während diejenigen, welche mehr an ein Luftleben ge- wöhnt sind, derselben weniger bedürfen, dafür aber jenen für das Flug- vermögen so wichtigen Quetschapparat in bedeutenderer Ausbildung zur Schau tragen.

Zum Schluss unserer Betrachtung kommen wir nun zu der- jenigen der

Hymenopteren.

Diese letzte Gruppe der Insekten zeigt in Anbetracht der uns hier interessirenden Organe besonders unter den Aculeaten eine ziemliche Gleichmäßigkeit, insofern nämlich das Stigma bei diesen Thieren nach innen zu einen näpfchenförmigen Anhang zeigt, welcher der Trachee ihren Ansatzpunkt giebt.

Auch die von mir untersuchte Sirex gigas zeigt hiervon einige An- deutung, doch ist das Näpfchen nur sehr wenig deutlich. Der Tracheen- verschlussapparat besteht an allen Stigmen aus zwei Hebeln, welche mit einander durch einen schwachen, wenige Fasern enthaltenden Muskel, verbunden sind; nur bei Sirex gigas ist derselbe von äußerst kräftiger Bildung.

Obgleich die Anzahl der Stigmen bei den verschiedenen hierher ge- hörigen Insekten manche Verschiedenheit zeigt, so ist doch der Thorax stets mit zwei Paaren versehen, einem vorderen, das dem Prothorax, und einem hinteren, das dem Metathorax angehört. Die Stigmen des Abdomens sind allesammt auf dem oberen Halbbogen des betreffenden Ringels angebracht und stets von dem übergreifenden freien Rande des vorherliegenden bedeckt, so dass ihnen schon hierdurch ein ziemlicher Schutz zu Theil wird. Ein Weiteres wird bei den einzelnen Arten selbst erörtert werden. |

566 Oskar Krancher,

Sirex gigas. Larve.

Was mich an diesem Thiere in hohem Grade überraschte, ist sowohl der eigenthümliche Bau des Stigma als auch der damit zusammen- hängende, ganz sonderbar gestaltete Tracheenverschlussapparat. Äußer-

lich erscheint das Stigma bei makroskopischer Betrachtung als ein-

gleichschenkliges Dreieck , mit einer nach oben gekehrten Spitze; allein bei mikroskopischer Untersuchung erkennt man, dass die dreieckige Form durch zwei große, schwarze, geriefte Klappen bedingt ist, die wiederum dreieckige Gestalt haben und ihre Hypotenusen einander zu- kehren, so dass zwischen ihnen ein langer Spalt bleibt. Um über den Bau des Stigma vollkommen klar zu werden, fertigte ich eine Anzahl Flächen- und Längsschnitte an, und durch diese wurde ich dann auch hald mit deın hier vorliegenden Mechanismus vollständig vertraut. Bei Flächenschnitten erhielt ich meist auf den vierten oder fünften Schnitt eine recht klare Ansicht des eigentlichen Stigma, welches demnach erst hinter den beiden Klappen gelegen ist. Dasselbe erinnert in seinem Baue an das Stigma der CGossusraupe und stellt zwei Lippen vor, die aus dicht verfilzten Haaren bestehen, wie es bereits bei Cossus be- schrieben worden ist. Auch bier stehen diese Haare keineswegs nur in einer Ebene, sondern in mehreren Etagen über einander, was man besonders daraus ersieht, dass man oft zwei bis drei derartige Schnitte hinter einander erhalten kann. Das Stigma verengt sich dachförmig nach innen und setzt sich hinter dem Seihapparat direkt in die Trachee

fort. Erst auf Längsschnitten wurde mir übrigens die Bedeutung jener

das Stigma bedeckenden Klappen Klar. Diese stellen nämlich nichts

Anderes vor, als den Verschlussapparat, der freilich eine sehr absonder- liche Form besitzt. Bereits auf einer Flächenansicht bemerkt man am

unteren Ende einen durch die helle Chitinhaut durchschimmernden unpaaren Fortsatz, der wohl mit dem Stigma in Zusammenhang zu stehen schien, dessen Dasein mir aber lange unerklärlich blieb, bis ich schließlich seinen Zusammenhang mit den beiden bereits oben erwähn- ten Klappen deutlich erkannte. Dieser tritt in der Weise zu Tage, dass die beiden Klappen an ihren äußeren Rändern mit dem darunter liegen-

den Chitinringe des Siigma eng verwachsen sind. Der Stigmenrand | setzt sich schließlich da, wo die schmale Seite des Dreiecks sich be-

findet, also an der Unterseite des Stigma, jederseits in eine starke

Chitinspange fort, welche sich schließlich in jenem Zapfen vereinigen | und diesen nun die Rolle eines Verschlusshebels spielen lassen. Der- '

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 567

selbe ist nach unten zu spitz ausgezogen, im Inneren hohl und steht mit einem Muskel in Verbindung, der mit seinem unteren Ende an der Körperhaut des betreffenden Leibesringels festsitzt. Die Wirkung des- selben äußert sich darin, dass mit der Anziehung des Hebels zugleich eine Anziehung der beiden damit zusammenhängenden Klappen er- folgt, so dass die Schließung des Stigma unausbleiblich ist. Der ganze Mechanismus erinnert sehr deutlich an den unserer Fensterladen.

Imago.

Weitaus anders gestaltet sich nun das Stigma bei dem ausgebilde- ten Insekt, bei dem wir zwei Paar thorakale und acht Paar abdominale Stigmen antreffen. Die des Thorax sind sehr einfach gestaltet und ähneln denen der Bienen. Sie stellen einen länglich-ovalen Ring vor, der sich nach innen zu direkt in die Trachee fortsetzt, welche dicht hinter der äußeren Öffnung den Quetschapparat trägt. Da derselbe sich von dem der Abdominalstigmen nicht wesentlich unterscheidet, so brauche ich denselben hier nicht speciell zu beschreiben. Was nun diese Abdominalstigmen betrifft, so treten dieselben dem Auge äußer- lich gleichfalls als enger Spalt entgegen. Aber sie bilden zunächst nach innen zu eine stärkere Chitinerweiterung, welche dann ihrerseits erst seitlich in die Trachee übergeht. Der Verschlussapparat findet sich dicht hinter der äußeren Stigmenöffnung und erinnert in seiner Aus- bildung sehr an den der Coleopteren. Um die eine Hälfte der Trachee legt sich ein fast gerader Verschlussbügel, der nur an seinem Ende etwas gebogen ist und jederseits einen durch Gelenk damit verbun- denen Hebel trägt. Zwischen beiden Hebeln ist das Verschlussbänd- chen ausgespannt. Im Vergleich mit dem Stigma selbst zeigen die Hebel eine ziemlich bedeutende Größe. Auch der dazwischen liegende Muskel ist von kräftiger Entwicklung.

Die Aculeaten

sind, wie bereits erwähnt, die ausgezeichnetsten Vertreter derjenigen Stigmen, welche an der Öffnung nach innen zu ein Chitinnäpfchen tragen. Ich untersuchte besonders Formica rufa, Vespa crabro, Bom- bus terrestris und Apis mellifica und kam bei allen diesen Formen zu fast übereinstimmenden Resultaten, weshalb ich sie hier auch zu- sammen behandle und nur die Abweichungen besonders anführen werde.

Die Stigmen der genannten Arten besitzen sämmtlich nach außen zu eine ovale, oder wie bei den Bienen, mehr runde Öffnung, welche

568 Oskar Krancher,

sich wenig deutlich von der Körperhaut des Thieres unterscheiden lässt, da sie nur von einem sehr feinen, schwach pigmentirten Chitinringe umgeben wird. Der äußere Eingang in das Tracheenrohr ist voll- kommen unbewehrt, außerordentlich klein und nur theilweise von den federförmigen Haaren des Körpers überdeckt. Nur bei den Ameisen traf ich einen etwas stärker hervortretenden Chitinring an, einen Ring überdies, der sich nach innen zu noch einmal wiederholt und dabei an Weite um einiges zunimmt. Nach innen setzt sich die Öffnung an den Abdominalstigmen in ein Chitinnäpfchen fort, das mit einer Unmenge von feinen Haaren versehen ist. Dasselbe sitzt schräg in der Körper- haut, und zwar so, dass der dadurch gebildete spitze Winkel nach dem Kopfe zu sich öffnet, das Stigma also nach hinten zu steht, wie man dies sehr gut an Schnitten beobachten kann. Sehr deutlich erkennt man an diesen auch die innere Behaarung und eine lamellenartige Überwölbung der äußeren Öffnung. Das Hinterende des Näpfchens wird von einem, direkt in die Trachee sich fortsetzenden, starken und dicht behaarten Chitinringe gebildet, mit dem der Tracheenverschlussapparat in inniger Verbindung steht. Letzterer ist in der Weise eingerichtet, dass der Ver- schlussbügel desselben durch-den unteren starken Rand, der an der Tracheenansatzstelle sich findet, repräsentirt wird, während oben auf der Trachee, diesem also gegenüber, zwei an Gestalt und Größe sehr verschiedene Kegel sich vorfinden, die an ihrer Basis durch eine dünne Lamelle, das Verschlussbändchen, unter einander verbunden sind. Beide Hebel sind sowohl bei Apis, wie auch bei Bombus und Vespa hohl, bei Formica aber solide, vielleicht in Zusammenhang damit, dass erstere als Luftinsekten leichter und sparsamer gebaut sind. Von den beiden Hebeln ist der eine stets größer, auch durch seine eigenthümlich vorgeschobene, abgerundete Nase leicht von dem anderen zu unter- scheiden, zumal dieser nur eine kleine einfache Hervorwölbung vor- stellt. Nur bei Formica rufa gestalten sich die Verhältnisse anders, indem hier der eine Kegel eine dem Kegel des Tracheenverschlusses von Dytiscus marginalis ähnliche Gestalt hat, während der andere nur durch ein einfaches Höckerchen repräsentirt ist.

Ganz in derselben Weise ist auch der Quetschapparat der Thora- kalstigmen gebaut. Beide Hebel werden durch einen schwachen, nur wenige Fasern enthaltenden Muskel verbunden, der im Augenblicke der Kontraktion die Basis beider Hebel gegen den Verschlussbügel hin drückt. |

Um so auffälliger erscheint es, dass den Thorakalstigmen jede Spur des oben beschriebenen Näpfchens abgeht. Lanpoıs irrt, wenn er das Gegentheil behauptet und angiebt, dass die Stigmen des Thorax (bei

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 369

Bombus terrestris) von denen des Hinterleibes nur insofern abweichen, als ihre äußere Öffnung mehr halbmondförmig sei und größere Dimen- sionen besitze.

Daneben beschreibt Lanpoıs mit diesen Stigmen noch einen eigen- thümlichen Apparat, vermöge dessen unsere Thiere, ähnlich den Dipteren, fähig sein sollen, eine Stimme zu erzeugen. Er lässt den- selben aus zwei Chitinhäutchen gebildet werden, welche mit der einen oberen Seite am äußeren Stigmenrande, mit der anderen aber an der unteren Seite des Näpfchens angeheftet sind. Ich habe bei allen Acu- leatenspecies, sowohl der Biene, wie der Hummel oder Hornisse, Ge- legenheit gehabt, diese sogenannten Brummbänder zu beobachten, kann aber in Betreff ihrer Natur nur wiederholen, was ich von den Dipteren oben geäußert habe. Bei Bombus und Vespa erscheinen dieselben mehr gardinenartig herabhängend, während sie bei Apis mellifica sich zu einem einzigen Bande vereinigen, das balbmondförmig um die Öffnung herum greift.

Schluss.

Blicken wir noch einmal auf das oben Erörterte zurück, dann müssen wir eingestehen, dass die Mannigfaltigkeit der Stigmen, sowohl in Rücksicht auf deren Bau, wie auch in Anbetracht ihrer Form, eine unerwartet große ist. Die Hoffnung, aus den Verhältnissen der Stig- men und des damit verknüpften Tracheenverschlusses systematische Folgerungen zu ziehen, muss an der großen Verschiedenheit vollkommen scheitern. Je mehr aber der morphologische Werth derselben zurück- tritt, desto augenscheinlicher wird es, wie bedeutungsvoll der Bau durch Anpassungen der mannigfaltigsten Art beeinflusst ist.

‚Übrigens weiß ich sehr wohl, dass meine Untersuchungen auf diesem Gebiete, so umfassend sie sind, doch noch weit davon entfernt bleiben, den Gegenstand zu erschöpfen. Ich hoffe, dieselben bei spä- terer Gelegenheit weiter zu führen und mein Thema dann zu einem befriedigenderen Abschlusse zu bringen.

Die Methode, der ich mich bei meinen Arbeiten bediente, ist eine ziemlich einfache. War es mir zunächst nur um den Zusammenhang der einzelnen Chitintheile zu thun, dann kochte ich den Theil des In- sektes, an dem die Stigmen zu suchen sind, einfach in zehnprozentiger Kalilauge. Nach dem Auswaschen wurde das Wasser durch Alkohol entfernt, das Objekt in Nelkenöl aufgehellt und das Präparat in Kanada- balsam eingeschlossen. Wollte ich den am Quetschapparat befindlichen Muskel erhalten, dann färbte ich zunächst das ganze Objekt in einer

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 38

570 Oskar Krancher,

Solution von Pikrokarmin, zog den Überschuss durch Wasser und ver- dünnten Alkohol aus, präparirte die umliegenden Muskeln hinweg und brachte das so erhaltene Objekt auf die oben beschriebene Weise schließ- lich in Kanadabalsam.

Bei Schnitten bettete ich meine !in Alkohol gehärteten Objekte stets in Paraffin ein, dem ich je nach der Härte des Objektes mehr oder weniger Rindstalg zufügte. Da ich gewöhnlich vor dem Einbetten ent- wässert und aufgehellt hatte, so blieb mir dann nur noch übrig, die erhaltenen Schnitte mittels Benzin vom Paraffin zu befreien und dann sofort in Kanadabalsam einzuschließen. Den Versuch, in Seife ein- zubetten, ließ ich bald wieder fallen, da die Löslichkeit der Seife in Alkohol eine weit langsamere ist, als die des Paraffins in Benzin, die Schnitte aber bei längerem Liegen in Alkohol zum größten Theil aus ihrer natürlichen Lage gebracht wurden.

Auf diese Weise bin ich in den Besitz einer großen Menge hüb- scher Präparate gekommen, die der voranstehenden Darstellung und den beigefügten Zeichnungen zu Grunde liegen.

Leipzig, am 23. Juni 1880.

Litteraturverzeichnis.

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43.

4b.

45. 16.

17:

18.

19. 20. 21, 22. 23. 24. 25.

26. a. 28. 29. 30. 31, 32.

33,

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. 971

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Erklärung der Abbildungen.

Durchgehende Bezeichnungen:

b, Verschlussbügel ; o, Stigmenöffnung ;

h, h’, Verschlusshebel ; r, äußerer Chilinring ; vb, Verschlussband ; vr, Verschlussring ; m, Verschlussmuskel ; k, k’, Verschlusskegel. ir, Trachee;

1 Nr, 17—22 finden sich in dieser Zeitschrift, Jahrg. 4864 und 1868. 35 *

572 | Oskar Krancher,

Tafel XXVIII und XXIX.

Fig. 4. Stigma mit Verschlussapparat von Acanthia lectularia. Vergr. 625. Fig. 2. Erstes Abdominalstigma von Haematopinus suis. Vergr. 295. h, Verschlusshebel, mit Hypodermis umgeben; a, vorderer Theil der Trachee mit nicht vollständig geschlossenen Spiral- ringeln. ü Fig. 3. Querschnitt eines Stigma von Phthirius pubis. Vergr. 625. n, inneres Chitinnäpfchen, stark mit Haaren besetzt. Fig. 4. Erstes Thorakalstigma von Melophagus ovinus. Vergr. A148. Äußere Ansicht. Fig. 5. Querschnitt durch das Thorakalstigma von Melophagus ovinus. Ver- größerung A418. s, sackartige Ausbuchtungen ; hf, Haarfilter des Stigma. Fig. 6. Abdominalstigma mit Verschluss von Melophagus ovinus. Vergr. 158.

_

Ansicht von innen. r, r', r", im Inneren sich zeigende Chitinringe; a, unrödeimaßıe geringelte Trachee vor dem Quetschapparate. Fig. 7. Querschnitt durch das Abdominalstigma von Melophagus ovinus. Ver- größerung 158. r, r', r", die sich auf Flächenschnitten zeigenden Chitinringe, hier als Näpfchen sich kund gebend; a, unregelmäßig geringelte Trachee, mit geringer Fältelung. Fig. 8. Abdominalstigma mit Verschluss von Musca vomitoria. Vergr. 448. o, drei einzelne Öffnungen, die unten in die Trachee münden; vr, Verschlussring mit daransitzendem m, Verschlussmuskel. Fig. 9. Prothorakales Stigma mit Verschlussapparat von Musca domestica. Ver- größerung 448. Ansicht von innen. ch, Chitinspange des Körpers, an die sich die Breitseite des Verschluss- muskels anheftet; br, Verschlussring, nach Lanpoıs: Brummring; hl, Hautlamelle, welche als Stimmband fungirt. Fig. 40. Metathorakalstigma mit Verschlussapparat von Musca domestica. Ver- größerung 448. Ansicht von innen. (Die Bezeichnung ist wie bei voriger Figur.) Fig. 414. Abdominalstigma (Stigmenplatte) der Larve von Gastrus equi. Vergr. 20. 0, drei einzelne vielfach gefächerte Öffnungen. Fig. 42. Querschnitt durch die Stigmenplatte von Gastrus equi. Vergr. 20. hf, Haarfilter des Stigma, äußerst zart gebaut; tb, Tracheenbläschen, in dem sich die Tracheen auflösen, gewissermaßen : Tracheenendzelle. Fig. 43. Stigmenplatte der Larve von Oestrus bovis. Vergr. 16. a, Öffnung des After. Fig. 44. Querschnitt durch das Stigma der Raupe von Cossus ligniperda. hf, Haarfilter des Stigma; b, Schnitt durch den Verschlussbügel; h, Schnitt durch den doppelarmigen Verschlusshebel; hy, Hypodermis. Dieser Schnitt zeigt sehr deutlich die Trichterform des Stigma. Fig. 45. Stigma der Raupe von Cossus ligniperda mit Verschlussapparat. Ver- größerung 43. Ansicht von innen.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. | 8798

m, m’, die beiden Verschlussmuskel; h, der Verschlusshebel, der an der oberen Seite doppelarmig sich gestaltet. Die übrigen Bezeichnungen wie bei Fig. 14. Fig. 46. Stigma der Puppe eines kleinen Nachtschmetterlinges. Vergr. 69. Fig. 47. Tracheenverschlussapparat der Raupe von Bombyx mori. Vergr. 92. m, der Schließmuskel ; m’, der Muskel zum Öffnen, hy, Hypodermis, am Hebel sich findend. Fig. 48. Stigma mit Verschiussapparat von Macroglossa stellatarum (Schmetter- ling). Vergr. A418. hf, Haarfilter, das hier durch Querverbindungen der einzelnen Haare siebartig sich gestaltet. Fig. 49. Stigma mit Verschluss von Smerinthus populi (Schmetterling). Ver- größerung 43. Von innen gesehen. s, Schuppen, die äußerlich dachziegelartig über das Stigma gedeckt sind. Fig. 20. Zweites Thorakalstigma von Aeschna grandis. Vergr. 148. ch, Chitinspange am Thorax, als Ansatzstelle des Muskels dienend; m, Muskel des Verschlussringes vr ; m’, Muskel der Verschlussklappe vk. Fig. 24. Erstes Abdominalstigma von Gryllotalpa vulgaris. Vergr. 69. Innere Ansicht. vk und vk’, die beiden Klappen, die an den Seiten des Stigma gelegen sind; u und w’, Chitinvorsprünge, an denen der Muskel sich ansetzt. Fig. 22. Abdominalstigma mit Verschluss von Panorpa communis. Vergr. 295. Fig. 23. Abdominalstigma mit Verschlussapparat von Raphidia. Vergr. 295. Fig. 24. Stigma mit Verschluss von der Larve des Dytiscus marginalis. Ver- größerung 69. a, von unregelmäßigen Spiralringelungen durchzogene Trachee, innerlich stark’ behaart. Fig. 25. Querschnitt durch das Stigma von Melolontha vulgaris. Vergr. 69. Man erkennt hier die feine Verzweigung und das Auslaufen der Haare in oben genannte zarte Haut. Fig. 26. Brust-Stigma mit Verschlussapparat von Elater murinus. , Vergr. 69, Innere Ansicht. Beide Seiten sind mit zierlichen Härchen besetzt. Fig. 27. Stigma mit Verschlussapparat von Melo& proscarabaeus. Vergr. 92. Sogar der Verschlussapparat zeigt hier eine dichte Behaarung. &, deutlich hervortretende zellige Zeichnung der nach innen sich trichter- förmig verengenden Seitenwände des Stigma. Fig. 28. Stigma mit Verschlussvorrichtung von der Larve von Melolontha vul- garis. Innere Ansicht. vr, Verschlussring, sich um die Trachee herumlegend; vb, Verschluss- bändchen, jenen Ring unten verbindend; m, Verschlussmuskel, der sich an einen Chitinvorsprung a im unpaaren Mittelstück um ansetzt. Die über das Stigma gespannte Haut zeigt unzählige feine Poren. Fig. 29. Längsschnitt durch eben genanntes Stigma, wo das unpaare Mittelstück genau in der Mitte getroffen ist. Hierdurch wird das innere dieses Mittelstückes und der Ansatz des Muskels veranschaulicht. Die Bezeichnung ist die von Fig. 28. Fig. 30. Abdominalstigma mit Verschlussapparat von Dytiscus marginalis. Innere Ansicht. . r, äußerer Rand des Stigma mit zelliger Zeichnung; ch h, Chitinhaare.

574

Fig.

Fig.

Oskar Krancher, Der Bau der Stigmen bei den Insekten.

. 34. Zwei Chitinhaare aus dem sechsten Abdominalstigma. Vergr. 295.

‚r, Stigmenrand; kh, Körperhaut.

. 32. Stigma mit Verschlussapparat von Geotrupes stercorarius. Vergr. 92.

k, Verschlusskegel mit darauf sitzendem Kegelchen.

. 33. Längsschnitt des Stigma der Larve von Sirex gigas. Vergr. 1148.

kl, über das Stigma gedeckte Klappe; /r, Luftraum, wo sich das Stigma nach unten zu verengt; hf, Haarfilter.

. 34. Flächenschnitt des Stigma der Larve von Sirex gigas. Vergr. 69.

Siehe die Bezeichnung der vorigen Figur.

. 35. Stigma mit Verschluss der Imago von Sirex gigas. Vergr. 148.

Man erkennt hier nur eine geringe Andeutung eines Näpfchens. 36. Abdominalstigma von Formica rufa. Vergr. 295. Deutliches Näpfchen. r’, zweiter Chitinring hinter der Öffnung, dem Näpfchen zugleich eine ge- ringe Einbuchtung ertheilend. 37. Thorakales halbmondförmiges Stigma von Bombus terrestris. Ver-

größerung 43.

Das Stigma wird von federförmigen Haaren des Thorax bedeckt.

Fig. 38. Abdominalstigma von Apis mellifica. Vergr. 295. Äußere Ansicht.

sb, die beiden um die Öffnung des Stigma liegenden Hautlamellen, welche Lanpoıs die Stimmbänder genannt hat.

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien.

Von

Dr. Hubert Ludwig, Direktor der naturwissenschaftlichen Sammlungen in Bremen.

Bei der Bedeutung, welche J. F. Branpr's: »Prodromus descrip- tionis animalium ab Henrico Mertensio in orbis terrarum circumnaviga- tione observatorum;; Fascic. I. Petropoli 1835« für die Entwicklung der Systematik der Holothurien gehabt hat, wurde es schon wiederholt als ein Übelstand bezeichnet, dass die Branpr’schen Diagnosen in den wenigsten Fällen zu einer sicheren Wiedererkennung der von MErTENs beobachteten Formen ausreichen. Ich muss es desshalb dankbar an- erkennen, dass mir nach dem Tode des Verfassers von dessen Sohne, Herrn Professor ALExANDER Brandt in Charkow, die von seinem Vater zur Aufstellung des Prodromus benutzten Merrens’schen Zeichnungen und Manuskripte, so wie ferner von dem Direktor der Petersburger Sammlung, Herrn Akademiker Dr. Straucn, die noch vorhandenen MeEr- tens’schen Originalexemplare zum Zwecke einer Revision der MErTENs- Branpr’schen Arten anvertraut wurden.

. Die Resultate meiner Untersuchungen lassen sich dahin zusammen- fassen, dass von den noch in Semper’s Holothuriensystem (1868) auf- geführten Branpr’schen Gattungen die drei folgenden: Oncinolabes, Liosoma und Aspidochir, so wie die auf die erste derselben von SEMPER gegründete Familie: Oncinolabidae gestrichen werden müssen; dass ferner von den 23 Branpr’schen Arten nur 6, nämlich: Gucumaria (Gladodactyla Br.) albida, C. nigricans, Stichopus chloronotus, St. (Diploperideris Br.) sitchaensis, Holothuria sordida und H. tigris be- stehen bleiben, dass aber von den 47 übrigen 16 mit Arten identisch sind, welche früher oder später von anderen Autoren unter anderen Namen beschrieben sind, während die 17. (Aspidochir Mertensii Br.) . sich als eine ungenügend charakterisirte Chirodota (oder Synapta?)-Art herausstellt. In der Anordnung der folgenden die einzelnen Arten

576 Hubert Ludwig,

besprechenden Bemerkungen folge ich dem von SemreEr aufgestellten Systeme. Vollständige anatomische Untersuchungen der Originalexem- plare konnten bei dem Erhaltungszustande und der Schonungsbedürftig- keit derselben nicht vorgenommen werden.

I. Synaptidae.

1) Oncinolabes fuscescens Br. Synapta Beselii Jäger. Litteratur: a) Oncinolabes fuscescens Brandt, Prodr. 1835. p. 48. Oncinolabes

fuscescens Br., SELENKA, diese Zeitschrift. Bd. XVII. 1867. p. 344. On- cinolabes fuscescens Br., SEMPER, Holothurien. 4868. p. 25, 232, 267.

b) Synapta Beselii Jäger, de Holothuriis. 4833. p. 45. Tab. I. Synapta

Beselii Jäg., SEmp£r, Holothurien. 4868. p. 14, 2330, 264—265. Taf. 1; Taf. VI, Fig. 5—7, 40; Taf. VII, Fig. 4, 2, 9; Taf. VII, Fig. 44, Taf. XXXIX, Fig. 10. SEMPER zieht mit vollem Rechte die Formen Synapta Astrolabi Held und Synapta Agassizii Selenka gleichfalls zu S. Beselii. Die übrige Litte- ratur über S. Beselii bitte ich bei SEMPER, 1. c. p. 264—-265 nachzusehen.

Es liegen mir drei von Mertens auf der Insel Ualan (östliche Karo- linen) gesammelte Originalexemplare vor. Alle drei sind vollständig er- halten und messen das eine 150 cm, das zweite 69 cm, das dritte 63 cm Körperlänge. Das erste ist etwas dunkler gefärbt als es bei Synapta Beselii Jäger gewöhnlich der Fall ist; die beiden anderen aber stimmen in der Färbung völlig mit typischen Exemplaren der Synapta Beselii überein. Die Zahl der Tentakel beträgt bei dem dunkler gefärbten Exemplare 45, bei den beiden anderen 16. Die Tentakel besitzen jederseits circa 40 Fiederästchen. Die Kalkkörper sind bei den drei Exemplaren ganz dieselben, es sind 4 mm große Anker mit Anker- platten und kleine nur 0,042 mm große Hirseplättchen; in ihrer Form und Größe zeigen sie die größte Übereinstimmung mit denjenigen der Synapta Beselii Jäger. Aber nicht nur die äußerlich wahrnehmbaren Merkmale und die Kalkkörper, sondern auch die anatomischen Ver- hältnisse lassen keinen Zweifel an der Identität von Oncinolabes fus- cescens mit Synapta Beselii übrig. Es wird also die schon von SEMPER. geäußerte Vermuthung, dass die Gattung Oncinolabes Brandt sich als eine Synapta entpuppen werde, durch die Untersuchung der MERTENS- schen Originale zur Gewissheit erhoben. Srmrer hatte desshalb auch seine provisorische, nunmehr hinfällig gewordene Familie der Oncino- labidae neben die Synaptiden gestellt, während SerenkA die auch ihm zweifelhafte Gattung Oncinolabes bei den Dendrochiroten unterzu- bringen versucht hatte; SELENkA ist dazu offenbar durch die Bemerkung

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 577

Branpr’s veranlasst worden: »ob pedum dispositionem quinquefariam Oncinolabes quasi genus medium inter Synaptas et Gucumarias«.

In der Mertens’schen Abbildung besitzt das Thier eine Länge von etwa 130 cm bei einer durchschnittlichen Dicke von 3 bis 3,5 cm. Dem MertEns’schen Manuskripte entnehme ich die folgenden Notizen: Außer dem von Brannt angegebenen Fundorte Ualan beobachtete Mertens die Synapta Beselii auch auf den übrigen von ihm besuchten Karolinen, ferner auf Guahan (Marianen) »einzeln auf dem Boden der Lagunen «. ‘»Die Farbe variirt, wenn sie sich auch meist in denselben Farben- tönen bewegt.« »Die Bewegungen des Thieres gehen durch ab- wechselnde blasenförmige Anschwellungen der Haut vor sich.« Der Mund ist mit 15 langen zurückziehbaren Tentakeln besetzt; die Neben- äsichen befinden sich »in einer beständigen Bewegung, bald erscheinen sie etwas ausgestreckt, bald mehr oder weniger eingezogen«. »Es exi- stirt hier keine Spur eines Respirationsbaumes. Zwei lange Eierstöcke, die hart am Magen (so nennt Mertens den vom Wassergefäßringe um- gebenen Theil des Darmes) entspringen und ihre sekundären Bündel ent- sendend fast durch die ganze Länge des Thieres verlaufen.« »Der Darm macht ‘durch die ganze Länge des Thieres drei Windungen. «

Die Veranlassung, welche Branpr zu der Aufstellung des Genus Oncinolabes führte, liegt in der von Mertens in seinem Manuskripte ausgesprochenen Ansicht, dass die von ihm beobachteten Thiere » den fünf Radien entsprechend Längsreihen von füßchenartigen Gebilden « be- sitzen. Diese Ansicht ist aber, wie die Untersuchung der Mertens’schen Originale zeigte, eine irrthümliche.

2) Oncinolabes mollis Br. iu Synapta glabra Semper.

Litteratur:

a) Oncinolabes mollis Brandt, Prodr. 4835. p. 49. Oncinolabes mollis Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 344. Oncinolabes mol- lis Br., SEmper, Holothurien. 4868. p. 25, 268.

b) Synapta glabra Semper, l.c. p. 42, 265. Taf. II, Taf. IV, Fig. 8.

Originalexemplare von Oncinolabes mollis Br. existiren leider nicht. Die Art ist von Branpr auf Grund der Merrens’schen Abbildung und Beschreibung aufgestellt; Mertens selbst bemerkt in seinem Manu- skripte: »leider konservirte sie sich nicht hinlänglich in Branntwein um mit Erfolg zu einer anatomischen Untersuchung benutzt werden zu können«. Mertens trennte diese Art von Oncinolabes fuscescens (= Sy- napta Beselii), mit der sie sonst nahe verwandt sei wegen der »fast gallertartigen Konsistenz «; allerdings sei auch die Farbe abweichend,

578 Hubert Ludwig,

doch sei diese ja auch bei der anderen Art zahlreichen Modifikationen unterworfen. »Man fühlt kaum äußerlich die kleinen Widerhäkchen, mit denen die Haut besetzt ist.« »Ich fand sie nur einmal in dem Hafen von Caldera de Apra (Insel Guahan) ausgestreckt auf dem Rasen, den eine Alge dort auf dem koralligten Grunde bildet.« Weitere Angaben macht Mertens nicht. In der Abbildung giebt er ihr 145 Tentakel und eine Körperlänge von ungefähr 115 cm bei 3,5 cm Dicke.

Vollständig überzeugend lässt sich allerdings der Beweis, dass On- cinolabes mollis mit Synapta glabra Semper identisch sei, nicht führen. Da es keine Originalexemplare der Oncinolabes mollis giebt und Mer- TEns auch in seinem Manuskripte nur die vorhin mitgetheilten, für die Artbestimmung sehr unzulänglichen Angaben macht, so wird Oncino- labes mollis wohl niemals ganz aus ihrer zweifelhaften Existenz heraus- kommen. Sicher aber ist auch diese Art eine Synapta und für ihre Vereinigung mit S. glabra Semper spricht der Umstand, dass MERTENS die Anker äußerlich kaum fühlen konnte; dieselben scheinen also hier so wie es SEMPER von seiner S. glabra angiebt, tief in der Haut zu liegen; auch die großen Tuberkel, welche Mertens auf den Interradien des Körpers zeichnet, verweisen diese Form in die Nähe von S. Beselii

und S. glabra.

3) Chirodota rufescensBr.=Chirodota variabilis Semper.

Litteratur.

a) Chirodota rufescens Brandt, Prodr. 4835. p. 59. Chirodota rufes- cens Br., GRUBE, MÜLLERS Archiv. 4850. p. 142. Chirodota rufescens Br., GRUBE, MIDDENDORFF'S Reisen. II, 4. 4854. p. 35, 36, 38. Chirodota rufes- cens Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 367. Chirodota rufescens Br., SEMPER, Holothurien. p. 23, 265.

b) Chirodota variabilis Semper, Holothurien. 4868. p. 20—21, 231 —232, 267; Taf. V, Fig. 6, 7, 9—44, 49; Taf. VI, Fig. 41; Taf. VIII, Fig. 5, 6; Taf. XXXIX, Fig. 45.

Die Untersuchung des einen Originalexemplares, welches eine Länge von 107 mm (ohne die Tentakel) besitzt, erstreckte sich zunächst auf die Kalkkörper der Haut. Die Kalkrädchen haben eine durchschnitt- liche Größe von 0,1 mm; außer ihnen kommen in geringer Zahl auch stäbchenförmige, 0,036 mm lange Kalkkörper vor; beide Arten von Kalk- körpern gleichen völlig denjenigen, welche Semper auf seiner Tafel V, Fig. 6, 7, 9—11 von Chirodota variabilis abbildet. Das Thier besitzt 18 Tentakel, von denen ein jeder mit ungefähr 24 Fiederästchen be- setzt ist. An allen drei Mesenterien fand ich zahlreiche ziemlich lang- gestreckte bäumchenförmige Gruppen von Wimperorganen, die ganz

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 579

übereinstimmten mit der Abbildung, welche Semrer (l. c. Tafel VI, Fig. 11) von denselben Organen seiner Chirodota variabilis giebt.

Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 32 cm. MERTENS zeichnet nur 45 Tentakel, giebt aber in seinem Manuskripte die Tentakelzahl auf 15 bis 20 an. Er beobachtete, dass die Fiederäst- chen der Tentakel eingezogen werden können. Nach der Merrens’schen Abbildung der inneren Organe ist die vordere Schlinge des Darmes etwa 1/, der Körperlänge vom Vorderende des Thieres und die hintere Schlinge fast !/, der Körperlänge vom Hinterende entfernt. »Der Eier- stock ist ungemein lang, unter dem Kalkring entspringend, stark ver- zweigt. « Interessant ist die Stelle des Mertens’schen Manuskriptes, in welchem er von den Wimperorganen an den Mesenterien spricht; er sagt: »Kein Respirationsbaum, statt desselben am Gekröse zahlreiche kleine Cylinder, wie wir sie schon ganz ähnlich in der Holothurie Nr. 6 bemerkt haben.« Unter dieser Holothurie Nr. 6 ist Liosoma sitchaense Br. verstanden. Bei Besprechung dieser letzteren Form werden wir auf die eben angeführte Stelle des Merrzns’schen Manuskriptes zurück- kommen. In seiner Zeichnung giebt Mertens 10 Porr'sche Blasen an. Er fand die Thiere unter Steinen am Strande von Boninsima.

4) Aspidochir Mertensii Br. Chirodota sive Synapta sp.

Litteratur:

Aspidochir Mertensii Brandt, Prodr. 1835. p. 46. Aspidochir Mertensii Br., Srımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 4857. p. 524. Aspidochir Mertensii Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 309. Aspi- dochir MertensiiBr., VeRRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. 1867. p. 325. Aspidochir Mertensii Br., SEMPER, Holothurien. 4368. p. 77, 276.

Branpr stellte diese Holothurie als Vertreter einer besonderen Gat- tung zu den mit Füßchen und Lungen ausgestatteten Formen. Bei SELENKA und Semper finden wir die Gattung Aspidochir auf Grund der Branpr’schen Angaben in die Familie der Aspidochiroten eingereiht. Eine genaue Erwägung alles dessen aber, was Mertens in seinem Manu- skripte und seinen Abbildungen über die in Rede stehende Art mit-

_ theilt, führt mich zu einer wesentlich anderen Auffassung. Die Origi-

nalexemplare von Aspidochir Mertensii existiren allerdings nicht mehr und es muss, da auch die Merrens’schen Angaben dafür nicht aus- reichend sind, einstweilen unentschieden bleiben, ob Aspidochir Mer- tensii mit irgend einer anderen bekannten Art identisch ist oder nicht. Was aber die Frage nach der Berechtigung der Gattung anbelangt,

580 Hubert Ludwig,

so glaube ich beweisen oder doch höchst wahrscheinlich machen zu können, dass Aspidochir mit der Gattung Chirodota (oder Synapta?) ver- einigt werden muss.

Branpr behauptet das Vorhandensein von in fünf Reihen ange- ordneten Füßchen. Aus dem Merrens’schen Manuskripte geht aber her- vor, dass Mertens die Füßchen niemals gesehen hat und nur mit einer gewissen Vorsicht von deren Existenz spricht. So sagt er das eine Mal: »nur mit Mühe unterscheidet man auf seiner (des Thieres) Oberfläche die fünf Reihen sehr kleiner, fast nur aus stigmenartigen Punk- ten bestehenden Füße, die am stark angeschwollenen Halse des Thieres fehlen«. Und an einer zweiten Stelle drückt er sich folgender- maßen aus: »ich würde diese Art unbedingt für die Holothuria inhae- rens Müll. (— Synapta inhaerens) halten, wären die den Füßchen entsprechenden Punkte nicht in fünf Reihen gestellt«. Auch in seiner Abbildung giebt Mertens keine Füßchen an, sondern nur kleine dunkle Pünktchen, die mir entweder nur Pigmentflecke oder vielleicht auch die Andeutungen von Rädchenpapillen zu sein scheinen.

Es geht ferner aus dem Merrens’schen Manuskripte hervor, dass Aspidochir Mertensii die fünfte Holothurienart war, welche von ihm auf seiner Reise untersucht wurde. Die vier vorhergehenden Arten waren echte Dendrochiroten und Aspidochiroten. Es ist ganz begreiflich, dass Mertens, als ihm die erste Synaptide unter die Hände kam, zunächst versuchte auch bei ihr alle die Organe, die er bei den vorher unter- suchten Holothurien kennen gelernt hatte, also auch die Füßchen und den Respirationsbaum wiederzufinden. Seine Abbildung zeigt ein Thier vom Habitus der CGhirodoten und Synapten und er selbst hat die große Ähnlichkeit mit Synapta inhaerens richtig herausgefühlt. Branpr stellt freilich auch die Synapta inhaerens zu den füßigen Lungenholo- thurien !

Daraus, dass ihm der anatomische Bau der Synaptiden völlig neu war, lässt sich auch verstehen, dass Mertens über die Wimperorgane und das Fehlen des Respirationsbaumes nicht sofort zu einer richtigen Auffassung gelangte. In seinem Manuskripte findet sich die Stelle: »Das Respirationsorgan könnte man beinahe, der unbedeutenden Aus- bildung seiner einzelnen Theile wegen, übersehen. Es unterscheidet sich auffallend von den bisher untersuchten dadurch, dass es keinen besonderen freien Baum bildet, sondern vermittels eines Gekröses an die Haut befestigt ist. Fünf Stämme, den fünf Muskelinterstitien entsprechend, kann man unterscheiden, die äußersten Enden bilden Bläschen. « Ich kann mir diese Äußerung von Mertens nur durch die Annahme verständlich machen, dass er hier zum ersten Male die

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 581

Wimperbäumchen der Mesenterien einer Ghirodota oder Synapta ge- sehen hat. Stutzig kann nur der Umstand machen, dass MERTENS in jedem der fünf Muskelinterstitien jene Organe beschreibt. Nun ist aber gerade in diesem Punkte seine anatomische Abbildung sehr unbe- stimmt gehalten und es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass MErRTENS in diesem Punkte geirrt hat, um so mehr als MErTENs, wie wir später sehen werden, auch der Cucumaria miniata fälschlich fünf Mesen- terien zuschreibt.

Auch die folgenden Notizen, die ich dem Merrzrns’schen Manu- skripte entnehme, stehen im Einklange mit meiner Ansicht, dass Aspi- dochir eine Synaptide ist: »das Thier ist regenwurmarlig«. »Zwölf Tentakel«, die nach der Abbildung den Habitus der Chirodoten-Ten- takel haben. »Knochenring um den Speisekanal. Am Magen wurm- förmige kleine Anhänge« (damit meint Mertens entweder Steinkanäle oder Porrsche Blasen). »Der Darmkanal misst nicht vollkommen zwei- mal die Länge des Thieres. Eierstock verzweigt« (Insertion desselben nach der Abbildung dicht hinter dem Kalkringe ; die einzelnen Schläuche dick, meist dreimal getheilt). »Den Muskeln fehlt der accessorische Apparat« (Mertens meint damit die von den Längsmuskeln sich ab- spaltenden Retraktoren, die er bei den vorher untersuchten Gucumarien stets gefunden hatte). Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 63 mm und eine durchschnittliche Dicke von 6 mm. Er fand die Thiere unter Steinen und im Sande am Strande von Sitcha. Aus einer Bemerkung des Mrrtens’schen Manuskriptes geht endlich noch her- vor, dass dem Thiere ein eigentliches Ankletten an die Finger wie bei den meisten Synapta-Arten nicht eigen ist.

5) LiosomasitchaenseBr. = Chirodota discolor Eschsch.

Litteratur::

a) Liosoma sitchaense Brandt, Prodr. 4835. p. 58. Liosoma sitchaense

Br., Stımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 1857. p. 525. Liosoma sitehaense Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 358. Lio- soma Sitchaense Br., VERRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. p. 325. Liosoma silkaense Br., SEMPER, Holothurien. 4868. p. 44, 268.

b) Chirodota discolor Eschscholtz, Zoolog. Atlas. 1829. HeftII, p. 13; Taf. X, Fig. 2. Chirodota discolor Eschsch., GRUBE in MIDDENDORFF'S Reise. Bd. II, Theil 1. 4851. p. 35—42. Taf. IV. Chirodota discolor Eschsch , STIMPSON, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 4857. p. 523. Chirodota dis- color Eschsch., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 366. Chi- rodota discolor Eschsch., VErRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. 1867. P- 325. Chirodota discolor Eschsch., Semper, Holothurien. 4868. p. 267.

Originalexemplare existiren nicht. Dem Mertens’schen Manuskripte

589 Hubert Ludwig,

entnehme ich die folgenden Angaben: »In Sitcha nur sehr selten. Fast durchsichtig, man unterscheidet wenigstens, wenn man das Thier gegen das Licht hält, die inneren Organe. Von Füßen keine Spur. Die Haut ist mit kleinen schwarzen Punkten zahlreich besetzt. Mund mit 12 schildförmigen Tentakeln. Magen mit wurmförmigen Anhängen besetzt (damit meint Mertens offenbar Steinkanäle oder Porr'sche Blasen). Darm kaum einundeinhalbmal die Länge des Thieres messend. Ovarien am vorderen Abschnitt des Darmes, verzweigt.« In der Abbildung sind deutlich kurze Retraktor-Muskeln angegeben.

Über das »Respirationsorgan« bemerkt Mertens: »Respirations- organ nicht baumförmig, besteht nur aus Bläschen, die an ein Gekröse geheftet sind, welches in allen fünf Muskelinterstitien aufsteigt« und an einer späteren Stelle hebt er hervor, dass er » diese Theile nicht habe deutlich erkennen können«. Ähnlich wie bei Aspidochir kann ich mich auch bei Liosoma an der Hand der Merrens’schen Beschreibungen und Abbildungen nicht davon überzeugen, dass hier wirklich fünf Mesen- terien vorkommen, namentlich wenn ich mir vergegenwärtige, dass MErTEns auch der CGucumaria miniata, wovon ich Originalexemplare untersuchen konnte, fälschlich fünf Mesenterien zuschreibt. BrANnDT schreibt in seinem Prodromus in der Diagnose seines Genus Liosoma: »Respirationis organa quinquepartita, subarborescentia, interstitiis cor- poris inter musculos longitudinales relictis mesenterii ope affıxa.« In seinem handschriftlichen Entwurfe zu dem Prodromus aber, welcher mir gleichfalls vorliegt, heißt es in besserer Übereinstimmung mit der Merrens’schen Beschreibung: »Respirationis organum e vesiculis nume- rosissimis omentis inter musculos longitudinales obviis affıxis compo- situm.« Ich kann die Merrens’sche Beschreibung und Abbildung nur dann verstehen, wenn ich annehme, dass die » Bläschen «, aus welchen er das Respirationsorgan bestehen lässt, die Wimperorgane einer Chiro- dota oder Synapta sind, um so mehr als er selbst die Wimperorgane der Chirodota rufescens Br. als »ganz ähnlich« mit denjenigen des Lio- soma sitchaense Br. bezeichnet.

Aus einer Vergleichung mit den von EscascHoLTz und GRUBE ge- gebenen Beschreibungen der gleichfalls von Sitcha stammenden Chiro- dota discolor Eschsch. bin ich zu dem Schlusse gelangt, dass Liosoma sitchaense Br. dieselbe Art ist. Und was die Gattung Liosoma anbe- langt, so scheint mir, dieselbe auch dann, wenn meine Zusammen- stellung des Liosoma sitchaense Br. mit der CGhirodota discolor Eschsch. sich als nicht zutreffend erweisen sollte, keinerlei Existenzberechtigung zu haben. Denn erstens habe ich vorhin gezeigt, dass Mertens an der für die Gattung Liosoma typischen Art die von Branpr zur Charakteri-

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 583

stik der Gattung benutzten Lungen überhaupt nicht konstatirt hat. Zweitens aber ist die Gattung Liosoma auch dann nicht haltbar, wenn man dieselbe nur für die einzige andere bis jetzt beschriebene Art: Liosoma arenicola festhalten will. Diese letztere von Srımpson 1857 aufgestellte Art gehört offenbar, wie aus der von ihrem Autor gegebenen Beschreibung (l. ec. p. 525—526) hervorgeht, in die Gattung Molpadia. (Über die Diagnose der Gattung Molpadia cf. Semper, 1. c. p. 233.)

II. Dendrochirotae.

6) Cladodactyla (Polyclados) miniata Br. = Gucumaria fallax Ludwig.

Litteratur:

Cladodactyla (subgen. Plyclados) miniata Brandt, Prodr, 1835. p. 44. Pentacta miniata Br., Srımpson, Boston Journ, Nat. Hist. Vol. 6. 4857. p. 525. Cucumaria miniata Br., SELENkA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 350. Pentacta miniata Stimps., VERRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. 1867. p. 325. Cucumaria miniata Br., SEMPER, Holothurien. 1868. p. 53, 270. ei albida Selenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 350. Taf. XX, Fig. 409. Cucumaria fallaxLud- wig, Beiträge zur Kenntnis der Holothurien. Würzburg 4874. p. 11.

Eine größere Anzahl, von denen zwei einer näheren Untersuchung unterworfen wurden, liegen mir vor. Dieselben haben eine schmutzig braungelbe Farbe. Die Kalkkörper stimmen ganz überein mit denjeni- gen der früher nach Exemplaren des Lübecker Museums beschriebenen Cucumaria fallax. Endscheibchen der Füßchen fehlen ganz oder sind rudimentär in Gestalt von einigen zerstreut in der Saugscheibe liegen- den, kleinen, unregelmäßigen Gitterstücken. Beide Exemplare besitzen drei Pozr’sche Blasen und zahlreiche kleine Steinkanäle rings am Wasser- gefäßringe. Der Kalkring ist sehr schwach entwickelt. Am After finden sich fünf kleine, radiär gestellte Kalkplatten. Die Basis der un- getheilten Geschlechtsschläuche liegt ungefähr in der Längsmitte des Thieres, eben dort entspringen auch die Retraktormuskel des Schlund- kopfes.

Dem Merrtens’schen Manuskripte entnehme ich die folgenden An- gaben: »Das Thier ist in Sitcha häufig, eingegraben im Meeressande unter hohlliegenden Steinen. Hier, den Kranz des Mundes nach allen Seiten ausgebreitet, wartet es seiner Beute. In einiger Entfernung von dem Munde traf ich oft auf die hervorragende Spitze des Schwanz- endes, die an einer anderen Stelle aus dem Sande hervorragte. Die Farbe ist rein mennigroth. _Füßchen in fünf Reihen, die sich nach vorn

584 Hubert Ludwig,

in der glatten Fläche des Halses verlieren. Zehn sehr ramöse Tentakel. Haut dick, fast lederartig. Darm misst etwa sechsmal die Länge des Thieres. Der Kalkring fehlt, ist aber durch ein sehniges Gebilde ange- deutet. Die einzelnen Geschlechisschläuche haben fast vierfache Körper- länge. Der Eiergang mündet zwischen den Tentakeln. «

In der Abbildung giebt Mertens dem Thiere eine Länge von 18,5 cm und eine Dicke von cm. Auch die Radiärmuskel, welche rings um die Kloake von dieser zur Körperwand treten, werden von Mertens abgebildet und beschrieben. Guvier’'sche Organe werden von Mertens weder in seiner Abbildung noch auch in seiner Beschreibung angedeutet; die beiden von mir untersuchten Exemplare ermangeln der- selben sicher.

Der Habitus der Weingeistexemplare erinnert sofort an Cucumaria frondosa und die Mertens’schen Angaben im Verein mit dem Ergeb- nisse meiner Nachuntersuchung lassen keinen Zweifel übrig, dass die Cladodactyla miniata Branpr’s in den Formenkreis der Cucumaria fron- dosa gehört. SEMPER rechnet hierhin (l. c. p. 236) 1) seine Gucumaria californica, 2) eine noch unbeschriebene Art aus Java, 3) seine Gucu- maria japonica und 4) die eigentliche Cucumaria frondosa. So wenig wie SEMPER wage ich an dem geringen mir vorliegenden Materiale eine Entscheidung darüber, ob diese 4 Formen besser als Varietäten oder als besondere Arten aufzufassen sind. Es muss aber auch die Gucu- maria albida Selenka, die, wie wir nachher sehen werden, nicht wie SELENkA glaubte mit Branpr’s Gladodactyla albida identisch ist, in den Formenkreis der Gucumaria frondosa mit einbegriffen werden; ja ich bin sogar der Ansicht, dass die SerenkA’sche Cucumaria albida nur ein junges Exemplar der Gladodactyla miniata Br. ist. Sicher ist die früher von mir beschriebene Art Gucumaria fallax mit der Branpr'schen C. miniata identisch. Von den vier von SEMPErR unterschiedenen Formen scheint mir die C. japonica der GC. miniata am nächsten zu stehen. Alles in Allem halte ich also die Gladodactyla miniata Br. für eine mit Cucumaria albida Selenka (non Brandt) und Cucumaria fallax mihi iden- tische, der Cucumaria japonica Semper nahestehende Form aus dem Formenkreise der Gucumaria frondosa Gunn. |

In dem Mertens’schen Manuskripte finde ich noch zwei Stellen, die ° Beachtung verdienen. Die erste derselben lautet: »Am sehr spitzen Schwanzende erblickt man bei vollkommener Lebensäußerung des Thieres fünf kleine gabelige Fortsätze.« Auf diese Stelle und die ent- sprechende Abbildung von MErTENnS bezieht sich auch der Passus in der Branpr’schen Diagnose: » circa anum appendices quinque furcatae stella- im positae«.. An den Spiritusexemplaren habe ich mich vergeblich

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 555

bemüht, diese gabeligen Fortsätze wieder zu finden. Aus der MErTENs- schen Abbildung geht aber hervor, dass dieselben am Ende der Füß- chenreihen stehen und wahrscheinlich nur durch eine Bifurkation aus- gezeichnete Füßchen sind. Dass Füßchen mit gegabelter Spitze bei Cucumarien vorkommen können ist zwar meines Wissens bis jetzt noch nicht bekannt. Indessen beobachtete ich während eines Aufenthaltes in der zoologischen Station zu Neapel derartige Fälle bei der gemeinsten Mittelmeer-Art: Gucumaria Planci v. Marenzeller.

Die andere Stelle der Mertzens’schen Aufzeichnungen bezieht sich auf die Mesenterien bei Cucumaria miniata. MErTENs spricht hier die irrthümliche Meinung aus, dass von allen fünf Muskelinterstitien Mesen- terien an den Darmkanal herantreten. Bei dem Nachweise, dass die Gattungen Aspidochir und Liosoma Synaptiden seien, haben wir ge- sehen, dass Mertens dort gleichfalls fünf Mesenterien annimmt. Die Gu- cumaria miniata ist von ihm früher untersucht worden als Liosoma und Aspidochir und seine Behauptung, dass diesen beiden Gattungen fünf Mesenterien zukommen, scheint mir daher nur ein Nachhall des bei Cucumaria einmal begangenen Irrthumes zu sein.

7) Gladodactyla (Poiyclados) nigricans Br. =Cucumaria nigricans Selenka.

Litteratur: Cladodactyla (subgen. Polyclados) nigricans Brandt, Prodr. 4835. pP. 44. Pentacta nigricans Br., Stımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6.

1857. p. 525. Cucumaria nigricans Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVI1.

. Bd. 1867. p. 350. Pentacta nigricans Stimps., VERRILL, Transact, Connect. Acad. Vol. I. 4867. p. 325. Cucumaria nigricans Br., SEMPER, Holothu- rien. 1868. p. 53, 270.

Auch diese Cucumaria, von welcher mir eine größere Anzahl Ori- ginalexemplare vorliegen, gehört in den Formenkreis der Cucumaria frondosa Gunner. Die Kalkkörper bestehen in äußerst unregelmäßig auf ihrer ganzen Oberfläche bedornten verschieden langen Kalkstäben, die ich indessen nur in der Haut des Biviums finde, in der Haut des Triviums aber vermisse. Die Füßchen besitzen keine Endscheibchen. Es sind zehn Tentakel vorhanden, von welchen die zwei ventralen _ kleiner als die übrigen sind. Schon Mertens bemerkt in seinem Manu- skripte, dass die Füßchen »sparsam, fast wechselsweise in fünf Reihen « ‚stehen. Am Wassergefäßring eine PoLr'sche Blase, im dorsalen Mesenterium ein kleiner Steinkanal. Kalkring ist nicht vorhanden. Die Geschlechts- schläuche sind ungetheilt, von etwa 2/, Körperlänge; sie inseriren eben so wie die Retraktormuskeln ungefähr auf der Grenze zwischen

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV.Bd. 39

586 ; Hubert Ludwig,

dem ersten und zweiten Drittel der Körperlänge. Das von Mertens ab- gebildete Exemplar hat eine Länge von 6,2 cm und eine Dicke von 1,2 cm; die mir vorliegenden Exemplare bewegen sich in denselben Größenverhältnissen. Im Leben sind die Thiere grauschwärzlich mit violettem Schimmer, die Tentakel fast braunschwarz; die Weingeist- Exemplare sind schmutzig braungelb. Diese Art ist ausgezeichnet durch den Besitz Guvıer'scher Organe, die indessen bei einzelnen der von mir untersuchten Exemplare fehlen, bei anderen vorhanden sind.

Srınmpson hat im Jahre 1864 eine Pentacta piperata aus dem Puget Sound leider nicht ausführlich genug beschrieben (Proceed. Acad. Nat. Scienc. Philadelphia 1864. p. 161), von welcher ich vermuthen möchte, dass sie mit Cucumaria nigricans identisch ist. Seine Beschreibung ist so kürz, dass ich sie hier wiederholen will: »Pentacta piperata. Al- lied to P. frondosa. Body ovate, smooth and glabrous, of a yellowish color, speckled and spottet with black. Suckingfeet retracted in our specimens, not numerous and arranged in five irregular rows. Ten- tacula short and broad, ramose. Length (contracted) 11/, inch. ; breath

0,8 inch. «

8) Gladodactyla (Holigoclados) albidaBr. = Cucumaria albida m. (non Selenka).

Litteratur:

Cladodactyla (subgen. Holigoclados) albida Brandt, Prodr. 1835. p. 44. Pentacta albida Br., Stımpsox, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 1857. p. 525. Pentacta albida Stimps., VERRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. 1867. p. 325.

Originalexemplare dieser Art liegen nicht mehr vor. Die MERrTEns- sche Abbildung stellt ein 13 cm langes, in der Mitte 2,3 cm dickes Individuum dar. Er fand die Thiere in Sitcha am Ufer im Meeressande. Aus den Zeichnungen und Notizen von MERTENS geht über den Bau des Thieres Folgendes hervor: Der Körper ist an beiden Enden ziem- lich gleichmäßig zugespitzt. Die Füßchen stehen paarweise in fünf Reihen, in jeder Reihe zählte er etwa 110 Paare. Die beiden die Haut zusammensetzenden Membranen haben nur geringen Zusammenhang. Die Quermuskel der Körperwand sind nur sehr schwach ausgebildet. An der Kloake beschreibt er die radiären zur Körperwand tretenden Muskelbündel. Die Retraktoren inseriren !/, vom Vorderende (bei ein- gezogenem Schlundkopfe. Die Geschlechtsschläuche sind ungetheilt, von halber bis 2/;, Körperlänge und inseriren !/; vom Vorderende. »Der Eiergang mündet zwischen den Tentakeln nach außen, ein kleines Wärz-

_ Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 587

chen zeigt die Stelle an.« Mertens beschreibt ferner einen im dorsalen Mesenterium festgelegten Steinkanal, über dessen wahre Natur er aller- dings nicht im Klaren ist. Guvier’'sche Organe scheinen bei dieser Art nicht vorhanden zu sein.

Aus einem Vergleiche dieser Merrens’schen Angaben über Glado- dactyla albida Br. mit den Angaben Seıenka’s folgt, dass die von SELENkA damit identificirte Form, die ich vorhin schon zu Cucumaria miniata zog, mit Cladodactyla albida Br. nicht zusammengehört.

Es scheint mir ziemlich wahrscheinlich zu sein, dass spätere Unter- suchungen die Zusammengehörigkeit der Cucumaria albida mit der von Stımpson (Proceed. Acad. Nat. Scienc. Philadelphia 1864. p. 161) aus dem Puget Sound beschriebenen Pentacta populifer darthun werden. Srınpson’s Beschreibung, die ich hier wiederhole, steht nirgends in Widerspruch mit den Mertens’schen Angaben über Cucumaria albida. »Pentacia populifer. Body thick -fusiform in shape. Surface entirely covered with minute, perforated, polygonal, calcareous plates, each plate having from twenty-five to forty holes, and being armed with a sharp umbo or spine at the centre of its outer surface. Sucking-feet small, of moderate length, very numerous, and arranged in five regular double rows, extending from one extremity of (he body to the other. Tentacula ten, eigth large and two small; the large ones of elongated form, and shaped like Lombardy poplar trees (Populus dilatata), branching nearly from the base; branches short. The small tentacles are placed together, - and are minute, not a tenth part as long as the others. Length of the largest specimen 2 inch. ; usual length from A to A!/, inch. It is found in the circumlittoral zone.« Hervorheben möchte ich im Vergleich zu der besonderen Beschreibung, welche Srımpson hier den Tentakeln seiner Pentacta piperata widmet, dass auch Mertens die Tentakel von Cucumaria albida anders schildert und zeichnet als diejenigen der Cucumaria miniata und C. nigricans und zwar in einer Weise, die sich ganz mit der Stıupson’schen Schilderung vereinbaren lässt. Branpr hat das Verhalten der Tentakel bei Cucumaria albida einerseits und C. miniata und C. nigricans sogar durch die Aufstellung zweier beson- deren Untergatiungen, Oligoclados (Branpr schreibt stets Holigoclados) und Polyclados, ausgedrückt. Die Tentakel der Untergattung Polycla- dos (C. miniata, C. nigricans) beschreibt er: »tentacula pinnata, pinnis ramosis, ramis et ramulis divisis«; diejenigen der Untergattung Oligo- clados (C. albida) aber: »tentacula super basin paulisper dilatata, sim- pliciter et irregulariter pinnata, pinnis denticulatis «.

39*

588 Hubert Ludwig,

9) Guvieria sitchaensis Br. =Psolus Fabricii Lütken.

#

Litteratur:

a) Cuvieria sitchaensis Brandt, Prodr. 4835. p. 47—48. Cuvieria sit- chaensis Br., Stımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 1857. p. 525. Cu- vieria sitchaensis Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII: Bd. 4867. p. 343, Psolus sitkaensis Br., SEMPEr, Holothurien. 4868. p. 63, 272. Psolus sitchaensis Duj. et Hupe, VERRILL, Transact. Connect. Acad. Vol. I. 1867. D. 325.

b) Cuvieria Fabricii v. Düben u. Koren, Öfversigt af Skandin. Echinod. Vetensk. Akad. Handlingar. (1844) 4846. p. 346. Psolus Fabricii Lütken, Oversigt over Grönl. Echinod. Kjöbenh. 4857. p. 13—15. Psolus Fabricii v. Düben u. Koren, Srmper, Holothurien. 4868. p. 62, 272. Dort ist auch

die übrige ältere Lilteratur citirt. Psolus Fabricii, v. MARENZELLER, Cölent., Echinod. und Würm. d. österr.-ungar. Nordpol.-Exped. Wien 1877. p- 32.

Mertens fand diese Art, von welcher leider keine Originalexemplare mehr vorhanden sind, in Sitcha an Steinen. Sie saßen so fest, dass es ihm nur mit Mühe gelang sie unversehrt abzulösen. Aus den Abbil- dungen und dem Manuskripte von MErTEns geht zweifellos hervor, dass die Art ein echter Psolus ist, was noch von VerritL (l. c.) bezweifelt wurde. Die Mertens’sche Abbildung stellt ein Individuum von 5,2 cm Länge und 3,5 cm Breite dar. Die Farbe des Rückens ist ziegelroth, die des Bauches weißlich mit Rosaschimmer, die der zehn gleichmäßig entwickelten Tentakel karmoisinroth. Die Schuppen des Körperrückens zeichnet MErTEns groß mit gerundetem freiem Rande, also ähnlich wie sie bei Psolus Fabricii gestaltet sind. Die Füßchen stehen in der Mer- tens’schen Zeichnung ringsum an der Bauchfläche in zwei Reihen, am Vorder- und Hinterende aber dichter; über die Längsmitte der Bauch- seite erstreckt sich vom Vorderende nach dem Hinterende eine aufge- lockerte, stellenweise nur einzeilige Füßchenreihe, ähnlich wie es Lür- KEN (l. c. p. 13) von jungen Exemplaren des Psolus Fabricii beschreibt. Aus der Merrens’'schen Beschreibung lassen sich folgende anatomische Verhältnisse entnehmen : Am Wassergefäßringe befindet sich eine ver- hältnismäßig große Porr’sche Blase und ein sehr gewundener Stein- kanal. »Fünf Retraktoren sind vorhanden, wie bei allen Holothurien mit verzweigten Tentakeln.« Die Länge des Darmes beträgt etwa 6

Mal die des ganzen Thieres. Die Kloake ist mit starken Muskelfasern an

die Körperwand angeheftet. Die Geschlechtsorgane bestehen aus unver- ästelten dünnen Röhren, die eine Länge von 7,5 cm erreichen.

Schon Lürken hat (l. c. p. 15) die Vermuthung ausgesprochen, dass Cuvieria sitchaensis Br. identisch mit Psolus Fabricii sei und ich kann

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 589

mich dieser Ansicht nur anschließen, indem ich hinzufüge, dass ich das von MERTENS zu seiner Abbildung und Beschreibung benutzte Thier für ein junges Exemplar von Psolus Fabricii halte.

40) Cladolabes lıimaconotos Br. = Orcula limaconotus m. Litteratur: Cladolabes limaconotos Brandt, Prodr. 4835. p. 57—58. Holothuria

limaconotus Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 331.

SELENKA vereinigt die Branpr'sche Gattung Cladolabes mit der Gat- tung Holothuria, obschon ihr Branpr ausdrücklich baumförmige Tentakel zuschreibt und gerade auf sie seine Gruppe der Dendrochirotae gründet, welch letztere allerdings bei Branpr einen viel engeren Umfang hat als bei den späteren Autoren. In Semper’s Holothurienwerk finde ich die Art Cladolabes limaconotos Br. nirgends erwähnt, SEMPER vereinigt aber die Gattung mit der Gattung Thyone, stellt sie also richtig zu den Den- drochiroten.

Aus der Petersburger Sammlung liegt mir ein schlecht erhaltenes Exemplar vor, welches von der Mertzns’schen Reise herrührt und wel- ches ich wegen der Übereinstimmung mit der Merrens’schen Abbildung nur für ein Originalexemplar von Gladolabes limaconotus halten kann. An demselben konnte ich zunächst konstatiren, dass nicht zwanzig Ten- takel, wie Branpr angiebt, vorhanden sind, sondern nur fünfzehn. Branpt entnahm seine Angabe offenbar dem Manuskripte von MERTENS, wo allerdings von zwanzig Tentakeln die Rede ist. In seiner Abbil- dung zeichnet aber Mertens nur fünfzehn Tentakel. Dieselben sind an dem mir vorliegenden Individuum in der für die Gattung Orcula Troschel charakteristischen Weise angeordnet, es wechseln nämlich fünf kleinere mit fünf Paar größeren ab. In der Haut kann ich keine Kalk- körper finden, auch entbehren die Füßchen der Endscheiben. Die Füß- chen sind über die ganze Oberfläche des Körpers ohne bestimmte Reihenstellung vertheilt. MErTEns zeichnet am Wassergefäßringe neun verschieden große Pori’sche Blasen und ziemlich kurze, zwei- bis drei- mal getheilte Genitalschläuche. Er fand die Thiere auf Boninsima, so fest in den Steinritzen angesogen, dass man sie kaum losreißen konnte. Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 22 cm und eine Dicke von 3,5 cm.

Die in Rede stehende Art scheint mir am nächsten verwandt zu sein mit der von mir beschriebenen Orcula tenera (cf. Beiträge zur Kennt- nis der Holothurien. 1874. p. 19. Fig. 24).

590 Hubert Ludwig,

III. Aspidochirotae,

14) Diploperideris sitchaensis Br. = Stichopus sitehaensis m.

Litteratur:

Diploperideris sitchaensis Brandt, Prodr. 4835, p. 52. Holothuria sit- chaensis Br., Stımpson, Boston Journ. Nat. Hist. Vol. 6. 4857. p. 524. Holothuria sitchaensis Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 344. Diploperideris sitchaensis Br. (Holothuria?), VERRILL, Transact.

Connect. Acad. Vol. 1. 4867. p. 325. Holothuria sitkaensis Br., SEMPER, Hololhurien. 1868. p. 87, 278.

Branpr stellt diese Art ganz richtig zu seiner Gruppe der Hetero- podes. SErenkA aber und SempEr geben ihr ohne jeden ersichtlichen Grund eine andere Stellung, ersterer bei seiner Gruppe B: Homoiopodes (Unterabtheilung der Gattung Holothuria), letzterer in der dritten seiner in der Gattung Holothuria angenommenen Gruppen : Sporadipus.

Wie aus den doppelten Geschlechtsorganen und der Reihenstellung der Bauchfüßchen hervorgeht, ist die vorliegende Art in die Gattung Stichopus zu stellen. Das eine mir vorliegende Originalexemplar ist 9 cm lang und 2,5 cm breit. Die unentwickelten Geschlechtsorgane und die im Vergleich zu der Merrtens’schen Abbildung geringe Größe zeigen, dass es ein junges Thier ist. Es besitzt einen langen Steinkanal, der in mehreren Windungen rechts am dorsalen Mesenterium festgelegt ist. In der Haut fand ich nur eine Art von Kalkkörpern, nämlich aus vier kurzen Stäben zusammengesetzte »Stühlchen«, denen aber die Scheiben vollständig fehlen; die vier Stäbe sind nur nahe ihrem inneren Ende durch einen kurzen queren Fortsatz mit einander verbunden, an ihrem äußeren Ende laufen sie in zwei bis drei kurze Spitzen aus.

Mertens beschreibt nach außen von den 20 Tentakeln erst einen Kranz von »füßchenähnlichen Fühlern«, dann einen gefransten, ring- förmigen Hautkragen. Er schildert ferner eine lange, zwei- bis drei- mal eingeschnürte Poırsche Blase. Nach seiner Abbildung bilden die Geschlechtsschläuche jederseits vom dorsalen Mesenterium ein Büschel; die einzelnen Schläuche sind häufig getheilt und zeigen hinter einander gelegene Anschwellungen.

Mertens bemerkt: »Das Thier wird in Sitcha roh gegessen. Ge- ruch unangenehm penetrant ammoniakalisch, in Weingeist wird dieser unangenehme Geruch noch schlimmer. «

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 591

42) Stichopus chloronotos Br.

Litteratur:

Stichopus (subgen. Perideris) chloronotosBrandt, Prodr. 4835. p. 50. Stichopus chloronotus Br., SELENEA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 315—346. Taf. XVII, Fig. 20—24 ; Taf. XVII, Fig. 25. Stichopus chloronotus Br., SEMPErR, Holothurien. 4868. p. 74, 275.

Aus einer Untersuchung der mir vorliegenden Originalexemplare folgt, dass SeLenka ganz das Richtige getroffen hat, als er die BrAnDT- sche Art in der ihm von den Sandwich-Inseln und von Zanzibar vor- liegenden Stichopus-Form wieder zu erkennen glaubte. Die Merrens’sche Beschreibung stimmt gleichfalls mit der Serenka’schen überein, nur muss man sich gegenwärtig halten, dass die von MERrTEnS richtig erkannten baumartig getheilten Geschlechtsschläuche von SELENkA irrthümlich als Steinkanäle beschrieben sind. In der Mertens’schen Zeichnung sind zwei Porsche Blasen und ein einziger kleiner Steinkanal angegeben. Cuvıer’sche Organe scheinen bei dieser Art niemals vorzukommen. Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 25 cm, eine Breite von 5 cm, die Weingeistexemplare sind kleiner.

13) Holothuria (Thelenota) grandis Br. = Stichopus ananas Semper.

Litteratur:

a) Holothuria (subgen. Thelenota, sect. Platysoma) grandisBrandt, Prodr. 1835. p. 53—54. Holothuria grandis Br., SELENKA, diese Zeitschr. XVI. Bd. 4867. p. 332. Holoihuria grandis Br., SEmper, Holothurien. 41868. p. 93, 279.

b) Trepang ananas Jäger, Dissert. de Holothuriis. 14833. p. 24. Tab. III, Fig. 4. Holothuria ananas Quoy et Gaimard, Voy. de l’Astrolabe. T. IV. Paris 4833. p. 440—446. Pl. VI, Fig. 1—3. Holothuria (subgen. Thele- nota, sect. Camarosoma) ananas Br., Prodr. 4835. p. 53. Holothuria ananas Jäg., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 332—323. Stichopus ananas Semper, Holothurien. 4868. p. 75, 275.

Originalexemplare der Branpr’schen Art giebt es zwar nicht mehr, jedoch lässt die Vergleichung der Merrens’schen Abbildung mit einem wohlerhaltenen Exemplare des Stichopus ananas, welches mir aus dem Leydener Museum vorliegt, sofort die Identität Beil Formen erkennen. Mertens hebt in seinem Manuskripte die bedeutende Größe hervor, welche diese Art erreichen kann und giebt ihr in seiner Abbildung eine Länge von etwa 50 cm und eine Breite von 12 cm. Aus der MertEns- schen Beschreibung erscheinen mir folgende Notizen mittheilenswerth :

592 Hubert Ludwig,

20 Tentakel. Tentakelampullen, der Größe des Thieres entsprechend, sehr groß. Die »Schlundkrause« (Semper) beschreibt Mertens als ein drüsiges Organ, welches den Darm umgiebt. Porsche Blasen sind in großer Zahl vorhanden, bilden ein Bündel und sind bald einfach, bald getheilt. Die Geschlechtsorgane sind lange und vielfach verästelte Schläuche. SeLEnkA hat bei Holothuria ananas wie auch bei Stichopus chloronotus die Geschlechtsschläuche irrthümlich für Steinkanäle gehal- ten. Aus der Mertens’schen Abbildung erkennt man auch deutlich, dass die Geschlechtsorgane zwei Büschel bilden, ein Umstand, der SEMPER mit Recht veranlasst hat, den Trepang ananas Jäger zur Gattung Stichopus zu stellen. Mertens beobachtete an dieser Art auch die Re- spirationsbewegungen des After: »Der After öffnet und schließt sich abwechselnd, saugt Wasser ein und lässt es fahren.« Ferner macht er die Bemerkung: » Alle Eingeweide, namentlich auch die Geschlechts- organe, besitzen eine dunkel purpurrothe Farbe; in Branntwein ent- wickelt sich dieselbe auf eine sehr lebhafte Weise und könnte gewiss technische Verwendung finden.« Diese lebhafte Färbung der Eingeweide heben auch Quoy und GamarD hervor und Ähnliches findet sich bei Phyllophorus urna Grube aus dem Mittelmeere. Schließlich möchte ich noch erwähnen, dass Mertens auch schon die in den Lungen dieser Art schmarotzende Fierasfer-Art gekannt hat. In seinem Manuskripte finde ich darauf bezüglich die folgende interessante Stelle: »In den drei Exemplaren, die ich untersuchte, fand ich in jedem ein und mehrere lebende Gymnothoraces, die mir nicht im Darm, der ganz mit Sand angefüllt, sondern in der Höhle des Respirationsbaumes zu wohnen ‚schienen. «

14) Holothuria (Microthele) dubia Br. =Mülleria lecanora Jäger.

Litteratur:

a) Holothuria (subgen. Microthele) dubiaBrandt. Prodr. 4835. p. 54. Holothuria, dubia Br., SELENkA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 331. Holothuria dubia Br., Semper, Holothurien. 4868. p. 92, 279.

b) Mülleria lecanora Jäger, Dissert. de Holothuriis. 1833. p. 48. Tab. II, Fig. 2. Mülleria lecanora Jäg., SELENkA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 312. Mülleria lecanora Jäg.,'SEmper, Holothurien. 4868. p. 75 bis 76, 276. Taf. XXX, Fig. 7; Taf. XXXV, Fig. 2.

MerTEns ist der Meinung, diese Art sei nur eine Farbenvarietät der folgenden (Holothuria maculata Br. Mülleria nobilis Selenka). Seine Abbildung stellt ein Exemplar von 25 cm Länge dar, welches hinten 8 cm, vorn 5 cm breit ist. Über die Färbung bemerkt er: »Die Zeich-

Revision der Mertens-Brandt'schen Holothurien. 593

nung sah ich auch bei dieser sehr wechseln, Grundton immer gelblich. Das Weiß war sehr oft sparsam vertheilt, manchmal nur in einzelnen kleinen Punkten am Afterende, manchmal, obgleich selten, fehlten auch diese.« Auch Semper hebt die Veränderlichkeit in der Färbung dieser Holothurie hervor. Aus der Merrens’schen anatomischen Abbildung erhellt, dass das Thier nur eine ventral gelegene ziemlich große Porı- sche Blase besitzt, ferner, dass die Geschlechtsschläuche nur ein Bündel bilden, lang und oftmals getheilt sind. Semper bemerkt von Mülleria lecanora : »Das Wundernetz der Gefäße bildet kleine blattartige Lappen, die fast drüsig aussehen«; dies Verhalten ist in der MerTEns’ schen Zeich- nung in unverkennbarer Weise angedeutet.

MERTEns erwähnt auch einen Parasiten dieser Art: »Der Darm dieser Holothurie war angefüllt mit einem lebenden Eingeweidewurm. « Leider beschreibt er diesen Wurm nicht weiter. Doch ist es mir höchst wahrscheinlich, dass Mertens hier denselben Wurm beobachtet hat, den Srmper (l. c..p. 100) unter dem Namen Anoplodium Schneideri aus dem Darme derselben Holothurienart anführt.

15) Holothuria (Microthele) maculata Br. —Mülleria nobilis Selenka.

Litteratur:

a) Holothuria (subgen. Microthele) maculata Brandt, Prodr. 4835.

p. 54. Holothuria maculata Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 334. Holothuria maculata Br., SEMPER, Holothurien. 1868. p. 92, 379.

b) Mülleria nobilis Selenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 313. Taf. XVI, Fig. 13—15. Mülleria nobilis Sel., SEmper, Holothurien. 4868. p. 76, 276.

Es existirt kein Originalexemplar der Branpr’schen Art und aus dem Merrtens’schen Manuskripte geht hervor, dass Letzterer überhaupt kein Exemplar konservirt hatte. Mertens beobachtete das Thier nur ein einziges Mal unter Steinen, hatte aber nicht einmal Gelegenheit eine um- fassendere anatomische Untersuchung vorzunehmen. Er macht nur die Angabe, dass die Geschlechtsschläuche sehr verzweigt sind und dass das Thier 20 Tentakel besitzt. Aus der Abbildung, welche ein 25 cm langes, 7 cm breites Exemplar darstellt, geht hervor, dass auf dem ‚Bauche Füßchen, auf dem Rücken Papillen stehen, beide ohne Reihen- stellung.

Farbe, Habitus und die von Mertens hervorgehobene große Ähn- lichkeit mit der vorhergehenden Art veranlassen mich, die Holothuria maculata Br. für identisch mit Mülleria nobilis Selenka zu halten.

594 Hubert Ludwig,

16) Sporadipus (Golpochirota) ualanensis Br. Holothuria marmorata Semper.

Litteratur:

a) Sporadipus (subgen. Colpochirota) ualanensis Brandt, Prodr. 1835. p. 46. Holothuria ualensis Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 341. Holothuria ualensis Br., SEmper, Holothurien. 1868. p. 87, 278.

b) Bohadschia marmorata Jäger, Dissert. de Holothuriis. 4833. p. 18 bis 49. Bohadschia marmorata Jäg., BRAnDT, Prodr. 4835. p. 56. Bohad- schia marmorata Jäg., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 320. Holothuria Brandtii Selenka, diese Zeitschr. XVII. Bd. 1867. p. 339, Holothuria marmorata Jäg., SEMPER, Holothurien. 4868. p. 79, 277. Taf. XXX, Fig. 40; Taf. XXXV, Fig. 3. |

Semper führt unter den Synonymen von Holothuria marmorata (Jäg. sp.) auch auf: Sporadipus maculatus Brandt, Prodr. p. 46—47. Senrper folgte darin dem Vorgange SELENKA’S, welcher Sporadipus macu- latus Br. für identisch mit seiner Holothuria Brandtii hält, welch letztere von Semper als identisch mit H. marmorata (Jäg. sp.) erkannt worden ist. Sporadipus maculatus Br. gehört indessen, wie wir nachher sehen werden, nicht hierher, sondern ist identisch mit Semrer’s Holothuria arenicola.

An den mir vorliegenden Originalexemplaren finde ich die Kalkkörper ganz so gebildet wie sie SELENKA von seiner Holothuria Brandtii beschreibt. Der After der beiden Exemplare ist deutlich fünf- strahlig.

Das von Mertens abgebildete Thier hat eine Länge von 23 cm und eine Breite von 7cm. Er fand die Thiere ganz bedeckt vom Sande in den Lagunen von Ualan. Wenn berührt schossen sie milchweiße, klebende Fäden aus dem After, in welchen Mertens »AÄngrifis- oder Vertheidigungswaffen erkennen zu müssen« glaubt. Die folgenden Noti- zen sind seiner Beschreibung entnommen: Thier durchaus cylindrisch rund, lässt keinen Bauch oder Rücken unterscheiden. Der ganze Körper ist mit Füßen bedeckt, die aus der gerunzelten Oberfläche hervorbrechen und mit einem schwarzen Saugnapf versehen sind. Die Farbe variirt, bald braun in verschiedenen Schattirungen gefleckt, bald gelb und braun gemischt. Mit dem Zeigen der 20 Tentakel ist das Thier sehr geizig. Konsistenz des Thieres derb. Kalkring von bedeutender Entwicklung.

-

Darm dreimal so lang als der Körper. Geschlechtsschläuche verzweigt.

An der Kloake zahlreiche lange Cuvıer’sche Organe. Die Zeichnung von Mertens lässt am Wassergefäßringe eine ventrale Porr’sche Blase,

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 595

zwei Steinkanäle am dorsalen Mesenterium und die Schlundkrause er- kennen.

47) Sporadipus (Acolpos) maculatus Br. = Holothuria arenicola Semper.

Litteratur:

a) Sporadipus (subgen. Acolpos) maculatusBrandt, Prodr. 4835. p. 46 bis 47.

b) Holothuria arenicola Semper, Holothurien. 4868. p. 84, 277. Taf. XX; Taf. XXX, Fig. 13; Taf. XXXV, Fig. 4.

Die Kalkkörper des mir vorliegenden Originalexemplares stimmen eben so wie der Habitus völlig überein mit Semper’s Holothuria arenicola. In der Mertens’schen Abbildung ist das Thier weißlich mit Rosaschimmer (»carneum « BranDr) und mit unregelmäßig zerstreuten kleinen rothen Flecken, welch letztere aber an dem Spiritusexemplar ein entschiedenes Braun zeigen, ähnlich wie in der Semper’schen Abbildung. Das von Mertens abgebildete Individuum hat eine Länge von circa 32 cm und ist kaum 2,5 cm dick. Mertens fand die Thiere in Boninsima zur Zeit - der Ebbe am Strande unter Steinen im Sande vergraben. Mertens giebt zwanzig sehr kleine und kurze Tentakel an, eine kleine Pour'sche Blase. Ferner beobachtete er, dass der Darm nur etwa zweimal die Länge des Thieres misst und dass die Geschlechtsschläuche mehrmals getheilt sind. Er zeichnet auch die Tentakelampullen, aber keine Cuvier’schen Organe.

18) Stichopus (Gymnochirota) leucospilota Br. = Holothuria vagabunda Selenka.

Litteratur:

a) Stichopus (subgen. Gymnochirota) leucospilota Brandi, Prodr. 1835. p. 54. Stichopus leucospilota Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 320. Stichopus leucospilota Br., SEmpEr, Holothurien. 1368. p- 74, 275.

b) Holothuria vagabunda Selenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 334. Taf. XIX, Fig. 75—76. Holothuria vagabunda Sel., SEMPER, Holothurien. 1868. p. 81, 248, 377. Taf. XXI.

Zwei schlecht erhaltene Originalexemplare lassen mich an der Iden- tität des Stichopus leucospilota Br. mit Holothuria vagabunda Selenka nicht zweifeln. Die Kalkkörper der Haut stimmen ganz überein mit SELENKA’S Beschreibung. Das von Mertens abgebildete Exemplar ist circa 22 cm lang und 2 cm dick; er giebt aber an, dass die Größe der

596 Hubert Ludwig,

Thiere gewöhnlich kleiner sei. Seinem Manuskripte und seinen Zeich- nungen entnehme ich folgende Angaben: Die Thiere werden von den Insulanern als Nahrungsmittel sehr geschätzt. Die Farbe » variirt in den verschiedenen Schattirungen von braunviolett, der Rücken ist meist braun mit weißen Flecken, aus welchen die Rückententakel sich er- heben. Die Bauchfläche hat ein fast marmorirtes Aussehen.« »Das Thier ist ziemlich weich und sehr delikat. Nicht genau in Acht genommen sucht man es vergebens, es ist ganz aufgelöst.« Eierstock zwei Zoll hinter dem Kalkring, seine Schläuche deutlich ein- bis zweimal getheilt. Ein Steinkanal. Eine Porsche Blase. Guvier'sche Organe sind vorhan- den. Mertens giebt 22 Tentakel an, während das eine der mir vorliegen- den (dem anderen fehlt das Vorderende) die normale Zabl von 20 Ten- takeln besitzt.

49) Holothuria (Microthele) affinis Br. =Holothuria atra Jäger.

Litteratur:

a) Holothuria (subgen. Microthele) affinis Brandt, Prodr. 4835. p. 56. Holothuria affinis Br., SELENKA, diese Zeitschr. XVII. Bd. 4867. p. 331.— Holothuria affinis Br., SEMpEr, Holothurien. 1868. p. 92, 250— 251.

b) Holothuria atra Jäger, Dissert. de Holothuriis. 4833. p. 22. Holo- thuria floridana, POURTALES, Proc. Amer. Assoc. Adv. Sc. 4851. p.12—13. Holothuria floridana Pourt., SELENKA, diese Zeilschrift. XVII. Bd. 4867, p. 324 bis 326. Taf. XVIII, Fig. 47—50. Holothuria atra Jäg., SEMPER, Holo- thurien. 4868. p. 88, 250, 278. Taf. XXVINM.

Schon Senrer hat die Ähnlichkeit der Holothuria affınis Br. mit der H. atra Jäger bemerkt. Ich konnte mich an einer größeren Anzahl Mertens’scher Originalexemplare von der Identität beider Formen über- zeugen. Die Kalkkörper stimmen überein mit Serenka’s Beschreibung und Abbildung, eben so stehen die anatomischen Verhältnisse im Ein- klang. Mertens selbst beobachtete folgende anatomische Verhältnisse: Sechs kleine Porr’sche Blasen. Zehn Steinkanäle, von denen vier auf der linken Seite, die sechs anderen auf der rechten Seite des dorsalen Mesenteriums ein Büschel bilden. Basis der Geschlechtsschläuche etwa 3 cm hinter dem Kalkringe; die Geschlechtsschläuche selbst sind ge- theilt. Guvier’sche Organe fehlen.

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 597

20) Holothuria (Microthele) aethiops Br. = Holothuria pulla Selenka.

Litteratur:

a) Holothuria(subgen. Microthele)aethiopsBrandt, Prodr. 4835. p.55. Holothuria aethiops Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 4867. p. 334. Holothuria aethiops Br., SEmper, Holothurien. 4868. p. 92, 250 bis 254.

b) Holothuria pulla Selenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 326. Taf. XVIII, Fig. 54. Holothuria pulla Sel., Semper, Holothurien, 1868, p. 92, 279.

Originalexemplare dieser Art konnte ich unter den mir aus der Petersburger Sammlung geschickten Holothurien nicht auffinden. Mer- TENnS hebt hervor, er habe diese Art anfänglich für identisch mit der vorhergehenden gehalten, bis nähere Untersuchung ihn vom Gegentheil

belehrt habe. Der Hauptunterschied von der vorhergehenden Art liegt ‘in der Anwesenheit der Guvier’'schen Organe. MertEns bemerkt: »Das

Thier stößt klebende Fäden aus dem After« und zeichnet dieselben auch deutlich in seiner anatomischen Abbildung.

24) Stichopus (Gymnochirota) cinerascens Br. = | Holothuria pulchella Selenka.

Litteratur:

a) Stichopus (subgen. Gymnochirota) cinerascens Brandt, Prodr. 1835. p. 54. Stichopus cinerascens Br., SELENKA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 349. Stichopus cinerascens Br. (non Grube), Semper, Holo- thurien. 4868. p. 74, 275.

b) HolothuriapulchellaSelenka, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 329. Taf. XVII, Fig. 64—62. Holothuria pulchella Sel., Szmper, Holothurien. 1868. p. 89—90, 378.

Zwei Originalexemplare des Stichopus cinerascens Br. konnte ich

"untersuchen und daran die Identität dieser Art mit Holothuria pulchella

SELENKA feststellen. Dieselben besitzen 20 Tentakel; 3 Porr’sche Blasen ; 4 Steinkanäle rechts und einer links am dorsalen Mesenterium, die sämmtlich frei herabhängen. Die Kalkkörper der Haut sind dieselben,

_ welche Serenka von seiner Holotihuria pulchella beschreibt. Die Bauch-

fübchen lassen eine sehr undeutliche Anordnung in drei Reihen er- kennen. Darm und Geschlechtsorgane fehlen den mir vorliegenden Exemplaren. Aus dem Mertens’schen Manuskripte geht hervor, dass die Geschlechtsschläuche verhältnismäßig kurz und mehrmals getheilt sind. Mertens giebt auch nur eine Porr'sche Blase an; indessen hat

398 Hubert Ludwig,

schon SEMPper (]l. c.) auf die Unbeständigkeit in der Zahl der Poır'schen Blasen gerade auch bei dieser Art hingewiesen. »Die Substanz des Thieres ist sehr weich.« Nach SeLexza sollen Cuvıer’sche Organe fehlen; Mertens aber bemerkt: »Die Thiere besitzen in sehr hohem Grade die Fähigkeit aus ihrem After klebrige Fäden auszusenden, die einen Durch- messer von eiwa 11% Linien haben und hohl zu sein scheinen.« Mög- licherweise hatten die von SELENnk«4 untersuchten Exemplare beim Fange sich ihrer Cuvıer'schen Organe entledist. Über das Vorkommen der Thiere bemerkt Mertens: »nicht ganz häufig auf Boninsima zwischen Steinen, die zur Zeit der Ebbe wasserenthaltende Räume zwischen sich haben«. Das von Mertens abgebildete Exemplar hat eine Länge von 23 cm, eine Breite von 2—3 cm, und ist hinten stärker verjüngt als vorn.

22) Holothuria (Microthele) sordida Br.

Litteratur: Holothuria (subgen. Microthele) sordida Brandt, Prodr. 4835, p. 55. Holothuria sordida Br., SELENkA, diese Zeitschrift. XVII. Bd. 1867. p. 331. Holothuria sordida Br., Semper, Holothurien. 1868. p. 93, 279.

Es gelang mir nicht Originalexemplare dieser Art mit Sicherheit unter den mir aus der Petersburger Sammlung geschickten Holothurien wieder zu erkennen. Auch auf Grund der Merrexs’schen Beschreibung und Abbildung ist es mir nicht möglich die Holothuria sordida Br. auf irgend eine andere bekannte Holothurie zurückzuführen. Dieselbe wird also einstweilen als besondere Art stehen bleiben müssen.

Die Mertens'sche Abbildung giebt dem Thiere eine Länge von 34 cm und eine Breite von 9 cm. Seiner Beschreibung entnehme ich die folgenden Notizen: 20 Tentakel. Gestalt plump, steif, Rücken und Bauch deutlich unterschieden. Auf dem Bauche unregelmäßig ver- theilte »Füßchen«, auf dem Rücken kurze » Tentakel«. »Füßchen« und » Tentakel« mit weißer Spitze. Haut sehr dick und knorpelhart. Ein im dorsalen Mesenterium festgelegter Steinkanal. Darm dreimal so lang als der Körper. Geschlechtsschläuche inseriren dicht hinter dem Ring- kanal, sind sehr lang und mehrmals getheilt. Guvrer’sche Organe sind vorhanden.

23) Holothuria (Microthele) tigris Br. Litteratur: Holothuria (subgen, Microthele) tigrisBrandt, Prodr. 4835. p. 55.

Auch diese Art kann ich mit keiner anderen bekannten Holothurie identificiren; auch von hier liegt mir kein Originalexemplar vor. Doch

Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. 599

ist dieselbe jedenfalls nicht identisch mit der von SeLenkaA (diese Zeit- - schrift, XVII. Bd., 1867, p. 333) als Holothuria tigris Br. beschriebenen Form, welche nach Semper (Holothurien, 1868, p. 79—80) zu Holo- thuria scabra Jäger gehört.

Wie aus den Aufzeichnungen von Mertens hervorgeht, hat der- selbe überhaupt kein ganz heiles Exemplar erhalten und auch keines konservirt. In seiner Zeichnung giebt er ihr eine Länge von 45 cm und eine Breite von 10 cm. Seine Notizen sind sehr dürftig. Aus den- selben geht nur hervor, dass das Thier, wenn es maltraitirt wird, seine Eingeweide fahren lässt, dass es 20 Tentakel besitzt und dass die Ge- schlechtsschläuche mehrmals getheilt sind.

Bremen, 20. Januar 1881.

Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius.

Von

F. Könike in Bremen.

Mit Tafel XXX, Fig. 1—6.

A. Geschichtliche Einleitung.

O. F. Mürzer ! führt in seiner Zoologiae danicae prodromus unter Begleitung einer kurzen Diagnose eine Hydrachna orbiculata auf. Die- selbe wird dann später von ihm ein wenig genauer beschrieben. Dieser Beschreibung geht die der Hydrachna elliptica Müller ® vorauf, welche nach meiner Prüfung indess von der obigen Species nicht ver- schieden ist. MürLer erachtete die beiden vermeintlichen Arten als ein- ander sehr nahe stehend; das ersieht man aus dem Umstande, dass er sie in seinem System unmittelbar auf einander folgen lässt. Doch man kann auch aus seinen bezüglichen Beschreibungen ihre Identität über- zeugend nachweisen. Ich will nur die auffallendsten übereinstimmen- den Merkmale daraus hervorheben:

Hydr. elliptica. Hydr. orbiculata. »Coerulea.« » Violacea.« »Dorso incisura elliptica. « »In peripheria incisio circularisalba.«

»Ac macula inter oculos fulva ver- »Pone oculos macula fulva, inter sus medium dorsi in angularem eosdem aca latere externo punc-

producta.« tum album. « »Margo posticus setis raris prostanti- »Margo posticus setis prostantibus bus.« raris cingitur. «

1 Zoologiae danicae prodromus. Havniae 4776. p. 490. n. 2266.

2 Hydrachnae, quas in aquis Daniae palustribus. Lipsiae 4784. p.55. tab. VII, fig. 3 und 4.

3 Ibid. p. 54. tab. VII, fig. A und 2.

|

I

Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 601

Für die Identität beider Species spricht auch Mürzer’s Angabe bei Hydrachna elliptica: »medio dorsi tria puncta pallida tranversim posita aegre visibilia.« Ein gleiches Merkmal giebt MüLzzr freilich bei seiner Hydr. orbiculata nicht an, doch, wie mich dünkt, aus dem ein- fachen Grunde, weil er es bei ihr nicht erkannt hat. Für die Richtig- keit dieser Annahme spricht Mürrer’s Notiz bei Hydr. elliptica: » Variat absque serie macularum et punctorum dorsi.« Daraus geht hervor, dass er besagtes Merkmal es handelt sich nämlich um mehr oder weniger deutlich erkennbare Haarpapillen, die niemals fehlen auch zuweilen bei Hydrachna elliptica nicht bemerkte.

Mürzer’s Größenangabe der Hydr. orbiculata ist geringer als die der Hydr. elliptica; daraus darf man fast schließen, dass in der unter jenem Namen angeführten Wassermilbe das männliche Geschlecht beschrieben sei. Indess ist dies eine bloße Vermuthung. So viel aber scheint meines Erachtens festzustehen, dass die beiden Mürzrr’schen Namen nur eine Species bezeichnen. Da nun Hydrachna elliptica Müller der Hydrachna orbiculata Müll. voraufgeht, so wird auch dieser Name zu Gunsten jenes fallen müssen.

O. F. Mürter glaubt, seine Hydr. elliptica sei wahrscheinlich syno- nym mit Acarus aquaticus maculatus de Geer: »Haec eadem ac Acarus maculatus aquaticus de Geer, mem. vol. 7. p. 147. t. 9, fig. 13, esse videtur!.«

GoEzE stellt in seiner Übersetzung des nE Gzer’schen Werkes: » Memoire sur l’histoire des insectes « Hydrachna elliptica Müll. bestimmt als Synonym zu Acarus aquaticus maculatus de Geer?2. Das beruht in- dess auf einem Irrtbum, denn von der DE Gzer’schen Species heißt es p. 64: »Der Körper ist dunkelbraun, roth schattirt, mit einem großen rothen Rückenfleck an der Kopfseite.« Diese Angaben passen nicht im entferntesten auf Hydrachna elliptica Müll., vielmehr auf das Weib-

_ chen zu Arrenurus caudatus (de Geer)3.

1 0. F. MüLLer, Hydrachnae etc. p. 54.

2 Abhandlungen zur Geschichte der Insekten aus dem Französischen übersetzt von GozzE. Nürnberg 4783. Bd. VII. p. 64. tab. IX, fig. 43 und 44.

3 CARL DE GEER beschrieb und bildete ein Arrenurus-Männchen ab, das er

Acarus aquaticus caudatus nannte (Abhandlungen zur Geschichte der Insekten.

Bd. VII. p. 58. tab. IX, Fig. 4). Da ihm die frappanten Geschlechtsunterschiede

‘zwischen Männchen und Weibchen der gegenwärtigen Gattung Arrenurus Duges

unbekannt blieben, so drängte sich mir die Frage auf, ob jener exakte Beobachter

das viel häufigere Weibchen zu Arrenurus caudatus (de Geer) nicht gesehen habe!

Ohne große Mühe pE GEER kannte nur zwei Wassermilben aus dem Genus

Arrenurus fand ich seinen Acarus aquaticus maculatus als solches heraus. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 40

602 F. Könike,

P. Kramer hält seine Nesaea elliptica t für synonym mit Hydrachna elliptica Müller. Diese Annahme glaube ich durch Anführung eines einzigen Momentes als eine irrige zurückweisen zu können. Falls näm- lich Hydrachna elliptica eine Ausbuchtung am vierten Gliede des letzten Fußes, welches Merkmal bei der Nesaea elliptica vorhanden ist, besäße, so würde O. F. MüLer, dessen Exaktität in der Beobachtung über allen Zweifel erhaben ist, dieselbe erkannt und auch bildlich dargestellt haben, wie er solches bei Hydrachna nodata und H. lunipes Müll. in Wirklichkeit that. Nesaea elliptica Kram. ist nach meinen Beobachtun- gen das männliche Geschlecht zu Nesaea aurea Kram.?. Nachdem ich mir über diesen Punkt völlig klar geworden war, erkannte ich die Identität von Nesaea aurea Kram. mit Nesaea variabilis Koch?, in wel- cher Ansicht ich mich in Übereinstimmung mit Herrn €. J. Neuman befinde, der mir die fragliche Hydrachnide unter dem Namen Nesaea pulchra Koch ® zuzusenden die Güte hatte. Es ist aber letztere synonym mit Nesaea variabilis Koch, welche Thatsache mir C. J. Neruman be- stätigte, indem er mir schrieb: »Dass unter N. pulchra und variabilis kein wesentlicher Unterschied ist, glaube ich auch.« €. L. Koch bildet nun zu seiner Nesaea variabilis sowohl als auch N. pulchra die N. el- liptica Kram. als männliches Geschlecht ab, wodurch ich mich in meiner oben bezeichneten Auffassung vergewissert halte.

Von den älteren Autoren sind noch M. Lister? und Farıcıus® zu erwähnen, von welchen jener die beiden betreffenden Mürzer’schen Namen unverändert aufführt, während dieser an deren Stelle Trombi- dium ellipticum und Tromb. orbiculatum setzt. In dem » Systema ant- liatorum« zählt Fasrıcıus die beiden Namen vermuthlich in seinem ge- gründeten Genus Atax auf. Ich war nicht in der Lage, mich hiervon zu überzeugen, da das fragliche Werk weder auf der Bremer Stadt- bibliothek noch auf der »königlichen Universitätsbibliothek « in Göttingen zu haben war.

GC. L. Koca fand Hydrachna elliptica Müll., trotzdem er sich viel mit den Wasseracarinen beschäftigte, er verzeichnet etwa 180

1 WIEGMANN’S Arch. für Naturgeschichte. 4875. Bd. I. p. 304—306. Taf. VI, Fig. 14 a und b.

2 Ibidem. 4875. Bd. I. p. 308. Taf. IX, Fig. 47.

3 Deutschl. Crustaceen etc. Heft 8. Taf. 7 und 8.

* Ibidem. Heft 8. Taf. 9 und 40.

5 Naturgeschichte der Spinnen, nach dessen Handschrift aber zum Druck be- fördert und mit neuen Zusätzen versehen von J. A. C. GorzE. Quedlinburg 4792. Nr. 485 und) 486.

6 Entomologia systematica. Hafniae 1793. Tom. II. p. 405. n. 29 und 30.

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Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 603

Arten! nicht auf. ‘Er glaubte sie freilich in seinem Arrenurus ellipticus? aufgefunden zu haben, von welcher Hydrachnide er jedoch selbst gesteht: »Die Mürer’sche Milbe passt in Hinsicht der Färbung nur halbwegs, wenigstens ist sie mir noch nicht violettfarbig und mit weißen Punkten an den Augen vorgekommen.« Er berichtet ferner über sie: »In der Gestalt mit der vorhergehenden Art übereinkom- mend.« Letztere Milbe ist aber Arrenurus chlorophaeator Koch, von welcher er meint: »Sehr wahrscheinlich das Weib zu der vorhergehen- den Art,« also zu Arrenurus integrator (Müll.), welche Meinung ich durch- aus theile. Ich glaube auch nicht fehl zu gehen, wenn ich Arrenurus ellipticus Koch ebenfalls als das Weibchen zu Arrenurus integrator in Anspruch nehme, denn solch unerhebliche Unterschiede in der Färbung, wie Koch sie zwischen den zwei fraglichen Hydrachniden hervorhebt, habe ich häufig zu beobachten Gelegenheit gehabt. Erst nach einem Verlauf von fast achtzig Jahren nach dem Bekanntwerden von Hy- drachna elliptica Müller wurde wieder über diese berichtet. R. M. Bru- zeLius® traf sie nämlich in Schweden an und gründete für sie mit Fug und Recht das eigne Genus Midea. Er determinirte unser Thierchen als Midea orbiculata (Müll... Nach obiger Ausführung wird es dagegen in Zukunft Midea elliptica (Müll.) zu nennen sein.

Durch den Hydrachnologen C. J. Nzuman in Skara (Schweden) wurde ihr Vorkommen durch zwei Verzeichnisse in Schweden konstatirt?.

B., Beschreibung,

Genus Midea Bruzelius.

Der Körper ist kreisrund bis oval, granulirt, überall mit weitläufig stehenden Borsten besetzt und auf der dorsalen Seite mit dem » Rücken- bogen«5 versehen. Die Palpen sind mäßig lang; ihr viertes Glied ist stark verlängert und dünn. Die Füße erreichen kaum die Körperlänge ; die zwei Hinterpaare zeigen lange Schwimmhaare; jede der beiden Krallen eines Fußes ist an der Basis blattförmig erweitert und mit einem

1 Übersicht des Arachnidensystems. Nürnberg 1837—1850. Heft III. p. 7—36. Taf. I—IV.

2 Deutschlands Crustaceen, Myriapoden und Arachniden,. Nürnberg 1835 bis 4844, Heft 43. Taf. 44.

3 Beskrifning öfver Hydrachnider som förekomma inom Skäne. Lund 1854.: p. 36. tab. III, fig. 5—7.

4 Öfversigt af Kongl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar. 1870, p. 105 bis 440 und 4875, p. A00—A04.

5 Ich adoptire die von C. L. Koca innerhalb der Gattung Arrenurus treffend an- gewandte Bezeichnung,

40*

604 F, Könike,

langen spitzen Haupthaken versehen, der einen kürzern, innern, stumpf endenden Nebenhaken besitzt; das Endglied des dritten Fußpaares beim Männchen hat eine Auszeichnung. Die Epimeren liegen eng zu- sammen; das erste mit einander verwachsene Paar schließt das am Grunde zusammenverschmolzene Maxillenpaar ein; jede freie Maxillar- spitze ist gekniet und besitzt am Knie eine einfache messerförmige, im vordern Drittel plötzlich gebogene Mandibel. Die Epimeren schließen einen großen Genitalhof ein; die Geschlechtsöffnung ist von zahlreichen Geschlechtssaugnäpfen umgeben. Die beiden nahe zusammengerückten Doppelaugen stehen entfernt von einander.

Species Midea elliptica (Müller). a. Mas et Femina.

Der Körper ist kreisrund bis oval, fast halbkuglig und überall einschließlich Füße, Palpen und Epimeren granulirt (Fig. A); die Körperhaut ist daher derb; die dorsale Körperseite zeigt einen großen Rückenbogen (Fig. 1 s), der die Form des Körperumrisses hat und so- mit eine Ellipse bildet. Die Farbe ist meergrün, jedoch sind Füße, Palpen und Epimeren heller, zwischen den Augen bemerkt man einen konstant auftretenden, weit rückwärts verlängerten großen gelblichen Fleck (Fig. 1 m). Die ganze Körperfläche auch die Epimeren sind mit zerstreut stehenden Borsten besetzt; der Rücken zeigt zwei Außen- reihen großer und zwei Innenreihen kleiner mit je vier Haar- papillen; ein Paar auffallend großer Haarwarzen mit langen lateral auf ihnen inserirten Borsten liegt jederseits des hintern Genitalfeldes

(Fig. 2 p); eben so finden sich je zwei rechts und links vom Anus, von

denen die größere diesem am nächsten liegt. Die Palpen sind mäßig lang; die drei ersten Glieder sind kurz; das Basalglied ist schwach, das zweite in seinem vordern Theile, das dritte im hintern stark ; das vierte Glied kennzeichnet sich durch seine außerordentliche Länge und sehr geringe Dicke (Fig. 4 p), das Endglied ist recht kurz und endigt stumpf;

das vierte Glied besitzt auf der Unterseite einen kleinen Zahn!. Die -

Füße sind kaum von Körperlänge und nehmen von vorn nach hinten progressiv an Länge zu (Fig. 1); das vierte Fußpaar ist an der vordern Außenecke der vierten Epimere inserirt; die beiden hintern Fußpaare sind mit langen Schwimmhaaren besetzt (Fig. 1); die sechs Fußglieder differiren hinsichtlich der Länge nicht auffallend, doch ist die Coxa (Grundglied) am kürzesten und der Tarsus (vorletztes Glied) am läng-

1 Dieses Merkmal erkannte ich, nachdem die Thierchen zwei Tage in A5pro- centiger Kalilauge gewesen waren.

esse

Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 605

sten (Fig. 1); jede der beiden gleichen Krallen eines Fußes ist am Grunde blatiförmig erweitert (Fig. 5) und mit einem langen, spitzen, gewundenen Haupthaken bewaffnet (Fig. 5 a), welcher einen innern, kürzern gleich breiten, vorn stumpf gerundeten Nebenhaken besitzt (Fig. 55). Die Epimeren sind dicht zusammengerückt (Fig. 2); die drei vorderen Paare weisen nur eine geringe Breite auf; die vierte Hüftplatte ist am größten, hinten breit, doch abgerundet endigend; bei dem ersten Plattenpaar ist keine Grenzlinie zu erkennen; dasselbe

schließt das bis etwa zur Mitte mit einander verwachsene Maxillenpaar

(Fig. 2 mm) ein; die Maxillarspitzen (das sogenannte Rostrum) sind ge- kniet und tragen am Knie (Fig. 6 a) eine einfache messerförmige Man- dibel, die sich im vordern Drittel plötzlich krümmt (Fig. 6 b). Die Mundöffnung befindet sich an der Stelle, wo die Verwachsung der Maxillen beginnt; vor derselben stehen auf jeder Maxillarspitze zwei kräftige, mehrfach gekrümmte Borsten (Fig. 2). Das sehr große äußere Genitalorgan ist größtentheils von den Coxalplatten eingeschlossen (Fig. 2 g); viele kleine Geschlechtssaugnäpfe auf langer schmaler Platte umgeben die Geschlechtsöffnung. Die zwei großen nahe zusammenge- rückten Doppelaugen stehen nahe am vordern Körperrande entfernt von einander (Fig. 1).

Midea elliptica (Müll.) ist bei Bremen nicht häufig; ebenso ist sie nach O. F. Mürıer in Dänemark selten; in Schweden ist sie dagegen nach GC. J. Neuman allgemein verbreitet 2.

b. Mas.

Der dritte Fuß ist bezüglich verkürzt? und merklich verdickt {Fig. 1 e); das 0,117 mm lange Endglied dieses Fußes zeigt an der innern Seite eine lange Ausbuchtung (Fig. #) und ist in eine nicht un- bedeutende Spitze ausgezogen, welche an ihrem zugerundeten Ende eine Borste trägt (Fig. 4 c); am vordern Ende der Bucht sind auf einer besondern Fläche drei kurze außerordentlich dicke Dornen inserirt (Fig. 4 d), am hintern Ende dagegen zwei ungleiche Krallen, von denen die eine sehr kräftig, die andere schwach ist; die große Kralle ist ein- fach, an der Basis besonders stark und etwas oberhalb derselben plötz-

1 Mir sind bei Bremen nur zwei Fundstellen (ein Graben auf dem Stadt- werder und ein kleiner Wasserkolk hinter der Hakenburg) bekannt geworden. Bei Hamburg traf ich ein Männchen in den sogenannten Lehmkuhlen in Hohe- luft an. -

2 C. J. NeumaAn theilte mir brieflich mit: »Die Art ist hier sehr allgemein. «

3 Vergleiche die später folgende Maß-Tabelle, welche ergiebt, dass der dritte männliche Fuß verhältnismäßig kürzer ist als der entsprechende weibliche.

606 F . Könike,

lich gekrümmt und ihre Spitze sehr lang ausgezogen (Fig. 4 a); die kleine Kralle besitzt in der Nähe der Spitze ein inneres Nebenzähnchen, ist ihrer ganzen Länge nach dünn und weniger gebogen (Fig. 4 b).

Die äußere Fläche des Genitalfeldes hebt sich durch hellere Fär- bung von der Körperhaut ab, ist aber sonst von dieser nicht verschie- den; es finden sich auf ihr kleinere Gruppen Papillen, auf denen Haare eingelenkt sind (Fig. 3 a); nach innen wird der äußere Theil des Ge- schlechtshofes durch eine umgekehrt schlüssellochförmige Chitinleiste begrenzt, welche vorn einen besonders starken Bogen, der nach innen einen kolossalen Chitinzapfen richtet, enthält; an die Chitinleiste setzen sich einwärts die großen Schamlippen an, auf denen vorn sechs bis 0,0444 mm im Durchmesser haltende Genitalsaugnäpfe (Fig. 3 s) und hinten auf saugnapfähnlichen Papillen mit 0,0048 mm Durchmesser viele ziemlich lange Haare stehen. Neben der 0,117 mm langen Genitalspalte ist auf jeder Seite etwa in der Mitte des Geschlechtsfeldes eine Chitin-. klappe eingelenkt (Fig. 3 v); diese Sexualklappen bilden ein mit der Spitze nach außen gerichtetes Dreieck mit langer Grundlinie; die vor- dere Seite desselben ist fast gerade, während die hintere tief einwärts gebogen ist; an der Basis liegen auf jeder Genitalklappe sechs, nur 0,008 mm messende Saugnäpfe (Fig. 3 h); außerdem ist dieselbe unten und oben mit zahlreichen auf kleinen Warzen eingelenkten Haaren, die an der Spitze der Klappen am dichtesten stehen, besetzt.

c. Femina.

Der große ovale Geschlechtshof ist gesäumt von zwei 0,036 mm breiten sichelförmig gebogenen, an den beiden Enden sich nicht be- rührenden Platten, von welchen jede bis dreizehn hinten gedrängt stehende Genitalhaftnäpfe von 0,0128 mm Durchmesser enthalten und zwei sehr breite Schamlippen einschließen.

C. Nachträgliche Bomerkungen.

Der eigentliche Zweck dieser Arbeit besteht darin, das Männchen unserer Species bekannt zu machen, welches meines Wissens bis dato noch nicht beschrieben worden ist. Freilich zweifelt GC. J. Nruman an der richtigen Bestimmung des fraglichen Thierchens, denn als ich ihm meinen Fund zur Kenntnis brachte, schrieb er mir zurück: »Da Sie sagen, dass Sie das männliche Geschlecht zu Midea gefunden haben, so bin ich fast geneigt, daran zu zweifeln, weil es mir niemals gelungen ist, einen äußern Unterschied der beiden Geschlechter zu finden. Die Art ist hier sehr allgemein und ich habe hunderte untersucht; einmal

ee eumemmmme

Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 607

habe ich zwei in Kopulation angetroffen und unter das Mikroskop ge- bracht, aber sie waren einander völlig gleich. Vielleicht ist das von Ihnen angetroffene Thier eine Larve im zweiten Stadium oder eine neue Art.« Anfänglich hielt ich es gleichfalls für eine neue Species, wurde aber von meinem Irrihum im Spätsommer vorigen Jahres befreit, indem ich nämlich eine vortreffliche Arbeit von G. Harrer in Bern! zu Gesicht bekam, in welcher endlich die von PnıLıppı? sehr oberflächlich und un- kenntlich beschriebene Pontarachna punctulum, die einzige marine Hy- drachnide, welche bis auf die Gegenwart bekannt geworden ist, exakt beschrieben und abgebildet wurde. Beim Anblick der die Hıızzr’sche Arbeit begleitenden Gesammtabbildung der Meeresmilbe wollte ich eine gewisse Ähnlichkeit derselben, namentlich hinsichtlich des Genitalfeldes, mit meiner als Midea-Männchen bekannt gemachten Süßwassermilbe erkennen. Hierdurch angeregt wurde das Thierchen für mich der Gegenstand einer eingehenden Beschäftigung, deren Resultat das be- kannt gemachte war. Auf eine Vergleichung desselben mit dem weib- lichen Geschlecht von Midea elliptica (Müll.) führten mich namentlich der große hellgelbe Fleck auf dem Rücken, die meergrüne Farbe und die zwei Paar großen Haarpapillen beiderseits des Genitalhofes. Wenn Neuman meint, das betreffende Thier sei ein Larvenzustand, so darf ich diese Vermuthung als unwesentlich stillschweigend übergehen. Viel wichtiger ist der Umstand, dass er einmal zwei Mideen in Kopulation gesehen und bei der darauf folgenden Untersuchung derselben keinerlei Unterschiede zwischen den angeblichen verschiedenen Geschlechtern gefunden haben will, selbst keine Größendifferenz, wie ich nach seinen oben citirten Worten annehmen muss, und die doch so allgemein bei den unterschiedenen Milbengeschlechtern und ganz besonders bei den Hydrachniden vorhanden ist. Sollte der von Neuman beobachtete Fall auch wirklich eine Kopulation gewesen sein? War es nicht vielmehr ein Spiel- oder Raufakt, der gar nicht selten auch bei verschiedenen Species oder Genera angehörigen Thierchen wahrgenommen werden kann. Falls meine letzte Annahme richtig wäre, so bliebe doch immer noch eins räthselhafl. Nach Neuman ist Midea elliptica (Müll.) in Schweden allgemein verbreitet, und er hat hunderte von Exemplaren untersucht; trotzdem fand er das eigentliche Midea-Männchen nach meiner Meinung nicht. Diesem Umstande stehe ich rathlos gegenüber. Dessenungeachtet zwingt mich das Heer von übereinstimmenden Merk- malen der zwei vorliegenden Thierchen, worüber hauptsächlich die

I WıIEGMAnN’s Archiv für Naturgesch. 1880. Bd. I. p. 355—364. Taf. XVII. 2 Ibidem. 4840. Bd. I. p. 191—193. Taf. IV, Fig. 4 und 5.

608 > F, Könike,

gemeinsame Beschreibung für das Männchen und Weibchen Zeugnis ab- legt, zu der Ansicht ihrer Zusammengehörigkeit. Für dieselbe scheint mir auch noch folgende Maßangaben enthaltende Tabelle? zu plaidiren :

| Männchen Mönchen | Weibchen Weibchen Länge,.des Körpers... Heise 2 see al ira as alt, 648 mm BR nee 0,7 mm Größte Körperbreite. . u .. . na “| 0,549. » 0,6 » Länge des ersten Fußes. . .. 2 2. 2.. | 10,30. 08 0,405 » Länge des zweiten Fußes. nn een 045 » 0,4186 » ange des’dritten Fußes". EN IN 0,4168 » 0,54 » Länge des vierten Fußes . .. .. RERERRTERORC REN TR 5 30)68. a 0,675 » Läangeider; Palpen. }. syscengarekdeiensssren sg ee reife 0,418...» 0,207 » Länge des vierten Palpengliedes . ». . 2. 2 2.2.2.0. 0,072 » 0,09 » Entfernung der Augen 2 0 ee 0,162 » 0,18 » Bange der Maxillen.o oe... RR UND 0,108 » Größte Breite der mit einander verwachsenen Maxillen | 0,054 » 0,063 » Länge des’Genitalfeldes’Jr.t. Ersten a ar ir 210,498 a 0,216 » Größte Breite desGenitalfeldes. .. . » oe east 0,1162 0,17A » Länge der Genitalöffnung .. .... ee een ep 20, AARzı 0D 0,189 » Entfernung des Anus vom Genitalhof . . 2 . 2 0. .[| 0,408 » 0,108 »

Diese Tabelle weist ziffermäßig eine durchaus proportionale Bil- dung homologer Organe der beiden in Rede stehenden Thierchen nach. Freilich ergiebt sich für den dritten Fuß kein gleiches Verhältnis, denn während derjenige des Männchens nur die 1,04fache Länge von dessen zweiten Fuße hat, verhält sich der dritte Fuß des Weibchens zu seinem zweiten Fuße wie 4,144... zu 1. Diese Abweichung kann jedoch nicht auffallen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der dritte Fuß des Männ- chens mehr in der Dicke als in der Länge entwickelt ist und dass außer- dem gerade dieser Fuß es ist, der die geschlechtliche Auszeichnung besitzt. Wenn ferner die Genitalöffnungen hinsichtlich ihrer Länge un- verhältnismäßig differiren, so kann das meines Erachtens auch nicht Wunder nehmen, da die Sexualorgane dieser beiden Geschlechter im Allgemeinen recht auffallende Unterschiede darbieten?.

Wenn ich mir erlaubte, die Midea-Diagnose des R. M. BruzeLivs auszubauen, so sei entschuldigend bemerkt, dass ich durch die Kennt- nis des Männchens in den Stand gesetzt wurde, dieselbe präciser ab-

1 Diese Messungen wurden ausgeführt mit Hilfe des Ocularmikrometers mit 5 mm in 50 Theilen bei dem Objektiv BB und dem dritten Ocular eines Zeıss’schen

Mikroskops. 2 Falls Jemand wünscht, sich von der Zusammengehörigkeit der zwei mich

in dieser Arbeit beschäftigenden Thierchen ad oculos zu überzeugen, dem steht ein Präparat gern zu Dienste.

Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 609

zufassen. Behufs etwaiger Vergleichung möge die Diagnose des BruzE- ıus hier Platz finden:

»Corpus subrotundum, granulatum, margine pilis vel setis raris instructo. Palpi longi, articulo secundo et tertio crassiusculis, quarto longiori, attenuato, quinto parvo, acutiusculo. Pedes longiusculi, duo paria anteriora pilis raris, duo posteriora pilis longissimis,, fasciculatim apicı quarti, quinti et sexti articuli affixis, instructa. Oculi duo di- stanteS. «

Bei der Gattung Midea fällt in manchen Beziehungen eine nahe Verwandtschaft mit dem Genus Arrenurus Dug&s, so wie mit Axona Kramer auf!. C. L. Koch würde vielleicht die Midea elliptica, wenn er sie wirklich aufgefunden hätte, zu dem Geschlecht Arrenurus gestellt haben, was mir Axona versicolor (Müller) beweist 2, welche schon allein wegen des Mangels einer Scherenbildung der Palpen dem fraglichen Genus nicht zugerechnet werden darf. Um die Behauptung der Affini- tät obiger drei Gattungen zu begründen sei hier des ihnen ausschließ- lich eigenen »Rückenbogens« erwähnt, welcher zuweilen aus einer Ellipse, aber meistens aus einem hinten offenen Bogen, besteht und durch weiche Haut gebildet wird und sich hierdurch von der derben, granu- lirten Körperoberfläche deutlich abhebt. Kramer fasst diesen Rücken- bogen als Grenzlinie zwischen einem »Rücken- und Bauchpanzer« auf. Gegen die Auffassung von zwei Panzern wäre am Ende nichts einzu- wenden; dass Kramer aber das Stück der Körperhaut, welches bei einer großen Anzahl Arrenurusspecies nebst der ventralen Körperseite den größten Theil des Rückens bedeckt, Bauchpanzer heißt, das will mir nicht ganz korrekt erscheinen. -

In der obigen Gattungs-Diagnose gab ich an, dass bei Midea das erste Epimerenpaar mit einander verwachsen sei. In diesem Punkte befinde ich mich im Widerspruch mit BruzeLius, der in seiner oben näher signalisirten Monographie auf der dritten Tafel bei Figur 5, welche das Weibchen unserer Midea elliptica (Müll.) darstellt, deutlich eine Naht beim ersten Coxalplattenpaar zeichnet. Ich habe indess eine solche

1 Mit vollem Recht hat P. Kramer für die Hydrachnide unter der ehemaligen Bezeichnung Arrenurus versicolor (Müll.) ein selbständiges Genus gegründet und zwar Axona (WıEGMAnN’s Archiv für Naturgesch. 1875. Bd. I. p. 310). Allerdings that er insofern einen Fehlgriff, als er die eine in Frage kommende Species für neu hielt, indem er sie ihrer herrlichen bläulichgrünen Farbe wegen Axona viridis Kram. taufte.

2 Übersicht des Arachnidensyst. Heft II. p. 24 und Deutschl. Crustac., Myriap. und Arachn. Heft 13. Taf. 46 und 17.

® WıEemann’s Archiv für Naturgesch. 1875. Bd. I. p. 264 und 265.

610 F. Könike,

niemals erkennen können, selbst nicht bei den der Kalimaceration aus- gesetzten Exemplaren.

R. M. BruzeLiıus sagt ferner von den Mandibeln der Midea (p. 36): » Mandiblerna likna fullkomligt dem af Atax.« Eine vollkommene Über- einstimmung trifft indess nur in Bezug auf die Art der Biegung der- selben zu; im Übrigen zeigen sich merkliche Unterschiede. Bei den Mandibeln des Atax crassipes (Müll.) erkenne ich eine deutliche Quer- wellung an der Basis, die ich bei der Midea-Mandibel vermisse. Auch unterscheidet sich jene von dieser dadurch, dass sie scharfspitzig aus- läuft, während die letztere wie aus Figur 5 ersichtlich mehr stumpf endigt.

Aus meiner obigen Beschreibung der Species geht hervor, dass das Midea-Männchen sowobl als das -Weibchen einen großen, gelblich weißen Fleck besitzt, der vorn am Körperrande beginnend sich weit rückwärts erstreckt und sich dadurch vor ähnlichen Flecken bei andern Wassermilben kennzeichnet, dass er hinsichtlich der Größe so wie der Farbe nicht variirt. Ob derselbe durch ein Exkretionsorgan bedingt ist, wage ich nicht zu behaupten. Wahrscheinlich ist das aller- dings. Da die Haut bei Midea elliptica derb und daher weniger durch- scheinend ist, so wird eine Entleerung des betreffenden Organs keine sehr in die Augen fallende Veränderung in der Größe und Färbung des Flecks hervorrufen können. Bei Hydrachniden mit hyaliner Körperhaut wird dagegen bekanntlich eine solche Veränderlichkeit beobachtet. _

Die geschlechtliche Auszeichnung des Midea-Männchens besteht nächst dem eigenthümlichen Genitalhofe in einer Umbildung des End- gliedes am dritten Fuße. Dasselbe besitzt eine Ausbuchtung, wie sie manche Nesaea-Männchen am vierten Gliede des letzten Fußes aufweisen. Außer diesem Ausschnitt des Endgliedes haben die beiden Krallen des- selben eine Veränderung erfahren, welche Thatsache auch bei Männchen anderer Gattungen in ähnlicher Weise zur Erscheinung kommt. Ich er- innere beispielsweise an das Eingangs dieser Arbeit erwähnte Männchen zu Nesaea variabilis Koch, das außer dem Ausschnitt am vierten Gliede des vierten Fußes noch ein verkürztes Endglied am dritten Fußpaare hat, welches nur mit einer einzigen, nicht normal gebildeten Kralle be- waffnet ist. Ebenso besitzt Nesaea nodata (Müll.) ein kolbig verdicktes Endglied am dritten Fuß, das auch nur eine umgebildete Kralle aufweist.

Das Genitalfeld des Midea-Männchens differirt von dem des Weib- chens ganz erheblich. Am frappantesten zeigt sich dies in dem Vor- handensein von Geschlechtsklappen. Etwas Ähnlichem bin ich unter den Hydrachniden im Übrigen noch nicht begegnet. Man fragt sich unwillkürlich, welchem Zwecke die durch eine schöne Form sich aus-

Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. 611

zeichnenden Klappen dienen möchten. Es drängte sich mir Anfangs der Gedanke auf, sie könnten dazu gebraucht werden, die Genitalöffnung zeitweilig zu verschließen, doch wollte mir das nach einiger Überlegung nicht recht einleuchten, indem ich vergebens nach einem vernünftigen Grunde eines solchen Verschlusses suchte. Dass dieselben als Penis fungiren könnten, ist auch nicht wohl denkbar. Am wahrscheinlichsten will es mir wegen der auf den Sexualklappen vorhandenen Haftnäpfe erscheinen, dass jene ein besonders ausgebildeter, bei dem Akt der Begattung eine Rolle spielender Saugapparat sei. Man wird darüber wegen der Schwierigkeit geeigneter Beobachtung so bald nicht ins Klare kommen.

Im Anschluss hieran möchte ich noch auf einen Widerspruch KramER’S mit CLAPArkDE kommen und zwar in Betreff der napfförmigen Gebilde im Genitalhof, die unter den Hydrachniden so sehr verbreitet sind. Dieselben werden von CLAPArRkDE für Saugnäpfe gehalten, gegen welche Auffassung Kramer polemisirt!, indem er sagt, es sei unwahr- scheinlich, dass dieselben im Allgemeinen als Saugnäpfe fungirten, man müsse vielmehr annehmen, dass sie zur Zeit der Begattung in Gebrauch träten, wogegen aber wieder die zu diesem Zweck ungeeignete Anord- nung derselben bei dem Genus Arrenurus spräche. Die Annahme von Saugnäpfen kann durch diese Gattung allein das ist meine Meinung nicht unbedingt widerlegt werden. Bei Arrenurus kann freilich von einem Gebrauch der in Frage stehenden Organe keine Rede sein, denn während bei den Weibchen nur verkümmerte, in der Rückbildung be- beriffene Genitalnäpfe sich vorfinden, sind bei den Männchen solche überhaupt nicht vorhanden. In Beireff dieses Mangels scheint jedoch anderweitig für einen Ersatz gesorgt zu sein, was aus folgender Beob-- achtung erhellt: Am 12. August vorigen Jahres erblickte ich in meinem Hydrachnidengefäß, in welchem ich eine größere Anzahl Wassermilben- arten beisammen habe, zwei Arrenurus-Species, anscheinend in Kopu- lation begriffen. Ich fing das Paar mittels einer Glasröhre und that es unter das Mikroskop, ohne dass die Vereinigung der beiden Thierchen gelöst wurde. Das Männchen machte die größte Anstrengung, eine Trennung zu bewerkstelligen, was ihm jedoch nicht gelang, selbst nicht

_ als ich einen Tropfen Alkohol unter das Deckglas brachte, in Folge

dessen die Bewegungen beider Milben lebhafter wurden. Sie hafteten

mit ‚der ventralen Körperseite durch einen zähflüssigen Schleim an ein-

ander, in welchem Zustande ich sie nun in einem mikroskopischen

Dauerpräparate besitze. Ich vermuthete in dem weißlichen Schleim den

Samen; doch vermochte ich weder Spermatophoren noch Spermatozoen 1 Wıesmann’s Archiv für Naturgesch. 4875. Bd. I. p. 268 und 269.

612 F. Könike, Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius.

zu erkennen. Daher habe ich annehmen zu dürfen geglaubt, dieser Schleim sei bei dem in Betracht kommenden Genus das Anheftungs- mittel bei der Kopulation und zwar der Ersatz für die verkümmerten Sexualsaugnäpfe. Kramer führt an genannter Stelle weiter aus, dass er eine Blase, wie sie CLArArkDE bei den Geschlechtsnäpfen angebe, nicht habe aufzufinden vermögen, und dass eine solche da nicht vorhanden sein könne, »wo gar keine Porenöffnung in dem Napf bemerkbar« sei, wie z. B. bei Limnesia maculata. Auch sei das Heraustreten einer Blase aus den winzigen Löchern, wie die Öffnungen mancher Näpfe, nicht wahrscheinlich. Es bleibe mithin nichts Anderes übrig, als die frag- lichen Gebilde als » besonders gestaltete Porenöffnungen« zu betrachten. In Rücksicht auf diese Reflexionen möchte ich mir erlauben zu fragen, ob es gar so unwahrscheinlich sei, dass aus einem winzigen Loch eine winzige Blase heraustrete, und ob Kranezr diejenigen Näpfe ohne be- merkbare Öffnung auch als » besonders gestaltete Porenöffnungen « an- sehe? Gegen die Kramer’sche Auffassung glaube ich auch mit Recht das Midea-Männchen ins Feld führen zu können. Dasselbe besitzt bekannt- lich auf den Geschlechtsklappen Genitalnäpfe, welche schon aus dem Grunde keine »besonders gestaltete Porenöffnungen« sein können, weil sie sich auf einem Anhangsorgan befinden. Ihre Position spricht meines Erachtens aber nicht für die Unmöglichkeit von Saugnäpfen. Ich kann daher schließlich nicht umhin, meine Übereinstimmung mit E. Crarı- reDeE’s Annahme zum Ausdruck zu bringen.

Bremen, im Februar 1881.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXX,

Fig. 4. Midea elliptica $. e, Dactylus des dritten Fußes; p, das verlängerte vierte Palpenglied; m, Rückenfleck ; s, Rückenbogen (1/70).

Fig. 2. Epimeren, Maxillen und Genitalhof. e, erstes Epimerenpaar ; m, Maxil- len; g, Genitalhof; p, Haarpapillen (1/4135).

Fig. 3. Genitalhof. a, äußerer Genitalhof; v, Geschlechtsklappe; db, Chitin- zapfen; h, Geschlechtssaugnäpfe auf der Genitalklappe; s, Geschlechtssaugnäpfe der Schamlippen (41/240).

Fig. 4. Endglied des dritten Fußes. a, kleine Kralle mit Nebenhäkchen; b, große Kralle; c, Endgliedspitze mit Borste; d, drei Dornen (14/440).

Fig. 5. Normalkralle. a, Haupthaken; db, Nebenhaken (1/750).

Fig. 6. Maxillarspitze. a, Maxillarknie; d, Mandibel (41/750).

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Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees.

Von

F, Könike in Bremen.

Mit Figur 7 auf Tafel XXX.

A. Einleitende Bemerkungen.

Es sind verschiedene Arbeiten des 1878 verstorbenen Professors H. Lesert publicirt worden, welche zum Gegenstande die Wasseraca- rinen der Fauna des Genfer Sees haben, deren Erforschung die Wissen- schaft Herrn Professor F. A. ForeL in erster Linie verdankt. Die erste erschien 1874 und enthielt in sehr ausführlicher Behandlung Campo- gnatha Foreli Lebert 1. In einer in demselben Jahre veröffentlichten Arbeit »Über den Werth und die Bereitung des Chitinskeletes der Arachniden für mikroskopische Studien«? beschrieb Leserr seine von Campognatha Foreli angefertigten vortrefflichen Chitinskelete, welche leider abhanden gekommen zu sein scheinen, denn sie haben sich brieflichen Mittheilungen der Herren Foreı, HaLLer und Neuman zufolge trotz der vielseitigen Be- mühungen dieser Herren, dieselben zu erlangen, nicht auffinden lassen. Weniger eingehend als die Campognatha Foreli behandelte LEsErT seine Campognatha Schnetzleri3. Die Hauptarbeit erschien 1879 mit 19 größten- theils als neu beschriebenen Species *.

Lesert ließ sich allzusehr von der Idee beherrschen, dass die Wassermilben, welche der Lac Leman (Genfer See) in einer solch be- trächtlichen Tiefe von 25—300 m berge, neu seien. Er hat sich in

1! Bulletin de la Soci6te Vaudoise des Sciences naturelles. Vol. X1Il. No. 73. 4874. p. 64—94. pl. Tet I. |

2 Sitzungsberichte der kaiser). Akademie der Wissenschaften in Wien. Bd. 69. Abthlge. I. p. 645—652. Taf. III, Fig. 235—33.

3 Bull. Soc. Vaud. des Scienc, nat. Vol. XV. No. 80. 4878. p. 502—506.

* Bull. Soc. Vaud. Vol. XVI. No. 82. 1879. p. 327—376. pl. X et XI.

5 LEBERT unterscheidet drei Hydrachniden-Faunen im Genfer See: 4) »la faune

614 F, Könike,

Folge dessen wohl über die vorhandene Litteratur hinweggesetzt; man begreift sonst wahrlich nicht, wie es möglich war, dass er längst be- kannte Formen neu benannte.

Der Zweck meines gegenwärtigen Aufsatzes ist der, eine kleine Vor- arbeit zu liefern zu einer nochmaligen gründlichen Bearbeitung der Leserr’schen Wasser-Acarinen , welche von dem eben so tüchtigen als eifrigen Acarinologen Dr. G. Harzer in Bern vorgenommen werden wird. Wenn ich es wage, die Identificirung einiger Hydrachniden LeBeErr's zu versuchen, so stütze ich mich vornehmlich auf den Besitz eines reich- haltigen Vergleichsmaterials.. Meine Hydrachniden-Kollektion umfasst nahezu 60 Arten, welche Zahl vermuthlich reichlich die Hälfte der euro- päischen Species ausmacht. G.L. Kocn! zählt freilich mehr als 180 Arten auf, die jedoch auf etwa !/; zusammenschmelzen dürften, da er in zahlreichen Fällen nachweisbar Jugendformen beschrieb und auch auf die von innern Organen herrührenden und desshalb außerordentlich variablen Fleckenzeichnungen zu sehr Gewicht legte. Koch sammelte recht eifrig und vielseitig in Baiern, also im Gebirgslande, während sich mein Sammlungsgebiet hauptsächlich auf die weitere Umgebung Bremens, also auf das Tiefland beschränkte ?. Trotzdem bieten sich keine nennens- werthen Unterschiede in den beiderseitigen Species. Vielmehr besitze ich alle charakteristischen Arten Kocn's. Desshalb habe ich annehmen zu müssen geglaubt, dass die Gebirgsteiche und Seen nichts Wesent- liches vor denen des Flachlandes voraushaben und dass ferner die geo- graphische Verbreitung bei den Wassermilben keine erhebliche Rolle spiele. Ich werde in dieser meiner Ansicht bestärkt durch eine brief- liche Notiz des schwedischen Hydrachnologen Herrn €. J. Neunan in Skara, der mir auf die Äußerung jener Ansicht erwiederte: » Auch hier stimmt die Gebirgsfauna so ziemlich mit der der Ebene überein.«

An dieser Stelle möchte ich noch auf einige allgemeine Punkte ein- gehen, in denen Leserr ältern Autoren gegensätzlich gegenüber steht. Leserr sieht die Epimeren (Hüftplatten) als Fußglieder an®. Ich möchte mich durchaus zu Gunsten der Ansicht des exakten Forschers Professor E. CLAPARkDE aussprechen, der die Epimeren als nicht zu den Füßen gehörig und letztere als sechsgliedrig betrachtet. Die Palpen fasst LesErT

littorale« (Seeoberfläche bis zu einer Tiefe von 8 m), 2) »la faune profonde« (Tiefe von 20—300 m) und 3) »la faune parasite«.

1 Übersicht des Arachniden-Systems. Nürnberg 1842. p. 1—36. Taf. I—IV.

2 Ich fischte auch auf dem Elm, einem 1008’ hohen nördlichen Ausläufer des Harzes, in mehreren Teichen, fand indess keine mir unbekannte Species.

3 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. No. 72. p. 88.

* Diese Zeitschrift. Bd. XVII. 1868. p. 461.

Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 615

als sechsgliedrig auf!. Ich schlage jedoch vor, an der Auffassung der Fünfgliedrigkeit derselben festzuhalten, indem meine Meinung dahin geht, dass Leserr’s Palpenbasalglied ein Theil der sogenannten Unterlippe (der mit einander verwachsenen Maxillen) sei. Das fragliche Glied ist eben so wenig zu den Palpen zu rechnen als die Epimeren zu den Füßen.

In Bezug auf die Anzahl der Augen bei den Wassermilben spricht LEBERT2 seine Übereinstimmung mit CLAPartpE® und MengE* aus, dass nämlich jene Thierchen vier Augen besitzen. CLaPArkDeE erwähnt bei Atax Bonzi Clap.5 zwei Doppelaugen mit je zwei Linsen. G.L. Kocn® dagegen schreibt seinen Hygrobatiden, welcher Familie auch das Genus Atax an- gehört, nur zwei Augen zu. Diese Meinungsdifferenz rührt daher, dass bei den meisten Wassermilben die vier Augen gruppenweise zu je zweien nahe an einander rücken, wodurch somit die zwei als eins erscheinen. Ich theile selbstverständlich die Auffassung der drei ersteren Autoren’.

LeBerT erzählt®, dass ForeL im Konstanzer See eine Schlacke ge- funden habe, bei welcher in einer Höhlung eine Gruppe von 15 Hydrach- niden dicht bei einander gewesen sei. Er fügt dann hinzu: »Se parta- geaient-elles la une proie, ou bien &taient-elles immobiles au repos dans ce reduit, c’est ce quw'il n’etait pas possible d’elueider.« Nach meinen Erfahrungen muss das Erstere der Fall gewesen sein. Ich habe nämlich wiederholt gesehen, dass mehrere Wassermilben an einem Thierchen zehrten. In einem Falle beobachtete ich, dass Nesaea nodata (Müller) eine Daphnide anfiel und tödtete, worauf sich eine ganze Gesellschaft Milben, Gyclopiden und Cypriden zum Schmause einstellte. Ein anderes Mal bemerkte ich, dass eine Menge kleinerer Hydrachniden mit vereinten Kräften eine bei weitem größere Eylais extendens (Müller) überwältigte und verzehrte. Niemals hatte ich aber Gelegenheit zu beobachten, dass viele Wassermilben müßig und in dumpfer Beschaulichkeit bei einander

1 Bull. Soc. Vaud. Vol. XII. p. 71ff. und p. 8%,

2 Ibidem. p. 68ff. und p. 9.

3 Diese Zeitschrift. Bd. XVII. p. 468.

* Professor MEneE in Danzig war LEBERT bei dem Studium der Campognatha Foreli Lebert behilflich.

5 CLAPAREDE Spricht freilich die Ansicht nicht direkt aus, als hätten die Wasser- Acarinen vier Augen; indem er aber zwei Doppelaugen bei Atax annimmt, bei wei- cher Gattung Koca nur zwei Augen erkannt haben will, entscheidet sich jener Autor für die Vieräugigkeit der in Rede stehenden Thiere.

6 Übers. des Arachnidensystems. Heft III. p. 7.

7 O. F. MüLter giebt bei seiner Hydrachna umbrata (Hydrachnae, quas in aquis Daniae palustribus. Lipsiae A784. p. 82) sechs Augen an. Diese Beobachtung be- ruht jedoch auf einer Täuschung, die bei der Unvollkommenheit der Instrumente

des vorigen Jahrhunderts durchaus erklärlich ist. 8 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 64.

616 F. Könike,

saßen. Das liegt eben nicht im Wesen der Raubthiere, und mit solchen hat man’s doch bekanntlich in den Hydrachniden zu thun.

B. Specieller Theil.

1. CGampognatha Foreli Lebert. Fundort: »faune profonde.«.

F. A. Forer führt diese Species in seinen » Faunistischen Studien in den Süßwasserseen der Schweiz «1 unter dem Namen Lemania Foreli Lebert auf und giebt zur Aufklärung dieses Umstandes bald darauf, bei Gelegenheit der Veröffentlichung der zweiten Hydrachniden- Arbeit Lerert’s?2 die Notiz, die Namenänderung, die Folge eines Irrthums Lesert’s, der den anfänglichen Gattungsnamen in einer andern Thier- klasse vergeben wähnte, was nicht der Fall gewesen, sei zu redressiren und die Bezeichnung Ehmpeguntbs beizubehalten.

C. L. Kocn’s inkorrekte Bezeichnung » Rückenstigmen« scheint in erster Linie die Schuld daran zu tragen, dass Leserr nicht im Stande war, das Thier, oder richtiger die unter obigem Namen beschriebenen Thiere, in eine der bestehenden Genera unterzubringen. Kocn bezeich- nete mit jenem Namen die auf dem Rücken der Wasseracarinen befind- lichen Haarwarzen, auf denen er die Haare oder Borsten nicht erkannte. LEBErT dagegen glaubte, jener Autor belege mit dem fraglichen Namen die Geschlechtshaftnäpfe um die Genitalöffnung, was außer einigen an- dern Stellen besonders deutlich aus folgenden Worten hervorgeht: »les stigmates dorsaux de Koch seraient &loignes les uns des autres, tandis que nous les trouvons tres rapproch6s et ventraux au milieu PER de l’abdomen «3.

Leserr folgt darin der falschen Auffassung CrarırkDe’s, der sich in seiner musterhaften Arbeit »Studien an Acariden« folgendermaßen äußert: »Die Saugnäpfe nennt er« (Kocn) »Rückenstigmen, eine jedenfalls irrige Benennung nicht nur bezüglich der Funktion, sondern auch in Betrefi der Lagerung.«

P. Kramer urtheilt in seiner Arbeit » Neue Acariden « über Campo- gnatha Foreli Lebert wie folgt: »Ein Blick auf die ihm beigegebenen Tafeln I und II genügt, um zweierlei sofort klar zu machen, nämlich dass völlig verschiedene Thiere unter demselben Artnamen beschrieben sind, man vergleiche Fig. 4 und 5, Tafel I und dass diejenige Art, welche wahrscheinlich das Hauptmaterial abgegeben hat, und zu welcher

1 Diese Zeitschrift. Bd. XXX. Suppl. 1878. p. 386.

2 Bull. Soc. Vaud. Vol. XV. No. 80. 1878. p. 502. 3 Ibidem. Vol. XIII. No. 72. 1874. p. 92. * DieseZeitschr. Bd. XVII. p. 447.

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die beigegebene Tafel II sehr deutliche Abbildungen bringt, eine echte Limnesia ist. Es ist, was den ersten Punkt betrifft, möglich, dass durch die etwa misslungenen Zeichnungen des vierten Fußpaares in den Figu- ren 2, 3, A, 6 der ersten beigegebenen Tafel das charakteristische Kenn- zeichen der Gattung Limnesia verwischt ist, die bekanntlich an diesem Fußpaare keine Krallen oder höchstens nur winzige Andeutungen davon hat, wie sie LEBERT auch weiterhin angiebt. Sollten diese Figuren aber treu sein, so gehören sie, wie gesagt, nicht zu demselben Thier wie Abbil- dung 5, wozu auch die ziemlich merkliche Verschiedenheit in der Größe und Anordnung der Saugnäpfe zwischen beiden Arten von Abbildungen stimmt!.« Kramer glaubt in den durch die Figuren 4 und 5 der ersten Tafel dargestellten Thieren verschiedene Species erblicken zu müssen. Die Richtigkeit dieser Ansicht ist durchaus nicht ausgeschlossen. Doch sollte Kramer auch bedacht haben, dass Figur 4 nach einem Chitinskelet angefertigt worden ist, welches bei der Kali-Maceration vom vierten Fuß auf der rechten Seite zwei und auf der linken Seite sogar fünf Endglie- der verloren hat! Die letziern sieht man vorn transversal in der Figur liegen. Figur 4 stellt somit auch aufs bestimmteste eine Limnesia dar, und zwar geben die beiden Abbildungen 4 und 5 meines Erachtens die zwei Geschlechter derselben Species wieder. In Bezug auf die Figuren 2, 3 und 6 vermuthet Kramer nach meiner Überzeugung richtig, dass dieselben einer anderen Art angehören als Fig. 5. Jene drei Abbildungen stellen, so weit ich recht urtheile, eine und dieselbe Species dar und zwar Hygrobates longipalpis Hermann ?. Mit diesem Urtheil stehe ich keineswegs allein; vielmehr ist G. J. Neuman zu demselben Resultat ge- kommen. Derselbe theilte mir in einem Briefe, datirt vom 40. Januar dieses Jahres, Folgendes mit: »Ich habe aus der Schweiz von Professor

1 WıEeMmAnN’S Archiv für Naturgesch. 1879. Bd. I. p. 7 und 8.

2 Es ist nothwendig, dass ich hier einige synonymische Bemerkungen einschalte. Ich glaube nämlich in der Hydrarachna longipalpis Hermann (M&emoire apterologique, par J. F. Hermann, publie par F. L. Hermann. Strasbourg 1804. p. 55. pl. II, fig. A et pl. IX, fig. P) die Hygrobates rotundatus Koch (Deutschlands Crustaceen, Myria- poden und Arachniden. Heft X. Fig. 45 und 46) mit für mich absoluter Gewissheit wieder erkannt zu haben. Die letztere wurde durch R. M. Bruzeuiıvus (Beskrifning öfver Hydrachnider som förekomma inom Skäne. Lund 4854. p. 37—39. tab. IV,

| Be, 4) ziemlich gut beschrieben und abgebildet (die Lagerung der Genitalsaugnäpfe

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giebt freilich die Abbildung falsch wieder; dieselben liegen nicht hinter einander, sondern in Dreiecksform, so dass die zwei letzten sich neben einander befinden).

ı Auf die oben bezeichnete Identität führte mich hauptsächlich die abgebildete Palpe ‚, auf planche IX, fig. P bei Hermann, welche zu meinem Erstaunen sogar den Zahn

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unterseits am vordern Rande des zweiten Tastergliedes zeigt. Dieses zuverlässige , Merkmal gabP. Kramer Veranlassung, unsere Species Nesaea dentataKram. zu heißen

(WiIEGMAnN’S Archiv für Naturgeschichte. 4875. Bd. I. p. 304. Taf, VII, Fig. 13). Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. |

618 F, Könike,

Forer Campognatha Foreli lebendig erhalten und sie mehrere Wochen aufbewahrt. Dieses eben hat mich in Stand gesetzt zu konstatiren, dass dieses Geschlecht kein neues ist, sondern Hygrobates!.« Von Fig. 6 der ersten Tafel sagt Leserr: »La coloration ainsi que tout l’'habitus de notre hydrachnide se trouve represente dans la fig. 62.« Diese Abbildung nebst den Figuren 3 und 6 B ist es in erster Linie gewesen, die mich auf die oben bezeichnete Identität führte. Figur 6 giebt die Gestalt (fast kreisrund) von Hygrobates longipalpis Herm., so wie auch deren Färbung und die spärliche Behaarung der Füße (eigentliche Schwimmhaare fehlen fast gänzlich) vortrefflich wieder. Figur 3 zeigt die ventrale Körperseite und die Gestalt und Lagerung der Epimeren, die keine Abweichungen von denen der Hygr. longipalpis bieten. Leider zeigt die letztgenannte Abbildung das Genitalfeld nicht, was ich mir dahin erkläre, dass dieselbe nach einem die Kalimaceration bestandenen Exemplar angefertigt wurde. Ich empfinde das Fehlen desselben um so schmerzlicher, als es mir nicht vergönnt war, Tafel II, welche nach der Erklärung derselben zu ur- theilen äußerst interessant und instruktiv ist, zu Gesicht zu be- kommen, weil dieselbe in dem mir zu Gebote stehenden Bande des Bulletin de la Societe Vaudoise fehlt. Fig. 6 B auf Tafel I stellt eine von Professor MEnGE gezeichnete Palpe dar, die wegen des Mangels eines charakteristischen senkrecht zur Längsachse stehenden Zapfens am zwei- ten Palpengliede nicht einer Limnesia angehören kann. Dieselbe giebt im Gegentheil in trefflicher Ausführung eine Hygrobates-Palpe wieder, die sich durch das Vorhandensein eines mit Zähnchen besetzten Höckers an der vordern Kante des untern zweiten Tastergliedes auszeichnet; das dritte Glied ist unterseits ebenfalls gezähnelt.

Interessant wäre es, sich mit Bestimmtheit sagen zu können, um welche Limnesia es sich handle, die in Gemeinschaft mit Hygr. longipal- pis als Campognatha Foreli beschrieben ist. Limnesia maculata (Müller)

1 Da die Berechtigung des Genus Hygrobates von P. Kramer negirt worden ist, so möchte ich mich an dieser Stelle auf meine speciellen Gründe werde ich näch- stens zurückkommen für dessen Beibehaltung erklären, indem ich mich vor der Hand auf einen Ausspruch desselben Autors berufe, den man in seiner Arbeit »Bei- trag zur Naturgeschichte der Hydrachniden« (WıEs=. Archiv f. Naturgesch. 1875. Bd. I. p. 324) findet: »Andere, wie Limnesia, Nesaea und Hygrobates sind durch M.R. BruzeLius’ Arbeiten in den Bereich genauer Bestimmung gerückt und müssen beibehalten werden.« In derselben Monographie KrAmer's liest man wenige Seiten später (p. 328) auffallenderweise eine Stelle, welche zu jener konträr steht: »Das Genus Hygrobates Koch wird wohl kaum von Nesaea zu trennen sein.« Auf diese Notiz und die weitere Ausführung beruft sich KrAMER in seinen »Grundzügen zur

2 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 68.

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Systematik der Milben« (Wien. Archiv f. Naturgesch. 1877. Bd. I. p. 238). |

Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 619

undL.histrionica (Hermann) können allein wegen der hochrothen Körper- farbe nicht in Betracht kommen. Von den mir bekannten Species dieser Gattung fällt mein Augenmerk hauptsächlich aufLimnesia calcarea (Müll.)!. Ich bin indess zu meinem Bedauern nicht in der Lage, das betreffende Thierchen in natura mit Leserr’s Beschreibung und Abbildung zu ver- gleichen, da ich die Hydrachnide, welche man im Frühjahr bei Bremen häufig antrifit, gegenwärtig nicht im Besitz habe. Ich muss es daher

_ bei einer Vermuthung, deren Richtigkeit jedoch viel für sich hat, be-

wenden lassen.

Dem Sachkundigen wird sich gewiss die nahe liegende Frage auf- drängen, wie es komme, dass LEesERT zwei so sehr von einander ab- weichende Formen als eine Species angesehen habe. Man bedenke indess, dass Lesert kein Hydrachnologe in der Campognatha Foreli die erste Hydrachnide sah. Er glaubte irrthümlicherweise bei manchen Organen und Merkmalen die Beobachtung gemacht zu haben, dass sel- bige höchst variabel seien, was man aus Folgendem zur Genüge ersieht: »Nous voyons en outre, de plus en plus, que des caracteres en apparence d’importance majeure, tels que la coloration, le dessin, les articles termi- naux des jambes le nombre des plaques fixatrices de l’aire genitale, ont une assez grande latitude de variabilite, pour que l’on ne doive pas trop se presser de multiplier les especes?.« Auf die Färbung glaubte L£BErr, indem er hierin auch CLaParkpe folgte, durchaus kein Gewicht legen zu dürfen. Es ist freilich wahr, dass sich bei manchen Arten in dieser Be- ziehung ein auffallendes Variiren bemerkbar macht, doch nicht in dem Umfange wie Leserr anfänglich voraussetzte. Bei weitaus den meisten Species ist die Farbe konstant, so dass sie auch Berücksichtigung finden darf und muss. Mit »le dessin« meint LEBERT, was ich annehmen darf, vorzugsweise die Rückenflecke, bei welchen die Behauptung einer »grande latitude de variabilit@ « allerdings fast absolut zutrifft. Freilich giebt es auch in dieser Beziehung Ausnahmen, z. B. bei Midea elliptica (Müll.), welche einen großen weißlichen konstanten Fleck, der sich weit rück-

1 O0.F. MüLter, Hydrachnae quas in aquis Daniae palustribus. Lipsiae 1781. p. 78. tab. 44, fig. 5. 2 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 89 et 90.

3 Wäre beispielsweise Krauer der Ansicht, dass die Farbe keine Berücksichtigung verdiene, nicht allzusehr zugeneigt gewesen, so hätte es ihm wahrlich nicht schwer fallen können, seinen Arrenurus tricuspidator, von welchem er berichtet (Wızenm. Arch. f. Naturgesch. 4875. Bd. I. p. 318. Taf. IX, Fig. 24 a—c): »Allerdings ist die Farbe nicht übereinstimmend mit der von M. R. Bruzeuius beobachteten. Vielmehr ist sie dunkelgrün, wie bei allen hier beobachteten Arrenurus-Arten« richtig als Arrenurus maculator (Müller) zu determiniren, welcher sich durch seinen langen und massigen Körperanhang vor allen andern und ganz besonders vor Arr. tricus- pidator (Müller) merklich auszeichnet.

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620 F. Könike,

wärts erstreckt, besitzt!. Was die »articles terminaux des jambes« an- langt, so setze ich voraus, dass Lesert dabei namentlich die Bewaffnung der Füße, also die Krallen, im Sinn hat. Wenn das der Fall ist, so ent- wickelt er ebenso in diesem Punkte eine irrige Ansicht, denn nur inner- halb des Genus Limnesia ist das pfriemenartige Endglied des vierten Fußes ohne deutliche Krallen. Es ist bei den Wassermilben ganz all- gemein eine unverkennbare Stabilität in der Krallenbildung zu beob- achten. Mit der großen Veränderlichkeit in der »nombre des plaques fixatrices de l’aire genitale« hat Leserr bis zu einer gewissen Grenze Recht. Denn sind Sexualhaftnäpfe in großer Anzahl vertreten, so ist letztere innerhalb derselben Species nicht immer gleich. Übersteigt aber ihre Zahl nicht 12, so ist diese ausnahmslos konstant?. Ich verweise bei diesem Punkte auf eine bezügliche unantastbare Stelle GLArArkDe’s, welche er in den erwähnten »Studien an Acariden« ausspricht®. Der Lage des Genitalfeldes legte Leserr ebenfalls keinen Werth bei, was aus folgender Äußerung zu ersehen ist: »Les deux hanches triangulaires divergent en bas et en dehors et montrent dans un intervalle l’aire geni- tale ou l’organe qui renferme les plaques fixatrices, et entre elles au milieu, l’ouverture genitale; quelquefois on trouve cet organe plus bas, mais jamais aussi en arriere que ÜLAPAREDE l’indique et le figure pour l’Atax Während bei Limnesia der Geschlechtshof durch die drei- eckigen vierten Epimeren von drei Seiten eingeschlossen wird, liegt der- selbe bei Hygrobates longipalpis Koch in bedeutender Entfernung von ihnen. Außer diesem Unterschiede in den Geschlechtstheilen jener bei- den Wassermilben findet sich noch der, dass bei Limnesia jederseits der Genitalöffnung drei Geschlechtshaftnäpfe hinter einander gelagert sind, während dieselben in gleicher Anzahl bei Hygr. longipalpis so liegen, dass die zwei hintern sich neben einander befinden. LesErr erkennt somit auch die Lagerung dieser in Rede stehenden Sexualgebilde nicht als Artmerkmal an.

Bei den Chitinskeleten von Limnesia will Legerr den vierten Fuß als achtgliedrig erkannt haben 5, während nach der Beobachtung der ältern Autoren die Füße der Wassermilben nur sechs Glieder zählen. Rechnet man von den acht Legerr'schen Fußgliedern eins, nämlich die Epimere, zurück, so bleibt immer noch eins zu viel. Um mir über

1 Ob dieser Fleck von dem Exkretionsorgan herrührt, vermag ich nicht zu ent- scheiden.

2 Bei Atax crassipes (Müll.) sind noch nie mehr nie weniger als 412 Geschlechts- saugnäpfe jederseits der Genitalöffnung beobachtet worden.

3 Diese Zeitschrift. Bd. XVII. p. 447.

4 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 86. 5 Ibidem. p. 88.

Revision von H, Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 621

diesen Widerspruch Klarheit zu verschaffen, ließ ich Limnesia nigra Kramer!, welehe der in dieser Arbeit bereits erwähnten Limn. calcarea (Müll.) außerordentlich ähnelt, die Kali-Maceration bestehen. Ich er- kannte darauf das Thier so, wie die Figuren 4 und 5 der ersten LEBERT- sehen Tafel es zeigen. Ohne große Mühe überzeugte ich mich, dass LeBerT geirrt hat. Ein flüchtiger Blick lässt allerdings eine scheinbare, winzige Coxa am hintern Winkel der letzten Hüftplatte erkennen. Bei genauerer Einstellung der Mikrometerschraube entpuppt sich aber dieses Fußglied als die Insertionsstelle des Fußes.

Professor Forer behauptet, dass die Hydrachniden der »faune pro- fonde« nicht schwimmen könnten? Im Gegensatz dazu äußert sich Leserr folgendermaßen: »J’ai remarqu& quelles s’abstenaient de nager, lorsqu’elles pouvaient marcher aisement °.«

Durch diesen Satz wird Hygrobates longipalpis Koch hinsichtlich ihrer Fortbewegungsweise vortrefflich charakterisirt. Obgleich sie im Stande ist, sich schwimmend ziemlich schnell fortzubewegen, so wird ihr doch das Schwimmen wegen des Mangels an langen Schwimmborsten recht beschwerlich fallen. Ihr Gang ist meistens langsam und schleppend, doch marschirt sie zeitweise auch recht schnell.

II. Gampognatha Schnetzleri H. Lebert‘. Fundort: »la faune profonde «.

Diese Artzu identificiren bin ich außerStande. Einzelne von ihrem Au- tor signalisirteMerkmale sind mit denen der Hygrobates longipalpis (Herm.) übereinstimmend, beispielsweise die Lage der drei jederseits der Genital- öffnung liegenden Geschlechtssaugnäpfe in Dreiecksform (p. 503), welche mir außer bei Hygr. longipalpis nur noch bei Nesaea lutescens (Herm.)5

1.WıEen. Arch. f. Naturgesch. 1879. Bd. I. p. 9.

2 Bull. Soc. Vaud. Vol. XIII. p. 63. 3 Ibidem. p. 64.

4 Diese so wie alle folgenden Species findet man beschrieben in: Bull. Soc. Vaud. des Se. nat. 4879. No. 82. p. 330—377. pl. Xet XI. Es wird sich die Angabe der in meinem Text bezeichneten Seiten und Figuren auf diese soeben signalisirte Ar- beit von LEBERT beziehen.

5 Ich glaubte einige synonymische Notizen zu dieser, Species geben zu müssen. Sie wurde unter der Bezeichnung Hydrarachna lutescens von J. F. HErMAnn (Mem. apter. p. 57. pl. VI, fig. 7) unzureichend beschrieben aber gut abgebildet, so dass es Duszs (Ann. scienc. tom.I. 2ser. 1834. p. 146 et 447) meines Erachtens gelang, sie wieder zu erkennen; letzterer stellte sie zu dem von FaAsrıcıus geschaffenen und von ihm in engere Grenzen eingeschlossenen Genus Atax. C. L. Kocn (Deutschlands Crust., Myriap. und Arachn. Heft 37. Fig. 43) wies derselben einen Platz in seiner Gattung Hygrobates an, während P. Kramer (Wiesn. Archiv für Naturgesch. 1875. Bd. I. p. 302. Taf. VIII, Fig. 40) sie in dem ihr angemessenen Geschlecht Nesaea unterbrachte, freilich unter neuem Artnamen; er nannte sie Nesaea trinotata Kram.

622 F. Könike,

und Nesaea tripunctata Kramer! bekannt ist. Die meisten L£sErr’schen Angaben passen indess nicht auf Hygr. longipalpis. Man scheint es viel- mehr mit einer charakteristischen Species zu thun zu haben, welche aber wegen der Gestalt der Epimeren und der Position des Genitalhofs sich nicht im zuständigen Genus befindet. In Betrefl dieser beiden Punkte kongruirt sie mit der Gattung Limnesia, der sie indess wegen des Mangels eines senkrecht zur Längsachse stehenden Höckers am zweiten Palpen- gliede nicht angehören kann.

II. Hygrobates nigro-maculatus H. Lebert.

Wegen der »absence de dent au article« (p. 343) der Palpen dem zweiten Gliede der übrigen Autoren hat man es in dieser LEBERT- schen Species nicht mit einer Limnesia zu thun, was die »6 disques, 3 de chaque cote de la fente genitale« vermuthen lassen könnten. Sämmiliche von Lesert angegebenen Merkmale passen vielmehr auf Hygrobates und zwar auf Hygr. longipalpis, die er in einem großen Exemplar vor Augen gehabt zu haben scheint. Man vermisst in der Diagnose nur die Beschreibung der Epimeren, um seiner Sache absolut gewiss sein zu können.

IV. Limnesia variegata Lebert. V. Limnesia tricolor Leber. | VI. Limnesia tessellata Lebert. VI. Limnesia triangularis Lebert. VII. Limnesia crassidiformis Lebert.

Fundort sämmtlicher Limnesia-Arten : »la faune littorale «.

Ich bin fast geneigt, mich vorläufig eines Urtheils darüber , in. wie weit diese Legerr’schen Limnesia-Arten berechtigt seien, , zu enthalten, kann aber nicht umhin, meine Meinung dahin auszusprechen, dass es mir gewagt erscheint, neue Limnesia-Species zu machen, da alle bis jetzt bekannt gewordenen Arten einander so sehr ähneln. Als gute Formen betrachte ich Limnesia maculata (Müll.), I. histrionica (Herm.) und L. calcarea (Müll.), während ich alle andern bekannt gemachten als Syno- nyme, resp. als Varietäten derselben ansehen möchte. Limnesia undu- lata Kramer? kennzeichnet sich allerdings im Gegensatz zu den obigen drei Arten durch nur zwei Genitalsaugnäpfe jederseits der Geschlechts- öffnung, indess bleibt bei derselben noch festzustellen, ob sie nicht etwa ein Jugendzustand sei; mir ist es wenigstens trotz der größten Be- mühungen niemals gelungen, bei ihr die Geschlechter zu unterscheiden,

Zu Limnesia calcarea (Müll.) stelle ich Limnesia undulata (Müll.) in Übereinstimmung mit C. L. Kocu als Synonym. Dieser Autor sagt in

1 Wiıeem. Arch. f. Naturgesch. 4875. Bd. I. p. 302—304. Taf. VII, Fig. 12. 2 Ibidem. Bd. I. p. 312 u. 313. Taf. IX, Fig. 20.

Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 623

der Beschreibung der Limn. undulata (Müll.): »Sehr wahrscheinlich ge- hören Hydr. fuscata und Hydr. calcarea Müller als Abarten hierher !. In Bezug auf die Hydr. fuscata möchte ich abweichender Meinung sein: ich halte dieselbe für eine Jugendform zu Limnesia maculata (Müll.). Ich bin geneigt, auch Limnesia nigra Kramer? für identisch mit Limn. cal- carea zu halten und zwar sehe ich sie als ein kleines Individuum, resp. als eine Jugendform im fünften Stadium nach CrarArkpe an. Auch ist meiner Ansicht zufolge Limn. pardina®, welche durch die Güte ihres Autors, des Herrn C. J. Nruman, in meinen Besitz gelangte, mit L. cal- carea synonym. Zu meinem Leidwesen habe ich aus den bereits an einer andern Stelle angeführten Gründen eine Vergleichung mit der von mir als Limn. calcarea (Müll.) bestimmten Wassermilbe nicht vornehmen können.

Falls überhaupt nur eine gute Art unter den fünf Limnesia-Arten LEBERT's sein sollte, so käme dieserhalb Limn. tricolor in Frage. In Be- treff der vier andern erscheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass die- selben sämmitlich mit Limn. calcarea (Müll.) identisch seien.

IX. Neumania nigra H. Lebert.

Furdort: »la faune littorale «.

Figur 5 auf Tafel X das Genitalfeld dieser Wassermilbe dar- stellend gab mir die erste Veranlassung, obige Species mit Atax spinipes (Müller) zu vergleichen, welche Vergleichung das Ergebnis hatte, dass ich die beiden für identisch halte. In dieser Ansicht be- stärkten mich ganz besonders folgende Angaben Leserr's (p. 358):

1) »Les quatre paires de pattes sont terminees par des crochets, en forme de demi-lune, epais a la base, sans dentis. «

2) »Le membre est fort, surtout dans les premiers articles; il est couvert de soies natatoires fortes, assez longues, courtes en haut.«

3) »Les poils des pattes, courts et forts, sont garnis de petits poils secondaires, surtout ä l’extremite. «

Was die mondsichelförmigen Krallen ohne Nebenhaken anlangt, so sind mir solche nur innerhalb des Genus Atax bekannt geworden und wiederum nur bei der einen Species Atax spinipes (Müll.). Die Krallen _ von Atax crassipes (Müll.) und At. Bonzi Glaparede besitzen einen äuße- ren winzigen Nebenhaken, während sich diejenigen des Atax ypsilo- phorus (Bonz) durch einen innern, dem Haupthaken in der Größe nicht

! Deutschl. Crust., Myriap. u. Arachn. Heft 6. Fig. 14. | 2 Wızem. Archiv f. Naturgesch. 4879. Bd. I. p. 9. Taf. I, Fig. 3. 3 Öfversigt af Kongl. Vetenskaps Akademiens Verhandlingar. 4874. p. 409.

624 F. Könike,

nachstehenden Nebenhaken kennzeichnet!. Das zweite Citat aus LEBERT’S Beschreibung bezieht sich auf den Vorderfuß, welcher durch die Dicke seiner Grundglieder sowohl als auch durch die auf stark entwickelten Haarpapillen inserirten Borsten charakteristisch ist. Die dritte LEBERT- sche Bemerkung erwähnt gefiederte Borsten, welche ich bis jetzt nur bei Atax spinipes gesehen habe. -

Meines Erachtens muss somit sowohl Leserr’s Gattung als auch die Art fallen?.

X. Neumania alba H. Lebert.

Fundort: »la faune littorale«.

Leserr’s Beschreibung dieser Species ist allzu dürftig, als dass man im Stande wäre, ein positives Urtheil über deren etwaige Berechtigung zu fällen. Die Beschaffenheit der Krallen spricht dafür, dass man's nochmals mit Atax spinipes (Müll.) zu thun habe: »elles sont toutes quatre terminees par des crochets a une dent, passablement recourbes« (p. 360). Trifft diese Vermuthung zu, so hatte Lrgerr zweifelsohne eine ziemlich ausgewachsene Jugendform, das fünfte Stadium ÜLArARkDE'S vor sich.

XI. Arrenurus tuberculatus H. Lebert.

Fundort: »la faune littorale «.

Der Beschreibung dieser Art sind freilich Abbildungen beigegeben worden, dennoch fühle ich mich außer Stande, dieselbe zu identificiren, weil wir’s in ihr mit einem Arrenurus-Weibchen zu thun haben. Es ist

1 Vgl. diese Zeitschr. Bd. XVII. Taf. XXXII, Fig. 8—10 u. Taf. XXX, Fig. 10.

2 Es möge hier noch eine synonymische Notiz Platz finden. Atax spinipes (Müll.) ist durch P. Kraner Atax coeruleus (WıEcm. Arch. f. Naturgesch. 1875. Bd.I. p. 294ff. Taf. VIII, Fig. 5) und Atax loricatus (daselbst, p. 295. Taf. VIII, Fig. 6) in der Weise abgebildet und beschrieben, dass auch die Gestalt der Epimeren und das Genitalfeld Berücksichtigung fanden. In Folge dessen dürfte fernerhin eine falsche Determi- nation der fraglichen Species wohl schwerlich wieder vorkommen. Dass P. Kramer in den durch die zwei Figuren 5 und 6 auf Tafel VIII dargestellten Thierchen zwei verschiedene Species erblicken will, darin kann ich ihm nicht beipflichten. Die in Rede stehenden Figuren sehen freilich verschieden aus, doch hätte bei ihnen mit leichter Mühe eine größere Ähnlichkeit erzielt werden können, wenn bei Fig. 6 auch die Haarpapillen eingetragen wären. Die Abweichung in der Lage der Genitalhöfe so wie hinsichtlich der Breite der Schamlippen rührt nach meinen Erfahrungen von dem verschiedenartigen Druck des Deckglases her. Es ist mir passirt, dass ich bei demselben Individuum die Lage des erwähnten Organes beobachtete wie es Fig. 6 zeigt und gleich darauf wie es die fünfte Figur angiebt. Im ersten Falle sah ich die von P. Kraner bei der letzteren Figur neben die Saugnapfplatten eingetragenen Ellip- sen mit Centrum als Drüse am hintern Körperrande und erkannte in denselben ein Analogon zu denen von Atax crassipes (Müll.).

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Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. 625

die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie das weibliche Geschlecht zu der folgenden Species repräsentirte; der Fundort spricht wenigstens nicht dagegen, denn bei beiden wird als solcher die »region littorale du lac L&man, a Morges « verzeichnet.

XI. Arrenurus biscissus H. Lebert

ist identisch mit Arrenurus sinuator (Müll.)!. Die diesbezügliche Abbil- dung Leserr's (pl. X, fig. 7) stellt das Männchen dar und ist eine wahre Karrikatur und hat mir in Folge dessen bei der Deutung wenig genützt; ich habe in erster Linie die um Vieles bessere Beschreibung zu Rathe ziehen müssen. Der äußere Umriss dieses Arrenurus-Männchens wird bereits durch den Autor der Art bildlich korrekter dargestellt als durch Lesert und bei Weitem besser noch durch C. L. Kocn?. Wie mangel- haft Leserr’s Abbildungen sind, davon überzeugt man sich leicht durch eine Vergleichung des separat gezeichneten Körperanhanges (Fig. 7 a) mit dem der Gesammtabbildung (Fig. 7).

Figur 7 a bringt ein Mittelzäpfchen des Körperanhanges zur An- schauung, welches von den ältern Schriftstellern weder abgebildet noch erwähnt wird. Dasselbe wurde durch mich, sobald ich einen leichten Druck auf das Thierchen ausübte, erkannt.

Wenn ich in so bestimmter Weise proponire, die obige Species Lesert’s gedeutet zu haben, während ich über die vorhergehende nicht einmal anzugeben im Stande war, ob diese das weibliche Geschlecht zu jener sei oder nicht, so hat das seinen Grund einestheils darin, dass mir die Kenntnis des eigentlichen Weibchens noch abgeht und anderntheils darin, dass die Determination der Arrenurus- Weibchen überhaupt äußerst schwierig ist.

XI. Nesaea magnaH. Lebert.

Fundort: »la faune littorale «.

LeBert giebt zu dieser Art freilich eine Gesammtabbildung, doch leider nur von der Rückseite des Thierchens, so dass dieselbe zum Er- kennen der Species wenig nützt. Man ist daher hauptsächlich auf die Beschreibung angewiesen. Über den Genitalhof der Hydrachnide- be- richtet Lesert (p. 365): »L/aire genitale n’est pas cironscrite; au milieu de Y’abdomen il y a de chaque cote une paire de disques juxta- poses.« Diese Angabe allein ist aber hinreichend, um zweierlei klar zu machen, dass man’s nämlich mit einer charakteristischen Species zu thun hat und dass dieselbe mit Nesaea binotata Kramer 3 zu identificiren

1 0. F. MüLzer, Hydrachnae etc. p. 77. tab. 6, fie. 6.

& Deutschlands Crustaceen etc. Heft 12. Taf. 4. 3 Wızem. Archiv. 1879. Bd. I. p. 11. Taf. I, Fig. 5 a—ec.

626 F. Könike,

ist!. Dem Prioritätsrecht zufolge ist Kramer’s Nomenklatur für die obige Wassermilbe beizubehalten.

XIV. Nesaea lutescensH. Lebert.

Fundort: »la faune profonde«.

Figur 9 b auf Tafel X, den Genitalhof dieser Species darstellend, hat die größte Ähnlichkeit mit einer Zeichnung Kranmer’s?. Des letztern Abbildung gehört der Nesaea reticulata Kram. an, von welcher ich ver- muthe, dass sie mit der Leserrt'schen Art identisch ist. Leider habe ich auf eine eingehende Vergleichung verzichten müssen, da ich Nesaea reti- culata, die, beiläufig bemerkt, eine große Verwandtschaft zu Nesaea striata Kram. aufweist, nicht aus eigener Anschauung kenne. Falls sich meine obige Vermuthung als richtig bestätigen sollte, so müsste in die- sem Falle Legerr's Nomenklatur der Kraner’schen schon aus dem Grunde das Feld räumen, weil es bereits eine Nesaea lutescens (Hermann) giebt.

XV. Atax ypsilophora Bonz.

Diese Schmarotzermilbe wurde von L&BErT in Anodonta anatina L. gefunden und richtig determinirt ®.

1 P. Kramer hat seine Species erheblich kenntlicher beschrieben und abgebildet als es von LEBERT geschehen ist. Da jener Autor nur das Männchen kennt, so er- laube ich mir zu bemerken, dass ich auch das Weibchen auffand. Die Species ist bei Bremen sehr verbreitet und häufig. Vielleicht dürfte es auch von Interesse sein, zu erwähnen, dass ich im Zwischenahner Meer im Großherzogthum. Oldenburg außer der Nesaea nodata (Müll.) auch unsere Nesaea binotata Kram. in größerer Anzahl antraf.

2 Wızscm. Archiv f. Naturgesch. 1879. Bd. I. Taf. I, Fig. 8.

3 E. CLAPAREDE neigte der Ansicht zu, dass Anodonta und Unio jede Gattung für sich ihren besondern Schmarotzer besäßen und zwar jene den Atax ypsilo- phorus (Bonz) und diese den Atax Bonzi Claparede. P. J. van BENEDEN hätte freilich den Fund des letztgenannten Muschelparasiten in Anodonta, den er irrthümlicher- weise für Alax ypsilophorus (Bonz) hielt, bekannt gemacht Recherches sur l’histoire naturelle et le d&veloppement de l’Atax ypsilophora« in: Mem. de l’Academie royale de Belgique. 4848. tom. XXIV), welche Thatsache indess von CLAPAREDE in Zweifel gezogen wurde (diese Zeitschr. Bd. XVIlI. p. 450). BESsELS wies dann experimen- tell nach, dass die zwei Schmarotzer-Species sich nicht auf eine der fraglichen Muschelgattungen beschränkten, sondern wechselseitig in beiden zu finden seien (Bull. de !’Acad. royale des Sc. de Belgique. 1869. Ilser. tom. XXVIH. p. 279). Noch ehe ich Kenntnis von Bzssers’ Versuch bekam, konstatirte ich das Vorkommen von At. Bonzi Clap. in Anodonten und zwar bei Anodonta cygnea L., welchen Fund ich Herrn P. J. van BENEDEN in Louvain brieflich mittheilte.

Atax ypsilophorus fand ich ausschließlich in Anodonten und zwar häufig in Anodonta cellensis var.; in einem Falle zählte ich 22 ausgewachsene Individuen in einer Muschel.

Während von At. crassipes (Müll.) nach den Untersuchungen CLAPAREDE’S NUT

Revision von H, Lebert’s Hydrachniden des Genfer Sees. 627

XVI. Atax crassipes Koch.

Fundort: »lac Leman, 25 m de profondeur, devant Morges«.

Wenn gleich die Gesammtabbildung Figur 10 der Tafel 41 den Atax erassipes (Müll.) nur mangelhaft darstellt, so überzeugt doch der Genital- hof, welchen Figur 10 a derselben Tafel wiedergiebt, dass man’s mit obiger Hydrachnide zu thun hat.

XVH. Pachygaster tau-insignitus H. Lebert.

Fundort: »lac Leman, 25 m de profondeur, devant Morges«.

Das von LzBeErr geschaffene Genus Pachygaster ist meines Erachtens berechtigt; auch ist die Species, so weit ich es zu beurtheilen im Stande bin, neu. Wie mir scheinen will, bin ich im Besitze derselben ; wenig- stens passt LEBerr’s bezügliche Beschreibung auf sie; auch ist ihr Geni- talhof durchaus so, wie es Fig. 41 a auf Tafel XI angiebt. Ich habe mir erlaubt eine Abbildung, welche die Gestalt der Epimeren und die Lage des Genitalhofs veranschaulicht, beizugeben (Fig. 71.

die Larve in Muscheln schmarotzend angetroffen wird, gelten At. ypsilophorus und At. Bonzi für exclusive Parasiten. Es wird daher von einigem Interesse sein, wenn ich über den letztern zu berichten in der Lage bin, dass ich denselben in großen Exemplaren drei Mal an verschiedenen Plätzen freilebend fand. Er ist trotz des Parasitismus ein tüchtiger Schwimmer geblieben, nicht so At. ypsilophorus. Ich halte diesen Schmarotzer bereits seit dem 27. Oktober vorigen Jahres, a!so länger als drei Monate, freilebend in einem Gefäß mit Wasser, doch habe ich ihn, trotzdem seine Füße reichlich mit Schwimmhaaren besetzt sind, niemals schwimmen , son- dern stets nur unbeholfen kriechen gesehen. Aus dem Besitz von Schwimmhaaren darf man wohl schließen, dass auch diese Species die Fähigkeit des Schwimmens besessen habe. Wenn das der Fall war, so ist man, däucht mir, weiter zu schließen berechtigt, dass At. ypsilophorus schon länger dem Schmarotzerthum ergeben sei als At. Bonzi. Aus dem Umstande, dass der letztere freilebend vorkommt, ist meines Erachtens ein Gleiches für den ersteren zu folgern. Man wird sehr wahrscheinlich, wenn man beim Fischen nach Hydrachniden darauf achtet, auch At. ypsilophorus auf dem Grunde von Gewässern, welche Anodonten aufzuweisen haben, antreffen.

1 P. Kramer schuf in seinen »Grundzügen zur Systematik der Milben « (WıEcn. Archiv für Naturgesch. 4877. Bd. I. p. 240) das Hydrachnidengenus Sperchon, zu welchem er später eine Species Sperchon squamosus Kram. bekannt machte (Wieem. Archiv. 4879. Bd. I. p. 2—5. Taf. I, Fig. 1 a—d). Es ist in Bezug auf die Lage der Genitalsaugnäpfe eine frappante Ähnlichkeit dieser Gattung mit Pachygaster Lebert nicht zu verkennen, doch erinnert Sperchon durch die dreieckige Gestalt der vierten Epimere und das Vorhandensein eines Höckers am zweiten Palpengliede zu sehran Limnesia, als dass ich zu behaupten wagte, beide Genera seien identisch. Zur Klarlegung dieses Punktes ist jedenfalls eine Vergleichung der beiden betreffenden Species in natura erforderlich, welche mir nicht möglich war, da ich Sperchon squa- mosus nicht aus eigener Anschauung kenne.

628 F. Könike, Revısion von H. Lebert’s Hydrachniden des Genfer Sees.

XVIll. Piona accentuata R. Lebert.

Fundort: »la faune littorale«.

Die der Beschreibung beifolgende Abbildung zeigt diese Milbe von |

der Rückseite und ist daher zum Bestimmen nicht dienlich. Die wenigen durch Lesert angegebenen Merkmale passen auf Nesaea nodata (Müll.), die ich in derselben Färbung die Art variirt von gelblich-grau bis hochroth im Zwischenahner Meer antraf. Bei den hell gefärbten und fast hyalinen Individuen ist eine » aire genitale non visible« (p. 374); ein

Genitalhof ist aber dennoch vorhanden; es stehen nämlich viele Sexual- saugnäpfe in kreisförmiger Anordnung jederseits am hintern Ende der

Schamlippen. Ich darf ein für obige Identificirung ungünstiges Moment

nicht verschweigen. LEBERT wäre, die Richtigkeit meiner Deutung vor-

ausgesetzt, das äußerst charakteristische Männchen unbekannt geblieben.

Wenn man sich indess vergegenwärtigt, dass das männliche Geschlecht |

bei den Wassermilben allgemein in geringerer Anzahl vertreten ist als das weibliche, so ist es sehr wohl denkbar, dass ihm jenes entgangen sei.

XIX. Brachipoda paradoxa H. Lebert.

Fundort : »la faune profonde« (25 m).

Die die Beschreibung dieser Hydrachnide begleitende Figur 13 auf Tafel XI stellt das männliche Geschlecht von Axona versicolor (Müll.) in getreuer Abbildung dar. Die ausführliche Diagnose wäre vollständig zu entbehren, um seiner Sache positiv gewiss sein zu können; es sprechen schon allein die Anbängsel des letzten Fußpaares und das ver- dickte vierte Palpenglied dafür.

Bei dieser Species muss es auffallen, dass Leserr des viel häufigeren Weibchens nicht erwähnt, ein Umstand mehr, der dafür spricht, dass die Deutung der vorhergehenden Art richtig ist.

Bremen, im Februar 1881.

Erklärung der Abbildung.

Tafel XXX, Fig. 7. Epimeren und Genitalhof von Pachygaster tau-insignitus Leb.

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. Von

0. Bütschli, Professor der Zoologie in Heidelberg.

Mit Tafel XXXI.

Nachfolgende, kleine Arbeit verdankt denselben Umständen ihre Entstehung, weichen auch die vor Kurzem in dieser Zeitschrift veröffent- lichte Untersuchung über Gregarinen entsprungen ist. Das, was ich in dieser letzieren zur Entschuldigung des Charakters der Abhandlung, im Hinblick auf ihre Entstehungsumstände, hervorzuheben mir erlaubte, gilt daher in gleichem Maße auch bezüglich der vorliegenden Publikation, so dass ich Weiteres zu ihrer Einführung nicht bemerke.

Aus denselben Gründen, welche ich auch bei Gelegenheit der Gre- garinenuntersuchung geltend gemacht habe, gehe ich auch hier nicht näher auf das Historische des behandelten Gegenstandes ein; im Ganzen ist darüber auch wenig zu sagen, da die Fischpsorospermien, seit sie Jon. Mürrer entdeckt hatte, die Aufmerksamkeit der Forscher nur sehr wenig in Anspruch nahmen, weniger wohl als sie es verdient haben.

Bemerkenswerthere Untersuchungen über diese, den eigentlichen Gregarinen gewöhnlich näher angeschlossene Organismen haben seit J. MüLLEer nur LevDig, LiesEerkünn, BaLpianı und in neuester Zeit GABRIEL angesiellt!. Bezüglich dieser letzteren Arbeit bemerke ich hier gleich, dass ich sie erst nach Beschluss meiner Untersuchungen zu Gesicht be- kam, ich also nicht mehr im Stande war, sie bei der Untersuchung selbst zu verwerthen. Gerade im Hinblick auf die Gasrıer’sche Arbeit

1 Leydic, Archiv für Anat. und Physiologie. 4851. p. 224—233. LIEBERKÜHN, Archiv für Anat. und Physiologie. 1854. p. 1—24 und p. 349—368. BALBIanı, Compt. rend. Acad. des sc. T. 57. p. 157—161. B. GasrIEL, Berichte der schles. Gesellsch. f. d. J. 1879. p. 26—33.

630 0. Bütschli,

dürften jedoch meine Mittheilungen nicht ohne Interesse sein, da sie in einer Reihe Punkten zu sehr abweichenden Ergebnissen gelangen.

Die sogenannten Fischpsorospermien oder Myxosporidien (wie ich diese Organismen aus weiter unten hervorzuhebenden Gründen zu nennen vorschlage) sind parasitische Gebilde, welche im Fischkörper eine sehr weite Verbreitung besitzen. Namentlich Bausıanı hat auf ihre weite Verbreitung durch eine große Anzahl Organe des Fischkörpers hingewiesen. Es sind Plasmaklumpen oder länger gestreckte wurstför- mige Plasmagebilde, welche entweder frei in Höhlungen des Körpers oder in das Gewebe eingebettet angetroffen werden. Ob sie sich zuweilen auch frei auf der äußeren Haut vorfinden, wie dies aus einer Bemer- kung Dusaroın’s! und aus den Mittheilungen Lieserkünn’s hervorzugehen scheint, halte ich nicht für ausreichend erwiesen, wenn gleich dies, in Anbetracht ihres freien Auftretens in Körperhöhlen, wie Gallenblase, Harnblase, Leibeshöhle, nicht von vorn herein in Abrede gestellt werden kann. Diejenigen Myxosporidien aber, welche sich nicht selten an den Kiemen unserer Süßwasserfische in Gestalt weißer Pusteln oder Bläs- chen finden, und zum Theil eine nicht unbeträchtliche Größe erreichen, liegen nicht frei auf der Haut, sondern stets unterhalb der Epidermis, wie gleich noch genauer zu schildern sein wird. Ich gehe auf dieses Verhalten etwas näher ein, weil mir scheint, dass die früheren Arbeiten dasselbe ziemlich unklar gelassen haben.

Die von mir untersuchten Myxosporidien der Fischkiemen stamm- ten hauptsächlich von Cyprinoiden her, jedoch vermag ich die Arten nicht näher anzugeben, da ich größere Quantitäten 2 ausgeschnittener Kiemen nach den fraglichen Parasiten durchsuchte. Sämmtliche ge- fundenen Myxosporidien zeigten eine so große Übereinstimmung im Bau ihrer Sporen, dass ich keine specifischen Unterschiede zu ver- zeichnen habe. Ich fand sie ausschließlich an den Kiemenblättchen selbst, ein von ihnen mit Vorliebe aufgesuchter Ort, wie dies ja auch aus den früheren Untersuchungen schon bekannt ist. Sie erscheinen hier als im auffallenden Licht weiße Pusteln, von gewöhnlich länglich- ovaler Gestaltung und bis zu 2—3 mm Länge, und treiben bei stärkerer Entwicklung das platte Kiemenblättchen sackartig auf. Bei genauerer Untersuchung möglichst frischer Kiemen stellt sich nun leicht heraus, dass diese Myxosporidien nicht etwa äußerlich den Kiemenblättchen anhaften, dass sie auch nicht in die Epidermis eingebettet sind, sondern noch unter dieser ihren Sitz haben, ja dass die Gefäße der Kiemen-

1 Hist. nat. des helminthes. p. 644. ?2 Zum Theil stammten die Myxosporidien von Squalius cephalus und Barbus fluviatilis her.

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 631

blättchen äußerlich von den Myxosporidien ihren Verlauf nehmen. Ihre Entwicklungsstätte ist demnach die Bindegewebsschicht, welche sich zwischen die beiden Epidermislagen des flachen Kiemenblättchens einschiebt, in welcher oberflächlich das zu- und abführende Gefäß des Kiemenblättchens, so wie die Kiemenkapillaren ihren Verlauf nehmen und in welcher weiterhin das Knorpelstäbchen eingebettet ist, welches das Kiemenblättchen stützt. Von dieser Lagerung der Myxosporidie:- kann man sich schon leicht durch äußerliche Betrachtung des Kiemen- blätichens überzeugen; man bemerkt dann, dass die querverlaufenden Kapillaren, welche das zu- und das abführende Gefäß in Verbindung setzen, die Myxosporidie äußerlich umgürten (Fig. 22). Querschnitte durch ein solches Kiemenblättchen sammt Myxosporidie zeigen gleich- zeitig, dass die Myxosporidie den Knorpelstab beiderseitig umfasst und umlagert und bestätigen die Umgürtung derselben durch die Kiemen- kapillaren. Wenn die Myxosporidie eine ansehnlichere Größe erreicht, treibt sie natürlich das Kiemenblättchen mehr und mehr auf, und da die queren Kapillaren sie ringförmig umgürten und ihrer Ausdehnung einen Widerstand entgegensetzen, so quillt die Plasmamasse der Myxospori- die bruchsackartig zwischen den Kapillaren hervor (Fig. 22). Der Ge- ‚sammtumriss der Myxosporidie wird dann ein vielfach gelappter oder eigentlich gefalteter. Aus einigen weiteren Beobachtungen an sehr an- sehnlichen derartigen Myxosporidien scheint mir dann ferner hervorzu- gehen, dass schließlich durch fortgesetztes Wachsthum der Myxosporidie die hemmenden Kiemenkapillaren gesprengt werden, woraus sich die unregelmäßigen Blutextravasate, welche ich im Umkreis großer Myxo- sporidien antraf, erklären, während gleichzeitig die umgürtenden Kapil- laren nicht mehr deutlich zu erkennen waren.

Die Myxosporidie stellt sich bei genauerer Untersuchung als eine mehr oder minder ansehnliche Plasmamasse dar, welche stets (wenig- stens gilt dies von allen von mir untersuchten Exemplaren, unter denen zwar auch gewiss keine eigentlichen Jugendformen waren) eine unge- heure Zahl völlig ausgebildeter oder zum Theil noch in Entwicklung be- griffener Sporen einschließt. Das Plasma ist dicht erfüllt von sehr feinen, dunklen Körnchen und lässt gewöhnlich keinen deutlichen Unterschied zwischen einer peripherischen Ektoplasmalage und einem Entoplasma bemerken. Nur auf feinen Querschnitten einer derartigen Myxosporidie trat eine äußere, körnchenfreie, mäßig dicke Plasmaregion an gewissen Stellen der Oberfläche sehr deutlich hervor und bot namentlich noch desshalb ein großes Interesse dar, weil sie äußerst deutlich und fein radiär zur Oberfläche gestreift erschien.

Von Wichtigkeit erscheint weiterhin die Frage nach dem Vorhander-

632 0, Bütschli,

sein oder dem Fehlen einer besonderen Hülle (Cystenhülle) um den Plasmaleib der Myxosporidie. Eine solche Hülle soll nach den früheren Forschern zuweilen vorhanden sein, zuweilen dagegen auch fehlen.

Es gelingt nun durch vorsichtige Manipulationen zuweilen, die Myxosporidie ganz unversehrt aus dem Kiemenblättchen herauszulösen und in den beiden Fällen, wo ich derart befreite Myxosporidien zu untersuchen Gelegenheit hatte, war auch eine deutliche Hülle vorhan- den (Fig. 23). Interessanterweise zeigte sich aber sofort, dass diese Hülle nicht etwa in die Kategorie der gewöhnlichen Gystenhüllen der einzelligen Wesen gehöre, speciell nicht denen der Gregarinen sich ver- gleichen lasse, sondern plasmatischer Natur ist. Sie besteht nämlich aus hellem, sehr feingranulärem Plasma, in welches zahlreiche kleine Kerne eingebettet sind; es gelang auch mittels Färbung und Essigsäure- einwirkung nicht, Zellgrenzen um diese Kerne aufzufinden.

Die feingranulären, mit deutlicher, dunkler Hülle versehenen Kerne weisen zum Theil etwas unregelmäßige Umrisse auf und färben sich sehr intensiv mit Alaunkarmin. Vorerst dürfte es schwer sein, mit Sicherheit zu entscheiden, ob diese Hülle ein Erzeugnis der Myxosporidie oder des Kiemenblättchens darstellt; gegen die erstere Auffassung, welche ja keineswegs ausgeschlossen erscheint, ließe sich vielleicht gel- tend machen, dass die Kerne der Hülle etwas größer sind wie die gleich zu erwähnenden Nuclei des Myxosporidienplasmas.

Nach den übereinstimmenden Angaben der früheren Forscher, welche GaBrIeL neuerdings für die Myxosporidie der Hechtharnblase bestätigte, sollen sich unsere Organismen durch völligen Mangel an Zellkernen auszeichnen. Dies ist jedoch unrichtig, es lässt sich vielmehr geradezu sagen, dass in diesem Fall der Wald vor Bäumen nicht ge- sehen wurde. Das Plasma der Myxosporidien ist nämlich dicht erfüllt von einer ungeheuren Zahl zwar sehr kleiner, aber dennoch recht deut- licher Zellkerne. Schon im frischen Zustand treten dieselben bei Unter- suchung einer recht dünnen Plasmaschicht ziemlich kenntlich als matte, rundliche Körperchen hervor. Nach Behandlung mit verdünnier Essig- säure unterscheidet man an ihnen recht wohl eine etwas granulirt er- scheinende, dunkle Hülle, einen kleinen, dunklen Nucleolus und zu-- weilen sogar recht sicher feine Kernfäden, welche von dem Nucleolus. nach der Hülle radiär ausstrahlen (Fig. 21). Dies Verhalten, im Verein. mit der intensiven Tinktionsfähigkeit, lässt es unzweifelhaft erscheinen,, dass es sich thatsächlich um ungeheure Mengen kleiner Zellkerne han- delt. Eine weitere Bestätigung dieses, den früheren Beobachtungen widersprechenden Befundes werden wir sogleich noch in der Anwesen-: keit einds Zellkernes in den Sporen erkennen, während die frühere.

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 633

Forschung auch hier die Kerne vermisste. Die Bauweise der Sporen unserer Myxosporidien ist im Allgemeinen schon ziemlich eingehend studirt, ja schon von Jon. MüLLEr in vielen Punkten richtig darge- stellt worden. Die von mir untersuchten Kiemenmyxosporidien ent- hielten, wie schon früher bemerkt, durchaus Sporen von einer und derselben Qualität, von ovaler, ungeschwänzter, linsenförmiger Ge- stalt (Fig. 4 und 2). Der eine ihrer Pole ist etwas zugespitzt, der an- dere dagegen breit abgerundet. Ihre Hülle ist ziemlich dick, dunkel und etwas glänzend und lässt unter günstigen Umständen am spitzeren oder vorderen Pol eine kurze, trichterförmige Einsenkung ins Innere recht deutlich wahrnehmen, sowohl von der Breit- wie der Schmalseite (Fig. 5). Ich muss daher der Ansicht Baısıanf’s zustimmen, welcher an dem spitzeren Pol eine Öffnung der Schale beschrieb und auch die Abbildungen Jon. Mürzer’s lassen zum Theil diese Öffnung erkennen. Wie durch die früheren Untersuchungen hinreichend festgestellt wurde, setzt sich die Schale aus zwei, etwa schüsselförmigen Hälften zu- sammen (Fig. 6 und 7), deren auf einander befestigte Ränder etwas rand- oder wulstartig vorspringen. Hierdurch wird dann ein, bei Be- trachtung von der Schmalseite, sehr deutlicher Wulst erzeugt, welcher die Schale umgürtet. Basıanı macht über den feineren Bau dieser Schalenklappen sehr eigenthümliche Angaben, die ich nicht zu bestäti- gen vermochte. Ja ich bin nicht einmal in der Lage, auch nur anzu- deuten, um was es sich bei jenen Angaben gehandelt haben dürfle. Nach ihm sollen von dem erwähnten Rand jeder Schalenklappe, den er als einen elastischen Ring bezeichnet, mehr oder weniger zahlreiche feine Filamente entspringen, die für gewöhnlich nicht sichtbar seien, welche sich jedoch zu gewissen Zeiten vom Rand abheben sollen. Bei gewissen Individuen sollen diese Filamente sich dem Schalenrand nicht anlegen, sondern in der Schalenachse abstehen und, sich in variabler Länge vereinigend, den einfachen oder gegabelten Schwanz bilden, welchen man bei zahlreichen Myxosporidiensporen antrifft (siehe Fig. 8 und 9). Von solchen Filamenten habe ich nun niemals etwas ge- sehen, auch nicht nach Behandlung der Schalen mit Reagentien und nach der Trennung der beiden Schalenklappen von einander. Zuweilen, jedoch im Ganzen selten, fanden sich als Abnormitäten auch vereinzelte

geschwänzte Sporen vor, an welchen sich der Schwanz sehr deutlich

als eine direkte Fortsetzung der Schale erkennen ließ.

Da ich jedoch diese Formen nicht genauer studiren konnte, so ver- mag ich nicht anzugeben, ob der Schwanz sich vielleicht aus zwei Fäden zusammensetzt, was ja nicht unwahrscheinlich ist, da er seinen

Ursprung von der Randlinie nimmt, in welcher die beiden Schalen- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 42

634 0. Bütschli,

klappen zusammenstoßen, so dass die Betheiligung beider Klappen an seiner Erzeugung möglich erscheint. Bezüglich der eventuellen Deu- tung der Barsıantschen Filamente des Randwulstes könnte ich nur an eine Erscheinung denken, die mir zuweilen begegnete und welche ich weiter unten als anormales Hervortreten der Fäden der sogenannten Pol- körperchen besprechen werde.

Die Schalensubstanz besitzt eine recht ansehnliche Widerstands- fähigkeit gegen Reagentien; dennoch ist die Angabe Barsıanr's, dass sie auch in erhitzten Mineralsäuren sich erhalte, nicht begründet. Erst- maliges Erhitzen in koncentrirter Schwefelsäure ließ zwar die Schalen nur in ihre beiden Klappen zerfallen, zerstörte dagegen die sogleich zu erwähnenden Polkapseln völlig; nochmaliges Erhitzen bewirkte je- doch auch völlige Zerstörung der Schalen.

Die Sporenschale umschließt einen meist sehr zart wolkig granu- lirten, plasmatischen Inhalt, der die hintere Hälfte der Schale gewöhn- lich nahezu völlig ausfüllt, während die vordere Hälfte fast gänzlich von den so interessanten Polkörperchen eingenommen wird. Auch diese sind sehr wahrscheinlich normalerweise von einer zarten Schicht des plasmatischen Inhalts umhüllt; dies scheint wenigstens daraus hervor- zugehen, dass man auf dem optischen Querschnitt von der Plasma- masse der hinteren Schalenhälfte zarte Plasmafortsätze zwischen die beiden Polkörperchen und zwischen sie und die Schale hinein vor- springen sieht (Fig. I und 2), jedoch gelang es nicht eine zarte plas- matische Umhüllung im ganzen Umkreis der Polkörperchen zu ver- folgen. Weiterhin wird jedoch eine solche Umhüllung der Polkörperchen auch durch ihre später zu besprechende Bildungsgeschichte sehr wahr- scheinlich.

Vom größten Interesse ist die Bauweise der ausgebildeten Polkör- perchen, die ich nur mit der echter Nesselkapseln zu vergleichen weiß. Über Größe und Gestalt geben die Abbildungen hinreichenden Auf- schluss, auch sind diese Punkte durch die früheren Untersucher schon hinreichend erörtert worden. Die Polkörperchen sind von einer ziemlich dicken, glänzenden Wand gebildete Kapseln, in deren Innerem ein langer, blasser wie die Wand erscheinender Faden so aufgerollt liegt, dass er das Kapselinnere in engen Spiraltouren völlig durchzieht. Dieser Bau der sogenannten Polkörperchen ist bekanntlich zuerst von BALBIANI erkannt worden, wogegen Besses! späterhin das gleichfalls von BaL- BIANI zuerst konstatirte Ausschnellen der Spiralfäden bestätigte. Auch

1 Tageblatt der 44. Versammlung deutscher Naturf. u. Ärzte in Frankfurt a/M. 1867. p. 7A. |

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 635

Aım# Schneider ! berichtet neuerdings, dass er die Baugıant'sche Schilde- rung der Polkörperchen bestätigen könne.

Erinnert nun die beschriebene Beschaffenheit dieser Körperchen schon auffallend an Nesselkapseln, so wird diese Ähnlichkeit durch ihr weiteres Verhalten noch sehr vermehrt. Wie schon angedeutet, springt nämlich der Spiralfaden unter gewissen Umständen, ähnlich wie der Faden genuiner Nesselkapseln, hervor, wobei, unter normalen Verhält- nissen, die Fäden der beiden Polkörperchen durch die Öffnung am spitzen Schalenpol heraustreten, als gerade gestreckte oder geschlän- gelte, blasse Fäden, welche etwa die vier- bis fünffache Länge der Sporenschale, dagegen die vierzehnfache Länge des Polkörperchens erreichen können. Die natürlichen Bedingungen dieses Ausschnellens der Fäden scheinen bis jetzt noch nicht sicher ermittelt zu sein; ich fand zwar, dass die meisten Polkörperchen der Sporen, welche längere Zeit in Wasser aufbewahrt waren, ihre Fäden ausgeschnellt hatten, dennoch glaube ich, dass sich die wahren natürlichen Bedingungen des Hervortretens erst bei genauerer Kenntnis der bis jetzt noch sehr un- sicheren Entwicklungsverhältnisse der Sporen feststellen lassen werden und damit auch wohl erst die eigentliche Bedeutung und Funktion dieser interessanten Gebilde.

Von Barsıanı und den späteren Forschern ist jedoch schon gezeigt worden, dass namentlich gewisse Reagentien das Hervortreten der Fäden sofort hervorrufen. Kalilauge, Glycerin und, wie ich fand, namentlich auch koncentrirte Schwefelsäure, bewirken diese Erschei- nung. Am sichersten scheint die Schwefelsäure zu wirken. Weiter- hin genügt jedoch auch schon bloßer Druck, um die Fäden hervorzu- treiben. Hierbei ist jedoch ihr Austreten häufig ein anormales, sehr _ unregelmäßiges. Während sie sich bei normalem Hervortreten gewöhn- lich nahezu gerade gestreckt völlig entwickeln, bleiben sie im letzteren Fall sehr häufig mehr oder minder spiralig aufgerollt, treten häufig auch nur zum Theil aus den Polkörperchen aus und, was noch wich- tiger erscheint, sie brechen nicht selten am hinteren Rande der Pol- körperchen hervor (Fig. 12), während der normale Austritt stets durch das etwas zugespitzte, nach der Sporenöffnung schauende Ende des : Körperchens stattfindet, wobei dann die Fäden eine direkte Fortsetzung dieses Poles bilden (Fig. 20), wie dies ähnlich ja auch bezüglich des Nesselfadens und der Nesselkapsel gilt. Mit dieser Unregelmäßiskeit des Hervorschnellens steht die des Austritis aus der Sporenschale in Zusammenhang. Häufig ereignet es sich unter diesen Umständen, dass

1 Arch. de zoologie experim. IV. 4875. p. 548. 42*

636 0. Bütschli,

die Fäden gar nicht aus der Sporenschale heraustreten, sondern nur ins Innere derselben hervorgetrieben werden: sehr häufig werden sie aber auch, statt aus der vorderen Öffnung auszutreten, seitlich am Rande der Sporenschale hervorgetrieben , indem ohne Zweifel der Zu- sammenhalt der beiden Schalenklappen durch die Druckwirkung ge- lockert worden ist und zwischen ihnen an beliebigen Stellen des Rand- wulstes die Fäden hervorgepresst worden sind. Im Allgemeinen zeigt sich also in dieser Weise, dass durch Druck sehr gewöhnlich kein reguläres Aufspringen der Kapseln, sondern ein anormales Hervor- quetschen der Fäden zu Stande kommt.

Bei normalem Ausschnellen der Fäden zeigen die Polkapseln stets eine sehr merkbare Verringerung ihres Volums, woraus wohl der Schluss gezogen werden darf, dass, wie bei den echten Nesselkapseln, der Druck der gespannten elastischen Kapselwand die Ausschnellung des Fadens hervorruft. Dass dieser Faden auch hier eine schlauchförmige hohle Einstülpung des vorderen Pols der Kapsel sei, wie ja die Ana- logie mit den genuinen Nesselkapseln sehr wahrscheinlich macht, lässt sich freilich bei der Kleinheit der Verhältnisse mit unseren optischen Hilfsmitteln nicht entscheiden.

Von besonderem Interesse erscheint das unzweifelhafte Vorhanden- sein eines Zellkerns in der plasmatischen Inhaltsmasse der Sporen. Häufig ist dieser Kern schon in frischem Zustand ohne Weiteres als kreisförmiger bis ovaler, heller Fleck recht deutlich sichtbar (Fig. 1 n). Besser tritt er jedoch nach Behandlung mit verdünnter Essigsäure oder Jodtinktur hervor und zeigt dann eine dunkle, etwas granulirt er- scheinende Hülle (Fig. 2 n) und eine Anzahl ziemlich blasser Granula, welche durch den Inhalt zerstreut sind. Leider setzten sich dem Ver- such, den Kern zu färben, sehr energische Hindernisse entgegen, da das Färbungsmittel nicht in die Sporenschale eindrang; jedoch kann dieser Umstand nicht gegen die Kernnatur des fraglichen Gebildes an- geführt werden, da auch das Plasma der Färbung widerstand. Den- noch beobachtete ich einige wenige Fälle deutlicher Kernfärbung bei Anwendung von Alaunkarmin.

So deutlich nun auch der Zellkern häufig schon in frischem Zu- stand sich darstellt, so ist doch zuweilen nichts von ihm wahrzu- nehmen, dann nämlich, wenn sich die Plasmamasse, wie dies zu- weilen bei zahlreichen Sporen der Fall, sehr kondensirt und ein mehr oder weniger glänzendes Aussehen angenommen hat (Fig. 3). Unter diesen Umständen erscheint es erklärlich, dass der Zellkern sich den Blicken entzieht. Nicht ganz sicher bin ich darüber, ob sich zuweilen zwei Zellkerne finden; ich habe zwar mehrfach Sporen gesehen, welche

aa eg De et mens r ums

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 637-

dieses Verhalten darzubieten schienen, ohne jedoch hierüber zu völliger Gewissheit zu gelangen.

Sehr konstant trifft man endlich in dem Plasma noch zwei oder zuweilen auch mehr stark lichtbrechende, glänzende Körnchen von rundlicher Form an (Fig. 1, 2 etc. A). Dieselben lagern sich sehr ge- wöhnlich, jedoch keineswegs immer, ziemlich symmetrisch, dicht an die hinteren Pole der Polkapseln an. Wie bemerkt, herrscht jedoch, sowohl in Bezug auf die Zahl wie die Lagerung dieser Körnchen, keine durch- greifende Regelmäßigkeit, zuweilen lagern sie weiter nach vorn (Fig. 2) zwischen den Polkapseln, zuweilen sind sie jedoch auch ganz unregel- mäßig durch das Plasma zerstreut. Diese Unregelmäßigkeiten machen es mir vorerst sehr unwahrscheinlich, dass die Basrıanr'sche Angabe: es seien jene Körnchen jugendliche Polkörperchen, welche sich nach- twräglich zu solchen entwickeln würden, begründet ist, abgesehen davon, dass ich niemals eine Entwicklungsstufe dieser Körperchen zu Pol- körperchen beobachtet habe. Zwar habe auch ich einige seltene Fälle beobachtet, wo die Zahl der Polkörperchen auf drei erhöht war (Fig. 10), ohne jedoch hierbei etwas zu beobachten, was mit der BaLsIanr'schen Auffassung hätte in Zusammenhang gebracht werden können.

Dagegen beobachtete ich bei längerer Aufbewahrung der Sporen in Wasser eine Erscheinung, welche mir zwar nicht recht verständlich ist, die ich jedoch hier kurz berichten will. In derartig aufbewahr- ten Sporen bemerkte man nach einiger Zeit nichts mehr von den ge- wöhnlich vorhandenen beiden dunklen Körnchen, dagegen sah man nun an jedem ihrer Polkörperchen ein hinteres, dunkles Spitzchen (Fig. 3), das so ziemlich die Stelle einnahm, an welcher sich die er- wähnten Körnchen gewöhnlich finden. Es machte daher den Eindruck, als seien die dunkeln Körnchen mit der Kapselmembran der Pol- körperchen verschmolzen und zu jenen Spitzchen umgebildet. Doch muss ich die erwähnte Deutung bis jetzt noch als bloße Vermuthung betrachten.

Bei längerer Aufbewahrung der Sporen in Wasser gelang es mir nicht ein Aufspringen derselben und ein Hervortreten des Sporen- inhalts in Gestalt einer kleinen Amöbe zu beobachten, überhaupt habe ich niemals ein solches Austreten des Sporeninhalts bemerkt, wie es von LiEBErRküHn und Barsıanı berichtet wird. Auch irgend welche weitere Entwicklungserscheinungen am Sporeninhalt ließen sich nicht auffinden. So natürlich nun auch ein Entwicklungsgang, wie er von den beiden obengenannten Forschern angegeben wird, erscheint, so vermag ich doch gewisse Zweifel über dessen Statthaben nicht zu unter- drücken, Zweifel, die sich weniger auf die mir nicht gelungene Beob-

638. aan 0. Bütschli,

achtung eines solchen Processes gründen, als vielmehr auf gewisse. Überlegungen, welche sich auf die eigenthümlichen Polkörperchen be- ziehen.

Diese, bei den Myxosporidien so konstanten Gebilde haben doch ohne Zweifel eine besondere Bedeutung und irgend welche wichtige Funktion. Ganz zurückzuweisen dürfte zwar die Auffassung BaLBIants sein, welcher in ihnen den Antherozoidien der Kryptogamen vergleich- bare, männliche Befruchtungselemente sieht, denn, abgesehen von der allgemeinen Unwahrscheinlichkeit dieser Betrachtung, die auch durch thatsächliche Beobachtungen nicht weiter gestützt wird, sind bis jetzt keine pflanzlichen Spermatozoidien bekannt, welche sich in ihrer Bil- dung jenen nesselkapselähnlichen Polkörperchen vergleichen lieben.

Jedenfalls haben jedoch, wie schon hervorgehoben wurde, jene Polkörperchen eine wichtige, noch zu ermittelnde Bedeutung, die es mir sehr wahrscheinlich macht, dass noch irgend welche wichtige Vor- gänge sich vollziehen müssen, bevor der Sporeninhalt aus der Schale in Gestalt einer kleinen Amöbe hervortritt. Denn dass diese Polkörper- chen, wie es Lizserkünn darstellt, ganz und gar keine Rolle spielten, wird doch kaum glaublich erscheinen.

Ich hätte nun noch einiges über den sehr bedeutungsvollen Vor- gang der Sporenbildung zu berichten; da ich jedoch bei dieser Form jene Vorgänge weniger sicher zu ermitteln vermochte, so werde ich das Beobachtete erst bei Gelegenheit der jetzt noch zu betrachtenden Myxo- sporidie der Hechtharnblase mittheilen, bei der es gelang, diese Vor- gänge genauer zu verfolgen.

Diese von LiEBErRküHn entdeckte und neuerdings wieder von GABRIEL studirte Myxosporidie eignet sich besser zum Studium, weil sie frei auf der Schleimhaut der Harnblase lebt und daher ohne Mühe direkt untersucht werden kann. Der fragliche Parasit scheint sehr häufig zu sein, denn die drei jungen Hechte, welche ich im Laufe des verflos- senen Decembers untersuchte, enthielten denselben und zwar zwei da- von in so erheblicher Menge, dass die Wand der Blase geradezu mit einer dichten Lage der Myxosporidien bedeckt war, welche einen orangegelben Überzug darstellten, da unsere Parasiten bekanntlich gelblich gefärbt sind.

Ich habe oben speciell hervorgehoben, dass ich die Hechte im De- cember untersuchte, weil GABRIEL mittheilt, dass während der Winter- monate die Myxosporidien nur spärlich anzutreffen seien, womit die angeführten Ergebnisse nicht recht zu harmoniren scheinen.

Bekanntlich finden sich diese hüllenlosen, plasmatischen Myxo- sporidien stets in sehr verschiedener Größe und in sehr verschiedenen

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien, 639

Gestaltungen vor. Die kleineren, durchsichtigeren, wenig körnigen und auch wenig gelblichen Formen, welche ohne Zweifel die jugendlichen Entwicklungszustände darstellen, sind meist rundlich; die größeren dagegen besitzen im Allgemeinen die schon von LiEsErkünn geschilderte langgestreckt - schlauchartige Gestalt, ohne dass jedoch diese Form stets eingehalten würde; es finden sich vielmehr auch plumpe mehr oder minder unregelmäßige Gestalten, die wegen sehr mannigfacher, unregelmäßiger Fortsatzbildungen eine amöbenartige Form darbieten. Es liest nun sehr nahe, die wechselnden Gestaltsverhältnisse dieser Myxosporidien auf amöboide Beweglichkeit zurückzuführen, um so mehr, als LiEBERKÜHN schon angiebt, schwache amöboide Bewegungen derselben beobachtet zu haben. Dagegen hat neuerdings GABRIEL mit großer Bestimmtheit das Auftreten solcher Bewegungserscheinungen in Ahrede gestellt und namentlich auch die Erklärung der wechselnden Gestaltungsverhältnisse mit Hilfe derartiger Processe zurückgewiesen. Nach meinen Erfahrungen ist er jedoch hierin entschieden im Unrecht. Es rührt dies wohl von der recht großen Empfindlichkeit unserer Myxo- sporidien her, die bewirkt, dass sie in relativ indifferenten Flüssig- keiten, wie z. B. geeigneten Eiweißlösungen, häufig rasch und großen- theils zu Grunde gehen und niemals deutliche Bewegungserschei- nungen zeigen. Durch diese Erfahrungen gewarnt, untersuchte ich die Myxosporidien des dritten Hechtes nur in der Harnflüssigkeit und hatte denn auch die Genugthuung, die deutlichsten amöboiden Bewe- gungen wahrnehmen zu können. Bevor ich jedoch genauer auf die Schil- derung dieser Bewegungsvorgänge eingehe, dürfte es zunächst am Platze sein, die Bildungsverhältnisse des Plasmaleibes etwas eingehender zu erörtern.

An den kleineren und kleinsten Formen ist von einer deutlichen Differenzirung des Plasmas in Ekto- und Entosark gewöhnlich durch- aus nichts zu erkennen; desto deutlicher tritt jedoch meist eine solche Erscheinung bei den größeren Myxosporidien, aber auch hier keines- wegs immer hervor.

Das Ektosark bildet dann eine meist recht ansehnlich dicke Zone um das sehr körnige, gelbliche Entosark (Fig. 233>—27), und die Grenze

heider Regionen tritt gewöhnlich sehr scharf hervor.

Das Ektosark ist sehr durchsichtig hell, ganz zart und fein granulirt und enthält nie die für das Entosark zu erwähnenden, charakteristischen Einschlüsse. Buckelartige, plumpe Fortsätze oder faltenartige Vor- sprünge, welche sich, wie erwähnt, von der Körperoberfläche zahl- reicher Exemplare erheben, werden ausschließlich von solchem Ekto- sark gebildet (Fig. 27). Wenn sich jedoch das eine Körperende, wie

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dies auch zuweilen gefunden wurde, in zwei oder drei ansehnliche Fortsätze gabelt, so betheiligt sich an deren Bildung auch das Entosark gleichmäßig.

Außer den erwähnten, stumpfen, unregelmäßigen Fortsätzen sendet jedoch das Ektosark sehr häufig, wie schon GuaBriEL beschrieben hat, eine Menge feiner, haarartiger Fortsätze von geringer Länge aus, die, wie ein dichter, borstenartiger Besatz die Oberfläche gänzlich oder nur zum Theil überziehen. Diese Fortsätze sind entweder einfach borsten- artig (Fig. 25) eder mehr oder minder reich geweihartig verästelt (Fig. 31), so dass eine, von solchen Gebilden völlig überdeckte Myxo- sporidie eine ziemliche Ähnlichkeit etwa mit einer Vampyrella darbietet. Nicht selten jedoch sind es nicht einfache, haarartige Fortsätze, sondern in der Quere um den Körper herumziehende, zarte Falten, welche im randlichen Schnitt gesehen, das Bild solcher Fortsätze erzeugen. Meist machen nun diese Fortsatzgebilde einen völlig inaktiven, rigiden Ein- druck, scheinen also in dieser Hinsicht wesentlich von den eigentlichen Pseudopodienbildungen abzuweichen. Dies ist auch Gasrier’s An- sicht, der es geradezu ausspricht, dass sie den Pseudopodien der Proto- zoen nicht vergleichbar seien, da sie nämlich wohl hervorquellen, je- doch nicht wieder zurückfließen könnten. Dennoch glaube ich, giebt es auch bei den Protozo&n ähnliche Fortsatzgebilde; ich meine nämlich, dass die Büschel feiner, borstenartiger Fortsätze, welche das Hinterende der Amöben und amöbenartigen Organismen häufig bekleiden, sich den besprochenen Einrichtungen unserer Myxosporidie ziemlich nähern. Vielleicht lassen sich jedoch auch die kurzen, stachel- oder börstchen- artigen Auswüchse, welche das Ektosark gewisser amöbenartiger Or- ganismen, so des Daktylosphaerium H. und L., des Chaetoproteus St. (— Dinamoeba Leidy) überkleiden, gleichfalls zum Vergleich heran- ziehen. Auch diese Fortsätze der genannten Amöben und Verwandten sind bis jetzt ganz rigid und bewegungslos gefunden worden.

Die Ähnlichkeit mit dem hinteren Fortsatzbüschel mancher Amöben wird zum Theil noch dadurch erhöht, dass auch die Fortsätze unserer Myxosporidie nicht selten auf eines der Körperenden beschränkt sind.

Vollständig bewegungslos sind aber die besprochenen Gebilde den- noch nicht; ich beobachtete wenigstens bei den im Harne des Hechtes untersuchten Exemplaren mehrfach recht deutlich eine völlig rhizo- podenartige, allmähliche Veränderung der Fortsätze; langsam wurden einzelne eingezogen, daneben dagegen neue entwickelt. Nach dieser Erfahrung kann ich daher nicht im Zweifel sein, dass die beschriebenen Gebilde, trotz ihrer anscheinend meist großen Rigidität, doch im We- sentlichen in die Kategorie der pseudopodienartigen Fortsätze gehören.

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 641

Unsere Myxosporidie zeichnet sich daher durch die Fähigkeit aus, so- wohl stumpfe, breite Fortsätze, wie auch zarte und verästelte entwickeln zu können.

Im Ektosark treten zuweilen noch eigenthümliche Differenzirungs- erscheinungen hervor, wie man die zu besprechenden Verhältnisse wohl zu bezeichnen berechtigt sein dürfte. Einmal ist das Ektosark des einen Körperendes sehr gewöhnlich mehr oder minder deutlich fein radiär- streifig entwickelt und gleichzeitig gewahrt man an dieser ziemlich beschränkten Stelle keine scharfe Grenze zwischen Ekto- und Entosark, während im übrigen Körper diese Grenze, wie erwähnt, stets recht scharf sichtbar ist. Das betreffende Körperende glaube ich für das- jenige halten zu dürfen, mittels welchen die Myxosporidien befestigt sind. Weiterhin zeigt sich jedoch auch längs der beiden Seiten des mehr oder minder langgestreckten Körpers nicht selten eine Art längs- streifiger Differenzirung (Fig. 27), welche den Eindruck macht, als wenn eine Anzahl mäßig dicker, etwas dunklerer Ektoplasmaschichten zu- nächst um das Entosark über einander geschichtet wären. Zwischen diesen dunkleren Ektoplasmastreifen bemerkt man ganz helle, etwas röthliche Trennungsstreifen, deren optisches Verhalten ganz den Ein- druck einer Flüssigkeit macht und eine ähnliche, hellröthliche Grenz- schicht ist nicht selten auch zwischen dem ganzen Ento- und Ektosark zu beobachten.

Am eigenthümlichsten jedoch dünkt mich ein Verhalten des Ekto- plasmas, das ich bei starker Abplaitung der Myxosporidien sehr deut- lich sah und das ich nicht im Stande bin, mir völlig zu deuten, welches mir jedoch auch durchaus nicht den Eindruck eines etwa durch Ge- rinnung oder auf eine andere Weise künstlich hervorgerufenen Phä- nomens machte. Auch in diesem Fall (Fig. 28) war zwischen Ekto- und Entoplasma eine schmale, hellröthliche Grenzschicht deutlichst zu sehen; von dieser jedoch verbreiteten sich zahlreiche, in ziemlich regel- mäßigen Abständen entspringende Ausläufer durch das Ektoplasma, welche, sich mehrfach verästelnd und unter einander anastomosirend, bis zu der Ektoplasmaoberfläche zu verfolgen waren. Das Ganze machte den Eindruck, als wenn sich ein System von mit heller Flüssigkeit erfüll- ten Kanälen durch das Ektoplasma verbreitete. Natürlich soll hiermit _ vorerst keine Erklärung des nur beiläufig studirten Phänomens gegeben werden. Das Entosark ist, wie schon hervorgehoben, bei den größeren Formen stets durchaus körnig und gelblich. Es rührt dies, abgesehen von den eventuell vorhandenen Sporen, von einer dichten Erfüllung mit fettglänzenden, schwachgelblichen Körnchen oder Kügelchen von sehr verschiedener Größe her, welche auch wohl sicherlich eine fett-

642 0, Bütschli, _

artige Natur besitzen, da sie von absolutem Alkohol völlig gelöst wer- den. Weiterhin wird jedoch die gelblich-röthliche Färbung des Ento- sarks noch dadurch vermehrt, dass sich in größerer oder geringerer Menge deutliche, und zum Theil recht ansehnliche Hämatoidinkrystalle vorfinden, wie dies LiEBERKÜHN und, laut ihm, schon früher MEıssner gefunden hat. GasrIEL erwähnt dieser Krystalle nicht, sondern spricht nur von einem gelblichen Pigment der Myxosporidien. Hervorzuheben ist jedoch, dass diese Krystalle nicht frei im Entoplasma sich finden, sondern innerhalb der größeren Fettkügelchen auftreten (Fig. 34 a—c). Hier beobachtet man sie von den kleinsten Anfängen an bis zu be- trächtlicher Größe, wo dann die Masse des Fettkügelchens nur noch einen verhältnismäßig schwachen Überzug des Krystalls bildet. Zu- weilen treten auch mehrere Krystalle in einem Fetttröpfchen auf und gelegentlich auch ein Konglomerat kleinster Kryställchen. Wenn man durch absoluten Alkohol die Masse der Fettkügelchen auflöst, so bleiben die Krystalle frei und unversehrt zurück.

Nach Krystallform und Aussehen besteht kein Zweifel, dass hier wirklich Hämatoidinkrystalle vorliegen, welche wohl in irgend einer Weise auf das Blut des Parasitenträgers zurückgeführt werden müssen ; desshalb scheint mir auch die Ansicht GABrıEL’s wenig für sich zu haben, welcher das gelbe Pigment mit ähnlichen Pigmentirungen der BE omyeiten vergleicht. |

Als letzte, jedoch keineswegs unwichtigen Bestandteile des Ento- sarks sind nun schließlich noch die auch. hier in der erstaunlichsten Menge sich findenden, kleinen Kerne hervorzuheben, welche schon in frischem Zustand bei hinreichender Ausbreitung des Protoplasmas zu erkennen sind, jedoch hauptsächlich nach der Färbung über jeden Zweifel sicher hervortreten. Sie besitzen auch hier eine ziemlich deut- liche, dunkle Hülle und einen granulirten Inhalt.

Bevor wir zu den Sporenbildungsverhältnissen übergehen, dürften noch einige Worte über die weiteren Bewegungserscheinungen der Myxosporidien am Platze sein. Zunächst kam eine ganze Anzahl Exem- plare zur Ansicht, die am einen Ende des langgestreckten Körpers (und zwar möchte ich vermuthen, dass es das Anheftungsende war) ganz helle, durchsichtige, plumpe, bruchsackartige Fortsätze des Ektosarks aussendeten (siehe Fig. 29 a—c), welche im regsten Wechsel sich ver- änderten, wieder eingezogen wurden, während ein neuer Fortsatz her- vortrat, so dass das Ganze das Bild der amöboiden Bewegung auf das schönste vorführte. Fig. 29 a—c stellt drei auf einander folgende Pha- sen in der Bildung derartiger Pseudopodien dar.

Bei weiterem aufmerksamen Suchen ließ sich jedoch nun auch

Beiträge zur Keuntnis der Fischpsorospermien. 643

eine Anzahl Exemplare auffinden, deren gesammter Leib in zwar ziem- lich träger, jedoch recht deutlicher amöboider Bewegung begriffen war. Die gesammte Körpergestalt unterlag dabei natürlich fortdauernden Ver- änderungen, ohne dass jedoch eigentliche Pseudopodien ausgesendet wurden. Der ganze Bewegungsvorgang ließ sich vielleicht am ehesten dem einer sich träge bewegenden Pelomyxa vergleichen.

Nach diesen Erfahrungen glaube ich nicht mehr anstehen zu dürfen, die mannigfachen Gestaltungsformen, welche unsere Myxospori- die darbietet, sämmtlich als Ausflüsse ihrer amöboiden Beweglichkeit zu betrachten.

Auf einen Punkt möchte ich noch kurz aufmerksam machen, es ist dies eine Art der Befestigung, welche ich bei den kleineren Myxospori- dien mehrfach beobachtete und die, im Hinblick auf die Gregarinen, nicht ohne Interesse erscheint. Man sieht nämlich solche kleinen For- men häufig an losgelösten Epithelzellen der Harnblase derart befestigt, dass ein Theil der Zelle von der Myxosporidie umfasst und eingehüllt wird (Fig. 30). Es scheint daraus hervorzugehen, dass wenigstens die jugendlichen Formen sich, wie dies ähnlich ja auch für zahlreiche Gre- garinen erwiesen ist, an einzelnen Zellen befestigen.

Zum Schluss meiner Mittheilung habe ich noch dasjenige zu be- richten, was ich über die Bildungsgeschichte der Sporen zu ermitteln vermochte, wodurch, wie ich glaube, zum ersten Mal einige nähere Aufschlüsse über diesen, auch in allgemeiner Hinsicht sehr interessan- ten Vorgang sich ergeben. Bis jetzt stand hierüber nur so viel fest, dass die Sporen entschieden auf endogenem Weg gebildet werden, und dass sie in hellen Bläschen oder Vacuolen zur Entwicklung gelangen, wie solches zuerst Leypıe für die Myxosporidien der Gallenblase der Chondropterygier, später LIEBERKÜHN für die uns hier beschäftigende Form dargestellt hat. Auch GABRIEL gelangte bei seinen Untersuchungen nicht über die Arbeiten seiner Vorgänger hinaus; er spricht sich dahin aus, dass die Sporen nicht aus einem integrirenden Theil der Leibes- substanz des mütterlichen Organismus, sondern durch einen die Diffe- renzirung einleitenden Sekretionsprocess entstehen.

Hinsichtlich der allgemeinen Bildungsverhältnisse der Sporen wäre zunächst hervorzuheben, dass die Entstehung derselben nicht an ein

besonderes, erwachsenes Stadium der Myxosporidien geknüpft er-

scheint, sondern dass sie sich in den Myxosporidien der allerverschie- densten Größen vorfinden und dies gilt ja auch eben so für die Myxo- sporidien der Fischkiemen, denn auch bei diesen fand ich sowohl die kleinsten wie die ansehnlichsten Formen dicht von Sporen erfüllt, wenn sich auch hier die im Ganzen selten beobachteten Entwicklungsstadien

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hauptsächlich in den kleineren Formen zu finden schienen. Dagegen traf ich bei zwei der untersuchten Hechte nur in den kleinen rund- lichen Jugendformen Sporen an, während die großen, schlauchartigen Formen weder ausgebildete, noch in Entwicklung begriffene aufwiesen. Stets war jedoch die Zahl der in solch kleinen Myxosporidien sich fin- denden Sporen eine sehr geringe, ein oder wenige Paare, da ja die Sporen der Hechtmyxosporidie stets paarweise zur "Entwicklung ge- langen. Gewöhnlich, jedoch nicht immer, beobachtet man um je ein Paar der Länge nach dicht zusammenliegender Sporen einen ovalen, hellen, ohne Zweifel von Flüssigkeit erfüllten Raum, der äußerlich mehr oder weniger deutlich von einer zarten, dunklen Hülle umschlossen wird, die jedoch auch nicht immer ganz deutlich zu bemerken ist.

Ein Wort zunächst über den Bau der reifen Sporen (Fig. 32). Die- selben besitzen hier bekanntlich eine sehr langgestreckt-spindelförmige Gestalt, die ganze Spindel ist jedoch etwas gebogen. Die Sporenhülle ist deutlich und scharf konturirt, mäßig dick, dünner wie bei denen der Fischkiemen und zeigt häufig recht deutlich eine zarte, schief zur Spin- delachse verlaufende Streifung. Eine Zusammensetzung der Schale aus zwei Klappen lässt sich nicht wahrnehmen, auch sah ich bei Behand- lung mit koncentrirter Schwefelsäure keinen Zerfall in solche Klappen eintreten. Ob die Spindelenden feine Öffnungen besitzen, wie ja wahr- scheinlich, ließ sich nicht entscheiden. Die Sporenhülle ist fast völ- lig von protoplasmatischem, stärker wie bei denen der Fischkiemen granulirtem Inhalt erfüllt, der nur in den Spindelenden durch die bei- den Polkapseln verdrängt wird, welche jedoch auch hier wohl noch von einer zarten, protoplasmatischen Schicht umhüllt werden (p). Diese Polkapseln zeigen genau denselben Bau wie die der früher besproche- nen Sporen, wenn auch nicht in gleicher Deutlichkeit und dies geht hauptsächlich auch noch daraus hervor, dass sie in gleicher Weise, namentlich nach Behandlung mit koncentrirter Schwefelsäure, ihre Fäden ausschnellen, die hier natürlich aus den beiden Spindelenden hervortreten und etwa die zwei- bis dreifache Länge der Sporenschale besitzen (Fig. 33). Im Centrum des protoplasmatischen Inhalts findet sich ein meist recht deutlicher, heller Zellkern (Fig. 32, n), den ich, namentlich auch wegen der Ergebnisse der Bildungsgeschichte der Sporen, nicht anstehe, als echten Zellkern zu bezeichnen. Nur selten wurden Deformitäten dieser Sporen gefunden, von welchen ich haupt- sächlich eine erwähne, die eine bauchigere Gestalt besaß und bei der sich die beiden Polkapseln gemeinsam in einem Spindelpol neben ein- ander vorfanden.

Die Entwicklung der Sporen ließ sich bei dem dritten Hecht stu-

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 645

diren, indem dessen Myxosporidien dicht mit in Bildung begriffenen Sporen erfüllt waren. Beim Zerdrücken dieser Myxosporidien, zum Theil jedoch auch schon im intakten Zustand, ließen sich diese Bil- dungsstufen studiren und habe ich hieraus nachstehendes Bild des Ent- wicklungsganges kombinirt, welches mir sehr große Wahrscheinlichkeit zu besitzen scheint. Beim Zerdrücken der Myxosporidien traten große Mengen blasser, sehr wenig granulirter, kleiner Plasmakugeln hervor, welche sich jedoch auch im Protoplasma der intakten Myxosporidie kon- statiren ließen und welche ich für die ersten Bildungsstufen der Sporen halten muss (Fig. 35—36). Jede dieser Kugeln wies eine beträchtliche Anzahl heller, kugliger, kleiner Zellkerne auf (Fig. 35), die schon ohne Behandlung mit Reagentien sehr deutlich zu erkennen waren.

Die Zahl dieser Kerne betrug häufig sechs, jedoch, wie ich mich zu erinnern glaube, auch nicht selten noch mehr. Auf der Oberfläche eines Theils der Plasmakugeln war eine Membran nicht deutlich zu er- kennen (Fig. 35), zum Theil jedoch trat eine zarte Umhüllungshaut, etwas von der Oberfläche abgehoben, recht deutlich hervor (Fig. 36). Die Entstehung dieser Plasmakugeln lässt sich nun wohl nicht anders deuten, als dass eine gewisse Quantität des mütterlichen Plasmas, sammt Kernen ,,- zu einer derartigen Kugel sich konstituirt habe. Die Entwicklung der Sporen geht nun immer von sechskernigen, von einer zarten Hülle umkleideten derartigen Kugeln aus und ich muss es vor- erst dahin gestellt sein lassen, in welcher Weise die mehrkernigen Kugeln sich zu solchen sechskernigen umbilden. Das nächstweitere Bildungsstadium, das nicht selten gesehen wurde (Fig. 37), zeigt uns die Kugel in ihrer zarten, membranösen Hülle zu zwei dreikernigen zer- fallen (Fig. 37). Jede dieser dreikernigen Kugeln entwickelt sich nun zu einer Spore, indem sich beide in die Länge strecken und sich der Spindelgestalt der ausgebildeten Spore nähern (Fig. 38); frühzeitig scheint dann auch schon die erste zarte Andeutung der Sporenschale aufzutreten. Die drei Zellkerne lagern sich so, dass der eine den Mittel- punkt der Spindel einnimmt, die beiden andern dagegen in die Enden rücken. Während sich nun der mittlere Kern als Sporenkern erhält, scheinen die beiden andern gänzlich zu schwinden und an ihre Stelle treten die beiden Polkapseln. Anfänglich war ich nun natürlich sehr geneigt, diese Polkapseln direkt durch eine Umbildung der beiden Kerne entstehen zu lassen, obgleich ich die Schwierigkeit, welche sich in dieser Beziehung durch die Analogie derselben mit den Nesselkap- seln ergab, nicht verkannie. Genauere Untersuchung ließ jedoch er- kennen, dass die Polkapseln (Fig. 39 und 40 p) nicht durch direkte Um- bildung der Kerne hervorgehen. Etwas proximal von beiden Kernen

646 0. Bütschli,

findet man nämlich die Anlagen der beiden Polkapseln in Gestalt kleiner, dunkler, ziemlich glänzender Körperchen. Dieselben machen einen ziemlich soliden und homogenen Eindruck. Dass sie etwas hinter den Kernen und nicht etwa in denselben gelagert sind, so wie über- haupt mit diesen nicht in direkter Verbindung stehen, ließ sich deut- lich erkennen. Über die weitere Entwicklung dieser Polkapseln habe ich nicht viel anzugeben, sie nehmen an Größe zu, ohne jedoch zu- nächst ihre homogene Beschaffenheit aufzugeben (Fig. 20) und bilden sich hierauf zu den definitiven Kapseln um. Gleichzeitig schwinden dann die beiden Kerne, von welchen ich in den ausgebildeten Sporen durchaus nichts mehr zu entdecken vermochte.

Dieser Entwicklungsgang der Sporen zeigt uns, dass die früheren Beobachter nur ein sehr unklares Bild von diesen Vorgängen besaßen, indem sie die hellen Räume, welche um die ursprünglichen Plasma- bildungskugeln entstehen, als das Primäre ansahen, in welchen in nicht weiter aufgeklärter Weise die Sporen entstünden. Ich kann mich je- doch auch nicht völlig von der Vermuthung trennen, dass LIEBERKÜHN die ursprünglichen Plasmabildungskugeln selbst für Vacuolen genom- men hat. GaBrIEL beschreibt, zwar mit einer gewissen Reserve, ge- wisse Weiterbildungserscheinungen der reifen Sporen, welche sich in der Harnblase des Hechtes vollziehen sollen und durch welche schließ- lich aus den Sporen kleine, gekörnte Plasmodien hervorgingen, die sich direkt zu den Myxosporidien weiter entwickelten. Ohne dass ich ein bestimmtes Urtheil über diese, von ihrem Entdecker bis jetzt nur flüch- tig, ohne weitere Belege, geschilderten Erscheinungen abzugeben ge- dächte, kann ich doch die Vermuthung nicht ganz unterdrücken, dass möglicherweise einige der von mir oben geschilderten Bildungsstufen zur Aufstellung der Ansicht von einer derartigen Weiterentwicklung der Sporen beigetragen haben.

Bevor ich die jetzt mitgetheilten Beobachtungen über die Sporen- bildung der Hechtmyxosporidie anstellte, hatte ich schon eine Reihe, jedoch nicht ganz verständlicher Erfahrungen über die Bildung der Sporen bei den geschilderten Kiemenformen gesammelt, die jetzt, auf Grund der genaueren Befunde, wahrscheinlich eine andere Deutung zu erfahren haben, als ich ihnen zuerst gab, und welche dadurch eine ziemliche Übereinstimmung mit den Erfahrungen bei der Hechtmyxo- sporidie darbieten würden. In der Protoplasmamasse einer Anzahl der Kiemenformen fanden sich nämlich Körper, welche ohne jeden Zweifel Entwicklungszustände der Sporen darstellten. Dieselben waren nahezu kuglig, von einer zarten Membran umschlossen und größer wie die reifen Sporen; jedoch deutete Vieles darauf hin, dass sie durch die

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 647

Isolation aus dem Protoplasma der Myxosporidie stark gequollen waren, darunter namentlich auch der Umstand, dass sie rasch zu Grunde gingen. Als Inhalt gewahrte man in diesen Körpern (Fig. 14) stets drei blasse, nahezu kuglige, oder durch gegenseitiges, inniges Zusammen- rücken zuweilen auch etwas eckige Gebilde.

An einer Stelle des Umfangs zeigte die Membran häufig sehr deut- lich einen ziemlich weiten Ausschnitt, eine Öffnung (o), und es fanden sich dieser Öffnung stets zwei der Inhaltskugeln zugelagert, die dritte dagegen von der Öffnung abgewandt. Zu beiden Seiten der Öffnung zeigte sich die Membran häufig auf eine Strecke hin verdickt, dunkler und stärker. Die weitere Beobachtung lehrte nun, dass die beiden der Öf- nung zugelagerten Inhaltskugeln entschieden in inniger Beziehung zu der Bildung der beiden Polkapseln stehen, die hintere dritte dagegen keine weitere Veränderung erfuhr. Ich fasste daher die Sache so auf, dass ich die drei Inhaltskörper für Plasmagebilde nahm, von welchen die beiden vorderen die Polkapseln in sich entwickelten, das hintere dagegen den späteren Plasmainhalt der Spore darstelle. Die später gewonnene Erfahrung bei der Hechtmyxosporidie lässt mich jedoch nun vermuthen, dass diese Inhaltskörper nicht Plasmagebilde, sondern drei Kerne sind, welche einer, die Hülle ausfüllenden, jedoch wegen starker Quellung sehr durchsichtigen und daher übersehenen, einheitlichen Plasmamasse eingebettet sind. Halten wir diese Auffassung, wie mir sehr wahrscheinlich, für die richtige, so ergiebt sich eine ziemliche Übereinstimmung mit der Entwicklung der Hechtmyxosporidie. Auch hier haben wir drei Kerne in der Bildungszelle der Spore, von welchen sich der hintere erhält, die beiden vordern dagegen mit der Ausbildung der Polkapseln zu Grunde gehen.

Die Entwicklung dieser Polkapseln selbst bietet aber eine Reihe eigenthümlicher Erscheinungen dar, welche jedoch bis jetzt nicht völlig aufzuklären sind. Ich bemerkte sie zuerst als kleine, kapselartige Ge- bilde, welche in den vorderen Kernen selbst zu liegen schienen (Fig. 45). Bei etwas größer gewordenen, derartigen Kapseln konnte man häufig sehr deutlich ein centrales, dunkles Korn wahrnehmen (Fig. 16). Während nun weiter entwickelte Polkapseln zu beobachten waren, die noch im Inneren der Kerne zu liegen schienen und einen

_'Spiralfaden recht deutlich darboten,, zeigten dagegen andere einen noch

sehr unansehnlichen Faden als eine äußere Fortsetzung der Kapsel- wand, also, so weit verständlich, im ausgeschnellten Zustand, entweder noch als ein sehr feines und kurzes Spitzchen (Fig. 17), oder als einen etwas längeren, im Kern hin- und hergewundenen Faden (Fig. 18); ja ich traf auch isolirte, jedenfalls durch Druck hervorgequetschte, der-

648 0. Bütschli,

artige junge Kapseln, welche schon einen recht ansehnlichen Faden aufwiesen (Fig. 19). Wie gesagt, muss ich die nähere Deutung dieser Beobachtungsergebnisse vorerst dahingestellt sein lassen, namentlich auch die nicht unwichtige Abweichung, welche sich in der Bildungs- stätte der Polkapseln ergiebt, wenn wir die obige Auffassung der drei Inhaltskörper für richtig halten: dass nämlich bei der Kiemenmyxo- sporidie die Kapseln, allem Augenschein nach, innerhalb der beiden vorderen Kerne ihre Entstehung nehmen !.

Nachdem ich hiermit die Aufzeichnung der Beobachtungsergeb- nisse vollendet habe, erlaube ich mir hieran einige Betrachtungen über die wahrscheinlichen Beziehungen unserer Myxosporidien zu den, bei einer derartigen Erwägung zunächst in Frage kommenden Gruppen niederster Organismen zu knüpfen.

Was die von Leyvıs und LiEBERKÜHN betonten Beziehungen zu den Gregarinen betrifft, so glaube ich, dass dieselben als keine ganz innigen zu betrachten sein dürften. Sowohl der Bau der ausgebildeten Myxo- sporidie, wie der der Spore? und auch der Bildungsgang dieser letzte- ren scheinen mir gleichmäßig gegen solche Beziehungen zu sprechen. Ich verkenne hierbei zwar nicht, dass unser Wissen von der Sporu- lation der Gregarinen bis jetzt sehr lückenhaft und unvollständig ist. Es liegen zwar einige Beobachtungen vor, welche das Vorkommen der Sporulation bei gewissen Gregarinen auch im nicht encystirten Zustand und vielleicht auch auf endogenem Weg sehr wahrscheinlich machen, so die mir recht zweifelhaft erscheinende Beobachtung CLarArknpe’s? an Monocystis capitata Leuck. und eine Mittheilung von GABRIEL ? bezüglich einer Gregarine aus Julus, die jedoch zu unvollständig ist, um hieraus etwas Genaueres zu entnehmen. Gegen die Beziehungen zu den Grega- rinen spricht, wie gesagt, vorzüglich der Sporenbau und die Sporen- entwicklung der Myxosporidien, denn diese zeigen nur in den allge- meinsten Zügen Vergleichspunkte mit den Gregarinen. Vorerst haben wir

! Die Vermuthung, welche ich gerne acceptirt hätte, dass die scheinbare Ein- lagerung der Kapseln in die beiden vorderen Kerne nur von einer dichten Anlage- rung an diese herrühre, wird wegen des Verhaltens der ausgetretenen Fäden der- artiger Kapseln unwahrscheinlich.

2 Gegenüber den Differenzen erachte ich die Ähnlichkeit im Sporenbau beider Abtheilungen, wie die gelegentliche Zweiklappigkeit und das Vorkommen von Schwanzanhängen, für wenig bedeutsam.

3 Recherches anat. s. les Annelides, Turb., Opal. et Greg. 1864.

4 Zoologischer Anzeiger. III. p. 569.

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien, 649

wohl alles Recht die sogenannten Polkapseln für besonders bezeich- nende Inhaltskörper der Myxosporidiensporen zu halten, und von diesen hat sich bis jetzt bei Gregarinensporen nichts auffinden lassen; denn die in den Sporen der Adelea von Aımt Scuneiper ! entdeckten, beiden frag- lichen Körperchen dürften kaum den eigenthümlichen Polkapseln an die Seite gestellt werden. |

Diese Verhältnisse der Myxosporidiensporen scheinen mir jedoch auch eben so gegen eine nähere Beziehung unserer Organismen zu den Myxomyceten zu sprechen. Denn so weit ich mich in dieser Hinsicht zu orientiren vermochte, liegen keinerlei Nachrichten über das Vor- kommen solcher polkapselartiger Gebilde in den Sporen der Myxo- myceten vor. Schon oben habe ich betont, dass ich die gelblichen Fetikugeln und die Hämatoidinkrystalle der Hechtmyxosporidie nicht für vergleichbar mit den Pigmenten der Myxomyceten halte; die übrigen Myxosporidien zeigen übrigens nichts von einer Pigmentirung, mit Aus- nahme derer der Gallenblase der Chondropterygier, welche eine gelb- liche Färbung aufweisen, die jedoch schon Lrypıc auf eingedrungene Gallenfarbstoffe zurückführt, wie es ja auch Gregarinen giebt, deren Plasma eine ähnliche Färbung zeigt wie die Wände oder der Inhalt des Darmes, in welchem sie leben ?. Dass natürlich auch die Myxomyceten, namentlich in ihren einfachsten Formen, eine gewisse Ähnlichkeit mit den Myxosporidien verrathen, vorzüglich auch in der ihnen zum Theil eigenthümlichen endogenen Sporenerzeugung, dürfte nicht zu verken- nen sein, doch findet sich eine solche Ähnlichkeit auch zwischen den Myxomyceten und solchen einfacheren Sarkodinen, welche man all- gemein den Rhizopoden einreiht. Unter diesen findet sich ein Organis- mus, mit welchem die Myxosporidien speciell auch einige Beziehungen zu besitzen scheinen, nämlich die interessante Pelomyxa. Einmal stimmen sie mit dieser im Besitz großer Mengen kleiner Zellkerne über- ein, dann aber ist es auch wahrscheinlich, dass die Pelomyxa endogene, umhüllte Sporen erzeugt?, die zwar auch nichts von Polkapseln zeigen. Gerade auf diese Polkapseln muss jedoch wohl vorerst bei Beurtheilung der allgemeinen Stellung unserer Myxosporidien einiges Gewicht gelegt werden. Nach Allem, was wir von ihnen wissen, können wir zu ihrer Vergleichung nur die echten Nesselkapseln heranziehen, welche bis jetzt ausschließlich bei entschieden thierischen Organismen angetroffen worden sind und nach neueren Erfahrungen ja auch in der Abtheilung

1 Arch. zoolog. experim. IV. p. 599. 2 Vgl. hierüber Scaneiper, 1. c. p. 541. 3 Vgl. hierüber BürscaLı, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge. Sep.-Abdr. p. 150. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. 43

650 0. Bütschli,

der Protozoen nicht fehlen. Ich verkenne zwar durchaus nicht, dass auch dieses Kriterium, wie die anderen, welche nach und nach zur Grenz- scheidung zwischen dem dhiorischen und pflanzlichen Reich hervor- gehoben wurden, nur aufgestellt sein wird, um durch tiefergehende Erfahrungen umgestürzt zu werden. Da es sich aber vorerst doch nur um eine provisorische Feststellung etwaiger Beziehungen unserer Myxo- sporidien handelt, so dürfte auch dieses Kriterium einstweilen zur Verwerthung herangezogen werden, bis vollständigere Erfahrungen über die gesammte Lebensgeschichte unserer Organismen eine sicherere Entscheidung erlauben.

Ich möchte auf Grund der vorstehenden Betrachtungen unsere Formen als von den einfacheren Rhizopoden sich ableitend auffassen. Den Rhizopoden einverleibt können sie jedoch nicht werden. Damit wären denn aber auch die nachbarlichen Beziehungen derselben zu Gregarinen und Myxomyceten nicht ausgeschlossen, denn auch diese beiden Abtheilungen weisen auf einen ähnlichen Ursprung hin. Ge- rechtfertigt wird es aber erscheinen unsere Organismen als eine be- sondere Abtheilung zusammenzufassen, welche ihre Stellung neben den Gregarinen einzunehmen hat und ebenso wohl auch gerechtfertigt, statt des in Misskredit gekommenen Namens »Psorospermien« einen neuen zu wählen. Ich glaube, dass der von mir gewählte Name » Myxospo- rida« nicht ganz unpassend sein dürfte.

Basıanı hat bekanntlich die Myxosporidien für pflanzliche Organis- men erklärt und berichtet auch von eigenthümlichen Konjugationser- scheinungen ihrer Sporen. Seine Auffassung wird jedoch schon dess- halb keine ernstliche Widerlegung bedürfen, weil er die Sporen für die ausgebildeten Organismen zu halten scheint. Übrigens hat er auch seine | Ansicht nicht weiter begründet.

Heidelberg, den 25. Februar 1881.

Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. 651

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXXI.

Fig. 4—24. Von Myxosporidien der Kiemen der Süßwassercy- prinoiden.

Fig. 4—3. Sporen von der Breitseite gesehen. p, die Polkapseln; n, der Nu- cleus; K, die dunklen Körnchen. In Fig. 3 ist der Plasmainhalt der Spore etwas zusammengezogen und ziemlich glänzend, daher der Kern nicht sichtbar.

Fig. + und 5. Zwei Sporen von der Schmalseite gesehen. Fig. 4 mit ausge- schnellten Fäden der Polkapseln. Beide nach Behandlung mit koncentrirter Schwefelsäure, wonach die Öffnung am spitzen Pol besonders deutlich hervortritt.

Fig. 6 und 7. Aus einander gefallene Klappen der Sporen nach Behandlung mit koncentrirter Schwefelsäure.

Fig. 8-41. Abnorme Vorkommnisse geschwänzter Sporen. Fig. 10 mit drei Polkapseln.

Fig. 42. Spore mit durch Druck hervorgepressten Fäden der Polkapseln.

Fig. 43. Spore mit in "normaler Weise hervorgetretenen Fäden der Pol- kapseln.

Fig. 14—18. Eine Reihe von Entwicklungsstadien der Sporen. Wahrscheinlich stark aufgequollen.

Fig. 49. Eine noch nicht völlig ausgebildete Polkapsel mit ausgetretenem Faden.

Fig. 20. Eine isolirte reife Polkapsel mit hervorgeschnelltem Faden.

Fig. 21. Kerne der Myxosporidie.

Fig. 22. Ein Kiemenblättchenpaar eines Cyprinoiden, davon das eine Blättchen mit einer Myxosporidie (C). K, das Knorpelstäbchen dieses Kiemenblättchens.

Fig. 23. Eine isolirte kleine Myxosporidie mit ihrer Hülle.

Fig. 24. Ein Theil dieser Hülle stärker vergrößert mit ihren Kernen.

Fig. 25—40. Von der Myxosporidie der Hechtharnblase.

Fig. 25—27. Drei größere Formen dieser Myxosporidie bei schwacher Ver- größerung. Fig. 25 mit Besatz von feinen haarartigen Ektoplasmaforlsätzen. Fig. 27 mit der im Text (p. 641) geschilderten, längsstreifigen Differenzirung des Ektoplasmas an den Seiten.

Fig. 28. Kleiner Theil des Randes einer größeren Myxosporidie mit der eigen- thümlichen Differenzirung, die im Text (p. 641) näher geschildert wurde.

Fig. 29 a—c. Drei successive Stadien der Entwicklung heller, ektoplasmatischer Pseudopodien am einen Körperende einer großen ] Myxosporidie.

Fig. 30. Kleine Myxosporidie, befestigt an einer Epithelzelle der Harnblase; n, der Nucleus dieser Zelle.

Fig. 34. Theil des Randes einer großen Myxosporidie mit verzweigten, geweih- artigen Ektoplasmafortsätzen.

Fig. 32. Isolirte Spore. n, Nucleus; p, Polkapseln.

Fig. 33. Spore mit ausgeschnellten Fäden der Polkapseln, nach Behandlung mit koncentrirter Schwefelsäure.

‚Fig. 34 a—c. Vier der gelblichen Fettkügelchen mit Einschlüssen von Häma-

. toidinkrystallen.

Fig. 35—40. Eine Reihe Entwicklungsstadien der Sporen. In Fig. 39 und 40 ist nur je eine Spore des Paares ohne die, beide umschließende, zarte Hüll- membran dargestellt. p, die sich entwickelnden Polkapseln, daneben in Fig. 39

noch die beiden allmählich verschwindenden Nuclei; n, der bleibende Nucleus der

Spore.

43*

Studien über Bopyriden. Von Professor Dr. R. Kossmann in Heidelberg. 1.

Gigantione Moebii und Allgemeines über die Mundwerkzeuge der Bopyriden.

Mit Tafel XXXII und XXX.

Über Bopyriden habe ich bereits in meinen »Zoologischen Ergeb- nissen einer Reise in die Küstengebiete des rothen Meeres« (Malacostraca, p. 108ff.)!, so wie auf der Naturforscherversammlung zu Danzig (vgl. » Tageblatt der 53. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte «. 1880. p. 211) Einiges mitgetheilt. Die nächste Veranlassung zu den bezüglichen Arbeiten boten neue Formen dieser Familie, deren eine ich im rothen Meere, deren andere Professor Mozsıus bei Mauritius gefunden hatte. Die letztere in einem ausschließlich der erythräischen Fauna ge- widmeten Werke ausführlich zu besprechen, erschien unpassend; in dem Tageblatte der Naturforscherversammlung war eine durch Abbil- dungen unterstützte Ausführlichkeit unmöglich. Ich beschränkte mich also bezüglich dieses Bopyriden von Mauritius bei beiden Gelegenheiten auf kurze Bemerkungen und that das um so lieber, als ich schon damals auf Ergänzung einiger Lücken während eines bevorstehenden Aufent- haltes in der zoologischen Station zu Neapel hoffen durfte. Über solche Hoffnung hinaus hat mir seitdem dieser Aufenthalt Material zur gründ- lichen Bearbeitung der ganzen Familie geliefert, so dass ich mich nun schon mit dem Plane trage, eine Monographie derselben zu veröflent- lichen. Ich würde es wohl sogar aufgegeben haben, der Monographie einen bruchstückartigen Artikel noch voraufzusenden, wenn mich nicht zwei Gründe bei dieser ersten Absicht zu bleiben veranlasst hätten:

1 Leipzig 1880.

Studien über Bopyriden. 653

erstens nämlich die Überlegung, dass ich bereits mehrfach auf eine Arbeit unter dem Titel der hier vorgelegten hingewiesen hatte; und zweitens der Wunsch, durch eine vorläufige Mittheilung bei meinen Fachgenossen um Zusendung! des etwa in ihren Händen befindlichen wohlkonservirten Materials zu werben. Dies will ich denn hiermit aus- drücklich gethan haben und bitte nur noch, mir die hierorts gemeinen Arten Jonethoracica, Gyge branchialis und Bopyrus squil- larum gar nicht und andere Arten nur in wirklich leidlichem Zustande zu senden. Auch erlaube ich mir die Bemerkung, dass ich mich zur Rück- sendung, es sei denn von Dubletien, nicht verpflichten kann, da eine Untersuchung ohne Zergliederung nicht möglich ist.

Um mir auch in anderer Hinsicht die Beihilfe meiner Fachgenossen zu verschaffen, sende ich ein Verzeichnis der mir bekannt gewordenen Litteratur über Bopyriden (im engern Sinne, also ohne Üryptoniscus, Entoniscus und dgl.), so wie der zu meiner Kenntnis gelangten Gat- tungsnamen und Wohnthiere schon dieser Arbeit voraus, indem ich auf etwaige Vervollständigung der Listen durch die Gefälligkeit be- lesenerer Forscher hoffe.

Verzeichnis der Gattungsnamen der Familie der Bopy- riden s. str. (vgl. Kossmann, Zool. Ergebnisse, Malacostraca. p.A18). Argeia, Dana, Bopyrus, LATREILLE, Bopyroides, STIMPson, Cepon, DuvErnoy, Dajus, Kroyer, Gyge, CornaLIA und PAncERI, Jone, LATREILLE, Leidya, CornaLıa und Pancerı, Phyllodurus, Srımpson, Phryxus, RATHkE. (Athelges, Hzsse, Pleurocrypta, Hesse und Prosthetes, Hesse.)

Verzeichnis der Wohnthiere, auf welchen bisher . Bopyriden gefunden wurden. Brachyura. Gelasimus pugilator, Leptograpsus rugulosus, _ Metopograpsus messor,

! Unter der Adresse der zoologischen Station zu Neapel.

694

R. Kossmann,

Brachyura. Rüppellia impressa, Portunus arcuatus. Anomura. Pagurus sp., Porcellana sp., Galathea squamifera. Macrura. Callianassa subterranea et A sp. inc., Gebia littoralis et 4 sp. inc., CGrangon munitus, Nika edulis, Alpheus sp., Palaemon squilla, serratus, Leachii, xiphias, Palaemonetes vulgaris, Pandalus annuliceps, borealis, Montagni, Hippolyte, 6 spec. Schizopoden. Mysis, 1 sp. inc.

Verzeichnis der Litteratur über die Bopyriden s. str.

1.

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SION ©

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HA,

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Diagnose der Gattung Gigantione mihi.

Männchen mit sechsgliedrigen äußeren Antennen, und deutlich seg-

mentirtem Pleon, das sechs oval beutelförmige Pleopodenpaare trägt.

Weibchen im Umriss fast kreisrund, mit konkaver Rückenfläche.

Innere Antennen dreigliedrig, das erste Glied zu einem flachen großen Kissen erweitert, welches je auf seiner Seite die Mundgegend so be-

656 R. Kossmann,

deckt, dass nur die Mandibelspitzen aus einer vertikalen Spalte zwi- schen den beiden Kissen hervortreten. Äußere Antennen fünfgliedrig. Beide Laden des Maxillarfußes mit annähernd kreisförmiger Kontur, am ganzen Rande bewimpert. Pereiopoden mit kurzer spitzer Klaue, an dem vorhergehenden Gliede keine Zähne oder. Borsten; Brutblätter, welche die Bruthöhle völlig überdecken; an den vier ersten Pereio- podenpaaren bildet sich am Goxalgliede eine kissenartige Erhebung aus, welche, mit schuppiger Guticula überzogen, als Haftpolster fungirt und scharf gegen die Bedeckung des Rückens abgesetzt ist. An allen Segmenten des Pereions und Pleons ragt jedoch der Seitenrand des Rückenschildes lappenartig vor; diese Seitenlappen sind namentlich an den mittleren Segmenten des Körpers sehr ausgebildet; nirgends sind sie verästelt. Die Pleopoden des ersten Paares stellen zipfelförmige Säcke dar, auf deren Oberfläche sich spärliche verzweigte Auswüchse zeigen; die der folgenden Paare sind in ein vollständiges Astwerk auf- gelöst, stark chitinisirt; sie ragen nicht über die Seitenkontur des Kör- pers hervor, so dass sie in der Rückenansicht des Thieres nicht wahr- nehmbar sind. Größe des reifen Weibchens 15 mm. Wohnthier: Rüp- pellia impressa de Haan. Fundort: Mauritius (Prof. Dr. Morsıus coll.).

Dieser kurzen Diagnose möchte ich zunächst diejenigen Erläute- rungen folgen lassen, welche nicht auf die Mundwerkzeuge Bezug haben. Um nicht zu viel auf andere Gattungen und die Systematik eingehen zu müssen mit einem Worte, um der geplanten Mono- graphie nicht vorzugreifen fasse ich mich in dieser Hinsicht kurz. Die Form der Pereiopoden geht aus den Figuren 8 und 9 deutlicher hervor, als eine ausführliche Beschreibung sie schildern könnte. Ein Vergleich des weiblichen Pereiopoden (Fig. 8) mit dem anderer Gat- tungen zeigt uns ein relativ schwaches Haftwerkzeug, dessen spitze, aber kaum hervorragende Klaue wenig zur Fixation des Thieres bei- tragen kann was ja auch dem Aufenthalt in der rings verschlossenen Kiemenhöhle eines Brachyuren entspricht. Die Pereiopoden des Männ- chens (Fig. 9 in derselben Vergrößerung, wie Fig. 8, Fig. 9a stärker vergrößert), haben eine relativ längere, gekrümmtere Klaue und das vorhergehende Glied, welches die Muskulatur für die Bewegung dieser Klaue enthält, ist relativ viel mächtiger. Die Coxae der vier ersten Pereiopodenpaare des Weibchens sind zu länglichen, annähernd rüben- oder birnförmigen Polstern aufgebläht, welche sich scharf gegen den eigentlichen Rückenschild abgrenzen und dem entsprechen, was H. MıLne-EpwArds in seiner Hist. nat. des crustaces bei den Arthrostraken als Epimeren bezeichnet. Untersuchungen an lebenden Exemplaren der

Studien über Bopyriden. 657

nahe verwandten Gattung Gepon haben mich überzeugt, dass diese Haft- polster fast ganz aus Muskulatur bestehen; ihre Cuticula ist geschuppt. Eine Bewegung von geringem Ausschlag, aber großer Kraft, so wie die starke Reibung, die ihre Oberfläche ausführen kann, macht sie für das Thier zu wichtigen Werkzeugen der Fixation und der Lagenänderung. Von diesen Polstern zu unterscheiden sind die Seitenlappen des Rücken- schildes. Bei einer nahe verwandten Gattung, Jone, habe ich durch Vergleichung verschiedener Altersstufen konstatiren können, wie diese Lappen entstehen. Das junge Thier ist sehr flach gebaut, und die Gliedmaßen sind in einiger Entfernung vom Seitenrande des Thieres an der Bauchfläche inserirt. Es ragt also eine dem Mantel zahlreicher Crustaceen entsprechende Rückenhautduplikatur seitlich über die Coxa vor, welche durch die Intersegmentalzwischenräume in einzelne flügel- oder lappenförmige Anhänge getheilt ist; diese entsprechen demnach ungefähr dem, was H. MırLne-Epwarps bei den Thorakostraken als Epi- meren bezeichnet. Allmählich tritt nun bei Jone die Coxa des Pereio- poden auch in der Rückenansicht des Thieres vor jenem Epimerallappen in dem Intersegmentalausschnitte zu Tage, während der Epimeral- lappen immer länger und länger wird. Ähnlich verhält es sich bei Gepon, wo derselbe Epimerallappen kurz bleibt, auch durch Eindringen von Ausläufern der Eierstöcke mehr gefüllt und straff, minder lappen- ähnlich erscheint, dagegen die Coxa zu einem mächtigen Polster an- geschwollen sich in dem Intersegmentalausschnitte gegen den Rücken empordrängt. Vergleicht man mit diesen Verhältnissen nun unsere Gigantione (siehe Fig. 1), so ist es klar, dass wir in e den Epimeral- lappen (sog. Thorakalkieme) der Gattung Jone, in c das Coxalpolster der Gattung Gepon wiederfinden, welches letztere vor dem ersteren gegen den Rücken emporgedrängt ist und sich mit seinem spitzeren Hinter- ende rückwärts noch über den Epimerallappen wegschiebt. An eine Kiemenfunktion dieser Epimerallappen, hinsichtlich deren ich meine Zweifel schon a. a. O. ausgesprochen hatte, ist nach genauer Prüfung lebender Exemplare von Jone nicht zu denken. Die Cuticula derselben ist schuppig und keine irgend auffällige Bluteirkulation darin wahrzu- nehmen; auch werden diese Lappen von Jone, wie ich das a. a. O. ge- nauer beschreiben werde, zur Dichtung der in die Kiemenhöhle des "Wohnthieres führenden Spalte benutzt. Auch an dem Pleon der weib- lichen Gigantione finden sich diese Epimerallappen, nach hinten zu an Länge ab-, an Breite zunehmend, vor, ohne sich jemals, wie bei Jone, zu verästeln. Das vorderste Pleopodenpaar (Fig. 10) in seiner plum- peren Gestalt dient wesentlich dazu, den davor liegenden Brutblättern einen Halt zu geben, die darauf folgenden Pleopoden (Fig. 41) sind

658 R. Kossmann,

reichlich so stark verästelt, als bei Jone und Gepon, aber kürzer, unter den Epimerallappen verborgen. Ich glaube ihnen jede Kiemenfunktion absprechen zu müssen, da sie dafür eine viel zu dicke Cuticula be- sitzen, die überdies (Fig. 11a) ganz stachlich ist. Sie dienen offenbar mit zur Fixation des Thieres, mögen aber wohl auch, wie die übrigen rauhen Anhänge und Auswüchse der Bopyriden, durch den Reiz, den sie auf das Wohnthier ausüben, einen stärkeren Blutandrang und da- mit reichlichere Nahrungszufuhr bewirken. Schon hier will ich übrigens nicht verschweigen,, dass ich in den Pleopoden und verzweigten Epi- merallappen von Jone thatsächlich eine sehr rege Cirkulation finde, obwohl auch dort die kräftigen, stark chitinisirten Endklauen an ein oder (bei jüngeren Thieren) zwei Pleopodenpaaren, so wie die starke Kontraktilität diese Organe vorzugsweise doch als Lokomotions- und Fixationswerkzeuge darthun. Bei Gepon portuni, wo die Endklauen fehlen, die Kontraktilität aber noch größer ist, als bei Jone, habe ich bei Beobachtung zahlreicher lebender Exemplare verschiedenen Alters nie eine stärkere Cirkulation, als beispielsweise in den Pereiopoden ge- funden. Im Allgemeinen werden wir also nur sagen dürfen, dass die Kiemenfunktion der Pleopoden, die bei den Isopoden das Normale ist und demnach wohl auch bei den nähern Vorfahren der Bopyriden statt- hatte, sich in so fern noch bei diesen erhalten hat, als eben das Herz nach wie vor im Pleon liegt, und dessen Anhänge vorzugsweise reichlich mit Blut versorgen kann; dass aber vielfach durch die starke Kontraktili- tät der Pleopoden die Blutversorgung und in andern Fällen durch die starke Cuticularisirung die Sauerstoffresorption beeinträchtigt wird und demnach jedenfalls nicht als die Hauptfunktion der Pleopoden betrachtet werden kann. Beim Männchen sind die Pleopoden ungefähr eiför- mig, unter der Bauchseite verborgen, nur die letzten etwas gestreckter und hervorragend.

Ich gehe zur Beschreibung der Mundwerkzeuge über, wobei ich nicht unterlassen kann, eine Anzahl anderer Gattungen zum genaueren Vergleiche heranzuziehen.

Was zunächst die Lage der Mundöffnung angeht, so ist es für Gi- gantione charakteristisch, dass durch stärkere Wölbung der Bauchseite und Verkürzung der Rückenfläche des Cephalons die Mandibeln und innern Antennen bei Betrachtung des Thieres von der Rückenseite sicht- bar werden. Ich kenne nur eine Gattung, bei der sich dies Verhalten gleichfalls findet, nämlich Phryxus. Dort hat es Herrn Hesse zu der der ' Einsicht dieses Dilettanten ganz angemessenen Meinung veranlasst, Phryxus trage seine Bruthöhle auf dem Rücken.

Bei keiner andern Bopyridengattung finde ich die der weiblichen

Studien über Bopyriden. 659

Gigantione eigenthümliche Gestalt und Lage der innern Antennen wie- der. Man vergleiche die Mundregion der Gyge oder Jone (Fig. 12 und 44), und man wird finden, dass die innern Antennen, wenn schon etwas kurzgliedrig, doch im Allgemeinen cylindrisch und so inserirt sind, dass sie die Oberlippe und die noch weiter rückwärts situirten Mund- werkzeuge völlig frei lassen. Bei Gigantione dagegen (siehe Fig. 4) ist das Basalglied der innern Antennen ein großes flaches Polster, in dessen Mitte die beiden andern Glieder, ganz rudimentär, aufsitzen. Nach vorn hin weichen diese beiden Polster gerade so weit aus einander, dass sie den Mandibelschneiden den Durchtritt gestatten; hinter diesen berühren sie sich in der Medianlinie und überdecken somit die Unter- lippe (die Paragnathen) vollständig. Erst durch ihre Entfernung ge- langt man zu einem Verständnis der eigentlichen Mundwerkzeuge, be- züglich deren sich bei den von mir untersuchten neun differenten Formen, selbst einschließlich der Gattung Phryxus, eine solche Über- einstimmung zeigt, dass mir die Abbildung dreier genügend erschien (Fig. 5, 12u. 44). Überall finden wir eine in der Mitte durch kreisförmige Ausrandung reducirte Oberlippe, welcher eine noch bedeutend tiefer ausgerandete Unterlippe gegenüber liegt. In meinen »zoologischen Er- gebnissen« (Malacostr. t. XI. Fig. 4 und 2), habe ich, unter Beifügung eines Fragezeichens, diese Unterlippe als Maxille bezeichnet, und auch im Text gesagt, dass zwar dieser Theil einer Unterlippe vergleichbar die Mundöffnung nach hinten abschließe, aber wegen seiner Analogie mit der männlichen Gigantione auch hier als Verwachsungsprodukt der Maxillen anzusehen sein möchte. Von dieser Meinung bin ich zurück- gekommen, und halte das betreffende Gebilde für die wirkliche Unter- lippe (Hypostom Senigpre, Paragnathen Craus). Das Scheinbar analoge Organ der männlichen Gigantione (Fig. 6 pmx) ist nämlich zweifellos homolog mit dem eben so bezeichneten Organ der männlichen Jone (Fig. 16 pmx&), wie schon ein Blick auf die Abbildungen lehrt. Ein Vergleich aber wiederum zwischen der männlichen und der jungen weiblichen Jone lehrt, dass bei dieser (Fig. 15 pma) das homologe Or- gan ebenfalls wiederzufinden ist, aber nichts mit der weit davor liegen- den Unterlippe zu thun hat. Andererseits wird ein Vergleich der beiden Geschlechter von Jone und Gigantione (Fig. 5, 6, 44, 15, 16) in den mit hpst bezeichneten Theilen unbedingt Homologa erkennen lassen, so dass die Natur derselben als Unterlippe außer Zweifel gesetzt wird. Übrigens ist auch die Übereinstimmung in Form und Lage mit dem Hypostom der Gymothoa (vgl. zoologische Ergebnisse, Malacostr., tab. X) auffällig. |

In der Öffnung, welche durch die sich gegenüber liegenden Aus-

.660 R. Kossmann,

randungen der Ober- und Unterlippe gebildet wird, erscheinen die

Spitzen der beiden Mandibeln. In dieser Hinsicht stimmen beide Ge- schlechter bei allen von mir untersuchten Formen überein. Wesentliche

Unterschiede finden sich hingegen bezüglich der Form der Mandibel-

spitze. Diese ist bei den Weibchen die eines Löffels, den man sich

durch Torsion der Längsachse windschief gedreht denken kann. Meine Abbildungen des betreffenden Organs von Jone (Fig. 49) und Gyge

(Fig. 20), namentlich die erstere, zeigen dies deutlich und sind auch in so fern instruktiv, als bei jener der stärkste, bei dieser der geringste

Grad von Zähnelung des Löffelrandes unter den mir bekannten Formen

zu finden ist. Die Mandibel der Gigantione (Fig. 5 mnd) stimmt fast

völlig mit der von Gyge überein; höchstens ist bei dieser der Löffel

mehr ausgehöhlt. An der männlichen Mandibel ist solche Löffelbil-

dung gar nicht zu finden; ihr Ende ist ein stumpfer Stachel, bei Gyge

(Fig. 22) ohne, bei Jone (Fig. 21) mit Dörnchen besetzt. Bei jungen |

Weibchen von Jone (Fig. 23) sieht das Mandibelende dem des Männ- chens sehr ähnlich; nur ein leichter Eindruck inmitten der Dörnchen deutet an, in welcher Weise daraus der Löffel entsteht. Ganz deut- lich kann man sehen, wie die beiden Mandibellöffel des Weibchens sich zu einem Rohr zusammenlegen können, während mich gelegentliche Beobachtung des lebenden Thieres auch überzeugt hat, dass die ge- wöhnliche Bewegung derselben in einem abwechselnden Vorstoßen unter gleichzeitiger Drehung der Mandibel um ihre Längsachse besteht. Es ist sehr leicht einzusehen, wie durch solche Benutzung des Organs die Cuticula des Wohnthieres angeschnitten wird; ist der Schnitt tief genug, so wird durch Zusammenlegen der Löffel ein kurzes Rohr dar-

gestellt, durch welches das Blut fast ohne Verlust in den Schlund fließt;

dass auch durch die vordere und hintere Spalte, die beide Löffel trennt, kein Nahrungsverlust entstehe, wird von der Ober- und Unterlippe ver- hindert, die diese Spalten bedecken. Eine schon in meinen »zoologi-

schen Ergebnissen« wie auch in den meisten Abbildungen zu diesem ' Aufsatz angedeutete Chitinspange läuft von der Oberlippe aus unter '

jeder Mandibel weg zur Unterlippe und giebt der Mandibel eine feste

Führung in ihren Bewegungen. In welcher Weise die Mandibeln des

Männchens funktioniren, ist mir immer noch zweifelhaft. Dass sie im

Stande wären, die Cuticula des Wohnthieres anzubohren, ist sehr wahr- '

scheinlich ; jedenfalls aber würde eine vollständige Ausnutzung der her- vorquellenden Nahrung fehlen, da kein Saugrohr gebildet wird. Dies Bedenken allerdings wäre noch untergeordneter Natur, denn bei seiner geringen Größe und dem Fehlen der Eiproduktion kann sich das Männ- chen jedenfalls mit geringerer Nahrungsmenge begnügen. Ein viel

Studien über Bopyriden. 661

größeres Bedenken finde ich bei Betrachtung der Lage, die das Männ- chen am Wohnthiere einnimmt. Alle von mir untersuchten reifen Weib- chen sämmtlicher Gattungen außer Phryxus kehren ihre Bauchfläche gegen die Kiemenhöhlendecke des Wohnthieres, bohren diese an und behalten ziemlich unverändert ihre Lage bei; höchstens findet man gelegentlich ein paar alte Narben in unmittelbarer Nähe der frischen Wunde. Inzwischen hält sich das Männchen stets auf der Bauchfläche, gewöhnlich des Pleons, des Weibchens auf und kehrt diesem seine Bauchseite und der Kiemenhöhlendecke des Wohnthieres den Rücken zu. Da seine Mundgliedmaßen stets entschieden bauchständig sind (vgl. die Fig. 6, 13, 16, 17, 18), so ist es demnach unfähig aus irgend einem Theile des Wohnthieres Nahrung aufzunehmen, es sei denn, dass es vorher vom Weibchen herunter wandert. Ein solches Verlassen des reifen Weibchens scheint nun aber normal gar nicht vorzukommen. Hunderte von lebenden Exemplaren habe ich dem Wohnthiere ent- nommen; immer nahm das Männchen die geschilderte Stellung ein und war nur mit größter Mühe unverletzt daraus zu entfernen. Auch der Gedanke, es wende sich das Männchen bei irgend welcher Störung so- gleich zum Weibchen und klammere sich an demselben fest, ist unzu- lässig, denn bei Callianassa, meist auch Palaemon und Gebia, beson- ders aber bei Nika sind die Kiemenhöhlendecken so durchsichtig, dass man die Lage des männlichen Schmarotzers ohne irgend welche Stö- rung desselben konstatiren kann. Es bleibt somit nicht wahrschein- lich, dass das Männchen, wenn es in solcher Weise mit einem reifen Weibchen vergesellschaftet ist, überhaupt noch Nahrung aus dem Wohnthiere gewinnt. Dass es sich von fremden Substanzen, die in die Kiemenhöhle des Wohnthieres gelangen, ernähre, ist unwahrscheinlich, weil die Mundwerkzeuge durchaus weder zum Beißen noch zum Kauen befähigen. Endlich ist ein Ansaugen des eigenen Weibchens überhaupt unerhört und auch nicht durch den Nachweis von Wunden an demsel- ben zu konstatiren.

| ‚Anders liegen die Verhältnisse, so lange das Weibchen noch jung ist. Solche Weibchen von Jone und Gepon habe ich fast immer ganz ohne Männchen gefunden; ist ein Männchen vorhanden, so ist der Größenunterschied beider Geschlechter weit geringer, als wenn das Weibchen reif ist; einmal habe ich in derselben Kiemenhöhle Männ- chen und Weibchen gefunden, von denen das erstere das letztere an Größe übertraf. In diesem Falle sowohl als auch immer dann, wenn ein unreifes solitäres Weibchen die Kiemenhöhle bewohnte (wobei frei- lich nicht sicher ist, ob nicht irgend wo zwischen den Kiemen des Wohnthieres, entfernt vom Weibchen, ein männliches Individuum ver-

662 R. Kossmann,

borgen geblieben ist), kehrten die Schmarotzer ihre Bauchseite den Kiemen zu. Bedenkt man dann noch, dass in diesem Alter die Man- dibel des Weibchens der des Männchens überaus ähnlich ist (siehe Fig. 24 und 23), so erscheint der Schluss nicht sehr gewagt, dass die Bo- |

pyriden vor Eintritt der Geschlechtsreife in der Kiemenhöhle des Wohn- | 4 thieres jedes Individuum für sich leben und sich in ähnlicher Weise

von dem den angebohrten Kiemen entfließenden Blute ernähren; dass mit Annäherung der Reife das Weibchen eine Lage annimmt, in der es den Kiemen den Rücken zuwendet, mit den löffelförmig gestalteten

Mandibeln die Kiemenhöhlendecke anschneidet und in Folge vollstän- ' i

digerer Ausnutzung der erbohrten Nahrungsflüssigkeit von nun an, trotz gleichzeitiger Eierproduktion, rapid heranwächst; das Männchen aber

sich dem gereiften Weibchen zuwendet, sich auf demselben fest- ii klammert, die Nahrungsaufnahme aufgiebt oder nur höchst selten Behufs solcher das Weibchen verlässt und demzufolge kaum noch erheblich an

Größe zunimmt. |

Außer den Mandibeln findet sich am Cephalon der reifen Bopyri- | i denweibehen nur noch ein Paar wohl entwickelter Gliedmaßen. Cor- naLıa und Pancerı (Nr. 7 des Litteraturverzeichnisses) bezeichnen sie als »pajo interno di zampe-mascelle« (inneres Paar Kieferfüße), Srenc# BATE und Wesrwoon (Nr. 2) nennen sie bald Maxillen, bald Maxillarfüße; '

ich selbst habe sie in meinen »zoologischen Ergebnissen« bereits als

Kieferfuß angesprochen, und meine weitern Untersuchungen haben | mich darin nur bestärkt. Sie als innere Kieferfüße zu bezeichnen ist jedenfalls unthunlich. Wir unterscheiden bei Isopoden ja überhaupt

nur ein Kieferfußpaar, und dieses muss dem Cephalon angehören.

Schon Cornauıa und Pınerrı bemerken richtig, dass der Anhang, wel- chen sie den äußern Kieferfuß nennen, dem ersten freien Segmente nach & dem Cephalon (also dem Pereion) angehöre. Es ist dies aber einfach das von den übrigen Brutblättern etwas abweichend gestaltete Brutblatt des ersten Pereiopoden. aM

Freilich ist damit, dass eine Unterscheidung von innern oder äußern Kieferfüßen zurückgewiesen ist, noch nicht gesagt, dass wir es bei der |

fraglichen Gliedmaße überhaupt mit dem Homologon des Isopodenkiefer- | N fußes zu thun haben. Bliebe doch immer noch die Möglichkeit, sie

für eine der beiden Maxillen anzusehen, wie dies Spener Bar und WestwoonD inkonsequenterweise auch an einzelnen Stellen in ihrem Texte ihun. |

Nur eine vergleichende Zusammenstellung verschiedener männ- |

licher und weiblicher Formen gewährt uns einiges Licht auf diesen

Gegenstand. Die fragliche Gliedmaße der weiblichen Gigantione (siehe 4

Studien über Bopyriden. 663

Fig. 7) kann durch ihre Form an sich nichts aufklären. Aber sie ist leicht mit der entsprechenden der Gyge (Fig. 26) und diese wieder mit derjenigen des Bopyrus (Fig. 25) zu identificiren. Diese letztere be- sitzt an ihrer Spitze noch ein kurzes cylindrisches mit Borsten besetztes Glied; und zieht man nun noch die betreffende Gliedmaße der Jone hinzu, so tritt uns dies cylindrische Endglied bereits in einer Form ent- gegen, welche die Ähnlichkeit der ganzen Gliedmaße mit dem Kieferfuße der Cymothoa frappant macht. Jüngere Weibchen von Jone zeigen dies cylindrische Endglied relativ mächtiger, den blattförmigen Theil gegen das Endglied hin verschmälert; und noch jüngere (vgl. Fig. 15) lassen nur die cylindrische Gliedmaße ohne jede blattartige Verbreite- rung der Basis erkennen. In dieser Form aber findet sich die Gliedmaße auch bei der männlichen Jone (Fig. 16 pmx), mehr dreieckig zipfelför- mig bei der männlichen Gigantione (Fig. 6 pmx) vor.

Bei Jone nun findet man vor dieser Gliedmaße bei jüngeren und

reifen Weibchen, wie auch beim Männchen (Fig. 14, 15, 46) nur noch ein Paar deutlicher Gliedmaßenrudimente. Dieselben sind in den Ab- bildungen mit ma, bezeichnet; für die Richtigkeit ihrer Deutung als zweites Maxillenpaar, dann aber auch für die Richtigkeit der Deutung der folgenden Gliedmaßen als Kieferfüße, würde freilich ein gewichtiger Grund erst vorliegen, wenn man weiter vorwärts noch ein Gliedmaßen- rudiment konstatirte. _ Betrachten wir nun das Männchen einer ebenfalls auf CGallia- nassa subterranea schmarotzenden, aber von Jone durchaus ver- schiedenen, bisher unbeschriebenen Form, die ich vorläufig Pseu- dione nennen will (Fig. 17), so ist an Stelle der vermuthlichen Kiefer- füße der Jone ein Paar Stümmelchen erkennbar, die immerhin wegen der Endborsten, die sie tragen, als Homologa jener unverkennbar sind; auch vor ihnen, etwas nach außen, finden wir die schon bei Jone mit M&C5 bezeichneten Gliedmaßenrudimente wieder. Noch weiter vorn, im Winkel zwischen Unterlippe und Mandibelstiel, erscheint hier jederseits ein Wulst, der schon an sich einem Gliedmaßenrudiment sehr ähnlich sieht. Seine Deutung als solches gewinnt noch an Wahrscheinlichkeit, wenn wir noch das Männchen von Bopyrus (Fig. 18) zum Vergleiche hinzuziehen.

Ein Blick auf die Mundgliedmaßen der weiblichen Gigantione lässt uns nun dort (Fig. 5 mac,) dasselbe Rudiment der ersten Maxille wie- derfinden, welches wir bei der weiblichen Jone vermisst hatten. Bei der männlichen Gigantione bin ich im Zweifel ob wir die erste Maxille in r wiederfinden, oder ob sie fehlt. Wäre r wirklich die erste Maxille, so müsste dieselbe von der Innenseite der Mandibel auf deren Außen-

664 Se R. Kossmann,

seite gerückt sein. Undenkbar ist das nicht, denn bei der männlichen Gyge (Fig. 13), wo sich das stärkste Rudiment von ihr findet, verdeckt dasselbe ganz die Basis der Mandibel und ragt eher etwas nach außen, . als nach innen über dieselbe hinaus. Wir finden, wenn alle diese Er- örterungen, die ja immerhin: nur Wahrscheinlichkeitsbeweise liefern können, richtig sind, folgendes Gesammitresultat: h

Die erste Maxille fehlt häufig. Am stärksten ist das davon erhal- tene Rudiment bei der männlichen Gyge, wo es die ganze Mandibelbasis deckt. Deutlich erkennbar ist es auch noch beim männlichen Bopyrus und der weiblichen Gigantione, minder deutlich bei der männlichen Pseudione.

Die zweite Maxille findet sich als kurzer Stummel ausnahmslos hinter der ersten; nur bei der männlichen Gigantione zeichnet sie sich durch Andeutung einer Zweigliedrigkeit aus.

Der Maxillarfuß stellt beim erwachsenen Weibchen immer ein großes Blatt dar, das durch ein Gelenk in eine vordere und eine hin- tere Hälfte getheilt ist. Die vordere Hälfte trägt zuweilen noch einen mit Borsten besetzten cylindrischen (Jone) oder lappenförmigen (Bopy- rus) Anhang. Beim Männchen ist der Maxillarfuß der Jone lang cylin- drisch, mit Borsten an der Spitze; der der Gigantione flach, gestreckt dreieckig, der der Pseudione ein Stümmelchen mit Borsten auf der Spitze; der der Gyge ein Stümmelchen ohne Borsten ; beim männlichen Bopyrus scheint der Maxillarfuß ganz zu fehlen.

Die gegebenen Abbildungen können noch recht wohl zur Erläute- rung der verschiedenen Ausbildung der Antennen und Augen dienen. im Text hierauf einzugehen spare ich mir für die in Angriff genommene Monographie auf.

Neapel, den 15. Februar 1881.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXXII und XXXIII.

Buchstabenerklärung: a, erste, a9, zweite Antenne; /b, Oberlippe; hpst, Unterlippe; mnd, Mandibel; ma}, erste, m&g, zweite Maxille; pma&, Maxillar- fuß; c, Coxalpolster; e, Epimerallappen; oc, Auge ; r, zweifelhaftes Rudiment der ersten Maxille.

Fig. 1. Gigantione Moebii, n. 8. n. sp., Weibchen vom Rücken.

Fig. 2. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Weibchen von der Bauchseite.

Fig. 3. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Männchen von der Bauchseite.

Studien über Bopyriden. BE

Fig. 4. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Antennengegend des Weibchens. Fig. 5. Gigantione Moebii, n.g.n. = Mundöffnung des Weibchens nach Ent- arnung der Maxillarfüße. Fig. 6. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Cephalon des Männchens von der Bauchseite. Fig. 7. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Maxillarfuß rechts, des Weibchens. Fig. 8. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Pereiopode des Weibchens. Fig. 9. Gigantione Moebii, n. g. n. sp., Pereiopode des Männchens in dersel- ben Vergrößerung. Fig. 9a. Gigantione Moebii, n. 8. n. sp., Pereiopode des Männchens stärker vergrößert. Fig. 40. Gigantione Moebii, n. g.n. sp., erster Pleopode des Weibchens. Fig. 44, Gigantione Moebii, n. g. n. sp , dritter Pleopode des Weibchens. Fig. 44a. Gigantione Moebii, n. @. n. sp., dritter Pleopode, ein Stückchen da- von stärker vergrößert. Fig. 12. Gyge branchialis. Cephalon des Weibchens von der Bauchseite. Fig. 13. Gyge branchialis. Cephalon des Männchens von der Bauchseite. Fig. 44. Jone thoraeica. Gephalon des Weibchens von der Bauchseite. Fig. 45. Jone thoraeica. Cephalon des unreifen Weibchens von der Bauchseite. Fig. 46. Jone thoracia. Cephalon des Männchens von der Bauchseite. Fig. 47. Pseudione callianassae, n. 8. n. sp., Cephalon des Männchens. Fig. 18. Bopyrus squillarum. Cephalon des Männchens. Fig. 49. Mandibel von Jone Q@ erwachsen. Fig. 20. Mandibel von Gyge Q@ erwachsen. Fig. 21. Mandibel von Jone & erwachsen. _ Fig. 22. Mandibel von Gyge 5 erwachsen. Fig. 23. Mandibel von Jone © unreif. Fig. 24. Maxillarfuß von Jone. Fig. 24a. Maxillarfuß von Jone, Endglied, stärker vergrößert. Fig. 25. Maxillarfuß von Bopyrus ©. Fig. 26. Maxillarfuß von Gyge ©.

PS. Dieser Artikel wurde der Redaktion in den ersten Tagen des März einge- liefert und hat, außer im Litteraturverzeichnis, keine nachträglichen Zusätze oder Änderungen erfahren.

(Anfang Juni 1881.) D. Verf.

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXV. Bd. AA

666 R. Kossmann,

1.

Bopyrina Virbii; Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Metamorphose der Bopyriden.

Mit Tafel XXXIV und XXXV.

Kaum hatte ich die Tafelkorrektur meines vorstehenden Artikels über Bopyriden erhalten, in welchem ich die Absicht bekannt gab, eine Monographie der Bopyriden zu veröffentlichen, als mir eine vorläufige Mittheilung des Herrn RupoLr Waız über denselben Gegenstand, d. d. 4. März 1881, in dem zoologischen Anzeiger, Nr. 79, p. 159, zu Ge- sicht kam.

So wenig es:im Interesse der Wissenschaft und in demjenigen_der Individuen, die sich derselben widmen, liegen kann, dass ausgereifte Arbeiten mehr und mehr aus unserer Litteratur verschwinden, um » vor- läufigen Mittheilungen« und fragmentarischen »Beiträgen« Platz zu machen, kann ich nun doch nicht umhin, jenen Gedanken an eine Monc- graphie zurückzudrängen und in aller Eile diejenigen Resultate meiner Arbeiten zu veröffentlichen, welche Herr Warz in seiner vorläufigen Mit- theilung streift. Denn falls dieser Forscher die in letzterer aufgestellten Ansichten, wie wohl zu erwarten ist, durch ausführlichere Dar- legung in Wort und Bild zu erläutern sucht und seine Arbeit vor meiner Monographie erscheinen sollte, so würde ich vermuthlich vor die Wahl gestellt sein, schon gestochene Tafeln zu kassiren oder darin so Manches schon von meinem Vorgänger Dargestellte zu wiederholen. Die moralische Berechtigung, trotz der vorangegangenen vorläufigen Mit- theilung Herrn Warz’ meinen Untersuchungen durch schleunige Publi- kation den Anspruch der Originalität zu wahren, wird mir derjenige nicht absprechen, dem es bekannt ist, dass ich sowohl in den Notizen über Bopyriden, welche mein Werk über eine Reise nach dem rothen Meere enthält!, als auch in dem (von Warz citirten) Vortrage in der letzten Naturforscherversammlung auf das Bevorstehen dieser Veröffentlichungen hingewiesen haite.

Der Wunsch, diese Mittheilungen noch in den 35. Band dieser Zeit- schrift aufgenommen zu sehen, konnte nur bei Beschränkung auf den geringsten Raum erfüllt werden ; eben so veranlasste er mich, eine Aus-

1 Kossmann, Zool. Ergebn. einer Reise in die Küstengebiete des rothen Meeres. Malacostraka, p. 148.

Studien über Bopyriden. 667

wahl meiner Zeichnungen so zu kopiren, dass sie mittels autographi- schen Verfahrens vervielfältigt werden konnten. Ich bitte, aus diesen Umständen das Skizzenhafte des Aufsatzes herzuleiten, in welchem ich zunächst nur meine Untersuchungen an dem auch von Warz gefundenen Schmarotzer des Virbius viridis Orto wiederzugeben trachtete, wobei einzelne Bezüge auf andere Bopyriden freilich nicht ganz zu vermeiden waren.

Unter den von mir in Neapel neu aufgefundenen Bopyridenformen befindet sich auch der von Warz laut seiner obenerwähnten vorläufigen Mittheilung bei Triest in großer Häufigkeit beobachtete Schmarotzer des Virbius viridis Otto. Aus Warz’ Worten scheint mir zu folgen, dass er ihn auch auf andern Crustaceen gefunden habe, obwohl er solche nicht namentlich anführt; ich fand ihn außer auf dem genannten Wohnthier nur noch einmal auf einer noch unbeschriebenen Virbius-Art. Was die Häufigkeit anbetrifft, so steht es mit derselben gerade wie mit der- jenigen aller Bopyriden; weiß man einmal die Stelle, wo einer gefunden ist, so kann man an derselben ziemlich sicher auf ein epidemisches Vor- kommen. der Art rechnen, während man ohne diese Kenntnis wochen- lang selbst nach den altbekannten Species vergeblich suchen kann.

Der in Rede stehende Schmarotzer ist von der Gattung Bopyrus in einigen wichtigeren, gerade von WaLz unerwähnt gelassenen Punkten so verschieden, dass ich es für indicirt halte, ihn zum Vertreter einer neuen Gattung, Bopyrina, zu erheben, deren Diagnose hier folgt.

Bopyrinan. g.

| Innere Antennen in beiden Geschlechtern relativ kräftig, namentlich das Basalglied, das beim Weibchen verbreitert ist, mit dem fein gesägien Außenrande sich über die Mundgliedmaßen zurücklegt und durch seine Bewegungen die Epidermis des Wohnthieres an- | schneiden hilft. Äußere Antennen beim ausgewachsenen Thiereaufeinen Stummel reducirt. Pleon des Männchens ‚mit einem deutlich und einem undeutlich abgesetzten ‚Segment; die übrigen sind zu einem gestreckien abge- \stutzten Kegel verschmolzen. Pleonin beiden Geschlech- tern nur andeutungsweise segmentirt; beim Männchen ‚ohne, beim Weibchen mit kurzen beutelförmigen An- ‚hängen. Epimerallappen fehlen. Erstes Paar Bruiblätier ‚kolossal entwickelt, die übrigen rudimentär.

| Als wichtigsten ur den angeführten Charakteren sehe ich die | ei an, welche bezüglich der vorderen Antennen eine An- 4u®* |

668 R. Kossmann,

näherung an Gigantione darstellt (dort nehmen dieselben ebenfalls in gewissem Sinne an der Nahrungsaufnahme Theil), während die Hinter- antennen bei allen übrigen Bopyriden, abweichend von dieser Form, stärker und mehrgliedriger sind, als die vorderen.

Die Art-Diagnose würde folgendermaßen lauten:

Bopyrina virbii Waız.

Weibchen von gestreckt eiförmigem Umriss, durch Verkürzung der Segmente des Pereions auf der einen Seite asymmetrisch. Das Kopf- segment zeigt auf der verkürzten Seite des Thieres einen kurzen zapfen- artigen Vorsprung. Maxillarfüße ohne abgesetztes Endglied. Brut- blätter des ersten Paares ungefähr gleich lang, etwa von halber Körper- länge, so dass dasjenige der verkürzten Körperseite bis an den Anfang des Pleons heranreicht. Die übrigen Brutblätter sehr kurz, mit gefranstem Rande. Segmentation des Pleons nur durch, an der längeren Körperseite mäßige, an der kürzeren sehr geringe Einkerbungen angedeutet. Anhänge des Pleons » Kiemen«) vier Paar ungefähr eiförmige Beutel. Pereio- poden mäßig stark mit kurzer aber spitzer Klaue.

Männchen sehr schlank, erstes Segment des Pleons deutlich, zwei- tes undeutlich abgesetzt, die übrigen zu einem gestreckten abgestutzten Kegel verschmolzen. Pereiopoden denen des Weibchens ähnlich, mit etwas schlankerer gekrümmterer Klaue.

Das größte Weibchen, das ich fand, hatte eine Länge von 3 mm, das zugehörige Männchen maß 0,6 mm.

Die in obige Diagnosen aufgenommenen Angaben treffen nur für geschlechtsreife Individuen zu. In nachfolgenden Zeilen soll ein Über- blick über die Metamorphose der äußeren Körperformen gegeben werden.

Fraisse (15, p. 33)! nimmt an, dass unsere Bopyriden einen Wirths- wechsel vornehmen und unterscheidet ein zweites Larvenstadium, in welchem sie die Übersiedlung vornehmen sollten, von dem ersten. Seine Begründung dieser Ansicht stützt sich auf verfehlte Versuche, mit dem ersten Larvenstadium das definitive Wohnthier zu infieiren. Ich meine, dass ein solcher misslungener Versuch wenig beweist. Solche jungen Grustaceenlarven sind sehr empfindlich, und ähnliche Versuche der Auf- zucht misslingen gewöhnlich auch bei Krebsen, die sicher keinen Wirths- wechsel vornehmen, wie z. B. Sacculina. Andererseits sprechen auch gewichtige Gründe gegen jene Annahme. Zunächst der theoretische, dass der Wirthswechsel seitens eines Thieres, das im definitiven Zu-

1 Die eingeklammerten Nummern verweisen auf das Litteraturverzeichnis p. 654 und 655.

Studien über Bopyriden. 669

stande Ektoparasit ist \ich lasse also Entoniscus außer Frage), uner- hört wäre.

Um Endoparasit zu werden, kann es eines künstlichen Transport- mittels bedürfen, das ein Zwischenwirth für ihn darstellen muss; oder es kann ihm dazu ein Bohrapparat vonnöthen sein, der ihm in der Ju- send noch fehlen mag. Aber um sich auf der Haut, immerhin auch unter einer Duplikatur derselben festzuklammern, bedarf er nur des ersten Merkmales eines parasitischen Thieres, eines Befestigungsmititels. Besitzt er das in der Jugend nicht, so wird er dieselbe frei lebend ver- bringen; besitzt er es, so begreift man nicht, was ihn abhalten sollte, sich auf seinem definitiven Wirth anzuklammern. In unserm besonde- ren Falle kommt nun noch dazu, dass die jüngste auf dem definitiven Wohnthiere gefundene Form nicht nur der eben ausgeschlüpften noch sehr nahe steht, sondern auch speciell die Schwimmfüße dieser letzteren in noch ausgebildeterem Zustande besitzt, um dieselben schon nach einem geringen Wachsthume völlig zu verlieren. Was liegt also näher, als die Annahme, dass die wenigen jener sog. zweiten Larvenform vor- ausgehenden Stadien im freilebenden Zustande durchgemacht werden, wozu wenige Häutungen genügen?

Ungenauer erwähnt resp. abgebildet wurde diese zweite Larven- form schon von Frırz MüLLer (zu Bopyrus [Phryxus] resupinatus; s. 41, p- 59, tab. II, fig.5); auch Hzsse giebt in seinen famosen Arbeiten Figuren, welche ohne natürlich in den Details glaubwürdig zu sein auf dies Stadium bezogen werden können. Von Cryptonisciden ist es genauer bekannt. Unsere Abbildung (Taf. XXXIV, Fig. 9 und 10, erstere im ‚Maßstabe der Fig. 8, letztere stärker vergrößert) zeigt die wesentlichsten Details für dies Stadium der Bopyrina virbii. Gegenüber der jüngsten Larve ist der gestrecktere Körper, die langen Riechfäden der vorderen Antenne und die Einschaltung des siebenten Pereiopodenpaares zu er- wähnen. Das zweite Antennenpaar ist noch sehr lang; ein viergliedri- ger dicker Schaft trägt eine ebenfalls viergliedrige Geißel, an deren Ende wir neben zwei kurzen eine sehr lange Borste finden. Die Pereiopoden sind in diesem Stadium durch die größte Ausbildung der Haftklaue (s. Fig. 14) ausgezeichnet; es spricht auch dies dafür, dass der Schma- . rotzer in diesem Alter seinen Wirth aufsucht, an dem er sich zunächst an beliebiger Stelle festklammert, um erst später die besser schützende Kiemenhöhle zu gewinnen. In der That fand ich dies Stadium mehrfach noch ‚außerhalb derletzteren. Die vorderen Pleopoden (s. Fig. 12) sind denen der jüngsten Larve, wie sie Frırz MüLLer von Entoniscus (Wırem. Arch. 1862, Taf. II, Fig. 4, 11,12) dargestellt hat, noch sehr ähnlich ; speciell haben sie noch den charakteristischen schaufelförmigen Außenast (mit 5 Endborsten) ,

670 R. Kossmann,

der mit einem ganz verengerten Stielan der äußersten Innenecke des Basal- gliedes inserirtist, und demnach, im Ruhezustand und wenn der Schwimm- fuß nach erfolgtem Ruderstoß wieder vorgezogen wird, quer an das Basalglied angelegt werden kann, um nur bei Ausführung des Ruder- stoßes abgestreckt zu werden. An der Außenecke des Basalgliedes ist in diesem Stadium auch ein Außenast der vorher fehlte erkennbar, wenn auch in Größe und Beborstung dem Innenaste nachstehend. Das Caudalgriffelpaar (Fig. 13) bat sich nicht verändert. In den Mundorganen (Fig. 11) finden wir die Mandibel als eine noch zweigliedrige Stechgräte vor und eigenthümliche polsterartige Bildungen der Ränder von Ober- und Unterlippe bilden zusammen eine kreisrunde, saugnapfartige Mund- scheibe, durch deren Mittelpunkt die Mandibelspitzen hervortreten; in unserer Abbildung ist eine Hälfte der Unterlippe weggebrochen. Das nächste Stadium (Fig. 8) zeigt bei geringer Größenzunahme folgende Veränderungen: Verkürzung der Geißel der äußeren Antenne; Verlust der vorderen Pleopoden; beginnendes Verstreichen der Segmentgrenzen .des Pleons, welche von vorn nach hinten abläuft; Reducirung der Cau- dalgriffel auf einfache Blätter mit kurzen Börstchen. In dem hierauf folgenden Stadium (Fig. 7) ist die Verschmelzung des Pleons zu einem völlig unsegmentirten Sack vollendet, an dem keine Spur einer Glied- maße zu sehen ist, außer den, jetzt nur noch ein Paar Beutel darstellen- den, CGaudalgriffeln ; inzwischen bildet sich auch die runde Mundscheibe zurück, die Geißel der äußeren Antennen verkürzt sich mehr und mehr und das Wachsthum der Klaue an den Pereiopoden bleibt zu- rück. Im nächsten Stadium sprosst in der Nähe der alten Gaudal- griffel ein zweites Beutelpaar hervor (Fig. 6), dem sich später (Fig. 5), von hinten nach vorn fortschreitend, ein drittes und viertes Paar ge- sellen, bis ein schon über 2 mm langes, also dem erwachsenen nahe stehendes Thier eine reiche Ausstattung solcher, in ihrer Anordnung hier nicht mehr deutlich symmetrischer Beutel zeigt (s. Fig. 4).

Aus diesen Thatsachen erkennen wir also, dass nur das Gaudal- griffelpaar längere Zeit persistirt; gerade bei unserer Bopyrina geht es übrigens vor Eintritt der Reife auch verloren, wogegen es bei andern Formen, wie Gyge im weiblichen Geschlechte, bei Cepon z. B. auch im männlichen erhalten bleibt. Die übrigen Pleopoden gehen bei Bopy- rina gänzlich verloren, und es fragt sich, in wie fern wir berechtigt sind, die an ihrer Stelle entstehenden Beutel mit ihnen zu identificiren. Die Zeitdauer, in welcher jede Spur solcher Anhänge fehlt, ist, nach der Größe zu urtheilen, die das Thier bei Entstehung des ersten Paares erreicht hat (Fig. 6, über 4 mm), eine beträchtliche; auch auf Schnitten bemerkt man nicht etwa bestimmte Zellgruppen, die als Rudimente der

Studien über Bopyriden. 671

geschwundenen Pleopoden und gleichzeitig als Bildungsherde für die neu entstehenden betrachtet werden könnten. Eine anatomische Kon- tinuität fehlt also völlig. In der Form erinnern diese Anhänge ebenfalls weder hier noch bei andern Gattungen irgend wie an Gliedmaßen. End- lich bemerke ich, dass z. B. bei Cepon die ventral gelegenen pleo- podenartigen Anhänge ganz in derselben Form entstehen, wie die augen- scheinlich aus einer lappenartigen Ausbreitung des Seitenrandes des Segmentes hervorgehenden dorsaleren Anhänge des Pleons, von denen sie auch später in nichts zu unterscheiden sind. Ich glaube also, dass wir besser thun, Ausdrücke, welche diese Anhänge als Gliedmaßen be- zeichnen, wie »Pleopoden«, »Abdominalfüße« etc. zu vermeiden. Die- selben »Kiemen« zu nennen, wie dies Warz thut, liegt bei Bopyrina auch kaum eine Berechtigung vor. Wären sie aus dem Athembedürf- nisse hervorgegangen, so wäre nicht zu begreifen, warum sie in dem in Fig. + dargestellten Stadium relativ viel stärker entwickelt sind, als in dem erwachsenen. Ziehen wir dagegen ihre Bekleidung mit einer schup- pigen Cuticula in Rechnung und erklären sie daraufhin als Haftorgane, so wird es verständlich, dass sie entstehen und zunehmen in dem Maße, als das Wachsthum des Schmarotzers und das Zurückbleiben seiner Muskelentwicklung so wie demgemäß auch seiner Pereiopoden andere ‚Haftmittel vortheilhaft macht; dass sie aber wieder zurückgehen, wenn der Schmarotzer die Kiemenhöhle des Wohnthieres auszufüllen be- sinnt und die Beengung des Raumes, die sich in seiner Abflachung und dem Beginne der Asymmetrie manifestirt, vollkommen genügt, um ihn zu fixiren. Dass auch für andere Gattungen diese Erklärung der in Rede stehenden Anhänge als Haftorgane zutrifft, ist gelegentlich schon von mir erwähnt worden. Dass sie dabei nebenher auch eine Respira- tionsfunktion ausüben, soll darum nicht geleugnet werden; stellen sie doch immer eine stärkere, oft sehr bedeutende, Oberflächenausbreitung dar und werden sie doch selbstverständlich auch von einem Blutstrom durchzogen.

In dem Stadium, das Fig. 4 darstellt, bemerken wir dann noch die Rückbildung der äußern Antennen, deren Beginn auf der einen Seite bemerkbar ist. Auch die hinteren Mundgliedmaßen beginnen in diesem Stadium hervorzusprossen.

Zur Erklärung der Figuren 4 und 2, welche die erwachsene Form von Bauch und Rücken her darstellen, ist das Meiste in der Gattungs- und Art-Diagnose gesagt worden. Ein 3 mm langes ee Weib- chen besaß noch Augenflecke.

Zwischenglieder zwischen der sog. zweiten Larvenform und der erwachsenen männlichen Form habe ich nicht konstatirt. Da aber selbst

672 R. Kossmann,

das Stadium, das Fig. 7 darstellt, auf Schnitten noch keine Genitalan- lagen zeigt, so kann das noch frühere Stadium, welches Fig. 8 wieder- giebt, auch noch keine äußern Geschlechtsunterschiede aufweisen; und von diesem Stadium zu dem in der Natur ungefähr eben so großen Männchen, das in Fig. 3 abgebildet ist, führt ein sehr geringer Sprung. Eine etwas weiter vorgerückte Reduktion der Antennen, Wegfall der gerade in starker Rückbildung begriffenen Caudalgriffel, Streckung des letzten Segmentes des Pleons und aus jener Larve ist das definitive Stadium des Männchens geworden.

Über die innere Organisation enthalten die Schriften der meisten Autoren, die sich mit Bopyriden beschäftigt haben, nichts. Außer der vorliegenden Mittheilung von Warz geben bezügliche Notizen nur RATHkE (45 und 47) und Cornarra und Panczkı (7). Vervollständigungen und Berichtigungen erscheinen nach mancher Richtung hin angezeigt.

Der Verdauungstrakt beginnt mit einem von Ober- und Unterlippe so wie seitlich von den Mandibeln begrenzten Raum, den Warz, wie es scheint, als Mundhöhle bezeichnet. Wenigstens wüsste ich nicht zu sagen, welchen sonstigen Abschnitt Warz damit meinen kann. Dass der in Rede stehende Raum aber sollte als Saugpumpe wirken können, halte ich für unmöglich, weil er in den Winkeln zwischen Ober- und Unter- lippe, da, wo die Mandibel sich einschaltet, unmöglich hermetisch ver- schlossen werden kann. Die Muskeln in der Umgebung dieser » Mund- höhle« dienen wohl nicht einer Saugbewegung, sondern der Bewegung der Ober- und Unterlippe. Dieser Raum nun verengert sich in einen fast horizontal verlaufenden kurzen Ösophagus, der in unserer Abbil- dung (Taf. XXXV, Fig. 2) durch Abtragung des Bodens geöffnet, eben wegen seines horizontalen Verlaufes etwas kürzer erscheint, als er in Wahrheit ist. Dieser Ösophagus, dessen Vorhandensein RAruke (15, p. 8) leugnete, CGornarıa und Panceri (7, p. 15) aber bereits konstatiri haben, führt in einen beim erwachsenen Weibchen sehr geräumigen Magen (Taf. XXXV, Fig. 2, siom), dessen eigenthümlicher Bau schon von Rartake (45 und 47) im Wesentlichen richtig geschildert wurde, so dass GornaLıa und Pancerr nichts hinzuzufügen wussten. Was Waız! über denselben Neues vorbringt kann ich nicht bestätigen. Dass er von einer starken Chitincuticula ausgekleidet sei, finde ich nicht; dieselbe ist vielmehr überaus fein, wo sie überhaupt erkennbar ist; und dass die

1 Er irrt, wenn er Fraısse den Vorschlag zuschreibt, diesen Magen Gephalo- gasterzunennen. FrAısse hat diesen Ausdruck nie gebraucht; und GıArD (Notesp. serv. A hist. du genre Entoniscus, journal de Y’anat. et phys. 4878. p. 687) schlägt ihn nicht für den Magen, sondern für den Kopf von Entoniscus vor (»cette tete meriterait plutöt le nom de cephalogaster«). |

Studien über Bopyriden. 673

schon. von RATHkE beschriebenen und von Cornauıa und Pancerı abge- bildeten Zotten des Magens ein von faserigem Bindegewebe erfülltes Lu-

men enthalten, muss ich ebenfalls leugnen. Ich fand dieselben vielmehr _ vollständig solid; das Mark bildet ein parenchymatisches Bindegewebe, die Rinde, wie Warz richtig angiebt, ein Cylinderepithel, dessen Dicke ich zu 0,018 mm maß. Die Form dieses Magens wird mehrfach als kuglig bezeichnet; doch würde man ihn richtiger pfirsichförmig nennen, denn eine auf der Vorderfläche verlaufende Längsfurche deutet auch hier jene Zweitheilung an, welche bei Entoniscus so, entschieden durchge- führt ist. Wenn Raruke (45, p. 8) behauptet, dass Muskeln, die den Magen mit andern Organen verbinden, gänzlich fehlen, so ist dies unrichtig. Im Gegentheil ziehen zahlreiche starke Bündel quergestreifter Muskula- tur in radiärer Richtung von der Magenwand an die Epidermis, so dass eine starke Erweiterung des Magenlumens ohne Zweifel im Belieben des Thieres steht. Als Antagonisten scheinen Muskelgruppen zu wirken, die im Bereiche jener Längsfurche schief von der einen Hälfte des Magens zur andern gehen, und durch ihre Verkürzung offenbar eine Vertiefung der Längsfurche, also Verkleinerung des Magenlumens bewirken. Da von irgend welchen Kauapparaten im Magen, wie schon Rırukz bemerkt, nichts zu finden ist, so kann die beschriebene Muskelausstattung nur eine Pumpthätigkeit dieses Magens vermitteln, die wir oben der Mund- höhle abgesprochen haben. Mehrfach haben frühere Autoren sich bereits darüber ausgesprochen, ob die Ausstattung des Magens mit Zotten die sekretorische oder die absorbirende Thätigkeit desselben erweise. Da das Cylinderepithel der Zotten sich von dem des übrigen Darmtraktus nicht unterscheidet und namentlich keineswegs drüsenartig aussieht. so sehe ich keine Ursache, eine sekretorische Thätigkeit anzunehmen. Auch entspricht der lediglich absorbirenden Funktion dieser Papillen der bisher unbekannte Umstand, dass dieselben nur beim Weibchen mit Beginn der Eierproduktion, also mit der Erhöhung des Nahrungsbedürfnisses, ent- stehen ; junge Weibchen und Männchen in jedem Alter entbehren dieser Papillen bei allen von mir untersuchten Formen.

Über den mittleren Verlauf des Verdauungstraktes herrscht in der Litteratur eine Unklarheit, welche auch durch die vorläufige Mittheilung von Warz nicht gehoben scheint. Beginnen wir mit der Leber. CoRNALIA und Pancerı stellen dieselbe bei Gyge als ein Paar cylindrischer Schläuche dar, die parallel mit dem Darme verlaufen ; ihre Kommuni- kation mit dem Darme haben sie nicht gesehen (7, p. 17). Ruruke aber (45, p. 9) schildert die Lebern des Bopyrus als sieben getrennte Paare traubiger Drüsen, von denen jede einen eigenen Ausführungsgang hat, der für sich in den Darm mündet. Warz endlich spricht nur im

674 R. Kossmann,

Allgemeinen von der gelappten Gestalt dieser Organe und von ihrer histologischen Struktur. Diese Angabe gelappter Gestalt nun trifft für das Weibchen von Bopyrus zu, für das Männchen und für Gyge aber nicht; für letztere ist vielmehr die Darstellung der italiänischen Forscher zu bestätigen (s. Taf. XXXV, Fig. 2). Die Raruge’schen Angaben da- gegen über die Leber des Bopyrus, die in unsere Lehrbücher (s. GEGEN- BAUR, Grundriss d. vgl. Anat.) übergegangen sind, sind ganz irrig; auch bei Bopyrus ist nur ein Leberpaar vorhanden (s. Taf. XXXV, Fig. &). Die Kommunikation dieser Lebern mit dem Darm stellt sich in der Weise her, dass man eigentlich eher von einer Einmündung des letzteren in die ersteren sprechen kann; denn wie aus unsern Abbildungen (die aus lückenlosen Serien von Flächenschnitten von 0,04, resp. 0,008 mm Dicke mittels der Camera komponirt sind) ersichtlich ist, bilden die beiden Lebern eine weite Querkommunikation, in welche von vorn her der aus dem Magen kommende Mitteldarm (Taf. XXXV, Fig. 2 und 4, duod) mün- det, während dieser Mündung gegenüber die Austrittsstelle des End- darms (ib., int) liegt. Demnach erscheint die morphologische Kontinui- tät des Mitteldarms mit dem Enddarm durch die kolossale Erweiterung, die an der Einmündungsstelle der Lebern stattgefunden. hat, gewisser- maßen aufgehoben. Physiologisch scheint damit eine andere, nicht un- wichtige Modifikation des Verdauungstraktes in Zusammenhang zu stehen: es scheinen nämlich die Lebern zum Theil als Nahrungsreservoirs zu dienen. Dass durch den Mitteldarm Nahrung und wir müssen ja hier an flüssige denken direkt in den Enddarm treten könne, ohne zu- nächst die Leberhohlräume so gut wie vollständig zu erfüllen, ist offen- bar unmöglich. Dazu kommt aber noch, dass auch histologisch mit der Leber gegen die Zeit der Geschlechtsreife hin eine Veränderung vor sich geht, welche ein Zurücktreten der sekretorischen Thätigkeit bekundet. Bei jüngeren Weibchen zeigt die Leber noch entschieden ein Epithel, das in vollster Abscheidungsthätigkeit ist. Dasselbe enthält, wie Waız (l. ec.) richtig bemerkt, sehr große, meist rundliche, sogar in das Lumen vorspringende Zellen. Ich kann hinzufügen, dass dieselben in jüngeren Thieren fast regelmäßig Vacuolen enthalten ; die mittleren dieser Zellen maß ich zu 0,04 mm. Taf. XXXV, Fig. 6, jec zeigt einen Querschnitt unfern des blinden Endes des rechten Leberschlauches einer jugendlichen Bopyrina, woselbst ein Lumen noch gar nicht wahrnehmbar ist, und Zellen bis zu einem Durchmesser von 0,04 mm vorkommen. Aber auch ein viel weiter vorn durch den Thorax gelegter Querschnitt (Fig. 7, jec) zeigt noch immer ein verhältnismäßig mächtiges, vacuolenreiches Epithel. Beim erwachsenen Männchen ist dasselbe schon durchweg einschichtig, auch arm an Vacuolen, die Zellen aber doch noch rundlich und ungleich

Studien über Bopyriden. 675

an Größe, wie Warz sie schildert. Gleichwohl darf man diese Angaben nicht so sehr, wie es von Waız geschehen ist, verallgemeinern; vielmehr geht dies, bereits einschichtig gewordene Epithel, mit dem zunehmenden Alter bei Weibchen allmählich, und zumal gegen die Ausmündung der Lebern hin in ein Cylinderepithel über, das sich schließlich von dem- jenigen nicht mehr unterscheidet, welches den Darm auskleidet. Auch die Berücksichtigung des histologischen Verhaltens zwingt uns also, diesen Leberschläuchen, in einem gewissen Alter und auf einige Ausdehnung hin zum mindesten, eine Funktion als Darmabschnitt zuzusprechen, und wir werden es Fraısse nicht sehr verübeln dürfen, dass er (15, p. 18) dieselben, wenn schon ein Irrthum dieser Benennung zu Grunde liegt, als »doppelten Endblinddarm « bezeichnet. Rırtake erwähnt für Bopyrus ein »hepar superius« (45, Taf. 1, Fig. Sd,p. 10 und 14). Es ist nicht unmöglich, dass damit wirklich ein Theil der Leber gemeint; wahrscheinlicher aber versteht er darunter jenes Organ, welches GornaLıa und Pancerı (7, p. 16, Taf. Il, Fig. 5 und 9, ce) als Speicheldrüsen ansehen. Die beiden italiänischen Forscher sind jedenfalls im Irrthum, denn das von ihnen deutlich abgebildete Organ ' kann schon desshalb nicht für eine Speicheldrüse ausgegeben werden, weil es absolut keine Ausführungsgänge hat; und ist Raruke’s »hepar - superius« mit den »ghiandole salivali« bei Gornarıa und Pancerı wirklich ‘identisch, so ist auch jene Benennung unrichtig. Letztere sind offenbar nichts, als der Fettkörper; histologisch genau entsprechend der Be- schreibung, die Wrzesniowskı im Zool. Anzeigr. Ill. Nr. 79 von dem Fett- körper der Amphipoden giebt. Als Fetikörper erkannt hat diese Zellen- masse schon Warz, wenn er auch dessen Identität mit dem »hepar su- perius« RATHke’s, resp. den »ghiandole salivali« GornaLıa’s und Pancerrs übersehen oder doch jedenfalls nicht konstatirt hat. Die Hauptmasse des Fettkörpers liegt bei erwachsenen Weibchen in der Umgebung des Mitteldarms ; doch zieht er sich auch um den Magen herum, und bei ‚Jungen Weibchen, namentlich längs des Rückens, bis in die Gegend des | Herzens hinab. Seine Zellen enthalten eine nach Alter und Ernährungs- ' zustand des Thieres höchst wechselnde Menge eines oft grün erscheinen- | den Fettes; sie gehen an vielen Stellen ganz unmerklich in das gewöhn- ‚liche Bindegewebe des Thieres über, erlangen aber an manchen Stellen, ‚und namentlich in den ältesten jungfräulichen Stadien eine so außer- | ordentliche Größe (0,i mm), dass jede von ihnen dem Querschnitte des Bauchmarkes gleichkommt (s. Taf. XXXV, Fig. 7, corp. adıp). Ich fand \ sie bei solcher Größe meist etwas Shrek are ihren Kern von einer ‚Körnermasse umgeben, deren Hauptausdehnung mit der Richtung des ‚längsten Zelldurchmessers zusammenfiel.

676 R. Kossnann,

Von dem Enddarm, den auch Fraısse nicht gefunden zu haben scheint, da er nur von einem »doppelten Endblinddarm« spricht, der mit der Leber identisch ist, behauptete Rarnkz (45) ursprünglich, dass er am Anfange des Abdomens münde. Diese Behauptung korrigirte er selbst (47) und mit ihm sprachen auch Cornauı und Pancerı die Ansicht aus, dass der Darm im letzten Abdominalsegmente münde. Auch die Zeichnungen der Forscher, so wie Rarare’s ausdrückliche Bemerkung, dass der Darm allenthalben ziemlich gleich weit bleibe (47, p. 47) zeigen, dass dieselben eine etwaige Unterbrechung desselben in seinem Verlaufe picht beobachtet haben. Dasselbe theilt mir für Gyge mündlich Herr Professor Emery mit; und ich selbst habe an keinem der untersuchten Bopyriden eine Unterbrechung oder blinde Endigung des Darmes wahr- genommen. Der von Warz behauptete Schwund des Afters bei ältern Weibchen ist mir demnach fraglich und jedenfalls müsste er eine große Ausnahme darstellen. Eine Faltung des Darmes, wie sie WArz angiebt, habe ich ebenfalls bei Gyge vermisst; ich finde, wie die älteren Autoren, dass der Mitteldarm und der Enddarm ein gleichmäßig dickes, cylindri- sches Rohr darstellen, dessen 0,045 mm dickes einschichtiges Cylinder- epithel nur ein geringes aber deutliches Lumen lässt. Das Vorhanden- sein eben dieses Lumens spricht auch einigermaßen gegen die von Waız supponirte Funktionslosigkeit dieses Organes; zum mindesten fehlt es für dieselbe an jedem Beweise. Bei dem auf Taf. XXXIV, Fig. 4 abge- bildeten jungfräulichen Weibchen ist der Enddarm, wie Fig. 6 und 7 auf Taf. XXXV zeigen (ini), genau so beschaffen, wie ich ihn beim erwachse- nen Thiere fand, und doch habe ich bei jenem im Leben eine Entleerung aus dem After sicher wahrgenommen.

Über die Lage des Herzens hat Rarake (45, p. 13, Taf. III, Fig. 1) ganz unrichtige Angaben gemacht, indem er es unmittelbar hinter dem Magen im Vordertheile des Thorax zu finden glaubte. Was er dort für das Herz angesehen hat, ist mir unklar; vielleicht einen Theil des Fett- körpers. Sein Irrthum und das gänzliche Stillschweigen Cornaı’s und Pıncerrs über den Gegenstand sind um so auffälliger, als am lebenden Thiere ohne jede Zergliederung, selbst ohne Lupe, das im Pleon liegende Herz an seinen lebhaften Kontraktionen sofort zu erkennen ist. Die Warz’sche Angabe, dass es im zweiten Abdominalsegmente liege, ist richtig, kann aber irrige Vorstellungen über seine Größe erwecken; denn sein Vorderrand findet sich gewöhnlich schon im ersten Segmente des Pleons, und es erstreckt sich regelmäßig bis in das dritte (Taf. XXXV, Fig. A und 3, cor); bei Fehlen einer Segmentirung des Pleons, z. B. beim Männchen von Bopyrus, füllt es fast die ganze dorsale Region des Pleons aus. Von den venösen Ostien, die Waız erwähnt, zeigen meine Präparate

|

' kleidet ist, sendet drei Nervenpaare aus, von welchen Warz eines beob- achtet hat; vermuthlich das zweite, von welchem er annimmt, dass es ' die Kieferfüße versorge. Dasselbe entspringt ziemlich genau an der ' Stelle, wo die beiden Kommissuren zusammentreten. Das vor ihm ent-

springende Paar dürfte den Mandibelnerv darstellen, wenn der dritte

Studien über Bopyriden. 677

bisher nichts; ein Pericardialsinus aber ist natürlich vorhanden. Quer- gestreifte Ringfasern in der Wand des Herzens habe ich nicht gefunden. Selbst ein geschlechtsreifes Weibchen von Gyge zeigt mir nur spindel- förmige, kernhaltige Muskelzellen, an denen ein vorzugsweise ringförmi- ger Verlauf nicht auffällt. Die Systole wird auch offenbar vorzugsweise durch feine Muskelbündel hervorgebracht, die das Lumen des Herzens durchsetzen; ich fand solche allerdings erst bei reifen Weibchen, aber es sind auch erst dort energische Kontraktionen des Herzens wahrnehm- bar. Die Diastole wird in ähnlicher Weise durch Muskelbündel hervor- gebracht, die außen an die Wand geheftet sind und den Pericardialsinus durchsetzen. Diese äußeren wie jene inneren Muskelbündel bestehen ebenfalls aus kernhaltigen, glatten Spindelzellen. Die Aorta, die einige Seitenzweige abgiebt, deren weiteren Verlauf ich nicht konstatirt habe, ist bis an den Magen hin deutlich erkennbar und theilt sich dort in zwei denselben umfassende Arterien (vgl. Taf. XXXV, Fig. 1 u. 6, aor.u. art).

Über das Centralnervensystem des Bopyrus hat Raruke (45, p. 14, Taf. Ill, Fig. 4) im Wesentlichen nur angegeben, dass es ein Doppelstrang mit Ganglien sei, der vorn aus einander weiche, um zwei Kommissuren zu einem Oberschlundganglion zu senden, nach hinten aber bis zum After, d. h., da Rıtuke dessen Lage in jener Schrift irrig annimmt, bis zum Anfange des Pleons zu verfolgen sei. CGornaLıa und Pancert (7, p. 17, Taf. II, Fig. 8) geben für Gyge genauere Abbildung und Beschreibung, nach der ein Oberschlundganglion und sieben Ganglien des Bauchmarkes vorhanden sind, welches nicht über das dritte Thorakalsegment hinaus- gehen soll. Von der Schlundkommissur geben sie eine unrichtige Vor- stellung, die Warz korrigirt; in der That vereinigen sich die beiden Schenkel schon halbwegs zu einem’breiten Strange, der vorn in der Mittel- linie des Magens zu dem vor dem Mitteldarme gelegenen ersten Bauch- ganglion hinabzieht, und zwar in jener Längsfurche des Magens, die schon erwähnt wurde (Taf. XXXV, Fig. 1, 3, 4). Das Oberschlundgan-

glion (cer) ist nicht unansehnlich; es giebt drei Nervenpaaren den Ur- sprung, von denen, der Richtung nach zu urtheilen, die mittleren beiden

die Antennen, das äußere die Mandibeln oder die Augen versorgt. Gegen die Annahme, dass es das Augennervenpaar sei, würde, Angesichts des

; rudimentären Zustandes dieser Sinnesorgane, wohl die Stärke des Nerven ' sprechen. Die Schlundkommissur, welche ganz mit Ganglienzellen be-

678 R. Kossmann,

!

CGerebralnerv Augennerv ist. Das dritte Nervenpaar der Schlundkom- missur entspringt am hinteren Rande des Magens, ist ziemlich fein und scheint die Magenmuskulatur zu versorgen. Die Darstellung, welche Warz von der übrigen Ganglienkette giebt, trifft zunächst für Gyge weder im männlichen noch im weiblichen Geschlechte vollkommen zu. Für den weiblichen Bopyrus mag der Ausdruck » Ganglienplatte« einige Be- rechtigung haben (s. Taf. XXXV, Fig. 4), obwohl auch dort auf Quer-. schnitten zwei Längsstränge deutlich erkennbar sind. Bei allen jugend- lichen Exemplaren aber (s. Taf. XXXV, Fig. 7) und bei Gyge auch bei erwachsenen beider Geschlechter entfernt sich der Querschnitt nur wenig von der Kreisform. Allerdings bringt die Verkürzung der Ganglienkette es mit sich, dass die hinteren Thorakalnerven sich unter einem sehr ge- ringen Winkel abzweigen, und da dieser Winkel von Ganglienzellen er- füllt ist, so kann man (s. Fig. 5, gs) Querschnitte erhalten, die durch seitliche Verbreiterung von der Kreisform stark abweichen. Darum den

gebräuchlichen Ausdruck Ganglienkette oder Nervenstrang aufzugeben und von einer Platte zu sprechen, ist wohl unnöthig. Auch die Verkür- zung durch Zusammenrücken der Ganglien hat Warz zu sehr als etwas Konstantes und Charakteristisches hingestellt. Bei Bopyrus ist sie im weiblichen Geschlechte allerdings ziemlich auffällig, da das letzte Gan- glion etwa mit dem Beginne des Enddarmes auf gleichem Querschnitte liegt, und das ganze Bauchmark kürzer als die Schlundkommissur ist. Aber schon für das Männchen trifft dies nicht mehr zu, und bei Gyge erstreckt sich das Bauchmark bei beiden Geschlechtern bis gegen oder selbst in das fünfte Thorakalsegment. Absolut eine hintere Grenze dafür anzugeben ist übrigens nicht möglich, da dieses Zurückbleiben des Wachsthums des Bauchmarkes natürlich mit Zunahme der Gesammtgröße des Thieres eine immer auffälligere relative Verkürzung ergiebt. Entgegen CornaLıa und Warz finde ich übrigens sowohl bei Bopyrus als bei Gyge acht Ganglien im Bauchmark, von denen das letzte als Verschmelzung der Ganglien des Pleons angesehen werden muss. Was von Waırz über den Ursprung der Seitennerven angegeben wird, wonach die Nerven des vierten, fünften und sechsten Segmentes des Pereions sich nicht aus der »Ganglienplatte«, sondern aus der Fortsetzung derselben abzweigen, und ein eigener Stamm für das siebente Segment fehlen soll, so halte ich das Alles für irrig. Wie Cornauıa und Panceri es bereits richtig dargestellt haben, sendet jedes der sieben Thorakalganglien ein Nervenpaar aus, die hinteren Ganglien unter immer spitzerem Winkel; CorwaLıa und PAncERI scheinen das vierte Thorakalganglion bei der Präparation lädirt zu haben, in Folge wovon es zwar in der Abbildung schwach angedeutet, aber nicht gezählt ist.

Studien über Bopyriden. 679

Die Ovarien sind, wie Warz richtig bemerkt, Anfangs ein paar ge- rade Schläuche; dieselben knicken sich mit zunehmendem Wachsthum in zickzackförmiger Weise und es entstehen nun, zunächst an den Knickungsstellen, follikelartige Ausstülpungen, in denen vorzugsweise lebhafte Eibildung stattfindet. Der Ovidukt ist von einem Gylinderepithel ausgekleidet. Die von RarukE und von GornALIA und Pancerı angegebene Vereinigung der Ovidukte zu einem medianen Gange, der nach jenem im zweiten Segmente des Pleons, nach diesen im letzten Segmente des Pereions münden sollte, ist unrichtig (s. Taf. XXXV, Fig. 1). Wie Warz schon erwähnt hat, münden weibliche, wie männliche Geschlechtsorgane, ohne jede Kommunikation des rechten mit dem linken, ganz, wie bei den übrigen Isopoden, jene im fünften, diese im siebenten Thorakalseg- ment. Die männlichen Drüsen (s. Taf. XXXV, Fig. 3) wurden von RATHRE (45, p. 18) als dem Ovarium einigermaßen ähnlich, von Cornarıa und Pancerı (7, p. 21) als zwölf verästelte Drüsen geschildert. Beides ist ganz falsch, und ich weiß nicht, wie die italiänischen Forscher in dem, was sie für Hoden halten (es können wohl nur Muskeln der Pereio- poden sein), ovale Spermatozoen mit lebhafter Bewegung wahrnehmen konnten. In Wahrheit sind die Hoden Cylinder von fast genau kreis- föormigem Querschnitt, der dem der Lebern ungefähr an Größe gleich- kommt; Ausstülpungen fand ich daran nicht. Ein Belag platter Zellen, von dem ich zweifelhaft bin, ob er aus spindelförmigen Muskelzellen besteht, oder nur ein Plattenepithel darstellt, kleidet den Hoden aus. Auch wenn derselbe Spermatozoen enthält, findet man, wie Warz richtig angiebt, in seiner ganzen Länge einen dicken Belag noch unreifer Sper- matoblasten an dem der Mittellinie des Rückens zugekehrten Theile der Wandung.

Warz’ Angabe, dass die Weibchen der von ihm angeführten Bopy- riden (Bopyrus, Bopyrina, Gyge, Phryxus) Zeit Lebens bemannt seien, ist durchaus unrichtig. Die jüngeren Weibchen in allen den Stadien, die ich in Taf. XXXIV, Fig. 1—8 abgebildet habe, sind gewöhnlich unbe- mannt. Einmal fand ich ein junges Weibchen von Jone mit einem Männ- chen in derselben Kiemenhöhle; aber das letztere war größer, als das erstere und saß weit von ihm entfernt.

Neapel, den 1. Mai 1881.

680 R. Kossmann, Studien über Bopyriden.

Erklärung der Abbildungen.

Tafel XXXIV,

Bopyrina virbii.

ee 4 wrssbefeh vom Bauche. Bie. .2. vom Rücken. Fig. 3. Männchen vom Bauche. Fig. 4. Jüngeres Weibchen. Fig.' 5. Fig. 6.1 Weibchen in immer jüngeren Stadien, alle in gleicher Vergrößerung, Bio 7. wie Fig. 4. 8.

Fig. 9. Eben festgesetzte Larve, vielleicht männlichen Geschlechtes, in gleicher _ Vergrößerung.

Fig. 10. Dieselbe, stärker vergrößert.

Fig. 494. Mundtheile

Fig. 12. Vordere Pleopoden

Fig. 13. Letzter Pleopode

Fig. 44. Pereiopode

Fig. 15. Mundtheile des in Fig. 5 dargestellten Stadiums.

derselben.

Tafel XXXV, al, erste, a2, zweite Antenne; mnd, Mandibel; oes, Ösophagus; stom, Magen; duod, Mitteldarm;; jec, Leber; int, Enddarm; an, After; cor, Herz; aor, Aorta; art, Arterie; cer, Oberschlundganglion; g!, g2etc., Ganglien des Bauchmarkes; ovar, Eier- stock; ovid, Eileiter; test, Hoden; vd, Samenleiter; musc, Muskeln; sin, Blutsinus; corp. adip, Fettkörper. Fig. 4. Nerven- und Gefäßsystem nebst linkem Eierstock der weiblichen G yge. Fig. 2. Verdauungsorgane derselben. Fig. 3. Innere Organe der männlichen Gyge. Fig. 4. Innere Organe des weiblichen Bopyrus. (Diese vier Abbildungen sind mit Hilfe der Camera aus Flächenschnitis- serien komponirt.) & Fig. 5. Querschnitt durch eine männliche Gyge. x Bie | Querschnitte durch die in Taf. XXXIV, Fig. 4 abgebildete Bopyrina,

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ersterer in der Gegend des Herzens, letzterer dicht hinter dem Be-

Be sinne des Enddarmes geführt.

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herausgegeben

von

Carl Theodor v. Siebold,

Professor an der Universität zu München,

und

Albert v. Kölliker,

Professor an der Universität zu Würzburg,

unter der Redaktion von

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Professor an der Tosys

it zu Göttingen.

E ünfundaref&s rer Band.

Erstes Heft.

Mit 9 Tafeln und 5 Holzschnitten.

LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann. 158%.

Ausgegeben den 6. November 1880.

Inhalt.

Über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cephalopoden. Von H. v. Ihering. (Mit 1 Holzschnitt.)?2.....2.2. =. vr a ee 1!

Über den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des Tectum | opticum der Knochenfische. Von J. Bellonci. (Mit Taf. I-I.).... 23|

3 Das Riechorgan der Landpulmonaten. Von D. Sochaczewer. (Mit Taf. III.) 30) Über die von den Trichopterenlarven der Provinz Santa Catharina verfertigten |

Gehäuse. Von Fritz Müller. (Mit Tat. IV=V. 2 2. 2,0 47 | Untersuchungen über Dysideiden und Phoriospongien. Von W. Marshall.

(Mit Taf. VI-VIN und 1 Holzschnitt wa 2 nm a ann 85h. Über zwei frühzeitige menschliche Embryonen. Von W. Krause. (Mit '

Taf. IX und-2 Holzsehnitten.) ma. et 130 8 Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. Von H. Simroth. (Mit 1

Holzschnitt \ a a ae se 141 |

Mittheilung.

Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herın Prof. Ehlers ' in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern | Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- | gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte FAR sind auf besonderen Blättern beizulegen.

Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers.

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten.

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. In Kurzem erscheint:

Zoologischer Jahresbericht

für 185729.

Herausgegeben von der Zoologischen Station zu Neapel.

Redigirt von Prof. J. Vict. Carus in Leipzig. Zwei Abtheilungen. gr. 8. Preis X 32.

Verlag von B. F. VOIGT in Weimar.

AAN ANENA SINN NNANAIAHN ANA TINIAAAAANN.NINN.N.NANANNAND

N Die Praxis der aturgeschichte. Zweiter Theil: Dermoplastik und Museologie

oder das Modelliren der Thiere und das Aufstellen und Erhalten von Naturaliensammlungen. Von

Ph. Leopold Martin. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage.

Nebst einem Atlas von 10 Tafeln nach Zeichnungen von P. Meyerheim, F. Specht und L. Martin jun. 1880, gr. 8. Geh. 7.2 50 2.

Vorräthig in allen Buchhandlungen.

Bei Ambr. Abel in Leipzig ist erschienen und durch jede ‚Buchhandlung zu beziehen:

Der thierische Wille.

Systematische Darstellung und Erklärung der thierischen Triebe ‚und deren Entstehung, Entwickelung und Verbreitung im Thierreiche | als Grundlage zu einer

| vergleichenden Willenslehre

von

G. H. Schneider. XX und 447 Seiten. 8%. gebunden. Preis: 8 4.

| Der Herr Verfasser, durch Haeckel zu seinen Untersuchungen angeregt, hat ‚nach langjährigen Beobachtungen und Experimenten, die er besonders an nie- ‚deren Seethieren in Neapel angestellt hat, nicht nur das Material über Thier- -gewohnheiten bereichert, sondern dieselben systematisch zusammengestellt und ‚bestimmt, welche Handlungen instinktive und welche zweckbewusste sind, wie “die Instinkte entstehen, wie weit sie sich vererben und verändern, und wie sich "aus ihnen durch Associationen die zweckbewussten Willensaktionen entwickeln. ‚Alle Gewohnheiten zeigen nach dem Buche einen allmäligen Übergang von den so einfachen Bewegungen der niedersten Thiere bis zu den komplicirtesten Willens- aktionen des Menschen, und es lässt sich also auch in geistiger Beziehung der wunderbare Zusammenhang zwischen dem Schleimkörper des Urthiers und dem Herrn der Schöpfung erkennen. |

| Vor Kurzem erschien in unserm Verlage und kann durch jede "Buchhandlung bezogen werden: | Über die

Endigungen der sensiblen Nerven

in der Haut der Wirkbelthiere. Von

Fr. Merkel,

Professor der Anatomie in Rostock.

Mit 15 Tafeln. Groß-Quart. Kartonnirt. Preis 45 X.

Stiller’sche Hof- u. Univ.-Buchhandlung (Hermann Schmidt) in Rostock. |

Anzeige. |

In Folge des in Baden-Baden gefassten Beschlusses soll die 53. Versamm-N lung deutscher Naturforscher und Arzte vom 18. bis 24. September) 1880 in Danzig tagen. Indem der Unterzeichnete im Namen der Geschäftsführung] zur Betheiligung an derselben einladet, bemerkt derselbe noch, dass die bis Ende|l Juni angemeldeten Vortrags-Themata in den später auszugebenden allgemeinen | Einladungsprogrammen besonders aufgeführt werden. i

Danzig im April 1880. Dr. Kiesow,

einführender Vorstand der Section für Zoologie und vergleichende Anatomie.

Verlag von Gustav Fischer in Jena.

Soeben erschienen:

Die Chaetognathen

von

0. Hertwig,

Professor an der Universität Jena.

Mit 6 lithogr. Tafeln. Preis 6 X. (A. u.d. T.: Studien zur Blättertheorie Heft II.)

Morphologische Studien

Dr. Robert Wiedersheim,

a. 0. Professor an der Universität zu Freiburg i. Br.

Heft I. Mit 3 lithogr. Tafeln. Preis 5 4.

Verlag von EDUARD TREWENDT in Breslau.

Soeben erschien: |

Handwörterbuch

der Zoologie, Anthropologie und Ethnologie unter Mitwirkung von

Dr. R. Böhm, Wilhelm Hartmann, F. von Hellwald, Dr. Ernst Hofmann;

Dr. Klunzinger, Prof. Dr. Kossmann, Prof. Dr. Eduard von Martens;

Prof. Dr. C. Mehlis, Prof. Dr. A. von Mojsisovics, Prof. Dr. Roeckl, Dr. D. F. Weinland

herausgegeben von Prof. Dr. Gustav Jäger. Erster Band. Mit Holzschnitten. 36 Bogen Lex. 8. Preis 15 4.

Das Werk wird vier Bände umfassen, welche in rascher Folge erscheinen | sollen. Jährlich wird mindestens ein Band ausgegeben werden. |

Durch alle Buchhandlungen zu beziehen.

Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen.

Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.

Zeitschrift

| für

| WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE | | | BL

Carl Theodor v. Siebold,

ie ———nini = BE mn mn:

und

Albert v. Kölliker,

Professor an der Universität zu Würzburg,

unter der Redaktion von

N Ai

Zweites Heft.

Mit 7 Tafeln und 2 Holzschnitten.

LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1581.

Ausgegeben den 1. Februar 1881.

Inhalt.

Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. Von H. Adler.

(Mit TafexX x.) 0.200200. yore 151 Über die Gefäße im Auge und in der Umgebung des Auges beim Frosche.

Von H. Virchow. (Mit Rat. XINM uweXIVva 2 ae 247 Untersuchungen über Orthonectiden. Von E. Metschnikoff. (Mit

TALK Vo) ee ee ee ea Er ee 282

Beiträge zur Kenntnis der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera und des centralen, peripherischen und En Nervensystems der Raupen.

Von\J. T. Eattzrer.. (Mila aXVEN ra 304 Über die Paarung und Fortpflanzung der Son -Arten. Von H. Bolau. (Mit zwei Holzsehnitten.) ... 2.2. ve 321

Über die Entstehung der Eier bei Eudendrium. Von N. Kleinenberg . 3%

Mittheilung.

Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen.

Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers.

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten.

Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig.

Hydra.

Eine anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Untersuehung

von Dr. Nicolaus Kleinenberg. Mit 4 lithographirten Tafeln. 4. 1872. 9 .#.

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Indian Ornithology. Just completed,

Hume (Allan) and Marshall (©. H. S.) the Game Birds of India, Burmah, and Ceylon, royal 8Y°, 3 vols. containing 140 fine coloured plates of Birds, and 4 of Eggs, cloth £ 6.

alu 1878— 80.) Contents:

Vol. I. the Bustards, Florican, Sandgrouse, Peofowl, Pheasants, jungle Jowl and spur Jowl.

Vol. II. the Partridges, Quails Crakes and Rails.

Vol. III. the Cranes, Suans, Geese, Ducks, Teol, Snipe, Godwits, Wood- ‚cock & C. Very few Copies nemain for sale in Eneland.

BERNARD QUARITCH, 15 Piccadilly, LONDON.

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Grössere und kleinere Sammlungen, so wie einzelne grosse Werke sucht zu guten Preisen.

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Verlag von August Hirschwald in Berlin. Soeben erschien: Physiologie des Menschen und der Säugethiere. Lehrbuch für Studirende

von

Dr. J. Munk. 1581. Mit 68 Holzschnitten. 14 4.

Just completed, subseription price 12/12, —.

Captain 6. E. Shelley’s Monograph of

the Nectariniidae

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Family of Sun-Bird:s. Complete in 12 parts, impl. 4to. 500 pp. of text, with 120 finely colored plates. 1876—80.

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Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzie.

Das Mikroskop =

und die mikroskopische Technik. . | Von 2 DDr. Heinrich Frey,

De: Professor der’ Medicin in Zürich. Mit 403 Figuren in Holzschnitt und Preisverzeichnissen mikroskopischer Utensilien

Siebente vermehrte Auflage. gr. 8.. 1881. 9,2. | A

Fauna und Flora des Golfes von Neapel

und .der

angrenzenden Meeresabschnitte

herausgegeben von der

Zoologischen Station zu Neapel. I. Monographie: Utenophorae von Dr. Carl Chun. Mit 18 Tafeln in Lithographie und 22 Holzschnitten. gr. 4. 1880. Ladenpreis 75 % Il. Monographie: Fierasfer von Prof. Emery Mit 9 Tafeln in Lithographie u. 10 Holzschnitten. gr. 4. 1880. Ladenpreis 25 .% Im Laufe des Jahres 1881 werden erscheinen: | Prof. Dohrn, Monographie der Pantopoden (Pyenogoniden). ca. 34 Bogen || Text mit 18 Tafeln. : / Ä ca. 8 Bogen Text mit 3 Tafeln. |

2. Prof. Graf zu Solms, Die Corallinenalgen. Mit ca. 10 Tafeln.

3. Dr. Spengel, Monographie des Balanoglossus. Subseriptionspreis für sämmtliche erscheinende Monographien jährlich 50 „X

Man abonnirt für mindestens drei Jahre beim Verleger oder beim Herausgeber

| Zoologische Ergebnisse einer im Auftrage der Kgl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin | ausgeführten "8 |

Reise in die Küstenepbisie des Rothen Meeres,

Herausgegeben mit Unterstützung der Königlichen Ak mie von

Robby Kossmann,

Dr. phil. und Professor an der Universität Heidelberg.

Zweite Hälfte, erste Lieferung:

III. Malacostraca (2. Theil Anomura), bearbeitet von Kossmann V. Echinodermen, bearbeitet von Kossmann. Mit 12 Tafeln. 4, „412. —. at :

Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. ER je

Zeitschrift

WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE

herausgegeben von

Carl Theodor v. Siebold,

Professor an der Universität zu München,

und

Albert v. Kölliker,

Professor an der Universität zu Würzburg,

unter der Redaktion von

Ernst Ehlers,

Drittes Heft.

Mit 11 Tafeln und 2 Holzschnitten.

LEIPZIG,

Verlag von Wilhelm Engelmann. 1881.

_ Ausgegeben den 22. Aprü 1881.

Inhalt.

Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken. Ein Beitrag zur u Erkenntnis der Einheit des Molluskentypus. Von J. W. Spengel. (Mit Taf. XV MH XIX und? 2-Holzschnitten., 2. „we. 333

Kleine Beiträge zur Kenntnis der Gregarinen. Von OÖ. Bütschli. (Mit Tat RR undAXE) a ee er 384

Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Zehnte Mittheilung. Corticium candelabrum O, Schmidt. Von F. E. Schulze.

(Mit Taf XXI I ee nee ee 410

Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata. Von A. Gruber. (Mit Tas ax IE) ne. ee 431

/ur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden. Von B. Ulianin. (Mit TaeeXxIV.) ana en ee ne re er 440

Über Molluskenaugen mit embryonalem Iy pus. Von P. Fraisse. (Mit Taf, XXV sund.XRVl.) 5.0 2 m ee Se . 461

Die Eiweißdrüsen der Amphibien und Vögel. Von P. A. Loos. (Mit Tab IX VI. are ren ne anne ee 478

Mittheilung.

Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern

beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers.

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten.

Verlag der H. Laupp’schen Buchhandlung in Tübingen.

Soeben erschien:

Hahn, Dr. O., Die Meteorite (Chondrite) und ihre

Organismen. 32 Tafeln mit 144 Abbildungen in Photographie- druck. Quart eleg. geheftet „4 40. —.

Der Nachweis der organischen Natur der Meteorite in vorstehendem Werk ist für die Wissenschaft in mehr als einer Beziehung von größter Tragweite. Darwin, dem die Originalphotographien vorlagen, schrieb eigenhändig dem Ver- fasser: »... it seems very diffic ult to doubt that the photographs exhibit or- ganic structure —.«

Verlag von Gustav Fischer in Jena: Soeben erschien :

| Handbuch der vereleichenden Embryologig

von Francis M. Balfour M. A. FE.

fellow and lecturer of Trinity College ae Zweı Bände. Mit Bewilligung des Verfassers aus dem Englischen übersetzt von Dr. B. Vetter, Professor am Polytechnikum in Dresden. Erster Band. Mit 275 Holzschnitten. Preis: 15 Mark.

Soeben erschien:

Moebius, Richters und E. v. Martens, Beiträge zur Meeresfauna der Insel Mauritius und der Seychellen,

nach Sammlungen, angelegt auf einer Reise nach Mauritius von K. Moebius, Prof. der Zoologie in Kiel.

Mit einer Karte und 22 Tafeln. Preis 68:

E. v. Martens, Mollusken der Maskarenen und Seychellen. Auf Grund der Sammlungen von Prof. K. Moebius zusammengestellt. Mit 4 Tafeln. (Separat-Abdruck aus obigem Werke.) 1 ‚Preis „220. E Berlin. n Gutmann’sche Buchhandlung, Otto Enslin.

In unserem Verlage erscheint:

Der Naturforscher. Wochenblatt zur Verbreitung der Fortschritte in den Natarwissenschaften. Herausgegeben von Dr. Wilhelm Sklarek. Wöchentlich 1—11!/g Bogen in 40%. Preis vierteljährlich 4 9.

Die nunmehr ihren XIV. Jahrgang beginnende Zeitschrift hat bei Allen, | welche sich mit Naturwissenschaiten beschäftigen, großen Beifall gefunden. |

Probenummern sind durch jede Buchhandlung zu erhalten.

Berlin, 1 Charlottenstr. Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung. (Harrwitz & Gossmann.)

Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. Js

Zeitschrift

WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE |

Bee

von

Carl Theodor v. Siebold,

Professor an der Universität zu München,

und

Albert v. Kölliker,

Professor an der Universität zu Würzburg,

unter der Redaktion von

Eon} Ahlers,

Viertes Heft.

Mit 8 Tafeln.

LEIPZIG,

Verlag von Wilhelm Engelmann. 1581.

Ausgegeben den 14. Juni 1881.

Inhalt.

Der Bau der Stigmen bei den Insekten. Von O©. Krancher. (Mit Taf. = | XXVI MW. IA ee 505 Revision der Mertens-Brandt’schen Holothurien. Von H. Ludwig. ... Beitrag zur Kenntnis der Hydrachniden-Gattung Midea Bruzelius. Von P.:Könike.. (Mit, Taf XXX Ried Ger. 2 we 600 Revision von H. Lebert's Hydrachniden des Genfer Sees. Von F. Könike. (Mit, Bio, aus Tae XXX... 0.0. WET RL en 613 Beiträge zur Kenntnis der Fischpsorospermien. Von O. Bütschli. (Mit Par, XXI.) 0.0. Lea. We Sr a 629 Studien über Bopyriden. Von R. Kossmann. (Mit Taf. XXXI--XXXV.) I. Gigantione Moebii und Allgemeines über die Mundwerkzeuge der Bopyriden.., ..ı. .. 0. cn u 652 II. Bopyrina Virbii; Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und.. Metamorphose der Bopyxiden. 2. 2.0. seen: 666 Mittheilunge.

Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen.

Die Verlagshandlung Ei Die Herausgeber W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers.

Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten.

In Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung in Heidelberg ist soeben erschienen:

Vergleichend-physiologische Studien an den Küsten der Adria.

Experimentelle Untersuchungen von Dr. C. Fr. W. Krukenberg.

IV. Abtheilung. Nebst anatomischen Mittheilungen von Graf B. Haller und Dr. E. Berger in Wien. Mit 4 lithographirten Tafeln. gr. 8. brosch., 5 %.

Inhalt: Beiträge zur Anatomie und Physiologie von Luvarus imperalis Raf. Einleitung. I. Zur Anatomie und Histologie von Graf Bela Haller. I. Das Auge von Dr. E. Berger. III. Physiologisch- chemische Untersuchungen von Dr. C. Fr. W. Krukenberg.

Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig:

Soeben erschien:

Ider Ikrebs. Eine Einleitung in das Studium der .Zoologie. Von. T. H. Huxley. Mit 82 Abbildungen. 8. Geh. 5.4.. Geb. 6.4. (Internationale wissenschaftliche Bibliothek 48. Band.)

| Nicht bloß eine Naturgeschichte des Krebses will der berühmte englische. "Gelehrte mit dem vorliegenden Werke liefern, sondern er erörtert in demselben auch weittragende allgemeine Aufgaben der Zoologie wie der biologischen "Wissenschaft überhaupt, sodass es mit Recht als »eine Einleitung in das Studium der Zoologie« bezeichnet ist.

Im Verlage von Emil Strauss in Bonn ist soeben erschienen:

Die augenähnlichen Organe der Fische

anatomisch untersucht { ; von

Dr. Franz Leydig, Professor an der Universität Bonn.

gr. 80 mit 10 lithogr. Tafeln. Preis .% 13. 50.

In Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung in Heidelberg ist soeben erschienen:

| | ge a Vergleichend-physiologische Studien an den | Küsten der Adria. | Experimentelle Untersuchungen von Dr. C. Fr. W. Krukenberg.

IV. Abtheilung. Nebst anatomischen Mittheilungen von Graf B. Haller und Dr. E. Berger in Wien. Mit 4 lithographirten Tafeln. gr. 8. brosch. 5 #.

Inhalt: Beiträge zur Anatomie und Physiologie von Luvarus imperalis Raf. Einleitung. I. Zur Anatomie und Histologie von Graf Bela ; Haller. il. Das Auge von Dr. E. Berger. III. Physiologisch- chemische Untersuchungen von Dr. C. Fr. W.-Krukenberg.

in 8

Über den Bau und die Entwicklun

von

Cordylophora lacustris

(Allman).

»bst Bemerkungen über Vorkommen und Lebensweise dieses Thieres. Von Dr. Franz Eilhard Schulze,

0. Prof. der Zoologie und vergleichenden Anatomie zu Rostock.

Mit 6 Kupfertafeln. gr. 4, 1871. 8.4.

Verlag von Wilhelm Engelmannfin Leipzig.

Über den Ban von Syneoryne Sarsii Loven

und der zugehörigen Meduse Sarsia Tubulosa, Lesson. Von

F. E. Schulze,

Professor der Zoologie in Graz.

Mit 3 Kupfertafeln. gr. 4. 1873. 4.#.

Untersuchungen über die Entwickelune der

Glandula thymus, Glandula thyreoidea und Glandula carotica

von

Dr. Ludwig Stieda,

Professor der Anatomie in Dorpat.

Mit 2 lithographirten Tafeln. 4. 1881. 4.4.

Der Kampf der Theile im Organismus

Ein Beitrag zur Vervollständigung der mechanischen Zweckmäßigkeitslehre. Von | F Dr. Wilhelm Roux,

Privatdocent und Assistent äm anatomischen Institut zu Breslau.

7 8.1881. 4.

Das Wire 1 und die mikroskopische Technik. Dr. Heinrich F'rey,

Professor der Medicin in Zürich. Rt Mit 403 Figuren in Holzschnitt und Preisverzeichnissen mikroskopischer Utensilien. | Siebente vermehrte Auflage. gr. 8. 18831. 94. f

Über Zwei Süsswasser-Calaniden.

Von

‚Dr. August Gruber,

in Freiburg i. Br.

Mit 2 Tafeln. gr. 8. 1878. 1,50 4.

Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 9; RR

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