iersisre un ae ng .. STRURBERE IE BETEN ER er Sort Grenze . Eat aTeTstere 20H ur en h DR nee“ LER a et ne “+ * ee Seren tegen RE Fe Se ; Bf we en, arme r ER) nt et SRH “ CE) nr reitet we yerfr egrete ee Lt \r TIERE « nee r Co De P wir . 7 BER RCHEII) : 5 RICH ZEN) I + “* (HER HEE IE a en, BR ce ae 3 DE ICEREN er > A DEP IE ER DU Nee : rer arn ea, > ee een CE HIER Arte LTE SE 0% 1 nn ” DI arIcH Br KERT er Au Teen ner EEE tete, rn + . PL N Bere rent Se aan ern a ere . En rbsrgene EHE HE) a TUT ITERENE .. var rrrererte D . as MORSE KR) * Bere reine . een “erinrur. r er . CL EB ae BR a a IE a HE tee, A I ESP at DE ERS HE AERL T NIE) RA RR NIE ML LEI BER IL ILS ZI ERROR rernnere Ki rerere . “ir Ka HE EL ut KR ee er ren Lite vrrrenreree « - Pr ge erg ersten ver sennarreen r R RER RE Er x * ER ER DS reg vor. ER RER DE DE DE I HE DL IL DOOR en are ers Nr rrtene a TA ’ u Do wre a A a ee ee N A ne, Ben "reor« e 5 3 “err 7 x He 3: a N en De Re BE Ba BL EN Rah TREE RER . ER en BET eng EEE ISA ® z a TE RE aaa, Due en, BARHUEE HZ CrraTaırIenen ee PR X I RR Teste dee “ern lnr eo... ER ee CE IE verrerr tee ee RN TE ara Y [ii Br x ® v fi Y 5 L sr ö u RAR ne ER: WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE * Zeitschrift für herausgegeben von Carl ‚Theodor v Biebold, n der Un sität zu München und Albert v. Kölliker, Professor an der Universität zu Würzburg, unter der Redaktion von „Ernst see IT EAIL @ Una 57 a Sechsunddreissigster Band Mit 42 Tafeln und 13 Holzschnitten. een LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann 1882. EARRUN, kw TR are Inhalt des sechsunddreissigsten Bandes. wnnnnNnNnN Erstes Heft. Ausgegeben den 19. August 1881. Seite Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans und der einheimischen Schnecken überhaupt. Von H. Simroth. (Mit ande 9tlolzschmitten.). *- 2 a. es ni Tr RR 1 Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. Von Ph. Stöhr. (Mit BET RRIRE HIT) RAS BR ee a RE N ENT EST ET E68 Die Theilung der monothalamen a, Von A. Gruber. (Mit Taf. BVRRRABNENN. 0. Sa ae a ne DIR O0 Über die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. Von F. Blochmann. ie Bat. VI--VIH und einem Holzschnitt.)-. . =”. - . ...:2......3925 Über die Allantois des Menschen. Von W. Krause. (Mit Taf. IX)... . ı75 Zweites Heft. Ausgegeben den 1. November 1881. Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. Von H. Ludwig. (Mit Taf. X und XI und einem Holzschnitt.). -. . ..... ee 8A Beiträge zur Auaiomie und Histologie des Sipunculus nudus L. Von J. An- Areaer (Mit Tat. XI, und XI.) 2... 2... RN Vergleichend anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische mit besonderer Berücksichtigung der Cyprinoiden. Von P. Mayser. (Mit Ba XIV XXI und einem Holzschnitt.). . . 2. ...0... 2. ...2...259 Drittes Heft. Ausgegeben den 30. December 1881. ber den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). Von G. Haller. (Mit Taf. XXIV und XXV und einem Holzschnitt.) . . . 367 Über Scoloplos armiger O. F. Müller. Beitrag zur Kenntnis der Anatomie und Histologie der Anneliden. Von W. Mau. (Mit Taf. XXVI und XXVII.) 389 IV Seite Vergleichend-embryologische Studien. Von E. Metschnikoff. (Mit Taf. DONE nd ea el ee en, 5 Dimorpha mutans. Eine Mischform von Flagellaten und Heliozoen. Von A. Gruber. (Mit Taf. XXIX.) bAS Beiträge zur Kenntnis der Amöben. Von A. Gruber. (Mit Taf. XXX.) . 459 Zur Naturgeschichte des Dachses. Von G. Herbst .. 2.2... .2..2...Hh74 Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. Von ©. Bütschli. (Mit Taf. XXXI—XXXIL) . . 2. 2.2.2.2 2.2.2. 485 Erwiderung. Von D. Sochaczewer . .. „0. 2 Suse) Viertes Heft. Ausgegeben den 12. Mai 1882. Zur Anatomie und Systematik der CGephalopoden. Von J. Brock. (Mit Tal. XXXIV—XXXVI).. .... .. 2 area ne To Pi es Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verknüpften Organe bei den Beutelthieren. Von O0. Katz. (Mit Taf. XXXVIII—XL.) er 6 Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. Von R. Rössler. (Mit Taf. XLI und xEil) u... er Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans und der einheimischen Schnecken überhaupt. Von Dr. Heinrich Simroth in Leipzig. Mit Tafel I und 9 Holzschnitten. Gitirte Schriften. I. BrEum, Thierleben. Band X. II. CLAPAREDE, Beitrag zur Anatomie des Cyclostoma elegans. Arch. f. Anat. und Phys. 1858. p. 1—34. Ill. CrAus, Grundzüge der Zoologie. II. Aufl. IV. GEGENBAUR, Grundzüge der vergl. Anatomie. II, Aufl. V. von lHErınG, Vergl. Anatomie und Phylogenie der Mollusken. VI. Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Amphineuren und Arthro- cochliden. Morph. Jahrb. III. p. 155—178. VI. Leypıe, Die Hautdecke und Schale der Gastropoden, nebst einer Übersicht der einheimischen Limacinen, Archiv f. Naturgesch. XLU. 1876. p. 209 bis 292. VII, Moouin-Tannon, Les Mollusques terrestres et fluviatiles de France. IX. RAUBER, Über das System der spinalen Ganglien. Sitzungsber. der naturf. Ges. zu Leipzig. 4880. p. 45. X. ROoSSMAESSLER, Iconographie der Land- und Süßwassermollusken Europas. 1. V. und VI. XI, Sımrora, Über die Sinneswerkzeuge unserer einheimischen Weichthiere. Diese Zeitschr. XXVI. p. 227—349. Xi. —— Die Thätigkeit der willkürlichen Muskulatur unserer Landschnecken. Diese Zeitschr. Bd. XXX. Suppl. p. 166—224. XI. —— Die Bewegung unserer Landschnecken,, hauptsächlich erörtert an der Sohle des Limax cinereoniger. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. p. 284—322. XIV. —— Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. Diese Zeitschr. Bd. XXXV. p. 141450. | XV. —— Über die Bewegung der Weichthiere. Zeitschr. f. d. ges. Naturw. 41880. p. 500—503. XVI. SocHAczEwER, Das Riechorgan der Landpulmonaten. Diese Zeitschr. Bd. XXXV. pP. 30—46. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 1 z A y) Heinrich Simroth, Erster Theil. Bewegung unä Bewegungsorgan des Cyclostoma. Wer dem Kriechen der Schnecken Interesse und Aufmerksamkeit zuwendet, für den muss das Cyclostoma elegans eine besondere Anzieh- ungskraft haben, denn die Beobachter weisen der Art seiner Bewegung eine völlige Sonderstellung unter den Lokomotionsformen der Gastropo- den an. Der Bedeutung des Thieres entsprach meine dankbare Freude, als Herr Dr. Braun gegen Ende des vorigen Jahres die große Güte hatte, auf eine Aufforderung meinerseits in einem früheren Aufsatz (XIV) hin mir sieben istrische Exemplare lebend aus Dorpat zu übersenden. Nach einigen Tagen erwachten zwei im warmen Zimmer bei Zugabe genügen- der Feuchtigkeit aus dem Winterschlafe, aber nur eine ließ sich bewe- gen, drei bis vier Stunden lang in einem Glase ziemlich eifrig zu kriechen; seit der Zeit wagie sich keine einzige wieder aus dem Gehäuse heraus, entsprechend dem von den verschiedenen Beobachtern erwähnten äußerst scheuen Wesen dieser Art. Doch genügte, hoffe ich, die Beobachtung der einen Schnecke, um die Einsicht in die Mechanik ihrer Bewegung einiger- maßen zu fördern. Die Form der Schale und des Thieres ist zu allgemein bekannt, um einer neuen Beschreibung zu bedürfen ; doch möchte eine Korrektur hier am Platze sein. Nach Rossmazssrer’s Darstellung (X. I. p. 89ff.) »ver- fährt das Cyclostoma beim Schließen des Gehäuses mit dem Deckel, der beim Gehen hinten auf dem Fuße liegt, wie andere Deckelschnecken, z.B. Paludina, Valvata und Neritina, d. h. es bricht die Sohle unten in die Quere zusammen, so dass die beiden Sohlenhälften auf einander zu liegen kommen, und zieht sich dann zurück, wobei nothwendig der Deckel in ‘die Mündung passt«. Dieses Zusammenklappen der Sohle, so dass die hintere Hälfte die vordere berührt, habe ich unter vier Schnecken, die ich öffnete, nur bei einer, die besonders erschlafft war, gefunden, und auch da nur unvollständig. Die Tödtung erfolgte in kaum alkoholischem Wasser, nachdem die oberste Schalenwindung abgebrochen war, um die ‚Lage im Gehäuse nicht zu alteriren. Da war denn die Sohle keineswegs gebrochen, sondern verlief ganz gerade vom Deckel unter den Rüssel, wie in Fig. 4. Die Unterseite zeigt Fig. 3. In der Mitte erscheint die beide Hälften trennende Linie, in jeder Hälfte treten eine Reihe durch- scheinende Blasen hervor, links und rechts annähernd symmetrisch, hin- ten die größten, nach vorn immer kleinere.‘ Die mäßige Kontraktion der Fühler in Fig. widerspricht der Annahme eines Muskelkrampfes, die gerade Haltung und die hlasige Auftreibung kommen vielmehr durch Sn Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyelostoma elegans etc. 3 einen normalen Tenor der Muskeln zu Stande, und das Kollabiren der Sohle bei völliger Erschlaffung aller Spannung zählt schon zu den Leichen- erscheinungen, wie es denn in einem Falle erst nach einigen Tagen sich einstellte. Die unbedeutende Abweichung in der Haltung der Sohle würde hier kaum Erwähnung verdienen, wenn sie nicht mit einem besonderen, für die Lokomotion wichtigen Blutreichthume zusammenhinge. Und so gehe ich zu der letzteren über. Il. Die Bewegung. Mir erregte die eigenthümliche Art der Bewegung des CGyclostoma elegans ebenso Staunen und Freude, wie Rossmazsster’n, als ich das erste Mal sie gewahren durfte. Die Furche, welche die Sohle der Länge nach schneidet, das abwechselnde Vorsetzen und Fixiren der Hälften, die Bei- hilfe des saugenden Rüssels scheint nur dem Genus Cyclostoma im engern Sinne eigen, und nicht jenen Arten, die man auch unter dem Namen Pomatias abgetrennt hat. Wenigstens bezweifelt bei ihnen RossmAEssLEr die Sohlenhalbirung (X, V und VI, p. 50), und Moquin-Tanpon giebt sie von keinem dahin gehörenden Thiere an (VII, II, p. 499, 504, 503). So wäre also nur noch Cyclostoma sulcatum aus der europäischen Fauna ein ähnliches Wunderthier (nach RossmagssLer’s Ausdruck), aber es wird sich der Beobachtung mehr verschließen, denn »il est ordinairement dans Vobscurite. Le CGyclostome elegant aime au contraire le soleil« (VIII, II, p- 495), welches letztere RossmazssLer bestätigt. FıscHer, den ich früher citirte (XII, p. 223), schildert die Bewegung etwas schematisch: »hier heftet sich der Mund fest, darauf wird die rechte, nachher die linke Sohlenhälfte losgelöst, nach vorn geschoben und wie- der befestigt, worauf der dreifache Rhythmus sich wiederholt«. Er fühlt sich dadurch bewogen, diese Schnecken allen übrigen, die er als glisseurs ° bezeichnet, als arpenteurs gegenüberzustellen, also den Gleitschnecken die Schreitschnecken (Journal de Conchyliologie. Paris 1857). Rossmazss- LER, dessen Darstellung in Brenm’s Thierleben, Bd. X von O. Scamipr (I, p- 254), übergegangen ist, hat bereits die regelmäßige Betheiligung des Rüssels geleugnet, denn er schreibt: »Was die Thätigkeit des Rüssels betrifft, so ist nicht zu leugnen, dass das Thier beim Gehen sehr häufig mit demselben auf der Fläche, auf der es hinkriecht, sich festsaugt und dadurch das Gehen erleichtert, allein wesentlich scheint diese seine Funktion dabei nicht zu sein, da ich auch oft Schritte bloß mit Hilfe der beiden Wülste thun sah.« Aus diesen kurzen Referaten und dem Hinweis, dass RossmAESSLER’S erste Lieferung 1835 , Fıscaer’s Bericht aber erst 1857 erschien, ergiebt sich wohl die Aufforderung, die Akten über die Lokomotion des Cyclo- 4* Ei Heinrich Simroth, stoma von Neuem zu öffnen und namentlich zu untersuchen, in wie weit die scharfe Gegenüberstellung desselben gegen alles sonst von den Schnecken Bekannte berechtigt sei, von selbst. Streckt das Cyciostoma den Fuß, um diesen zuerst abzuhandeln, aus der Schale, so kommen beide Hälften gleichzeitig, und ihre Vorder- ränder behaupten dieselbe Höhe. Sucht das Thier, an der Unterlage keinen Geschmack findend, mit dem Vorderkörper tastend in der Luft, wo es einen neuen Anhaltspunkt gewinnen möge, so bleibt der hintere Sohlentheil befestigt (am Glase), und die vorderen Theile werden, in wel- cher Stellung sie sich gerade zu einander befinden, gleichzeitig empor- gehoben und losgelöst, gerade wie bei jeder Lungenschnecke, wohl ein Beweis, dass der Antheil, den der Retraktor oder die Muskulatur der seitlichen Körperwand an der Sohlenbewegung, so weit sie nicht die eigentliche Lokomotion betrifft, nimmt, sich in der Funktion von dem Retraktor anderer Schnecken nicht unterscheidet. Soll, wenn beide Sohlenhälften dem Glase anliegen, ein Schritt ge- than werden, so wird die eine Hälfte unter Verschmälerung von der Mitte aus gelöst, aber nicht immer ganz oder doch nicht immer die vorderen und hinteren Theile gleichzeitig, sondern die hinteren lösen sich zuerst, dann die mittleren ; und es geschieht, dass die Sohle hinten schon wieder festliegt, ehe sie ganz vorn gelöst ist. An jedem losgelösten Theilchen tritt — und diesen Kernpunkt scheinen alle früheren Beob- achter übersehen zu haben, — ein deutliches Wellenspiel auf. Die Wellen sind außerordentlich dicht und zart, eine losgelöste Hälfte erscheint über und über fein gekräuselt. Sie sind nicht in regelrechte Reihen geordnet; manchmal nur bilden sie, durch Zufall, eine schräge Reihe, die von einem Punkte der Mitte nach einem vorderen Punkte des Außenrandes verläuft. Aber sie ziehen stets, wie bei allen Schnecken, von hinten nach vorn, nie umgekehrt. Wer freilich das Wellenspiel bloß an den Pulmonaten s. s. studirt und die deutlichen Querwellen über die ganze Sohlenbreite im Sinne hat, wird sich am Gyclostoma schwer orientiren. Dessen Wellen gleichen denen einer an der Oberfläche schwimmenden oder kriechenden Limnaea (s. u.), und die Welie einer Helix verhält sich zu denen der Limnaea oder des Cyclostoma, wie eine Fluthwelle, die kontinuirlich über den Ocean fortschreitet, zu dem Wogen eines Getreidefeldes, wo man zwar auch das Fortschreiten, der Windrichtung gemäß, erkennt, wo aber keineswegs eine regelmäßige Ausrichtung der Wellen, senkrecht zur Windrichtung, Statt hat. Die Wellen des Cyclostoma hören noch nicht immer gleich auf, wenn die gelöste Sohle sich wieder festsetzt; denn ehe das vollständig geschehen ist, erkennt man sie noch am seitlichen Rande einer Stelle, in deren aufliegendem Theile bis zur Mittellinie man nichts Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans ete. 5 bemerkt. Aber auch da müssen sie vorhanden sein, denn manchmal sieht man noch eine Sohlenhälfte ein wenig gleiten, die vollkommen fest- liegt, ohne dass eine Spur des inneren Wellenspieles außen sichtbar wäre. Die Erscheinung ist genau dieselbe, wie bei einer Limnaea, bei der man das Wellenspiel deutlich beobachtet, so lange sie an der Ober- fläche schwimmt, während es verschwindet, sobald sie am Glase kriecht, obgleich doch in beiden Lagen die Bewegung gleich fördernd sein kann, wie man denn auch bei einer kriechenden Paludina keine Spur des Wellenspiels wahrnimmt. Der Grund ist der Mangel an geregelter Ordnung der Gerin- nunginden einzelnen Fasern zu deutlichen Querreihen, deren dieLandpul- monaten sich erfreuen. Geronnenes und flüssiges Eiweiß schiebt sich in zu engem Gemisch durch einander, als dass wirs durch das Epithel hin- durch erkennen könnten, so lange nicht die Gerinnungsexpansionen zu freien, geordneten Erhabenheiten umschriebene Hautstellen emportreiben. Das Nachziehen der Sohlenhälfte, ihre Verkürzung von hinten her geschieht zweifelsohne durch die Retraktorfasern in der hinteren Leibeswand, im sogenannten Schwanz. Das Festlegen der freien, verschmälerten Sohlenhälfte erfolgt mit großer Willkür nach Zeit und Ort. Jede beliebige Partie kann zuerst auftreten, eine mittlere, eine seitliche, eine vordere, eine hintere, eine vordere und hintere gleichzeitig. Ja es können sich während dieses Vor- ganges beliebige Theile wieder lösen und dann erst endgiltig befestigen. Liegt die Hälfte an, wobei sie noch ein wenig gleiten mag, so können, genau wie bei Helix, einzelne Luftbläschen darunter fixirt bleiben und einen bestimmten Trennungsraum zwischen Glas und Haut bilden. Der Schluss der Sohlenbefestigung, der unzweifelhaft eintritt, sobald die andere Hälfte ihr Spiel beginnt, ist jedes Mal ein stärkeres Ansaugen, ver- bunden mit einer Verbreiterung der Hälfte, welche von vorn nach hinten schreitet und stets an ersterem Pole am bedeutendsten ist (vgl. Fig. 1). Auch in der fixirten Hälfte ruht noch nicht Alles, sondern unbestimmte hellere und dunklere Wellen oder Wolken, die aber mit der Kräuselung der freien Sohle nichts zu thun haben, schon weil sie viel voluminöser sind, wogen hin und her, oder auf und ab, und führen steis zu dem Ziel, dass der mediale Theil etwas dunkler schattirt wird. Sie scheinen durchaus nur auf lakunären Blutwogen zu beruhen, und die Verdunke- lung erfolgt durch stärkere Füllung und deutlicheres Durchschimmern des pigmentirten Parenchyms. Jetzt mag die andere Hälfte das gleiche Spiel ausführen. Wenn der ganze Fuß ruht, so treten die Runzeln, die das todte Thier zeigt (Fig. 3 und 4), an den Rändern und der Mitte schwach hervor. Will die Schnecke die Wegrichtung ändern, wie in Fig. 2, so unter- 6 Heinrich Simroth, scheidet sich der Modus schwerlich von dem der Pulmonaten, und die kriechende Hälfte wird durch die allgemeine Hautmuskulatur zur Seite gezogen. Der Rüssel kann schon desshalb nicht als unerlässlich für die Loko- motion angesehen werden, weil Schnecken, die fein vertheilte Nahrung aufnehmen, während des Kriechens fressen, wie denn Limnaeen, Planor- ben und Paludinen unter gleichmäßiger Fortbewegung die grünen Algen der Aquariumwand abweiden. Sie lecken, indem sie den Kopf zuerst möglichst weit nach links etwa biegen und dann bis zum gleichen Aus- schlage nach rechts, worauf die umgekehrte Bewegung eintritt; es ent- steht ein regelmäßiges Hin- und Herpendeln, wobei in ganz gleichem Rhythmus die Radula vorgestreckt und eingezogen wird. Und da das Thier dabei ununterbrochen vorwärts gleitet, so resultirt ein zierliches Zickzackband in dem Algenanflug, und dies gestattet es bei einiger Übung, die frühere Anwesenheit fast jeder Art aus der Weidefährte zu erkennen. Ähnlich sieht man bei einem kriechenden Cyclostoma den Rüssel auf der Unterlage, allerdings nur gradeaus, hingleiten und dabei die Zunge unausgeseizt aus- und einziehen. Anders, wenn der Rüssel, wie es sehr häufig, aber nicht immer, geschieht, zur Lokomotion verwandt wird. Dann wird er festgesaugt. Das Saugen erfolgt durch die Wirkung des Retraktors, also der Längs- muskulatur in der Wand, welche, wie Fig. 5 und 6 äußerlich zeigen, von der Mitte der Scheibe radiär ausstrahlt. Dass die saugende Kraft keine andere sein kann, beweist der Schalenhub, der fast jedes Mal mit dem Ansaugen verbunden ist. Die Schale sinkt dann langsam zurück, um beim nächsten Ansaugen wieder-gehoben zu werden. Die Streckung und das Vorwärtsgleiten des Rüssels ist schwerlich einem Blutzufluss gut zu schreiben, denn man bemerkt keinerlei Schwellung, sondern es ge- schieht durch die Kontraktion der Ringmuskulatur, wie bei einem Blutegel. Um noch einige Beobachtungen über die Geschwindigkeit anzufüh- ren, so kroch das Thier nach einander in je einer Minute: I. schräg aufwärts 0,4 cm (Versuchsdauer 10 Minuten). 1. aufwärts 0,05 cm (Versuchsdauer 2 Minuten). 11. seitlich 0,66 cm (Versuchsdauer 6 Minuten). IV. aufwärts 0,7 cm (Versuchsdauer 3 Minuten). Es ergiebt sich also als Maximalgeschwindigkeit in der Minute der ge- ringe Werth von 0,7 cm. Beim ersten und letzten Versuche wurden die | Schritte gezählt, worunter je ein Wechsel der Sohlenhälften zu verstehen ist; im ersten kamen auf die Minute %, im letzten 7 Schritte, so dass also dieEntfernung, um welche ein Schritt das Thier fördert, gleichmäßigimm heträgt. RossmazssLer giebt (X, I, p. 90) für den Schritt vetwa eine Linie« | Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans etc. 7 an, was entweder auf eine allgemeine, ungenaue Schätzung seinerseits, _ oder auf größere Agilität von Seiten seiner Thiere hinausläuft. Soll aus Vorstehendem die Lokomotion in die wichtigsten wirksamen Faktoren zerlegt werden, so dürften es folgende vier sein: 4) Verlängerung der einen Sohlenhälfte durch lokomotorische Wellen, die, ohne sich zu regelmäßigen Querbändern zu vereinen, von hinten nach vorn ziehen wie bei allen von mir untersuchten Schnecken; 2) Aufsetzen der Sohle mit Verbreiterung, jedenfalls durch Blutzu- fluss, wie denn die starke Runzelung der todten Sohle auf viele Lakunen hinweist. Die Verbreiterung, erzeugt durch erhöhten Druck, steigert mit der Kontaktfläche die Adhäsion. 3) Nachziehen des hinteren Körperendes durch den Retraktor, zu- gleich mit Loslösung der Hälfte von der Mitte aus. 4) Mitwirkung des Rüssels, der durch Kontraktion seiner Ring- muskeln gestreckt und festgesetzt und durch die Zusammenziehung der Längsmuskulatur oder des Retraktors festgesaugt wird. Letztere Thätig- keit hebt zugleich die Schale empor. Der wichtigste Faktor bleibt immer der erste, da er das Gyclostoma den allgemeinen Gesetzen, welche die Schneckenlokomotion beherrschen, unterstellt. Nicht weniger springt die völlige Freiheit im Gebrauche der übrigen hervor, wie denn bloß etwa das Nachziehen des Hinterendes und der regelmäßige Wechsel beider Sohlenhälften konstant erscheinen. Dass letzterer aus der Sohlenhalbirung unmittelbar folgt, braucht kaum gesagt zu werden. Von weiterer Bedeutung scheint der Blutgehalt der Sohle zu sein, wenn auch das Spiel des Blutes ein ziemlich verschiedenes sein kann. Da nun das Wellenspiel als der eigentliche Motor, der das Thier vorn verlängert, sowohl an der freien wie an der festliegenden Sohle ge- schehen kann, und da der Retraktor wie bei allen andern Schnecken die Verkürzung von hinten her übernimmt, so ist die principielle Überein- stimmung mit den übrigen Gastropoden gefunden; alles Übrige, die Los- lösung, der überwiegende Einfluss des Blutflusses und das unterstützende Eingreifen des Rüssels, ist Beiwerk, welches allein aus den besonderen Lebensverhältnissen des Cycelostoma, die es vor den Verwandten, den Prosobranchiern, voraus hat, erklärt werden darf. Diese veränderten Umstände gipfeln darin, dass ein Wasserbewohner zu einem Landthiere geworden ist. Die Schwierigkeiten, die dadurch für die Lokomotion er- wachsen, können nur im Wechsel des Mediums und in dem schwerfälligen Baue des Thieres mit gewichtiger Prosobranchierschale gefunden werden. Im Wasser wird von dem Thiere ein so großer Theil getragen, dass nur ein verhältnismäßig geringer Procentsatz seiner Masse wirklich bewegt zu werden braucht, in der Luft ist die gesammte Körperlast fortzubewegen. 8 | Heinrich Simroth, (Der Vortheil, den die Widerstandsverminderung in der Luft bietet, kommt bei der Langsamkeit des Schrittes nicht in Betracht.) Eine so große Masse durch vordere Sohlenverlängerung fortzuschaffen, reicht das schwache und unregelmäßige Wellenspiel eben hin ; aber es genügt nicht, um zu- gleich beim Gleiten auf einer rauhen Fläche die bedeutende Reibung zu überwinden (während dies an glatter Unterlage, am Glase, zeitweilig wohl geschehen kann); darum wird die Sohle, so weit sie lokomotorisch thätig ist, gelöst, und das Wellenspiel vollzieht sich in der Luft in völliger Frei- heit. Das Thier hebt also sein Bein, seine Wulst, seine Sohlenhälfte nicht, wie man's bisher fasste, um einen Schritt zu machen, sondern allein, um die Berührung mit dem Boden aufzuheben, daher auch bloß partielle Lö- sung vorkommt; und wenn beim Niedersetzen die Sohlenhälfte ein Stück- chen weiter vorn den Boden berührt, so hat das seinen Grund in der Ver- längerung durch lokomotorische Wellen vorn und in der Verkürzung durch den Retraktor hinten. Diese Loslösung hat zur nothwendigen Voraus- setzung eine Theilung der Sohle der Länge nach. Um der anhaftenden Sohlenhälfte die nöthige Ausdehnung zu geben und eine hinreichende Adhäsionsfläche herzustellen, wird sie durch starken Blutzufluss verbrei- tert. Endlich kommt, durch selbständige Accommodation entstanden und aus den Verhältnissen der Sohle nicht abzuleiten, die gelegentliche Bei- hilfe des saugenden Rüssels hinzu. | Bei den Pulmonaten ist dieselbe Schwierigkeit, die ihnen derÜbergang in die Luft setzte, auf ganz anderem Wege überwunden, den ich früher schon beschrieb und unten präciser formuliren werde. I. Das lokomotorische Nervensystem. Hierzu gehören die Hirnnerven, so weitsie in die Schnauze gehen und möglicherweise motorisch sind, namentlich und vor Allem aber die Pedal- ganglien mit ihren Nerven. Von diesen sind mir hauptsächlich zwei Dar- stellungen bekannt, die leider beide als unzulänglich bezeichnet werden müssen, die ältere von CLarAr&pe (Il), die neuere von v. InzrınG (V, p. 88). CLAPAREDE (p. 6, Fig. 7) zeichnet richtig sechs Nerven, die am Hinterende aus den Fußganglien austreten, lässt aber alle vorderen weg; von IHErıng, wohl die Anatomie der verwandten Paludina im Auge, fasst die hinteren in einen einzigen zusammen (Taf. VII, Fig. 30), fügt dafür aber drei seit- liche hinzu, noch einen eigenthümlichen vorderen übersehend. Beide Forscher haben außerdem durch das Neurilemm sich verführen lassen, dessen Umrisse für die der Ganglien zu setzen, was für die phylogene- tischen Schlüsse von Iszrıne’s vielleicht verhängnisvoll geworden ist. Es wird das beste sein, die Beschreibung von Neuem zu beginnen. Die Pedalganglien (Fig. 11 gp, Fig. 7) stecken in einem lockeren, Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 9 hinten dichteren, bindegewebigen Neurilemm, nicht ohne einzelne Muskel- fas ern, das von einer Menge länglicher, körniger, grau-, gelb-, schwarz- brauner Farbzellen durchsetzt wird. Es füllt den Raum zwischen den Ganglien vor und hinter der Kommissur (Fig. 7) bis zur geraden vorde- ren und hinteren Verbindunsslinie vollkommen aus und verdeckt leicht durch seine Masse die hinteren inneren Konturen der Ganglien mit den zwischenliegenden Theilen. Mit den oberen Schlundknoten stehen sie, wie durch von Inzrıng be- kannt, in doppelter Verbindung, durch die Gerebropedal- (Fig. 7/) und die merkwürdigerweise hier viel stärkere Visceropedalkommissur (I7) Unter einander tauschen sie zwei Faserzüge aus, die Pedalkommissur (/I/), die bisher viel zu breit oder vielmehr gar nicht angegeben wurde, da die Ganglien nach den früheren Darstellungen sich in breiter Fläche berührten, und durch eine zarte hintere, bisher übersehene Kommissur (IV). Ich er- kannie sie in einem Präparate, wo sie von Bindegewebe überdeckt war, mit Mühe als nervenlos, auch als etwas kürzer als in Fig. 7; in dem ge- zeichneten gingen einerseits zwei ganz zarte Nerven nach hinten ab, an- dererseits war nur einer wahrzunehmen; es ist möglich, dass die Entfer- nung des Bindegewebes den Genossen wegriss, doch hat auch die kleine Unregelmäßigkeit nach den allgemeinen Befunden an den feinsten Nerven der Weichthiere, besonders den von Kommissuren ausgehenden (vgl. XIV, Holzschnitt), kaum etwas Auffallendes. In einem Präparate glaubte ich noch eine kürzere feinere Kommissur zu sehen zwischen III und IV, parallel zu IV; doch war es ein Präparat mit Bindegewebe, daher Täu- schung nicht ausgeschlossen. Sie existirt nach den sonstigen Befunden - wahrscheinlich nicht. | Aus jedem Ganglion kommen 9, oder wenn man will, 40 Nerven: 4) Ein Nerv, der zwar aus dem unteren Ende der Visceropedalkom- missur entspringt, sicher aber seine Wurzeln aus den Pedalganglien herleitet. Er zieht seitlich in den vordersten Sohlentheil und giebt bald einzelne Nervenfädchen ab. 2 und 5) Die beiden nächsten Nerven, die auch als drei auftreten oder erscheinen können, entsprechen den drei kleinen Nerven, die v. Iur- RING seitlich zeichnet (l.c.). Sie entspringen gerade unter den Ganglien mit einer kurzen, dicken, wie es scheint, gemeinsamen Wurzel, und man sieht sie, wenn man die Ganglien von vorn zurückschlägt; denn sie ziehen Anfangs parallel senkrecht nach unten, zur Seite des Fußdrüsensackes, und biegen dann seitlich nach außen. Ihre Verzweigung erfolgt in ver- schiedenen Exemplaren nicht ganz gleich, und ich habe sie links nach einem anderen Thiere gezeichnet als rechts. Die sechs übrigen Nerven (4—9) können nach ihrer Richtung und 10 Heinrich Simroth, Verbreitung zusammengefasst werden; sie strahlen im Thier regelmäßig in die Sohle aus einander, so dass die zugehörigen rechts und links, je mehr sie nach hinten liegen, um so weniger divergiren. Eigentlich wäre 7 als hinterster Nerv zu zeichnen, da er das Ende der Ganglien bildet; die anderen entspringen sämmtlich vor ihm, 4 mehr isolirt seitlich, 5, 6, & und 9 aus der Unterfläche. Überhaupt enispringt kein Nerv von der Oberseite, /und 7, der vorderste und der hinterste, liegen mit ihren Ur- sprüngen in der Ebene der oben abgeplatteten Ganglien, 4 entspringt ein klein wenig tiefer am Rande, die anderen unten. Es ist möglich, dass ich zwischen den hinteren Nerven noch einen feinen übersehen habe, den ich manchmal zu erkennen glaubte; doch schien mir die Sicherheit seiner Existenz oder Nichtexistenz die Mühe genauer Nachforschung oder das Opfer eines neuen Tbhieres nicht zu lohnen. Die Stärke der ver- schiedenen Nerven ergiebt sich aus der Figur. Das Verbreitungsgebiet der Fußnerven folgt aus der Anfangsrichtung von selbst; es ist jedenfalls, bei aller Verschiedenheit der Ursprünge, ein ganz ähnliches, wie ich es von Paludina zeichnete, von den Kommissu- ren abgesehen , also rings in der Sohle, mehr nach dem Rande zu. Ich habe bei der dunkleren Färbung des Sohlenparenchyms die Nerven nicht weit in dieses hinein zu verfolgen vermocht, doch ist aus dem Mangel der gangliösen Einlagerungen zu folgern (s. u.), dass ein sympathisches Netz durch Anastomosen so wenig gebildet wird, als bei der Sumpfschnecke. Andererseits glaube ich behaupten zu dürfen, dass die Kommissuren, welche bei der letzten die vorderen und hinteren peripherischen Nerven beider Seiten verbinden, hier fehlen. Denn erstens sind die Haut und die Muskulatur des Gewölbes in der die Sohle halbirenden Furche, von oben präparirt, so dünn, dass man leicht von Anfang bis zu Ende kon- trolliren kann, ob Nerven herüberwechseln, wovon ich nichts sah; zwei- tens hätten diese Kommissuren einen auffallenden Umweg und Bogen in die Höhe zu beschreiben, um aus einer Hälfte in die andere überzu- springen, und endlich drittens lässt die funktionelle Trennung dieser Hälften eine nervöse Verknüpfung nicht eben erwarten. Histologisch unterscheiden sich die Nerven ganz außerordentlich von denen der Paludina; denn während dort die Pedalganglien gar nicht von den beiden zellenreichen Hauptsträngen sich absetzen, während ebenso die peripherischen Nerven und ihre Verzweigungen fast an allen Stellen kleine Knoten zeigen, so wüsste ich kaum ein besseresBeispiel von Son- derung der Zellen und Fasern, als eben das Fußnervensystem des Cyelo- stoma. Die Ganglien sind ganz scharf umschrieben und die Nerven so zellenrein wie irgendwo bei einer Schnecke. Ich habe nur in einem Falle ein Paar vereinzelte Zellen an den Nerven bemerkt, die in Fig. 7, 2 Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 11 und 3 rechts eingetragen sind; zwei Zellen legen sich glatt dem Nerven an, die dritte aber, in 2 zunächst dem Ganglion, offenbar eine der ge- ‚ wöhnlichen unipolaren Ganglienzellen, die bei Schnecken so häufig sind, sitzt mit dem einen Pole dem Nerven auf, und der andere entsendet eine \ starke Faser, die sich bald gabelt (natürlich bei stärkerer Vergrößerung | untersucht). Fasern, vom Nerven abtretend, wurden in dem sehr klaren \ Bild überhaupt nicht wahrgenommen ; und so lässt sich hier als Gelegen- heitsfrucht die Thatsache gewinnen, dass eine Ganglienzelle, die nur einerseits einen Hauptnerven berührt, andererseits ganz allein und auf eigne Hand einen Nerven bildet und ihr besonderes Verbreitungsgebiet hat. Der Schnauzennerven kurz zu gedenken, so hat sie von IHErıng rich- tig dargestellt, der Hauptsache nach. Er verzeichnet (V, p. 87) »zwei starke nach vorn verlaufende Nerven, welche sich in die Lippen und Schnauze vertheilen«. Man könnte freilich auch fünf angeben, einen feinen, der ‚von unten in den Pharynx, etwa in der Mitte seiner Länge eintritt (Ge- schmacksnerv?), und vier starke, deren Verbreitung man sich am ein- fachsten klar macht, wenn man den Umkreis der Schnauze oder des Saugnapfes (Fig. 5) in acht Bogen theilt und nach jedem Theilpunkte einen Nerven ziehen lässt, von wo er sich in die Schnauze verliert. Die mikroskopische Untersuchung lehrt indess, dass der Ursprung aus dem Hirn kein konstanter ist, dass die Trennung der Stämme früher oder später eintreten kann. Ja ich habe einen Fall gesehen, wo auf der einen Seite ein Nerv mit zwei Wurzeln entsprang, die bald zu einem einzigen Nerven verschmolzen, während sie auf der anderen Seite ganz getrennt blieben. Da ich nicht weiß, wie viel von den Fasern dieser Nerven mo- torisch sind, werde ich sie nicht weiter berücksichtigen . Werin der Anlage des pedalen Nervensystems des Cyclostoma einen Ausdruck der bilateralen Sohle wiederzufinden erwartete, würde den- selben Fehler begehen, als der, welcher den Grund für das gelegentliche Zurückziehen des linken Fühlers einer Helix bei ausgestrecktem rechten in der Ausbildung der Fühlernerven suchen wollte. Höchstens kann der Mangel peripherer Verknüpfung, die bei Paludina zwischen dem ersten und dem letzten Nervenpaare, bei den Landpulmonaten zwischen allen Nervenästen der linken und rechten Sohlenhälfte Statt hat, als ein Zeichen völliger Trennung der Fußhälften gelten, und das muss es allerdings. Wichtiger fast ist die Ausprägung unseres Fußnervenapparates zur Entscheidung der phylogenetischen Fragen, die ich gelegentlich der Palu- ! Diese Frage dürfte zu einer besonderen Untersuchung der Schnauzennerven ermuntern, denn entweder liegt im Saugnapf ein sehr feines Sinnesorgan vor, was. bei der Funktion nicht wahrscheinlich, oder man hätte bei dem großen Nerven- reichthum Aussicht, das Verhältnis der motorischen Nerven zu den Muskeln endlich aufzuklären. Ä 12 | Heinrich Simroth, dina aufwarf, da sie uns als Prüfstein für die gegenseitige Verwandtschaft der Chiasteneuren, wie von Iuerıng sie aufstellt, dienen kann. Hier habe ich zunächst einen Fehler nachzuholen, den ich in der Litteraturbe- rücksichtigung, nicht in der Sache begangen habe. Wenn ich bei der Paludina die beiden Kommissuren zwischen den Pedalnervenstämmen als etwas Neues in der gewiss durch von Inerıng gut begründeten Gruppe der Chiastoneuren hinstellte, so hätte ich auf eine andere Abhandlung dieses Autors Bezug nehmen sollen (VI), in welcher von der Fissurella costaria (Fig.2) und von der eng verwandten Emarginula Huzardi (Fig. 3) dicht hinter den Pedalganglien (kurzen Längsstämmen mit zahlreichen Kommissuren, deren hinterste die stärkste ist und den Bereich der Gan- glien abschließt) noch zwei weitere Kommissuren gezeichnet werden. Indess hat das auf die Paludina keinen Bezug, sondern diese Kommissu- ren kommen nur den Fissurelliden, die.sich an Chiton anschließen, zu und sind bei den entfernter stehenden Chiastoneuren entweder ver-. schwunden oder mit den Ganglien verschmolzen, so dass für die Auffas- sung des Hauptwerkes (V) Alles beim alten bleibt. Bedeutungsvoller vielleicht noch, als die Existenz dieser Kommissuren, ist von Inkrıng’s Entdeckung (VI), dass von den Kommissuren zwischen den Pedalganglien bei Fissurella, wie bei Emarginula Nerven abgehen, ähnlich wie von der Kommissur meiner Fig. 7 oder von der zweiten Paludinenkommissur. Thatsachen und Schlüsse lassen sich daher jetzt so zusammenfassen: Bei Chiton sind zwei starke gangliöse Pedalnervenstämme vorhanden mit zahlreichen Kommissuren durch die ganze Länge der Sohle. Daran schließt von Inerıng die Fissurelliden, bei denen die Kommissuren nur noch vorn sich finden, wo sie in die verkürzten Pedalganglien übergehen, dicht dahinter sind noch zwei Kommissuren, die wohl weiter auch dahin eingehen. Bei den übrigen Arthrocochliden sollen die metameren Theile der Pedalnervenstämme völlig zu zwei soliden, durch eine Kommissur verbundenen Pedalganglien verschmolzen sein. Dem gegenüber stelle ich das Fußnervensystem von Paludina und Cyclostoma, also von zwei einander nahe stehenden Gattungen, welche annähernd die Endglieder der von den Fissurelliden abgeleiteten Kette bilden sollen. Bei Paludina sind zwei starke gangliöse Pedalnervenstämme vorhan- den mit zwei oder drei Kommissuren durch die ganze Länge der Sohle. Daran schließt sich Cyclostoma, wo nur noch vorn eine Kommissur (Fig. 7 IV) sich findet (natürlich von der vordersten, eigentlichen Pedalkom- missur /IJ abgesehen), welche die zu zwei kompakten Ganglien ver- kürzten Längsnervenstämme verbindet. | Man sieht: zwischen Paludina und Cyclostoma genau derselbe Über- Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 13 gang wie zwischen Chiton und Fissurella, nur mit dem Unterschiede, dass der Kommissuren zwar weniger sind, dass aber andererseits die Koncentration der gangliösen Masse noch viel entschiedener zur Durch- führung kommt, da von den Pedalganglien des Gyclostoma nur so gut wie zellenreine Nerven entspringen. Wie soll man diesen Parallelismus deuten? Soll man Paludina zu Chiton stellen, und Fissurella, mit Cyclo- stoma vereinigt, davon ableiten? Das verwehrt die sehr charakteristische Kreuzung oder Verschiebung der Visceralkommissuren, die Paludina viel enger mit Cyclostoma verbindet als mit einer der beiden anderen oder ‘als diese unter sich verbunden sind (der übrigen Anatomie ganz zu ge- schweigen). Wenn wir innerhalb einer Reihe dasselbe nochmals sich voll- ziehen sehen, was überhaupt die Bedingung der Reihe, was bei ihrem ersten Gliede bereits abgemacht sein soll, dann kann wohl nur folgen, dass die Reihe falsch aufgebaut, dass die Bedingung falsch gesetzt wor- ‘den ist. Ist dieses richtig, so haben wir weiter kein Recht, so weit das Fußnervensystem in Frage kommt (und dieses ist hier zur Grundlage ge- ‚macht worden), den Ausgangspunkt von Fissurella und Chiton zu neh- men und mit ihnen die Entwicklung an die Amphineuren unter den Würmern anzuknüpfen, da doch die Platycochliden, also eine ganz ähn- Jiche Schneckenreihe, von den Strude!würmern anheben sollen. Wollte "man noch einen letzten Anker versuchen, so böte sich vielleicht die Exi- stenz von Kommissuren zwischen den gangliösen Pedalnervenstämmen oder den kompakten Pedalganglien überhaupt, freilich in einer numeri- ‚schen Schwankung von 1 bis 30. Doch ist wohl ein Zweifel erlaubt, ob Jemand auf so schwankender Grundlage das wichtigste System aufbauen ‚wollte. Janoch mehr. Die Kommissur /V erinnert sehr an die Parapedal- Kkommissur, welche von Inerıng von zahlreichen Ichnopoden, also Platy- ‘cochliden abbildet. Und wenn er von dieser Parapedalkommissur, die Nerven entsendet, die Subcerebralkommissur trennt, die keine aus- schickt, — und wenn dieser Unterschied bei der Schwierigkeit, an diesen zarten Bändern in jedem Falle die Nerven zu finden, und bei der ge- legentlichen nachträglichen Entdeckung derartiger Nerven (wie solche von Inerıng selbst bei der Fissurella nachträglich beschrieb) hinfällig ‚werden dürfte, so finden sich unter den Ichnopoden die meisten mit derselben Kommissur, wie das Cyclostoma. Und hat man auch daraus nicht gleich die engste Verwandtschaft abzuleiten, so ist’s doch ein Finger- zeig, wie wenig im Allgemeinen auf die Existenz solcher Kommissuren morphologischer Werth zu’legen, und wie man noch nicht jede einheit- liche Auffassung der Klasse der astsopedien fallen zu lassen gezwungen zu sein braucht‘. ! Bei Thoresschluss lese ich die vorläufige Mittheilung, welehe Graf B. HALLER 14 Heinrich Simroth, Il. Drüsen und Epithel. Wer an einer erschlafften Cyclostoma-Leiche die Sohlenhälften aus einander biegt und überrascht das tiefe Gewölbe, wie man eigentlich statt Furche sagen sollte, betrachtet (Fig. 6), dem fallen am Grunde zwei milch- weiße Streifen auf, die sehr deutlich aus der schwarzgrauen Wandfläche sich abheben (d). Sie sind vorn am stärksten und keilen sich hinten aus, so dass sie bereits ein Stück vor dem Sohlenende sich völlig verlaufen haben. Je einer gehört zu einer Furchenhälfte, beide werden nahe dem Vorderende durch ein Querjoch von gleicher Farbe verbunden, das sich durch das Gewölbe herüber spannt. Zunächst glaubt man es wohl mit zwei sehnigen Streifen zu thun zu haben, bestimmt, jeder Sohlenhälfte eine Fixationslinie zu geben und beide zusammenzuhalten. Schwankend wird man durch die Wahrnehmung, dass bei anderen Exemplaren das Querjoch fehlen kann ; und die mikroskopische Prüfung beweist, dass die Streifen nicht anders zu Stande kommen, als durch eine massenhafte Anhäufung von Schleimdrüsen. Will man sie einzeln zu Gesicht bekom- men, so kann man nur die letzten verschwindenden Enden der Streifen untersuchen (Fig. 8), denn vorn stehen sie so gedrängt, dass bei der Dicke des Schleimes eine Unterscheidung des Details sehr bald zur Un- möglichkeit wird. Sie drehen von links und rechts ihre Ausführungs- gänge einander zu, da ihre Achse des Körpers Querachse entspricht. Ver- einzelt stehen sie dann noch in dem Raume zwischen beiden Streifen, im Furchengewölbe, wo sie sich gelegentlich häufen, um das erwähnte, Querjoch zu bilden. Die Gestalt der Drüsen (Fig. 9) ist die, welche Leyvıs (VII) als Retortenform bezeichnet. Ihr Inhalt, der nach dem Winter- schlafe sehr dick und fest erscheint, besteht aus einer grau-gelben grob- körnigen Masse ohne kohlensauren Kalk, da Essigsäure kein Gas ent- wickelt. An einigen war eine Tunica propria zu bemerken, einen ver- schmälerten Ausführgang bildend. Da man derartige milchweiße Punkte auch sonst auf dem Rücken des Thieres nach Entfernung des Epithels schon mit bloßem Auge hier und da zerstreut wahrnimmt, so kann kaum ein Zweifel bestehen, dass wir's mit der allgemeinen Kategorie der Schleimdrüsen zu thun haben, und wenn ich bei der Verdickung des Schleimes nichi im Stande war, ihre Histologie aufzuklären, so darf ich mich doch wohl Leypıg anschließen, der diese Schleimdrüsen (VII, p. 221) für einzellig erklärt. im Zool. Anzeiger IV. p. 92ff. über Chiton, Patella, Haliotis, Fissurella, Turbo und Trochus veröffentlicht. Es scheint mir theils verfrüht, vor der ausführlichen Publi- kation daraufeinzugehen, theils auch nicht unumgänglich nothwendig, da das End- resultat mit dem meinen übereinstimmt. Die sehr veränderte Darstellung, welche das Fußnervensystem jener Thiere erfährt, muss künftig aus der verheißenen Ab- handlung entnommen werden. ne Sc ee een Zu de Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 15 Weit merkwürdiger als diese nur durch ihre Lage und Anordnung auffälligen Schleimdrüsen ist die eigentliche Fußdrüse (Fig. 10), in der man zuerst vielmehr die Drüse eines Arthropoden, etwa die Giftdrüse einer Ameise vor sich zu haben glaubt, als ein Gastropodengebilde. Ich glaubte schon, der Entdecker dieser hübschen Einrichtung zu sein, doch sehe ich, dass ich CLaParkDE die Ehre lassen muss. Da seise Beschrei- bung nicht in Craus’ Zoologie (III) übergegangen, und da sie von GEGEN- BAUR mit zwei Zeilen zweifelhaft und nebenbei erwähnt wird (IV, p.562), was wohl in der oberflächlichen Behandlung ohne Abbildung der Drüse seinen Grund hat, so mag hier der wichtige Passus aus des Entdeckers Beschreibung nochmals Platz finden (Il, p. 26). »Es ist endlich noch ein anderer Sekretions- oder wahrscheinlicher Exkretionsapparat bei Cyclostoma vorhanden, muthmaßlich von gleicher Bedeutung, wie der, welchen DELLE CHIaJE und KLEEBErG am Fuß ver- schiedener Pulmonaten kennen lehrten. Bekanntlich besteht dieses Or- gan bei den Limacinen aus einem geraden Kanal, an dessen Seite zahl- _ reiche Drüsenbälge liegen und welcher unterhalb des Mundes nach außen _ mündet. Bei Cyclostoma ist die Beschaffenheit desselben eine andere: dicht unter der Haut, zwischen dem Munde und dem Fuße, befindet sich ein ovaler breiter Sack, der mit einem weißen Sekret erfüllt ist, so dass dessen Farbe durch die Haut selbst durchschimmert. Von diesem Sacke gehen zwei lange Schläuche aus, die sich vielfach winden und einen dich- ten Knäuel um die unteren Schlundganglien und die Gehörbläschen bil- den. Die Ganglien sind sogar von diesen Schläuchen so umwunden, dass es eine Unmöglichkeit ist, den Knäuel ohne Zerreißung aus einander zu wickeln und desshalb hat es große Schwierigkeit, die Gehörorgane in ihrem Zusammenhange mit dem Nervensystem rein zu präpariren. Es konnte natürlich die Länge der Schläuche nicht geschätzt werden, da ihr Verlauf so verwickelt ist und wir vermochten leider nicht einmal mit Gewissheit zu ermitteln, ob sie blind endigen, wie dies wahrscheinlich ‚ist. Jeder Schlauch hat eine gleichmäßige Breite von 0,10 mm, da jedoch die Wandungen ziemlich dick sind, so ist das Lumen nur 0,068 mm breit. Diese Schläuche sind mit einem Epithel ausgekleidet, dessen Zellen die Absonderung des Drüsensekretes übernehmen. Wenn sie einmal mit letzterem erfüllt sind, so werden sie ins Lumen des Schlauches abge- stoßen und bis in den unteren Sack fortgeführt. Dieser ist also voll Zellen, deren Beschaffenheit mit derjenigen der Epithelzellen des Schlauches übereinstimmen. Es sind dieselben 0,007 bis 0,018 mm breit und ge- wöhnlich so mit dem Sekret erfüllt, dass der Kern nicht wahrgenommen wird (Fig.14a). Hier und da kommen jedoch weniger strotzend erfüllte Zellen vor (Fig. 44 c), die einen ovalen Kern von 0,003 bis 0,006 mm 16 Heinrich Simroth, Durchmesser zeigen. Das Sekret (Fig. 14 b), welches aus blassen runden 0,002 bis 0,005 mm großen Körnern besteht, befindet sich sowohl ganz frei im Sacke, wie in den Zellen selbst eingeschlossen. Es kommen auch im Inhalt des Sackes vereinzelte 0,006 bis 0,026 mm — also ziemlich wie die gewöhnlichen Drüsenzellen — breite Zellen vor (Fig. 14 d), die einen ganz anderen Zellinhalt einschließen. Derselbe besteht aus sehr kleinen, unmessbaren Körnchen, die beständig in lebhafter Molekularbewegung begriffen sind. Möglicherweise werden diese Körnchen durch eine bloße Zersetzung oder sonstige Umwandlung des gewöhnlichen Zelleninhaltes erzeugt. — Ohne Zweifel wird dieses Sekret beim Gehen vor dem Fuße entleert und dient dazu, die Bahn schlüpfrig zu machen.« Hierzu einige Erweiterungen. Der weiße Sack, der in einem Falle k mm maß, hat seine Lage unter den Pedalganglien, so dass man ihn von oben ein wenig vorn hervorragen sieht (Fig. 11). Seine Ausmündung liegt an der Grenze von Rüssel und Fußsohle, vor deren Furche, wo ‚er durchschimmert (Fig. 6 c). Die beiden Schläuche kann man ganz gut präpariren, wenn auch nicht zum Messen entwickeln, da sie leicht zerreißen. Sie treten nicht auf die Oberseite der Ganglien, daher man diese nur vorsichtig zurückzuschlagen, den Sack an der Mündung los- zuschneiden und mit den Schläuchen herauszunehmen hat (Fig. 10). Die Schläuche münden nahe dem Vorderende von unten her in den Sack ein, ähnlich wie die Harnleiter in die Blase eines Säugers. Nach hinten werden sie immer dünner und zarter und geben zuletzt je drei Seitensprosse ab, so dass jede dieser tubulösen, zarten Drüsen mit vier Blindschläuchen endigt. Was sofort ins Auge fällt, ist der Unter- schied in der Färbung des Sackes und der Schläuche, jener erscheint milchweiß, diese braun- oder graugelblich. Der Sack, den ich immer leer fand, verdankt seine Farbe — und das hat Cıararipe ganz über- sehen — der Struktur seiner Wand. Denn diese besteht in der ganzen Fläche aus einer zarten Tunica propria mit denselben oder ganz ähnlichen Schleimdrüsen, wie ich sie aus der Furche beschrieb, wohl mit Epithel- zellen dazwischen. An den Schläuchen erkannte ich ebenfalls eine Tunica propria, aber kein Lumen, sie waren durch und durch mit einer gleich- mäßigen oder fein granulösen Masse gefüllt, wahrscheinlich in Folge langen Nichtgebrauchs, daher hier Crararkoe’s Schilderung eintreten muss. Wir haben es hier also mit einem doppelten Sekret zu tihun. Der Sack liefert einen Schleim, wie die Drüsen der Furche und der Haut; aber dieser genügte nicht als Schmier- oder Klebmittel bei der so sehr er- schwerten Bewegung in der Luft, darum traten die Schläuche mit ihrem besonderen Produkte hinzu. Die Entleerung des Sackes kann nicht durch ihn selbst geschehen, Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Üyclostoma elegans etc. 17 denn seine Wandung entbehrt, wie die der Schläuche, der Muskelfasern, _ einige wenige, die an der Mündung von der Haut aus herübertreten, ausgenommen. Sie erfolgt aber viel besser durch die Decke von Quer- muskeln, die ihn von den Fußganglien trennt (Fig. 41), viel besser, weil dadurch der Rhythmus der Entleerung mit dem Rhythmus der Bewe- gung, also die Spende mit dem Bedürfnis zusammenfällt (s. u. IV). Über die Bedeutung des Sekretes, oder doch über seine örtliche Verwendung, können Zweifel entstehen. CLaPAr&DE hat schwerlich Recht, wenn er die Aufgabe in dem Schlüpfrigmachen der Bahn sucht. Wahr- scheinlich dient es theils als Schmier-, theils als Klebmittel (s. u.), und als letzteres kommt es vermuthlich nicht bloß der Sohle zu Gute, sondern auch der Saugscheibe des Rüssels. So genau der Rüssel beschrieben ist (Moguin-Tannon unterscheidet an ihm bis zur Ansatzstelle der Fühler 13 ringförmige Runzeln), so wenig ist seine erneute Betrachtung über- flüssig. Seine vordere Saugscheibe, durch eine Hauptlinie in zwei seit- liche Hälften, durch sie und eine Querlinie in vier Quadranten geschie- den, in der Ruhe noch mit regelmäßigen strahligen Faltungen (Fig. 5 und 6), hat keinen rings fortlaufenden Kontur, sondern dieser ist unten in der Mitte unterbrochen, da hier eine Rinne herantritt. Denn die Haut des Rüssels, oben sehr dick und am Boden bedeutend verdünnt, bildet an letzterer Stelle, indem sie sich nach innen faltet, eine deutliche Rinne, die, in der unteren oder vorderen Hälfte mit scharfen Rändern, oben oder hinten sich allmählich verflachend, bis in die Nähe der Fußdrüsen- mündung hinanreicht. Es kann sicher angenommen werden, dass die Rinne einer Herableitung des Sekretes auf die Fläche der Saugscheibe dient, wie dieses, einmal unten angelangt, durch die radiären Furchen der Scheibe sich leicht auf ihr ausbreiten muss; auch fand ich am unte- ren Rinnenende, in der Übergangsstelle auf die Scheibe, einen weiß- lichen Fleck, den ich zuerst für Schleimdrüsen hielt. Da aber solche mit dem Mikroskop nicht zu entdecken waren, so war der Überzug als Schleim selbst zu deuten und von der Fußdrüse abzuleiten. Andererseits ist keinesfalls eine Verbreitung des Sekretes auf die Sohle ausgeschlossen ; im Gegentheil muss es, einmal ergossen, einfach über deren vorderen Rand herabfließen, und zwar kommt es, da eine Entleerung jedes Mal gleichzeitig mit der Loslösung der einen Sohlenhälfte erfolgt, stets der anderen, sich verbreiternden, festgesaugten Hälfte zu Gute, deren Ad- häsion es unterstützt. Ich habe es leider an meinem spärlichen Materiale unterlassen, in der Rüsselrinne (wie an der Sohle) nach Wimperepithel, dessen Existenz nicht unwahrscheinlich ist, zu suchen. Crarırkoe leugnet das Vorkom- men von Gilien für die ganze Haut. Was ich sonst von Epithel geprüft Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 3 18 ‚Heinrich Simroth, habe, ist wenig, doch nicht ohne alles Interesse. Für das freie Auge schon erscheint die Fläche der Sohle glatter, gleichmäßiger, etwas heller als die übrige Haut, von der sie sich scharf absetzt. Das Gleiche gilt von der Saugscheibe, welche eben so bestimmt gegen die Gylinderwand des Rüssels abgegrenzt ist (Fig. 1—6). An Thieren, die man in lauwarmem, schwach alkoholischen Wasser längere Zeit stehen ließ, kann man das Epithel, namentlich das der Sohle und der Saugscheibe, in einer konti- nuirlichen Membran abziehen. Das Epithel der übrigen Haut, etwa vom Rücken, lässt sich auch in kleinen Fetzen abnehmen und zeigt sich dann unter dem Mikroskope äußerst komplicirt aus allen jenen Theilen, die von der Gastropodenepidermis beschrieben sind. Ohne sie zu analysi- ren, bemerkt man gleich verschiedene Zellen mit Auffransungen oder Zellfüßen, sehr reichliches Pigment, wie denn die Haut mit Epithel dunkel braungelb, ohne dieses fast sammetschwarz aussieht, und wahr- scheinlich Sinneszellen, dazu Drüsenmündungen. Anders das Epithel der Sohle. An einer dünnen Cuticula hangen kurzcylindrische Zellen von polygonalem Querschnitt sehr regelmäßig, Farbstoff und Drüsen fehlen, in jeder Zelle sind Kerne und Kernkörperchen sichtbar. Ähnlich in dem Überzuge der Schnauze. Die Cuticula verdickt sich hier etwas nach der Mundöffnung zu; an ihr hangen ebenfalls nur ungefärbte, etwas längere Cylinderzellen, nicht ohne Füße. Ich habe nicht untersucht, in wie weit bei der trennenden Operation Sinneszellen auf der Cutis zurückbleiben. In jedem Falle gleichen sich Saugscheibe und Sohle in der Guticula und einem gleichmäßigen, farblosen Epithel, gegenüber einem großen Reich- thum des epithelialen Apparates in der übrigen Körperbedeckung. Es haben also die Flächen, welche bei der Lokomotion die Unterlage zu berühren bestimmt sind, eine besondere Umbildung ihres epithelialen und cuticularen Überzugs erfahren, die sie resistenter macht. Sie wer- den ferner durch zwei gemischte Schleimarten befeuchtet, die eine ver- schiedene Bedeutung zu haben scheinen. Der Schleim der weißen Drüsen dürfte als Schmiermittel dienen; und so groß scheint die Schwierigkeit zu sein, welche die Reibung dem Gleiten der Flächen bereitet, dass selbst die Wände der Furche, also Theile des Thieres, die sich gegen einander verschieben, ‚sorgfältig geschmiert werden müssen. Das Sekret der tubulösen Drüsen macht schon durch sein Aussehen den Eindruck eines zäheren Klebstoffes und wird vermuthlich die Adhäsion des ange- saugten Rüssels wie die der befestigten Sohlenhälfte, der es jedes Mal besonders zu Gute kommt, steigern. So wird, denke ich, die Anstren- gung in der Drüsenentwicklung, um die Berührungshindernisse zu über- winden oder die Adhäsion zu erhöhen, eine Stütze mehr für die Ansicht, welche, bei der Zunahme der Schwierigkeit durch rauhere Berührungs- Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyelostoma elegans etc. 19 flächen, die hauptsächlichste Gleitbewegung, die lokomotorischen Wellen, durch abwechselndes Loslösen der Sohlenhälften dem Kontakte zeitwei- lig ganz entziehen und die Eigenart des Cyclostomafußes hauptsächlich auf diesen Punkt zurückführen will. IV. Muskulatur und Blut. In schwach alkoholischem Wasser getödtete Thiere haben beim Öff- nen meist noch einigen Starrkrampf, einen Kontraktionszustand in den Muskeln, der die zarteren unter ihnen besser erkennen lehrt, als wenn völlige Erschlaffung sie gedehnt und abgeblasst hat. Sie erscheinen dann nach Moguin-Tannon’s Ausdruck perlmutterartig und fallen leicht in die Augen. So vor Allem gleich beim Zertrennen der hinteren Körper- wand in der oberen Mittellinie (der Schwanzdecke), wo eine sehr kräftige Längsmuskulatur als besondere Verdickung der Körperwand sich bemerk- lich macht (Fig. 41 a). Sie hat ja den Deckel zu schließen und zu halten und beim Kriechen mit ihren unteren Abschnitten das Sohlenende nach- zuziehen. Nirgends erscheint daher die Hautmuskulatur so dick, fest und perlmutterartig, schon für das freie Auge als Muskel, wie hier. Sodann fallen im Innern einige Quermuskeln auf, ebenfalls geschlossen und perl- mutterartig glänzend, namentlich ein kräftiger Querbalken, unmittelbar über denFußganglien durch die Bauchhöhle gespannt, ein etwas schwäche- rer hinter und unter ihm, ein anderer vor ihm über und vor der Fußdrüse. | Unter dem kräftigen Quermuskel tritt jederseits, aus der Leibes- wand entspringend, ein zartes, vorn sich verbreiterndes Längsmuskel- band hervor (Fig. 11 b), das im unteren Halbkreis des Pharynx sein vor- deres Ende findet. Man könnte über die Funktion schwanken. Denn die Bänder können eben sowohl dazu dienen, bei dem Aufsetzen der Saugscheibe als ein mittlerer Stempel zu ziehen und das eigentliche Sau- gen zu bewirken, als sie nach dem Ansaugen den Rüssel von der Unter- lage lösen, und beim Rückzug des Thieres ins Haus möglichst verkürzen mögen. Der bei fastjeder Saugbewegung erfolgende Schalenhub (s. oben I) beweist, dass dazu die Längsmuskulatur der oberen Rüsselhaut ver- wandt wird, daher unseren Muskeln umgekehrt das Lösen und Zurück- ziehen des Rüssels zufallen mag, wofür auch die Trichterform einer eingezogenen Schnauze spricht (Fig. 6). Zweikleinere freie Längsmuskeln sind noch zu verzeichnen (Fig. 41 c). Sie haben denselben vorderen Insertionspunkt wie die Rüsselretraktoren, im unteren Halbkreis der Berührungslinie von Pharynx und Haut; ihr anderes Ende aber setzt an der hinteren unteren Schlundkopfbegrenzung ein; und sie werden nichts Anderes leisten, als das gleichmäßige Vor- stoßen der Radula beim Lecken. 9* 20 Heinrich Simroth, Die starken Quermuskelbalken ändern ihr Ansehen völlig, wenn man einem erschlafften Thiere in die Leibeshöhle Wasser injicirt. Zu dem Zwecke wird die Schale und der Eingeweidesack abgetrennt und die Kanüle neben dem Darm in den Leib eingebunden, so dass die Schlinge den oberen Theil des Thieres unter dem Mantel rings.umfasst. Dann muss das Wasser denselben Weg nehmen, auf dem das Blut das Heraus- treten der Sohle aus dem Hause bewirkt!. Luftblasen, die durch Zufall mit hinein kommen, zeigen sehr schön den Verlauf; man sieht sie von außen, wenn man die nun völlig geschwellten Sohlenhälften aus einander biegt, deutlich durch die Haut der Furche schimmern; sie wandern in derSohle von vorn nach hinten, nicht in regelmäßigen Bahnen zusammen- hangend, sondern in lakunären Spalten rechts und links verschieden, bald in einem engen Passe sich gabelnd, bald eine weitere Lücke füllend. Der Rüssel wird bei diesem Versuche nicht wesentlich geschwellt, wess- halb man wohl annehmen darf, dass er zwar aus der Schale durch Blut- zufluss gefördert, aber zu lokomotorischem Gebrauche durch seine Ring- muskulatur gestreckt wird, wie ich’s bereits oben (I) angab. Öffnet man das Thier nach dieser Behandlung, so ist der feste Querbalken über den Pedalganglien zu einem breiten, durchscheinenden Bande geworden (Fig. 11, 4), das sich von hinten und oben nach unten und vorn quer durch die Breite der Leibeshöhle zieht. Der Balken dahinter und darunter ist zu einem ähnlichen Muskelband, einem Zwerchfell ähnlich, ausgebreitet (Fig. 14, 2). Nimmt man 7 und 2 weg und präparirt den Boden der Bauch- höhle frei, so wird derselbe wiederum durch eine kontinuirliche Schicht feiner Muskelfasern gebildet, welche bis hinten in die Haut reichen, und zwischen denen seitlich die sich zerstreuenden Retraktorbündel der Kör- perwand in die Sohle hinabziehen. Entfernt man von diesem Muskel- hoden, unter den man die Pincette ganz wohl schieben kann, einen Theil, wie es an der Schicht Fig. 11, 5 hinten geschehen ist, so stößt man dicht darunter abermals auf eine ähnliche, zu ihr parallele Querschicht (Fig. 14, #), die sich wieder für sich abheben lässt; dann erst hat man die dünne Haut des Furchengewölbes vor sich. Als Fortsetzung der bei- den untersten Schichten (oder einer?) spannt sich eine schon erwähnte 1 Gegen die Identität der Wasserbahn bei diesem Einspritzungsversuche mit dem normalen Blutlauf, der Kopf und Sohle einer Schnecke schwellt, scheint ein Einwurf möglich. Man könnte, z. B. bei einer Helix, an die vordere Acrta denken, welche durch den unteren Theil des Schlundringes tritt und sich in den Kopf, die Fühler und besonders in die Sohle verzweigt. Indess erfolgt das Herausquellen des Leibes aus der Schale viel zu heftig, als dass es durch den geringen Blutstrom vom Herzen her bewirkt werden könnte. Man hat vielmehr die Ringmuskulatur der Haut und den Druck auf die Biutmenge der Leibeshöhle als allein genügende treibende Kraft anzusehen. Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 21 Quermuskeldecke zwischen den Pedalganglien und dem Fußdrüsensack aus, vorn noch ein Stück weit auf dem Rüsselboden verfolgbar (dieselbe Figur zwischen den Längsmuskeln 5). Auch unter diese Schicht kann man von vorn einen Pincettenast einschieben, ohne Gewebszerreißung. Warum sind nun, so ist zu fragen, die gespannten straffen Quer- muskelbalken nach oder bei der Injektion zu breiten Bändern oder Flächen erweitert? Offenbar, weil das von vorn in die Sohle gepresste Wasser, hinten wieder rückläufig, in den Körper oder die Bauchhöhle empor- steigen wollte, dabei auf die Septen traf und sie durch Druck ausbreitete. Daraus folgt, glaube ich, dass auch die beiden vorderen Bänder oder Balken (Fig. 41,4 und 2), wie es wohl nach der Analogie mit 5 und # zu erwarten, bis an die hin- tere Körperwand rei- ‚chen, was nach der Art der Behandlung und aus Mangelan weiterem Ma- terial nicht ad oculos : ; : Fig. I. demonstrirt wurde. Die Schematischer Längsschnitt durch das Cyclostoma, dicht neben Bauchhöhle wird also der Mitte. Er durchschneidet den Fußdrüsensack und darüber ein Pedalganglion. % & N PITINSESIN x 2 ER EN ISIS SER? SEELENESNEEHTÄSETENS, durch die vier Quer- muskelplatten als Septen gewissermaßen in vier Kammern zerlegt, wie es der Holzschnitt schematisch ausdrückt, die obersten drei zwischen je zwei Septen, die unterste zwischen der vierten Platte und der Sohle. Der Injektionsversuch und die Anatomie erklären meiner Meinung nach die Bestimmung vollkommen: Wenn die Sohle von vorn und oben her mit Blut gefüllt ist (wie es scheint, durch die Spalte zu beiden Seiten der Fußdrüse, vom Rüsselboden her), und es wird beim Kriechen die eine Sohlenhälfte durch die Retraktorfasern der Wand vom Boden gelöst (s. o), zugleich mit einer Verschmälerung, die wohl schon mit auf Kosten der untersten Quermuskelschichten zu setzen ist, so muss das Blut aus dieser Hälfte mechanisch herausgedrückt werden und nach vorn oder in die Leibeshöhle zu entweichen suchen. An dem Abfluss nach vorn wird es gehindert durch das vorderste Septum, das gerade über den Ganglien einen starken Querbalken bildet. So entweicht es in die Leibeshöhle hinter diesem Septum. Und indem nun die übrigen Septen in der Reihen- folge, in der sie numerirt wurden, sich kontrahiren, verengern sie die Leibeshöhle und treiben das Blut in die nicht kontrahirte, anliegende Sohlenhälfte, welche dadurch (s. o.) von vorn her verbreitert wird und an Adhäsionsfläche gewinnt. Dann wiederholt sich dasselbe Spiel mit ‚der anderen Sohlenhälfte, oder die Septen vertheilen, wenn der Fuß 22 Heinrich Simroth, ruhen will und keine Hälfte kontrahirt, das Blut gleichmäßig in beide Hälften. Es bedarf kaum eines Wortes, um die oben erwähnte Regelung in der Fußdrüsenentleerung durch die abwechselnden Kontraktionen der Sohlenhälften zu erörtern. Durch das Heranpressen der erhobenen Sohle gegen die Mitte muss jedes Mal ein Druck auf den Sack ausgeübt wer- den, der einen Schleimausfluss veranlasst. Übrigens sind die Septen nicht etwas ganz vereinzelt Dastehendes, wenigstens habe ich u. a. eine Quermuskelschicht als Leibeshöhlenbo- den von mehreren Lungenschnecken beschrieben. Die Muskulatur des Rüssels ist, wie öfters erwähnt, an der Decke viel stärker, als am Boden. In den von der Scheibe entfernteren, oberen Theilen sieht man ziemlich deutlich dichte Ringfaserschichten, die von Längsbündeln bald über-, bald unterlagert werden. Weiterhin gegen die Scheibe laufen die Längsmuskeln in divergirende Schrägfasern aus, die sich unter immer flacheren Winkeln kreuzen, so dass es hier kaum gelingen wird, eine eigene Ringmuskulatur nachzuweisen. Somit ist es nicht eben schwer, in die Mechanik aller der Theile des Lokomotionsorgans des Cyclostoma, welche seine Sonderstellung aus- machen und von jeher in die Augen fielen, einen leidlichen Einblick zu gewinnen. Wie aber die eigentlich bewegende Kraft, das Wellenspiel, von den früheren Beobachtern als der am wenigsten hervortretende Fak- tor übersehen wurde, so ist wenig Hoffnung, aus der Sohlenanatomie und zweckentsprechenden Experimenten die feinen Vorgänge, die diese un- geordneten schwachen Wellen hervorrufen, aufzuklären. Man kann ge- wiss annehmen, aus Kontraktionsbildern, wie Fig. 3, dass die senkrecht herabsteigenden Retraktorfasern in ziemlich regelmäßigen Querlinien sich in der Sohlenfläche inseriren. Aber eine erschlaffte Sohle, wie sie für die Präparation mit der Lupe allein tauglich, ist so gleichmäßig dicht schwammig verfilzt, dass man nicht einmal diese Bündel herausbekommt. Noch viel weniger erreicht man die Aufhellung der lokomotorischen Fasern. Die ganz durchsichtige Haut aus dem Sohlengewölbe unter der vierten Quermuskelschicht besteht noch aus einem dichten Gewirre hauptsächlich sich kreuzender Schrägfasern. Hält man sich an die Blasen von Fig. 3, so ergeht es einem ähnlich. Eine solche Blase ist oft so durchscheinend, dass sie dem schräg blickenden Auge deutlich die Konturen z. B. des Deckels durch sie hindurch zeigt uad nur aus der feinsten Haut zu bestehen scheint. Zieht man aber das Epithel ab, wie ich es oben angab, und schneidet nun mit der Schere das kleinste Partikelchen heraus , so be- kommt man wieder das engste Muskelgewirre, von dem ich, trotz allerlei Andeutungen, nichts Bestimmtes auszusagen wage. Ich glaube nicht, . Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans etc. 33 dass je Jemand den Versuch unternehmen wird, diese Fasern zu experi- mentellem Studium zu sondern. Man wird zu diesem Zweck immer wie- der an die Limacinen gewiesen sein, welche in dieser Hinsicht die größte Arbeitstheilung zeigen und sicherlich noch mit Erfolg zu behandeln sind. Nichtsdestoweniger dürfte sich durch Analogieschlüsse beweisen lassen (s. u.), dass auch das Wellenspiel des Cyclostoma auf denselben Ursachen beruht, wie das der Pulmonaten, d. h. auf der Extension von Längs- muskelfasern. Vielleicht kann man aus der leichten Lösbarkeit des Sohlen- epithels gegenüber einem festen Anhaften bei den Pulmonaten folgern, dass die Längsfasern ganz gestreckt verlaufen, ohne ins Epithel umzu- biegen, ein Modus, welcher der Verlängerung der frei gehaltenen Sohle und dem fehlenden Bedürfnis eines Adhäsionsdruckes auf die Unterlage, der hier an der fixirten Hälfte bereits durch Blutzufluss und Klebstoff erzeugt wird, sehr wohl entspricht. V,. Rekapitulation. Was man bisher für das bewegende Princip des Gyclostoma gehalten hat, worauf man die Sonderstellung seines lokomotorischen Apparates allen anderen Gastropoden gegenüber gründete, ist nur aus einer sekundären Anpassung hervorgegangen, erzeugt durch den Übergang des Wasser- prosobranchiers in das Medium der Luft. Die treibende Kraft ist auch hier ein von hinten nach vorn über die Sohle ziehendes, diese verlängern- des Wellenspiel. Da dieses bei der an und für sich sehr geringen loko- motorischen Leistung der Vorderkiemer nicht genügt, um die nicht mehr vom Wasser getragene Körperlast über die rauheren Flächen der Gegen- stände in der Luft fortzubewegen,, so wird die Reibung aufgehoben, in- dem sich das Spiel je nach Bedürfnis frei in der Luft vollzieht. Zu dem Zwecke muss die Sohle durch eine Längsfurche halbirt werden. Nun -wird die eine Hälfte durch den Hautretraktor gelöst, während zugleich die andere durch Blut, das theils durch die halbseitige Retraktorkontrak- tion, theils durch die Wirkung einer Anzahl von Quermuskelsepten der Leibeshöhle hineingepresst wird, anschwillt und eine größere Adhäsions- fläche gewinnt. Gelegentlich hilft der Rüssel mit, der sich mit seiner vorderen Saugscheibe durch die Kraft seiner Längsmuskulatur, die zu- gleich die Schale, also die Hauptkörperlast, nachzieht, befestigt. Welches Hindernis die Reibung der auf jeden Fall schwer und eigen- artig zu bewirkenden lokomotorischen Verlängerung in den Weg legt, das beweist die reichliche Ausbildung von Schmierdrüsen an den Flächen, welche einer Reibung, sei es auch nur an Theilen des eigenen Körpers, ausgesetzt sind. So liegen zwei dichte Reihen von Schleimdrüsen in der Furche. Die Fußdrüse aber, die sonst von Prosobranchiern überhaupt 4 Heinrich Simroth, nicht bekannt ist, liefert aus einem vorderen Sack, dessen Wandung dicht mit Schleimdrüsen besetzt ist, und zwei sich daran schließenden langen tubulösen Drüsen mit je vier Blindschläuchen ein doppeltes Sekret, das nicht nur über den vorderen Sohlenrand sich ergießt, sondern durch eine besondere Rinne am Rüsselboden auch auf die Saugscheibe ab- fließt, und das nach seinem Hauptantheil, dem aus den Schläuchen, die Adhäsion befestigter Flächen an der Unterlage erhöht. Eine besondere Epithelumbildung mit Cuticula und gleichmäßigen Cylinderzellen charakterisirt ebenso die untere Sohlenfläche, wie die Haut der Saugscheibe. Das Fußnervensystem weist, namentlich der Paludina gegenüber, eine hohe Koncentration seiner Zellen in den beiden Pedalganglien auf, von denen je neun bis zehn zellenreine Nerven in die Sohle ausstrahlen. Peripherische Kommissuren fehlen, wohl;aber sind die Ganglien durch eine zweite Kommissur verbunden, welche zusammen mit denen der Paludina die Chiastoneurenreihe, so weit sie auf Grund der Pedalnerven- anatomie durch Haliotis und Chiton aus den Amphineuren abgeleitet wird, hinfällig macht. Höchstens könnte die den genannten Thieren gemein- same Existenz der Kommissuren überhaupt als eine Andeutung von Metamerenbildung genommen werden. Zweiter Theil. Bewegung und Bewegungsorgan der einheimischen Schnecken überhaupt. In nachfolgenden Blättern soll versucht werden, die Besonderheit der Bewegung mit der Verschiedenheit der Einrichtungen an den wich- tigsten einheimischen Schneckengruppen zu schildern und schließlich ein einheitliches Bild des wechselnden Modus und der Leistungsabstufungen zu entwerfen. Die Landpulmonaten, beschalte wie nackte, die Süß- wasserlungenschnecken oder Branchiopneusten von Iazrıng’s, die Vorder- kiemer und im Anschluss an sie das Cyclostoma sollen vertreten sein. Es heißt wohl nicht zu viel von der Nachsicht des Lesers erbitten, wenn man ihn von dem Verlangen einer genauen Artbestimmung Abstand zu nehmen ersucht; denn die Forderung, bei der Untersuchung möglichst frische Thiere unangetastet zu beobachten oder nach Bedürfnis sogleich zu zerschneiden, verwehrt vielfach die genaue Betrachtung des Gehäuses oder anderer Eigenheiten. Ebenso können manche Punkte, namentlich aus dem Gebiete der Histologie, hier nur zum Zwecke einer Übersichts- gewinnung angedeutet werden, und ihre genauere Kenntnis muss künf- tiger Arbeit überlassen bleiben. Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans ete. 25 I. Über die Bewegung der Branchiopneusten und Prosobranchier. | Der Versuch, bei einer großen Paludina oder Limnaea oder einem ‚Planorbis auf dem Wege mikroskopischer Forschung Einblick zu erhalten in die jokomotorische Muskulatur unter dem Sohlenepithel, wird wohl bei ‚den jetzigen Hilfsmitteln noch lange scheitern weniger an der Verworren- 'heit der Fasern, als an der Undurchdringlichkeit des Pigmentes. Einige gröbere Verhältnisse der Anatomie lassen sich eher angeben. Bei Palu- dina ist die lokomotorische Sohle eine scharf getrennte, leidlich dünne, ‚lederartige Platte, in welche die Retraktorfasern nicht eindringen. Von ‚denen wurde schon früher angegeben, dass »sie sich nicht, wie bei den Lungenschnecken, bündelweise mit denen der Sohle mischen, sondern ein darüber gelegenes Dach bilden, das sich ziemlich bequem abheben ‚lässt, da es nur rings am Fußrande in festerer Verbindung der Sohle ein- \gefügt ist« (XIV, p. 441). Es ist also hier eine schöne Trennung des Re- ‚traktors und des Lokomotors gegeben, nur schade, dass der letztere so geschwärzt ist. Höchstens erkennt man an dünn gezupften Hauttheilen, | dass nahe dem Epithel Längsmuskulatur überwiegt. Bei den Branchio- ‚ pneusten treten die Retraktorbündel überall in die Sohle jedenfalls bis ans Epithel. | Thiere, welche am Glase kriechen, geben ziemlich dieselben Auf- schlüsse über die äußeren Sohlenumrisse, wie die Pulmonaten, über die inneren Vorgänge leider keinen. Es fehlt jede Spur dunklerer Querli- nien, wie sie an jeder Pulmonatensohle beim Kriechen von hinten nach vorn ziehen; nicht als ob das Epithel oder Pigment für das Auge ganz ' undurchdringlich wäre, im Gegentheil, manche Limnaeen zeigen eine hellere Sohle, und bei der Paludina sieht man sehr deutlich den mittleren Sinus, den ich abgebildet habe, namentlich in der hinteren Hälfte, wo die lokomotorische Schicht dünner wird, als eine mediale, dunklere Linie durchschimmern (s. den Holzschnitt II). Es bleibt also nur die Möglichkeit, dass die Wellen überhaupt nicht in der Weise existiren, wie bei den Landschnecken. Dass dabei gleichwohl ein Hauptstoß von hinten nach vorn erfolgt, erkennt man bei der kriechenden Paludina am breiteren Vor- derrande, denn hier bildet sich quer herüber ein hervorspringender Wulst (s.den Holzschnitt Il), der auch am todten Thiere noch etwas sichtbar bleibt. Die Sohlenumrisse haben umgekehrt ganz dasselbe Verhalten, wie die der Landschnecken. Die Fußlänge wächst allmählich von hinten nach vorn; bei einer Paludina, die, noch äußerst scheu, das erste Mal im Aquarium zu kriechen wagte, stieg sie in 8 Minuten von 2,1 auf 2,4 cm, also um ein Siebentel des ursprünglichen Maßes. 26 Heinrich Simroth, Den Beweis, dass die Verkürzung am Hinterende durch den allge- meinen Hautretraktor geleistet wird, lieferte die zuerst bei den Land- schnecken angewandte Methode der Belastung, die zur Arbeitstheilung zwingt. Eine Limnaea weidete, ruhig nach aufwärts kriechend, den Kopf hin und her wendend, mit einer viel größeren Paludina, die an der Schale saß, belastet, die Algen ab, ohne sich irgend gestört zu zeigen. Nur wurde von Zeit zu Zeit die Schale nachgezogen, wobei der Fuß sich stark ver- kürzte. Darauf verlängerte sich die Sohle, während die Schale zurück- sank, vorn erheblich. Das Hinterende wurde dann in Pausen, beträchtlich kürzer als die Intervalle des Schalenhubes, nachgezogen. Hier wurde also die Verlängerung und die Verkürzung, die Wirkung der lokomotorischen ' und der retraktilen Muskulatur, zeitlich zerlegt, aber auffallenderweise die des Retraktors abermals in zwei Sonderfunktionen, eine, welche, bei kurzem Fuße, die Schale hebt, und eine andere, welche, ohne die Schale zu beeinflussen, die Sohle hinten verkürzt. So ergiebt sich noch eine weitere Thätigkeitstrennung des Hautretraktors, als bei den Heliciden, da die vorderen Theile, welche die Schale heben, von den hinteren geson- dert sich kontrahiren. Die Länge der Sohle schwankte dabei nicht un- bedeutend, von 4,3 cm nach möglichster Verkürzung bis 1,8 cm in ver- längertem Zustande, d. h. um ein Drittel des ganzen Durchmessers. Eine Eigenthümlichkeit der Lokomotion, die ich gelegentlich schon erwähnte und die aufeinerZusammenwirkung der lokomotorischen Musku- latur und der vorderen Theile des Retraktors beruht, kommt hauptsäch- lich der Paludina zu. Sie vermag, diese Gabe immer nur unmittelbar unter dem Wasserspiegei ver- wendend, in schräger Lage und horizontaler Richtung vorwärts zukommen, wie ein Pferd, das man in Travers- stellung übertretend vorgehen lässt. Und wie dieses eine Fig. I. \ Sohle einer Paludina, in Schrägstellung unter der Wasser-- solche Gangart nicht zur Ge- oberfläche hinkriechend. ERS A a schwindigkeit der einfachen Bewegung geradeaus zu steigern vermag, so bleiben auch bei der Sumpf- schnecke die Wegmaße in der Zeiteinheit immer erheblich hinter denen bei direktem Vorwärtsgleiten zurück. Nach dem, was hier über das Kriechen der Wasserschnecken am Glase gesagt wurde, dürfte man schwerlich hoffen, den Mechanismus, der sie treibt, zu ergründen (— und die Prosobranchier, wenigstens Palu- dina, bilden entschieden den allerungünstigsten Ausgangspunkt für die Untersuchung —), wenn nicht die Branchiopneusten auch die bekannte Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 37 Fähigkeit hätten, in umgekehrter Lage, den Fuß nach oben, an der Wasser- oberfläche hinzugleiten. »On disait, qu’ils marchent sur la lame d’air en contact avec la surface de l’eau (Duszs)« (s. VII, I, p. 162). Hier wird dem Wellenspiel erlaubt, die Sohlenoberfläche beliebig zu kräuseln. Das Wich- | tigste von dem dann sich bietenden Schauspiele habe ich oben beim Gyclo- stoma bereits erwähnt (s. dieses]). Wir haben nicht die breiten Bänder, welche bei Helix quer die Sohlenbreite überfluthen, sondern eine Menge kleiner, ungeordneter Wellen von geringer Breite und Länge, die aber in nicht weniger regelmäßigem Verlaufe von hinten nach vorn über die ‘Sohle ziehen, sie hier verlängernd und verbreiternd,, ganz im Einklange mit dem, was ich von Pulmonaten berichtete (XII undXIM). Was auf den ersten Blick die klare Einsicht trübt, bei weiterer Überlegung aber um so besser das Verständnis unterstützt, sind eine Anzahl kräftiger Längsfur- chen, die namentlich vorn und nach der Mitte zu, offenbar als Ausdruck der von der Schale nach unten gezogenen Retraktorbündel, ziemlich tief in die Fläche einschneiden. Sie bleiben nicht immer konstant, sondern rücken, zumal mit ihren Vorderenden, von vorn nach hinten, also schein- bar aller Theorie zum Trotz. Aber wie kann es anders sein, da die Wellen, vor Allem deutlich am seitlichen und vorderen Rande, hauptsächlich nach vorn wirken und hier ununterbrochen anschlagend durch ihre Extension die Fläche erweitern und die Furchen des schwächer bewegten Mittel- theiles schließen? Andererseits zeigt das Vorhandensein dieser Furchen, bei jeglichem Mangel einer queren Faltung, dass die Sohlenverlängerung durch keine andere Muskelkategorie zu Stande kommen kann, als durch Längsfasern. Diesen Schluss hat, bei den Landschnecken wenigstens, bereits DE BLAINVILLE gezogen, nach Moquin-Tanpon’s Citat (VIII, I, p. 160): » Les c&phales terrestres rampent ä l’aide de leur pied. Pendant leur pro- gression, il S'opere'un mouvement ondulatoire entre la partie posterieure et la partie anterieure de cet organe. Ge genre de reptation ressemble nullement a celui des Reptiles; c’est plutöt un glissement du disque ab- 'dominal produit par des ondulations extr&emement fines de touslespetitsfaisceaux longitudinaux qui composent cet em- patement (Braınvirze).« Aber der Franzose hat, sei es unabsichtlich oder aus Scheu vor einem scheinbaren Paradoxon, die Konsequenz vermieden, dass eine Verlängerung der Sohle durch Längsfasern nur möglich ist ' durch Verlängerung dieser Fasern selbst, durch Extension. Die principielle Übereinstimmung einer schwimmenden Limnaea mit einer kriechenden Pulmonate, einer kriechenden Limnaea mit einer Palu- dina, einer schwimmenden Limnaeensohle mit einer in der Luft sich verlängernden Cyelostoma-Sohlenhälfte und einer kriechenden Limnaea oder Paludina mit einem gleitenden Cyclostoma (s. o.) lässt mit Sicher- 28 | Heinrich Simroth, heit annehmen, dass die Grundursache bei der Bewegung aller unserer einheimischen Schneckengruppen dieselbe sei. I. Über das Schwimmen der Branchiopneusten und der Prosobranchier. Eine große Paludina mit geschlossenem Deckel vom absoluten Ge- wicht 9,5 Grammes hatte das specifische Gewicht 1,25. Eine 4,6 Grammes schwere Limnaea, welche durch Reizung des Mantels und partielle Luft- entleerung zum Untersinken gebracht war, hatte das specifische Gewicht 1,035. Da aber die Limnaea in den meisten Fällen bei gefüllter Athem- höhle nicht sinkt, sondern von selbst an der Oberfläche schwimmt, wie sie sich durch Kompression in die Tiefe versenken kann, so wird man ihr specifisches Gewicht ohne großen Fehler — 1 setzen dürfen, oder es wird doch unerheblich um diesen Werth hinauf- und hinabschwanken. Die Limnaea wird also vom Wasser vollständig getragen, während die Paludina bei der Lokomotion den fünften Theil ihres Gesammtgewichtes zu fördern hat. Da die Limnaea nichts zu leisten braucht als die Verlänge- rung ihrer Sohle, während bei der Paludina noch eine beträchtliche Masse nach unten zieht, so ist es klar, welchen Vortheil die erstere bei der Lokomotion genießt und dass sie allein zum Schwimmen tauglich. Gleichwohl bemerkt Moguın-Tanpon (VII, I, p. 165): »Les Paludines. et les Valvees possedent aussi la facult& de se soutenir dans l’eau et de nager, mais elles s’en servent rarement, et pour ainsi dire, par excep- tion.« Auch mir ist ein Fall vorgekommen, von einer nach Art der Lim- naeen, Planorben und Physen an der Oberfläche des Wassers dahin- kriechenden Sumpfschnecke. Eine künstliche, aber völlig lebenskräftige Frühgeburt einer Paludina vivipara, noch nicht ganz ausgefärbt, von 4,5 cm Sohlenlänge kroch, das Gehäuse nach unten, an einer ziemlich dicken Staubschicht, quer über ein größeres Glasgefäß weg. Hier war es offenbar die Adhäsion an der Staubdecke, welche das vom Wasser nicht gehaltene überschüssige Gewicht des kleinen Thieres trug; und auf ähnliche Zufälligkeiten wird Moguin-Tanpon’s Erzählung von schwim- menden Paludinen und Valvaten gleichfalls zurückzuführen sein (s. die nächste Anmerkung). Wenn die Branchiopneusten allein von unseren Wasserschnecken die Berechtigung haben, zu schwimmen, so hat man sich nach dem Modus desselben umzusehen. Ältere Beobachter (neuere sind mir nicht bekannt geworden) haben mit Moguin-Tanoon (VII, I, p. 164) die Sohlenbiegungen und die Beihilfe des Schwanzes, der Fühler, der Lippenwülste als Ruder- apparate in Anspruch genommen: »Pour se diriger dans l’eau, les Gaste- ropodes se servent habilement des bords plus ou moins dilates de leur | . Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans etc. 29 disque, de leur queue et m&me de leur chaperon. Lister fait observer que les tentacules &largis, minces et membraneux de la Limne&e stagnale sont, pour ce Mollusque, pendant ses divers mouvements, comme des esp&ces de nageoires. On pourrait peut-&tre en dire autant des cornes tres allon- gees des Planorbes et des Physes.« Alle diese Organe, mit Ausnahme der Sohle, sind für die Lokomotion völlig nutzlos und einfach zu streichen, denn einerseits geschieht ihre Bewegung zu ganz anderen Zwecken, die ihrer eigentlichen Natur angemessen sind, andererseits leisten sie nichts zur Beantwortung der Frage: warum schwimmt ein Thier vom specifischen Gewichte des Wassers nie mitten durch die Flüssigkeit, sondern warum kriecht es stets an der Oberfläche, »sur la lame d’air en contact avec la surface de l’eau«? Die wahre Ursache hat Moguın-Tanpon nicht gefunden, sie liegt in der Beschaffenheit eines Schleimbandes, das vom Fuße abge- sondert wird und wie ein langes Tuch, das am Vorderrande des Thieres sich stetig um dessen Weg verlängert, auf der Oberfläche schwimmt und völlig bewegungslos vom Erzeuger zurückgelassen wird; und dieses Schleimband ist die Lamelle zwischen Wasser und Luft. Man bemerkt es nur bei sehr günstigem Lichtreflex ; sonst hätte es den Beobachtern nicht entgehen können. An ihm fällt zuerst auf, dass es, leichter als Wasser, sich mit diesem nicht im geringsten mischt oder imbibirt, und dass es sich, wenn man das hinten liegende, freie Ende in die Höhe hebt, vollständig von der ganzen Fläche der Sohle mit ablöst, dass es also nicht, wie anderer Schleim, an dieser fest haftet, sondern im Augenblicke seiner Sekretion bis zu einer gewissen Festigkeit erstarrt, wie Ähnliches auch von Helix zu berichten ist (s.u.). Die Haupteigenthümlichkeitdes Schleimes bemerkt man leicht beim Beobachten einer Schnecke, die sich zum Schwim- men anschickt. Obwohl sie ihren Fuß erst zum Theil mit den Rändern in das Niveau des Wassers gebracht und seine Mitte noch trichterförmig eingezogen hat, so fließt doch kein Wasser in den Trichter hinein, oder _ wenn ja ein geringes Quantum in ihn überströmte, so behält es die Form eines Quecksilbertropfens, der auf einer Glasplatte liegt. Mit anderen Worten: die Kohäsion des Schleimes ist größer als seine Adhäsion zum Wasser, oder Schleim und Wasser stehen im Verhältnis der Abstoßung, der Kapillardepression zu einander. Hierdurch erklärt sich’s also, warum die Thiere immer an der Ober- fläche des Wassers, wie an einer festen Schicht, nicht dahin schwimmen, sondern kriechen, gerade wie an einer schwankenden Unterlage, an einem Stück dünnen Tuchs etwa. Hierdurch erklären sich aber noch andere Er- scheinungen, auf die ich, noch ohne ihre Ursache zu kennen, gelegentlich eines Vortrages in Nordhausen hinwies (XV, p. 503): »Es ist sonderbar, dass die Tbiere nie unter der Oberfläche dahinschwimmen, sondern 30 Heinrich Simroth, dass sie stets an ihr dahinkriechen, als wenn sie fest wäre. In wie weit dieser letzte Eindruck berechtigt ist, erkennt man, wenn die Oberfläche etwa mit Teichlinsen oder ähnlichen Körperchen bedeckt ist. Die Teich- linse (natürlich eine wurzellose), unter welcher das Thier hingleitet, so dass sie von Anfang bis zu Ende mitten über die Sohle einer großen Limnaea weggeht, sie unmittelbar berührend, verändert ihre Stellung noch nicht um 4 mm.« Eben so bleibt eine Luftblase, die zufällig am Ni- veau steht, fest auf ihrem Platze; sie liegt eben, wie die Lemna, über dem festen Band, und das Thier unter ihm!. Wie groß die Stabilität ist, welche die Abstoßung zwischen dem Wasser und dem Schleimband ergiebt, erkennt man etwa an schwim- menden Planorben. Denkt man sich zwei verschieden große Kugeln im Wasser suspendirt und durch einen elastischen Faden vereinigt, der sich plötzlich, wie ein gespanntes und dann gelöstes Gummiband, zusammen- zöge, so müssten sich die beiden Kugeln im umgekehrten Verhältnisse ihrer Masse einander nähern, also die kleine Kugel müsste einen größeren Weg beschreiben als die große. Stellt der Planorbisfuß den kleinen Kör- per dar und die Schale den großen, wozwischen der Musculus columellaris die elastische Verbindung bildet, so müsste durch Muskelkontraktion der Fuß, wie die Schale, sich bewegen, aber der Fuß müsste weiter zur Schale herankommen, als diese in umgekehrter Richtung. In Wirklichkeit steht unter gleichen Verhältnissen der an der Oberfläche hangende Fuß so gut wie völlig fest, und die große Schale wird herangezogen, wie bei einer Helix auf dem Lande, offenbar in Folge der Trägheit des Bandes und des Abstoßungsverhältnisses zwischen ihm und dem Wasser. Dass das Schwimmen mit Hilfe des Schleimbandes ein vollständiges Kriechen oder Gleiten ist, ergiebt sich auch aus der sich gleich bleiben- den Geschwindigkeit, mag das Thier an der Oberfläche oder am Glase sich bewegen (s. u.). II. Über das Schwimmen der Pulmonaten. Eskann sich hier hauptsächlich um Succinea handeln. Moquin-TAanDoNn (VII, I, p. 164) erzählt: »D’apres l’observation de Faure-Bicurt, les Am- brettes, quoique terrestres, peuvent se soutenir quelque temps A la sur- 1 DasSchleimband von Limnaea, das für gewöhnlich unsichtbar, giebt zumancher- lei Täuschungen Anlass. Ohne Zweifel waren es derartige Häute, an denen ich, wie ich bei derselben Gelegenheit erwähnte, einen kleinen Blutegel spazieren sah, oder junge Cyclas, wie denn auch O. Scanıpr (I, p. 369) von diesen Thieren das Schwimmen an der Oberfläche berichtet. Ferner gehören wahrscheinlich hierher die schwim- menden Paludinen und Valvaten Mogouin-Tanpon’s. Denn nur in wenigen Fällen er- laubt die Beleuchtung die tragende Schicht des Schleimes zu sehen, und die Bewe- gungen scheinen an der reinen Wasseroberfläche zu geschehen. Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 31 face des marais et nager aussi dans une position renversee.« Ähnliches beschreibt RossmasgssLer (X, I, p. 91): »Hinsichtlich der Lebensart machen die Bernsteinschnecken den Übergang von den Land- zu den Wasser- schnecken. Sie leben nur an sehr feuchten Orten, am liebsten an den aus dem Wasser emporragenden Theilen der Wassergewächse, ja meine Succinea Pfeifferi habe ich im Wasser selbst am Rande der Teiche schwim- men gesehen, mit nach oben gekehrter Sohle, mit der das Thier, so zu sagen, an der Oberfläche des Wassers kriecht, wie die Limnaeen.« Der Vergleich passt nur halb. Von allerlei Landschnecken, die man ins Wasser wirft, sinken wohl die nackten immer unter, wiewohl mir hier die Aufzeichnungen fehlen. Vitrina diaphana!, die ihnen unter den Gehäuseschnecken so nahe steht, sank gleich und suchte durch energisches Kriechen aus dem fremden Medium zu entfliehen. Doch kann ihr specifisches Gewicht nur wenig über 4 sein, denn bei erstickten Thieren genügen einige wenige an- hangende Luftbläschen, um sie schwebend zu erhalten. Wo das größere Gehäuse eine geräumige Athemhöhle hinzufügt, bleiben die Thiere an der Oberfläche, so Zonites und von den Schnirkelschnecken Helix fruticum, hortensis, arbustorum und pomatia, die ich gerade prüfte. Doch bleibt hier der Leib beliebig unter dem Wasser, und sie führen allein unge- schickte Tastbewegungen aus, ob sie einen festen Gegenstand erhaschen möchten; nicht einmal der Versuch, sich durch wiederholten Gebrauch des Retraktors langsam vorwärts zu bewegen, wird gemacht. Anders Succinea mit verhältnismäßig kleiner, wenigstens nur mittelgroßer Schale. Die Hälfte etwa von einer Anzahl, die man ins Wasser wirft, sinkt unter, um an den Glaswänden emporzukriechen, die andere Hälfte schwimmt, die lufthaltige Schale nach oben. Auch hier genügt eine anhaftende Luft- blase, ein Thier mit Sicherheit schwebend zu erhalten. Die kriechenden Thiere, die sich im Allgemeinen an der Glaswand unter Wasser schneller bewegen, als in der Luft, weil sie ja dort auf der Flucht sind, zeigen auf der Sohle vier bis fünf echte Querwellen, wie eine Helix. | Von den Individuen, welche vermöge ihrer Leichtigkeit, die Schale nach oben, an der Oberfläche hangen, machen zunächst alle den Ver- such, den Fuß, der zuerst nach unten sieht, nach oben zu drehen und ins Niveau des Wassers zu bringen. Das gelingt aber nur dem kleineren Theile, weil die Lunge immer wieder nach oben strebt. Ja bevor das _Thier in die richtige Lage gekommen ist, darf keine Bewegung oder Er- Schütterung des Wassers eintreten, da dann das Thier gleich kippt. Bei i Für die freundliche Übersendung der Vitrina diaphana schulde ich Herrn BORCHERDING in Vegesack, für die der halbwüchsigen Leucochroa oder des Zonites candidissimus aus der Nizzaer Gegend Herrn Hesse in Hannover vielen Dank. 32 Heinrich Simroth, völliger Ruhe kippt oft ein Thier aus der richtigen Kriechlage wieder um und macht neue, häufig vergebliche Versuche. Im Allgemeinen darf man behaupten, dass der Einfluss auf die Luft in der Athemhöhle durch Druck R | bei diesen Thieren gleich Null ist. Vielmehr wird der Fuß, wenn er einmal oben, keineswegs durch die Regulirung der Lunge als einer Schwimmblase gehalten, sondern durch die Kapillardepression zwischen dem Wasser und dem Schleim, der auch hier, wie bei den Branchio- pneusten, in ganzer Sohlenbreite entsteht,und als feiner Schleier hinter dem kriechenden Thiere auf der Wasseroberfläche zurückbleibt. Ist das Thier in der richtigen Lage, so treten deutlichst die Wellen als scharfe, erhabene, vorn und hinten genau begrenzte Querbänder hervor und gleiten rasch nach vorn, eine nicht unbedeutende Geschwindigkeit er- zeugend. Jetzt ist, auch keine Gefahr des Umkippens mehr vorhanden, sondern das Kriechen geht mit aller Sicherheit vorwärts, das Schleim- band bildet den Schwimmer; seine erste Herstellung allein ist schwierig; so lange sie nicht gelingt, scheitert jeder Gleitversuch. Wir haben hier also eine Schnecke, welche, der Sohle nach ein echtes Landthier, die Benutzung des Schleimes zum Tragen und Balanciren, die den übrigen Pulmonaten verloren gegangen ist, wieder gefunden hat, wenn ihr auch dieser Gebrauch noch nicht immer gelingt. Auch sonst ist an der Suceineasohle Einiges bemerkenswerth : außer der großen Fußdrüse zunächst eine ähnliche, wenn auch weniger scharfe Dreitheilung der Sohle wie bei Limax. Die Wel- len sind, namentlich bei energischem Kriechen, zumal an der Wasseroberfläche, auf das Mittel- feld beschränkt. Die Grenze bildet rechts und 1 Ri T. ° o o u o . Sohle einer dichten Sueeines, inks eine durchschimmernde Längslinie, wohl ein Blutsinus. Am lebenden Thier erscheint die ganze Sohle gleichmäßig geschwellt, am todten oft nur der mittlere Theil, was schwerlich auf anderem Wege zu Stande kommt, als durch exten- dirte Längsmuskeln. Die mediane Längsfurche im Mittelfelde zeigt, dass Andeutungen von der Sonderung des Cyclostoma auch sonst vorkommen und im allgemeinen Sohlenbau begründet liegen. Es ist hier wohl an der Zeit, die Frage aufzuwerfen, ob überhaupt Schnecken (mit selbstverständlicher Ausnahme der Heteropoden und Pteropoden) ohne die Hilfe des Schleimes, dessen Eigenschaften ihn zu einem Schwimmapparat machen, an der Oberfläche kriechen können. Der eigentliche Schwimmer oder besser Schiffer unter den Seeschnecken ist Janthina, die mit Hilfe ihres Floßes das hohe Meer befährt. Das Floß hängt auch hier nicht organisch mit dem Thiere zusammen, es besteht Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 33 aus erhärteten Schleimblasen, mit Luft gefüllt. Die Schleimblasen wer- den vorn dazu gefügt. Ohne Floß kann ein Thier nicht schwimmen; und wenn es das durch einen Sturm entrissene oder zertrümmerte Fahrzeug ersetzen will, so hat es die größte Mühe, es mit dem von der Gefäßwand aus rückgebeugten vorderen Fußrande wiederherzustellen, was selten gelingt (s.O.Scamipr, I, p.270). Wenn nun auch hier durch eine Rinne des Vorderrandes Luftblasen mit in den Schleim eingeschlossen werden und dieser stärker erhärtet, so ist doch die Grundanlage, eine Schleim- absonderung als Schwimmer, ganz dieselbe, und wahrscheinlich nicht bloß bei Janthina und den Branchiopneusten, sondern bei allen echten Schnecken, die an der Oberfläche kriechen. Leider fehlen Beobachtungen über die Bewegung der Janthina. IV. Über das peripherische Fußnervensystem der ein- heimischen Schnecken. Die verschiedene Ausbildung der Pedalganglien, ihre schärfere Zu- sammenfassung oder ihre Dehnung in lange Stämme wie bei der Paludina, eben so ihre Kommissuren haben mehr für die Systematik als für die physiologische UntersuchungInteresse. Denn man wird mit der Annahme kaum fehl gehen, dass zum mindesten ihre Grundzüge bereits verzeichnet waren, ehe die Thätigkeit des Fußes in die mannigfachen Formen sich gliederte, die wir jetzt bei unseren Schnecken wahrnehmen; daher der Morphologe sich näher mit ihnen zu befassen hat. Die peripherischen Fußnerven der Paludina strahlen, wie ich’s früher schilderte, jederseits dreizehn, regelmäßigin die Sohle aus. Das vorderste, stärkste Paar übernimmt die Versorgung des vorderen, für die Lokomo- tion so wichtigen Sohlenrandes. An den Verzweigungen sind Ganglien- kugeln eingelagert. Einige Kommissuren zwischen der rechten und linken Seite ziehen vorn und hinten über die Mitte weg. Ähnlich verhält sich Cyclostoma, doch ohne die Kommissuren ; die Nerven reduciren sich auf neun bis zehn, ohne Ganglienzellen, da diese in den engumschriebenen Fußganglien einbeschlossen liegen. Bei Planorbis und Limnaea gehen jederseits drei oder vier Nerven- stämme (vier, wenn man die beiden letzten, die mit gemeinsamer Wurzel entspringen, aber sich bald theilen, als zwei zählt), von vorn nach hin- ten an Stärke abnehmend, in ziemlich symmetrischer Vertheilung in die Sohle hinab. Sie verzweigen sich nach außen und werden bald so fein, dass ihre weitere Verfolgung im Pigment fast unmöglich, gleichzeitig aber die Ausbildung eines dichten Nervennetzes, wie bei den Pulmonaten, mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen wird. In der Sohle einer kleinen Limnaea, die noch wenig gefärbt war, ließ sich die Verzweigung weit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 3 34 Heinrich Simroth, genug verfolgen, und die Fig. 12 zeigt sie. Die Vertheilung der Stämme geht so bestimmt bloß nach außen, dass höchstens vorn oder noch eher hinten eine Querkommissur zu erwarten; ich glaubte hinten sogar eine ganz schwache zu sehen. Ganglienzellen waren hier und da eingelagert. Unter den Pulmonaten wurde oben noch die Succinea! als eine Schnecke mit echten Wellen hinzugefügt (wie mir überhaupt keine Land- schnecke ohne diese bekannt ist). Auch ihr Nervensystem wurde aufge- funden. Es verhält sich sehr ähnlich dem von Helix und ist als Vertre- ter dieses Typus in Fig. 13 abgebildet. Wenn das Netz rechts nicht so dicht ist, wie links, so liegt es in der zufällig hier weiter gediehenen Ab- tragung der Muskulatur, ist's doch ein Zupfpräparat. Das Ganze ist ein unregelmäßiges dichtes Nervennetz mit vielen Ganglienknötchen, das die Sohlenfläche bedeckt. Bei den Nacktschnecken wird einige Ordnung in die unregelmäßigen Maschen gebracht, wie ich’s früher beschrieb (XIH). Bei Arion werden sie gleichmäßiger, und bei Limax bildet sich eine große Reihe von Quer- kommissuren aus, die nicht durch die ganze Sohlenbreite gehen, sondern bloß, so weit der lokomotorische Apparat reicht, d. h. durch das Mittel- feld, so zwar, dass auf eine Wellendistanz oder auf den Verbreitungsbe- zirk eines Fußnervenpaares je vier Kommissuren zu kommen scheinen. Ein Vergleich der örtlichen und graduellen Ausbildung der lokomo- torischen Wellen mit der Nervenentwicklung zeigt schlagend die wechsel- seitige Abhängigkeit. Von den Wasserschnecken, also Prosobranchiern und Branchiopneusten, darf man freilich keine nehmen, die am Glase kriechen, denn sie haben keine Wellen; vielmehr ist als Vertreter der ersteren einzusetzen Gyclostoma, mit einem guten Wellenspiel haupt- sächlich nach den Rändern der Sohle zu, von den letzteren die Limnaeen und Planorben, wenn sie an ihrem Schwimmapparat gleiten. Auch bei ihnen ist vor Allem Seiten- und Vorderrand gekräuselt, und die ruhigere Mittelsohle kann am tiefsten durch Retraktorbündel längsgefurcht sein. Dem entspricht völlig das peripherische Nervensystem : KeineInnervirung in der Mitte (oder höchstens eine schwache, die mir noch entging oder nur bei Paludina in feinen Fädchen aus den Hauptkommissuren gesehen wurde), dagegen großer Nervenreichthum am seitlichen und eventuell, namentlich bei Paludina nachgewiesen, am vorderen Rande. Wo unter den Pulmonaten, zumal bei den Heliciden, die Nerven 1 Bei Helix ist es zwar auch nicht die ganze Sohle, über welche die Wellen ziehen, sondern von der Längsmitte an bleibt ein nach hinten sich verbreiternder seitlicher Saum frei. Bei Succinea aber beschränken sich die Wellen auch vorn auf die Mittelsohle, und das wird es rechtfertigen, wenn sie fernerhin in Anbetracht ihrer Sohlenphysiologie mit Vitrina und Limax vereinigt wird. Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 35 zahlreiche Kommissuren austauschen und damit zugleich die Mitte über- ziehen, so dass ein reiches Maschenwerk entsteht, da sind erstens die unregelmäßigen Wellen zu bestimmten Querwellen geordnet, da sind zweitens auch die indifferenteren Mitteltheile in die Thätigkeit energisch mit einbezogen, und die Wellen überziehen in ganzer Breite die Sohle. Andeutungsweise bei Succinea, viel stärker bei Vitrina und beson- ders ausgeprägt bei Limax werden die Seitenränder, die ursprünglich bei der Lokomotion die Hauptarbeit übernahmen, von der Mitwirkung völlig befreit, und die Anfangs wenig oder gar nicht thätige Mittelsohle leistet Alles. Das findet seinen Ausdruck in der Entwicklung regelmäßi- ger Querkommissuren in dem Maschenwerke von Limax, Kommissuren, deren Breite genau der des lokomotorischen Apparates gleich kommt. Dabei bleibt das Maschenwerk der Seitentheile bestehen; und es bietet dies in so fern ein besonderes Interesse, als es gewissermaßen in die Kategorie der rudimentären Organe gehört, d. h. der Organe, deren anderweite, dem ursprünglichen Zweck entfremdete Funktion besonderer Aufklärung bedarf. Anfänglich zur Steigerung und Fixirung der lokomo- torischen Wellen in scharfe Querbänder erzeugt, besteht das seitliche Maschenwerk noch, nachdem die Seitentheile diese Funktion wieder aufgegeben und der Mittelsohle überlassen haben. Beachtenswerth dürfte sein, dass die hier gegebene Reihe der Sohlen- und Maschenentwicklung: Succinea— Vitrina—Limax, der systematischen Ableitung (durch verschwindende Schale) wenigstens sicher in Bezug auf die beiden letzten Glieder, Vitrina und Limax, entspricht. Die Vitrinen- sohle gleicht ganz der von Limax cinereoniger, nicht nur in Anbetracht der Trennung der schwarzen Ränder von der Mittelsohle, sondern auch in dem durchschimmernden mittleren Sinus. Bei Succinea freilich fehlt dieser; statt dessen sieht man an der Grenze des Wellenfeldes zwei durchschimmernde Längslinien ; doch muss sie, was die Physiologie des Fußes angeht, in dieser Vereinigung stehen bleiben, ebenso wie Arion. Nun ist mir, um dieNerven wieder aufzunehmen, keineswegs fremd, dass ein solches Maschenwerk von Nerven und Ganglienknoten,, wie es hier vorliegt, auch sonst vielfach bei den Weichthieren vorkommt, bei den Sinnesorganen nämlich. Aber ich glaube, es hieße der Sache Gewalt anthun, wollte man noch weiter nach Erklärungen der Entstehung und Bedeutung sich umsehen, wo der Zusammenhang so klar vor Augen liegt. Wer aber dadurch noch nicht sich überzeugen ließe, der müsste nach einer besonders hohen Sinnesentwicklung in der Landschnecken- sohle, und zwar in ihren untersten, subepithelialen Theilen suchen, gegenüber einem Mangel bei den Wasserschnecken. Dem aber wäre leicht zu entgesnen, dass das Maschenwerk sich da ausbildet, wo die sonst so 3%* 36 Heinrich Simroth, empfindliche Schneckenhaut die glatteren Flächen der Körper im Wasser verlässt, um sich der intensivsten Berührung der viel rauheren Körper in der Luft auszusetzen, ja um diese Berührung durch erhöhte Geschwin- digkeit bedeutend zu steigern (s. u.), wobei die Haut besonders fest, lederartig, unempfindlich wird. Indess noch eine andere Seite des gangliösen Maschenwerkes muss hier hervorgehoben werden, die ich früher schon berührte (XIII), seine sympathische Bedeutung nämlich. Ein Blick auf die Wirbelthiere mag uns leiten (vgl. u. a. Rauser, IX). Jeder sensitiven Nervenfaser ist hier eine Nervenzelle (oder mehrere?) eingeschaltet. Beim Amphioxus liegen diese Zellen noch zerstreut im Körper, bei den übrigen sind sie zu Spi- nalganglien zusammengefasst. Die motorischen Nerven entbehren der Zellen, oder — die Auffassung wird begreiflich erscheinen — wo sie vor- kommen, sind sie zu besonderen, unwillkürlichen Bewegungscentren vereinigt, die wir als sympathische bezeichnen. Bei den Weichthieren nun sind Vorkommnisse genug bekannt, die den sensitiven Nervenzellen des Amphioxus oder den spinalen Ganglien der übrigen Vertebraten zur Seite stehen. Das Studium der Sinnesorgane weist sie auf. In dem eigentlich lokomotorischen System, also dem Fuße, bleiben die Bewegungen mehr oder weniger willkürliche, so lange bloße Nerven von den Pedalganglien die Lokomotion leiten. Zum Beweise dienen das willkürliche Heben oder Gleiten der Fußsohlenhälften beim Cyclo- stoma, die freie Unterstützung des Rüssels, — die aus einer freien Kom- bination von lokomotorischen und Retraktorfasern hervorgehende schräge Bewegung der Paludina, — das rechts und links oft sehr ungleiche Spiel der schwimmenden Branchiopneusten. — So wie aber, bei den Pulmo- naten, ein Maschenwerk mit Ganglien sich ausbildet, so beginnt es gleich sich vom Einflusse des Willens zu befreien und als sympathischer Au- tomat das Wellenspiel als Uhrwerk in Gang zu setzen. Nie tritt jetzt, so lange der Automat in Thätigkeit, eine Welle mehr unregelmäßig auf, nie ändert sie ihre Geschwindigkeit, nie ihre Lage zur Körperachse, nie ihre Breite, nie ihren Abstand zu den Nachbarwellen, nie wird eine hintere Welle vor einer vorderen in Thätigkeit gesetzt. In der That, der gleichmäßige Ablauf lässt sich mit nichts besser vergleichen, als mit dem ununterbrochenen Schlage des Herzens oder der Peristaltik des Darmes. Wenn irgendwo, so haben wir hier einen Sympathicus bei den Schnecken, viel sicherer, als in den Buccalganglien und ihren Zweigen, die man ge- wöhnlich als Sympathicus auffasst, ohne für die automatische Funktion einen Beweis zu erbringen, der hier am Tage liegt. Als einziger Unter- schied zwischen den sympatbischen Sohlenganglien und denen unseres Herzens kann konstatirt werden, dass die Abhängigkeit vom Hirn noch Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyelostoma elegans etc. 37 eine größere ist in so fern, als Anfang und Ende von des Automaten Thätigkeit durch den Willen bestimmt wird. Der Einfluss des Hirns während der Funktion ist kaum ein anderer, als der unseres Hirns auf unser Herz. Es kann vom Centrum aus eine Beschleunigung, ein neuer Reiz ausgeübt werden, wie bei unserem Herzen. Der neue Reiz wird erkannt an den stabilen Wellen (XII). Immer aber lässt sich für einen selehen Reiz ein äußerer störender Einfluss, der auf das Hirn wirkt, er- kennen, Belastung, Erschütterung und dgl., nicht anders als bei uns der Herzschlag durch Schreck etwa beschleunigt oder sistirt werden kann. Wo aber das sympathische System durch eingelagerte Kommis- suren zur höchsten Entwicklung gediehen ist, da sind auch die Wellen am schärfsten und werfen als deutliche Gerinnungsbänder einen Schat- ten, — beim Limax cinereoniger. V. Über die Fußdrüsen der einheimischen Schnecken. Keine von unseren Schnecken vermag zu kriechen, ohne dass sie zwischen die Flächen des Körpers ‚ die dabei einer Reibung ausgesetzt werden, und die, an welchen die Reibung, dem Anscheine nach, Statt hat, eine Schleimschicht einschaltet. Der Schleim wird geliefert von be- sonderen Schleimdrüsen. Ihre Entwicklung ist sehr verschieden nach Form und Lage, je nachdem der Träger ein Land- oder ein Wasserthier ist. Die Prosobranchier zwingen mir leider das Geständnis ab, dass ich bei ihnen noch nicht zur Klarheit gekommen bin. Man könnte hier an die Schleimdrüse in der Decke der Athemhöhle denken, die ihr dick- flüssiges Sekret durch einen rinnenartigen Fortsatz auf der rechten Seite am Boden der Höhle stetig nach außen entleert (s. XI, Taf. XX, Fig. 20 bis 22 b, oder das linke Thier auf meiner Paludinenabbildung im Brenn, I, p. 259). Indess die allzu seitliche Lage der Rinne spricht gegen die Verwendung des Schleimes in der Fußsohle. Vielmehr darf man schließen, dass diese selbst das absondernde Organ ist. Denn eine Paludina, die längere Zeit an einer Stelle des Glases festsaß und dann zu kriechen be- sinnt, hinterlässt eine dicke Schleimschicht vom Sohlenkontur an dem Fleck, wo sie verweilte, und zeichnet den Weg durch eine dünne Schleim- bahn; die erstere dicke Schicht stammt offenbar aus der Sohlenfläche selbst. Bei der Limnaea, um zu den Branchiopneusten überzugehen, bemerkt man leicht, dass der vorderste Theil der Sohle aus einem orangegelben Wulst besteht, der sich nach hinten in der Mitte sehr bald verliert, an den Rändern jedoch, wenn auch mehr und mehr abnehmend, bis weit nach hinten hin, dem Ende nahe, sich verfolgen lässt. An macerirten Thieren kann man ohne Mühe die seitliche Körperhaut abtrennen, in aller- 38 Heinrich Simroth, dünnster Schicht, bis genau zum Sohlenrande. Unter dem Mikroskop zeigen solche Fetzen Epithel, Bindegewebe und zerstreüte Muskelfasern, ohne eine Spur von Schleimdrüsen, die bei Lungenschnecken hier reich- lich lagern würden. Die Ablösung derartig dünner Hautschichten gelingt keineswegs an der Sohle selbst, da hier das Epithel sehr innig mit allen tieferen Gewebsschichten, bis zum Retraktor, zusammenhängt. Ab- wechselndes, langsames Zupfen und Maceriren (oder Schneiden, was ich nicht versuchte) hilft hier zum Ziele. Mir glückte es, won oben her all- mählich eine Limnaeensohle so zu verdünnen, dass nur noch das Epithel und die letzte subepitheliale Schicht in toto übrig war. Jetzt zeigt sich die Sohle über und über mit vielen Hundert von kleinen grauen Punkten bedeckt, die durch besondere Häufung die geschilderten Wülste erzeugen an den Stellen, die bei der Lokomotion hauptsächlich in Betracht kommen; denn es ist oben darauf hingewiesen, dass bei den Wasserschnecken namentlich der vordere und seitliche Rand die lokomotorischen Wellen aufweisen. | Beim Planorbis ist es ebenfalls leicht, die seitliche Körperhaut dünn zu erhalten, schwer und unthunlich wird’s bei der lederartigen Sohle, sicherlich z. Th. wegen eingelagerter Drüsen. Das wird um so wahr- scheinlicher, als sich am Vorderrand der Sohle derselbe dicke gelbe Querwulst findet, wie bei Limnaea; die übrige Sohle erscheint auch hier schwarz oder schwarzbraun, jedenfalls weil die Drüsen an Dichtigkeit zurückstehen. Von außen sieht man, dass ein hellbrauner Rand vom vor- deren Wulst sich seitlich bis an die Spitze hinzieht, rings die Sohle um- rahmend, wie bei der Teichschnecke; wenn also irgendwo ein Analogie- schluss Berechtigung hat, dann hier. Über die Histologie der Drüsen vermag ich bis jetzt nichts zu sagen. Das Wichtigste bleibt, dass sie in schärfster Abgrenzung sich auf die Sohle beschränken und der Nachbarhaut durchaus fehlen, wiewohl sonst, am Kopf und den Fühlern zum Beispiel, Schleimdrüsen vorkommen (XI Taf. XV, Fig. 12). Sobald eine Schnecke zum L.andthier wird, sei es der Prosobranchier Cyclostoma oder die aus anderer Wurzel entsprossenen Pulmonaten, tre- ten an Stelle der Sohlendrüsen oder doch zu ihnen innere Drüsen, deren Mündungstets, wie es die Sohlenextension verlangt, am vorderen Fußrande sich findet. Bei Helix zwar bleiben noch eine Menge Schleimdrüsen in der ) Sohle, wie ich früher angab (XII, p. 186) ; wo aber der lokomotorische | Apparat sich auf einen besonderen Sohlentheil, auf die Mitte, zurückzieht, namentlich deutlich beim Limax cinereoniger, da ist gerade dieser Theil frei von Drüsen, und hier ist es klar, dass für sie die Fußdrüse eintritt. Warum diese Translocirung? Sie kann nur in der Verschiedenheit des a ) Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans ete. 39 Mediums begründet sein. Das Wasser leistet ein Mehrfaches. Alle Flä- chen darin sind erstens nass, zweitens glatt, sodann wird vom Wasser der größte Theil oder die ganze Masse des Thieres getragen. Es leuchtet ein, dass eine nasse Fläche zarter Schneckenhaut weniger unange- nehm ist, als eine trockene (daher auch die Limnaeen mit ihren Fühlern die Gegenstände bestreichen, wovor sich Helix ängstlich hütet). Die Glätte der Flächen illustrirt ein Blick auf eine zerklüftete Alpenlandschaft gegenüber dem sanften Abhang desMeeresbodens; auch wächst im Wasser kein Dorngestrüpp,, sondern schlanke Monokotyledonen, zarte Algen an Stelle krauser Flechten und so fort. Es hat daher die Sohle der Wasser- schnecke bei der Berührung weit weniger zu leiden, als die der Land- thiere. Sehr gesteigert wird diese letzte Differenz durch die tragende Kraft des Wassers gegenüber der ganzen Bedeutungslosigkeit der Luft für diese Leistung. Daraus ergiebt sich die Forderung eines gesteigerten Adhä- sionsdruckes der Landschneckensohle beim Aufwärtskriechen, und weiter ihre Festigung durch Cuticula und dichte Palissaden reinen Cylinder- epithels. Werden so die Schleimdrüsen aus der Haut verdrängt, so erheischt gleichwohl die durch dieselben Umstände gesteigerte Reibung um so reichlicheren Schleim. Dieselbe Forderung, eine Drüse im Inneren mit der Mündung vor der Sohle herzustellen, erzeugt aus ganz verschiedener Wurzel einerseits die Fußdrüse der Pulmonaten, andererseits die des Cyclostoma. Jene stellt einen langen, von einer Quermuskelschicht über- deckten Gang in der Sohle vor, dem unten Ballen großer Drüsenzellen, in die Muskulatur sich verlierend, sich anlagern. Die Bildung des Sekre- tes scheint hier durch den schleimigen Zerfall der Zellen zu geschehen, wie neuerdings SochAczEWER (XV]) gezeigt hat, wie FLemning die Möglich- keit der schleimigen Degeneration auf die allgemeinen Bindegewebszellen erweiterte und wie ich Ähnliches an den Lippenwülsten der Helix poma- tia zu erkennen glaubte (XI). — Beim Cyclostoma ist die Drüse, dem ver- schiedenen Ursprunge gemäß, von durchaus anderem Bau, ein vorderer Sack (die Wand voll weißer Schleimdrüsen), dem sich von unten zwei langetubulöse Drüsen mit ganz anderem Sekret einfügen. Endlichkommen beim Cyclostoma die regelmäßigen Anhäufungen von Schleimdrüsen in der Furche als Schmierdrüsen hinzu, um die gegenseitige Reibung der Sohlenhälften möglichst zu mindern, so wie hervorzuheben ist, dass bei derselben Schnecke der Schleim nicht nur die Sohle netzt, sondern zu- gleich durch eine Rinne nach vorn geleitet wird, um die Saugscheibe des Rüssels zu schmieren. Für die Entleerung der Fußdrüse ist von Semrer auf dem Boden des Drüsenganges der Pulmonaten ein Flimmerepithel nachgewiesen, mit 40 | Heinrich Simroth, einer Richtung des Cilienschlages, die den Schleim nach außen befördern muss. Da indess die Flimmerung auch in Zeiten ohne’Lokomotion ge- schieht (wie denn die Beobachtung des Wimperepithels nur an bewegungs- losen Stücken gemacht werden konnte), so wird sie wohl eine Schleim- stockung zu verhindern im Stande sein, für das gesteigerte Bedürfnis aber während des Kriechens muss ein neuer Faktor hinzutreten. Ich nahm dafür die Spannung der oberen Muskeldecke und die regelrecht von hinten nach vorn fortschreitende Expansion der Sohle, die man an den Wellen erkennt, in Anspruch (XII). Der gleiche Mechanismus wird bei den Prosobranchiern und Branchiopneusten die Vereinigung gesteiger- ter Entleerung mit erhöhtem Bedürfnis, also wähend der Lokombotion, leisten. Dasselbe Ziel wird beim Cyclostoma, wie ich zeigte, erreicht durch Kontraktion der horizontalen Quermuskelsysteme über der Drüse und der einen Sohlenhälfte, wodurch der Schleim der anderen Hälfte, die fixirt werden oder noch mit Berührung ein wenig gleiten soll, zu Gute kommt. Die Bedeutung des Schleimes scheint mir bisher ungenau gefasst worden zu sein. Seine in neuerer Zeit mehrfach wieder erwähnte Ver- wendung als Spinnfaden bei den Limacinen (Leypie, Eımer), wodurch sich die Thiere von einem Zweige herablassen können, lasse ich hier bei Seite, da diese Art der Lokomotion außerhalb meiner Diskussion fällt, und weise nur kurz darauf hin, wie sehr der Faden an das zurück- bleibende Schwimmband der Branchiopneusten und der Succinea er- innert. Man hat den Sohlenschleim bisher entweder als Klebstoff, womit das Thier an senkrechten Wänden sich fesihält, oder als Schmiermittel behandelt. Wie gering seine Leistung (vom Cyclostoma abgesehen) für die Adhäsion ist, geht aus den Versuchen an Limax hervor, die ich früher berichtete (XI, p. 191). Wenn ein ruhendes Thier auf einer senkrecht gehaltenen Glasplatte liegt, so ist die Adhäsion so schwach, dass es all- mählich abwärts rutscht und das so lange, bis die Wellen beginnen und die weiße Sohle dem Glase andrücken;; schon das Anhaften eines ganz geringen Theiles des Mittelfußes genügt, um die Rutschbewegung zu sistiren. Die Adhäsion wird also vor Allem durch die Wellen, ganz wenig durch den Schleim bewirkt. Schmiermittel ist dieser deutlich in der Furche des Cyclostoma. Die Verschiedenheit aber aller der hier abgehan- delten Drüsen, der vielen in der Branchiopneustensohle, der großen im Pulmonatenfuße und der tubulösen beim Cyclostoma, weist auf eine eigenartige Verwendung hin, noch mehr andere Erwägungen. Bei den Branchiopneusten bleibt das Schleimband als Schwimmer auf dem Wasserspiegel zurück, ohne an der Sohle zu kleben, ebenso bei Suceci- nea. Warum soll es das nicht bei allen? und warum nicht beim Kriechen ? 1 Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans ete. 41 Ja es thut es bestimmt, wie man an einer Helix in verschiedener Lage beobachtet. Ein Thier, das im Wasser sich dehnte und herausgenommen wird, ehe es die Sohle an der Glasfläche befestigte, hat einen dicken ' Schleimtropfen am hinteren Sohlenende auf der Unterseite; er ist also auch beim freien Thier, während die Sohle sich vorn verlängerte, hinten ‚ zurückgeblieben. Dieses Zurücklassen des Schleimes, nicht als Schmier- ‚ spur, sondern als festes Band, wird beim kriechenden Thiere sehr deut- lich, wenn es von einem Gegenstande auf den anderen hinüberwechselt ‘ und dabei die Sohlenmitte eine Zeit lang ohne Flächenberührung durch - die Luft gleitet; denn es spannt sich dann bekanntlich das Band von - einem Körper zum anderen hinüber. Nimmt man aber eine kriechende ‘ Schnecke in die Höhe und hebt den Schleim an irgend einer Sohlenstelle . ab, so löst er sich nicht nur an diesem Punkte, sondern in breiter Fläche über die ganze Sohle weg als eine zähe Membran, die mehr Zusammen- ' hang unter sich, als mit der Sohle hat. Was aber diese Abscheidung ‚ eines kontinuirlichen Schleimbandes für eine Bedeutung hat, ist leicht zu ‘ sehen. Die Landpulmonaten kriechen am Glase ebenso schnell wie auf ‘ einer Schulbank (XII). Da es nun beim Kriechen auf ein reines Gleiten ' ankommt, also auf den Reibungskoefficienten zwischen der Schnecken- sohle und der Unterlage, so müsste, selbst bei Anwendung eines Schmier- mittels, die Verschiedenheit dieses Koefficienten zwischen Sohle und Glas einer- und zwischen Sohle und Holz andererseits beim ruhig kriechen- den Thiere eine Verschiedenheit der Geschwindigkeit hervorrufen, was nicht geschieht. Das Schleimband legt sich vielmehr fest und wird stetig vorn verlängert. Und dadurch wird für die Thiere der hervorragende Nutzen erzielt, dass die Fläche gleichgiltig wird, an der sie gleiten, denn es handelt sich nicht mehr um den Reibungskoefficienten zwischen Sohle und dem wechselnden Faktor der Unterlage, sondern nur noch um den zwischen der Sohle und dem sich gleich bleibenden Schleimband. Das gilt natürlich nur, so lange die Unterlage einigermaßen glatt ist oder sonst keine Kombination eintritt. Schneidet die Unterlage mit ihren Rauhigkeiten geradezu in die Sohle ein, so muss natürlich ein Hindernis erwachsen; ebenso kriecht eine Schnecke viel langsamer bei Belastung, den Gesetzen der Physik entsprechend, wonach die Reibung proportio- nal dem Drucke wächst; aber die Substanz der Fläche, auf der das Thier gleitet, bleibt gleichgiltig, da die Reibung nicht gegen sie, sondern nur gegen das Schleimband Statt hat. Es ist in jüngster Zeit von Neuem die alte Ansicht Leipy’s, die Pul- monatenfußdrüse sei das Geruchsorgan, aufgefrischt worden, von SocHA- CZEWER (XVI), so dass es nöthig erscheint, auch diesen alten Streit aber- 42 Heinrich Simroth, mals aufzunehmen. Der Beweis, den der Autor bringt, liegt, wie mir scheint, allein in der Auffindung von Sinneszellen im’ Bodenepithel des Ausführungsganges, noch dazu, wie im Nachtrage gesagt wird, im vor- deren Theil. Vielleicht darf ich hoffen, dass nach den obigen Erörte- rungen die Aufgabe der Fußdrüse, für die Lokomotion Schleim zu be- sorgen, einigermaßen gegründet sei. Damit ist von vorn herein noch nicht ausgeschlossen, dass sie nicht zu gleicher Zeit die Funktion der Nase verrichten könnte, etwa wie umgekehrt die Geier reichlichen Schleim aus der Nase herabrinnen lassen, um den Schnabel von faulenden Sub- stanzen zu reinigen; und in der That scheint eine gewisse erhöhte Em- pfindlichkeit durch Socuaczewer’s Entdeckung dem Anfangstheil des Drüsenganges zugesprochen werden zu müssen. Doch könnte man leicht seine Beweise gänzlich widerlegen. Zunächst fehlt ganz und gar der Nerv für sein Sinnesorgan, denn er begnügt sich mit Leipy’s Angabe von einem großen Nervenreichthum!. Nun hat Leıpy, der 1846 publicirte, offenbar die Pedalnerven für die Nerven der Fußdrüse gehalten. Wer verfolgte damals diese Nerven weiter? Doch ist’s immerhin möglich, dass irgend ein Nervchen zur Fußdrüse zieht, wovon mir nichts bekannt. So bleibt für die Behauptung Socuaczewer’s als Stütze, waser p. 43 zu- sammenfasst: »Die drei nothwendigen Faktoren eines Geruchsorganes, nämlich das Vorhandensein einer Sinneszellenschicht, das Überströmt- werden mit Luft und die Benetzung durch ein aus einer zugehörigen Drüse quellendes Sekret, sind in der Fußdrüse enthalten.« Als ob nicht genau dieselben drei Faktoren sich in der gesammten Schneckenhaut, die Schale und die Sohle ausgenommen, wiederfänden! Wer aber recht scharf kritisiren wollte, könnte auch noch den wichtigsten der drei Fak- toren, die Sinneszellen, streitig machen ; denn SocHACZEWER Spricht von ihren »Flimmern «, während ganz allein die Unbeweglichkeit ihrer freien Härchen, gegenüber den Cilien des gewöhnlichen Epithels, zu ihrer Ent- deckung geführt hat. Doch scheinen die Zellen, die er als Sinneszellen abbildet, der Form nach welche zu sein. Die Experimente, die er an- führt, und die wieder auf einer feinen Perception eines Stabes mit Ter- pentin, ohne Berührung, durch die Mundgegend hinauslaufen, scheinen mir viel weniger beweisend zu sein, als die von ihm vernachlässigte Beobachtung Cuvırr’s, dass die Schnecken bei Näherung ihres Lieblings- 1 Ich halte es für angezeigt, hier das Übersehen eines Druckfehlers wieder gut zu machen, der leider in einer früheren Arbeit (XI) stehen geblieben ist. Dort wird eitirt, als habe Leyvie die Fußdrüse als Geruchsorgan gedeutet, während er doch gerade ein Gegner dieser Ansicht ist. Da Leynıe’s Name kurz vorherging, lag für den Setzer die Verwechslung nahe; da aber in meinen Korrekturbogen noch kein einzi- ger Druckfehler bei Eigennamen vorgekommen war, wird es wenigstens, denke ich, erklärlich, dass ich auf sie zu achten mich entwöhnte., Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans etc. 43 futters »promptement« aus der Schale herauskommen. Überhaupt werde ich durch das Fehlen der Terminalkörperchen oder Sinneszellen in der Sohle nur noch mehr in meiner früheren Ansicht bestärkt, dass diese Körperchen, den Riechzellen der Vertebraten sehr ähnlich und durch die ganze Haut, die eine Schleimhaut ist, zerstreut, hauptsächlich Träger der chemischen Sinne sind und das Tasten durch Kitzel oder Schmerz nur nebenbei besorgen, dass aber die Territorien der chemischen Sinne an einzelnen Körperstellen allerdings ein wenig gesondert und getrennt angebaut sein können (XI, p. 327—337), und dahin könnte möglicher- weise die Entdeckung SocHACzEWER’S Zu rechnen sein. VI. Über die Geschwindigkeit der Schnecken. Mogvin-Tanpon (VII, I, p. 162) macht einige Angaben über die Ge- schwindigkeit unserer langsamen Thiere: »La Marche des Mollusques est tres lente. Une Vitrine Pyreneenne, sur un plan mouille, a parcouru 3 centimetres par minute. Le Bulime follicule, qui est un des Gasteropodes les plus vifs, ne depasse pas 5 centim£tres. L’Ancyle fluviatile, qui est un des plus lenits, a traverse, dans l’espace de trois minutes, une lame de verre poli large de 3,25 mm; ce qui donne un peu plus de 4 milli- metre par minute.« Ich selbst habe aus einer längeren Versuchsreihe eine Tabelle berechnet (XII), die einigermaßen den Blick in die Leistungswerthe erschließen sollte, und in der ich die Geschwindigkeitsangaben Moouin- Tanpon’s ziemlich auf das dreifache Maß steigern konnte, auf 13,3 cm bei der Ackerschnecke. Die folgende Tabelle (s. p. 46) beschränkt sich darauf, aus einer Anzahl von Aufzeichnungen zusammenzutragen, was einer Einsicht irgendwie dienen kann. Streng genommen erfordert die Natur der Sache ein sehr umfangreiches statistisches Material; denn da experimentelle Einwirkung, die höchste Arbeit durch den willkürlichen Reiz des Untersuchers zu erzwingen, wie beim Froschmuskel, vollstän- dig abgeschnitten ist, bei der sympathischen Beschaffenheit desjenigen Apparates, der allein durch seine höhere Differenzirung und Wellenord- nung zum operativen Eingriff einladet, so kann man die so scheuen Thiere, die bei jeder Störung ihre Lokomotion unterbrechen und sich auf keine Weise zum Gehen zwingen lassen !, nur in ihrer freiwilligen Bewegung, deren Intensität vom Belieben der Schnecke abhängt, be- lauschen. Nun gehört aber eine große Reihe von Beobachtungen, mit 1 Die einzigen Mittel, die Schnecken anzuspornen, sind, so weit mir bekannt, das Untertauchen unter Wasser bei den Pulmonaten, dessen Reiz aber mit der Be- freiung aus dem unangemessenen Element aufhört, die Belastung bei Gehäuse- schnecken, die indess gleich durch den neuen Faktor den Versuch komplieirt, und bei den wenig zugänglichen Vitrinen ein mechanischer Kitzel ihres Mantelschildes. 44 | Heinrich Simroth, Berücksichtigung aller begleitenden Umstände, dazu, um daraus die mittlere und die maximale Geschwindigkeit abzulesen. - Die Berechnung einzelner Faktoren, die auf die Kraft der einzelnen Welle, auf das Verhältnis zwischen ihrer Geschwindigkeit und der des Thieres u. dgl. abzielt und die ich früher versuchte, habe ich dies Mal aufgegeben, da mir der Boden für eine exakte Fassung der Komponenten noch nicht genug geebnet erscheint, um mehr daraus abzuleiten, als ich damals unternahm. Man müsste dazu die Intensität und Abgrenzung der einzelnen Welle, ihre Breite, ihren Durchmesser von vorn nach hin- ten, vor Allem aber ihre Höhe kennen, da diese allein das wahre Maß für die Verschiebungen enthalten kann. Aber wie soll man sie in irgend nutzbarer Form messen, da man sie nur unter erschwerten Bedingungen, bei der schwimmenden Succinea oder bei der freigehaltenen Pulmonate, hervortreten sieht? Immerhin kann man aus der beifolgenden Statistik Einiges ablesen, daher ich sie mit einigen Bemerkungen begleite. ad I) Die geringste Geschwindigkeit erreichen die Thiere mit un- regelmäßigem Wellenspiel, die als Kiemenathmer zugleich einen Theil ihrer Körperlast zu tragen haben, die Prosobranchier. Die annähernd richtige Würdigung ihrer Geschwindigkeit verbürgt bei der Paludina der lange fortgesetzte Versuch auf dem Boden, wo sie ungestört sich selbst überlassen blieb, so wie ihre über ein halbes Jahr beobachtete Gesund- heit im Aquarium, beim Cyclostoma das übereinstimmende Verhältnis zwischen Weg und Schrittweite in den einzelnen Versuchen. Die ge- ringe Geschwindigkeit des Cyclostoma im Vergleich mit der des Wasser- thieres findet ihre Erklärung in dem Befunde des specifischen Gewichtes (s. oben, II), wonach von der Körperlast der Wasserschnecken ?/, die Flüssigkeit auf sich nimmt und sie selbst nur noch !/, zu tragen haben. Erhöht man demgemäß die Geschwindigkeitszahlen des Cyclostoma, um sie mit den Bedingungen der Wasserthiere in Einklang zu bringen, auf das Fünffache, so liegen die Grenzen zwischen 2 und 3,5 cm, sind also dieselben, zwischen denen jene sich halten. ad II) Bei den Branchiopneusten ist die Sicherheit der experimen- tellen Geschwindigkeitsmessung leicht zu gewinnen; denn sobald die geringste Ermüdung eintritt, wird noch die letzte Spur von Lasibeförde- rung, die Überwindung des Druckes, den das Wasser dem Thiere ent- gegensetzt, von der lokomotorischen Muskulatur verweigert und dem Retraktor gesondert übergeben, was die in Pausen nachgezogene Schale bekundet. Wenn das specifische Gewicht gleich dem des Wassers ist, wird von Arbeit bei der Lokomotion in der That weiter nichts geleistet, als die Überwindung des Flüssigkeitswiderstandes. Häufig genug sieht Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans ete. 45 man einen Planorbis schwimmen, wie ich’s schon oben beschrieb (I), der seine Schale fest im Wasser stehen lässt, während der Fuß sich ver- längert, um sie von Zeit zu Zeit durch den Retraktor nachzuholen. Aus dieser Ungewohnheit der Sohle, Lasten zu bewegen, erklärt sich auch ‘ die peinliche Sonderung im Gebrauch der Retraktortheile, wenn eine Limnaea belastet kriecht, wobei sie mit den vorderen Retraktorbündeln die Schale hebt und mit den hinteren, ganz unabhängig davon, die Sohle verkürzt (s. oben, I). Diese Beschränkung der Branchiopneusten im Ge- brauche der lokomotorischen Muskulatur allein auf die Überwindung der inneren Widerstände in der Sohle, die sich der Verlängerung entgegen- setzen, verbietet es, sie überhaupt mit der Sohle anderer Schnecken, die zugleich noch Lasten bewegen, in Vergleich zu stellen. Andererseits liegt in dieser einseitigen Beschränkung der lokomotorischen Arbeit der Schlüssel für das Verständnis der ziemlich hohen Geschwindigkeit dieser Thiere, die darin die Prosobranchier um ein Mehrfaches übertreffen und mit vielen Pulmonaten wetteifern. ad III) Unter die Schnecken mit geordneten Wellen über die ganze Sohle habe ich die kleinen Zonites mit aufgenommen, obwohl auf sie, die einen Tag ihren Kalkdeckel abgeworfen hatten, um ihn den anderen bereits zu ersetzen, wenig Gewicht zu legen. Für die richtige Ermittelung maximaler Geschwindigkeiten bei den Helices bürgt die Auswahl aus einer großen Beobachtungsreibe und die Kontrole durch Belastungsver- suche. Ihre Weglängen übertreffen wenig die der Branchiopneusten, um das Drei- bis Vierfache die der Prosobranchier. Sie leisten aber außer der inneren Arbeit der Sohlenverlängerung noch die Bewegung der gesammten Körperlast, wodurch sich der Arbeitswerth ihrer Sohle den Branchiopneusten gegenüber auf eine unberechenbare, jedenfalls nicht unbedeutende Höhe, den Prosobranchiern gegenüber noch auf das Fünf- fache steigert. Ist also die Geschwindigkeit die drei- bis vierfache, so ist die Arbeit in der Lastbeförderung die fünfzehn- bis zwanzigfache ; und ungefähr dieselben Werthe erhält man, wenn man die Geschwindigkeiten der beiden Luftthiere Cyclostoma und Helix (0,7:9 = 1:43) in Vergleich Setzt, wo das Lastverhältnis annähernd dasselbe ist. Ich habe wohl kaum nöthig zu beionen, wie’sehr der Vortheil, der durch die Ordnung des Wellenspiels in regelmäßige, starke Querwellen, durch die Hinzufügung des besonderen sympathischen Nervensystems, durch die Erhebung des lokomotorischen Apparates auf die Stufe selb- ständiger Arbeitsbethätigung gewonnen wird, in die Augen springt. ad IV) Für die Schnecken, bei denen sich in weiterer Arbeitsthei- lung der lokomotorische Apparat auf das mittlere Sohlenfeld zurück- zieht, gilt im Ganzen dasselbe, wie für die Heliciden. Wiewohl die be- 46 Heinrich Simroth, | Fußlänge | Körpergew. | Geschw. | Maximum | Bemerkungen = — IM 1. Gleitende Sohle mit unregelmäßigen Wellen. “mn Paludina vivipara A — — | 2 cm = am Glase. . 1 N 2 Er groß 0,73 — am Glase, 45 Min. laı 1); 3 — groß 2 2,3 cm | auf dem kiesigen Boden. Bythinia A 0,8 cm — 1,8 2 IE 2 0,8 = 0,9 — IM Cyclostoma elegans — — 0,4 0,7 | II. Gleitende und schwimmende Sohle mit unregelmäßigen Wellen. | h Physa A A _— 6 —_ kriechend. ih 2 A, — 4,5 — schwimmend. ni, Limnaea stagnalis A 2,2 erwachsen 1,4 — kriechend, Schale ie ER halbe Min. gehoben. | 2 21 erwachsen 3a — kriechend, Schale ale? Min. gehoben. B;* 3 1,85 erwachsen 6 7 kriechend, Schale nieg I y hoben. mi [A 2,3 erwachsen | 7,5 8,5 kriechend, Schale el L gehoben. | 5 2 erwachsen 8 = schwimmend. | 6 —_ erwachsen 6 —: schwimmend. i Planorbis corneus A 4,7 halbwüchsig | 4,7 _ kriechend. N 2 —_ fast 4 = schwimmend. | erwachsen 3 9,2 — 7 e— kriechend. in 4 41,7 — 7 | kriechend. | I! III. Ganze Sohle mit a Wellen. a Zonites candidissimus 4 1,2 | — A, 1,5 \ 2 0,8 = 0,85 1,4 3 0,6 a 1,2 4,7 Helix hortensis A 2,9 4,85 gr. 7,8 8,03 2 2,8 2,2 6,26 9 Helix pomatia 4 6 6,4 6,3 7,8 3 7 18,4 5,4 | 6,25 3 6,8 23,5 3,7 \ 4,38 | IV. Mittelfeld der Sohle mit geordneten Wellen. We Suceinea putris A a — 6 — | am Glas unter u | 2 4,7 — 6,6 — ebenso. | 3 2,3 I 1,85 — |am Glas in Luft. er; l groß — 5 En schwimmend. | Vitrina diaphana 1,4 — 4 — ! Limax agrestis A 4 0,37 12,7 13,33 | 2 4,3 0,47 5,6 7,8 | Limax cinereoniger 12 40 3,36 4 | ‚Arion empiricorum 12 22,5 1,73 1,91 wegende Fläche hier kleiner wird, so treffen wir doch bei mittleren Thieren die allergrößte Geschwindigkeit. Leider hat man es hier am | wenigsten in der Hand, auf den Willen des Thieres einzuwirken; und 1 Inzwischen im freien Walde 9 cm beobachtet. Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 47 ‚daraus erklären sich vielleicht die geringen Werthe bei den großen 'Limax cinereoniger und Arion, die man länger in der Natur beobachten ‚müsste; auch kommt hinzu, dass die Schmalheit der lokomotorischen ‘Sohle in einem schlechten Verhältnis steht zum großen Körpervolum dieser fetten Thiere, wie wir denn überhaupt nie bei den größten Thieren ‚auf die größte Geschwindigkeit stoßen. Die zwergartige Vitrina steht mit ihren vier Centimetern immerhin sehr glücklich da gegen das Cyclo- stoma. Vielleicht könnte es auffallen, dass Succinea beim Schwimmen keine höheren Werthe erzielt; indess habe ich oben gezeigt, dass die "Individuen nicht alle oder doch nicht immer die Gabe besitzen, dass ‚also hier andere Schwierigkeiten und ein Ausnahmezustand vorhanden ‚sind. Limax agrestis, die gemeinste, aller Orten verbreitete, am leichte- ‘sten zu behandelnde, ist jedenfalls als Norm zu Grunde zu legen; und sie erreicht, trotz aller Beschränkung des Apparates, die höchste Ge- schwindigkeit. Könnte man unter den verschiedenen Gruppen einen Wettlauf ver- ‚anstalten, so würden die Schnell-Läufer unter den Nacktschnecken die 'Heliciden um ein Erhebliches schlagen, den dritten Preis erlangten die 'Branchiopneusten, vorausgesetzt, dass das Wasser die Körperlast zu tragen übernehmen dürfte, und zuletzt, weit hinten, kämen die Proso- branchier an. Es kann also wohl das Gesetz als ausgemacht gelten: Die Geschwindigkeit und Leistung der Schnecken- sohle steigert sich mit der Ordnung desunregelmäßigen Wellenspiels zu bestimmten Querwellen, mit derEinlage- tung des sympathischen Nervensystems und mit dessen Vervollkommnung durch Kommissurenausbildung. Eine Erweiterung erfährt ein anderes Gesetz, welches ich früher aufstellte (XII, p. 176), »dass die kleinen Thiere die höhere Beweglich- keit haben, und das nicht nur auf die kleineren Gattungen und Arten bezogen, sondern ebenso auf die kleineren, jüngeren Individuen der- selben Art«. Beispiele dafür liefern alle unsere Gruppen; die kleine Bythinia ist nicht langsamer als die große Paludina, die winzige Physa wetteifert mit der großen Limnaea, Helix hortensis leistet mehr als po- matia, und die kleine Vitrina ist ebenso schnell, der mäßig große Limax agrestis aber viel beweglicher als die voluminöseren Limax cinereoniger und Arion. Der Grund für diese Thatsache ergiebt sich sehr leicht aus der Zusammenstellung einiger Daten über die Sohlenlänge, die freilich kein ganz konstanter Faktor ist, und das Körpergewicht mehrerer Helix pomatia, welche hier folgt (s. p. 48). Verhält sich die Sohlenlänge des ersten und letzten Thieres wie 1:2, also die Sohlenfläche wie 1:4, so übersteigt die Proportion der 48 Heinrich Simroth, Helix pomatia Sohlenlänge Körpergewicht Körpergewichte noch weit das kubische Maß. Im Ganzen scheinen auch hier gewisse mittlere Werthe die vortheilhaftesten zu sein, oder es er- hebt sich eine bestimmte Art oder Gattung durch ihre Leistung über die Verwandten, so Physa und Limax agrestis. VII. Über die Mechanik der Schneckenlokomotion. Hat die Annahme Richtigkeit, wonach die Strudelwürmer mit Hilfe der Wimpern an den Flächen im Wasser hingleiten (eine An- nahme, die vielleicht noch der Bestätigung harrt), so wetteiferte eine Planaria lactea, die ich in einer Minute auf dem Glasboden 7 cm zurück- legen sah, an Geschwindigkeit mit den schnellsten Branchiopneusten, die doch unter den Wasserschnecken als die eilfertigsten dastehen. Hier leistete also das Wimperkleid für die Förderung der Körperlast mehr, als die große Sohle, welche den voluminösesten Muskel repräsentirt, den ein Thier im Verhältnis zu seiner Körpergröße haben kann. Überhaupt giebt es wohl nicht ein einziges Wesen in der ganzen Leiter thierischer Geschöpfe, dessen Aufwand an Muskelsubstanz in so ungünstiger Pro- portion stände zu der äußerlich sichtbaren Leistung wie die Schnecken mit ihrem Fuß. Dazu kommt, dass wir die übrigen Muskeln der Schnecken so ruckweise und kräftig wirken sehen, als irgend einen Muskel eines anderen Thieres; man denke an das Einziehen der Pul- monatenfühler oder das Festhalten des Paludinendeckels. Aus diesen Thatsachen folgt mit Bestimmtheit, dass die Art der Verwendung und Anordnung der Muskulatur der Schneckensohle in einer ganz eigenartigen Richtung sich vollziehen müsse, wie denn die Art der Bewegung sich als gleitende allen übrigen lokomotorischen Mitteln streng gegenüberstellt. Ich habe geglaubt schließen zu müssen, dass die Eigenart in der besonderen Auslösung des Muskelreizes und einer dadurch erreichten, gewöhnlicher Kontraktion entgegengesetzten Extension oder Verlängerung zu suchen sei. Es versteht sich von selbst, dass der erste Eindruck, als handele es sich hier um ein Schwellgewebe, vorher zu be- rücksichtigen war. In neuerer Zeit ist SocHAczEwErR wieder auf diesen Modus zurückgekommen, leider ohne sich auf das Einzelne einzulassen, so dass er unter der Wirkung jenes ersten Eindruckes, wie anfangs ich | Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans ete. 49 selbst, gestanden zu haben scheint. Er schreibt (XVI, p. 38, Anm.): »Im Gegensatz zu Sımkoru möchte ich annehmen, dass das durchweg kaver- nöse Gewebe des Fußes nicht bloß zur Unterstützung der sog. extensilen Fasern dient, sondern dass es hauptsächlich die Lokomotion bewirkt. Die Fasern selbst werden durch die einströmende Flüssigkeit gedehnt und wirken erst nach reflektorischem Anreiz treibend auf die dieMaschen anschwellende Blutmenge. Die Wellen, welche über die Sohlenfläche gleiten, könnten dann wohl der Ausdruck der durch periodisch ausgelöste Muskelthätigkeit erzeugten Strömung sein. Näher hierauf einzugehen würde jedoch zu weit führen.« Um zu zeigen, wie bestimmt die hier vorgetragene Ansicht, die auf den ersten Blick viel Bestechendes hat, sich ausschließen lässt, und wie sehr man meiner Meinung nach gezwungen ist, zu der Hypothese der Extension seine Zuflucht zu nehmen, sollen die wichtigsten Beweispunkte hier zusammengestellt und besprochen werden. 4) Die scharfe vordere und hintere Abgrenzung freier Wellen. 2) Der feste Aggregatzustand der Wellen, wie er sich ergiebt: a) aus Schattenbildern, b) aus Schnitten. 3) Das Verhalten des Retraktors beim Cyelostoma. 4) Die Klarheit der Retraktorthätigkeit überhaupt. 5) Der Mangel jeglichen Ausdruckes von seitlicher Verbreiterung oder Verschmälerung. 6) Die stabilen Wellen von Helix. 7) Die Nothwendigkeit kavernöser Struktur der Sohle für das Her- ausbefördern aus der Schale. 1) Sollten die Wellen durch eine unter der Haut nach vorn getrie- bene Flüssigkeit erzeugt werden, so müssten sie nothwendig, namentlich an ihrem vorderen Rande, eine allmählich ausklingende Form haben, wie eine Wasserwelle, bei der man, von oben darauf sehend, weder die vor- dere noch die hintere Grenze zu bezeichnen vermag. Statt dessen sieht man, namentlich deutlich bei einer schwimmenden Succinea, wie die Welle vorn und hinten eine scharfe Grenzlinie besitzt, etwa als wollte man einen schmalen Papierstreifen, von der Größe der Welle, von hinten nach vorn über die Sohle wegschieben. Dieser Modus ist mit einer sub- kutan fortgestoßenen Blutwelle unvereinbar. 2) An vielen Pulmonaten, die man erst frei hält und dann am Glase kriechen lässt, überzeugt man sich leicht aus den Dimensionen der Wellen- breite und der Zwischenräume, dass die dunklen, bewegten Wellen am Glase den erhabenen der freien Sohle entsprechen (und nicht den Zwischen- räumen, wie SOCHACZEWER wohl annimmt). Dass die Substanz, aus der sie bestehen, ein festes Gerinnsel ist, erkennt man zunächst deutlich an Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. JA 50 Heinrich Simroth, dem Mittelfelde des Limax einereoniger, in welchem der Sinus selbst Nerven und Ganglien durchscheinen. Die Bänder geben, wie ich’s ge- nügend beschrieb, dem Lichteinfalle entsprechende Schatten im Innern des Thieres; leider sind gerade die Schatten in der betreffenden Abbil- dung des kriechenden Thieres (XII, Fig. 2) wenig scharf, wenn auch sichtbar, wiedergegeben. b) Noch bestimmter wurde der Beweis, dass die Wellen aus fester Substanz bestehen, bei jenem gehärteten Limax cinereoniger, an dessen Sohle zwei Hauptwellen erhaben fixirt waren, im Abstande zweier Pedal- nerveneinsätze, ebenso wie eine schwächere Welle dazwischen, dem Ab- stand einer zwischenliegenden Kommissur gemäß ! (XIH, Fig. 7, unter 6 als Holzschnitt reprodueirt). Mögen die Schnitte (XII, Fig. 8 und 9) viel- leicht noch Zweifel aufkommen lassen über den Zusammenhang der ge- quollenen Kugeln mit den Muskelfasern, so zeigen sie doch zur Genüge, dass in den Erhabenheiten jede Spur von Bluträumen fehlt, dass sie im Gegentheil durch die dichteste Anhäufung von Muskelsubstanz gebildet werden. | 3) Beim Gyclostoma trifft das Wellenspiel auf der losgelösten Sohlen- hälfte zeitlich zusammen mit der größten Reduktion ihres Volums durch den Retraktor und dadurch zugleich mit der höchsten Blutarmuth. Man kann also schwerlich, während man die verschiedenen kontraktilen Fasern (aus der Haut und den Quersepten) das Blut austreiben sieht, ihnen oder irgend welchen anderen Fasern gleichzeitig eine Verwendung des ent- weichenden Blutes zur Schwellung übertragen. 4) Nicht weniger einleuchtend ist die Funktion aller Muskelfasern, die quer, schräg oder senkrecht durch das Sohlenparenchym ziehen und 1 Es könnte vermessen erscheinen, dass ich auf dieses Präparat nochmals zu- rückkomme. Die Überlegung, wie es entstanden, wird mich hoffentlich rechtferti- gen. Die Schnecken stehen mit ihrer doppelten Muskulatur der Außenwelt völlig anders gegenüber, als sonst irgend ein Thier. Ein Affe, der mit seinen Armen klet- tert, kann sie im nächsten Augenblicke zur Abwehr eines Feindes gebrauchen. Eine Schnecke, die sich aurch irgend welchen Reiz bewogen fühlt, ihren lokomotorischen Apparat in Thätigkeit zu setzen, kann jedem anderen, von außen herantretenden stärkeren Reize nur dadurch begegnen, dass sie das Kriechen einstellt, die dazu be- stimmte Muskulatur völlig ruhen lässt und mit ihrer übrigen sich durch Kontraktion schützt. Damit nun erhabene Wellen fixirt werden, muss die scheinbar widersinnige Kombination eintreten, dass das Thier, durch die tödliche Flüssigkeit bewogen, sich entschließt zu kriechen und Wellen erzeugt, während in demselben Moment ein allgemeiner Retraktorkrampf eintritt, der die Schnecke schrumpfen lässt. In diesem Augenblicke musste nicht nur der Tod, sondern zugleich die Härtung er- folgen, um jenes Präparat zu erzeugen. Gewiss ist die Aussicht gering, einen Aus- druck derartig entgegengeseizter Willensimpulse während des tödlichen Augenblickes fixirt zu erhalten, daher man die seltene Gelegenheit auszukaufen hat. Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 51 ‘ die sich namentlich am Limax cinereoniger, für den SocHAczEWER meine "Angaben bestätigt, entwirren lassen. Sie sämmtlich erweisen sich als ‘kontraktil und bewirken entweder die Verkürzung des gesammten Thieres ‚oder einer Seite, bei Biegungen, oder auch, bei Deckelschnecken, den ' Rückzug ins Haus, oder, beim Limax cinereoniger, das Bergen der weißen \Mittelsohle in der schwarzen. Die Ausführung im Einzelnen gab ich ‘fräher; ich halte für sicher, dass keine von diesen Muskelkategorien ‚etwas für die Lokomotion zu leisten vermag. | 5) Die Lokomotion sowohl durch Schwellgewebe und Blutwellen, ‚wie durch irgend eine schräge oder quere Muskelgruppe wird ausge- ‘schlossen durch den Mangel jeglicher Veränderung der seitlichen Kontu- ren des lokomotorischen Apparates, sei es der ganzen Sohle oder des mittleren Feldes. Wiederum lässt sich der Beweis nirgends so scharf | führen als bei Limax cinereoniger oder Vitrina. Die experimentelle Frei- heit, bei belasteten Gehäuseschnecken die Sohle durch Retraktorfasern beliebig verbreitern und verkürzen zu lassen, ergiebt die Unmöglichkeit, h jenen Mangel an Konturveränderungen in Folge des Wellenspiels etwa \ durch Starrheit der seitlichen Begrenzung zu erklären. 6) Zeigen die Schattenbilder des Limax cinereoniger, zeigen die Schnitte durch erstarrte Wellen desselben Thieres, dass die Wellen aus einer festen Gerinnungsmasse bestehen, so beweisen die stabilen Wellen von Helix pomatia, dass der gerinnende Stoff in Längsbahnen verläuft. , Man gestatte mir, auf dieses durchschlagende Experiment nochmals zu- rückzukommen. Der lokomotorische Apparat wird durch starke Belastung der Schnecke möglichst empfindlich gemacht, so dass jede weitere Ein- ‚ wirkung von außen das Thier zum Herabfallen bringen würde, wenn es nicht durch erneuten kräftigen Willensimpuls auf das lokomotorische Spiel treibend einwirkte und dadurch den Adhäsionsdruck erhöhte. Hier ‚ dient jede Erschütterung, den Einfluss der Pedalnerven auf den loko- ‚ motorischen Apparat mit dem Sympathicus klar zu legen. Fig. IV, I stellt ‚ die Sohle des ruhig kriechenden,, belasteten Thieres dar mit den nach vorn ziehenden Wellen. Jetzt eine Erschütterung, und im Moment ent- steht das Bild der Fig. IV, II. Die Wellen verdoppeln sich, zwischen je zweien tritt eine neue auf. Die ursprüngliche Wellenbreite jedoch sinkt auf die Hälfte herab; dafür erscheint der verschwundene Antheil wieder ‚in den neuen Wellen (st). Diese neuen Wellen bleiben unverrückt an | ihren Stellen, während die alten (b), halbirt, mit früherer Geschwindig- ‚ keit weiterziehen, bis sie über die stabilen (si) hinweggleiten. Dann \ nehmen sie diese mit und ziehen in alter Stärke nach vorn, die stabilen , sind damit verschwunden oder bleiben höchstens als feinste Querlinien ı noch ein Weilchen sichtbar. Ich habe den Versuch zu oft wiederholt, 4* EU LLU> Lui UUr 2 e TE ssieeeeeee ee e eEEEE. en EE zETE 2 nn a 52 Heinrich Simroth, als dass eine Täuschung möglich. Wie will man dieses Phänomen irgend mit Quer- oder Schrägmuskeln in Einklang bringen? Söll: an den: Stellen st ein momentaner Krampf entstehen, wobei von Verkürzung; keine Spur sichtbar? Sollen die übrigen Quermuskeln dabei sich ruhig weiter kon- trahiren? Warum nur die Hälfte? Warum hört der Krampf auf, wenn der nächste Nachschub von Kontraktionen ankommt? Und so viele wei- tere Fragen, deren man nichteine beantworten kann. — Dagegen scheint mir einzig und allein die Erklärung stichhaltig, die ich früher gegeben habe. Die stabilen Wellen (si) bedeuten die Ansatzpunkte eines Fuß- nervenpaares, wo nach der Erschütterung ein neuer Willensimpuls den N N ma Fig. IV. Sohle von Helix: pomatia bei starker Belastung, I, ruhig gleitend, //, im Moment einer Erschütterung. b, bewegliche, st, stabile Wellen. lokomotorischen Apparat trifft (und von: denen beim Anfang jeder Kriech- periode die Wellen ihren Ausgang nehmen); der chemische Nervenreiz bewirkt eine Myosingerinnung. Gleichzeitig werden die schon vorhan- denen Wellen durch den Sympathicus. weiter geleitet. Da aber schon die gewöhnliche Welle bei ruhigem Kriechen das konstante Maß gerinn- baren Myosins: im Bereiche einer Welle (gleich dem Intervall zwischen zweien) bezeichnet (wobei der Rest im Muskelserum gelöst bleibt), so kann. eine neue Gerinnung in Folge des anlangenden Willensimpulses nur entstehen auf Kosten der beweglichen Welle. Allmählich, in kurzer Zeit, lässt der Tonus in: den Pedalnerven. nach‘, und' die stabile: Welle vereinigt sich wieder mit: der beweglichen, die der Sympathicus weiter‘ leitet. Die Erklärung scheint mir so klar und mit allen Muskeltheorien so übereinstimmend‘, dass die Komplikation jener vielen unlösbaren Fragen vor ihr völlig verschwinden muss. Selbstverständlich ist eine Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans etc. 53 solche Balance ‘des zu einer Zeit an einem oder zwei Punkten desselben Distriktes 'konstant geronnenen Myosins nur möglich bei Längsfasern. — Ganz genau dieser Vorstellung entspricht aber das Bild der fixirten Wellen vom Limax ceinereoniger. In si sind die Punkte, wo die gewalt- samen Reize der Pedalnerven ankommen; und hier, ‘wo es ‚sich um einen Todeskampf handelt, erscheinen sie fixirt nicht als Querwelle, sondern die Ansatzpunkte der Nerven heben sich deutlich heraus. Die kleinen Erhabenheiten dazwischen und dahinter entsprechen dem Krampfe von sympathischen Kommissuren. 7) SocHAczEwEr möchte die kavernöse Beschaffenheit der Sohle zur Erzeugung der Wellen benutzen. Kavernös muss die Sohle sein, um nach Kontraktion oder Rückzug ins Haus durch den aus letzterem kommenden Blutstrom in toto ausgebreitet zu werden. Da wir aber die Richtung des Bluistromes beim Schwellen der sich entfaltenden Sohle, von vorn nach hinten, kennen, so dürfen wir sie schwerlich durch dasselbe Blut von hinten nach vorn geschwellt werden lassen, zur Lokomotion. Auch müss- ten irgend welche Vorrichtungen, Muskelanordnungen oder Septen, sich finden lassen, welche das Blut in dem durch Kontraktionen geschwellten Theile zusammenhielten, zum mindesten im Mittelfelde der Limax. Ich glaube sie um so bestimmter leugnen zu dürfen, als mir die den Blut- strom lenkenden Apparate beim kleinen Cyclostoma nicht entgingen : und damit leugne ich das Schwellen durch Kontraktion selbst. Einen guten Einblick in die Sohlenmuskulatur verschafft die äußere Besichtigung von Weinbergschnecken, die eben aus dem Winterschlaf erwachten. Die Sohle ist hier, scheint mir, magerer, ihr Relief wird daher mehr durch Muskelzüge bestimmt, als durch zwischengelagerte Schleimmassen, die wohl im Winter an Stelle des fehlenden Fettes ver- braucht sein mögen; auch ist es nicht durch häufige Schwellung, die vielmehr monatelang völlig ruhte, ausgeglichen und verwischt. An ' einem Thiere, das man vom Kriechen aufhebt, ist die gesammte Sohlen- fläche durch feinste, scharfe Längslinien gezeichnet, ganz parallel, im Abstand von weniger als I mm; nur gegen den Rand hin, der des Kriechens unkundig, fehlen sie. Eine Schnecke aber, die in destillirtem Wasser Kriechversuche macht, meist ohne die Glasfläche zu gewinnen, hat das Welienfeld (Fig. VI, /) in lauter engere und weitere Längsfalten gefurcht; der nicht kriechende Rand bietet die bekannten Querkerben. Kommt darauf ein Moment, wo das Thier den Bewegungsversuch auf- giebt und durch Kontraktion die Sohle längsfaltet, wie zum Rückzug ins Haus, so geht das Bild in Fig. VI, ZJ über, die Längsfurchen treten zurück, die Kerben des Randes dagegen verlängern sich in kräftigen 54 Heinrich Simroth, Querlinien bis zur vertieften Sohlenmitte. Nun kreuzen sich aber die Retraktorbündel unter der Drüse, und ihre Ausstrahlungen nach rechts und links kommen in diesen Querlinien zum Ausdruck, die Kreuzung bewirkt die Längsmulde. Es sind also die Randkerben der kriechenden Sohle Retraktorbündel, deren mediale Verlängerungen durch die sie durchflechtenden lokomotorischen Längsbündel verdeckt werden. Zwi- schen den Extremen der beiden Figuren halten sich die Bilder, welche die Sohle meist bietet; Längsfal- IN] ten, gelegentlich von einer Quer- nn A Ba furche unterbrochen. Schwerlich nal I a ! kann der Beweis klarer sein, dass | ai I ae ann Mn) die Längsfasern die lokomotori- DU schen, die queren die retraktilen N sind. Doch liefert der Zwiespalt, den Dil das destillirte Wasser hervorruft, 1 ll wenn es das Thierauı Flucht treibt, In das gleichzeitig aber durch Kon- ZN N traktion vor der unangenehmen Be- I I | rührung die Haut schützen möchte, einen nicht weniger sicheren Auf- en schluss über die Muskelthätigkeit, Sohlenenden von A nmaNie, in destillittem fallses dem Thier gelingt, an der Glasfläche in die Höhe zu gleiten. Dann nämlich liegt das Wellenfeld dem Glase an und dehnt sich, durch seine Verlängerung das Kriechen bewirkend, die Haut indess hält sich möglichst zusammen, ja der nicht kriechende Sohlenrand steht un- regelmäßig geschrumpft weit von der Fläche ab, dadurch zugleich be- IV U Se a a 2 weisend, dass die kontraktilen Fasern das Blut aus der Sohle entleeren möchten und es sicherlich dabei nicht zum Schwellen verwenden. So glaube ich, durch Erweiterung der Untersuchungen, durchaus in meinem Resultate bestärkt zu werden, dass die Lokomotion der Schnecken nicht auf einem Schwellgewebe des Fußes, sondern dass sie nur auf der Extension von Längsmuskeln beruht. Gegen diese Exten- sion freilich hat SocHaczewzr einen gewichtigen Einwurf erhoben. Ich hatte durch die Gerinnungsexpansion in der Faser eine feste Scheibe entstehen lassen, die sich hinten beständig löst, während sie vorn um die gleiche Myosinmenge wächst. Es kann, fuhr ich fort, die vorn immer neu erzeugte Expansion nur nach vorn wirken und muss die Faser um ihren eigenen Betrag verlängern. »Gegen diese Anschauung, standen. i Die feinen Längslinien sind, wie auch in Fig. VII, durch den Holzschnitt ent- hi Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 55 "sagt SocHA0ZEWER, lässt sich aber wohl einwenden, dass nicht abzusehen ‚ist, wesshalb die Expansion des am vorderen Rande gerinnenden Myo- ‘sins nicht ebensowohl auf die seitlichen Wände der Faser als nach ‘vorn wirken soll, so dass der Zwischenraum zweier auf diese Weise ‚ nach vorn bewegien Scheiben hierdurch eine mehr kugelige Gestalt an- ‚nimmt, d. h. sich kontrahirt. Es ist mir desshalb nicht klar, wie auf ‚ diese Weise eine Dehnung der Faser stattfinden kann, da die Auftreibung der seitlichen Faser- ‚wände ja den Druck nach vorn sehr stark ab- ‚schwächt und vermindert.« SocHAczEwER'S theo- ‘ retisch richtiges Raisonnement lässt sich an ' Fig. VII, I versinnbildlichen. Es sei «a die Stelle, ‚ wo die erste Gerinnung stattfand. Sie sei fort- ‚ geschritten bis 5b, deren starke ‘Striche sie andeuten, es sei ‚also das Myosin hinter b bis a ; wieder gelöst — dann muss ‘ die Expansion, um die sich die ' ganze Eiweißsumme von a bis ‚b vergrößerte, das Faserende c ‚ mit flüssigem oder weichem In- ‚ halt durch allseitig fortgepflanz- ‚ten Druck zur Kugel aufblasen ‚und Verkürzung bewirken. . Gegen diese theoretische Folge- ‘rung kann ich, ohne eine Er- ‚ klärung dafür abzugeben, nichts aufbringen, als die Beobach- tung, dass die Auftreibung nicht geschieht. Ich beziehe | mich auf eine Faser, die ich \ früher selbst bildete, Fig. VII, II (XI, Taf. XIX, Fig. 6). Jeder Verdacht einer unbewussten , Täuschung ist hier ausgeschlos- ‘sen, denn mir lag bei jener Erstlingsarbeit nichts ferner, als an extensile Fasern zu denken. ‚ Ich vermuthe, dass mir bei langem Suchen nach charakteristischen | Faserformen gerade eine lokomotorische Faser aufgestoßen ist, und ‚ gründe diese Vermuthung auf den litterarischen Mangel an Baschrei- ‚ bungen derartig differenzirter Fasern bei den Weichthieren, so wie auf 56 Heinrich Simroth, die durch Farbe und Schatten der Wellen erwiesene Differenzirung der lokomotorischen Muskeln. Sei dem wie ihm wolle, die Stellen «a und b beweisen durch die Trennung der isotropen und anisotropen Substanz, dass hier Gerinnung Statt hat. Das Aufquellen zeigt die Expansion. Dass dadurch keine Spannung des Sarkolemms erzeugt wird, sondern dass die ruhende Faser ihre ursprüngliche Breite behält, lehrt die Zwischenstelle d. Wäre die spannende Wirkung aufs Sarkolemm vor- handen, so müsste die Stelle etwa die Form von Fig. VII, III, d ange- nommen haben. Sie hat’s aber nicht. Diese Thatsache könnte auch durch andere Erfahrungen aus der Muskellehre gestützt werden, durch die Schwierigkeit , losgelöstes Sarkolemm nachzuweisen, durch den ge- schlängelten Verlauf mancher ruhenden Fasern und dergleichen. Zugleich zeigt das Aufquellen der Faserbäuche, wie die knoten- förmige Anschwellung der einzelnen Fibrillen, dass die Gerinnung mit einer Volumzunahme verbunden ist. Denn ohne dieses Geständnis wird man auf jede mechanische Erklärung der Verdickung überhaupt ver- zichten müssen. Über besondere Apparate und Versuche, die Volum- vermehrung experimentell zu beweisen, wage ich, so sehr sie zu folgen scheint, noch nicht zu berichten, wegen der Schwierigkeit, alle Fehler- quellen zu verstopfen. Man wird zugeben, dass die Bäuche der ab- gebildeten Faser zu ihrem einfach gestreckten Verlauf sich verhalten wie die Form eines kontrahirten Wirbelthiermuskels zu der des gestreckten, es scheint also das auf den physikalischen Eigenschaften des Sarko- lemms und der Expansion des gerinnenden Myosins beruhende Wesen der Muskelthätigkeit zu sein, dass sie jedes Mal die aktive Stelle in diese Ausbauchungsform hineintreibt. Hiermit lässt sich die Verschiedenheit der Funktionen der kontraktilen und der extensilen Fasern graphisch darstellen. Der Unterschied zwischen der kontraktilen Muskulatur und der lokomotorischen beruht vor Allem in der sehr verschiedenen Ge- schwindigkeit der Reizleitung oder in der verschiedenen Faserlänge, die gleichzeitig in die Thätigkeit einbezogen wird. Gesetzt den Fall, es seien die starken Linien do und cg die Grenzen einer ruhenden Faser, ihr Ende in bc, die Expansion vermehre das Volum des aktiven Theiles auf das Doppelte, und es werde in dem einen Falle plötzlich die Strecke bo in Aktion versetzt, im andern jedes Mal nur der dritte Theil der Länge, also nach einander Dbf, fk, ko, die Ausbauchung sei jedes Mal dieselbe, also der Bogen bto koncentrisch fi%k (er ist etwas flacher, also ungünstiger gezeichnet): so müsste in jedem Falle die Faser vom Volum dcgo auf das Doppelte adsr (ad—= 2bc) aufschwellen; wie aber die Bäuche bei der successiven Aktion lehren, wird dieser Raum durch die Anschwellungen nicht gefüllt, sondern die schraffirten Stellen . Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 97 bleiben als Restfläche; um den Werth dieser schraffirten Flächen müsste die Faser am freien Ende og sich verlängern. Nicht so im an- deren Falle, wo die ganze Strecke bo gleichzeitig in Aktion tritt. Um so viel, als die beiden Kreisab- schnittte bto und cug die beiden Rechtecke abor und cdsgq an Fläche über- treffen, muss sich der Längsschnitt der Faser vorn verkürzen. Dazwi- schen muss ein Grenz- werth liegen, wo die Ex- pansion weder Verkürzung noch Verlängerung be- wirkt. Nun ist in diesem Beispiele die Expansion offenbar viel zu hoch an- genommen, dafür ist aber in Wirklichkeit die Diffe- renz der Reizgeschwindig- keiten eine vielMal größere; denn in der extensilen Sohlenmuskulatur ist sie nicht größer, als die Ge- schwindigkeit, mit der eine Welle über die Sohle hin- zieht, nämlich 47,6 cm in der Minute in maximo, oder nur 30 bis 40 cm bei größter Leistung, gegen- über der anscheinend _blitzartigen, jedenfalls viel bedeutenderen Geschwin- digkeit, mit der etwa ein Helixfühler sich zurück- zieht, und die von der im Wirbelthiermuskel, etwa 2 Meter in der Sekunde oder 12000 cm in der Mi- pP GL) G RL GEL 77/4] I “ ENTE EEE BR EDER REIFE ÖSETE N BSR BERSTTOS RB TeeIn RE ZU GEFSTSEEER FREE AU) I FORTE KARRIERE d Vz DO ZEZIZEL Eu on : S = | 2 DET zu = Fig. VII. 58 } Heinrich Simroth, nute, kaum übertroffen zu werden scheint. Also dürfte schließlich der eigenthümliche Effekt der Muskelfaserextension lediglich in der Lang- samkeit der Nervenleitung gesucht werden müssen, mit der sie succes- sive die einzelnen Theile der Faser in ir nun und Expansion hineinbezieht. Ist die hier gewonnene Anschauung richtig, so erklärt sie auch ohne Weiteres ein Erfahrungsgesetz, das ich früher (XII, p. 177), auf Deutung noch verzichtend, aus den Tabellen ablas und so formulirte: » Die Körpergeschwindigkeit steigt proportional der Intensität (Farbe und Abgrenzung) und Geschwindigkeit der Wellen bis zu einem gewissen Maximum, bei dessen Überschreitung (Überhastung) sie wiederum ab- nimmt«, mit anderen Worten: bis zu einer gewissen Erregungsge- schwindigkeit steigt der Werth der Expansion, nachher überschreitet er das Maximum und nähert sich der Grenze, wo die Expansion statt Ex- tension Kontraktion bewirkt. Ebenso erhellt aus der vorgetragenen Theorie die geringe Leistung der kräftigen und am höchsten differenzirten lokomotorischen Musku- ‚latur gegenüber der ungleich stärkeren bei der kontraktilen; denn wäh- rend bei dieser die gesammte Expansion in dem einheitlichen Ziele der Verkürzung ihren Ausdruck findet, so zerlegt sie sich bei der extensilen in eine Komponente, welche die Faser verdickt, und eine zweite, welche allein als Rest die Verlängerung bewirkt. Wem aber die Auffassung, es könne die Thätigkeit der gleich ange- legten Faser in entgegengesetzter Richtung sich äußern, noch immer an das Abenteuerliche zu streifen scheint, der darf wohl an das bekannte Experiment am Wirbelthiermuskel verwiesen werden, welcher, belastet und gereizt, sich verkürzt, überlastet aber und gereizt, sich verlängert, welcher also sehr wohl die Möglichkeit einer verschiedenen Reizwirkung zu illustriren vermag. Dass die Extension bei den Schnecken Statt hat, das zeigen die erhabenen Gerinnungswellen bei den Pulmonaten, das zeigt die vor- dere Sohlenverlängerung, das zeigt das kugelförmige Aufquellen der Faserenden bei gehärteten, fixirten Wellen, wo der Kontraktionskrampf der gesammten Haut das Myosin herausgequetscht und aufgetrieben hat. Worin es liegt, dass der ruhende Fasertheil mit dem Sarkolemm durch die Expansion nicht aufgetrieben wird, ob in der Muskelsubstanz, ob im Sarkolemm, das kann nur eine lange Versuchsreihe aufklären. Lei- der wird die Hoffnung, auf diesem Wege der endlichen Lösung des Problems sich zu nähern, in weite Ferne gerückt. Schwerlich wird man Jemandem zumuthen, die extensilen Fasern aus der Prosobranchier- sohle etwa herauszufinden; man müsste sich an die höher entwickelten Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 59 Formen halten, namentlich an die Sohle von Limax. Die macht aber vorläufig jeden experimentellen Eingriff illusorisch durch ihren sym- pathischen Charakter. Wer hat es bis jetzt vermocht, die Peristaltik am Darm der Wirbelthiere, an denen doch die physiologische Technik sich zu ihrer jetzigen Höhe herangebildet hat, auf Befehl des Experimen- tators zur Erscheinung zu zwingen? Und so macht man auch hier, wie so oft, die schmerzliche Erfahrung, dass, je näher man dem Ziele kommt, um so höher das letzte Hindernis sich aufbäumt, über das man hinweg- setzen muss. Es muss bei den jetzigen Beweisen sein Bewenden haben. Und jetzt nochmals die präcise Theorie. Die kavernöse Beschaffen- heit der Sohle leistet für die Bewegung der Schnecken nicht mehr, als dass sie den Fuß schwellt und ausbreitet, gerade wie den Helixfühler. Die ganze bewegende Kraft ist den Längsmuskeln, deren Enden ins Epithel umbiegen, und dem an ihnen äußerst langsam von hinten nach vorn fortgeleiteten Nervenreize zuzuschreiben. Indem damit die Gerinnung nach vorn fortschreitet, kommt ein Theil der Expansion in einer vorderen Dehnung der Faser zum Ausdruck. Ein Maß für die Extension, bis jetzt nur durch den Augenschein taxirt, hat man in der Höhe der Wellen eines freigehaltenen Thieres. Bei der Kontraktion mit viel schnellerer Gerinnung kommt die Expansion in toto durch Ver- kürzung zur Geltung. Viel ungünstiger steht die extensile Faser da, die auch den vollen Werth der Expansion als Arbeit in vorderer Ver- Jängerung ausbeuten würde, wenn das Sarkolemm fest wäre wie ein Flintenlauf. In Wahrheit wird ein großer Theil der Expansion auf seit- liche Verdickung des gerade geronnenen Myosins, und nur eine ge- wisse, vielleicht geringe Komponente auf die vordere Dehnung ver- wandt. Dieses Missverhältnis erklärt die große Verschwendung von Muskelkraft bei der Schneckenlokomotion gegenüber der außerordentlich geringen Leistung. Da das Ende der lokomotorischen Fasern nach unten und vorn ge- richtet ist, so dient ein Theil der Extension zur Erhöhung des Ad- häsionsdruckes, der andere zur Lokomotion. Beim Gyclostoma allein, wo der Adhäsionsdruck der ruhenden Sohlenhälfte durch Blutzufluss in Folge besonderer Anordnung und Ausbildung der kontraktilen Musku- latur geleistet wird, wo die Bewegungshälfte in der Luft sich verlängert, dürften die extensilen Fasern gerade nach vorn gerichtet sein. Und bei ihm allein gelingt es, das Sohlenepithel leicht in toto abzulösen, während es bei den anderen Schnecken innigst mit der Muskulatur zu- sammenhängt. Bei den Wasserschnecken (und beim Cyclostoma) vollzieht sich das Wellenspiel ordnungslos über die ganze Sohle. Bei den Pulmonaten, die 60 Heinrich Simroth, in der Luft die ganze Körperlast zu bewegen haben, ordnet es sich zu regelrechten Querwellen. Außer der Leistung der etwa fünffachen Last- bewegung, wie sie aus den specifischen Gewichten folgt, wird aber der Arbeitswerth dadurch noch besonders gesteigert, denn die Geschwindig- keit wächst fast auf das Dreifache. Wie erklärt sich der Nutzen, der durch die Ordnung erreicht wird? Erstlich nach dem allgemeinen Prin- cip der Arbeitstheilung überhaupt, durch die Einschaltung des sym- pathischen Apparates, kräftigere Wirkung des Stoßes etc., zweitens aber noch vielmehr durch den ‘besonderen Vortheil, dass dadurch die gleitende Reibung fast ganz in die viel günstigere rollende um- gesetzt wird. Bei den Wasserschnecken, wo die Bewegungspunkte durch die ganze Fläche beliebig zerstreut sind, kann die Reibung selbst- verständlich nur eine gleitende sein. Um zu zeigen, welche Punkte der Pulmonatensohle die meiste Reibung zu überwinden haben, braucht man nur Limax cinereoniger sich ins Gedächtnis zurückzurufen. Ein ruhendes Thier an einer senkrechten Glasfläche rutscht allmählich her- unter, eine oder zwei lokomotorische Wellen am Vorderende genügen, um die Rutschbewegung zu sistiren. Hierdurch wird klar, wo der Hauptdruck, das wesentliche Hindernis gegen das Vorwärtsgleiten wie gegen das Rutschen, zu suchen: in den Wellen. Dadurch aber, dass die Welle an ihrem vorderen Rande fortschreitet, indem immer eine neue Querreihe von Druckpunkten sich ihr hinzufügt, bei einer gleichen Wegnahme hinten, wird die Reibung zu einer rollenden, wie bei einem Rade, das mit immer einer neuen Querlinie den Boden berührt. Wenn aber das Rad eine solche Berührungslinie hat, so giebt’s deren in der Pulmonatensohle so viele, als Wellen vorhanden sind. Dabei unterliegt freilich der ruhende Sohlentheil der gleitenden Reibung, aber die kommt kaum in Betracht, da das Körpergewicht von Limax genügt, um sie zu überwinden, während eine Helix von 15 bis 20 g Körpergewicht im Stande ist, durch den Druck der Wellen 100 g Belastung am senk- rechten Glase zu halten. Noch ein anderer Belastungsversuch an derselben Schnecke heischt hier Deutung. Helix kriecht um so schneller, je mehr ihre Sohle ge- dehnt wird; ein Thier, das aus dem Hause konmt, entwickelt eine immer größere Geschwindigkeit, bis das Maximum der Sohlenlänge erreicht ist; dann tritt Gleichmaß ein. Umgekehrt, wenn man das senkrecht kriechende Thier belastet, so verkürzt sich durch die Re- traktorfasern, welche die Schale stärker anziehen, die Sohle, mit ent- sprechender Verbreiterung, wie ich’s früher zeigte (XII). Die Verkür- zung ist proportional der Belastung. Dabei nimmt trotz dem stärksten Wellenspiele die Geschwindigkeit des Thieres stetig ab, sie ist umge- % ’ ‚Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyelostoma elegans etc. 61 | kehrt proportional der Last; die Bewegungskraft setzt sich in Druckkraft "um. Wie kommt das? Wenn die Sohle sich verkürzt durch Retraktor- | wirkung, so muss die lokomotorische Längsfaser, die bei dieser Be- ‚ wegung nicht aktiv betheiligt ist, wegen ihrer vorderen und hinteren ‚ Einpflanzung im Epithel sich im Selber Verhältnis zusammenschieben ‚oder krümmen. Wird aber die Sehne VErKUNZE so muss die Krümmung ‚des Bogens zunehmen, also die Bogenlinie von Fig. IX, / ‘muss in die von Fig. IX, II sich umsetzen (dieBogen sind | nach derselben Fadenlänge gezeichnet). Giebt nun ac ‚und a,c, die gleiche Größe ‚der Expansion an (— es ‚handelt sich nicht um ihre ‚absolute, sondern nur um ‚ihre relative Länge —), oder mit anderen Worten die ‚schräge Stoßkraft, mit der ‘die Welle auf die senkrechte Unterlage wirkt, so muss ‚sich diese Stoßkraft zerlegen 'in zwei Komponenten, die ‚eine, ad, senkrecht zur Unterlage, die Druckkompo- nente, die andere, ae, pa- rallei zur Unterlage, die Be- wegungskomponente. Nun vergleiche man die kleine Druckkomponente ad der freien mit der großen Druck- komponente a,d, der be- lasteten Schnecke, und um- A gekehrt, die große Bewe- gungskomponente «e der freien mit der kleinen Bewegungskomponente a,e, der belasteten Schnecke, und man wird zugeben: die Theorie stimmt mit den Thatsachen überein, vorausgesetzt nur , dass das seit- ‚ liehe Ausweichen des Bogens zu größerer Krümmung durch das: dichte ' Maschennetz der Naehbargewebe: verhindert wird. Um möglichst genau ı mit den Beobachtungen zu rechnen, lehnen sich die Zeichnungen an die 62 Heinrich Simroth, Daten des folgenden Versuches an einer Weinbergsschnecke, die senk- recht am Glase kroch, an. Helix pomatia Frei | Belastet Bwich. 16,2 162 +50 Gr. Ssohlenlanse. warn... 1.2 6 cm Geschwindigkeit. 0... 2... 5,5 | 2,5.» Anzahl der gleichzeitigen Wellen 40 | AU ED Eine kleine Differenz fand allerdings noch statt. Bei Belastung nämlich brauchte eine Welle etwas mehr Zeit (1/, bis 1/,), um über die ganze Sohle zu ziehen, so dass sich die Arbeit etwas langsamer vollzog, dafür nach Obigem um so kräftiger wirkend. Bei noch höherer Bela- stung verkürzt sich die Sohle noch mehr, bis endlich trotz kräftigstem Wellenspiele für die Bewegung gar nichts mehr geleistet wird und das Thier sich noch eine Weile an derselben Stelle hält und dann ins Rut- schen kommt. Wenn man als Probstein für die Richtigkeit einer Annahme die all- seitige Erklärung der Thatsachen, auf die sie Bezug nimmt}, anzusehen hat, so verlasse ich jetzt dieses Kapitel, da mir weder bei der Beob- achtung der lebenden noch der zerschnittenen Thiere eine Erscheinung vorgekommen ist, welche nicht durch die vorgetragene Lehre, und, wie mir scheint, nur durch sie, ihre Lösung fände. VII. Überblick. Die experimentelle Behandlung erstreckte sich auf folgende Gat- tungen: Prosobranchier: Paludina, Bythinia, im Anschluss daran Cyclo- stoma.% Branchiopneusten: Limnaea, Planorbis, Physa. Nackte Pulmonaten : Arion, Limax. Gehäusetragende Pulmonaten: Vitrina, Zonites, Succinea, Helix. Die aufgewandte Summe von Muskelkraft, welche man bei den Schnecken an dem reichen Wellenspiele beobachtet, steht in schroffstem Missverhältnisse zu der geringen lokomotorischen Leistung. jDenn es dürfte sich schwerlich ein anderes Thier finden, welches bei gleicher Menge für die Bewegung in Anspruch genommener Muskelfasern so langsam wäre. In grellem Gegensatze dazu steht die hohe Leistung, die man an anderen Schneckenmuskeln, dem Columellaris, oder dem, wel- cher den Deckel festhält, beobachtet. Dazu besitzt kein anderes Thier die Eigenart der Schneckenbewegung, die gleitende nämlich. Diese -Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyelostoma elegans etc. 63 'Thatsachen lassen sich nur durch eine hohe Eigenart des bewegenden ‘Mechanismus erklären. Zunächst könnte man an ein Schwellen der ‘Sohle denken, das, in gleichmäßigen Pulsationen über den Fuß von hinten nach vorn fortschreitend, ihn vorn stetig verlängerte. Ein sol- ‘cher Schwellakt wird bestimmt ausgeschlossen dadurch, dass die nor- ‘male Sohlenschwellung in umgekehrter Richtung, von vorn nach hin- ‚ten, stattfindet, — dadurch, dass das Wellenspiel beim Gyclostoma ‘zusammentrifft mit dem N der höchsten Blutentleerung der "thätigen Sohlenhälfte, — dadurch, dass als Ausdruck der sich kontra- ‚hirenden Behrrellmäskulätur 6as Spur verkürzter Linien fehlt, — dadurch, dass der Aggregatzustand der erhabenen Welle, wie Schatten- bilder beim Limax und Schnitte durch die fixirten Wellen desselben | Thieres beweisen, nicht der flüssige oder weiche, sondern der feste ist. Es kann also das Wellenspiel, das die Sohle verlängert, nur entstehen | durch die direkte Muskelthätigkeit selbst. Die Betheiligung aller schrägen und queren Muskelfasern an dieser Verlängerung wird zur Unmög- "lichkeit durch den Mangel jeder Veränderung des Seitenkonturs des thätigen Apparates, sei es der ganzen Sohle, oder, was noch schärfer t hervortritt, des weißen Mittelfeldes beim schwarzen Limax cinereoniger, so wie durch die Unzulänglichkeit, bei den stabilen Wellen der be- lasteten Helix das Wandern der Myosingerinnung in der Längsrichtung | zu erklären. | Die Beweise, dass die Sohlenverlängerung durch Längsmuskeln geleistet wird, und wie sie geleistet wird, setzen sich folgendermaßen zusammen: | Die durchsichtige Mittelsohle des Limax cinereoniger zeigt durch \ - Wellensehatten , dass der Aggregatzustand der Wellen fest ist, dass sie | ‚durch dermanng entstehen; dasselbe folgt aus Schnitten dirok fixirte, | erhärtete Wellen. Gilt das bein Limax, so gilt’s auch bei Helix. Und | ‚hier geht aus Versuchen an belasteten, dann erschütterten Thieren her- | vor, dass die neuen Nervenreize in bestinitiiten Querlinien, jedenfalls | den Ausgangspunkten der lokomotorischen Wellen beim Beginne des " Kriechens überhaupt, eine Gerinnung setzen (stabile Wellen), die auf 1 Kosten der sich verschmälernden fortschreitenden Wellen Statt hat. = partielle Verschwinden des Gerinnsels an den bewegten Wellen, ‚um in den stabilen wieder aufzutreten, kann nur in Längsbahnen er- folgen. Sollen Längsfasern die Sohle vorn stetig verlängern, so müssen sie sich selbst verlängern, extensil sein. Dies zu erklären, muss eine ' Expansion, eine Volumzunahme des Gerinnsels im Vorgleiche zu seinem ‚flüssigen oder weichen Zustande bestehen. Die Expansion scheint mir ‚zu folgen: 4) aus dem Auftreten erhabener Wellen an der freigehaltenen 64 Heinrich Simroth, Sohle, also dem Hervortreiben der in das Epithel umbiegenden Faser- enden, 2) aus dem Aufquellen der Muskelfaserenden in fixirten Wellen durch den Gegendruck der Hautkontraktion, 3) aus den ruckweise am Rande jeder ankommenden Welle vorwärts getriebenen Körperchen, Ganglien und Kommissuren, die man in der durchsichtigen Limaxsohle beobachtet, und die ganz wie durch eine geringe Explosion vorwärts geschleudert erscheinen, 4) aus der seitlichen Verdickung. thätiger Muskelfaserstellen und eines kontrahirten Muskels im Allgemeinen. Be- achtet man die Ähnlichkeit eines Gerinnungsbauches an einer gehärte- ten Faser mit einem kontrahirten Muskel, so kann man durch eine einfache Konstruktion beweisen, dass die Expansion einer gewissen Faserstrecke durch das Bestreben des Gerinnsels, die Form des Bauches einzunehmen, zwar zur Kontraktion führen muss, dass aber eine untere Grenze existirt, wo die Kontraktion in Extension übergeht, sobald man nicht die ganze Strecke gleichzeitig erregt werden lässt, sondern nur, schrittweise vorgehend, genügend kleine Theilchen successive in die Aktion einbezieht. Eine solche Differenz in der Leitungsgeschwindigkeit der Muskelerregung besteht aber in hohem Maße; denn während die kontraktile Muskulatur des Retraktors mit der Geschwindigkeit der Wirbelthiere reagirt, wo der Reiz sich mehrere Meter in der Sekunde fortpflanzt, werden die Wellen vorwärts geleitet mit einer maximalen Geschwindigkeit von 48 cm in der Minute. Jene graphische Konstruk- tion zeigt ferner, wie bei der Kontraktion wohl die ganze Expansions- summe in Verkürzung ihren Ausdruck findet, bei der Extension aber ein großer Theil zum Aufbauchen der Faser und nur ein geringer Bruch- theil zur ‚Verlängerung verwandt wird. Hiermit stimmt der geringe Arbeitswerth der lokomotorischen Muskulatur mit ihrem kräftigen Wellenspiele, gegenüber der hohen Leistung einer nach annähernder Schätzung gleich großen kontraktilen Muskelmasse. Die nothwendig ge- steigerte Biegung der ins Epithel eingepflanzten Längsmuskeln bei der durch den Retraktor verkürzten Sohle einer belasteten Helix erklärt ferner die Herabsetzung der Bewegungskomponente zu Gunsten der Druckkomponente, wie denn der Druck in direktem, die Bewegung in umgekehrtem Verhältnisse steht zur Belastung bei gleicher Wellen- thätigkeit. Da bei der gleitenden Reibung kriechender Schneckensohlen der verschiedene Reibungskoefäcient zwischen der Haut und der wechseln- den Substanz der Unterlage einer gleichmäßigen Bewegung ein wesent- liches Hindernis bereiten würde, wird zwischen die Unterlage und die Haut eine mehr oder weniger erhärtende Schleimschicht eingeschaltet und auf ersterer befestigt, so dass jetzt, bei einigermaßen ebenen Flächen, Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 65 nur noch der Reibungskoefficient zwischen der Haut und dem Band als konstanter Faktor in Betracht kommt. Bei Wasserschnecken, Prosobranchiern und Branchiopneu- sten, vollzieht sich das Wellenspiel unregelmäßig über die ganze Sohle, namentlich an den seitlichen und vorderen Theilen. Beim Kriechen an der Fläche ist es nicht wahrzunehmen, wohl aber bei schwimmenden Limnaeen und der Cyclostomasohlenhälfte in der Luft. Die Schleim- drüsen der Branchiopneusten liegen in der gesammiten Sohlenfläche, als dicker Wulst am vorderen und seitlichen Rande. Die Beschaffenheit des Schleimes, der zum Wasser im Verhältnis der Kapillardepression steht, gestattet ihnen zugleich, ihn als Schwimmband zu benutzen und an der Oberfläche zu gleiten (wie unter den Pulmonaten Succinea einen glei- _ chen Gebrauch ihres Schleimbandes gelernt hat). Die Fußnerven strahlen mit einfacher Verzweigung in die Sohle aus. Das unregelmäßige Spiel der Wellen bewirkt nur eine geringe Geschwindigkeit, bei den Proso- branchiern, welche nach Maßgabe des specifischen Gewichtes noch ein Fünftel ihrer Körperlast zu fördern haben, von 2 bis 3 cm in der Minute; bei den Branchiopneusten,, deren specifisches Gewicht durch die Luft der Athemhöhle auf 4 herabgedrückt wird, steigert sie sich auf 7 bis 8 cm. Beim Übergang der Schnecken aufs Land ist die Hauptschwierig- keit die Förderung der gesammten Körperlast und die proportional dem Drucke wachsende gleitende Reibung. Die Schwierigkeit kann auf zwei Wegen gehoben werden, erstens durch Steigerung der Kraft, zweitens durch Beseitigung der Hindernisse, das heißt der Reibung. Der erste Weg ist von den Pulmonaten, der zweite vom Cyclostoma betreten worden. Die Pulmonaten schieben vor Allem zwischen die Fußnerven und die Sohle ein sympathisches Nervennetz mit vielen Ganglien ein, das beim Limax, dessen Mittelsohle allein die lokomotorische ist, durch eine Reihe regelmäßiger Querkommissuren von der Breite dieses Feldes zur höchsten Vollkommenbheit sich steigert. Dadurch werden die Wellen in scharfe Querreihen geordnet, von dem unmittelbaren Einflusse des Willens, der nur Anfang und Ende bestimmen, so wie Beschleunigung erzeugen kann, befreit und können in selbständiger Arbeitsleistung eine größere Kraft entfalten. Zu gleicher Zeit wird die Reibung an den Hauptdruckpunkten, d. h. am vorderen Wellenrande, aus der gleiten- den in die rollende verwandelt, und nur die ruhenden Sohlentheile, deren Druck gegen die Fläche viel geringer, bleiben in unbedeutender sleitender. Bei Belastung kann durch den Bogenverlauf der Fasern, auf Kosten der Geschwindigkeit, ein bedeutender Druck erzielt, größere Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 5 66 Heinrich Simroth, Hindernisse können überwunden werden. Die Drüsen ziehen sich, namentlich deutlich bei der höchsten Arbeitstheilung des Limax, wo die Mittelsohle ganz drüsenfrei ist, in das Innere zurück und werden zu einer großen Schleimdrüse, mit langem Ausführgange, dem Ballen von Sekretionszellen ansitzen. Die Mündung liegt am vorderen Sohlenrande, d. h. da, wo das Schleimband verlängert werden muss. Das zurück- bleibende Schleimband kann Succinea zum Schwimmen, Limax zum Herablassen von Zweigen benutzen. Gycelostoma überwindet die Schwierigkeiten des Landlebens durch ganz andere Mittel, es entwickelt weder ein sympathisches Be- wegungsnervensystem noch ein geordnetes Wellenspiel; aber es be- seitigt die Reibung, das Haupthindernis gegen das Gleiten, dadurch, dass es seine Sohle in zwei Längshälften theilt und nur je eine, wo nicht eine besonders glatte Fläche das Gleiten erleichtert, in der Luft sich verlängern lässt. Gelegentlich hilft der Rüssel saugend mit. Der Adhäsionsdruck, der bei den Pulmonaten durch den schiefen Stoß der Wellen nach vorn und unten erzeugt wird, kommt hier zu Stande durch eine besondere Ausbildung von Quermuskelsepten, welche das aus der erhobenen Hälfte entweichende Blut in die befestigte eintreiben und deren Kontaktfläche vergrößern. Um alle Reibung, auch die gegenseitige der Sohlenhälften,, möglichst zu mindern, sind zunächst zahlreiche Schmierdrüsen in der Sohlenfurche ausgebildet, vor der Sohle aber mündet ein Sack mit eben solchen Drüsen, welchem sich zwei lange tubulöse Schläuche mit je vier blinden Enden und einem ande- ren, wahrscheinlich mehr klebenden Sekrete, anschließen. Durch eine Rinne wird die Entleerung des Sackes zugleich auf die Saugscheibe des Rüssels befördert, wie sie andererseits direkt auf die Sohle herab- fließt. Und sie scheint besonders die Bedeutung zu haben, als Klebstoff die Adhäsion zu erhöhen. So sind die Fußdrüsen der Pulmonaten und des Cyclostoma elegans, welche an gleicher Stelle münden, aber ver- schieden gebaut sind, wohl aus einem ähnlichen physiologischen Be- dürfnis erzeugt, vermuthlich ohne den geringsten morphologischen Zu- sammenhang. Wenn aber Cyclostoma bloß die Hindernisse beseitigt, welche beim Übergange aufs Land das Gleiten erschweren, die treibende Kraft ihres Wellenspieles jedoch nicht ändert, während die Pulmonaten in ganz anderer Richtung, durch weitere Ausbildung der lokomotorischen Wellen und ihrer Nerven die Kraft selber erhöhen, so folgt von selbst, dass Cyclostoma nicht schneller sein kann als eine Wasserschnecke, während die Pulmonaten sich über deren Geschwindigkeit zu erheben vermögen. mn ni En m nn u un Lu LL n Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Oyclostoma elegans etc. 67 Und so kriecht CGyclostoma noch nicht 4 cm weit in der Minute, ein Limax aber, der noch dazu nur sein mittleres Sohlenfeld benutzt, 13 bis 14 cm. Leipzig, den 4. März 1881. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 4. Cyclostoma elegans, geradeaus kriechend, im Begriff, die rechte Sohlen- hälfte zulösen. Vergr. 2:4. Fig. 2. Dasselbe, eine Biegung beschreibend. Fig. 3. Abgeschnittener Fuß des Cyclostoma von unten, auf dem Deckel. Ver- größerung 4:1. Fig. 4. Cyclostoma, aus der Schale genommen, von der rechten Seite; Kopf, Fuß und Deckel schauen aus dem Mantel heraus. Vergr. 2:4. Fig. 5. Rüssel von unten. Vergr. 4:4. Fig. 6. Sohle mit bloßgelegter Furche und Rüssel. Vergr. 2:1. a, Rüssel ; b, Sohlenhälfte; c, durchschimmernder Fußdrüsensack (Mündungsstelle) ; d, die beiden Reihen weißer Schleimdrüsen im Furchengewölbe durch ein Querjoch gleicher Drüsen verbunden. Fig. 7. Pedalganglien mit ihren Nerven, nach zwei Präparaten zusammenge- stellt. Vergr. 35:4. I, Cerebropedalkommissur; II, Visceropedalkommissur ; III, Pedalkommissur; IV, hintere Pedalkommissur ; 4—9, Fußnerven. Fig. 8. Das Hinterende eines weißen Streifens aus der Furche. Vergr. 90:4. Fig. 9. Einige von dessen Schleimdrüsen. Vergr. 300:4. Fig. 40. Untere Hälfte eines Cyclostoma, von der Rüsselspitze bis nahe zum Hinterende von oben her geöffnet. Vergr. 3:4. oe, Ösophagus ; r, Zungenscheide; ph, Schlundkopf; 9.p, Fußganglien ; davor das vordere Ende des Fußdrüsensackes ; a, Deckelmuskulatur; b, Rüsselretraktor ; c, Muskeln, welche die Radula zum Lecken vorstoßen ; 4—4, Quermuskelsepten durch die pedale Leibeshöhle. Fig. 44. Fußdrüse. Vergr. 6:4, Fig. 42. Limnaeensohle, 3 mm lang, mit Nerven. Fig. 43. Vordere Hälfte des iFußnervensystems von Succinea. Bereich dreier Paare von Nervenstämmen. Vergr. 6:4. 5* Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. Von Dr. Philipp Stöhr, Privatdocent und Prosektor in Würzburg. Mit Tafel II und Ill. Einleitung. Die in vorliegender Arbeit enthaltenen Mittheilungen sind der erste Abschnitt von Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte des Kopfskeletes der Anuren und schließen sich eng an meine Unter- suchungen über den Urodelenschädel !, besonders an den ersten Theil derselben, an. Die Intentionen, die mich geleitet haben, sind im Großen und Ganzen dieselben geblieben; von besonderem Interesse war mir diesmal die Frage, ob überhaupt das Aufgehen von Rumpf- wirbeln — die Zahl derselben lag mir zunächst ferner — onlogenetisch nachgewiesen werden könne, eine Frage, die ja eigentlich schon in der Arbeit über den Urodelenschädel eine bejahende Antwort erfahren hatte. Die Art und Weise meiner Darstellung ist dieselbe geblieben. Nur zu häufig findet sich in entwicklungsgeschichtlichen Schriften die Beschreibung des Gefundenen und die daraus erschlossene Annahme des Entwicklungsvorganges_ in einer Weise vermischt, dass es für den Leser oft unmöglich ist, zu entseheiden, wie weit Beschreibung, wie weit Kombination vorliegt. Ich habe ‚desshalb eine strenge Tren- nung eingehalten in der Weise, dass zuerst das Gefundene, dann der vorgestellte Vorgang beschrieben werden; diesem reiht sich eine kurze historische Übersicht, mit Vergleich und Besprechung der Resultate. anderer Autoren an. Dem folgt ein Vergleich der bei Urodelen und i Pa. Sröur, Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. Diese Zeit- schrift. Bd. XXXIH. Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 69 Anuren bestehenden Zustände, mit dem Versuch, das für beide Ord- nungen Gemeinsame zu finden und die bestehenden Verschiedenheiten zu klären. Am Schlusse endlich habe ich einige allgemeinere Betrach- tungen über die Auffassung des Schädels angefügt. Die sehr knappe Form, in welcher diese Betrachtungen wiedergegeben sind, ist eine wohl beabsichtigte. Ich halte es für vorzeitig, andere gegenwärtig herrschende Anschauungen eingehender zu bekämpfen, denn es mangelt noch an zu vielen Punkten das hierzu nöthige Material; die Bei- bringung eines solchen, besonders durch entwicklungsgeschichtliche Studien zu gewinnenden Stoffes habe ich mir zur besonderen Aufgabe gemacht. Leider musste ich meine Absicht, auch die Entwicklung von Petromyzon näher zu verfolgen und zum Vergleich heranzuziehen, wegen Mangel genügend junger Stadien aufgeben. Die Untersuchungsmethoden haben kaum eine Veränderung er- litten; zahlreiche nach verschiedenen Richtungen geführte Schnitt- ‘serien von Embryonen und Larven von Rana temporaria, Hyla, Bufo cinereus, so wie eine kleinere Reihe von Pelobates fuscus, Bombinator igneus und Bufo variabilis sind von mir angefertigt worden; wie früher sind mir Wachsmodelle, von denen eines abgebildet ist, von "wesentlichem Vortheil gewesen; zur Veranschaulichung des Visceral- skeletes habe ich keine Modelle hergestellt, sondern bin einfacher ver- fahren: eine ganze Serie von Horizontalschnitten wurde mit dem 'Zeichenapparat auf geöltes Seidenpapier übertragen; die einzelnen Zeichnungen sorgfältig auf einander geklebt und gegen das Fenster gehalten, lassen die Umrisse des gesammten Visceralskeletes durch- scheinen; die Figuren 7, 8, 9, 44 und 42 sind Pausen solcher Um- risse. Endlich standen mir kleine Skelete zur Verfügung, die mir Frosch- und Unkenlarven anfertigten, und die an Sauberkeit und Voll- ständigkeit nichts zu wünschen übrig lassen !. Schließlich möchte ich ersuchen, auf die Größenangaben der Larven kein zu großes Gewicht zu legen; die Schwankungen der Größe innerlich gleich entwickelter Thiere sind bekanntlich ganz beträchtliche; wenn ich nicht ganz Verzicht auf solche Angaben geleistet habe, so ge- schah es hauptsächlich, um anderen Arbeitern wenigstens einigermaßen Anhaltspunkte zu gewähren. 1 Das Verfahren, das übrigens schon früher bekannt war, ist neuerdings von F. LAraste (Preparation des squelettes delicats in: Guide du Natural. 2 An. No. 4. p. 31—32) eingehender beschrieben worden. 70 Philipp Stöhr, Die Entwicklung des Visceralskeletes. Bevor ich an die Schilderung der Entwicklung der Skelettheile gehe, halte ich es für geboten, Einiges über den feineren Bau der zu beschreibenden Anlagen zu erwähnen. Es liegt nicht in meiner Ab- sicht, hier Beiträge zu Histogenese des Knorpels zu liefern, ich möchte nur die Bilder, unter welchen mir die Skeletanlagen vor Augen ge- treten sind, in Kürze besprechen, um anderen, mit ähnlichen Methoden arbeitenden Beobachtern die Kontrolle meiner Untersuchungen zu er- leichtern. 1) In der allerersten Anlage besteht der Skelettheil aus Zellen, welche dichter stehen, als diejenigen des interstitiellen Bindegewebes, immerhin jedoch so weit von einander entfernt sind, dass stellenweise zwischen je zwei Zellen noch eine Zelle Platz nehmen könnte, ohne ihre Nachbarn zu berühren. Jede dieser Zellen besteht aus einem meist kreisrunden Kerne, der von einer so geringen Menge Protoplasma um- geben ist, dass man selbst noch bei mittelstarken Vergrößerungen (Harrnack, Objekt. VII) nur Kerne vor sich zu haben glaubt. Erst stärkere Vergrößerungen lassen das Protoplasma erkennen, welches in ganz dünner Schicht den Kern umgiebt und an einer Stelle etwas stärker angehäuft ein oder mehrere Dotterplättchen in sich schließt (Fig. 1). Niemals ist das Protoplasma dieser Zellen in lange Spitzen und Fortsätze ausgezogen, so etwa, dass eine spindelförmige Zelle dar- aus resultirte. Solche Formen finden sich in dem die Anlage umgeben- den Gewebe und ist hierdurch ein Unterscheidungsmerkmal für die Skeletanlagen an die Hand gegeben. Eine Verwechslung mit anderen Gewebsanlagen, die sich ebenfalls durch dichte Gruppirung der Kerne kennzeichnen, z. B. mit Muskeln oder mit den von Mundhöhlenepithel ausgekleideten Spalten ist desswegen unmöglich, weil in jener Zeit die genannten Gebilde eine außerordentliche Menge von Dotterplättchen in sich schließen. Die allerersten Skeletanlagen sind somit charakterisirt a) durch dicht stehende Zellen, die einen runden Kern und wenig Protoplasma haben, | b) durch die relative Armuth an Dotterplättchen. | Sie sind, wenn auch nicht scharf umschrieben, doch so deutlich ab- gegrenzt, dass Fragen über Ausdehnung und Zusammenhang mit ziem- licher Sicherheit entschieden werden können. Wenn ich im Verlaufe der Beschreibung von »allerersten oder pri- mitiven Anlagen« oder von »Spuren von Skeletanlagen« rede, so meine ich immer ein Gewebe, welches der sub 4) entworfenen Schilde- rung entspricht. Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 71 2) Weiter entwickelte Skeletanlagen sind von den eben beschrie- benen ziemlich verschieden. Die Kerne zeigen ansehnliche Verschieden- heiten in ihrer Größe, geringere dagegen in ihrer Form, die eine bald rundliche, bald ovale ist, auch sind die Kerne viel näher an einander gerückt. Das zu jedem Kern gehörige Protoplasma ist nicht mehr von dem der Nachbarzelle zu trennen, die Zellgrenzen sind verschwunden, die Kerne liegen in einem kontinuirlichen Protoplasma. Die ganze An- lage hat — man sieht das besonders bei schwachen und mittelstarken Vergrößerungen und nicht allzudünnen Schnitten (1/; mm) — einen bräunlichen Ton, der einestheils den dichter gruppirten, braunen ‚Kernen, anderntheils aber einer leichten Färbung der Grundsubstanz sein Dasein verdankt. Besondere Differenzirungen sind in der Grund- substanz bei dieser Behandlung! nicht nachzuweisen; sie erscheint homogen. Zahlreiche feine Dotterkörnchen sind über die ganze Anlage zerstreut; die meisten derselben sind so klein, dass sie selbst noch bei starken Vergrößerungen als feine Punkte erscheinen. Bei schwachen und mittelstarken Vergrößerungen ist von diesen Gebilden kaum etwas zu sehen. An etwas älteren Anlagen — kurz vor der knorpligen Diffe- renzirung — sind sie vollständig verschwunden (Fig. 2). Die Zahl der größeren Dotterplättchen ist im Verhältnis zu den Anlagen der Muskeln etc. eine äußerst geringe. Die weiter entwickelten Skeletan- lagen sind somit charakterisirt : a) durch eine dichtere Gruppirung der Kerne in kontinuirlichem Protoplasma, b) durch eine bräunliche Färbung des ganzen Sanehsruses c) durch die relative Armuth an Dotterplätichen. Diese drei Eigenschaften zusammen kommen keiner anderen Anlage zu? und ermöglichen in ihrer Gesammtheit die Skeletanlagen ‚als solche zu erkennen. Die Abgrenzung der weiter vorgeschrittenen Skeletanlagen ist durch die bräunliche Färbung eine weit schärfere ge- worden. Wenn ich während des Folgenden von » Anlage« eines Skelet- theiles spreche, habe ich stets das sub 2) näher beschriebene Gewebe im Sinne. 1 Es ist mir nicht gelungen, mit dem von Strasser (»Zur Entwicklung der Extremitätenknorpel bei Salamandern und Tritonen«. Morphol. Jahrb. Bd. V) em- pfohlenen Hämatoxylin entsprechende Färbungen zu erzielen. Wie ich einer freund- lichen Mittheilung Strasser’s entnehme, sind auch seine Versuche bei Anuren nicht mit dem gleichen Erfolge gekrönt worden, wie bei Urodelen. 2 Eine Verwechslung mit Ganglien wäre noch denkbar, doch unterscheiden sich letztere leicht dadurch, dass die Kerne der Ganglienzellen nur ein größeres Körperchen, das Kernkörperchen, enthalten, während sich in den Kernen der Skelet- anlagen zahlreiche kleinere und größere Körnchen finden. 73 Philipp Stöhr, 3) Sobald das Gewebe sich in der Art differenzirt, dass man auch mit mittelstarken Systemen den Kern umgeben von einem hellen Hof, getrennt von einem ähnlich ausgestatteten Nachbarkern durch eine deutliche Scheidewand erkennen kann, sobald ich wieder Zellen und eine deutliche (mit Bismarckbraun sich intensiv färbende) Zwischen- substanz zu unterscheiden im Stande bin, bezeichne ich das Gewebe als Knorpel. Wie aus dem Vorstehenden zu ersehen ist, sind die Anlagen der einzelnen Skeleitheile schon vor der knorpligen Differenzirung gut unterscheidbar und so deutlich umgrenzt, dass man wohl im Stande ist, eine Beschreibung der Form sowohl, wie der gegenseitigen Lage- rungsbeziehungen dieser Gebilde zu liefern. Die Kenntnis dieser frühen »Anlagen« der Skelettheile ist aber für die Beurtheilung der Frage, welche Theile als selbstständig, welche als zusammenhängend betrachtet werden müssen, ganz unentbehrlich. Treten z. B. in einer solchen kontinuirlichen Skeletanlage getrennte Knorpelcentren auf, die auch getrennt bleiben, so berechtigt diese Thatsache keineswegs zur Annahme, dass bei anderen Thieren — sei es nun bei erwachsenen, sei es im Verlauf der Entwicklung derselben — dem entsprechend völlig getrennte Skeletstücke bestanden haben!. Es deutet vielmehr das Vorhandensein eines solchen Verbindungsstreifens zwischen zwei getrennten Knorpellagern auf einen früheren Zusammenhang und bietet somit wichtige Anhaltspunkte, um zu einem richtigen Verständnis der betreffenden Theile zu gelangen. 1 Auch das Auftreten völlig getrennter — also durch keine solche »Anlage« verbundener — Knorpelstücke kann erst dann eine allgemeinere Bedeutung bean- spruchen, wenn die Thatsache durch eine Reihe vergleichend anatomischer und entwicklungsgeschichtlicher Befunde eine Stütze erhält. Sehr belehrend ist in dieser Hinsicht die Entwicklungsgeschichte der eigentlichen Nasenkapseln der Amphibien. Bei den Anuren entstehen dieselben, wie GoETTE (Entwicklungsgesch. der Unke. p. 654) angenommen, und Born (Nasenhöhlen und Thränennasengang der Amphibien. p. 607) nachgewiesen hat, durchaus selbstständig ohne irgend wel- chen Zusammenhang mit den Trabekeln oder von diesen abgeleiteten Theilen, und hat diese Thatsache GoETTE veranlasst, ihnen den Sinnesorganen eigenthüm- liche Knorpelkapseln zuzuschreiben (ibid. p. 366). Born dagegen, welcher gleich- zeitig die Urodelen mit in Untersuchung gezogen und gefunden hatte, dass bei diesen die Nasenkapseln aus den Trabekeln wachsen, zeigte, dass wir in dem iso- lirten Auftreten der Nasenkapseln bei den Anuren einen sekundären Vorgang, her- vorgerufen durch die mächtige Entwicklung der larvalen Kauapparate, zu erblicken haben (l. c. p. 636). 2 Ich stimme hierin Rue (Morphol. Jahrb. VI. Bd.) vollkommen bei, welcher zwischen der knorpligen Anlage des Proc. ensiform. und der achten Rippe einen "Zellstrang gefunden und daraus die Abstammung des Schwertfortsatzes von Rippen geschlossen hat, Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 73 Es wird demnach geboten sein, sowohl den vor der knorpligen ‚ Differenzirung bestehenden Skeletanlagen eine genauere Beachtung zu schenken, als auch beim Auftreten knorpliger Anlagen streng zu be- rücksichtigen, ob dieselben mit anderen Knorpelanlagen durch ein Ge- webe von dem unter 1) und 2) beschriebenen Charakter verbunden sind oder nicht. I. In den jüngsten Stadien lassen sich im Bereiche des Visceral- skeletes an zwei Stellen Spuren von Skeletanlagen erkennen. Die vor- derste erscheint auf dem Querschnitt (Fig. 3) als ein gebogener Strang, welcher den seitlichen und den unteren Umfang der Mundhöhle um- greift. Seine genauere Form ist die eines Halbbogens, der seitlich je einen kurzen, nach außen und unten gerichteten Fortsatz ausschickt. ' Der Halbbogen ist in der Medianlinie geschlossen, doch ist die Haupt- masse der Zellen seitlich gelegen und wird die mediane Verbindung durch verhältnismäßig wenige Elemente hergestellt. Dieses Gebilde ist vor der ersten Kiemenspalte gelegen und stellt die erste Anlage des Meerer’schen Knorpels, so wie des unteren (inneren) Lippenknorpels dar; ein geringer Theil — derjenige, welcher am seitlichen Umfang der Mundhöhle gelegen ist — kann als erste Anlage des Körpers des Quadra- tum angesehen werden. Einige Schnitte weiter hinten trifft man auf die zweite primitive Skeletanlage, welche von der ersten wohl getrennt ist. Auch sie ist unten und seitlich um die Mundhöhle gelagert, ist aber deutlich paarig; sie besteht aus zwei Theilen, die in der ventralen Me- dianlinie nieht vereint sind. Die Lücke, welche die beiden Hälften dieser Anlagen trennt, wird auf den nächst hinteren Schnitten immer größer, die Anlagen selbst werden immer schmäler. Die primitive An- lage des Zungenbeinknorpels — denn diese haben wir vor uns — be- steht demnach aus zwei nach hinten divergirenden und dabei sich ver- jüngenden Stücken. Noch weiter hinten ist nichts mehr wahrzunehmen, was mit Sicherheit als Skeletanlage angesprochen werden könnte. Die eben beschriebenen Anlagen sind in diesem Stadium überhaupt die ein- zigen im ganzen Kopfe, keine Spur von seitlichen Schädelbalken ist zu sehen, die Ghordaspitze ist von spärlichem, völlig indifferentem Gewebe umgeben, welches sich wohl von dem späteren, die dortigen Skeletan- lagen darstellenden Gewebe unterscheidet. Theile des Visceralskeletes sind somit die zuerst auftretenden Skeletgebilde. Vor der Skeletanlage ‚des ersten Visceralbogens, seitlich und vor der Mundhöhle liegt ein Zell- haufen, der in seinem Aussehen eine gewisse Ähnlichkeit mit dem an- derer Skeletanlagen besitzt, jedoch noch zu wenig umschrieben ist, 74 Philipp Stöhr, um als solche jetzt schon aufgeführt zu werden. An jener Stelle liegen später die Oberlippenknorpel. II. Sehr bald darauf — die Weiterentwicklung dieses Embryo dokumentirt sich nur dadurch, dass die Hälften der Zungenbeinanlage in der ventralen Mittellinie verschmolzen sind — sind die ersten Spuren der Balkenanlagen erkennbar, deren genaueres Verhalten beim Granium besprochen werden wird. III. Das nächste Stadium — kurz vor dem Ausschlüpfen — zeigt Folgendes: Deutliche Anlagen des Mecxzer’schen Knorpels und des unteren Lippenknorpels, eben so ist das Quadratum, welches im vorigen | Stadium kaum zu sehen war, vollkommen deutlich zu sehen; es er- scheint auf dem Querschnitt (Fig. 4) so gebogen, dass wir einen senk- rechten medialen, und einen wagerechten lateralen Theil unterschei- den können; letzterer ist der Querschnitt des Quadratbeinknorpels, des Quadratkörpers (Q), welcher mit der Anlage des Meczr’schen Knorpels | eine Masse bildet; der senkrechte Theil (Ppp) ist ein Fortsatz des Quadratkörpers, die Flügeigaumenplatte GorrrE’s (Pterygopalatfortsatz PARKER, querer Gaumenbalken Born), welcher schon in kontinuirlicher Verbindung mit dem auf dem Schnitt gleichfalls sichtbaren Balkenquer- schnitt (Tr) steht. Die Verbindung zwischen Balkenanlage und Anlage des Quadratum muss sehr schnell erfolgen, denn ich habe kein Stadium | gefunden, in welchem das Quadratum deutlicher angelegt, als in Fig. 3, selbstständig, getrennt vom Balken, zu sehen gewesen wäre. Während | nun auf den nächst hinteren Schnitten die Flügelgaumenplatte ver- schwindet, ist am lateralen Ende des Quadratkörpers ein kurzer schräg lateral aufwärts gerichteter Fortsatz zu sehen, der Jochfortsatz GoETTE'S (Orbitalfortsatz, Reicsert und PARKER); er ist wenig deutlich abgegrenzt, am wenigsten medialwärts gegen die Anlage des M. masseter hin. Noch weiter hinten sieht man nur mehr den Querschnitt des Quadratkörpers, der immer undeutlicher werdend verschwindet, ohne die Schädelseiten- wand erreicht zu haben. Die Anlage des Zungenbeinknorpels (Fig.5 H)hat gleichfalls an Festig- keit und scharfer Umgrenzung gewonnen. Die in der ventralen Mittel- linie liegende Abtheilung desselben hat sich etwas gegen die Mundhöhle ' zu gehoben. Die dorsalen Enden der Anlage sind etwas verdickt und liegen dicht unter den hinteren Enden des Quadratbeinknorpels , mit dem sie später an dieser Stelle artikuliren. Noch weiter hinten (Fig. 6) erblickt man die Anlage des ersten Kiemenbogenknorpels; sie ist weniger deutlich umschrieben, wie ihre Vorgänger und besteht aus zwei, in der ventralen Mittellinie nicht zusammenhängenden Stücken. IV. An dieses Stadium schließen sich Befunde, die ich an einer | | | j | & | | Zur Entwicklungsgeschiehte des Anurenschädels. 75 Querschnittserie eines Kopfes von Hyla (Embryo ca. 6 mm) gemacht habe. Jede der Anlagen der drei ersten Visceralbogenknorpel stellte einen die Mundhöhle unten und seitlich umgreifenden Halbbogen dar, der in der ventralen Mittellinie geschlossen war. Vom ersten Visceralbogenknorpel stiegen die Proc. pterygopalatini gerade in die Höhe, um sich mit den entsprechenden Balken zu vereinen. Keine der drei Skeletanlagen der drei Visceralbogen stand mit der anderen in Zusammenhang. V. Vielfache Veränderung zeigen nur wenig ältere Larven. Im Be- reich des ersten Visceralbogens ist eine Verschiebung eingetreten, welche schon in früheren Stadien leicht angedeutet, jetzt entschiedener ausge- sprochen ist; mustert man nämlich eine Serie von Querschnitten, so trifft man zuerst auf den mittleren Theil der Anlage des ersten Visceralbogen- knorpels (also auf denjenigen Abschnitt, welcher später zu den unteren Lippenknorpeln wird), während die Seitentheile (die künftigen MEckEL- schen Knorpel) erst auf weiter hinten geführten Querschnitten sichtbar werden; die Seitentheile des ersten Visceralbogenknorpels sind also gegen das Mittelstück zurückgetreten. Der innige Zusammenhang zwi- schen den Anlagen des Meerzr’schen Knorpels und denen des Quadrat- körpers besteht nicht mehr; man kann einen vorderen, unteren (MEckEL- schenKn.)undeinen hinteren, oberen (Quadratkörper) Theil unterscheiden. Eine bedeutende Gestaltveränderung hat die Anlage des Zungenbeinknor- pels erfahren. Der Querschnitt derselben kann am besten mit zwei schräg liegenden S verglichen werden, die mit ihren oberen Spitzen in der ventralen Mittellinie zusammenhängen. Weitere Schnitte lassen die Seiteniheile dieser Anlage allmählich verschwinden, ein medianes Stück aber bleibt erhalten ; dieses steht mit der Skeletanlage des dritten Vis- ceralbogens in Zusammenhang und ist das spätere Copulare. VI. Während es bis jetzt ein Leichtes war, die vorstehend be- schriebenen Verhältnisse an Querschnitten zu konstatiren, ist es geradezu unmöglich, die weiteren Veränderungen, das Auftreten der Skeletanlagen der übrigen Visceralbogen an gleichen Schnitten zu verfolgen. Die An- lagen des vierten und fünften Visceralbogenknorpels sind nämlich so ge- stellt, dass sie von Querschnitten schräg getroffen werden, und gegen ihre Umgebung, die Anlagen von Muskeln und Gefäßen, so wie gegen das Epithel nur sehr schwer abgegrenzt werden können. Dagegen ge- lingt es durch Kombination einer Reihe von Horizontalschnitten, die wei- teren Entwicklungsphasen des Visceralskeletes genauer zu beobachten. So zeigen Köpfe von 9—40 mm langen Froschlarven Folgendes: Die Skeletanlage des ersten Visceralbogens ist im Mitteltheil nach vorn gerückt, während die mit diesem kontinuirlich verbundenen Seiten- theile weiter nach hinten stehen. Die oben an Querschnitten gemachte 76 Philipp Stöhr, Beobachtung findet somit hier an Horizontalschnitien ihre Bestätigung.‘ Die Anlage des Zungenbeinknorpels (Fig. 7 H) hat auf dem Horizontal- schnitt nahezu dieselbe Gestalt wie auf dem Querschnitt und steht durch eine mediane Fortsetzung nach hinten mit der Skeletanlage des ersten Kiemenbogens Kb! in Verbindung. Diese Anlage ist nahezu quer gestellt, | nur die lateralen Enden sind leicht nach hinten gekrümmt. Dahinter eingeschlossen in die seitliche Masse des vierten Visceral- bogens liegt die kurze, stabförmige Skeletanlage dieses Bogens (Kb2). Ihre Längsachse steht nicht parallel mit dem ersten Kiemenbogenknorpel, sondern konvergirt medialwärts mit diesem. Zwischen den Anlagen des ersten und zweiten Kiemenbogenknorpels besteht kein direkter Zu- sammenhang!, der zweite Kiemenbogenknorpel wird somit selbstständig angelegt. Ihrem Vorgänger ähnlich verhält sich die Anlage des dritten Kiemenbogenknorpels,, ein selbstständig auftretender stabförmiger Ge- webszug, der, etwas kürzer als die vor ihm befindliche Anlage , noch " stärker medialwärts konveregirt. | VII. Ehe es noch zu einer wirklichen Vereinigung der ventralen (medialen) Enden des zweiten und dritten Kiemenbogenknorpels mit dem Mittelstück des ersten kommt, tritt die Anlage des vierten Kiemenbogen- \ ‚knorpels auf; sie ist gleichfalls ein kurzer, lateralwärts leicht konkaver | ‚Stab, der so gerichtet ist, dass er fast sagittal steht. Während also der erste | | eh EEE Kiemenbogenknorpel horizontal gelagert ist, nähern sich die folgenden ' immer mehr der sagittalen Richtung, die schließlich vom vierten Kiemen- \ bogenknorpel nahezu erreicht wird (vgl. Fig.8). Diese Stellung ist, wie es scheint, bedingt durch die Lagerung des Herzens und des von ihm aus- | gehenden arteriellen Gefäßstammes, welche, in der ventralen Mittellinie ' gelegen, eine Vereinigung der Kiemenbogenknorpel daselbst unmöglich | machen. In diesem Stadium ist auch die Anlage des Zungenbeinknorpels | 1 Über das Verhalten der »allerersten Anlagen « des zweiten bis vierten Kiemen- | bogenknorpels sicheren Aufschluss zu geben, ist mir leider unmöglich ; ich habe zu .diesem Zweck eine große Anzahl in verschiedenen Richtungen geschnittener Serien | von Rana temp., Bufo ciner., Hyla und Pelobates auf das genaueste untersucht, ohne | zu einem sicheren Resultat gelangen zu können. Ein an zelligen Elementen reiches | Gewebe erfüllt die Gegend hinter dem ventralen Abschnitt des ersten Kiemenbogens, so dass die Frage, ob die erste Anlage der folgenden Kiemenbogenknorpel eine selbst- ständige sei, oder ob dieselben als Aste des ersten Kiemenbogenknorpels entstünden, ' bei den von mir untersuchten Anuren nicht mit Sicherheit entschieden werden kann. | Einstweilen betrachte ich die betreffenden Skeletanlagen als selbstständige, da die spä- | tere »Anlage« so wie die knorplige Differenzirung seitlich und isolirt auftritt und da ich aus allgemeinen vergleichend-anatomischen Gründen diese Entstehung für die wahrscheinlichere halte, obwohl der Hinblick auf die entsprechenden Vorgänge bei -den Urodelen auch anderen Auffassungen eine gewisse Berechtigung zu verleihen | | scheint. Ich werde später noch einmal auf dieses Thema zurückkommen. Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. IV massiger, als früher ; die ersten Kiemenbogenknorpel haben sich jederseits von der ventralen Mittellinie ansehnlich verdickt. Zwischen MeckeL’schem Knorpel und Quadratkörper ist eine deutliche Spalte aufgetreten. VII. Im nächsten Stadium sind nun zwei weitere Vorgänge zu be- obachten:: vielfache Verbindung der isolirt angelegten Skelettheile und gleichzeitig mit dieser die knorplige Differenzirung. Der Körper des Quadratum ist noch weiter nach hinten und oben gewachsen; seine Richtung ist mit derjenigen der Balken eine nahezu parallele; um den Alisphenoidtheil der Balken zu erreichen, muss er medianwärts umbiegen und man sieht in diesem Stadium dem ent- sprechend, dass das hintere Ende des Quadratkörpers sich fast unter rech- tem Winkel einwärts wendet und die Verbindung mit dem Balken seiner Seiteanstrebt. Dieser rechtwinkligzum Quadratkörper stehende Abschnitt des Quadratum ist Reıcuerr’s oberste Abtheilung des zweiten Visceral- bogens (vgl. Taf. I, Fig. 45 und 16); er wird von GorTTE als Schläfen- flügelknorpel bezeichnet, während ihn Pırker »pedicle« nennt. So lange noch keine knorplige Differenzirung eingetreten ist, besteht auch noch keine Verbindung zwischen Schläfenflügelknorpel und Balken ; dieselbe erfolgt bei Rana temp. und bei Hyla gleichzeitig mit der knorpligen Um- bildung, bei Bufo ciner. hingegen schon vor der knorpligen Differenzirung. Vollzieht sich somit hier eine Verbindung getrennt angelegter Theile, so sieht man andererseits auch eine Sonderung im Gebiete des ersten Visceralbogens auftreten. Mit der knorpligen Differenzirung hat sich der ventrale Mitteltheil des genannten Bogens von den Seitentheilen getrennt und stellt nunmehr die durch mediane Symphyse verbundenen »unteren Lippenknorpel« dar. Der erste Visceralbogen besteht nunmehr jederseits aus drei von einander getrennten Abschnitten, dem unteren Lippenknor- pel, dem Mecrer’schen Knorpel und dem Quadratum ; jedes Quadratum besteht aus einem langen, schräg ab- und vorwärts geneigten Körper und drei von diesem ausgehenden Fortsätzen, dem Orbitalfortsatz vorn und lateral, dem Palatopterygoidfortsatz vorn und medial, dem Schläfen- flügelfortsatz hinten und medial; durch die beiden letzteren steht das Quadratum mit der Schädelseitenwand in kontinuirlicher Verbindung. | Am Zungenbeinknorpel kann man nunmehr leicht zwei Keratohyalia und eine Gopula unterscheiden. Sämmtliche Kiemenbogenanlagen sind in der durch ihre Längsachse angedeuteten Richtung weiter gewachsen und schließen, nahe an der ventralen Mittellinie angekommen, an ihre Vordermänner an. So stößt die Skeletanlage des zweiten Kiemenbogens an den Hinterrand der ersten, die Anlage des dritten Kiemenbogens an die des zweiten. Die knorplige Differenzirung vollzieht sich in derselben Reihenfolge, in welcher wir die einzelnen vorknorpligen Anlagen auftre- 78 ‚Philipp Stöhr, ten sahen; so verknorpeln zuerst Mecker’scher Knorpel, unterer Lippen- knorpel, Quadratum und Zungenbeinknorpel — zuweilen scheint es” sogar, als ob der Zungenbeinknorpel hier etwas vorangehe — dann ver- knorpeln die Skeletanlagen der einzelnen Kiemenbogen und zwar der Reihe nach von vorn nach hinten. Übereinstimmend mit der selbstständi- ' gen »Anlage« der Kiemenbogen ist auch die knorplige Differenzirung der- selben eine selbstständige. Ich besitze eine ganze Reihe von Serien, in denen Kiemenbogen schon seitlich knorplig sind, während die ventrale Ver- | bindung noch durch Gewebe vom Charakter der »Anlage« hergestellt wird. Es muss übrigens bemerkt werden, dass das Auftreten der knorp- ligen Differenzirung nicht immer mit der Vereinigung der Kiemenbogen zusammenfällt; zuweilen vollzieht sich letztere früher, das Kiemenskelet stellt sodann ein zusammenhängendes Ganzes dar, bevor es zu einer knorp- ligen Umbildung der einzelnen Theile gekommen ist. Das ist regelmäßig der Fall bei Hyla. Die Verbindung der Skeletanlagen der Kiemenbogen | erfolgt hier sehr frühzeitig und zugleich in etwas anderer Art und Weise. Horizontalschnitte zeigen nämlich (Fig. 10), dass die Skeletanlagen der drei hinteren Kiemenbogen sich dicht an die epitheliale Begrenzung der betreffenden Spalte haltend in den vorhergehenden Bogen umbiegen, so dass also ein ventrales Mittelfeld frei bleibt. Diese Abweichung ist auch noch an Kiemenskeleten älterer Laubfroschlarven erhalten; Fig. 11 zeigt die ventralen Abschnitte der vier Kiemenbogen; dritter und vierter Kiemen- bogen wenden sich, um den Anschluss zu erreichen, nicht vor- und me- dianwärts, sondern im Gegentheil vor- und lateralwärts. Nach vollendeier knorpliger Differenzirung besteht nicht nur eine " ventrale Verbindung der Kiemenbogen, sondern auch eine dorsale, indem | benachbarte Kiemenbogen bogig in einander übergehen (Fig. 9). IX. Ich schließe diese Untersuchungen mit der Betrachtung des Zungenbeines und des Kiemenbogenskeletes auf der Höhe der knorpligen Entfaltung (Fig. 12). Der Mitteltheil des Zungenbeins ist von den Seiten- theilen, den Keratohyalia, getrennt durch Linien, die bei auffallendem Lichte weiß, bei durchfallendem Lichte dunkel sind; doch besteht hier | nicht Gelenk- und Bandverbindung, wie man vermuthen könnte, sondern die getrennten Theile hängen noch knorplig mit einander zusammen und werden jene Linien nur dadurch verursacht, dass im Bereich derselben der Knorpel kleinzelliger, die Zellen selbst dickwandiger sind. Dieses ' Mittelstück schiebt sich hinten unter dem Kiemenbogenskelet weg und ' läuft in einen runden, !/, mm langen Stiel aus, der frei, ohne Zusammen- hang mit dem Kiemenskelet endet. Es besteht somit auch bei den Anuren ein Urobranchiale. Das Kiemenskelet wird durch eine von hinten nach vorn sich verengende Spalte in eine rechte und linke Hälfte getrennt, Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 79 doch besteht am vordersten Ende der Spalte noch knorpliger Zusammen- hang beider Hälften, der sich histologisch gerade so verhält, wie der oben erwähnte Zusammenhang zwischen Mittelstück und Seitentheilen des Zungenbeins. Sämmtliche Kiemenbogen jeder Seite sind dorsal bogig vereint und treffen ventral zusammen mit einer etwas verbreiterten Platte, welche — wie ein Vergleich mit früheren Stadien lehrt — zum größten Theile von dem ventralen Abschnitte des ersten Kiemenbogenknorpels gebildet wird. Gelenkige oder sonstige Trennung zwischen Bogenspangen und Platte bestehen nicht, die Bogen gehen kontinuirlich in die Platte über; um den Anschluss an dieselbe zu erreichen, müssen die Spangen, da die Platte höher gelegen ist, sich aufwärts biegen !. Reihen wir die in den vorstehenden Seiten gegebenen Schilderungen der einzelnen Stadien an einander und entwerfen uns daraus ein Bild der im Bereich des Visceralskeletes sich abspielenden Entwicklungs- vorgänge, so ergiebt sich Folgendes: Die ersten Skeletanlagen des Anurenkopfes sind: 4) Untere Lippenknorpel, Meeker’scher Knorpel und Quadrata, die zusammenein Continuum bilden; diese Anlage ist unpaar, jedoch verräth die Gruppirung der sie konstituirenden Zellen eine Zusammen- setzung aus zwei Stücken. 2) Die Zungenbeinknorpel, die paarig angelegt werden, alsbald aber in der ventralen Mittellinie verschmelzen. Vom Vorderende des Quadratum entstehen zwei Fortsätze, der laterale Orbitalfortsatz, der mediale Pterygopalatfortsatz, welch’ letzterer sich sehr frühzeitig an seinem oberen Ende mit dem unterdessen aufgetretenen seitlichen Schädelbalken seiner Seite verbindet. Jetzt treten auch die Skeletanlagen der Kiemenbogen auf, welche, einer nach dem anderen, in der Reihenfolge von vorn nach hinten und zwar alle selbstständig und paarig entstehen. Nach einiger Zeit jedoch vereinen sich dieselben in der Weise, dass sowohl dorsal als ven- iral ein Zusammenhang der Kiemenbogenknorpel jeder Seite besteht; dorsal gehen dieselben bogig in einander über, ventral sind es hauptsäch- lich die ventralen Enden der ersten Kiemenbogenknorpel, welche stark verbreitert durch Anschluss der folgenden Kiemenbogenknorpel eine Platte bilden, mit deren vorderem Rande eine vom Zungenbeinknorpel ausgehende mediane Fortsetzung sich verbindet. Während dessen ist der Quadratkörper nach hinten und oben ge- wachsen und schickt sich zur Entwicklung eines dritten Fortsatzes, der Schläfenflügelplatte, an, welcher etwas später sich mit dem Balken seiner !In den halbschematischen Zeichnungen ist dieses Verhalten nicht wiedergegeben. 0 Philipp Stöhr, Seite vereint. An die untere Seite des Quadraikörpers — etwa in der Mitte desselben — legt sich das dorsale Ende des Zungenbeinknorpels an und artikulirt später daselbst. Jetzt erst vollzieht sich die knorplige Differenzirung. "Nach Abschluss derselben ist der erste Visceralbogen jederseits in drei Stücke zerfallen, inneren Lippenknorpel, Mecrer’schen Knorpel und Quadratum; der Zungenbeinbogen in die paarigen Keratohyalia und die unpaare CGopula, welche allmählich ihre Verbindung mit der Kiemenbogenplatte aufgiebt und späterhin einen kurzen Fortsatz nach hinten unter dem Kiemenskelet entstehen lässt (Urobranchiale). Die Kiemenbogenplatte trennt sich in eine rechte und linke Hälfte, die nur ganz vorn mit der der anderen Seite verbunden bleibt. Genauere Angaben über die Entwicklung des Visceralskeletes der Anuren sind in den Arbeiten von Ducis1, REICHERT?, PARKER 3 und GOETTE® zu finden. Dusts’ Beschreibungen des Skeletes beginnen erst zu einer Zeit, in welcher die äußeren Kiemen schon abgeworfen waren (Duszs’ zweites Stadium). Dem entsprechend finden wir die Skeletstücke in ihrer Entwicklung schon ziemlich weit vorgeschritten. Quadratum und Schädelkapsel sind zu einem Stück verschmolzen und stellen die »Gartilage craniofacial« dar. Der Unterkiefer besteht aus vier Stücken: zwei me- dialen »rostrales inferieures« (die unteren Lippenknorpel) und zwei late- ralen »adrostrales inferieures« (die Mecxer’schen Knorpel). Der übrige Theil des Visceralskeletes wird Zungenbeinapparat genannt und besteht aus fünf Stücken, den zwei cornes styloidiennes, zwei pieces ihyroidi- ennes und einem basi-hyal. Ducss hat demnach den Zusammenhang des basi-hyal und der medialen Enden der cornes styloidiennes, welche zu- sammen das Skelet des Zungenbeinbogens bilden (unseren Zungenbein- knorpel) übersehen ; eben so ist ihm die Verbindung zwischen basi-hyal und dem ersten Kiemenbogenknorpel entgangen. Mit»piecesthyroidiennes« bezeichnet Duszs das ganze übrige aus den vier Kiemenbogenknorpeln be- stehende Visceralskelet; durch eine künstliche Trennung in ein mediales ungefenstertes Stück (d. s. die ventralen Enden der vier Kiemenbogen- 1 Duses, Recherches sur l’osteologie et la myologie des Batraciens ä leurs diffe- rens äges. Paris 1834. 2 REICHERT, Vergleichende Entwicklungsgeschichte des Kopfes der nackten Am- phibien, nebst den Bildungsgesetzen des Wirbelthierkopfes im Aligemeinen und seinen hauptsächlichsten Variationen durch die einzelnen Wirbelthierklassen. Königs- berg 1838. 3 PARKER, On the Structure and Development of the Skull of the Common Frog (Rana temporaria L.) in Philosoph. Transact. Vol. 461. London 4874 und On the Structure and Development of the Skull in the Batrachia. Part. II. ibid. Vol. 166. 4877. 4 GOETTE, Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 81 knorpel) und in ein laterales gefenstertes Stück (d. s. die lateralen Ab- schnitte der vier Kiemenbogenknorpel), welche ofienbar in Rücksicht auf die später sich vollziehende Reduktion sämmtlicher Kiemenbogen gewählt worden war, hat sich Dusks der Mögiichkeit einer richtigen Auffassung dieses Skeletabschnittes beraubt; wie nahe Duscks aber einer solchen war, zeigt eine Bemerkung, in welcher er den stärkeren Zusammenhang des ersten Kiemenbogenknorpels mit dem medialen ungefensterten Stück besonders hervorhebt (p. 97). ReıcBert, dessen Skeletuntersuchungen mit früheren Stadien be- ginnen, giebt ganzrichtig an, dass unterer Zwischenkiefer (unterer Lippen- knorpel) und Mecxzr’scher Knorpel fest, ohne gelenkige Verbindung mit einander zusammenhängen; eben so hänge der untere Zwischenkiefer mit dem der anderen Seite zusammen, ohne daselbst ein Gelenk zu bil- den (p. 31). Weiterhin nennt Reıcuerr noch einmal ausdrücklich den unteren Zwischenkiefer »das abazelöste, nur für das Froschlarvenleben so individuell ausgebildete keilförmige Schlussstück des MEcker’schen Knor- pels (p. 32), eine Angabe, die durch meine Untersuchung volle Bestäti- gung findet. Das Quadratum trennt Reıcrerr in zwei Theile, von denen eı: den vorderen dem ersten Visceralbogen, den hinteren Theil dem zwei- ten Visceralbogen zuweist; eine Trennung, die wohl aus vergleichend- anatomischen Rücksichten erfolgte. In dem Folgenden aber ist Reıcherr in der Darstellung der anatomi- schen Verhältnisse fast durchgehends weniger glücklich, aissein Vorgänger Dusts. Zwar hat Reıcnerr richtig den Zusammenhang der »Zungenbein- suspensorien« (cornes styloidiennes D.) mit dem Knorpel des »Zungen- beinkörpers« (basi-hyal) so wie mit dem Kiemenbogenträger (ein Theil der pieces thyroid., die ventralen Abschnitte des ersten Kiemenbogen- korpels) beobachtet, die Darlegung des eigentlichen Kiemenskeletes aber ist eine viel unvollständigere, als die von Duszs. Ein Vergleich der Figuren beider Autoren (Reıcnerrt, Taf. I, Fig. 15 und 16 und Dusis, pl. XII, fig. 75) ergiebt sofort, dass Reichert. Manches falsch, Vieles gar nicht wiedergegeben hat, was um so auffallender erscheinen muss, als REıcHERT die Arbeit von Dusks bekannt war. So viel ich bemerke, hat ReicHErT den ersten Kiemenbogenknorpel fast ganz übersehen, und nur den ven- tralen Theil desselben (den sog. »Kiemenhogenträger«) gezeichnet , den eigentlichen Bogenknorpel aber gar nicht angegeben. Reıcuerr’s erster Kiemenbogen ist in Wirklichkeit der zweite, der zweite ist der dritte, der dritte ist der vierte. Auf den »uneigentlichen vierten Kiemenbogen« werde ich weiter unten zu sprechen kommen. PARKER, welcher den Versuch gemacht hat noch frühere Stadien, als die der eben genannten Beobachter zu untersuchen, hat bei diesem Ver- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVL Bd. 6 82 | Philipp Stöhr, suche Dinge zu Tage gefördert, die mit dem wirklich Bestehenden oft nicht die mindeste Ähnlichkeit haben. Parker hat, neben Versuchen auch den jüngsten Skeletanlagen mit Messer und Pincette beizukommen, eine andere Methode zu Hilfe genom- men, welche leichteren und sichereren Aufschluss zu geben versprach: die Betrachtung nach verschiedenen Richtungen geführter Durchschnitte. Diese Schnitte scheinen jedoch nicht immer die nöthige Beschaffenheit gehabt zu haben, um die Diagnose »Skeletanlage« oder »Knorpel« mit Sicherheit zu fällen; oft scheint es, als wenn jede dichtere Anhäufung zelliger Elemente, sobald es die Lage nur irgend wie zuließ, als Knorpel bezeichnet worden wäre, denn nur so kann es erklärt werden, dass den Augen, welche bei Rana temp. erst gegen Ende des Larvenlebens eine dünne knorplige Umhüllung erhalten, schon frühzeitig eine stattliche Knorpelschale (vgl. op. c. plate IV) zugeschrieben wurde; dass die Ohr- kapseln, welche viel später, als Parker angiebt, verknorpeln, schon im embryonalen Leben eine Knorpelhülle besitzen. Hier waren offenbar Retina und das Epithel der Ohrbläschen für Knorpel angesehen worden. Auch Ganglienquerschnitte mussten als Knorpelanlagen herhalten!. Was Parker als Visceralskelet abbildet, sind nicht allein die Skelettheile der Visceral- bogen, sondern die gesammte Masse der Visceralbogen, von denen nur die Haut abgelöst ist und bei welchen als Grenze der Skeletanlagen, die durch die Spalten gegebenen Grenzen bezeichnet werden; ein Visceral- skelet, wie es Pırker beschreibt und abbildet, giebt es nicht. So sehr ich Pırker’s Bearbeitungen älterer Objekte, bei denen die Skelettheile schon eine größere Festigkeit erlangt haben, meine Bewunderung zolle, so wenig bin ich im Stande, den Untersuchungen jüngerer Stadien einen Werth beizulegen. Eine Vergleichung der Resultate Pırker’s mit den meinen würde in dieser Beziehung fast durchweg zu einer Negirung der Pırker’schen Angaben führen. Beginnen wir desshalb mit einer Wiedergabe und Vergleichung der Parker’schen Beobachtungen aus vorgeschritteneren Stadien. Die Zungen- beinhörner sind durch jungen Knorpel ventral vereint, das Basihyale; ge- meinschaftlich mit dem Basihyale wird das Basibranchiale angelegt, es ist der Schlussstein des ersten und zweiten Kiemenbogenknorpels und enthält das erste und zweite Basibranchiale; eine Deutung, für welche meine Resultate nicht zu sprechen scheinen, welche aber erst dann genauer 1 Vgl. z. B. Frogs Skull, pl. IV, fig. IX hy (Text p. 450), welches offenbar das Ganglion Gasseri, nicht aber das Hyomandibulare ist. Die Existenz eines dem Hyo- mandibulare entsprechenden Stückes, welches Parker in »Frogs Skull« behauptet | und zu schematischen Ausführungen benutzt hat (pl. X), wird in der zweiten Ab- | handlung widerrufen (p. 615). Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 33 besprochen werden kann, wenn das Kiemenskelet der Fische eingehender untersucht sein wird. Etwas später sieht man die vier Branchialia oben und unten vereint und bilden diese unten einePlatte, das Hypobranchiale, welches jederseits mit dem runden ersten Basibranchiale und seinem rudimentären zweiten Segment artikulirt. In dieser Darstellung besteht eine große Ähnlichkeit mit der von Dusks. Auch hier sehen wir eine Trennung in ein gefenstertes Stück (die vier Branchialia) und eine un- gefensterte Platte (das Hypobranchiale) angedeutet. Die weiteren Beob- achtungen Parker’s beziehen sich auf das sich rückbildende Kiemenskelet, das ich später theilweise noch berücksichtigen werde. Eine Abbildung des Kiemenskeletes von der Mundhöhlenseite aus gesehen, findet sich bei PARKER nicht; es scheinen ihm auch keine solche Präparate vorgelegen zu haben, sonst hätte er erkennen müssen, dass die »Hypobranchialia« ohne Vermittlung des »Basibranchiale« ventral vereint sind (vgl. meine Fig. 12 mit PArker's fig. V aufpl. V). PARKER ist der Einzige, welcher die Lippenknorpel selbstständig ent- stehen lässt. In den jüngsten Stadien ist die Entwicklung des Visceralskeletes der Anuren bisher nur von GorTTE beschrieben worden. Auch GoETTE hat gesehen, dass Mecker’sche Knorpel und untere Lippenknorpel ur- sprünglich zusammenhängen und ein solches Verhalten auch abgebildet (Fig. 319). GoETTE hat aber diese Beobachtung, welche die unieren Eippenknorpel somit als Theile des ersten Visceralbogens stempelt und damit die Annahme, dass in denselben etwa Rudimente anderer Visceral- bogen zu erblicken seien, widerlegt, so wenig klar ausgesprochen, dass die Beschreibung p. 638 nichts verräth und nur durch sorgfältige Ver- gleichung mit der Abbildung der wahre Sachverhalt geschlossen werden kann. Das Quadratum als Skelettheil beschreibt GoETTE erst in einem Stadium, in welchem es nahe daran ist, sich mit der Schädelseitenwand durch den Schläfenflügelknorpel zu vereinen!. Ob GorttE eine selbst- ständige Entstehung der Kiemenknorpel gesehen, ist aus seinen Angaben nicht recht zu.erschließen. Ganz unrichtig ist die Darstellung einer ge- sonderten, medianen Copula zwischen den ventralen Enden der ersten Kiemenbogenknorpel; GoEtTE glaubt auch, dass die anderen Kiemenbogen- 1 GoETTE beschreibt einen dicken kurzen Gelenkfortsatz des Quadratum zur Ar- tikulation mit dem Zungenbeinhorn; derselbe findet sich in dieser starken Entwick- lungnur beiBombinator, nicht aber bei den anderen von mir untersuchten Anuren. — pP. 632 bezeichnet GorTTE den Schläfenflügelknorpel als Wurzelstück des Skeletgür- tels desersten äußeren Segmentes (d. i. desersten Visceralbogens); wenn damit gesagt sein soll, dass der Schläfenflügelknorpel sich zuerst anlege, so kann ich mich damit nicht einverstanden erklären, denn der Schläfenflügelknorpel ist gerade der Theil, welcher zuletzt von allen Abschnitten des Quadratum entsteht. 6* 84 Philipp Stöhr, knorpel solche mediane Schlussstücke besitzen und zwar desswegen, weil der sog. Zungenbeinkörper in der Mittellinie eine Reihe flacher runder Vorsprünge aufweise, welche GoetTE als Reste jener Copulae deutet. Ich habe, obwohl es sehr unwahrscheinlich war, dass Bombinator sich in ‚dieser Hinsicht so grundverschieden von den anderen Anuren verhalte, doch denselben darauf hin untersucht und gefunden, dass die Vermuthung GoETTE’S unrichtig ist, und dass Bombinator hierin sich wie die anderen Anuren verhält. Es giebt überhaupt keine gesonderte Copulae, weder zwischen den ventralen Enden der ersten noch denen der folgenden Kiemenbogenknorpel bei den Anuren. Bei erwachsenen Anuren läuft der »Zungenbeinkörper« rück wärts in zwei nach hinten divergirende Stäbe aus, welche zum größten Theil verknöchert sind. Es sind das die sog. hinteren Zungenbeinhörner (Cor- nua thyroidea Duszs). Dieselben wachsen nach Dusks medianwärts von den vierten Kiemenbogenknorpeln aus den ungefensterten Stücken der Pieces thyroidiennes hervor (vgl. p. 96 und pl. XII, fig. 75). Ähnlich lauten die Mitiheilungen Reıcuerr's, welcher die betreffenden Theile die » vierten uneigentlichen Kiemenbogen« nennt (Taf. I, Fig. 16 9). Eben so sind in Bronn’s »Amphibien«! und bei Goertz (Fig. 332) die Gornua thy- roidea als solche Auswüchse des Zungenbeinkörpers erklärt. Gegen diese übereinstimmenden Darstellungen muss ich die Existenz der Gornua thyroidea als besondere Skeletabschnitte in Abrede stellen. Siesind nichts Anderes als die ventralen Enden der vierten Kiemenbogen- knorpel, die zu starker Entwicklung gelangen, während die betreffenden Kiemenbogenknorpel selbst atrophiren. Dieser Schwund erfolgt aber ventrodorsalwärts und so kommt es, dass man zur Zeit der Metamorphose noch einen dorsalen Abschnitt des vierten Kiemenbogenknorpels findet, der mit den Cornua tbyroid. nicht mehr knorplig zusammenhängt, ein Befund, welcher offenbar zu den oben erwähnten irrthümlichen Auf- fassungen Veranlassung gegeben hat. Entwicklungsgeschichte des Cranium. Die ersten Skeletanlagen des Granium entstehen etwas später als ! Bronn’s Klassen und Ordnungen der Amphibien, dargest. v. C. K. HoFFMANKN. Leipzig und Heidelberg 1873—1878. Taf. VII. ? Auch Parker scheint zuähnlichen Resultaten gelangt zu sein; wenigstens lassen seine Abbildungen (Taf. VII, Fig. III und V) entnehmen, dass er dem richtigen Ver- halten sehr nahe gekommen ist. Im Text findet sich bei Parker kein genauerer Hin- weis; es heißt nur (p. 464 Froschschädel) » dritter und vierter Bogen« sind unten ganz frei, (p. 170 ibid.) »der kleine hypobranchiale Sporn« auf jeder Seite ist in ein solides, divergirendes Horn ausgewachsen (hier ist wohl ein Druckfehler; statt hdr soll es th heißen). In GEGENBAUR’S Grundriss 4878 sind die Theile richtig als Reste der Kiemen- bogen bezeichnet. p. 495. Fig. 258. Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädeis. 85 diejenigen der ersten Visceralbogen und fällt die Entstehung der seitlichen Schädelbalken eiwa mit der ventralen Vereinigung der Anlagen der Zungenbeinknorpel zusammen. Auch hier sind die Theile schon vor der knorpligen Differenzirung kenntlich und findet man auf quer zur Längs- achse des Körpers gerichteten Schnittserien Folgendes: I. Ganz vorn bemerkt man zwei Spangen, die nach abwärts und ein- wärts gebogen sind und mit ihren freien Enden so nahe an einander stehen, dass die Entscheidung der Frage, ob nicht etwa die Anlage einen unpaaren, die Mundhöhle vorn umkreisenden Bogen darstelle, Schwierig- keiten bereiten könnte; die Untersuchung horizontaler Schnittserien zeigt jedoch, dass jede Spange frei endet. Diese Spangen, welche auf succes- siven Schnitten erst im Längsschnitt, dann im Schrägschnitt,-endlich im Querschnitt erscheinen, liegen seitlich unten vom Gehirn und haben einen rundlich eckigen Querschnitt; sie divergiren etwas nach hinten, denn der Abstand zwischen beiden Spangenquerschnitten misst (beiHyla) vorn 0,2 mm, hinten dagegen auf Schnitten, welche die N. optici treffen, 0,27 bis 0,3 mm; an dieser Stelle findet man die Spangen verbunden mit den Pterygopalatfortsätzen des Quadratum ; wenige Schnitte dahinter fangen die Spangenquerschnitte an undeutlich zu werden und entziehen sich, ehe sie in der Gegend der Chordaspitze angelangt sind, der sichern Beob- achtung. Die Chorda selbst ist von völlig indifferentem Gewebe umgeben. Dieses Stadium belehrt uns somit, dass die Spangen paarig angelegt werden und dass sie von vorn nach hinten schreitend sich aus dem in- differenten Bildungsgewebe entwickeln. Il. Etwas ältere Larven sind ganz vorn nicht viel verändert, in der Gegend der Nasenhöhlen jedoch sind die Spangenquerschnitte flach ge- worden, von oben und unten her komprimirt, und durch dichte Gewebs- züge mit einander verbunden, der Abstand der beiden Querschnitte von einander ist ein viel geringerer geworden und beträgt nunmehr (bei Hyla) 0,1 mm. Es sind dies die ersten Anfänge zur Bildung einer Internasal- platte, die späterhin durch vollkommene Vereinigung der Balken an jener Stelle zu einem unpaaren Gebilde wird, welcher Akt etwa mit der knorp- ligen Differenzirung zusammenfällt. Jetzt lassen sich die Spangen weiter nach hinten verfolgen, bis zur Chorda, deren Seiten sie anliegen. Auf- fallenderweise sind es nicht die Seitentheile der Chordaspitze, son- dern weiter nach hinten gelegene Partien, an welche sich beide Spangen anlegen (Fig. 13); das vorderste Chordaende bleibt völlig frei und bohrt sich förmlich in den vor ihm liegenden Hirntheil ein. Am stärksten ist dies bei Hyla ausgesprochen (vgl. Fig. 14), bleibt aber nicht dauernd, sondern verschwindet allmählich bei Beginn der knorpligen Differenzi- rung. Das hinter den Spangen liegende Gewebe, welches der Chorda 86 Philipp Stöhr, seitlich anlagert, ist indifferentes Gewebe, welches sich scharf von den Spangenanlagen unterscheiden lässt. In diesem Stadium finden sich am Granium sonst keine weiteren Skeletanlagen. { III. Das nächste Stadium zeigt uns den Beginn der knorpligen Diffe- renzirung. Am vordersten Balkenende tritt dieselbe jederseits in zwei getrennten Lagern auf; ein Knorpelherd nahe der Spitze, ein zweiter etwa 0,4 mm hinter, resp. über ersterem gelegen (Rana mit äußeren Kiemen). Dadurch wird eine Trennung der bis dahin kontinuirlich an- gelegten Skeletstücke angebahnt und zwar jederseits in ein kurzes vor- deres, etwa 0,2 mm langes ab- und einwärts gebogenes Stück, den obe- renLippenknorpel, und in ein längeres bis zur Chorda reichendes hinieres Stück, den eigentlichen seitlichen Schädelbalken. Aber es dauert noch eine gewisse Zeit, ehe es zur Bildung einer Gelenkspalte und damit zu einer vollständigen Trennung kommt; bis dahin besteht zwischen beiden Skeletstücken eine Verbindung durch dicht gedrängte Zellen, deren spärliche Grundsubstanz kontinuirlich in die diesseits und jenseits befind- liche Knorpelgrundsubstanz übergeht. Dieoberen Lippenknorpel entstehen somit durch Ab- schnürung von den Balkenanlagen und dokumentiren sich hierdurch als vorderste ‚Abschnitte der seitlichen Schädelbalken. Die Internasalplatte ist nahe daran, sich zu einem unpaaren Ge- bilde umzugestalten. An der Verbindungsstelle der Balken mit den Pa- latopterygoidfortsätzen des Quadratum sind die Balkenquerschnitte mehr dreieckig geworden, die lange Seite des Dreieckes ist nach oben und medianwärts gekehrt, so dass wir hier eine, wenn auch niedrige, so doch vollkommen deutliche Schädelseitenwand vor uns haben; gleich hinter der genannten Verbindungsstelle werden die Balkenquerschnitte wieder rund, welche Form sie beibehalten bis kurz vor der Chordaspitze, wo auf einmal die Querschnitte rasch an Höhe zunehmen und so jederseits eine stattliche Schädelseitenwand bilden, mit deren hinterem Außenrand der entsprechende Schläfenflügelknorpel nun in Verbindung tritt. Gleich darauf fallen die Wände ab und nun sind die Querschnitte in die Breite gezogene niedrige Platten, welche nach hinten an Breite allmählich ab- nehmend aufhören. Diese Platten liegen zu beiden Seiten der Chorda und stehen weder vor der Chordaspitze, noch unter oder über dieser mit einander in Verbindung. Die Balkenplatten sind somit paarig. Hinter den Balkenplatten sind schmale Gewebszüge bemerkbar, welche von den Chordaseiten lateralwärts ziehend die Ohrkapseln von unten her umgreifen. Dieses Gewebe besteht aus spindelförmigen oder rundlichen Zellen Zur Entwicklungszeschichte des Anurenschädels. 87 mit ovalen oder runden Kernen (vgl. Fig. 16 lateral von mo) und ver- knorpelt direkt ohne vorknorplige Stadien, wie Visceralskelet und Balken, zu durchlaufen. Es kommt in diesem Gewebe also nicht zu einer dichteren Gruppirung der Elemente, sondern die intercellulare Substanz wird plötzlich in hyaline Knorpelmasse umgewandelt. IV. Man kann in der ersten Zeit der Verknorpelung dieses Gewebes die von den Balken stammenden Abschnitte leicht von diesem Gewebe trennen. Die Elemente der Balkenknorpel sind groß, stehen dicht neben einander, die zwischen ihnen befindliche Grundsubstanz ist eine spär- liche, durch Bismarckbraun stärker gefärbte (Fig. 15), die Elemente des mesotischen Gewebes, wie ich es nennen will, dagegen sind bedeutend kleiner, die Zwischensubstanz ist reichlich vorhanden, nur blassbraun gefärbt (Fig. 16und 17). BeideKnorpelarten stoßen dicht an einander; wäh- rend jede Balkenplatte spitz nach hinten ausläuft und in einem schmalen Streifen endet, welcher der Chorda anliegt, sendet das mesotische Ge- webe nach vorn zwei Streifen aus, welche die sich verjüngenden Balken- platten seitlich umfassen ; hinten, etwa von der Mitte der Ohrkapseln an, bildet der mesotische Knorpel die einzige, der Ghorda direkt anliegende Hülle. Auf diese Weise kommt ein Paar neben der Chorda liegender Knorpelplatten zu Stande, deren jede vorn aus der Balkenplatte, dahinter aus dem mesotischen Knorpel besteht, welch beide, ohne durch Bindege- webe getrennt zu sein, einander dicht anliegen und an den Berührungs- punkten in einander übergehen (vgl. Fig. 18). Meine Bemühungen, die beiden Knorpelarten in einem gewissen Stadium vollständig von einander getrennt zu finden, etwa so wie man z. B. die knorpligen Balkenplatten und die Oceipitalbogen bei Urodelen getrennt findet, also ohne Übergänge vermittelnde Gewebszüge, waren von keinem Erfolge gekrönt. Immer liegen trabekulare und mesotische Knorpel einander sehr nahe und hängen, freilich im Anfang nur durch minimale Knorpelstränge, mit einander zusammen. Trotz dieses ständigen Zusammenhängens glaube ich doch, dass jedem der beiden Knorpel ein selbstständiger Ursprung zugeschrieben werden muss, denn es lässt sich Nichts auffinden, was dafür spräche, dass jene mesotischen Knorpel nur die nach hinten wachsenden Balkenknorpel seien; niemals habe ich eine allmähliche, vom Rande der Balkenknorpel nach hinten zu schreitende Verknorpelung bemerkt. Stadien, welche eben den Beginn der knorpligen Differenzirung des mesotischen Gewebes erkennen lassen, zeigen, dass die Hauptmasse des schon differenzirten Gewebes weiter hinten gelegen ist, während nach vorn, da, wo beide Knorpel zusammenstoßen, die Differenzirung noch eine äußerst spärliche ist. Dickenmessungen einer im Ganzen 0,35 mm langen Basalplatte zeigten, dass vorn in der 83 Philipp Stöhr, Nähe der Chordaspitze die Platte 0,08 mn, 0,15 mm, weiter hinten die- selbe 0,02 mm dick war, endlich hinten, 0,42 mm hinter der dünnsten Stelle die Platte wieder zu einer Dicke von 0,07 mm anschwoll. Bei einer zweiten etwas älteren Larve war an einer 0,6 mm langen Basalplatte diese vorn 0,08 mm dick, 0,15 mm weiter hinten 0,04 mm dick und endlich hinten, 0,3 mm hinter dieser Stelle, war die Platte jetzt fast 0,1 mm dick geworden. Ein Vergleich bei der Messung ergiebt zugleich, dass die Balken- knorpel sich während dieser Zeit nicht verändert, die mesotischen Knorpel dagegen an Länge und Dicke zugenommen hatten. Zur Illustra- tion des Erwähnten mögen die Abbildungen dreier Schnitte des Kopfes einer Ranalarve dienen, die etwas älter war, als diejenige, nach welcher das Modell angefertigt wurde (vgl. Fig. 15, 16 und 17). Die mesotischen Knorpel stellen also jederseits eine vorn sehr dünne, hinten an Mächtigkeit zunehmende Platte dar, welche seitlich allmählich in das noch nicht verknorpelte Gewebe übergeht, nach hinten dagegen etwas rascher sich’ verliert.. Dicht hinter der dicksten Stelle der Platte weichen die Knorpel auseinander und machen so den Muskelsegmenten, die daselbst der Ghorda dicht anliegen, Platz. Dasselbe Stadium, welches die beginnende knorplige Differenzirung. des mesotischen Gewebes zeigt, lässt uns auch die ersten Spuren einer Verknorplung der Ohrkapseln erkennen. Wie oben erwähnt zieht sich das mesotische Gewebe immer dünner werdend auch um den unteren und äußeren Umfang der Ohrkapseln, diese gleichsam mit einem häuti- gen Überzug versehend. In diesem Überzuge nun kommt es zur Bil- dung einer geringen Anzahl von Knorpelzellen, die, in einfacher Lage am lateralen Umfang der Ohrkapseln gelegen, weder mit dem Balkenknorpel, noch mit dem mesotischen Knorpel in direkter Verbindung stehen. Die Ohrkapseln verknorpeln sonach auch bei den Änuren selbstständig, doch möchte ich im Hinblick auf den eben erwähnten, wenn auch nicht knorp- ligen, so doch deutlich erkennbaren Zusammenhang die Ohrknorpel als Theile des mesotischen Gewebes betrachten. Von der Anlage eines Occi- pitalbogens ist in diesem Stadium wenig zu beobachten; ein undeutlich abgegrenzter Haufen kleiner Zellen liegt am äußeren, oberen Umfang der Ehorda, in dem Winkel, den die oben seitlich von der Chorda etwas ab- stehenden Muskeln frei lassen. V. Bei etwas älteren Larven sind die Unterschiede zwischen Balken- knorpel und mesotischem Knorpel bis auf geringe Unterschiede (die Balkenknorpelzellen sind noch etwas größer) verschwunden; der Knorpel hat nun überall die für Anuren charakteristische Beschaffenheit, diegegen- über den Zellen so äußerst spärliche Grundsubstanz, angenommen. Die Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädeis. 33 Wandungen der Ohrkapseln sind in größerem Umfange verknorpelt; häutig sind noch die mediale Wand, eine Stelle an der oberen Wand und eine kleinere Stelle am unteren Umfang. (die fenestra ovalis). Mesotischer Knorpel und Ohrkapsel sind nun knorplig verbunden. Die Muskelseg- mente des Kopfes haben sich bis auf unbedeutende Reste zurückgebildet; an deren Stelle ist jederseits die früher mehr lateral und unten gelegene Art. verlebralis gerückt, so wie dünne Züge noch nicht verknorpelten Ge- webes, welches die hintere Fortsetzung des mesotischen Knorpels darstellt. Dieses Gewebe wird nach hinten allmählich massiger und hängt mit der Anlage des Occipitalbogens zusammen, die jetzt — wenn auch noch nicht knorplig. differenzirt — doch durch etwas dichtere Gruppirung der sie konstituirenden Elemente vollkommen deutlich zu erkennen ist; zwei mit breiter Basis am oberen seitlichen Umfang der Chorda aufsitzende Halbbogen, die sich verjüngend etwa den halben Umfang des Central- nervensystems umgreifen. Die Anlage ist paarig. In diesem Zustand verharrt die genannte Anlage geraume Zeit. VI. Unterdessen vereinigen sich die Balkenplatten vor der Chorda- spitze, umwachsen dieselbe oben und unten, die Chordaspitze selbst bildet sich zurück, die Ohrkapseln verknorpeln in bedeutendem Umfange, die obere Lücke hat sich geschlossen, eine mediale Wand ist aufgetreten, der gesammte Schädel hat an Festigkeit und Dicke bedeutend zugenom- men, auch an der Wirbelsäule sind schon knorplige Bogen wahrzunehmen ; dann erst, beginnt eine allmähliche knorplige Differenzirung der Oceipi- talbogen. Vorstehender Beschreibung sind die anatomischen Befunde bei Rana temporaria zu Grunde gelegt. Es besteht nun bei den verschiedenen Anuren selbst in diesen frühen Stadien keineswegs eine vollkommene Übereinstimmung in Gestalt und Lagerung der Skeleitheile. Die auf- fallendsten Verschiedenheiten mögen hier noch Erwähnung finden. Bei Pelobates und bei Hyla treien die medialen Enden der oberen Lippenknorpel zuweilen mit einander in knorplige Verbindung, so dass alsdann ein unpaarer oberer Lippenknorpel vorhanden ist. Das Band, welches die Spitze des Proc. orbital. des Quadratum mit dem lateralen Rand der Internasalplatte verbindet, wird bei Pelobates durch eine Knorpelspange ersetzt, so dass die Mm. tempor. und masset. an jener Stelle von einem Knorpelring allseitig umschlossen sind. Dieser Knorpel tritt später auf, als Proc. orbital. und Internasalplatte, und ist als eine sekundäre Bildung zu betrachten. Sehr verschieden ist die Stellung und Höhe der krorpligen Schädei- seitenwand da, wo der Schläfenflügelknorpel mit ihr in Verbindung tritt. - Am höchsten und der vertikalen Richtung am nächsten steht die 90 Philipp Stöhr, Schädelseitenwand von Rana temporar. Ihr oberer Rand ist lateralwärts gewendet und tritt daselbst unter rechtem Winkel mit dem Schläfen- flügelknorpel in Verbindung (Fig. 19). Ähnlich in derRichtung verhältsich die Schädelseitenwand bei Peloba- tes, nur ist sie nicht so hoch, dafür aber dicker, wie bei Rana temp. Bei Bufo cinereus steht die Schädelseitenwand in einem Winkel von etwa 25° zur Horizontalen und ist dabei so nach hinten gewendet, dass die Verbindung mit dem Schläfenflügelknorpel nicht auf einem (feinen) Querschnitt zu beobachten ist. Hier fällt es schwer zu sagen, wo Schädel- seitenwand aufhört und Schläfenflügelknorpel anfängt (Fig. 20). Bei Hyla endlich kann von einer Schädelseitenwand eigentlich gar keine Rede sein; die lateralen Ränder der Balkenplatten sind kaum merklich aufwärts gebogen und hängen daselbst mit den Schläfenflügel- knorpeln zusammen (Fig. 21). Wie oben erwähnt, tritt eine knorplige Vereinigung der Balkenplatten ‘unter einander bei Rana tempor. in der Weise ein, dass dieselben vor der CGhordaspitze und dann sowohl über wie unter derselben zusammen- fließen. Die Chordaspitze wird also allseitig von Knorpel umgeben. Ähn- lich scheint es sich bei Pelobates zu verhalten, von dem ich nur wenige Exemplare darauf hin untersucht habe. | Bei Bufo ciner. vereinen sich die Balkenplatten durch eine dicke Kommissur zuerst unter der Chorda und dann vor derselben, die obere Seite bleibt frei. Umgekehrt ist es bei Hyla, wo stets zuerst eine Vereini- gung der Platten über der Chordaspitze und dann vor derselben erfolgt. Dieses Verhalten findet sich nur im Bereich der Balkenplatten aus- geprägt; in den hintersten Abschnitten der Schädelbasis ist nichts davon zu bemerken. Mit der zunehmenden Rückbildung der Chordaspitze gehen die für die einzelnen Familien so charakteristischen Verhältnisse allmählich gänzlich verloren. Fassen wir das in den einzelnen Stadien Geschilderte wieder kurz zusammen, so ergiebt sich, dass seitliche Balken und obere Lippenknor- pel in continuo jederseits als eine von vorn nach hinten ziehende, im Ganzen cylindrische Spange angelegt wird, die allmählich den Seiten- rand der Chorda erreichend sich an diese lagert; dabei verbreitert sich jederseits der Balken und bildet eine Platte, die Balkenplatte, welche, rechtwinklig dreieckig, mit dem rechten Winkel nahe dem vorderen Chordaende gelegen ist. Weder Balken, noch Balkenplatten stehen unter einander in Zusammenhang, es sind paarige Gebilde. Mit den Balken setzt sich das Quadratum an zwei Stellen in Verbin- dung; sehr frühzeitig vorn seitlich vermittelst des Proc. pterygopalatin., etwas später hinten seitlich durch den sog. Schläfenflügelknorpel. Da- Zur Entwicklungsgeschiehte des Anurenschädels. 91 durch wird ein von dem Balken und dem Quadratum umfasster Raum gebildet, das »suboculare Fenster«. Um diese Zeit erfolgt die knorplige Differenzirung, mit welcher zugleich eine Trennung der oberen Lippen- knorpel von den seitlichen Balken eingeleitet wird. Nun beginnt auch der mittlere Theil der hinteren Schädelbasis sich knorplig zu differenzi- ren, indem seitlich von der Chorda zwischen den Ohrblasen eine paarige, der Chorda dicht anliegende Gruppe von Knorpelzellen (mesotischer Knorpel) auftritt, welche nach vorn sich verschmälernd an die hinteren Enden der Balkenplatten stößt und seitlich auslaufend in den noch nicht differenzirten Überzug der Ohrkapseln übergeht, in welchem bald darauf selbstständig Knorpelzellen sich bilden. Der hinterste Abschnitt der hin- teren Schädelbasis bleibt einstweilen noch indifferent; erst spät, nachdem die Balkenplatten schon unpaar geworden sind und an der Chordaspitze regressive Veränderungen begonnen haben, entsteht mit dem Schwunde der Muskelsegmente die paarige, allmählich sich konsolidirende Anlage des Occipitalbogens, die langsam verknorpelnd in geweblicher Verbindung mit dem mesotischen Knorpel steht. Es bestehen somit an der hinteren Schädelbasis zu gewissen Zeiten drei dickere, paarige Knorpellager, die zu keiner Zeit vollkommen von einander getrennt, vielmehr durch dünnere Knorpelzüge verbunden sind. Danach lassen sich daselbst drei paarige Abschnitte unterscheiden. Vorn die Balkenplatten, in der Mitte die mesotischen Knorpel und hinten die Anlagen der Occipitalbogen. Die drei Abschnitte entstehen in der ge- nannten Reihenfolge; der dritte erst nachdem sich der erste und zweite so vollkommen vereint haben, dass zwischen ihnen keine deutliche Grenze mehr zu ziehen ist. Sie bilden zusammen die Basalplatte, die nur vorn unpaar, hinten dagegen paarig zu den Seiten der Chorda gelegen ist. Die über die jungen Skeletanlagen des Anurenschädels vorhandene Litteratur ist nur eine spärliche. Die Abhandlung von Dusis beschreibt schon zu weit entwickelte Stadien um hier Vergleiche zuzulassen ; das Gleiche ist auch bei Reıcnerr der Fall, obwohl derselbe frühere Stadien als Duczs untersucht und eine selbstständige Entwicklung der Ohrkapseln festgestellt hatte. Nach Parker sind bei Froschembryonen die Balken zu- erst eine dichte Ansammlung von Mesoblast an den Seiten der Chorda. Da- hinter liegen die »Parachordalia«!, die weniger scharf abgegrenzt sind. Die Ohrkapseln sind im Begriff zu verknorpeln; die Oberlippenknorpel 1 Mit diesem Namen bezeichnet PArkzr die hinter den Balken zur Seite der Chorda gelegenen Skeletabschnitte ; mein »mesotisches Gewebe« ist nur ein Theil und zwar der vordere der Parachordalia ; der hintere Theil derselben ist eine spätere Bildung, welche durch Auswachsen des Basaltheils der Oceipitalbogen entsteht. Vgl. meine Arbeit über den Urodelenschädel. 92 - Philipp Stöhr, sind zwei körnchenförmige Stücke, die unter den vorderen Balkenenden liegen. Alle die genannten Theile, so wie die Visceralbogen sind von ein- ander getrennt; auch die Palatopterygoidverbindung des Quadratum mit dem Balken ist noch nicht wahrzunehmen. Diesen Angaben mich anzu- schließen bin ich nicht im Stande, vielmehr sehe ich mich gezwungen, in jedem Punkte PArker zu widersprechen. Die Balken entstehen zuerst ganz vorn und erreichen caudalwärts wachsend erst später die Chorda. Die Oberlippenknorpel sind nicht selbstständige Stücke, sondern die vordersten Balkenabschnitte; über die Ohrkapseln habe ich mich schon oben ausge- sprochen; endlich kann ich die selbstständige Entwicklung der Parachor- dalia und die völlig gewebliche Trennung derselben von den Balken (resp. den Balkenplatten) nicht bestätigen, so erwünscht mir auch ein solcher Befund gewesen wäre. Ob Parker den Palatopterygoidfortsatz wirklich noch getrennt von dem Balken gesehen hat, ist mir sehr zweifelhaft. Die Trennung besteht nur sehr kurze Zeit, und da sind die Gewebe noch so wenig differenzirt, dass selbst feinere mikroskopische Präparate noch Zweifel übrig lassen, ob man hier schon überhaupt von einem Quadra- tum sprechen kann (vgl. Fig. 3). Auch den folgenden Angaben Parker’s über eben ausgeschlüpfte Larven kann ich nicht beipflichten. Das betrifft besonders die Darstel- lungen über die Ohrkapseln, welche schon vollkommen verknorpelt auch jetzt noch von den übrigen knorpligen Elementen scharf getrennt sein sollen. Es ist‘ ja richtig, dass ein isolirtes Knorpelzellenlager am lateralen Umfang der Ohrkapseln auftritt, die Verbindung mit dem mesotischen Knorpel wird aber bald hergestellt, viel eher als es zu einer Bildung eines Knorpeldaches der Ohrkapsel kommt, von einer medialen Knorpelwand, die noch später entsteht, gar nicht zu reden. Eben so ist die Angabe über die Entstehung der fenestra ovalis durch Dehiscenz unrichtig; die fenestra ovalis entsteht vielmehr — gerade wie bei den Urodelen — dadurch, dass die knorplige Differenzirung der häutigen Ohrkapsel an einer Stelle aus- setzt; das ovaleFenster istalso von vorn herein als eineLücke vorhanden. Untersuchungen der frühesten Stadien sind nur von GoETTE (Unke) vorhanden. Die Balken sind danach zuerst Ansammlungen von Dotter- bildungszellen in das interstitielle Bildungsgewebe zu beiden Seiten der Chorda, und wachsen durch fortdauernde Anlagerung neuer Elemente jederseits zueiner Spange aus. GoOETTE behauptet also dasselbe wie Parker, ein Irrthum, der nur möglich ist, wenn man unterlässt Schnittserien zu untersuchen. Solche ergeben stets, es mögen horizontale oder transver- sale sein, dass die Balken zuerst vorn deutlich werden und erst später alimählich rückwärts wachsend die Seiten der Ghordaspitze erreichen. Die genannte Ansammlung soll dann auch nach :rückwärts bis zum ersten np nen Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 93 " Rumpfwirbel ziehen und zur Grundlage der Schädelbasis werden. Es 4 | besteht also, wie GoETTE weiterhin bemerkt, jederseits vom Achsentheile ; (d. i. die Chorda und die äußere Chordascheide Gorrtz’s) eine kontinuir- | liche ungegliederte Anlage, an der jede Andeutung von der Zahl und den Grenzen der zu Grunde liegenden Segmente fehlt. »Für die Frage nach der Gliederung des Kopfes ist daher seine Stammskeletbildung von gar : keiner Bedeutung!« Es ist demnach GorTTE die verschiedene Dicke der einzelnen Abschnitte der hinteren Schädelbasis und die damit verbun- dene Andeutung einer Segmentirung vollkommen entgangen. Der Auffassung Gorrtrte’s bezüglich der »äußeren Chordascheide «' ‚ kann ich mich nicht anschließen ; man sieht zwar auch bei Rana dicht um die elastische Chordascheide lange Kerne liegen, welche als äußere ‘ Chordascheide im Sinne GoEtTE’s angesehen werden können, während lateral davon bereits die knorplige Differenzirung sich vollzogen hat, allein in diesem nur kurz bestehenden Verhalten sehe ich nicht hinreichende Veranlassung, diese Lage als eine gesonderte aufzufassen. Bei Bufo und Hyla findet man alsbald nach der knorpligen Differenzirung der Balken- platten den Knorpel direkt der elastischen Chordascheide aufliegend ohne Spur einer solchen »väußeren Chordascheide«. Sie besteht entweder bei den genannten Anuren nicht, d. h. die knorplige Differenzirung ergreift mit einem Male das gesammte Gewebe bis zur elastischen Chordascheide, oder ' sie ist nur von äußerst kurzer Dauer. Die weiter für eine solche »äußere Chordascheide« ins Feld geführten Argumente (p. 363) sind nicht stich- haltig, wie ich in meiner nächsten Arbeit ausführlicher zeigen werde. GoETTE lässt nämlich vollkommen unberücksichtigt, dass ehe es zur Bil- dung eines kleinzelligen, koncentrisch um die Chorda geschichteten Knor- ‚ pels kommt, ein Stadium besteht, in welchem keine »äußere Chorda- ‚ scheide« mehr zu sehen ist und nur großzelliger, richt geschichteter ‚ Knorpel vorhanden ist. Zwischen der äußeren Chordascheide und dem »kleinzelligen Knorpel« besteht durchaus kein Zusammenhang. Ich finde somit keinen Grund, die hintere knorplige Schädelbasis in axiale und laterale Abschnitte zu zerlegen. | Dass die oberen Lippenknorpel, die »Oberkieferknorpel«, Theile der seitlichen Schädelbalken sind, hatte Gortre richtig beobachtet und ab- gebildet (p. 648 und bes. Fig. 303, Taf. XVl); eben so, dass die erste Knorpellage um das Ohrbläschen am lateralen Umfange entsteht. Doch ‚ finde ich nicht, dass diese Knorpellage bereits vorhanden ist, bevor der i | 4 | E u; 1 Tafel X, Fig. 4814 ist mit d die äußere Chordascheide im Durchschnitt — Zellen mit Zwischensubstanz — bezeichnet, mit b’ äußere Chordascheide von der Fläche — hier sind es nur Kerne, in eine kontinuirliche Masse eingebettet. Eine Deutung, die ı mir ganz unverständlich ist. 94 Philipp Stöhr, mittlere Theil der Schädelbasis auch nur angelegt ist. Beide differenzi- ren sich zu gleicher Zeit. Endlich stellt noch GorrtE die Behauptung auf (p. 632), dass der Schläfenflügelknorpel die seitliche Schädelwand vor der Ohrkapsel allein bilde. Veranlassung dazu mag vielleicht die Thatsache gegeben haben, dass, bevor der Schläfenflügelknorpel deutlich differenzirt die Schädel- seitenwand erreicht, auch nicht eine solche gut umgrenzt besteht, eben so der Umstand, dass die Schädelseitenwand ziemlich plötzlich vom oberen Rande der Balken sich erhebt. Berücksichtigen wir jedoch, dass es nicht genau die höchste Stelle ist wo der Schläfenflügelknorpel sich ansetzt, sondern vielmehr der schon wieder abfallende hintere Rand der Schädel- seitenwand; ferner, dass bei Hyla wohl ein Schläfenflügelknorpel, nicht aber eine Schädelseitenwand da ist (eine solche bildet ‚sich erst später vom oberen Rande der Balken aus), so werden wir uns der GoETTE’schen Auffassung nicht anschließen können. Völlig unhaltbar aber wird sie im Hinblick auf die Verhältnisse bei Urodelen, wo eine knorplige Schädel- seitenwand vorhanden ist, ehe der dem Schläfenflügelknorpel homologe Fortsatz des knorpligen Quadratum dieselbe erreicht hat. Eine Zusammenfassung und Vergleichung des für beide Amphibienordnungen Gewonnenen ergiebt: Die Anlagen des Visceralskeletes sind die zuerst auftretenden am ganzen Kopfe. Sie entstehen paarig und hängen mit dem CGranium vor- erst nicht zusammen. Das Skelet des ersten Visceralbogens zerfällt bei den Urodelen jederseits in zwei Abschnitte, den ventralen Meerzr’schen | Knorpel und das mehr dorsale Quadratum, bei den Anuren dagegen in | drei Theile, den sog. unteren Lippenknorpel, den Mecker’schen Knorpel und das Quadratum. Ein Fortsatz des Quadratum, der Proc. pterygo- | palalinus, verbindet sich bei den Anuren sehr frühzeitig mit dem seit- lichen Schädelbalken, während der diesem homologe Fortsatz1 der Uro- | delen viel später auftritt und keine so innigen Beziehungen zum Schädel | eingeht. Ich betrachte die bei den Anurenlarven am Skelet des ersten Visceralbogens bestehenden Abweichungen als Anpassungen an die eigenthümliche Art der Nahrungsaufnahme. Für das Skelet der beiden nächsten Visceralbogen giebt sich zwi- | schen beiden Ordnungen eine auffallende Übereinstimmung kund (vgl. | 1 Nach Parker besteht bei den Urodelen ein Pterygoidknorpel, vor diesem ein kleinerer Postpalatinknorpel, endlich ganz vorn ein Antorbitalknorpel ; zusammen mit den Bändern stellen die drei eine Kette dar, welche vom Körper des Quadratum bis | | zum lateralen Rande der Internasalplatte reicht. Ich habe dieses späte Stadium ' bei den Urodelen nicht genauer untersucht, vielleicht sind alle drei zusammen dem | Proc. pterygopalatinus der Anuren homolog. Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 95 Fig. 7, 8, 9, 12 auf Taf. III mit Fig. 1, 2, 3 diese Zeitschr. Bd. XXXIM. , Taf. XXIX). Hier wie dort stehen Zungenbein und erster Kiemenbogen- knorpel durch einen medianen Stab mit einander in Verbindung. Ich habe diesen Stab bei den Urodelen (anschließend an Parker) Basibran- chiale! genannt, glaube aber jetzt, dass derselbe gleichwerthig dem Basi- ' hyaleund dem Basibranchiale 1 gesetzt werden muss; aus dieser Anlage geht nämlich bei den Urodelen hauptsächlich das Basibranchiale 4 hervor, das zu den ersten Kiemenbogenknorpeln in enger Beziehung steht, an ‘ den Zungenbeinhörnern dagegen alsbald außer nähere Verbindung tritt; ‚ umgekehrt ist es bei den Anuren: aus derselben Anlage geht hier vor- zugsweise das Basihyale hervor, während die näheren Beziehungen zu | den ersten Kiemenbogenknorpeln alsbald aufgegeben werden. Ein Ske- ' letstück, aus welchem bei der einen Ordnung hauptsächlich das Basi- branchiale, bei der anderen dagegen vorzugsweise das Basihyale wird, muss wohl beiden zusammen gleichwerthig erachtet werden. Der dem , Urobranchiale der Urodelen homologe Fortsatz der Anuren ist verhältnis- mäßig kurz und wenig entwickelt. Auch für die folgenden Skeletstücke des zweiten, dritten und vierten Kiemenbogens lässt sich Gemeinsames finden. Bei beiden Ordnungen reichen die Anlagen derselben nicht bis ' zur ventralen Mittellinie, sondern schließen sich an die vorhergehenden ' Bogen an. Man könnte vielleicht in diesem Verhalten schon den Beginn eines Rückganges des Kiemenbogenskeletes erblicken, welches ja nur in der Larvenperiode von höherer Bedeutung, beim erwachsenen Thiere seine Funktionen aufgiebt und in ausgedehnterem Grade sich zurückbildet. Diese Theile würden demnach von vorn herein nicht in vollem Umfang angelegt und fänden bei der Unvollkommenheit der Anlage nur Befesti- gung im Anschluss an die proximalen Nachbarn; ein dem analoges Ver- halten erblicken wir ja auch bei distalen Rippen, welche, nicht bis zur ventralen Mittellinie reichend, sich an ihre proximalen Nachbarn anlegen. Es wäre indessen auch eine andere Deutung möglich. Bei den Uro- delen ist der zweite Kiemenbogenknorpel ein Ast des ersten; aus dem zweiten spaltet sich der dritte ab, aus dem dritten endlich der vierte; man könnte somit die drei letzten Kiemenbogenknorpel als Abkömmlinge des ersten bezeichnen. Auch die Anuren ließen sich dieser Auffassung unterordnen ; ich habe oben (p. 76) erwähnt, dass bei denselben über die ersten Anlagen der drei letzten Kiemenbogenknorpel kein sicherer Ent- scheid möglich ist; man könnte nun im Hinblick auf die Urodelen diese Kiemenbogenknorpel als Theilstücke des ersten betrachten. Damit stün- den wir aber vor der interessanten Thatsache, dass nur drei Visceral- bogenknorpel angelegt werden; die folgenden drei müssten als sekundär ‚entstandene Spaltprodukte des dritten Visceralbogenknorpels angesehen 95 Philipp Stöhr, werden. Bei der großen Rolle, welche bisher die Zahl der Visceralbogen- knorpel bei der Beurtheilung der Anzahl der im Schädel enthaltenen Wirbel gespielt hat, muss dies um so mehr auffallen, als die Dreizahl der Vis- ceralbogenknorpel mit der so oft schon vertretenen Annahme, dass im Schädel nur drei Wirbel enthalten sein sollen, in Einklang steht. Frag- lich ist es aber, ob die Hirnnerven sich mit dieser Deutung vereinbaren ließen 1. Als noch gewichtigerer Einwand möchte aber — und mit Recht — vorgebracht werden, dass es unstatthaft ist, bei der Beurtheilung eines Skeletkomplexes Thiere zum Ausgangspunkt der Vergleichung zu wählen, welche den betreffenden Komplex nur kurze Zeit behalten, und bei denen derselbe wahrscheinlich schon in der ersten Anlage rudimentär ist. Als einziger Ausgangspunkt für die Vergleichung empfiehlt sich das Visceral- skelet junger Haiembryonen, das bis zur Zeit noch keiner genaueren Untersuchung unterzogen worden ist. Bis dahin ist jede Deutung hin- fällig. Ich möchte übrigens hier schon bemerken, dass die Ansichten, zu denen ich jetzt gelangt bin und die ich am Schlusse meiner Arbeit dar- legen werde, einer solchen Auffassung überhaupt nicht günstig sind. In den Anlagen des Granium bestehen gleich zu Anfang gewisse Ver- schiedenheiten; während bei den Anuren die seitlichen Schädelbalken als nahezu cylindrische Spangen angelegt werden, sind dieselben bei den Urodelen fast vertikal stehende Lamellen ; hier besteht also sehr früh- zeitig eine Schädelseitenwand, die bei den Anuren erst später und ganz allmählich in solcher Ausdehnung sich ausbildet. Die vorderen Enden der Balken erstrecken sich bei den Anuren weit nach vor- und abwärts und geben, indem sie sich von der Hauptmasse abgliedern, eigenartigen Gebilden, den sog. oberen Lippenknorpeln Ursprung, die in gleicher Weise, wie die unteren Lippenknorpel und die Palatverbindung des Quadratum als Anpassungen zu beurtheilen sind. Bei den Anuren kommt es auch sehr früh zur Bildung einer Internasalplatte, die bei den Uro- delen erst später sich bildet; dagegen zeichnen sich letztere durch früh- zeitige Entwicklung der Balkenhörner aus (Urodelenschädel Fig. 43 c). Gemeinsam für beide Ordnungen ist nur, dass die seitlichen Schädel- hbalken von vorn nach hinten (caudalwärts) entstehen. Für die hintere Befestigung des Quadratum mit dem Schädel besteht eine große Übereinstimmung; hier wie dort haben wir es mit einem seit- lich vor dem Ganglion Gasseri gelegenen, mit der Schädelseitenwand sich 1 Auch wenn man Glossopharyngeus-Vagus als einen Nerv betrachten wollte, würden sich die Nerven nicht einreihen lassen, da neuerdings von SCHWALBE (Das Ganglion oculomotorii, ein Beitrag zur vergl. Anatomie der Kopfnerven, Jenaische | Zeitschr. Bd. XIII) der Oculomotorius als ein selbstständiger, segmentaler Kopfnerv | erkannt worden ist. Zur Entwicklungsgeschiehte des Anurenschädels. 97 ‚ verbindenden queren Knorpelfortsatz zu thun, der Processus ascend. der 4 Urodelen und der Schläfenflügelknorpel der Anuren sind homologe Gebilde und mag künftighin für beide der erstere Name gebraucht werden !. Beireffs der Entwicklung der Basalplatte scheinen ganz ansehnliche Versehiedenheiten zu bestehen. Doch lassen sich dieselben auf zeitliche Unterschiede im Auftreten der sie konstituirenden Theile zurückführen. Die größte Differenz trifft auf den mittleren mesotischen Abschnitt. Bei den Urodelen entstehen zuerst vorn die Balkenplatten und danach ‚ weiter hinten, getrennt durch einen unverknorpelten Abschnitt die Occi- | 1} | pitalbogen. Der mesotische Abschnitt bleibt noch lange unverknorpelt; z ‚ unterdessen wachsen die Balkenplatten nach hinten, die Basaltheile der Oceipitalbogen verlängern sich nach vorn, bis sich beide vereinen. Dies geschieht eher, als es zu einer knorpligen Differenzirung des mesotischen Gewebes gekommen ist ; wenn diese letztere eintritt, ist nur mehr Platz ‚ an den Seiten der schon knorplig gebildeten Basalplatte; von der Chorda - ist das mesotische Gewebe durch Balkenplatten und Oceipitalplatten ab- gedrängt (vgl. Urodelenschädel, Taf. XXIX, Fig. 16, 17, 48, PK, peri- pherer Knorpel, wie ich den mesotischen Knorpel damals nannte). Bei ' den Anuren tritt dagegen das mesotische Gewebe schon zeitig als - Knorpel auf, bevor die Oceipitalbogen entstehen. Vorher haben die Bal- kenplatten bereits das Grenzgebiet des mesotischen Gewebes erreicht und stoßen dicht an dasselbe, so dass bei der knorpligen Differenzirung des letzteren, sofort eine knorplige Verbindung zwischen Balkenplatte und mesotischem Knorpel zu Stande kommt. Es ist also kein isolirtes Auftreten des mesotischen Knorpels zu beobachten. Eben so verhält es sich mit den Oceipitalbogen ; bis dieselben erscheinen hat auch der meso- tische Knorpel sich so weit nach hinten ausgedehnt, dass ein vollkommen isolirtes Auftreten auch der Occipitalbogen nicht zu beobachten ist. Würde bei’ den Anuren der mesotische Abschnitt später sich knorplig differenziren, so wären die Verhältnisse ganz so wie bei den Urodelen. Die Unterschiede sind also hier nur durch das frühere oder spätere Auf- ireten des mesotischen Knorpels bedingt. Die Verknorplung der Ohrkapseln endlich ist bei-beiden Ordnungen die gleiche; ein isolirtes Knorpellager am seitlichen Umfang der Ohrkapsel, welches ich jedoch bei beiden zum mesotischen Knorpel gehörig be- trachte. 1 Parker (Skull in the Urodelous Amphib. p. 585) hält irrthümlicherweise den »Pedicle« der Urodelen für das Homologon des Schläfenflügelknorpels der Anuren; es ist diese Deutung desswegen nicht statthaft, weil sowohl über, wie unter dem Schläfenflügelknorpel Äste des Trigeminus verlaufen, was nur beim Proc. ascend. der Urodelen der Fall ist ; unter dem »Pedicle« der Urodelen verläuft kein Trigeminusast. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, XXXVI. Bd. 7 98 Philipp Stöhr, Wiederholen wir nun die meine Untersuchungen leitende Frage: »Lässt sich eine Zusammensetzung der hinteren Schädelbasis aus Wir- beln nachweisen «, so lautet die Antwort folgendermaßen: Nur der hinterste Abschnitt der hinteren Schädelbasis verhält sich in seinem Auftreten wie ein Rumpfwirbel; die knorplige Anlage der Oecipitalbogen ist nicht zu unterscheiden von den ersten knorpligen An- lagen von Rumpfwirbeln. Der mesotische Abschnitt besitzt schon weniger Ähnlichkeit mit einer Wirbelanlage. Man könnte vielleicht bei den Anu- ren einen Vergleich mit einer solchen ziehen, wenn man annimmt, dass durch die Entfaltung des Gehirns so wie der Ohrbläschen die früher mehr vertikal stehenden Bogen nunmehr eine horizontal-transversale Lagerung eingenommen haben. Die vordersten Abschnitte endlich, die Balkenplatten geben schwerlich Anhaltspunkte für Vergleiche mit Wir- bein. Wir erfahren somit durch die Entwicklungsge- schichte, dass die die hintere Schädelbasis konstituiren- den Abschnitte eine um sogrößere Ähnlichkeit mit Wir- beln besitzen, je weiter nach hinten (caudalwärts) sie gelegen sind. Aus dieser Thatsache und aus dem, was wir den Untersuchungen anderer Autoren über Entwicklungsgeschichte und vergleichende Ana- tomie des Schädels, sowohl wie des Nervensystems verdanken, gestaltet sich mir über die Auffassung des Schädels folgende Ansicht: Für die vordersten Abschnitte des Gehirns, d. i. für die beiden Sinnesorgane des Geruches und des Gesichtes ist es, wie schon GEGEN- BAUR 1 bemerkt, wahrscheinlich, dass sie einem ungegliederten Organis- mus angehört haben. Dieser Körpertheil ward der Metamerenbildung nicht unterworfen, dieselbe mag vielmehr erst hinter diesem begonnen haben. Die die genannten Organe umgebenden Skelettheile werden demnach nicht mit Wirbeln in Beziehung gebracht werden können. An- ders aber ist es mit den sog. vertebralen Abschnitten des Granium; hier mögen in der That Skelettheile das Gentralnervensystem umschlossen haben, welche mit primitiven Rumpfwirbeln ? in der Form überein- stimmten. Im Laufe der Entwicklung schritt nun die Differenzirung des 1 Über die Kopfnerven von Hexanchus und ihr Verhältnis zur Wirbeltheorie des Schädels. Jenaische Zeitschrift. VI. Bd. 1871. | 2 Ich möchte glauben, dass die Zeit, in welcher die ersten Rumpfwirbel in die Bildung des Schädels eingegangen sind, weiter zurückliegt als man bisher angenom- ' men, nämlich in eine Zeit zurückdatirt, in welcher die Wirbel nur durch obere Bogen repräsenlirt waren. Die unteren Bogen sind spätere Gebilde und ist es viel- leicht vergeblich, nach denselben am Schädel zu suchen. Eingehender diese Frage mit ihren Konsequenzen zu diskutiren, würde die Arbeit über Gebühr ausdehnen, und mag das Thema späteren Abhandlungen vorbehalten sein. Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 99 CGentralnervensystems nach hinten weiter und wirkte dadurch umge- staltend auf die dasselbe umschließenden Skelettheile. Der vorderste vertebrale Abschnitt ist demnach am frühesten verändert worden und hat sich durch Anpassung an die sich immer weiter ausbildenden Hirn- theile in einer Weise modificirt, dass seine ursprüngliche Gestalt viel- leicht weder durch vergleichend-anatomische Untersuchungen, noch durch das Studium der Entwicklungsgeschichte wird aufgedeckt werden können. Der mittlere Abschnitt zeigt noch vertebrale Spuren, die aber gleichfalls so verwischt sind, dass ihre Deutung nicht als eine absolut sichere angesehen werden kann. Von größter Wichtigkeit ist aber das Verhalten des dritten, hinter- sten vertebralen Abschnittes. Dieser gehört in einer gewissen Epoche der Entwicklungsgeschichte gar nicht dem Schädel, sondern der Wirbel- säule an. In diesem Stadium zählt die Rumpfwirbelsäule (abgesehen von caudalen Wirbeln) vorn einen Wirbel mehr, als beim weiter ent- wickelten Thiere (vgl. die Verhältnisse bei den Urodelen). Dieser erste Rumpfwirbel wird erstallmählich in den Bereich des Schädels einbezogen und stellt nun einen Theil desselben dar. Wir sehen also, wie dem Gra- nium hier benachbarte Wirbelsäulenabschnitte einverleibt werden; die Umwandlung eines Rumpfwirbels in einen Schädeltheil vollzieht sich hier direkt vor unsern Augen. Der Schädel vergrößert sich also nach hinten (caudalwärts) auf Kosten dort gelegener Theile, die mit einbe- zogen werden ; diese Vergrößerung hat aber in der Stammesgeschichte ihren Abschluss noch nicht erreicht, sondern sie vollzieht sich noch fort- während: der Schädel ist in stetem caudalen Vorrücken begriffen; denselben Vorgang nehme ich natürlich auch für das Ge- hirn in Anspruch. Ich halte demnach Schädel und Gehirn nicht fürin der Wirbelthierreihe homologe Gebilde, son- dern glaube, dass dieselben bei niederen Wirbelthieren kleinere Bezirke umfassen, als beihöheren Vertebraten, nehmean, dass dieHomologa gewisser Hirnnerven (Hypo- glossus, Accessorius Willis.) höherer Wirbelthiere nicht in den Hirnnerven niederer Vertebraten, sondern viel- mehr in deren vordersten Spinalnerven zu suchen sind. Diese Annahme erhält durch eine Reihe entwicklungsgeschicht- licher, wie vergleichend-anatomischer Thatsachen willkommene Stützen. Erstens besitzt bei den Notidaniden der Occipitaltheil des Schädels eine mit den folgenden Wirbeln ganz gleiche Beschaffenheit, so dass die Grenzbestimmung des Schädels sehr schwer wird !; mit anderen Worten: ! GEGENBAUR, Kopfnerven von Hexanchus. p. 556. f 7* 100 Philipp Stöhr, bei diesen Haien ist der Schädel um den ganzen Occipitaltheil, der eben so gut als Wirbel angesprochen werden könnte, kleiner. Wir haben also hier beim erwachsenen Thiere den nämlichen Zustand, den ich oben für die Amphibienlarven festgestellt habe. Zweitens, dass bei Selachiern der Vagus sich ursprünglich wie ein Spinalnerv ! verhält Wir wissen nämlich durch BaLrour 2, dass dort die dorsalen Wurzeln der Spinalnerven als diskontinuirliche Auswüchse einer Leiste entstehen, die sich später zu einer Längskommissur zwischen den hinteren Spinalwurzeln ausbildet. Auch Glossopharyngeus-Vagus wach- sen aus einer solchen Kommissur hervor, die überdies zusammen- hängt mit derjenigen für die Spinalnerven; mit dem Vl. Nerven hängt dagegen der Vagus nicht zusammen. Daraus geht doch offenbar hervor, dass die genannte Nervengruppe Anfangs in engeren Beziehungen zu Spinalnerven steht, als zu cerebralen, dass der Vagus sich ursprünglich wie ein Spinalnerv verhält und erst später in nähere Beziehungen zum Gehirn tritt. Wir sehen also hier am Gentralnerven- system dasselbe sich vollziehen, was wir oben an der Skeletumhüllung desselben beobachtet haben: Einverleibung eines ursprünglich spinalen Abschnittes in den cerebralen. | Drittens endlich finde ich für meine Annahme eine sehr wesentliche Stütze in der Thatsache, dass bei niederen Vertebraten der Hypoglossus nicht als Hirnnerv existirt, sondern dass vielmehr ein Ast des ersten (zuweilen des zweiten) Spinalnerven den Hypoglossus repräsentirt 3. Weitere Hilfe scheint mir durch ALsreeut, dessen Abhandlung ja wohl demnächst erscheinen wird, gebracht zu werden. Freilich ent- 1 D.h. wie ein primitiver Spinalnerv, der nur eine dorsale Wurzel besitzt; die ventralen Wurzeln legen sich bekanntlich später an. 2 BaLrour, The Development of Elasmobranch Fishes in Journal of Anatomy and Physiology. Vol. XI. Part. III. April 4877. 3 Siehe StAnnıus, »Das peripherische Nervensystem der Fische« und J. G. FıscHer, »Amphibiorum nudorum Neurologiae specimen primum «. 4 Zoolog. Anzeiger. Ill. Jahrgang. 1880. p. 450 und 472. Da ALBRECHT auf eine demnächst erscheinende ausführliche Abhandlung verweist, verzichte ich auf ein- gehendere Berücksichtigung seiner vorläufigen Mittheilung und berühre hier nur eine speciellere Frage. Ich hatte in meiner Arbeit über den Urodelenschädel eine im August 1878 erschienene vorläufige Mittheilung ALgrEcuHT’s kurz besprochen, seine Befunde den meinen einfach gegerüber gestellt und schließlich meine Meinung da- hin abgegeben, dass nur eine Angabe ALsrecar's und die nur theilweise richtig sei. Nun verwendet ALBRECHT jenen Passus als Bestätigung (p. 476) für einen Fund, dessen Priorität ich ALprecnt um so eher zuerkennen kann, als ich die Richtigkeit desselben nach wie vor bestreite. Ich bin leider nicht in der Lage, den Befund ALBRECHT's, dass ein Schädelabschnitt von der Wirbelsäule her ossificirt, bestätigen zu können. Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. 101 fernt sich ALgrEcHt in seinen letzten Schlüssen weit von meinen An- schauungen, indem er anschließend an Greensaur die Möglichkeit, dass der erste (resp. der zweite) Spinalnerv der Amphibien Hypoglossus sein könne, als zurückgewiesen betrachtet!. Ich erkläre mir diese von der meinigen so sehr abweichende Auffassung zum Theil verursacht durch die verschiedenen Wege der Forschung, welche wir eingeschlagen haben; wenn ich recht vermuthe, ist ALBRECHT vorzugsweise durch vergleichend- anatomische Studien an ausgebildeten, ich dagegen durch solche an sich entwickelnden Formen zu so differirenden Anschauungen gelangt. Um so werthvoller für mich ist es, dass beide Wege uns zu dem überein- stimmenden Schlusse geführt haben, die Homologie des ersten Rumpf- wirbels in der Vertebratenreihe zu negiren. Würzburg, den 41. Februar 1881. Erklärung der Abbildungen. Tafel II und III. Fig. 1. Aus einem Querschnitte durch den Kopf eines Embryo von Rana tempor. 640 Mal vergrößert. Leitz Obj. VII. » Jüngste Skeletanlagen«; Zellen mit großem Kern und wenig Protoplasma ; unten zwei Zellen des benachbarten Gewebes. D, Dotterplätichen. Fig. 2. Aus einem Querschnitte durch den Kopf einer jungen Larve von Rana temp. In vielen Kernen sind keine Kernkörperchen mehr wahrzunehmen. 640 Mal vergrößert. Leitz Obj. VII. »Skeletanlage« kurz vor der knorpligen Differenzirung; Kerne in eine konti- nuirliche Masse eingelagert. Links drei Zellen des umgebenden Gewebes (junges Perichondrium). Fig. 3. Querschnitt durch den Kopf eines Embryo von Rana tempor. 40 Mal vergrößert. ! Ich glaube, dass ich auch einen Ausspruch PArker’s zu meinen Gunsten ver- werthen darf. Auch ihm geben seine Untersuchungen des Amphibienschädels Grund zu der Annahme, dass der »Intercalarwirbel« (d. i. der Proc. odont. atlant.) und auch der eine (Wirbel), durch den oder hinter dem der Hypoglossus oder Subocci- pitalnerv austritt, nicht differenzirt ist vom Occipitalbogen bei den höheren Thieren. (of the Skull in Urodelous Amphibia. p. 575). Damit nimmt PArker doch für nie- dere Wirbelthiere eine geringere Ausdehnung des Cranium an. Allerdings muss ich gestehen, dass ich in den allgemeinen Erörterungen PArkEr’s (Morphologie des Schä- dels. 4879) vergeblich nach diesbezüglichen weiteren Ausführungen gesucht habe. Im Gegentheil seine dort niedergelegten Auffassungen scheinen eher gegen, wie für jene früher erschlossene Annahme zu sprechen. f 102 | Philipp Stöhr, Jüngste Anlage des Mecker’schen Knorpels (MK), des Quadratum (Q) und des untern Lippenknorpels (uL). Fig. 4, 5, 6. Drei Querschnitte durch den Kopf einer jungen Froschlarve (Rana temp.). 40 Mal vergrößert. Fig. 4. Der Pterygopalatfortsatz (Ppp) hängt mit dem Balken (Tr) zusammen. Quadratkörper (Q) und Mecker'scher Knorpel (MKn) hängen gleichfalls zusammen. Fig. 5. Q, Quadratkörper (hinteres Ende desselben); H, Anlage des Zungenbein- knorpels. Fig. 6. Skeletanlage des ersten Kiemenbogens Kb! ; Hz, Herz. Fig. 7. Zungenbein- und Kiemenbogenskelet einer circa 9 mm langen Larve von Rana temp. Kombinationsbild. H, Zungenbeinknorpelanlage; Kbl, Kb2, Kb3, Kiemenbogenknorpelanlage. 20 Mal vergrößert. Fig. 8. Dasselbe einer etwas älteren Larve von Rana temp. Kb#, Anlage des vier- ten Kiemenbogenknorpels. 20 Mal vergrößert. Fig. 9. Dasselbe einer 12 mm großen Larve von Rana temp. Sämmtliche Theile sind nun knorplig (durch Punklirung angezeigt), nur der ventrale Verbindungstheil des vierten Kiemenbogenknorpels ist noch nicht knorplig differenzirt. 20 Mal vergr. Fig. 40. Horizontalschnitt des Kopfes eines 6 mm langen Embryo von Hyla ar- borea. 40 Mal vergrößert. uLk, Anlage des Unterlippenknorpels; MKn, Anlage des Mecker’schen Knorpels; Q, Anlage des Quadratum; Z, Anlage des mittleren Theiles des Zungenbeinknorpels ; Zı, Anlage der seitlichen Theile desselben (auf diesem Schnitt durch die zweite Visceralspalte getrennt); 1Kb, 2Kb, 5Kb, 4Kb, Anlagen der vier Kiemenbogenknorpel. Fig. 41. Ventrale Abschnitte der vier Kiemenbogen von Hyla arborea. Larve 9 mm (knorplig differenzirt). 20 Mal vergrößert. Fig. 42. Zungenbein und Kiemenbogenskelet einer großen Larve von Rana temporaria, deren hintere Extremitäten bedeutend entwickelt, deren vordere Extre- mitäten äußerlich noch nicht sichtbar waren. 40 Mal vergrößert, von oben gesehen. Kh, Keratohyale; C, Copulare; UB, Urobranchiale; Kb!— Kbt, erster bis vierter Kiemenbogenknorpel; *, knorpliger Fortsatz am ventralen Ab- schnitt des ersten Kiemenbogenknorpels. Fig. 13. Aus einem Horizontalschnitt des Kopfes einer 9,4 mm langen Larve von Rana temporaria. 90 Mal vergrößert. Die Balken (Tr) legen sich an die Seite der Chorda etwas hinter der Spitze. mo, mesotisches Gewebe. Fig. 44. Horizontalschnitt des Kopfes eines 6 mm langen Hylaembryo. 40 Mal vergrößert. Fig. 45, 16, 47. Drei feine Schnitte durch die hintere Schädelbasis von einer circa 7,5 mm langen Larve von Rana temporaria. 200 Mal vergrößert. © Fig. 45 zeigt den Knorpel der Balkenplatten. Trpl. Fig. 16 weiter caudalwärts geführter Schnitt. Minimale Knorpelmassen (mo) an den Seiten der Chorda. Fig. 17 noch weiter caudalwärts; Hauptmasse des mesotischen Knorpels (mo). Fig. 18. Wachsmodell des Cranium und des Quadratum einer etwa 7,5 mm langen Larve von Rana temporaria. Natürliche Größe des Modells, welches den Schädel in 40 facher Vergrößerung wiedergiebt. Zeichnung von Herrn Rasus. Zur Entwieklungsgeschichte des Anurenschädels. 103 oL, obere Lippenknorpel ; Pp, Proc. pterygopalat. ; Po, Proc. orbitalis; 0, Quadratkörper, Pa, Proc. ascend. (Schläfenflügelknorpel); Tr, Balken; Trpl, Balkenplatten; Mo, mesotische Knorpel (hellblau gehalten); Ch, Chorda bis zur Stelle, wo später die Occipitalbogen auftreten. Fig. 49, 20, 21. Verbindungsmodus des Proc. ascend. mit den seitlichen Schä- delbalken. 40 Mal vergrößert. Querschnitte. Fig. 19 bei Rana tempor. Pa, Proc. ascend.; Tr, Balken. Fig. 20 bei Bufo ciner. Fig. 21 bei Hyla. Trpl, Balkenplatte. Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. Von Dr. August Gruber, Docenten der Zoologie in Freiburg im Br. Mit Tafel IV und V. Nachdem ich kürzlich bei einer Süßwasser-Thalamophore, Eu- glypha alveolata, eine bisher noch unbekannte Art der Theilung und damit verbundenen Schalenbildung beobachtet hatte!, war ich be- strebt, zunächst an anderen Monothalamien des süßen Wassers den Theilungsvorgang zu studiren. Es ist mir dies bis jetzt lange nicht so vollständig gelungen, als ich gewünscht hätte und wenn ich in Nach- stehendem von den verschiedenen Modalitäten, in welchen dieser Pro- cess bei den einzelnen Gruppen sich abspielt, ein Bild zu geben ver- suche, so wird dasselbe noch ziemlich unvollkommen sein. Aber die Erlangung günstigen Materials ist oft so schwierig und so sehr dem Zu- fall anheim gegeben, dass ich dennoch vorziehe das Wenige, was mir zu sehen geglückt ist, auf die erstgenannte Publikation folgen zu lassen. Während es bei Euglypha gelang, den ganzen Theilungsprocess sogar an ein und demselben Thier ohne Unterbrechungen zu ver- folgen, so muss ich hier, wo immer nur wenige Phasen zu beobachten waren, der Kombination Manches überlassen. Zugleich werde ich von anderen Forschern Beschriebenes mit in die Betrachtung ziehen und hofle so, trotz der vorhandenen Lücken, einen vielleicht nicht ganz unwesentlichen Beitrag zur Kenntnis der Rhizopoden geben zu können. Man hat bekanntlich bei den Monothalamien, was die Zusammen- setzung der Schalen betriftt, im Wesentlichen drei verschiedene Gruppen i Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolala. Diese Zeitschr. Bd. XXXV. Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 105 zu unterscheiden, einmal diejenigen, deren Panzer aus verschiedenartig gestalteten Platten und Scheiben besteht, welche vom Protoplasma sel- ber erzeugt werden, dann Formen, die ein Gehäuse aus allerlei Fremd- körpern aufbauen, und endlich solche, deren Umhüllung aus einer derberen oder zarteren homogenen Haut oder häutigen Kapsel gebildet wird. Bei diesen allen, hauptsächlich den beiden ersten Formen, war bisher noch sehr wenig Bestimmtes über die Fortpflanzung zu sagen. Anzunehmen war aber von vorn herein, dass bei so niederen Thieren auch eine Theilung vorkommen müsse, da dieselbe unzweifelhaft die ursprünglichste aller Vermehrungsweisen ist. Hauptsächlich musste das Verhalten des Gehäuses bei der Theilung räthselhaft erscheinen. Bei dünnen chitinösen Hüllen konnte man wohl an eine Spaltung derselben sammt dem Weichkörper denken und in der That wurden dann auch Fälle bekannt, wo dieser Vorgang zu beobach- ten war. Bei den aus festeren Bestandtheilen aufgebauten Schalen aber konnte eine Betheiligung der Hülle bei der Vermehrung kaum erwartet werden, und nur die selten beobachteten sogenannten Doppelbildungen schienen auf einen derartigen Vorgang hinzudeuten. Es war somit nur anzunehmen, dass ein dem Mutterthier ungleicher, d. h. schalenloser Theilspross entstehen müsse, dass aber eine vollkommene Theilung, wobei zwei gleichwerthige Stücke aus einem entstehen, hier nicht statt- finden könne. Einen Fingerzeig, das richtige Verhalten zu entdecken, gaben die sogenannten Häutungen mancher Monothalamien, wobei ein Thier theil- weise seine Schale verlassen sollte, um eine neue aufzubauen. Mit Recht wies man (Herrwıc und Lesser !) darauf hin, dass man in diesem Process eine Theilung vor sich haben könne, ohne aber eine Erklärung für die Art und Weise zu geben, in welcher die Schale um den neuen Theilspross gebildet worden wäre. Die Gelegenheit, bei Euglypha alveolata an einem Exemplar den ganzen Vermehrungsprocess in seinen einzelnen Stadien verfolgen zu können, hat uns schließlich Licht über all’ diese Fragen gegeben. Wir haben gesehen, dass wir auch bei den beschalten Rhizopoden eine reguläre Theilung, d. h. einen Zerfall in zwei kongruente Stücke haben, nur mit dem Unterschied, dass bei den hartschaligen Formen keine einfache Durchschnürung erfolgen kann, wie z. B. bei einer Amöbe; es muss vielmehr das Material für das neue Thier, das bis zum 1 Hertwie und Lesser, Über Rhizopoden und denselben nahestehende Organis- men. Archiv für mikr. Anat. Bd. X. 106 August Gruber, Beginn der Theilung in der Schale koncentrirt war, vor deren Öffnung sich anlagern und zu einem neuen Individuum aufbauen. Aus diesem Grund kann auch die Betheiligung des Kernes erst eine sekundäre sein, d. h. derselbe kann erst nach erfolgter Neubildung des Tochterindivi- duums in zwei Stücke zerfallen, von denen eines dem ursprünglichen Thier verbleibt, während das andere in das neuentstandene über- wandert. Während ich mir allgemeine Betrachtungen, die sich an diesen Vor- gang knüpfen lassen, für den Schluss dieses Aufsatzes vorbehalte, will ich nun zur Untersuchung schreiten, ob sich die übrigen Thalamophoren eben so verhalten wie die Euglypha. Am ehesten wird dies von den Formen zu erwarten sein, welche eine ähnliche Schalenkonstruktion, nämlich aus Platten oder Schei- ben besitzen, und es sind dies, wie ich schon an anderem Orte ange- geben (Euglypha a. a. O.), eine ganze Reihe von Formen. Hauptsächlich sind es zwei Fälle, die sich hier am besten verwerthen lassen und die ich auch früher schon kurz besprochen habe. Der eine bezieht sich auf die Quadrula symmetrica von F. E. Scnurzei, deren Panzer bekanntlich aus regelmäßigen viereckigen Platten aufgebaut wird, die bei normal gebauten Schalen 10—12 Quer- und 6—8 Längsreihen darstellen (Fig. 4). Nach Scnurze scheint stets eine Störung der Symmetrie dadurch stattzufinden, dass hinier den großen, die Mundöffnung begrenzenden »Marginalplatten«, eine keilförmig aus- laufende Querreihe von allmählich kleiner werdenden Plättchen sich einschiebt. Scuurze spricht darüber folgende Ansicht aus: »Es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass die kleinsten Platten der zweiten Reihe die zuletzt gebildeten, die jüngsten, sind und dass gerade an dieser Stelle beim Wachsthum des Thieres neue Platten angelegt wer- den.« Für ein solch allmähliches Größerwerden der Schale, einem Wachsthum des Protoplasmaleibes entsprechend, haben wir aber keine direkten Beweise, während uns die Vorgänge bei Euglypha gezeigt haben, dass die aus Platten bestehenden Schalen sofort in ihrer definitiven Ge- stalt erstehen. Dass Quadrula sich hierin nicht anders verhält, zeigt die Beob- achtung Scnurze’s, wonach in leeren Gehäusen sich einzelne oder zu Packeten vereinigte Schalenplättchen vorfinden, ganz wie ich sie aus den leeren Schalen von Euglypha beschrieben. Diese Platten deuten darauf hin, dass das Thier der Theilung nahe gestanden und bereits in seinem Inneren das Material für die Hülle des Theilsprosses ausgeschieden hatte. ! F, E. Schutze, Rhizopodenstudien. IV. Arch. für mikr. Anat. Bd. XI. m nn Be Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 107 Die Verbindung der einzelnen Platten nach Aufbau der Schale "scheint hier keine so feste zu sein, da nach Senuzze schon bei verhält- nismäßig geringem Druck jede und besonders die leere Schale in ihre einzelne Bestandtheile zersprengt wird. Bei Euglypha ist das nicht der Fall und ich habe fast nie eine zer- trümmerte Schale aufgefunden. Hier ist aber auch die Verbindung der Schalenplätichen eine viel innigere, da dieselben über einander greifen, wodurch bekanntlich die polyedrische Felderung erzeugt wird. Es ist hier der Ort, sich zu fragen, welches denn das Binde- mittel ist, mit dem das Schalenmaterial zusammengeleimt wird. Lei- der kann ich darüber nichts Bestimmtes aussagen, da bei der Kleinheit der Objekte in dieser Hinsicht schwierig zu operiren ist und somit nur Vermuthungen ausgesprochen werden können. Man mag zunächst daran denken, dass die Konsistenz der Plättchen eine derartige sei, um eine Verkittung derselben unter einander zu er- möglichen, so dass sie bei ihrer An- oder Übereinanderlagerung — viel- leicht noch unter Einwirkung des umgebenden Wassers zusammen- kleben. In zweiter Linie möchte die Annahme einer Kittsubstanz in Betracht gezogen werden, welche die Vereinigung der Schalenplatten herbeizu- ‘ führen hätte, zumal von mehreren Forschern eine solche bei den aus Fremdkörpern aufgebauten Gehäusen vermuthet wird. Doch scheint eben bei Letzteren auch eine andere Annahme be- rechligt zu sein, nämlich die der Bildung einer inneren chitinösen Grundlage, welche die Fremdkörper verbindet. Und gerade dieses Verhalten ist auch für die eben besprochenen Fälle nicht ausgeschlossen, ja vielleicht am wahrscheinlichsten. Nachdem also die Schalenplatten sich zum neuen Gehäuse zu- sammengefügt, würde sich ein dünnes Schalenhäutchen zwischen ihnen und dem Protoplasmaleib anlegen, das jene zusammenhielte. Als Fortsetzung davon lassen sich die homogenen Mundsäume mancher Schalen betrachten, wie sie z. B. von F. E. Scuurze für Gypho- deria! und von ihm und Leıpy ?2 übereinstimmend für Euglypha globosa (der Sphenoderia lenta Leipy’s) beschrieben und abgebildet worden sind. Ich werde auf diese vorausgesetzten Schalenhäutchen später noch zu sprechen kommen, um jetzt nur noch eine Beobachtung zu erwähnen, welche für die aus deutlichen Platten aufgebauten Schalen dieselbe Fort- pflanzungsweise wie für Euglypha beweist. ! Rhizopodenstudien. III. Archiv für mikr. Anat. Bd. XI. 2 Fresh Water Rhizopods of North Amerika. Plate XXXIV, 108 August Gruber, Ich meine den von Leıpy in Fig. 25 (Taf. XXXIX des eben citirten | Werkes) dargestellten Fall, welchen ich auf meiner Fig. 2 der Übersicht wegen kopirt habe. Er bezieht sich auf einen Vorgang bei Trinema acinus, welchen Leıpy selbst in der Tafelerklärung als eine »apparent | production or birth of an individual from its parent« bezeichnet. In der That ist das obere das Mutterindividuum und das untere der sich aufbauende Theilspross und zwar in dem Stadium, wo die neue Schale eben angelegt ist, die definitive Größe aber noch nicht erreicht hat. Dem entsprechend ist der Kern auch noch unverändert und hat sich noch nicht zur Theilung angeschickt (vgl. hiermit Fig. 6, Euglypha @.a.0.). Ich kann hier noch aus eigener Beobachtung hinzufügen, dass ich auch bei Trinema in leeren Schalen die Plättchen gefunden wie bei Eu- glypha (Fig. 3). Es wird kaum nöthig sein zu wiederholen, dass wir demnach für alle aus größeren, vom Protoplasma selbst erzeugten Stücken zusammen- gesetzten Schalen die gleiche Art der Entstehung vorauszusetzen haben. Wichtiger war es bei denjenigen Formen über die Theilung ins Klare zu kommen, bei welchen die Gehäuse nicht deutlich aus einzelnen, verhältnismäßig wenig zahlreichen Platten bestehen, sondern welche mehr ein chagrinartiges, durch äußerst feine Bestandtheile hervorge- rufenes Ansehen haben, wie z. B. Cyphoderia, Arcellau.a. Da bei diesen Formen über eine etwaige Theilung noch wenig sichere Anhaltspunkte gegeben sind, war ich um so erfreuter, als sich mir die Gelegenheit bot, bei Gyphoderia wenigstens einige Phasen aus dem Theilungsprocesse an einem und demselben Thiere zu ver- folgen. Ich gebe zunächst die Beschreibung dieses Vorganges, um nachher die sich daraus ergebenden Schlüsse zu besprechen. Ich hatte in einem kleinen Glasgefäß auf dem hiesigen zoologischen Institut Gyphoderia-Schalen entdeckt; da dieselben aber nur selten und meistens leer waren, konnte ich kaum hoffen, etwas daran zu beob- achten. Trotzdem gelang es mir einmal zwei mit den Öffnungen an einander liegende Gehäuse aufzufinden, von denen das eine aber leider zerbrochen war (Fig. #4). Hier schon sah ich mehrere Anzeichen, welche auf eine Theilung hindeuteten; denn erstens war das abgebrochene Schalenstück heller als das andere Gehäuse und aus diesem ragte ein beweglicher Protoplasmafortsatz hervor. Was aber noch wichtiger war, der hell durchschimmernde Kern (n) war nicht rund, sondern hatte die, eine beginnende Zweitheilung andeutende Biskuitform angenommen. Der Vorgang war aber durch die Verletzung der einen Schale gestört np Ben Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 109 | worden und das intakte on blu löste sich bald darauf von dem an- ‘ deren ab. Nachher fand ich nur noch einmal ein Exemplar in Theilung, konnte aber an diesem glücklicherweise dieselben Vorgänge, wie bei Euglypha sich abspielen sehen. Zufällig schloss sich die Entwicklung in dem Moment, wo sie zur Beobachtung kam, gerade an den vorhin beschriebenen Fall an: | Die neue Schale war bereits vollkommen gebildet (Fig. 5) und unterschied sich von der älteren nur dadurch, dass sie ganz hell war, während letztere einen gelblichen Schimmer hatte, und dass die Schalen- struktur auf ihr viel deutlicher zu sehen war. Das Protoplasma war ungleich vertheilt, so dass aus dem neuen ‘ Gehäuse, welches ich mit I] bezeichnen will, ein größerer Theil sich wieder in das alte, / zu nennende, zurückgezogen hatte. Der Kern (n) in / war eben in zwei Stücke zerfallen, die als helle Flecke aus dem dunkelkörnigen Sarkodeleib hervorschimmerten. Fünf Minuten später hatten sich die beiden Kernhälften weiter getrennt (Fig. 6), die eine war in den Schalengrund zurückgekehrt, die andere der Schalenöffnung näher gerückt. An dieser konnte ich jetzt auch, wahrscheinlich weil sie etwas oberflächlicher lag, sehr deutlich die Streifung erkennen. Nach weiteren zehn Minuten lag das auswandernde Kernstück der Schalenmündung schon ganz nahe und zeigte immer noch deutliche Längsstreifen (Fig. 7). Während der ganzen Zeit war der Sarkodekör- per, hauptsächlich in Schale //, fortwährenden Formveränderungen unterworfen und füllte das Gehäuse nur noch unvollständig aus, wäh- rend es lange Aufhängefäden nach der Wand entsendete. Zwischen den ‚ vier folgenden Stadien (Fig. 8—11) liegt ein Zeitraum von je fünf Minu- ‚ ten. Zuerst sehen wir, dass der für das Thier // bestimmte Kern die | Mündung desselben erreicht, wobei die Streifung immer noch sichtbar bleibt (Fig. 8). Aber gleich darauf ist dieselbe ganz undeutlich geworden (Fig. 9), während der Kern zum Theil schon in das Thier /J eingedrungen ist; ' im folgenden Stadium schon ist er vollständig hinübergeschlüpft und damit verschwindet die Streifung vollständig (Fig. 10). Auch bei Euglypha war in diesem Moment der Kern nur noch als schwach leuchtender heller Fleck zu sehen. Wie dort beginnt nach dem Übertritt der Kernhälfte in das neuentstandene Thier eine lebhafte Strö- mung, die sich erstens als eine Cirkulation an der Peripherie jeder Schale und zweitens auch als eine vollständige Mischung beider Sarkodeleiber darstellt, so wie das die Pfeile auf Fig. 41 verdeutlichen. Die Schale II füllı sich dann mehr mit Sarkode, so dass diese auf 110 August Gruber, beide Gehäuse gleichmäßig vertheilt ist, der Kern rückt auch in JJ nach | dem Schalengrund und die Strömung wird immer langsamer und lang- | samer, um endlich ganz aufzuhören. Es sind hiermit aus dem einen zwei Thiere geworden und dies unter den nämlichen Erscheinungen am Weichkörper, wie bei Euglypha. Es fragt sich nun aber, wie die Schale entstanden ist und ob sich \ diese Lücke in der Beobachtungsreihe anderweitig ausfüllen lässt. Was den Bau derselben betrifft, so brauche ich nur auf die ausge- zeichneten Abbildungen hinzuweisen, die F. E. Scuurze! und kürzlich auch Leipy? von derselben gegeben haben. Beide Forscher stellen die Schalenbestandtheile als regelmäßige Sechsecke dar, welche mit ihren Kanten zusammenstoßen ; also ähnlich wie bei Arcella. Es ist sehr schwierig sich vollständig klar darüber zu werden, besonders wenn man ältere Gehäuse zur Untersuchung nimmt, bei welchen die einzelnen Elemente viel fester zusammengebacken sind. Bei jungen, durch die hellere Farbe sich auszeichnenden, leeren Schalen konnte ich mich dagegen einige Male davon überzeugen, dass — wenigstens bei der vorliegenden Art — die Schalenplättchen ovale Scheibcehen sind, ähnlich wie bei Euglypha, aber ungleich kleiner und im Verhältnis etwas dicker. Dass man sie immer als bohnenförmige Körner sieht, wie ich das auch auf der Abbildung dargestellt (Fig. 12), liegt wohl daran, dass sie von der. Kante gesehen stärker lichtbrechend wirken und deutlich hervortreten, während sie in der Fläche denselben Brechungswinkel zu haben scheinen, wie das Wasser, und desshalb nicht zu sehen sind. Schon bei Euglypha machte ich dieselbe Beob- achtung; denn auch da sehe ich die Plättchen meist nur als sichel- förmige Körper, während sie bei der Flächenansicht nur dadurch ihre Form errathen lassen, dass die Stellen, wo sie über einander greifen, wieder sichtbar sind. Ich glaube nun, dass auch bei Gyphoderia hier die bei ganz starken Vergrößerungen hervortretende polygonale Felderung durch theilweises Sichdecken dieser Plättchen hervorgerufen wird. Sei dem wie ihm wolle, so ist jedenfalls mit Sicherheit die Zusammensetzung der Schale aus ein- zelnen Stücken erwiesen und die getreu nach der Natur gezeichnete Fig. 12 wird das vielleicht bestätigen. Wird hierdurch die Annahme schon gerechtferiieh dass der Aufbau der Schale für den Theilspross durch Aneinanderlagerung des aus dem Mutterthier ausgetretenen Schalenmaterials bewirkt wird, so wird die- selbe vollends erwiesen durch den Nachweis der Schalenplättchen im Inneren normal gebauter Thiere. 1 Archiv für mikr. Anat. Bd. XI. 2 a.2.0. Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 111 Es ist mir dies, trotz der geringen Durchsichtigkeit der Gyphoderia gelungen, wenn auch die Schalenplättchen sich lange nicht so deutlich darstellen, wie bei Euglypha. Auch früher sind dieselben bei Cyphoderia schon beobachtet wor- den, so von ÜARTER 1, der sie »oblong granules« — mit Fragezeichen — nennt. Damit mir keine durch Voreingenommenheit beeinflusste Deutung vorgeworfen werden könne, habe ich mir erlaubt, Carrer’s diesbezügliche Abbildung zu kopiren (Fig. 13), wonach man sich überzeugen kann, dass die von ihm abgebildeten Körperchen vollkommen mit den auf Fig. 12 dargestellten Schalenbestandtheilen übereinstimmen. Es ist so- mit kein Zweifel, dass das Material zum Aufbau der neuen Schale bei der Theilung auch hier schon im ursprünglichen Thier aufgespeichert liegt. Damit wird aber auch für eine andere Art eine entsprechende Fort- pflanzungsweise vorausgesetzt werden müssen, nämlich für Arcella, sei es, dass das Gehäuse dieses Rhizopods sich aus polygonalen Platten, oder aus Prismen oder vielleicht aus ähnlichen Bestandtheilen wie die Schale der Gyphoderia zusammensetze. Zu diesem Schlusse ist man um so mehr berechtigt, als schon eine charakteristische Phase aus dem Thei- lungsvorgange beobachtet worden ist. Da es mir selbst nicht gelungen ist, bei Arcella den Theilungspro- cess zu beobachten, und es mir in dieser Arbeit darum zu thun ist, ver- einzelt dastehende Beobachtungen anderer Autoren zur Illustration und Vervollkommnung des Bildes, das ich hier zu geben wünsche, herbeizu- ziehen, so erlaube ich mir einen Abschnitt aus der Abhandlung Herrwıc und Lesser’s? hier aufzuführen: »Wie schon frühere Autoren 3 angeben, findet man nicht selten zwei Arcellen, welche mit ihren unteren, d.h. die Pseudopodienöffnungen tragenden Flächen gegen einander gelagert sind. Von den beiden Thieren besitzt konstant das eine eine tief dunkel- braune, das andere eine wasserklare (Fig. 15), vollkommen farblose Schale. Die beiden Schalen sind nahezu gleich groß, die helle durch- siehtige häufig etwas kleiner. Die Vereinigung wird durch eine breite Protoplasmabrücke vermittelt, welche von dem Weichkörper des einen Thieres zu dem anderen sich hinüberspannt (s. meine Fig. 15). Auf dieser Brücke wogt die Körpersubstanz aus einer Schale in die andere, bis die letztere fast Alles, die erstere nur noch einen ganz kleinen Theil 1 Carter, On Freshwater Rhizopods. Ann. of natural history. Vol. 13. Third series. 2 Archiv für mikr. Anat. Bd. X. Suppl. 3 CoHn, Diese Zeitschrift. Bd. IV. — Perry, Zur Kenntn. kleinst. Lebensformen, — ÜLAPAREDE et LAcHMmAnN, Etudes sur les infusoires et les rhizopodes, 112 August Gruber, beherbergt. Dann ändert sich der Strom und die nahezu geleerte be- ginnt sich auf Kosten der anderen zu füllen. Nachdem dieses rhythmische Herüber- und Hinüberwogen einige Zeit gedauert, tritt ein Stillstand ein. Die Plasmabrücke verschmälert sich langsam, bis der letzte dünne Ver- bindungsfaden einreißt und die beiden bisher verbundenen Individuen selbständig geworden sind. Beide bewegen sich nun nach verschiedenen Richtungen mit Hilfe der stumpfen Pseudopodien hinweg. Sie haben nahezu gleiche Theile von der ursprünglich gemeinsamen Körpermasse erhalten.« Wie sehr der hier geschilderte Vorgang, den Hrrrwıe und Lesser mit Recht »ohne Weiteres als Theilung« bezeichneten, mit der uns jetzt bekannten Fortpflanzungsweise der verwandten Thalamophoren über- einstimmt, braucht nicht erst hervorgehoben zu werden. Am meisten Ähnlichkeit ist natürlich mit der Theilung bei Cyphoderia zu erkennen, schon dadurch, dass die junge Schale in ihrer heilen Farbe gegenüber dem braunen Gehäuse des älteren Thieres merklich absticht (Fig. 15). Ich selbst habe wohl den Beginn der Theilung gesehen, aber leider nicht weiter verfolgen können, als ich eine Arcella fand, die aus der Schalen- mündung einen Protoplasmawulst hervortreten ließ (Fig. 1%). Hiermit mag die Übereinstimmung in der Art der Theilung für alle diejenigen Formen erwiesen sein, deren Schalen aus selbstgefertigtem Materiale bestehen. Fragen wir nun, in welcher Weise wohl bei den aus Fremd- körpern aufgebauten Gehäusen und deren Inhalt dieser Akt vor sich gehe, so können wir leider wenig genügende Beobachtungen zur Beantwortung der Frage anführen. Schon eine ganze Reihe von Forschern hat — hauptsächlich bei Dif- flugia — beschrieben und abgebildet, wie zwei Gehäuse mit ihren Mün- dungen an einander geheftet lagen (Fig. 16). Man hat diesen Vorgang als Kopulation gedeutet, wird ihn aber nach den jetzigen Kenntnissen wohl als Theilung auffassen müssen. Bekanntlich weisen die hier zu besprechenden Schalen stets eine deutliche Gleichartigkeit des Baumaterials auf, so dass selbst bei den ganz roh aus Sandtheilchen konstruirten Gehäusen gewisser Difflugia- schalen doch die Bausteine wenigstens dem gleichen Mineral angehören. Es ist demnach kein Zweifel, dass eine Auswahl des Materials von Seiten der Dufflugia stattfindet. » Aber — sagt Bürscnui! — in welcher Art eine solche bewerkstelligt wird, ist bis jetzt noch ganz unermittelt, eben so wenig als etwas darüber bekannt ist, in welcher Weise die 1 Bronn's Klassen und Ordnungen des Thierreichs (Rhizopoden). 4880. Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 115 betreffenden Organismen die einzelnen Fremdkörperchen in die Schale einfügen. Bei den kalkschaligen Formen, die äußerlich ihre Schale durch mehr oder minder reichlich eingewebte Sandkörner verstärken, kann dieses Material doch wohl nur durch äußere Heranziehung mittels der Pseudopodien und Einlagerung — in so fern es etwa nicht bloß mecha- nisch anklebt und eingebacken wird — der Schale eingefügt werden. Die rein sandigen Schalen hingegen lassen vielleicht noch eine an- dere Art der Entstehung zu, die jedoch hier nur als eine eventuell zu prüfende Vermuthung ausgesprochen werden mag. Wenn wirklich, wie dies oben auf Grund der Beobachtungen von Entz ! angegeben wurde, die Difflugien ihre Schale zum Theil erneuern und unter der alten die neue schon vorgebildet vorhanden ist, so kann sich, meiner Ansicht nach, diese Thatsache (da ich an dem Aufbau der Difflugienschale aus Fremd- körpern festhalten muss) nur so erklären lassen, dass das zum Schalen- bau verwerthete Fremdmaterial in die protoplasmatische Leibes- masse derDifflugien selbstaufgenommenund nachträg- lichaufder Oberfläche zur Bildung der Schale angelagert wurde.« Zur Erläuterung seiner Ansicht führt dann BürscnLı die Be- obachtung mehrerer Autoren, wie M. SCHULTZE, GREEFF, Leipy an, wonach Sand in die Leibesmasse gewisser Rhizopoden aufgenommen wird, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. In Fig. 19 habe ich eine mit Amöba proteus (s. Leipy, a. a. O.) iden- tische oder derselben nahestehende Amöbe abgebildet?, deren Inneres mit einer Menge eckiger ziemlich gleich großer Sandkörnchen erfüllt war. Dieselben waren mit dem Protoplasma in einer fortwährenden — übrigens schon bei andern Arten öfters beobachteten — Strömung begriffen , die manchmal in ein förmliches Sprudeln überging. Bei Fin Fig. 19 sieht man einen hyalinen Fortsatz, der, wie es scheint, eben im Begriff ist, noch weitere Körnchen herbeizuziehen und in den Sarkodeleib aufzu- nehmen. Durch Kompression des Thieres war ich nachher im Stande, den Sand austreten zu machen, worauf im Inneren Kern und Vacuole deutlich sichtbar wurden (Fig. 20). Das Thier war — nebenbei bemerkt — durch diese gewaltsame Be- handlung nicht weiter verletzt, sondern nahm die ursprüngliche Form wieder an und das Protoplasma begann von Neuem zu strömen. So wird uns kaum mehr ein Zweifel bleiben, dass die Ansicht Bürscni’s über die Difflugienschale richtig ist und es werden demnach diese Thiere selbst im Wasser das Material, den Sand, die Diatomeen, oder was es auch sei, ! Über d. Rhizop. d. Salzteichs v. Szamosfalva. Naturhist. Hefte des nation. Museums zu Budapest. Heft 4. 1877. ? Sie stammt aus einem Tümpel in der Umgebung von Straßbureg. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI.Bad. 8 114 / August Gruber, auswählen undinsich aufnehmen. Schreiten sie dann zur Thei- lung, so geht dieselbe und die Anlage des neuen Gehäuses in derselben Weise vor sich, wie bei den bisher besprochenen Monothalamien. Leider ist es bisher nicht gelungen den Process direkt zu verfolgen; ich zweifle aber nicht, dass dies über kurz oder lang der Fall sein wird. Unterdessen ziehe ich als Beleg für die ausgesprochene Behauptung die Fälle herzu, wo mit den Mündungen zwei Difflugien an einander geheftet sind, welche an Größe sehr von einander verschieden sind (Fig. 18). Ich selbst habe solche Zustände öfters beobachtet, leider bei Thieren, die sämmtlich abgestorben waren. Auch Warricn! hat dieses Stadium im Theilungsvorgang beobachtet und abgebildet (er konnte sich den Vor- gang nur als Kopulation zweier zu verschiedenen Arten gehörigen Difflu- gien erklären) und ich habe als weiteren Beweis bei einer Difflugia eine Doppelbildung gefunden (Fig. 17), welche ganz derjenigen entspricht, welche ich bei Euglypha habe entstehen sehen (Euglypha, Fig. 25). Die so ausgelegte Vermehrungsweise ist gewiss sehr eigenthümlich, aber doch nicht wunderbarer als die für Euglypha beschriebene. Zudem führen ja, wie man weiß, eine Menge Formen von den aus reinem Sand oder anderen deutlich erkennbaren Fremdkörpern erbauten Gehäusen zu denjenigen hinüber, deren Plättchen vom Thier selbst erzeugt worden sind. Manche Difflugia- und CGentropyxis-Schalen sind aus Bestandtheilen geformt, von denen man kaum noch annehmen kann, dass sie irgend welche im Wasser aufgelesene Körper darstellen. Man braucht nur in dem prachtvoll ausgestatteten, hier öfters schon angeführten Werke von Leipy zu blättern, um sich von den Bindegliedern zu überzeugen, die zwischen der einen und der anderen Schalenart bestehen. Beiden gemeinsam ist jedenfalls die Grundlage für die geformten Schalenbestandtheile, die, wie ich mit anderen Autoren (s. z.B. Waruıcn) annehme, aus einem feinen Schalenhäutchen gebildet werden. Das letztere, oder vielmehr eine einfache, homogene, chitinöse Hülle ohne weitere Struktur, besitzen unter den Monothalamien mehrere Arten, welche wir auch auf ihre Fortpflanzung hin zu betrachten haben. In Analogie mit dem bisher Mitgetheilten, werden wir auch hier bei der Zweitheilung den Austritt eines Theils der Sarkode aus der ursprüng- lichen Schale und, da keine festen Bestandtheile vorhanden, die Aus- scheidung der häutigen Hille zu erwarten haben, worauf dann dem neu entstandenen Theilstück die eine Hälfte des Kernes zugeführt wird. Dieser Annahme günstig ist die Beobachtung, welche ich an einer kleinen 1 Structural variation among the difflugian Rhizopods. Annals and magazine of nat. history. Vol. XIII. Third series. Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 115 der Microgromia Hertwig’s!, oder der von SchuLzE? als Gromia socialis abgebildeten, identischen Art gemacht habe 3. Vor der Schalenmündung hatte sich ein großer Protoplasmaklumpen gelagert, der lebhafte amöboide Bewegungen zeigte (Fig. 21 und 22), allmählich aber zur Ruhe kam und eine rundliche Form annahm. Fünf Minuten später kam die ausgetretene Sarkodemasse der Form des Thieres schon näher (Fig. 23) und etwa 20 Minuten darauf war sie demselben vollständig kongruent, so dass nur die Hülle und der Kern noch zur Her- stellung des neuen Individuums fehlten (Fig. 24). Leider verhinderten missliche Umstände den weiteren Verlauf die- ses Vorganges, indem Bacterien den neu entstandenen Theilspross zer- störten. Glücklicherweise kann ich zur Vervollständigung der Lücke eine frühere Beobachtung Scunziver’st herbeiziehen, welche derselbe an der damals so genannten Difflugiaenchelys, wahrscheinlich demselben Thiere wie das eben besprochene, gemacht hat. Ich führe seine Worte an und gebe auch einige seiner Figuren zur Erläuterung bei: »Häufig, sagt Schneider , findet man wahre Doppelthiere unserer D. enchelys. Auf einem gemeinschaftlichen Fuße sitzen zwei Körper mit Hüllhaut und Kern. In ähnlicher Weise bemerkt man oft 3, 4, 5 Exem- plare zusammenhängend. Dieselben liegen keineswegs in einer Ebene, sondern stehen gegen den Fuß in verschiedenen Richtungen. Hat man diese Thiere in größerer Menge, so kann man bald bemerken, wie diese Kolonien durch Sprossung entstehen. Man beobachtet durch alle Stufen hindurch, wie der Fuß allmählich größer wird und die ovale Gestalt an- nimmt. Es bildet sich sodann eine neue Hüllhaut und ein Kern. Der Spross ist immer der Mutter an Größe gleich. « (Fig. 25 und 26.) Bis auf die Vorgänge am Kern, die aber kaum von den bisher be- kannten verschieden sein können, ist hier für Microgromia die ganze Theilungsgeschichte dargestellt. Was die zweite Art der Fortpflanzung — nämlich durch auskriechende Schwärmer — betrifft, welche Herrwic für diesen Rhizopoden beschrieben, so komme ich darauf noch später zu reden. | Es bleibt uns schließlich noch eine kleine Gruppe von Thalamo- phoren zu betrachten übrig, nämlich diejenigen, wo die Hülle eine 1 Über Microgromia socialis etc. Archiv für mikr. Anat. Bd. X. 2 Rhizopodenstudien. III. Archiv für mikr. Anat. Bd. XI. 3 Dieselbe stammt aus einem Wasserbehälter in meinem elterlichen Gute zu Genua. 4 Beiträge zur Naturgeschichte d. Infusorien. Archiv f. Anat. u. Physiol. 4854. a1. 0: 116 August Gruber, dem Sarkodeleib fest anliegende, nicht starre, sondern biegsame Haut darstellt. Hier ändert sich die Art der Fortpflanzung wesentlich und wir sehen, dass bei der Theilung das Thier mit der Hülle sich in- der Mitte ein- schnürt und in zwei Theile aus einander fällt. Dies Verhalten wurde schon früher beobachtet, zumal von CiEn- Kowskı!, der bei seiner Gromia — der Lieberkühnia — paludosa und ferner bei Lecythium hyalinum den Theilungsvorgang genau beschreibt und abbildet (Fig. 27—29). Mir selbst gelang es bei einem anderen Vertreter dieser Gruppe die Theilung zu verfolgen, nämlich bei einer Art, welche ich mit Plagio- phrys sacciformis für identisch halte? (Fig. 30 und 31). Die Haut liegt dem mit einer Menge kugliger Körperchen erfüllten Sarkodeleib dicht auf und ist mit diesem verschiedenartigen Formver- änderungen unterworfen. Manchmal zeigt sie eine vollkommen reguläre Gestalt und gleicht dann wohl einer Microgromia. Besonders die um die Schalenöffnung gelegene Partie der Haut ist sehr wenig formbeständig, wie dies auch Herrwig und Lesser ? angeben. Der Kern ist nur schwer zu sehen und leuchtet oft undeutlich aus dem trüben Protoplasma hervor (Fig. 30 n). | Schreitet ein solches Thier zur Theilung, so zeigt sich im Äquator eine Furche auf der Oberfläche der Haut (Fig. 32 und 33). Dieselbe greift immer weiter bis das Thier die Form eines Uhrglases oder besser eines Geldbeutels angenommen hat (Fig. 34 und 35). Die Haut legt sich natürlich in Falten, welche von der Einschnürung in der Mitte hervor- gerufen werden. so wie man das auf Fig. 34 und 37 ersehen kann und schließlich reißt dieselbe in der Mitte durch und es sind zwei Thiere entstanden. Über die Kerntheilung hat Cıenkowskt nichts berichtet und auch ich kann nur so viel sagen, dass dieselbe schon ziemlich früh erfolgen muss, da schon Exemplare mit wenig ausgesprochener Querfurche zwei Kerne besitzen (Fig. 33). Wahrscheinlich geht die Kerntheilung mit der Theilung des Proto- plasmaleibes Hand in Hand. Hiermit sind wir also wieder auf der leer. Form der Ver- mehrung angelangt, wie sie uns F. E. Scuuze ? für die Amöben beschrie- ben, und wie wir sie für alle thierischen Zellen als weitaus häufigste Fortpflanzungsweise kennen. 1 Über einige Rhizopoden u. verw. Organismen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI. 2 Ich fand diese Art inGenua an demselben Ort, wie die vorhin genannte Gromia. 37a.4.0. * Rhizopodenstudien. V. Archiv für mikr. Anat. Bd. XI. Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 117 Wenn ich jetzt einen Überblick über das bisher Mitgetheilte fol- gen lasse, so verbinde ich damit eine Auseinandersetzung meiner Ver- muthung, wie der eigenthümliche Theilungsvorgang der Thalamophoren speciell der Monothalamien aus der gewöhnlichen Zweitheilung entstan- den sein kann. Die schematischen Figuren 38 bis 42 sollen hierbei zur Erläuterung dienen. Beiden nackten Amöben und ihren Verwandten geht, wie ge- sagt, Kern- und Protoplasmatheilung Hand in Hand, oder jene dieser vielleicht schon voraus (Fig. 38). Um ihrem weichen Körper einen kräftigeren Schutz zu verleihen, haben manche Formen (Lecythium Lieberkühnia, Plagiophrys u. a.) eine Haut um denselben abgesondert, die aber so satt anliegt und so weich ist, dass sie auf die Art der Theilung keinen Einfluss auszuüben braucht (Fig. 39). Anders bei der nächsten Gruppe (Gromia, Microgromia, Hyalosphe- nia u. a.), wo die Festigkeit der schützenden Hülle viel bedeutender geworden, so dass der Sarkodeleib locker in einer unbiegsamen Kapsel liegt, welche sich an der Fortpflanzung nicht mehr betheiligen konnte. Sollte also hier eine Halbirung des Protoplasmaleibes erfolgen und sollte die Hälfte als vollkommenes beschaltes Thier von der Mutter sich trennen, so musste die Art der Theilung eine andere werden. Das Protoplasma tritt aus der Mündung aus, ballt sich zur definitiven Form zusammen und erhält selbstverständlich erst nachträglich seinen Kern (Fig. 40). Um aber den Körper noch besser zu schützen hat sich eine weitere Art der Gehäusebildung entwickelt: Ehe ein dünnes Häutchen (Fig. 41 SH) sich um das Protoplasma ausscheidet, umgiebt sich das Thier mit einem Panzer von allerlei im Wasser aufgesammelten Körpern, wie Sand, Diatomeenschalen und dgl. (Difflugia, Centropyxis u. a.) (Fig. 41). Auch hier muss bei der Theilung aus der Schalenmündung ein Sarkodeklumpen austreten, der dann so lange mit der Mutter im Zusammenhang bleibt, bis er ein selbständiges und mit derselben Hülle umgebenes Geschöpf geworden. Zu diesem Behufe hatte das Mutterthier das Baumaterial vorher aufgesammelt (Fig. 41 a) und ist nun im Stande, dem Tochterindividuum rasch sein Gehäuse herzustellen, welches dann noch durch das sich ausscheidende Schalenhäutchen eine Stütze erhält (Fig. 44 SH). Diese Art von Schalenbau finden wir dann schließlich im vervoll- kommneten Maße bei all’ denjenigen Monothalamien, welche das Material für ihre Hülle nicht zusammensuchen, sondern selbst in ihrem 118 August Gruber, Inneren erzeugen, um daraus ihre reizenden, zierlichen Gehäuse aufzubauen (Euglypha, Quadrula, Trinema, Cyphoderia, Arcella und viele andere) (Fig. 42). Die Anwesenheit einer festen Schale ist es, welche die eigenthüm- liche Art der Theilung bedingt, welche zwischen der gewöhnlichen Zwei- theilung und der sogenannten Sprossung in der Mitte liegt. Wie bei ersterer so entstehen auch hier zwei absolut kongruente Stücke und wie bei der Sprossung andererseits wird von dem Protoplasma ein Fortsatz getrieben, in den erst nachträglich der vom Mutterkern abgeschnürte Tochterkern einwandert. Es ist dies ein Beweis mehr, wie leicht man aus der Theilung die Sprossung ableiten kann und dass man in beiden identische Vorgänge zu sehen hat. Diesen Grundsatz haben schon früher Herrwiısg! und BürsenLı? ausgesprochen und durch die Acineten- fortpflanzung klar erwiesen. Mit Recht weist Bürscnrı dabei auf den sekundären Werth hin, der hier der Bewimperung der Acinetenspröss- _linge beizulegen ist, in welchen auch ich Apparate sehen möchte, welche keine andere Bedeutung haben, als dem Theilspross die raschere Ent- fernung zu ermöglichen. Man hat bekanntlich Acineten in Zweitheilung gefunden, bei welchen die eine Hälfte wie ein Schwärmspross bewimpert war, während ich andererseits im Hafen von Genua Exemplare von Podo- phrya gemmipara beobachtete, bei welchen die Sprossen mit Saugfüb- chen statt mit Wimpern versehen waren. Bekannt sind ja auch die Fälle wo Wimpern und Saugfüßchen zusammen vorkommen. Ich habe seiner Zeit viel zu großen Werth auf die vermeintliche Ent- deckung reiner Theilung bei Acineta mystacina gelegt?, und habe seit- her an derselben Form gesehen, dass Knospung, Theilung und Abschnü- rung kleiner Theilstücke neben einander vorkommen. Hervorgerufen ist die Abweichung von der einfachen Zweitheilung, derursprünglichen und für die Protozoen fundamentalen Fortpflanzung, offenbar durch das Bedürfnis rasch eine größere Individuenzahl zu erzeugen, ähnlich wie sich z. B. bei den Daphnoiden zwischen den durch zweigeschlechtliche Zeugung in ge- ringer Individuenzahl hervorgebrachten Generationen, die in ungleich größeren Mengen parthenogenetisch entstandenen einschieben. In diesem Sinne lässt sich gewiss auch die manchmal von der Regel abweichende Fortpflanzungsweise der CGolonien bildenden Microgromia 1 Über Podophrya gemmipara. Morpholog. Jahrbuch. Bd. 1. 2 Über d. Entst. d. Schwärmsprösslings v. Podophrya quadripartita. Jenaische Zeischr. f. Naturwissensch. 4876. i 3 Kleine Beitr. zur Kenntn. d. Protozoen, Berichte d. naturf. Ges. z. Freiburg. Bd. V1. Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 119 socialis deuten, wie das übrigens Herrwic ! selber thut, der sie auch eine » Überstürzung« im Theilungsprocesse nennt. Darin, dass die Spröss- linge theilweise mit Geißeln versehen sind, findet Herrwıc mit Recht nichts Wunderbares, da ja EnseLmann die Übereinstimmung der ver- schiedenen Protoplasmabewegungen dargethan hat. Man wird auch noch andere analoge Vorgänge, wie den Austritt einer Amöbenbrut aus der Arcella so zu erklären haben, wenn sich die auf letztere beziehenden Beobachtungen bestätigen. Wirfindenalsoschließlich als einzige Fortpflanzungs- weise der Thalamophoren die nach dem Typus der Zellthei- lung verlaufende Theilung. Ob die wohl allen zukommende Fähigkeit der Encystirung, die aber zu einem geschlechtlichen Akte niemals in Beziehung steht, regelmäßig mit der Theilung abwechselt oder nur eintritt, wenn dem Thiere Ein- trocknung droht, bleibt noch zu ermitteln. Meine Bemühungen, die an den Süßwassermonothalamien gemach- ten Beobachtungen auch auf marine Formen, hauptsächlich die Polytha- lamien, auszudehnen, sind seither nicht erfolgreich gewesen ? und wie bekannt haben auch die Untersuchungen anderer Forscher, was die Fortpflanzung dieser Geschöpfe betrifft, nur sehr spärliche Resultate geliefert. Immerhin lässt sich annehmen, dass bei den marinen Mono- thalamien dieselben Gesetze gelten werden, wie bei denen des süßen Wassers, und dass das Wachsthum der mehrkammrigen Thalamo- phoren auf einem ähnlichen Vorgang beruhen muss. Für die letztere Ansicht spricht das Wenige, was darüber bekannt ist, ganz entschieden: BürscaLı (Klassen und Ordn. etc.), welcher selber dieser Meinung ist, und sich den Vorgang bei der Bildung neuer Kammern, wie die Neu- bildung einer Schale (Theilung) bei Arcella denkt, führt die Beobachtung M. SchuLtze’s® an, die sich auf die Neubildung einer Kammer bei Poly- stomella und einigen Rotalinen bezieht. | _ ScHuLTzE hat bemerkt, wie die neue Kammer sich als ein Wulst um die Mündung der vorhergehenden, also jüngsten Kammer gelegt und wie diese Protoplasmamasse schon vor Ausscheidung der Schale die Aus- dehnung angenommen, welche der fertigen Kammer zukomme. la.a.0. 2 Die noch wenig bekannten und nur in zwei Formen repräsentirten Amphisto- mata habe ich nicht mit in die Betrachtung ziehen können, 3 M. ScHuLTze, Über den Organism. d. Polyth. etc. Bonn 4854. 120 August Gruber, Dass dieser Vorgang vollkommen analog dem Theilungsakt bei einer Gromia ist, brauche ich nicht weiter zu erklären, homolog ist er desshalh nicht, weil das neuentstandene Stück dem vorhergehenden nicht kon- gruent ist, und weil es auch kein neues Individuum, sondern gewisser- maßen nur ein neues Organ ist. Denn in der Polythalamie eine Kolonie einzelner Thiere zu erblicken, ist, wie auch schon von anderen Seiten aus einander gesetzt wurde, un- statthaft. Besonders spricht dagegen das Verhalten der Kerne, die weder in Lage noch in Zahl den Kammern zu entsprechen scheinen. Ob und wie eine Theilung hier zu Stande kommt, muss noch dahin- gestellt bleiben. Alles, was ich etwa als Andeutung davon hätte be- merken können, beschränkt sich auf die von mir häufig gemachte Beob- achtung, dass zwei dreikammerige Rotalinen,, von denen die eine meist kleiner war als die andere, mit ihren Öffnungen an einander lagen. Es ist immerhin möglich, dass ähnlich wie bei den Radiolarien und Heliozoen die Zweitheilung als Fortpflanzungsweise in den Hintergrund getreten wäre und der sog. »Brutbildung«, die aus jener sich entwickelt, Platz gemacht hätte. Bekanntlich sind ja auch von M. Scaurtze und Anderen Fälle be- schrieben worden, wo im Inneren von Polythalamien eine größere Anzahl von Sprösslingen entstanden, die sogar schon mit einer Schale versehen waren. Dass die Fortpflanzung durch Bildung von Sprossen im Gegensatz zur Zweitheilung bei Formen mit so komplicirtem Schalenbau viel mehr Wahrscheinlichkeit hat, lässt sich nicht in Abrede stellen. Die Art und Weise des Schalenaufbaues also, welche bei den ein- kammerigen Thalamophoren zur Erzeugung eines neuen Thieres führt, manifestirt sich bei den Polythalamien — so weit bis jetzt bekannt — nur bei Anlage einer neuen Kammer, also beim Wachsthum des Thieres. Bei den Monothalamien mit festem Gehäuse ist jetzt die merkwürdige Thaisache erwiesen, dass äußerlich sichtbar ein Wachsthum nicht stattfindet. Während bei allen sonstigen Fällen von Zweitheilung zwei Stücke resultiren, deren Umfang und Inhalt zusammengenommen dem des Mutter- thieres gleich kommt, sehen wir hier ein neues Geschöpf entstehen, das sich bei der Entstehung in nichts von der Mutter unterscheidet, der- selben vollkommen kongruent ist, so dass man eigentlich von -einer Theilung nicht sprechen könnte. Denn wenn bei der Zweitheilung das ursprüngliche Thier die Hälfte seines Volums einbüßt, bei der Sprossung - aber dem Mutterthier das Quantum entzogen wird, was die Spröss- linge repräsentiren, so scheint in dem besprochenen Fall ein dem sich Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 121 vermehrenden gleiches Individuum zu entstehen, ohne dass ein Substanz- ‘ verlust beim ersteren sichtbar wird. Doch ist das — wie gesagt — nur scheinbar; denn diese Rhizopo- den besitzen eben die Fähigkeit das Material zu einer Theilhälfte, Schale sowohl wie Protoplasma, in ihrem Sarkodeleib zu koncentriren, um das- selbe dann im betreffenden Moment in der beschriebenen Weise von sich zu geben, wobei jedenfalls eine bedeutende Quellungsfähigkeit bei dem Protoplasma dieser Geschöpfe vorauszusetzen ist. Ein Wachsthum kann man also einen solchen Vorgang nicht nennen, denn er spielt sich ja in ganz kurzer Zeit ab und zwar ohne dass ‘ dem Thiere Nahrungsmaterial zugeführt würde. Dies besonders hervorzuheben veranlasst mich auch eine Stelle in ' dem Referat, welches Spenge kürzlich in dem biologischen Centralblatt (1. Jahrg. Nr. 3. 1881) über meine Beobachtungen an Euglypha ge- | geben. Sie bezieht sich auf die von mir geltend gemachte Ansicht, dass hier ein neuer Grund vorliege, mit STRASBURGER das eigentlich Aktive bei der Zelltheilung nicht im Kerne, sondern im Protoplasma zu suchen. ' SPENGEL meint dagegen, es gehe aus meinen Beobachtungen nur hervor, »dass das Wachsthum der Euglypha unabhängig von Verände- rungen des Kernes ist, während die Theilung des Körpers sicher erst der Theilung des Kernes folgt, also recht wohl eine Folge derselben sein kann «. Wie gesagt bedeutet aber der in bestimmtem Moment rasch er- folgende Austritt des Protoplasmas aus der Schalenmündung und der ‘ Aufbau eines neuen Thieres nicht ein Wachsthum im gewöhnlichen ; Sinne, wobei das Mutterthier keinen Substanzverlust erleiden dürfte, ' sondern eine Theilung, da in der That die Hälfte vom Volum des ‚letzteren zum Theilspross verwendet wird, ohne dass aber diese Abgabe in einer Verminderung der räumlichen Anisttehiiump des Mutterindivi- - duums sich ausspricht. Die Theilung beginnt also ohne Zweifel am Körper sich geltend zu ' machen; zu Ende kann sie an diesem allein natürlich nicht geführt wer- den, weil eben der Kern nicht frei im Theilspross entsteht, sondern nachträglich in denselben hineinwandert. Und gerade diese Einwande- , rung scheint mir die passive Rolle zu zeigen, welche der Kern hier zu spielen hat. Denn es ist gewiss keine aktive Bewegung, die ihn zum Verlassen der alten und zum Betreten der neuen Schale antreibt, sondern das Protoplasma ist es, welches ihn hinüberleitet. Die schönste Erläuterung für diese Ansicht findet sich in einem an- 122 2 August Gruber, deren Momente desselben Theilungsprocesses, nämlich in dem Auswan- dern der Schalenplättchen, welche sich auch nicht aktiv bewegen sondern vom Protoplasma aus der Schale hinausgeschoben werden. FreiburgimBr., im Juni 1881. Erklärung der Abbildungen. Tafel IV. Fig. 4. Ein leeres Gehäuse von Quadrulasymmetrica, in dessen Innerem man die Schalenplättchen liegen sieht, welche für einen Theilspross bestimmt waren, (Kopie nach F. E. Scauzze , Rhizopodenstudien. IV. Taf. XVIII, Fig. 5. Archiv für mikr. Anat. Bd. XI.) Fig. 2. Trinema acinus in Theilung begriffen. Die neue Schale ist eben an- gelegt worden; der Kern (n) zeigt noch keine Veränderungen. (Kopie nach Leıpy, Fresh-Water rhizopods of North-America. Washington 1879. Pl. XXXIX, Fig. 35.) Fig. 3. Ein leeres Gehäuse derselben Art, welches noch einige Schalenplätt- chen im Inneren enthält. Fig. —13. Cyphoderia ampulla. Die Figuren 4+—42 sind bei Vergröße- rung Harrn. Oc. 3, Obj. 7 gezeichnet. Fig. 4. Zwei Schalen, von denen die eine (/J) eben durch Theilung entstanden, nachher aber zerbrochen war. Sie zeichnete sich durch eine hellere Farbe und deut- lichere Schalenstruktur vor der anderen (/) aus. Das Protoplasma hatte sich bis auf einen kleinen Fortsatz wieder in die letztere zurückgezogen. Der Kern n ist in die Länge gezogen, wie bei beginnender Theilung. Fig. 5. Zwei andere Cyphoderien, von denen I! durch Theilung aus / entstan- den. In / hat sich der Kern n eben in zwei Stücke getrennt. Fig. 6. (5 Minuten später.) Die eine Hälfte des Kerns bleibt im Schalengrund liegen, die andere rückt nach der Mündung und zeigt deutliche Längsstreifung. Fig. 7. (40 Minuten später.) Er hat die Mündung schon beinahe erreicht. Die Längsstreifung immer sichtbar. Fig. 8. ($ Minuten später.) Die Schalenöffnung ist erreicht; die Streifung wird undeutlicher. In II macht das Protoplasma während des ganzen Vorganges amöboide Veränderungen. Fig. 9. (5 Minuten später.) Der auswandernde Kern liegt noch zur Hälfte im Thier I, zur anderen Hälfte schon in I]. Die Streifung ist kaum noch sichtbar. Fig. 10. (5 Minuten später.) Er ist zum größten Theil in I/ hereingeschlüpft und hat die Streifung verloren. Fig. 44. (5 Minuten später.) Der Kern rückt in I/ dem Schalengrunde näher; 1 füllt sich wieder mehr mit Sarkode und es beginnt die Protoplasmaströmung in der Richtung, wie es die Pfeile angeben. Fig. 412. Ein zerbrochenes Gehäuse von Cyphoderia, an welchem die Zusammen- setzung desselben aus kleinen ovalen Körperchen deutlich zu erkennen ist. | | Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. 123 | Fig. 43. Eine Cyphoderia, in deren Innerem man die Schalenplättchen liegen sieht. (Kopie nach CARTER, On Freshwater Rhizopods of England and India. Pl. II, ‚Fig. 48. Ann. and mag. of nat. hist. Vol. XIII. Third series.) Fig. 44. Eine Arcella, aus deren Mündung ein Protoplasmaballen ausgetreten ist; erstes Stadium der beginnenden Theilung. | Fig. 45. Zwei Arcellen mit den Mündungen an einander liegend, von denen die mit der hellen Schale // durch 'Theilung entstanden ist. Man bemerkt noch die Protoplasmabrücke, welche von einem Thier zum anderen geht. Fig. 16. Zwei Difflugien nach vollzogener Theilung noch mit der Mündung an einander geheftet. Fig. 47. Eine Doppelbildung bei Difflugia; wie bei Euglypha entstanden durch eine Störung bei der Theilung. Fig. 48. Zwei an einander geheftete Difflugienschalen, von denen die kleinere "auf eine noch nicht abgeschlossene Theilung hindeutet. | Fig. 49. Amöba proteus (?), welche eine Menge Sandkörner enthält, die eine sprudelnde Bewegung zeigen. Bei F ein hyaliner Fortsatz, welcher noch mehr Körn- chen herbeizuziehen scheint (HArrn. Oc. 3, Obj. 7). Fig. 20. Dasselbe Thier zerdrückt. Die Körnchen sind herausgetreten und der Kern (n) sowohl wie die Vacuole (v) deutlich zu sehen. Fig. 24 und 22. Eine Gromia Socialis, bei welcher aus der Schalenöffnung ein Protoplasmafortsatz hervortritt, welcher rasche amöboide Bewegungen macht. Fig. 23. Derselbe kommt zur Ruhe und rundet sich ab. | Fig. 24. (20 Minuten später.) Er hat ganz die Form des Mutterthieres angenom- ‘men und es würde jetzt die Schalenbildung beginnen. Fig. 25 und 26. Anfang und Schlussphase aus der Theilungsgeschichte einer ‚ Gromia. (Kopie nach Schneider, Beiträge zur Naturgesch. d. Infusorien, Taf. IV, Fig. 20 und 24. Archiv für Anat. u. Physiol. 1854.) Fig. 27—29. Der Theilungsvorgang bei Lecythiumhyalinum. (Kopie nach ‚ Cıewkowskı, Über einige Rhizopoden und verwandte Organismen. Taf. VII, Fig. 70 bis 72. Archiv für mikr. Anat. Bd. XII.) | Fig. 30—37. Theilung bei Plagiophryssacciformis(?). Sämmtliche Figu- ‚ren sind bei Harrn. Oc. 3, Obj. 7 gezeichnet. | Fig. 30. Ein vollkommen ausgebildetes und regelmäßig geformtes Exemplar ; ''n der nur wenig deutliche Kern. Fig. 34. Ein anderes Exemplar, welches eine Diatomee in sich aufgenommen ‚ hat; es soll die Weichheit und Biegsamkeit der Hülle veranschaulichen. | Fig. 32. Beginn der Theilung durch Einschnürung. | Fig. 33. Die Theilung ist weiter vorgeschritten und an Kern n n’ bereits vor ı sich gegangen. Fig. 34. Weiterer Grad der Einschnürung, wobei die Falten, welche die Haut . macht, deutlich sichtbar sind. Fig. 35. Dasselbe Stadium bei einem anderen Exemplar. | Fig. 36. Das eine der beiden auf der vorigen Figur dargestellten Individuen nach vollendeter Durchschnürung, | Fig. 37. Ein besonders großes Exemplar in Theilung. Das Thier ist abgestor- | ben, dafür zeigt aber die Hülle um so deutlicher die Art und Weise, in weicher die Durchschnürung vor sich geht. 124 August Gruber, Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. Tafel V. Fig. 38—42. Schematische Figuren. Fig. 38. Theilung bei einem nackten Rhizopoden. Typus: Amöba. Fig. 39. Dieselbe bei einer mit weicher, anliegenden Haut versehenen Mono- | thalamie. Typus: Plagiophrys. Fig. 40. Dieselbe bei einer von härterer häutiger Kapsel umgebenen Form. Typus: Gromia. Fig. 41. Dieselbe bei einer Monothalamie mit einem Gehäuse, das aus Fremd- körpern aufgebaut ist. Typus: Difflugia. SH, das Schalenhäutchen. Fig. 42. Dieselbe bei einer Art, deren Hülle aus Schalenplätichen zusammen- gesetzt sind, welche das Thier selbst producirt. Typus: Euglypha. SH, Schalenhäutchen. Über die Entwicklung der Neritina fuviatilis Müll. | Von F. Blochmann. iR Mit Tafel VI—IX und einem Holzsehnitt. Einleitung. Die vorliegende Untersuchung wurde von Juni bis December 1880 in dem zoologischen Institut der Universität Heidelberg gemacht; und es ist mir zunächst eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor O. BürscuLı, den herzlichsten Dank auszusprechen für die vielfache Unterstützung mit Rath und That, die er mir bei meiner Arbeit zu Theil werden ließ. Über die Entwicklungsgeschichte der Neritina fluviatilis existirt bis jeizt nur eine zusammenhängende Arbeit, die von CLAPAREDE herrührt. So ausgezeichnet und genau der anatomische Theil dieser Arbeit des berühmten Autors ist, so wenig kann der entwicklungsgeschicht- liche den neueren Anforderungen entsprechen. Wenn es mir gelungen ist, mehr zu finden, als CLararkpe, so verdanke ich dies einestheils den neueren Arbeiten, die viele Verhältnisse, welche damals noch unbe- kannt waren, aufgeklärt haben, anderntheils auch den besseren Unter- suchungsmethoden, denen ja so mancher Erfolg der neuesten Zeit zuzu- schreiben ist. Außer der Arbeit von CLararipe finden sich noch einige gelegentliche Bemerkungen über die Entwicklung unseres Thieres von LInDsSTRöN, Ray LAnkESTER und BütscnLı, auf welche an der geeigneten Stelle ein- gegangen werden wird. Von den beiden vorliegenden Abschnitten enthält der erste die an den sich nicht zu einem Embryo entwickelnden Eiern auftretenden 126 F. Blochmann, Entwicklungserscheinungen ; der zweite die Furchung und Keimblätter- ! bildung. In jedem der Haupttheile unterscheide ich wieder zwei Ab- schnitte, von denen jedes Mal der erste meine eigenen Beobachtungen, der zweite dagegen Litteraturangaben und Betrachtungen allgemeinerer Natur enthalten soll. Vorerst war es mir nur möglich die Entwicklung der Neritina bis zur Ausbildung der Larve festzustellen ; ich hoffe, dass es mir im näch- sten Sommer gelingen werde, auch die Umwandlung der Larve in das ausgebildete Thier zu verfolgen. Beschaffung des Materials und Untersuchungsmethoden. Die Neritina fluviatilis findet sich bei Heidelberg im Neckar sehr häufig; in unmittelbarer Nähe der Stadt jedoch nur auf dem rechten Ufer, was wohl seinen Grund darin haben mag, dass das durch den Einfluss der Abzugskanäle verunreinigte Wasser der linken Seite ihr nicht zusagt. Sie lebt in der Nähe des Ufers unter Steinen. Ihre Eier legt sie, wie schon lange bekannt, in Gocons ab. Die Eikapseln, deren feineren Bau CLAPAREDE genau untersucht hat, haben ungefähr 1 mm Durchmesser; ihre Gestalt ist kuglig, jedoch sind sie auf der unteren Seite mehr, auf der oberen weniger abgeplattet. Sie bestehen aus zwei Halbkugeln, die sich bei älteren Gocons leicht in der Äquatorialebene trennen lassen. Diese Eikapseln werden gewöhnlich auf der Unterseite von Steinen befestigt; man findet sie jedoch auch häufig auf der Schale der Neritina selbst, sehr oft auf Tichogonia Chemnitzii, manchmal auch auf den Schalen von Unio und Lymnaeus auricularis. Die Ablage der Cocons geschieht in der Regel des Nachts, und man kann Morgens die frisch gelegten leicht daran erkennen, dass die Schale noch ganz weiß und sehr weich ist. Nachdem die Eikapseln ungefähr einen Tag der Einwirkung des Wassers ausgesetzt waren, nehmen sie eine gelbliche Farbe an und werden sehr resistent. Schon CLArıripe hat die Erfahrung gemacht, dass die Neritinen in der Gefangenschaft keine Eier legen. Auch mir gelang es nicht, sie dazu zu bringen, trotzdem ich sie mitsammt den Steinen, an denen sie lebten, in gut gelüftete Aquarien setzte. Um mir trotzdem Eier | zu verschaffen, bei denen ich die Zeit der Ablage kannte, verfuhr ich folgendermaßen : Ich legte einige Kasten von feinem Drahtnetz in den Neckar an die Stellen, wo die Neritina häufig ist, brachte in jeden derselben eine Anzahl Steine und ungefähr 100 bis 450 Neritinen. So konnte ich jeden Morgen die frisch gelegten Cocons leicht erhalten. Ich } versuchte nun, um die Entwicklungsdauer bestimmen zu können, die so erhaltenen Eier in einem Aquarium sich weiter entwickeln zu lassen. ———n— Über die Entwicklung der Neritina Quviatilis Müll. 127 Es gelingt dies jedoch schwer, weil die frischen Cocons, wie erwähnt, noch weich sind und desshalb beim Ablösen leicht gedrückt werden. Auch die abgelösten älteren Cocons gehen in Aquarien oder Gläsern bald zu Grunde; und es schien mir die Hauptursache des Verderbens das üppige Wuchern eines Fadenpilzes zu sein, der die Kapseln dicht umspinnt, vielleicht auch in dieselben eindringt. Ähnliches hat auch GEGENBAUR bei den Eiern von Limax beobachtet. Dagegen gelang es in einer Anzahl von Eikapseln, die auf Tichogonien saßen und mit diesen in ein Aquarium gebracht wurden, die Embryonen lange am Leben zu erhalten. Die Eiablage der Neritina erstreckt sich über die Zeit von Mitte April bis Anfang Oktober. Trotzdem wird keine besonders große Zahl von Embryonen erzeugi, was damit im Zusammenhang steht, dass auf einmal immer nur ein Cocon abgelegt wird, und in diesem jedes Mal nur ein Embryo zur Ausbildung gelangt. Zur Untersuchung der frischen Eier und Embryonen diente die von BürscaLı (24) angegebene Eiweißlösung (1 Theil Eiweiß, 4 Theil einer 5procentigen Kochsalzlösung, 9 Theile Wasser). Diese Lösung hat den großen Vortheil, dass sich die Eier 4 bis 2 Tage darin erhalten lassen, ja sogar sich weiter entwickeln. Es war dies beim Ermitteln der Her- kunft der einzelnen Furchungszellen von großem Nutzen. Die Eier sind wenig durchsichtig, und war ich beim Verfolgen der ersten Entwick- lungsvorgänge ganz auf die Hilfe der Reagentien angewiesen. Man kann die Eier sehr schön präpariren, wenn man sie zuerst mit abso- lutem Alkohol behandelt, dann mit GrenacHer schem Alaunkarmin färbt und schließlich in Dammarlack einschließt. Sie erhalten sich so voll- ständig hell, während bei Einschluss in Glycerin die Protolecithtropfen wieder erscheinen und die Präparate undurchsichtig machen. Auch die Furchungsstadien und jüngeren Embryonen kann man nur in präparirtem Zustande genau studiren. Die Behandlung war hier eine verschiedene. Sie wurden entweder in ein Gemisch von 1 Theil Chromsäure, 1 Theil Essigsäure auf 100 Theile Wasser, oder gleich in absoluten Alkohol gebracht und dann mit Alaunkarmin gefärbt. Nach der Behandlung mit Alkohol geht die Färbung sehr rasch und wird ganz gut, wenn man nur recht verdünnten Karmin anwendet. Von an- deren Tinktionsmitteln versuchte ich noch ammoniakalischen Karmin, Pikrokarmin und Hämatoxylin; erhielt jedoch nur mit dem ersteren manchmal gute Resultate. Die Wirkung ist nicht so sicher und die Fär- bung nicht so distinkt wie bei Alaunkarmin. Eingeschlossen wurden die Embryonen durchweg in dicken Dam- marlack. Das Deckgläschen wurde durch Glasfäden, die sich leicht in 128 F, Blochmann, der passenden Dicke herstellen lassen, gestützt; so konnte der Embryo durch Verschieben des Deckgläschens leicht in jede beliebige Lage ge- bracht werden. Die Beweglichkeit solcher Präparate. erhält sich gut 5 bis 6 Monate lang. Es war mir nicht möglich die jüngeren Embryonen auf Schnitten zu studiren, einestheils wegen der Kleinheit derselben, anderntheils jedoch hauptsächlich darum, weil es oft lange genug anhält, bis man das richtige Stadium gefunden hat, und man dann beim Schneiden zu leicht den Verlust desselben riskirt. Dagegen gelang es leicht von älte- ren Embryonen Schnitte anzufertigen. Diese wurden in der schon erwähnten Weise gefärbt und dann in Paraffın eingebettet. Zum Ein- beiten, welches theils unter der Präparirlupe, theils unter dem Mikro- skope vorgenommen wurde, benutzte ich einen Apparat, welcher erlaubt eine oberflächliche Schicht des Paraffins lange Zeit geschmolzen zu er- halten, so dass man den Embryo leicht orientiren kann. Ein Kupfer- draht von 40 cm Länge und ungefähr 4 mm Durchmesser trägt an einem Ende einen Ring aus dünnerem Kupferdraht; der größte Theil des Drahtes ist mit einem, Holzasche enthaltenden, Reagenscylinder um- geben, der eine allzurasche Abkühlung des Drahtes durch Strahlung verhindert. Man bringt nun diese Vorrichtung so an, dass der Ring sich über der Oberfläche des Paraffinstückes, welches den Embryo auf- nehmen soll, in möglichst kleinem Abstand befindet, und erhitzt das hintere, frei aus der Röhre hervorragende Ende des dicken Drahtes stark. Tritt die Schmelzung nicht sofort auf der ganzen Oberfläche ein, so ist es nur nöthig durch Berühren mit einem heißen Draht dies herbei- zuführen; dann reicht die von dem Ring ausgestrahlte Wärme voll- ständig hin, das Paraffin beliebig lange in flüssigem Zustande zu er- halten. Die tieferen Schichten des Paraffins zeigen eine halbflüssige Konsistenz, was das Festlegen des Embryo sehr erleichtert. Beim Ent- fernen des Ringes tritt sofort Erstarrung ein und der Embryo ist in der gegebenen Lage fixirt. | Die auf diese Weise eingeschlossenen Embryonen wurden auf dem Leiser'schen Mikrotom in Schnittserien zerlegt. Die Schale, welche bald verkalkt und dann beim Schneiden sehr störend ist, kann leicht entfernt. werden, wenn man die Embryonen in Alkohol bringt, dem etwas Sal- petersäure zugesetzt ist. Über die Entwicklung der Neritina Auviatilis Müll. 129 I. Theil. Entwicklungserscheinungen an den sich nicht zu einem Embryo entwickelnden Eiern. A. Eigene Beobachtungen. Die Eikapseln der Neritina enthalten je 70 bis 90 Eier, von denen jedoch immer nur ein einziges zu einem Embryo sich ausbildet. Unter diesen Umständen muss die erste Frage, die wir uns stellen, lauten: Sind denn überhaupt alle in einem Cocon sich findenden Körper wirkliche Eier? Diese Frage ist für Purpura lapillus, wo sich ganz ähnliche Verhältnisse finden, in zweierlei Weise beantwortet worden. Koren und DanIELLsen (3 und 6), welche die sonderbare An- sicht hatten, dass jeder Embryo bei Purpura durch Verschmelzung mehrerer Eier entstehe, zweifelten nicht daran, dass alle die in einer Kapsel sich findenden Körper gleichen Ursprungs und echte Eier seien. CARPENTER (8) dagegen hat richtig erkannt, dass jeder Embryo aus nur einem Ei entsteht, hielt aber die anderen Körper für Dotterkugeln (yolk- spherules). CLAPAREDE Sieht bei Neritina auch die Gebilde, aus denen kein Embryo entsteht, als wirkliche Eier an und mit vollem Recht, wie das Folgende ergeben wird. Wenn man nämlich die Eier, welche man aus einem eben abge- legten Cocon erhält, mit denjenigen vergleicht, die sich im Ovidukte finden, so lässt sich zwischen denselben nicht der geringste Unterschied wahrnehmen. Größe, Lage und Beschaffenheit des Kernes, wie auch die Zusammensetzung des übrigen Eikörpers stimmen bei beiden voll- ständig überein. Zur vollen Gewissheit jedoch wird diese Identität, wenn wir die im Folgenden zu beschreibenden Entwicklungsvorgänge, die bei beiderlei Eiern sich finden, in Betracht ziehen. Den Grund dafür, dass sich aus einer großen Anzahl von echten Eiern regelmäßig nur eines zu einem Embryo entwickelt, werden wir, wie ich hier zum Voraus bemerken will, darin finden, dass nur dieses einzige Ei befruchtet ist. Wie schon die Überschrift dieses Abschnittes sagt, kann hier immer nur von den unbefruchteten Eiern die Rede sein; denn sie bilden den bei Weitem größten Theil des Kapselinhaltes, und es ist geradezu un- möglich das befruchtete Ei aus der Masse der anderen herauszufinden. Beginnen wir nun mit der Betrachtung der frisch abgelegten Eier. Um solche zu erhalten, ist es nöthig, die in der Nacht abgelegten Cocons Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 9 130 F. Blochmann, möglichst frühe am Morgen einzusammeln. Werden dieselben vor- sichtig in der Eiweißlösung geöffnet, so findet man die Eier, welche einen Durchmesser von 0,12 bis 0,15 mm haben. Ein solches Ei ist in Fig. 35 dargestellt. Dasselbe erscheint aus einer großen Anzahl von gelblichen Kugeln (pr!) zusammengesetzt, deren Zwischenräume von dem feine Körnchen enthaltenden Eiplasma ausgefüllt werden. Etwas excentrisch nach oben gelegen erscheint ein heller Fleck (n), der uns die Lage des Keimbläschens andeutet. Deutlich zur Anschauung bringen kann man den Eikern nur mit Hilfe von Reagentien. Die gelben Kugeln (pri), welche beim Zerdrücken des Eies eine talgartige Konsistenz zeigen, bilden den Vorrath der Eizelle an Nähr- stoffen, welche Stoffe man in der letzten Zeit nach dem Vorgange For's als Protolecith zu bezeichnen pflegt. Wird ein Ei mit absolutem Alkohol behandelt und darauf mit Glycerin oder Nelkenöl aufgehellt, so sind die Protolecithtropfen und eben so die kleineren Körnchen voll- ständig verschwunden, und es bleibt nur noch ein ihre Zwischenräume ausfüllendes Netzwerk einer sehr feinkörnigen Substanz zurück , die in der Umgebung des Kermes und an der Peripherie des Eies etwas mehr angehäuft erscheint. Dieses Netz wird von dem eigentlichen Proto- plasma des Eies gebildet. Durch die Behandlung mit Alkohol sind je- doch die Protolecithtropfen nicht aufgelöst, sondern nur so verändert worden, dass sie eben unsichtbar werden; denn wenn man ein in Gly- cerin eingeschlossenes Präparat einige Tage liegen lässt, so treten sie wieder auf und machen das Ei eben so undurchsichtig wie vorher. Die kleinen Tröpfchen dagegen erscheinen nur in viel geringerer Anzahl wieder, sind also zum Theil aufgelöst worden. Äther, welcher die großen, gelben Tropfen unverändert lässt, entfernt die kleinen; man könnte daraus wohl auf eine fettige Natur der letzteren schließen. Die nächste Frage ist nun die: Hat das Ei eine Membran oder nicht? Im frischen sowohl, als im präparirten Zustande ist von einer solchen nichts wahrzunehmen; auch gelingt es nicht durch Zerdrücken des Eies eine Membran darzustellen. Dagegen gelingt es dabei leicht, sich von einem anderen Umstande zu überzeugen. Wenn ein Ei näm- lich an einer Stelle verletzt wird, so treten aus derselben die Protole- cithtropfen und der übrige Inhalt aus, während das Ei sich zusammen- zieht, wie ein prall gefüllter Gummiball, der angestochen wird. Dabei zeigt sich deutlich eine peripherische Schicht hellen sehr feinkörnigen Plasmas, welche durch die Kontraktion dicker wird und dadurch um so deutlicher hervortritt. | Dass wir es hier mit einer peripherisch dichteren Plasmaschicht und nicht mit einer wirklichen Membran zu thun haben, geht zur Ge- Über die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. 131 nüge daraus hervor, dass diese Hülle in der Eiweißlösung nach einiger Zeit spurlos verschwindet; noch rascher findet diese Auflösung in Wasser statt. Die Eier entbehren also einer eigentlichen Dotterhaut. CLarar&de konnte am Ei selbst auch keine solche nachweisen, glaubte jedoch an die Existenz einer wirklichen Dottermembran, weil er meinte, einen innerhalb der Eihaut rotirenden Embryo beobachtet zu haben. Da ich im nächsten Theile zeigen werde, dass das von ÜLAPAREDE für einen Neritinenembryo gehaltene Wesen überhaupt kein solcher war, so fällt auch der auf diese Beobachtung gestützte Beweis einer Dotter- haut (9, p. 199). Ehe ich nun zur Betrachtung des Eikernes und seiner Verände- rungen übergehe, will ich bemerken, dass es nur mit Hilfe von Rea- gentien möglich ist diese Verhältnisse zu untersuchen, da im frischen Zustande der reichlich vorhandene Protolecith jede Einsicht in das: Innere des Eies verhindert. Die Präparate wurden hergestellt indem die Eier nach Behandlung mit absolutem Alkohol mit Alaunkarmin ge- färbt, dann mit Nelkenöl aufgehellt und in Dammarlack eingeschlossen wurden. Ein in dieser Weise behandeltes frisch abgelegtes Ei ist in Fig. 1 dargestellt. Es zeigt uns ein großes excentrisch gelegenes Keimbläs- chen (n) von ungefähr 0,04 mm Durchmesser; in Fig. I a ist ein sol- ches von einem Eierstocksei isolirt dargestellt. In beiden Fällen er- kennen wir eine sehr deutliche doppelt konturirte Kernmembran. Im Inneren findet sich ein reich verzweigtes Plasmanetz, von welchem der große Nucleolus (nc) getragen wird. Der übrige Raum wird von Kern- saft erfüllt. Der Nucleolus färbt sich mit Alaunkarmin sehr intensiv, während das Plasmanetz des Kernes einen etwas helleren Ton zeigt. In dem Nucleolus des isolirten Keimbläschens (nc, Fig. 1 a) kann man eine Vacuole bemerken, welche an dem gefärbten Objekte nicht wahr- zunehmen ist. Möglich, dass sie durch die Wirkung des Alkohols ver- schwunden ist. i Um die nun auftretenden, mit dem Austritt der Richtungsbläschen zusammenhängenden Veränderungen des Kernes zu studiren, versuchte ich Anfangs auch die Eier in der Eiweißlösung sich entwickeln zu lassen, was ja bei den in der Furchung begriffenen Eiern so gut ge- lungen war; ich musste jedoch bald die Erfahrung machen, dass die so erhaltenen Veränderungen pathologischer Natur waren. Es ist mir 2. B. nie gelungen ein Richtungsbläschen,, welches schon zur Hälfte ausgetreten war, in der Eiweißlösung zur vollständigen Abschnürung zu bringen. Ich gab darum, um vor anormalen Veränderungen sicher zu sein, die Weiterentwicklung der Eier in Eiweißlösung ganz auf und 9* 132 F, Blochmann, verschaffte mir die verschiedenen Entwicklungsstadien dadurch, dass ich die Cocons zu verschiedenen Tageszeiten einsammelte und die Eier sofort nach Öffnung der Eikapsel in Alkohol brachte und präparirte. Dabei habe ich herausgefunden, dass der Austritt der Richtungsbläschen bei den Eiern der Neritina sehr langsam erfolgt; es ist nämlich fast ein ganzer Tag dazu erforderlich. Man findet ungefähr bis gegen 7 Uhr Morgens den Eikern noch unverändert, gegen 10 Uhr ist der erste Amphiaster ausgebildet, um 12 Uhr das erste Richtungsbläschen aus- getreten, gegen 2 oder 3 Uhr des Nachmittags findet sich der zweite Amphiaster, und bei Eiern, die man des Abends sammelt, sind die Richtungsbläschen endlich in Mehrzahl vorhanden. Diese Zeitangaben werden natürlich nicht ganz konstant sein, sondern von den äußeren Verhältnissen, besonders von der Temperatur abhängen. In der Zeit, zu welcher ich diese Beobachtungen anstellte, betrug die mittlere Tem- peratur des Neckarwassers ungefähr 16 bis 18% C. Die erste Veränderung, die man an dem Keimbläschen wahrnehmen kann, besteht darin, dass die Membran desselben nicht mehr prall ge- spannt erscheint, sondern unregelmäßige Falten und Einbuchtungen zeigt (Fig. 2). Im weiteren Verlauf der Entwicklung verschwindet die Kernmembran durch Auflösung vollständig, und an Stelle des eigent- lichen Eikernes finden wir einen homogen aussehenden Flecken (Fig. 3). Dessen Ränder erscheinen manchmal ziemlich scharf begrenzt, und man kann sich ihn wohl dadurch entstanden denken, dass sich die Konsi- stenzverschiedenheiten zwischen Kernsaft und Kernplasma ausgeglichen haben; in dieses Gemisch wird auch die verflüssigte Kernmembran ein- gehen. Ob es nöthig ist eine direkte Vermischung des Kerninhaltes mit dem Eiplasma anzunehmen, will ich nicht definitiv entscheiden. Gegen eine solche spricht die verschiedene Tingirbarkeit des umgewandelten Kernes und des Eiplasmas. Das Kernplasma erscheint ganz gleichmäßig, äußerst feinkörnig und färbt sich mit Alaunkarmin etwas stärker als das Eiplasma, hingegen wieder schwächer als das im intakten Kern vor- handene Plasmanetz, was sich wohl daraus erklärt, dass die jetzt homo- gen erscheinende Substanz des Kernes durch die Aufnahme des Kern- saftes weniger konsistent geworden ist, als das ein Netz bildende Plasma es war. | Die wichtigsten Veränderungen betreffen jedoch den Nucleolus. In Fig. 3 sehen wir denselben noch ganz unverändert in der schon homo- gen gewordenen, membranlosen Kernsubstanz liegen und können durch die folgenden in Fig. 4 und 5 dargestellten Stadien erkennen, wie der- selbe allmählich in mehrere Bruchstücke zerfällt, die immer nahe zu- Über die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. 133 sammen liegen bleiben. Die Bruchstücke des Keimfleckes zeigen genau dieselben optischen Eigenschaften und dasselbe Verhalten gegen Tink- tionsmittel, wie der unversehrte Nucleolus. Sie färben sich sehr intensiv mit Alaunkarmin und zeichnen sich durch einen starken eigenthüm- lichen Glanz aus; wenn man stark schiefe Beleuchtung anwendet, so dass das Gesichtsfeld eben anfängt sich zu verdunkeln, so treten sowohl der unveränderte Nucleolus, als auch seine Theilstücke stark glänzend hervor, so dass diese Theile mit voller Sicherheit von anderen, vielleicht zufällig in der Nähe sich findenden Granulationen zu unterscheiden sind. Während die eben geschilderten Vorgänge Keimbläschen und Keim- fleck umbilden, treten auch im Eiplasma Veränderungen auf. In den Figuren 3, 4, 5 sehen wir, dass die bekannten Strahlensysteme aufge- treten sind, und es scheint, dass die dem Eicentrum zu gelegene Sonne gewöhnlich zuerst entsteht. Die Strahlensysteme sind Anfangs schwach und wenig ausgedehnt, um erst, wenn die Kernspindel vollständig kon- stituirt ist, das Maximum ihrer Ausbildung zu erreichen. Ein sogenann- ter Gentralhof in den Sonnen, wie er schon öfter bei anderen Objekten beschrieben wurde, ist hier nicht zu bemerken. Die Strahlen der Sonnen scheinen alle von einem Punkte auszugehen, ohne dass jedoch hier ein centrales Körnchen sich fände. Im weiteren Verlauf der Entwicklung ordnen sich nun die Theilstücke des Nucleolus, die bisher unregelmäßig zusammengehäuft lagen, in einer Ebene an, die meist etwas schief gegen den durch den Kern gehenden Radius steht. In Fig. 5 sind diese ‚Verhältnisse im Profil, in Fig. 7 dagegen von der Fläche gesehen darge- stellt. Wenn die erwähnte Anordnung eingetreten ist, strecken sich die Elemente der auf diese Weise gebildeten Kernplatte etwas in die Länge (Fig. 5, 6). Die Richtung der Kernspindel fällt Anfangs nicht ge- nau mit der eines Radius zusammen, sondern ist etwas schief gegen die Eioberfläche gestellt, wie dies auch For z. B. für Pterotrachea ängiebt. Später, wenn das Austreten der Richtungsbläschen beginnt, steht die Spindelachse ungefähr senkrecht zur Oberfläche. Eine Frage von großer theoretischer Wichtigkeit ist nun die, ob die Spindelfasern (filaments bipolaires nach For) aus den Theilproduk- ten des Nucleolus hervorgehen, oder ob sie gleichwerthig mit den übri- gen Strahlen der Sonnen sind. Dass die Elemente der Kernplatte (gra- nules de BürsceLı; For) aus Theilstücken des Nucleolus entstehen, kann bei unserem Objekt keinem Zweifel unterliegen, da ich alle Übergangs- zustände vom unversehrten Nucleolus bis zur ausgebildeten Kernplatte beobachtet habe [cf. Fig. 2—6). Manchmal schienen auch von diesen Körnchen Fasern auszugehen (Fig. 5), so dass es den Anschein hatte, als ob die Spindelfasern aus den 134 F. Blochmann, Elementen der Kernplatte entstünden; dadurch jedoch, dass eben in dieser Zeit auch die Strahlensysteme auftreten, wird es sehr schwer, . diese Frage definitiv zu entscheiden. Für die Ableitung der Spindel- fasern von den Körnchen Bürscari’s, oder wenigstens von dem Kern- plasma, kann vielleicht auch der Umstand geltend gemacht werden, dass jene immer etwas stärker und homogener erscheinen, als die Strah- len der Sonnen. Ein gewichtiger Grund dagegen besteht allerdings da- rin, dass die Spindelfasern sich lange nicht so intensiv färben, wie die Kernplatte. Zu einer sicheren Entscheidung dieser Verhältnisse konnte ich leider nicht kommen. In der Umgebung der Kernspindel bemerkt man immer, wie Fig. 6 und fg. zeigt, eine schwache Anhäufung von feinkörnigem Protoplasma ; jedoch treten auch die Protolecithtropfen sehr nahe an den metamor- phosirten Kern heran, und die Strahlensysteme dringen oft zwischen dieselben ein. Wenn die Kernspindel ihre volle Ausbildung erreicht hat, so beginnen die Körnchen Bürscaır's sich zu theilen, wie dies in Fig. 8 dargestellt ist. Indem die so entstehenden Theilplatten weiter aus einander rücken (Fig. 9), dreht sich die Achse der Spindel so, dass sie auf einem noch etwas weiter vorgeschrittenen Stadium, wie es ‚Fig. 10 zeigt, senkrecht zur Oberfläche des Eies steht. Sobald die Thei- lung der Spindel so weit fortgeschritten ist, nehmen wir auch an der äußeren Gestalt des Eies, die bisher von den im Inneren sich abspielen- den Vorgängen nicht beeinflusst wurde, eine Veränderung wahr. Be- trachten wir Fig. 10 und 36, so sehen wir, dass das Ei sich in einer Richtung, welche der Achse der Kernspindel entspricht, bedeutend in die Länge gestreckt hat. Diese Streckung verschwindet wieder voll- ständig, wenn das erste Richtungsbläschen sich abzuschnüren beginnt. Den Grund dieser Gestaltsveränderung, die ganz konstant auftritt, dürfen wir wohl in dem Auseinanderweichen der Kernplattenhälften suchen, denn wie ja allgemein angenommen wird, werden dieselben nicht durch eine äußere Kraft aus einander gezogen, sondern die sie von einander entfernende Kraft hat ihren Sitz in den Kernplattenhälften selbst. Es würde also hier vom Kern die Anregung ausgehen, welche eine Bewe- gung des Eiplasmas zur Folge hat. Die Rolle des Kernes bei der Zell- theilung dürfte also vielleicht doch nicht so ganz passiv sein, wie man in der neueren Zeit anzunehmen geneigt ist. | Die zwischen den aus einander getretenen Kernplattenhälften sich findenden Fasern verhalten sich eben so wie die Fasern der intakten Spindel; sie sind zart und wenig tingirbar. Es werden hier keine stark sich färbende, aus der Substanz der Kernplattenelemente bestehende Über die Entwieklung der Neritina fluviatilis Müll, 135 Fäden, sogenannte transitorische Verbindungsfäden (STRASBURGER), ge- bildet. In Fig. 40 haben die Kernplattenhälften noch nicht ganz die Enden der Spindel erreicht. Während dies geschieht, erhebt sich von der Ei- oberfläche eine kleine Hervorragung, die aus hellem nur äußerst feine _ Körnchen enthaltendem Protoplasma gebildet wird, und in diese Her- vorragung tritt die eine Kernplattenhälfte ein (Fig. 14). Auch die äußere Sonne rückt mit in diese Ausstülpung hinaus; es ist dies zwar in Fig. 11 nicht zu bemerken, tritt dagegen deutlich in den Figuren 12 bis 15 her- vor. Die im Ei verbleibende untere Sonne ist während des ganzen Vor- ganges deutlich. Der ausgetretene Protoplasmahügel beginnt jetzt sich abzuschnüren, wie es Fig. 12 bis 15 zeigen; dabei lässt sich leicht ver- folgen, wie die Verbindungsfasern der Kernplattenhälften durch die ein- dringende Ringfurche zusammengedrängt und schließlich durchgeschnürt werden. So kommt das erste Richtungsbläschen zu Stande (Fig. 11 und fg. Rbl,). Die beiden Theilkernplatten, von denen die eine noch im Ei, die andere in dem Richtungsbläschen sich findet, verhalten sich im weiteren Verlaufe der Entwicklung ganz gleich ; aus jeder derselben nämlich entsteht ein neuer Amphiaster. Hier weisen meine Beobachtungen leider eine kleine Lücke auf, da es mir nicht gelungen ist alle Details, die sich bei der Entstehung des zweiten Amphiasters finden, zu ergründen. Das jedoch kann ich als sicher hinstellen, dass weder in dem Ei noch in dem Richtungsbläs- chen die Elemente der Kernplatte zu einem eigentlichen Kerne ver- schmelzen. Die im Ei bleibende Theilplatte, welche während der Ab- schnürung des Richtungsbläschens ganz nahe an die Peripherie getreten ist (Fig. 13), rückt wieder weiter gegen das Innere zu (Fig. 14) und entfernt sich zugleich von dem Centrum des Strahlensystems (Fig. 45). Das nächste von mir beobachtete Stadium zeigt schon ein zweites Strahlensysiem, oder den ausgebildeten zweiten Amphiaster (Fig. 16). Zugleich bemerken wir hier in dem Richtungsbläschen RÖbl, eine voll- ständige Kernspindel. Ob an den Enden derselben Strahlensysteme vorhanden sind, konnte ich bei der Kleinheit des Objektes nicht ent- scheiden. Merkwürdig ist dabei jedoch, dass, wie die Figur zeigt, die Enden der Spindel aus dem Körper des Richtungsbläschens hervorragen. Ich habe dies zwar nicht in allen, aber doch in vielen Fällen beob- achtet und werde darauf noch einmal bei Besprechung der Kernspindel in pathologisch veränderten Eiern, wo sich Ähnliches findet, zurück- kommen. Bevor ich die weitere Entwicklung des zweiten Richtungsamphi- asters bespreche, möchte ich die an dem ersten Richtungsbläschen 136 F, Blochmann, wahrzunehmenden Veränderungen betrachten. Wie sich ja schon aus dem Auftreten einer Kernspindel erwarten lässt, findet hier eine wirk- liche Zelltheilung statt. Solche Theilungszustände habe ich zahlreich beobachtet und in Fig. 17 bis 19 dargestellt. Durch sie wird das erste Richtungsbläschen Rbl, in zwei neue Rb/’, und Rbl’, getrennt. Ob nun diese Theilung des ersten Richtungsbläschens ein ganz konstanter Vor- gang ist, kann ich nicht bestimmen. Die Häufigkeit der Theilungszu- stände ließe wohl auf eine solche Regelmäßigkeit schließen. Ob jedoch bei den in Fig. 18, 20 und 21 dargestellten Eiern die Theilung unter- blieb, oder ob das eine der Theilbläschen verloren ging, ist schwer zu entscheiden. Die Theilung des ersten Richtungsbläschens scheint in keiner zeitlichen Beziehung zu der Ausbildung des zweiten Richtungs- - amphiasters zu stehen; denn während in den Figuren 17 und 19 die Theilungszustände der Spindel in dem Richtungsbläschen und der zwei- ten Richtungsspindel ungefähr gleich sind, sehen wir in Fig. 22 die . Theilung in der Spindel des ersten Richtungsbläschens erst beginnen, während das zweite Richtungsbläschen schon vollständig abgeschnürt ist. Was nun die am zweiten Richtungsamphiaster vor sich gehenden Veränderungen anlangt, welche zur Abschnürung des zweiten Rich- tungsbläschens Abi, Fig. 19 und fg. führen, so ist darüber wenig Be- sonderes zu sagen. Die Figuren zeigen, dass die Verhältnisse ganz analog denjenigen sind, welche wir bei der Abschnürung des ersten Richtungs- bläschens beobachten konnten. Die Kernplatte theilt sich, die Achse der Spindel wird wieder annähernd senkrecht zur Eioberfläche, es er- hebt sich ein kleiner Protoplasmahügel, in welchen die eine Kernplatten- hälfte eintritt; der Hügel schnürt sich von der Eizelle ab, und wir haben das zweite Richtungsbläschen. Mehr als zwei Richtungskörper scheinen nicht abgeschnürt zu wer- den, denn ich habe in keinem einzigen Fall unter den vielen hunderten untersuchter Eier mehr als drei Richtungsbläschen beobachten können und nach den oben geschilderten Verhältnissen muss ich annehmen, dass immer zwei davon durch Theilung des zuerst abgeschnürten ent- standen sind. Dass man in vielen Fällen, wie die Figuren zeigen, nur zwei Richtungsbläschen beobachtet, hat seinen Grund darin, dass ent- weder die Theilung des zuerst entstandenen unterblieb, oder dass eben eines verloren ging. | An dieser Stelle möchte ich die Betrachtung der pathologisch ver- änderten Kernspindeln, wie ich sie in Fig. 24 und 25 dargestellt habe, einschalten. Die Eier, welche die hier zu besprechenden Verhältnisse zeigten, hatten bei sehr warmem Wetter mehrere Stunden in der schon öfter erwähnten Eiweißlösung gelegen und zwar wurden sie ungefähr Über die Entwieklung der Neritina fluviatilis Müll. 187 um 8 oder 9 Uhr des Morgens eingelegt, also zu einer Zeit, wo nach den oben berührten Beobachtungen der erste Amphiaster ausgebildet sein Konnte. Schon am lebenden Ei konnte man nach einiger Zeit das Hervor- treten eines ganz hyalinen, vollständig scharf auslaufenden Spitzchens (Fig. 24 und 25 sp) beobachten. Wurden solche Eier dann in der be- kannten Weise präparirt, so ergaben sich die in den Figuren darge- stellten Verhältnisse. Es findet sich eine in den mittleren Theilen nor- mal ausgebildete Kernspindel, deren Fasern sich nicht in einem Punkte treffen, sondern in einer scharf markirten Linie an einen soliden Körper sich ansetzen, welcher nach außen hervortritt und das schon erwähnte Spitzchen sp bildet. Der an dem inneren Ende der Spindel gelegene Theil sp’ ist von weniger regelmäßiger Gestalt. Beide Theile, sowohl der innere, als auch der äußere färben sich gleichmäßig und viel inten- . siver als das umgebende Eiplasma, ja beinahe so stark als die Körnchen BürscaLrs. In dem nach außen tretenden Spitzchen glaubte ich manch- mal eine ganz zarte Streifung zu bemerken. Die Strahlensysteme setzen sich, wie die Figuren zeigen, an dem äußeren Ende der Spindel unge- fähr da an, wo die Spindelfasern auf den soliden Körper des Spitzchens stoßen und auch die innere Spitze, wenn man es so nennen will, wird nicht vollständig von ihnen umgeben. In Fig. 25 ist die Kernplatte ge- theilt, und die Theilplatten schon ziemlich weit aus einander gerückt. Eine genügende Erklärung dieser Verhältnisse zu finden dürfte sehr schwer fallen. Sollen wir annehmen, dass die beiden Spitzchen der Spindel auch unter normalen Verhältnissen vorhanden und nur nicht sichtbar sind? Ich halte dies besonders wegen der verschiedenen Tingirbarkeit nicht für statthaft. Auch ist ja überhaupt in den Mittel- punkten der Sonnen keine homogene Stelle zu bemerken, sondern die Sonnenstrahlen sowohl, als auch die Spindelfasern scheinen sich alle in einem Punkte zu treffen. Nehmen wir aber die Verhältnisse wie sie sind, so scheint daraus, dass die Spindelfasern sich alle an die Spitz- chen ansetzen, von denen das eine auszutreten beginnt, vielleicht her- vorzugehen, dass die Spindel mit den beiden Spitzen ein für sich ab- geschlossenes Ganzes bildet. Bei diesem Anlasse suchte ich eifrig nach einer die Spindelfasern etwa umgebenden Membran, wie sie z. B. für die Infusoriennucleoli nachgewiesen ist, Konnte jedoch nichts derartiges auffinden. Man darf vielleicht annehmen, dass ähnliche Verhältnisse, wie die geschilderten dem von Bürscauı für Gucullanus elegans abgebildeten Stadium zu Grunde lagen (21, Taf. II, Fig. 12), wo die unverletzte Spindel an die Eioberfläche gerückt ist. Bei den von mir untersuchten 138 F. Blochmann, Eiern ist es zwar nie gelungen, ein weiteres Austreten, als das abgebil- dete, zu beobachten ; denn auf diesem Stadium angelangt gingen die Eier regelmäßig zu Grunde. Kommen wir nach diesem Exkurse wieder zu den normalen Ver- hältnissen zurück. Während des Austritts der Richtungsbläschen sind auch in dem Aufbau des Eikörpers Veränderungen vor sich gegangen. Das fein- körnige Protoplasma, welches von vorn herein schon in der Umgebung des Kernes etwas angehäuft war, ist jetzt zum größten Theil in die- jenige Eihälfte gewandert, an welcher die Richtungsbläschen ausge- treten sind. Dies zeigt sich besonders deutlich am frischen Ei (Fig. 36) und ist auch in den Fig. 23, 26 und den fg. bemerkbar. Dadurch ist die schon durch die excentrische Lage des Eikernes, nachher durch die Austrittsstelle der Richtungsbläschen deutlich ausgesprochene polare Diffe- renzirung der Eizelle noch mehr hervorgetreten. Aus den bis jetzt betrachteten Entwicklungsvorgängen ist es nicht möglich zu entscheiden, ob die Eier befruchtet sind, oder nicht und ist dies eigentlich auch gleichgültig. Da aber für die weitere Entwicklung, oder wie ich es lieber bezeichnen möchte, Umbildung, derselben der Umstand, dass sie nicht befruchtet sind, von großer Bedeutung ist, so muss ich hier die.Gründe angeben, wesshalb ich dieselben schon Ein- gangs für nicht befruchtet erklärt habe. Der Hauptgrund dafür ist negativer Natur. Es ist mir nämlich bei der großen Menge der untersuchten Eier niemals möglich gewesen, in einem derselben einen Spermakern nachzuweisen. Ferner entwickeln sich dieselben nicht zu einem Embryo, und wird man auch den Grund dafür naturgemäß in dem Mangel der Befruchtung suchen müssen, da ja dieselbe bei den Gastropoden eine nothwendige Bedingung der Ent- wicklung ist. Nachdem also das zweite Richtungsbläschen ausgetreten ist, be- merken wir, wie Fig. 22 zeigt, dass die Elemente der im Ei zurückge- bliebenen Kernplattenhälfte auf einer Wanderung gegen das Centrum des Eies begriffen sind; sie liegen unregelmäßig zusammengehäuft und das Strahlensystem hat sie allseitig umgeben. In Fig. 23 sind sie im Mittelpunkt des Eies angelangt, und es sind zugleich die einzelnen Körnchen zu einem Ganzen verschmolzen. Das so gebildete Körperchen erscheint ganz solid und besteht vollständig aus Kernsubstanz, denn es färbt sich eben so intensiv, wie der Nucleolus des unveränderten Ei- kernes und zeigt auch dieselben optischen Eigenschaften. Auch jetzt ist die Strahlung noch deutlich wahrzunehmen. In einzelnen Fällen Über die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. 139 habe ich auch im Centrum des Eies die Körnchen noch unvereinigt auf- finden können. Genau eben so verhalten sich auch die in die Richtungsbläschen übergegangenen Kernplattenelemente. Meistens verschmelzen sie bald zu einem soliden Kern, oft jedoch bleiben sie längere Zeit getrennt. Das eben geschilderte Verhalten der Kernplattenelemente ist, ob- wohl das am wenigsten zu erwartende, doch das bei Weitem häufigste. Nach den anderweitig bekannt gewordenen Erscheinungen sollte man erwarten, dass aus den Körnchen der inneren Kernplattenhälfte durch Aufnahme von Kernsaft kleine Kerne entstehen, die dann zur Bildung des weiblichen Pronucleus verschmelzen. Diese Vorgänge finden sich auch manchmal realisirt, jedoch bleibt es dann meist bei der Bildung der kleinen Kerne (Kernvacuolen), wie es Fig. 26 zeigt, und nur in einem einzigen Falle habe ich einen wirklichen, ausgebildeten weiblichen Pronucleus beobachtet (Fig. 27). Wir sehen also, dass es in den allermeisten dieser Eier nicht zur Bildung eines weiblichen Pronucleus kommt, dass dagegen öfter der Ansatz dazu gemacht wird. Es kommt diese Unregelmäßigkeit und dieses plötzliche Stehenbleiben auf halb erreichtem Wege eben daher, dass das eigentliche Agens, der männliche Pronucleus, in diesen Eiern fehlt. Dass das eingedrungene Spermatozoon eine gewisse anregende Wirkung auf die Umwandlungsvorgänge des Eikernes und die damit in engem Zusammenhange stehende Ausstoßung der Richtungsbläschen und die Bildung des weiblichen Pronucleus ausübt, kann für uns keinem Zweifel unterliegen, wenn wir solche Fälle in Betracht ziehen, wo, wie z. B. bei den Nematoden, die Umwandlung des Eikernes überhaupt erst nach dem Eindringen des männlichen Elementes ihren Anfang nimmt. Unser Fall bildet gewissermaßen ein Mittelglied zwischen den Vor- gängen, welche man an den Eiern der Seesterne einerseits und denen der Nematoden andererseits beobachtet. Dort erfolgt die Umbildung des Eikernes, die Ausstoßung der Richtungsbläschen und die Bildung des weiblichen Pronucleus ganz regelmäßig, auch ohne Einwirkung eines Spermatozoons, hier erst nach dem Eindringen eines solchen in das Ei. Bei den unbefruchteten Eiern der Neritina verläuft der erste Theil dieser Vorgänge bis zur Bildung der Richtungsbläschen auch ohne den Einfluss des Spermakernes, der zweite Theil dagegen, die Bildung des weiblichen Pronucleus zeigt dadurch, dass sie entweder ganz unter- bleibt, oder meist nur zum Theil, in seltenen Fällen ganz vollendet wird, dass hier zu einer regelmäßigen und raschen Entwicklung der Einfluss des Spermakernes unbedingt nöthig ist. Noch größere Unregelmäßigkeiten und noch mehr von allem bis 140 F, Blochmann, jetzt Bekannten Abweichendes bieten die jetzt zu betrachtenden Fur- chungsvorgänge, oder wie ich sie lieber nennen möchte, Theilungsvor- gänge der unbefruchteten Neritineneier. Das Wort »Furchung« möchte ich hier desshalb vermeiden, weil dasselbe doch nur von dem Vorgange gebraucht werden soll, welcher die entwicklungsfähige Eizelle in einen gesetzmäßig aufgebauten Zellenkomplex überführt, und weil wir bei den hier zu betrachtenden Theilungen keine Spur von Gesetzmäßigkeit entdecken können und weil auch die Theilprodukte großentheils gar keine Zellen sind, da ihnen der Kern fehlt. Was uns nun bei diesen Theilungserscheinungen besonders in- teressiren muss, ist das Verhalten des. oder der Kerne. Ich habe auf die Untersuchung dieser Verhältnisse viele Sorgfalt und Mühe verwandt, und stützen sich die folgenden Angaben auf Präparate, die aus unge- fähr 70 bis 80 verschiedenen CGocons stammten. Hinsichtlich des Ver- haltens der Kerne können wir die Eier in zwei Gruppen eintheilen, indem wir in die erste diejenigen rechnen, in welchen es wirklich zur Bildung eines weiblichen Pronucleus gekommen ist (Fig. 27), nebst denjenigen, in welchen sich kein eigentlicher Kern, sondern nur ein solides, aus Kernsubstanz bestehendes, Körperchen findet; in die zweite Gruppe dagegen solche, die eine größere Anzahl aus den Kernplatten- elementen hervorgegangener, kleiner Kerne enthalten (Fig. 26). Für beide Gruppen gemeinsam und ohne Ausnahme gilt, dass hei allen eintretenden Theilungen die Kerngebilde sich vollständig passiv ver- halten und niemals, sei es durch Bildung einer Kernspindel, oder etwa durch einfache Abschnürung irgend wie in die Theilung selbst ein- gehen. In Fig. 30 bis 33 sind nun Thbeilungszustände von solchen Eiern abgebildet, in denen es nicht zur Bildung von eigentlichen Kernen kam. Da das kernartige Gebilde (nn) sich nicht theilt, so sehen wir dem ent- sprechend in den Figuren 30, 32 und 33 auch immer nur eine der Theil- kugeln mit dem Kerngebilde ausgestattet, und diese Kugel allein könnte allenfalls einen Anspruch auf den Namen »Zelle« machen. Ganz ähnlich verhalten sich, wie Fig. 3% zeigt, bei der Theilung diejenigen Eier, bei denen es wirklich zur Bildung eines weiblichen Pronucleus kam. In Fig. 34 habe ich das einzige Präparat abgebildet, welches in zwei Thei- lungskugeln solche kernartige Gebilde zeigt, und ich muss annehmen, dass diese Verhältnisse entstanden sind, indem die Theilung begann, noch ehe die Kernplattenelemente verschmolzen waren — wie oben er- wähnt, erhalten sich dieselben manchmal ziemlich lange diskret — und dass die theilende Furche eben gerade den Körnchenkomplex in zwei Kugeln vertheilte, worauf sie sich erst zu einem soliden Körperchen Über die Entwieklung der Neritina Auviatilis Müll. 141 vereinigten. Die Lage der beiden kernartigen Gebilde lässt ganz gut eine solche Erklärung zu. Noch mehr Wahrscheinlichkeit gewinnt diese Deutung, wenn wir die in der zweiten vorhin unterschiedenen Gruppe sich findenden Theilungen einer näheren Betrachtung unterziehen. In Fig. 28 ist ein Ei mit mehreren Kernen, welches eben in die Theilung eingehen will, dargestellt. Wir sehen, dass durch die auftretende Ring- furche nothwendig eine Trennung der Kernchen herbeigeführt werden muss, und diese Trennung ist in Fig. 29 wirklich vollzogen. Hier hatten wir vor der Theilung eine mehrkernige Zelle, durch die Theilung sind zwei gleichfalls mehrkernige Zellen entstanden. Da also, nach dem Gesagten , kernartige Gebilde sich bei der Theilung der unbefruchteten Eier nicht betheiligen, so können die die Theilung bewirkenden Kräfte ihren Sitz nur in dem Eiplasma haben. Auf diesen Punkt werde ich im nächsten Abschnitt noch zu sprechen kommen. Die Theilung der unbefruchteten Eier zeigt in mancher Beziehung Anklänge an die Furchung des, sich zu einem Embryo entwickelnden, befruchteten Eies. Wir haben schon oben gesehen, dass das Eiproto- plasma an dem animalen Pol sich ansammelte; das Gleiche geschieht auch bei dem befruchteten Ei. Auch bei den unbefruchteten Eiern geht die erste Furche durch die Anheftungsstelle der Richtungsbläschen, oder läuft wenigstens in der Nähe derselben vorbei. Wie bei der eigent- lichen Furchung zweierlei Zellen entstehen, nämlich solche, welche große gelbe Protolecithtropfen enthalten, und kleinere, die davon frei sind, so finden wir auch bei der Theilung der unbefruchteten Eier zweierlei Theilungsprodukte, die sich in der gleichen Weise unter- scheiden. So enthält in Fig. 33 die Kugel & nur feinkörniges Proto- plasma, würde also vielleicht einer Ektodermzelle bei einem sich fur- chenden Ei entsprechen. Auf dem Stadium der Zweitheilung sind die beiden Theilungskugeln der unbefruchteten Eier oft annähernd gleich, so dass man im unpräparirten Zustande ein solches Ei leicht für ein normal sich entwickelndes halten könnte, denn, wie wir bei Betrach- tung der Furchung sehen werden, findet sich dort wirklich völlige Gleichheit der beiden Furchungskugeln zweiter Generation. Alle weiteren Theilungen der unbefruchteten Eier erfolgen jedoch vollständig regellos, so dass das Produkt schließlich ein Haufe von un- geordnet zusammenliegenden Kugeln von ganz verschiedener Größe und Beschaffenheit ist. Hier will ich noch bemerken, dass die Theilung der unbefruchteten Eier viel später beginnt und langsamer vor sich geht, als die Furchung des sich zum Embryo entwickelnden Eies, welches sich oft schon auf dem Stadium von 24 Zellen befindet, wenn bei den 142 F. Blochmann, ersteren die ersten Theilungen auftreten; ja einzelne der unbefruchteten Eier erhalten sich noch viel länger ungetheilt. Was nun das schließliche Schicksal dieser unbefruchteten Eier | anlangt, so hat Crararkoe schon richtig erkannt, dass dieselben dem einen in jeder Eikapsel sich entwickelnden Embryo zur Nahrung dienen. Die einzelnen aus der Theilung je eines Eies entstandenen Kugelgruppen zerfallen schließlich, und Kerngebilde sind in den Bruchstücken nicht mehr nachzuweisen. Eine Verschmelzung dieser Theilprodukte zu einer zusammenhängenden Masse, wie sie bei Purpura lapillus und Bucci- num undatum ziemlich bald eintritt, findet sich bei Neritina niemals. Die einzelnen Kugelgruppen erhalten sich bis zum Zerfall in unregel- mäßige Klumpen und der schließlichen Aufnahme durch den Embryo vollständig diskret. B. Litteraturangaben und allgemeine Betrach- tungen. In diesem Abschnitte möchte ich den umgekehrten Weg einschlagen, wie im vorigen und in direktem Anschluss an die dort zuletzt betrach- teten Theilungserscheinungen der sterilen Eier die wenigen Beobach- tungen, die sich darüber in der Litteratur finden, besprechen. Die ersten, allerdings sehr unzulänglichen Beobachtungen über un- fruchtbare Eier in den Cocons von Prosobranchiern haben wohl Koren und DanieLısen (3) gemacht. Sie kamen damals zu der sonderbaren An- sicht, dass diese Eier auch zum Aufbau des Embryonalkörpers beitrügen, da der letztere durch Verschmelzung mehrerer Eier oder ihrer Theilpro- dukte entstehen sollte, und hielten in einer späteren Arbeit (6) an dieser irrthümlichen Ansicht fest, trotzdem CArPENTER bereits die rich- tigen Verhältnisse erkannt hatte. Einen anderen Irrthum hat aber auch CARPENTER begangen, indem er die in einer Eikapsel sich findenden Körper nicht für gleichwerthig hält, sondern sie in wirkliche Eier — true ova — und Doiterkugeln — yolk-spherules — unterscheidet und unter den ersteren die zu einem Embryo sich entwickelnden Eier ver- steht, welche eben von den anderen, den sogenannten Dotterkugeln, nur dadurch verschieden sind, dass sie eben unbefruchtet sind. KorEn und DaniEeLısen dagegen halten alle die fraglichen Gebilde für wirkliche Eier, und ihrer Ansicht hat sich Serenka (12) und was Neritina anlangt auch GLarAripe angeschlossen (9). Dass auch die sich nicht zu einem Embryo entwickelnden Eier einen Theilungsprocess durchmachen,, wurde von allen Beobachtern, die sich mit diesem Gegenstande beschäftigten, bestätigt; eben so dass diese Theilung unregelmäßig ist und dass sie bei manchen Eiern auch Über die Entwicklung der Neritina fuviatilis Müll. 143 ganz unterbleibt. Auf die irrthümliche Deutung, welche CLarARkDE seinen Beobachtungen gab, hat schon Bürscarı (30) hingewiesen. Er betrachtete das eine große Anzahl von Protolecithtropfen einschließende Ei als Morulastadium und die nachfolgenden Theilungen als Zerfall. Für Purpura erwähnt CArPENTER, dass bei den unfruchtbaren Eiern die ersie Theilung regelmäßig sein soll; jedenfalls kann man darauf keinen großen Werth legen, da bei Neritina regelmäßige und unregelmäßige Stadien der Zweitheilung neben einander in derselben Eikapsel sich finden. Ray Lan&gster bildet (16, Taf. IX, Fig. 43) ein unfruchtbares Ei im Beginn der Zweitheilung ab, welches ungefähr meiner Fig. 28 ent- sprechen dürfte. Eingehender haben sich mit den Theilungserscheinungen der un- befruchteten Eier SEeLenkA bei Purpura lapillus und Bürscarı bei Neri- tina fluviatilis beschäftigt. Beide Autoren sprechen die Vermuthung aus, dass der Grund dafür, dass diese Eier sich nicht entwickeln, in dem Unterbleiben der Befruchtung zu suchen sei. SELENKA konnte in den Zerklüftungskugeln keinen Kern nachweisen, was nach den bei Neri- tina aufgefundenen Thatsachen leicht begreiflich erscheint; da er die Eier nicht färbte, sondern nur unter dem Compressorium untersuchte, so mussten ihm nothwendig die kleinen kernartigen Gebilde, deren Vor- handensein ich auch für Purpura vermuthen möchte, entgehen. Er ist geneigt anzunehmen, dass das Keimbläschen ganz ausgestoßen wird, da er zwischen den Eiern große Kerne wahrzunehmen glaubte. Man darf aber vielleicht annehmen, dass diese Gebilde keine Kerne, son- dern abgefallene Richtungsbläschen waren. BürscuLı dagegen hat das nach Ausstoßung der Richtungsbläschen noch im Ei zurückbleibende solide, aus Kernsubstanz bestehende Körperchen gesehen und abgebildet (30, Taf. XVII, Fig. 1). Darin, dass die Umbildungsvorgänge, welche das unbefruchtete Ei durehmacht, und welche ich als Theilung bezeichnet habe, streng von den bei einem normal sich entwickelnden Ei auftretenden, der Fur- chung, zu unterscheiden sind, muss ich mich mit SeLEnkA für einver- standen erklären. Denn wenn auch ganz unregelmäßige Furchungen in großer Zahl bekannt sind, so zeigen sich doch in jedem einzelnen Fall die Furchungserscheinungen an ein ganz bestimmtes Gesetz ge- bunden und das Produkt ist ein geseizmäßig aufgebautes Wesen, zwei Voraussetzungen, die für die Theilung der unbefruchteten Eier beide nicht eintreffen. Dazu kommt noch als ein weiterer Grund, dass bei den in Rede stehenden Theilungen immer nur eine, oder einige wenige Theilungskugeln Kerne, oder kernartige Gebilde enthalten, während 144 - F, Blochmann, N | wirkliche Furchungskugeln immer mit einem Kern ausgerüstet sind. Auf der anderen Seite darf man den Theilungsvorgang bei den sterilen Eiern der Neritina auch nicht, wie Ray LAnkESTER, geradezu als Zerfall be- j 2 3 zeichnen. Denn von Zerfall könnten wir nur bei einem leblosen Kör- per sprechen; das Protoplasma dieser Eier ist aber beim Beginn der Theilung noch lebendig, es führt die Theilungen aktiv aus. Dass das Eiplasma zu dieser Zeit noch nicht abgestorben ist, kann man daraus \ ( erkennen, dass die Theilprodukte alle Kugelform annehmen; wäre das Protoplasma todt, so würden die Zerfallsprodukte unregelmäßig be- srenzt sein. Eine unregelmäßige Begrenzung tritt erst sehr spät auf, und dann erst können wir die Dotterklumpen als todte Materie be- | trachten. Um nun auf den Theilungsvorgang selbst zu kommen, so ist es schwer zu sagen, wie wir denselben beurtheilen sollen. In den Fällen, wo mehrere kleine Kerne vorhanden sind, wo wir also von einer mehrkernigen Zelle sprechen können, lässt sich die Theilung wohl als Zelltheilung beurtheilen und mit den sonst bekannten Theilungen mehrkerniger Zellen, so z. B. unter den Infusorien Loxodes rostrum, vergleichen, denn es erhält jedes der Theilstücke einen, oder mehrere Kerne. Ist dagegen nur ein Kern, oder ein kernartiges Gebilde vorhan- den, so ist im Allgemeinen immer nur eine der Theilkugeln als Zelle zu betrachten. Ich glaube, dass die große Unregelmäßigkeit der Thei- lungen, so wie besonders der Umstand, dass die Produkte derselben nach kurzer Zeit zu Grunde gehen, uns Vorsicht bei der Verallgemeine- rung der hier sich findenden Resultate empfehlen müssen. So darf man diese Theilungserscheinungen gewiss nicht unbedingt als Beweis dafür betrachten, dass das Protoplasma einer Zelle sich ohne Betheiligung des Kernes theilen könne. Wenn wir die bisher betrachteten Vorgänge übersehen und uns ins Gedächtnis zurückrufen, dass diese ganze Unregelmäßigkeit der Entwicklung ihren Grund darin hat, dass die Eier nicht befruchtet sind, so können wir vielleicht zu einer genaueren Vorstellung über die Wir- kung des Spermatozoons bei der Befruchtung kommen. Den wichtigsten Unterschied nämlich zwischen dem Theilungsprocess der unbefruchteten Eier einerseits und der Furchung der befruchteten andrerseits können wir wohl darin sehen, dass hier jede Furchungskugel einen Kern ent- hält, dort dagegen die große Mehrzahl der Theilungskugeln kernlos. sind. Bei der Furchung ist jede Zelltheilung mit einer Kerntheilung verbunden, bei den sterilen Eiern hat der Kern die Fähigkeit sich zu theilen verloren. Indem also das befruchtende Spermatozoon zunächst einen Theil der durch Ausstoßung der Richtungsbläschen verloren Über die Entwicklung der Neritina Auviatilis Müll. 145 gegangenen Kernsubstanz ergänzt, setzt es weiter auch den Eikern in Stand in neue Theilungen einzugehen. Damit wären wir nun auch zu der wichtigen Frage gekommen, ob die Anregung zur Theilung vom Kern oder vom Eiplasma ausgeht. Vielleicht können uns auch hier die unbefruchteten Eier einen wich- tigen Fingerzeig geben. Bei ihnen nämlich, wo der Kern sich nicht theilt, also jedenfalls keinen Einfluss auf die Theilung ausüben kann, sehen wir nichtsdestoweniger doch die erste Theilung ungefähr eben so erfolgen, wie bei dem befruchteten Ei. Wir dürfen daraus wohl schließen, dass auch im letzteren Fall die Anregung zur Theilung so- wohl der Zelle, als auch des Kernes vom Protoplasma ausgeht. Zu dieser Ansicht kamen auch BürschLI und STRASBURGER; der erstere be- sonders durch die Beobachtung, dass bei den in Konjugation befind- lichen Infusorien die Nucleoli, die weit von einander liegen, sich doch alle auf dem gleichen Theilungsstadium befinden; der letztere vor- wiegend durch die Theilungserscheinungen bei mehrkernigen Zellen und die Thatsache, dass in den Embryosäcken der höheren Pflanzen die Theilung der Kerne von einem Punkt aus allmählich fortschreitet !. - Wenn wir uns nun aber weiter fragen, welche Rolle denn der Kern bei der Theilung spielt, so bieten uns vielleicht auch hier die unbe- fruchteten Eier der Neritina einen Anhaltspunkt. Ich glaube nämlich annehmen zu dürfen, dass die Thätigkeit des Kernes bei der Zelltheilung in gewisser Beziehung eine regulatorische ist; denn fast überall wo Theilungen nach einem bestimmten Gesetz 1 FLemnming (44) hat in mehrkernigen Zellen des Hodenepithels von Salamandra beobachtet, dass auch hier die Kerne derselben Zelle sich immer auf dem gleichen Theilungsstadium befinden. Davon ausgehend sagt er (l. c. p. 490): »Darnach lässt sich der selbstverständliche und nicht unwichtige Schluss ziehen, dass die näch- sten Ursachen, welche einen Kern zur Theilungsmetamorphose veranlassen, nicht oder nicht allein in ihm selbst wirken, sondern zugleich durch die ganze Substanz der Zelle hindurch thätig sind, in welcher er liegt.« Dieser Satz ist gewiss richtig; nur irrt sich FLEMMING darin, dass er ihn für neu hält. Denn BütscaLı hat schon vier Jahre vorher ganz denselben Satz aufgestellt (21, p. 206), wo er in Bezug auf die Theilung der primären Nuclei der Infusorien sagt: »Ein so gleichmäßiges Fort- schreiten des Theilungsprocesses von z. B. vier getrennten Kernen drängt uns natürlich dazu, die nächste Ursache in dem umgebenden Protoplasma zu suchen, das auf die sämmtlichen Kerne in gleicher Weise wirkt.« BürscaLı hatte ferner die gleiche Thatsache in den mehrkernigen Spermatozoenkeimzellen beobachtet und für seine Ansicht noch eine weitere Stütze durch die bei der Bildung der Schwärmsprösslinge von Podophrya quadripartita sich findenden Verhältnisse bei- gebracht, bei welcher Gelegenheit er noch einmal speciell daraufaufmerksam machte, dass die ersten Theilungserscheinungen am Protoplasma und nicht am Kerne auf- treten. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 10 146 F. Blochmann, erfolgen , ist mit der Zelltheilung die Kerntheilung verbunden. Wo da- gegen, wie bei unserem Objekt, die Kerntheilung fehlt, ist die Thei- lung eine regellose, keinem bestimmten Gesetz gehorchende. Scheinbar einen Widerspruch bilden hier die Theilungen der mehrkernigen Zellen, doch dürfte vielleicht hier eine gesetzmäßige Vertheilung der Kerne die eigentliche Kerntheilung ersetzen. Wir finden auch in Wirklichkeit bei mehrkernigen Zellen die Kerne manchmal regelmäßig angeordnet. Für die auch sonst schon beobachtete Thatsache, dass das Proto- plasma den Zellkern dahin führt, wo eine Zelltheilung stattfinden soll, bietet die Furchung von Neritina ein schönes Beispiel, nämlich die Wanderung der Kerne in den vier Furchungskugeln dritter Generation vom animalen gegen den vegetativen Pol bei der im nächsten Theil zu besprechenden Entstehung des Entoderms und Mesoderms 1. 1 Bei diesen Betrachtungen über die Vorgänge der Zelltheilung möchte ich noch einige Worte über die von For (33) jüngst aufgestellte Hypothese anfügen, welche die Kraft, die das ganze Zellenleben beherrschen soll, in der Elektricität gefunden haben will. Der größte Theil des dieser Hypothese gewidmeten Ak- schnittes beschäftigt sich nur damit, uns zu zeigen, wie wenig wir eigentlich über die in der Zelle thätigen Kräfte wissen. Wer sagt uns überhaupt, dass dieselben elektrischer Natur sind? Wenn For das Vorhandensein von elektrischen Kräften daraus erschließen will, dass ein etwas zu starker galvanischer Strom durch Auf- hebung der in der Zelle sich findenden elektrischen Differenzen den Tod herbei- führe, so ist dies noch lange kein zwingender Schluss. Denn kann der Tod nicht eben so gut durch Zersetzungen, die der Strom hervorbringt, veranlasst werden ? Angenommen, es fänden in der Zelle sich irgend welche Ströme, so würde ein äußerer Strom auf dieselben eine richtende Wirkung ausüben, gleichviel ob der- selbe stärker oder schwächer ist. Die Wirkung auf die Zelle könnte immer nur quantitativ, nicht qualitativ verschieden sein. Es dürfte also bei einem schwäche- ren Strom nicht, wie For beobachtet hat eine Beschleunigung der Plasmabewegung eintreten, sondern gerade wie bei einem stärkeren eine Verzögerung, nur in ge- ringerem Maße. Mit dieser Erwägung stimmen auch die sonstigen Beobachtungen überein. Wie die Untersuchungen an Pflanzenzellen gezeigt haben, verursacht ein schwacher Strom wirklich eine Verlangsamung der Protoplasmabewegung. Die Beschleunigung, die For beobachtet hat, ist lediglich eine Folge der durch den Strom erzeugten Wärme (cf. VELTEN, 49). Dass die im Protoplasma vorhandenen molekularen Körnchen Anziehungen und Abstoßungen zeigen, wie sie ähnlich be dem bekannten Experiment mit Hollundermarkkugeln, von denen die eine elek- trisch ist, auftreten, ist bekannt. Selbst für den Fall nun, dass diese Erscheinungen wirklich durch einen elektrischen Zustand der Körnchen bedingt werden, ist es immer noch fraglich, ob die hier sich findende Elektrieität die Ursache der Plasma- bewegung abgeben kann, oder ob wir nicht vielleicht umgekehrt den Grund des elektrischen Zustandes dieser Körnchen in der durch andere Kräfte hervorgerufenen Bewegung zu suchen haben. Jedenfalls muss bei dem jetzigen Stande unseres Wissens die elektrische Hypothese For’s mindestens eben so verfrüht und unbe- Über die Entwicklung der Neritina Auviatilis Müll. 147 Kommen wir nun zu einem weiteren Punkt, nämlich zu der Frage: Woher kommt es, dass bei vielen Prosobranchiern regelmäßig eine so große Zahl von Eiern unbefruchtet bleibt? Darauf eine entscheidende Antwort zu geben ist bis jetzt unmöglich. Wir sehen ja, dass bei Palu- dina, Entoconcha, bei den von BosrErzky untersuchten Formen und anderen alle Eier sich entwickeln. Dass bei Purpura und Buccinum nur eine geringe Anzahl von Eiern befruchtet wird, lässt sich noch ver- stehen, wenn wir annehmen, dass immer nur eine beschränkte Menge von Sperma vorhanden ist. Dagegen muss uns der Umstand, dass bei Neritina ganz regelmäßig immer nur ein Ei in jedem Cocon befruchtet ist, vollständig unbegreiflich erscheinen, wenn wir nicht besondere, bis jetzt noch unbekannte, Einrichtungen der weiblichen Geschlechts- organe annehmen wollen. Kehren wir nun zu den im vorigen Abschnitt, entsprechend dem natürlichen Verlauf der Dinge, zuerst betrachteten Erscheinungen, zur Kernmetamorphose und Ausstoßung der Richtungsbläschen zurück. Ich will gleich bemerken, dass ich nicht für nöthig halte, hier die ganze einschlägige Litteratur zu berücksichtigen, sondern mich vor- wiegend auf die Schriften von BürscnLı, For, HertwıG und STRASBURGER beschränken werde, und zwar desswegen, weil die Eier der Neritina ein viel zu ungünstiges Objekt sind, um bei allen Fragen, die bei der gründet erscheinen, wie die Theorie von der Perigenese der Plastidule, die sie er- setzen soll. Überhaupt verdient diese Auseinandersetzung gar nicht den Namen Hypothese, da sie erstens keinen einzigen zwingenden Grund enthält, der uns nöthigte bei den in Rede stehenden Erscheinungen elektrische Kräfte als Ursache anzunehmen und da sie zweitens noch viel weniger diese Erscheinungen mit Hilfe der Elektrieität erklärt. Sollte der Name »Hypothese« gerechifertigt sein, so müsste doch wenig- stens der Versuch gemacht werden, uns auch über die Art und Weise, wie sich die elektrischen Kräfte z. B. bei der Zelltheilung bethäligen, eine bestimmtere Vor- stellung zu geben. In Wirklichkeit sagt aber diese ganze Hypothese gar nichts weiter, als: es wäre möglich, dass im Zellenleben elektrische Kräfte eine Rolle spielen. Mit viel mehr Wahrscheinlichkeit werden wir durch die genauere Kenntnis der molecularen Kräfte, die in Flüssigkeiten, bei der Berührung von Flüssigkeiten unter einander und mit festen Körpern thältig sind, einen Aufschluss über die Lebenserscheinungen des Protoplasma erwarten dürfen. Darauf weisen die Unter- suchungen von Quincke über Kapillarität und Oberflächenspannung hin. Auf diesem Wege hat auch Bürscarı versucht, zu einer Vorstellung über die mechanischen Vor- gänge bei der Zelltheilung zu kommen (24, p. 233), und jedenfalls erscheint die von ihm angedeutete, sich möglichst streng an die beobachteten Thatsachen haltende, Art der Erklärung bis jetzt immer noch viel wahrscheinlicher als die Vermuthungen For's. 10* 148 | F. Blochmann, Kernmetamorphose in Betracht kommen, eine definitive Entscheidung zu gewähren, da man ja am frischen Objekte gar nicht beobachten kann und auch die präparirten Eier in vielen Fällen nicht die gewünschte Klarheit geben. Immerhin konnten einige Punkte mit Sicherheit fest- gestellt werden. Das Hauptinteresse liegt jedoch darin, dass die in Rede stehenden Vorgänge an unbefruchteten Gastropodeneiern beobachtet wurden. Die bei Neritina beobachteten Erscheinungen der Karyolyse stimmen der Hauptsache nach mit den sonst bekannt gewordenen Verhältnissen überein. So verlaufen die ersten Stadien der Kernumwandlung ungefähr eben so, wie es For für Pterotrachaea beschrieb (33). Nur konnte ich nicht entscheiden, ob die Kernmembran sich ähnlich verhält, wie dort, nämlich so, dass sie zuerst an zwei enigegengesetzten, in der Achse des Eies liegenden, Punkten verschwindet (cf. 1. c. Taf. VII, Fig. 13 und fg.). Auch sah ich die Strahlensysteme nicht so frühe auftreten, wie bei Pterotrachaea, sondern konnte dieselben erst dann beobachten, wenn von der Kernmembran schon keine Spur mehr vorhanden war. Ob die Strahlensysteme aus dem Eiplasma entstehen, oder wie For bei Pterotrachaea annimmt, theilweise aus dem intranucleären Plasmanetz hervorgehen, konnte ich bei dem untersuchten Objekte nicht entschei- den, möchte jedoch der Färbung nach den ersteren Fall für wahrschein- lich halten. Zu bemerken wäre hier noch, dass nach Woırson (35) in den Eiern von Lymnaeus die Strahlensysteme sich sehr intensiv fär- ben sollen, was mit den anderen darüber gemachten Beobachtungen in Widerspruch steht. | Sehr wichtig ist, dass bei Neritina die Theilstücke des Nucleolus unmittelbar in die Kernplattenelemente übergehen und dass sich dies leicht und sicher konstatiren lässt. Ähnliches scheint sich nach den Beobachtungen von Foı auch bei Asterias und Pterotrachaea zu finden; doch sind diese Beobachtungen nicht ganz sicher. Merkwürdig ist, dass sich bei dem ersteren Objekt nach vollständiger Ausbildung des ersten Richtungsamphiasters noch Bruchstücke des Nucleolus in der Umge- bung der Spindel finden sollen (33, Taf. II, Fig. 5). Für Nephelis giebt Herrwic (24) an, dass der Nucleolus in die Bildung der Kernplatte ein- geht, und unter pflanzlichen Objekten ist dasselbe für Spirogyra beob- achtet (40, p. 324). Mit der Ansicht SrrAsgurger’s, dass die ganze tin- girbare Substanz des Kernes in die Kernplatte eingehe (40, p. 330), stehen die an den Eiern von Neritina gemachten Beobachtungen in so fern in Widerspruch, als hier nur der Nucleolus, d. h. dessen Theil- produkte, die Kernplatte bilden. Außer diesem finden sich aber im Über die Entwicklung der Neritina Auviatilis Müll, 149 unveränderten Kern noch andere tingirbare Bestandtheile, das Plasma- netz und die Kernmembran, die sich allerdings etwas schwächer färben, als der Keimfleck. Wir konnten in der Umgebung des Nucleolus nach dem Verschwinden der Kernmembran noch eine sich stärker färbende Plasmaparlie erkennen, die meiner Ansicht nach aus dem Plasmanetz und der Kernmembran entstanden ist. Es ist dabei jedoch nicht nöthig, eine vollständige Vermischung des Kernplasmas mit dem des Eies an- zunehmen, so dass sich in so fern diese Befunde mit Strasgurger’s An- sichten vereinigen lassen. BoBRETZKY (23, p. 400) leitet die ganze Spindelfigur bei Nassa aus dem Eiplasma ab, indem er die Kernplatte aus zwei zusammenrücken- den Theilplatten entstehen lässt, eine Ansicht, die nach den anderen Untersuchungen unwahrscheinlich erscheint. Über die Entstehung der Spindelfasern konnte ich nicht ganz ins Klare kommen. Ich glaube, dass man dieselben vielleicht, wie im vori- gen Abschnitt erwähnt wurde, von dem in der Umgebung der Kern- platte sich findenden Kernplasma ableiten darf. Denn, dass sie ganz gleichwerthig mit den Strahlen der Strahlensysteme sind, möchte ich desshalb nicht annehmen, weil sie immer etwas dicker und homogener aussehen als diese. Überhaupt wird man die Strahlen der Systeme nicht als körperliche Fasern auffassen dürfen, sondern nur als den Aus- druck einer im Protoplasma vor sich gehenden Diffusionserscheinung. Diese Ansicht wird bedeutend unterstützt durch die Beobachtung BürscuLis, dass bei Amöba terricola das Plasma in der Umgebung der kontraktilen Vacuole eine radiäre Struktur zeigt, ferner durch die That- sache, dass auch in den secernirenden Nierenzellen eine solche streifige Differenzirung sich findet. Ein sogenannter Centralhof in den Strahlensystemen wurde bei den Eiern von Neritina nicht beobachtet, eben so wenig ein centrales Körnchen, wie es For bei Pterotrachaea und Herrwic bei Nephelis be- schrieben hat. Nach den Untersuchungen Bürscarı’s kann es für die Infusorien keinem Zweifel unterliegen, dass die ganze Kernfigur innerhalb der Membran des primären Nucleus entsteht und dass die ausgebildete Spindel noch vollständig von dieser Membran umschlossen wird. Hier kann also von einem Eindringen des äußeren Plasma zur Bildung der Spindelfasern keine Rede sein. Es wäre sehr interessant, diese Ob- jekte hinsichtlich der Tinktionsfähigkeit der Spindelfasern zu unter- suchen. Aus den Ergebnissen ließen sich jedenfalls entscheidende Schlüsse über die Herkunft der Spindelfasern, auch bei anderen Objek- ten, ziehen. Auch in manchen anderen Fällen scheint die Kernspindel 150 F. Blochmann, ein fest zusammenhängendes Gebilde zu sein, wie bei den Eiern von Cucullanus elegans. Auf etwas Ähnliches lassen vielleicht auch die von mir beschriebenen, im Übrigen sehr räthselhaften, pathologischen Zu- stände der Richtungsspindel bei den Eiern von Neritina schließen. Die »vollkommene Klarheit«, zu welcher Worrson (35) über die morphologischen Vorgänge der Karyolyse bei den Eiern von Lymnaeus gekommen sein will, scheint doch noch einige dunkle Punkte aufzu- weisen. Wo bleibt denn die Klarheit, wenn der Autor sagt: »Die ein- ander zugerichteten Strahlen des Amphiasters fließen zusammen und bilden somit den sogenannten »Spindelkern« der deutschen Autoren, der also keineswegs als metamorphosirter Zellkern zu be- trachten ist«, und kurz darauf den Satz aufstellt: »Der ganze Amphi- aster ist ein nucleo-, nicht aber protoplasmatisches Gebilde.«? Ferner bezweifelt er für sein Objekt die Existenz der Kernplatte, die . sich aber bei genauerer Untersuchung auch wird auffinden lassen. Auch die Vorstellung, die er über die Entstehung der Strahlensysteme hat, ist neu. Er betrachte dieselben nicht als radiäre Anordnung des Proto- plasmas, sondern als wirkliche in das Eiplasma eindringende pseudopo- dienartige Fortsätze, welche von zwei an entgegengesetzten Punkten der Kernmembran auftretenden Körperchen ausstrahlen sollen. Die Theilung der Kernplatie und das Austreten des ersten Rich- tungsbläschens zeigt bei den Eiern der Neritina im Großen und Ganzen keine bemerkenswerthen Unterschiede von den für andere Objekte be- schriebenen Vorgängen. Wir sahen im vorigen Abschnitte, dass im Zusammenhang mit dem Austritt des ersten Richtungsbläschens eine Streckung des Eies in der den animalen und vegetativen Pol verbinden- den Achse eintritt. Ähnliche noch eigenthümlichere Gestaltsverände- rungen des Eies während des Austretens der Richtungsbläschen sind von For (33) bei Pterotrachaea und von Lacaze-Duruiers (7) bei Denta- lium beobachtet worden. Wir wir sahen, tritt bei den Eiern der Neritina nach der Abschnü- rung des ersten Richtungsbläschens ziemlich regelmäßig eine Theilung desselben ein, indem sich eine wirkliche Kernspindel bildet. Dieser Fall steht nicht vereinzelt da. For hat eine Theilung der Richtungs- bläschen bei den Pteropoden beobachtet (15, p. 107), giebt jedoch spä- ter (33, p. 67) an, dass die Theilung kein regelmäßiges Phänomen sei. Herrwig hat eine Theilung der Richtungsbläschen bei den Eiern von Nausitho& beobachtet (27). Die Entwicklungserscheinungen an den Eiern der Neritina lehren uns also, dass auch unbefruchtete Gastropodeneier im Stande sind Richtungsbläschen auszustoßen, d. h. den Anfang zu einer normalen Über die Entwieklung der Neritina fluviatilis Müll. 151 Entwicklung zu machen. Im Hinblick auf den von LacAzE-DUTHIErs bei den unbefruchteten Eiern von Dentalium beobachteten Austritt der Richtungsbläschen sprach For die Vermuthung aus (33, p. 39), dass “_unbefruchtete Gastropodeneier, falls man solche erhalten könnte, wohl sich eben so verhalten würden. Diese Vermuthung wurde bald, nach- dem sie ausgesprochen war, bestätigt, indem BürscaLı an den unbe- fruchteten Eiern der Neritina Richtungskörper beobachtete (30). In den meisten Fällen ist der Austritt der Richtungsbläschen von der Gegenwart eines Spermatozoons im Dotter unabhängig, wie die eben erwähnten Fälle, ferner die an den Eiern der Seesterne und Seeigel angestellten Beobachtungen zeigen. Eben so verhalten sich auch nach der kürzlich erschienenen Mittheilung Horrmann’s (43) die Eier einiger Teleostier. Auf der anderen Seite dagegen stehen diejenigen Fälle, wo der Austritt der Richtungsbläschen erst dann erfolgt, wenn ein Sperma- tozoon mit dem Ei verschmolzen ist, wie bei den Nematoden (21). Bei den Seesternen und Seeigeln verläuft die Ausstoßung der Richtungs- bläschen am unbefruchteten Ei in großer Regelmäßigkeit und ziemlich rasch, für Dentalium dagegen giebt LacazE-Dutuiers an, dass bei den unbefruchteten Eiern die Ausstoßung unregelmäßig erfolge. Und bei Neritina lässt sich daraus, dass die Ausstoßung der Richtungskörper einen ganzen Tag in Anspruch nimmt, wohl schließen, dass der Vor- gang, wenigstens was die Zeit anlangt, von der Gegenwart des Sper- matozoons abhängig ist. Ganz damit in Übereinstimmung sind die von Horrmann an den Teleostiereiern gemachten Beobachtungen. Denn hier hat das Fehlen des Spermakernes auch große Unregelmäßigkeiten beim Aus- tritt der Richtungsbläschen zur Folge; bei manchen der unbefruchteten Eier blieb das Keimbläschen unverändert, andere gingen zu Grunde, nachdem sie einen Richtungsamphiaster ausgebildet hatten, wieder bei anderen traten die Richtungsbläschen eben so, wie beim befruchteten Ei, aus. Bei diesen letzteren konnte Horrmann keinen Kern mehr nach dem Austritt der Richtungsbläschen auffinden ; man könnte daraus wohl auf ein ähnliches Verhalten schließen, wie bei denjenigen Eiern der Neritina, bei welchen die im Ei zurückgebliebene Kernplattenhälfte zu einem aus Kernsubstanz bestehenden Körperchen verschmilzt, welches ja ohne Färbung kaum wahrzunehmen ist. Der Vergleich der unbefruchteten Teleostiereier mit denen der Neri- tina ist noch in so fern von Interesse, als sich dort die Abwesenheit des Spermatozoons schon sehr bald durch die Unregelmäßigkeit in der Karyolyse und dem Austritt der Richtungskörper bemerkbar macht, hier dagegen die ersten Erscheinungen ganz regelmäßig verlaufen, und die Unregelmäßigkeiten auf die Bildung des weiblichen Pronucleus be- . 152 F. Blochmann, schränkt bleiben. Bei beiden Objekten sehen wir, dass oft ein Anlauf gemacht wird, um ein weiteres Stadium der normalen Ausbildung zu erreichen, und dass dann plötzlich ein unregelmäßiger Verlauf der Weiter- entwicklung eintritt. Wenn wir mit diesen Beobachtungen diejenigen Fälle vergleichen, wo, wie bei den Nematoden, die Richtungskörper erst nach der Be- fruchtung austreten, so kommen wir nothwendig zu dem Schlusse, dass man, allgemein gültig, den Austritt der Richtungsbläschen nur dann als Reifeerscheinung bezeichnen darf, wenn man unter einem reifen Ei nicht, wie bisher allgemein üblich, das zur Aufnahme eines Spermato- zoons fähige, sondern das mit dem weiblichen Pronucleus versehene Ei versteht. Denn hält man an der ersten Definition fest, so ist bei den Nematoden der Austritt der Richtungsbläschen keine Reifeerscheinung, sondern die erste direkte Folge der Befruchtung. II. Theil. Furchung und Keimblätterbildung. A. Eigene Beobachtungen. Nachdem wir im vorigen Theil die ersten Entwicklungsvorgänge der unbefruchteten Eier, die Ausstoßung der Richtungsbläschen und die Theilung der Eier betrachtet haben, wollen wir nun die Weiterent- wicklung des befruchteten, dem Embryo den Ursprung gebenden, Eies näher untersuchen. Während die Untersuchung bisher wesentlich da- durch erleichtert wurde, dass jeder Cocon eine große Anzahl von un- befruchteten Eiern auf ungefähr der gleichen Entwicklungsstufe enthielt, liegt jetzt eine Schwierigkeit darin, dass sich in jedem derselben nur ein entwicklungsfähiges Ei oder ein Embryo findet. Es ist zwar leicht, sobald das Ei sich erst auf dem Stadium der Zweitheilung. befindet, dasselbe mit der Lupe aus den anderen herauszufinden, jedoch ist es eine sehr mühsame und zeitraubende Arbeit ein bestimmtes Stadium zu suchen, weil man dabei wegen der Undurchsichtigkeit der Cocons ganz auf den Zufall angewiesen ist, und man muss oft eine recht an- sehnliche Zahl von Eikapseln öffnen, bis sich endlich das gewünschte Stadium findet. | Dadurch, dass ich, wie schon Eingangs erwähnt, die Eier in der Eiweißlösung sich weiter entwickeln ließ, gelang es leicht die Herkunft der Zellen des Ektoderms und Mesoderms festzustellen. Es wurde nicht nur direkt die Abschnürung am frischen Objekt beobachtet, sondern die hier gemachten Beobachtungen auch durch die Untersuchung gefärbter Über die Entwieklung der Neritina fluviatilis Müll. 153 Präparate, welche die entsprechenden Kernspindeln zeigten, sicherge- stellt. Weniger glücklich war ich in dieser Beziehung mit den Ento- dermzellen , jedoch konnte der Ursprung derselben, wie sich zeigen wird, aus anderen Verhältnissen mit ziemlicher Sicherheit erschlossen werden. Im Zusammenhang beobachtet wurde die Furchung und Keim- blätterbildung der Neritina bis jetzt noch nicht. CGLararkpe hat die Fur- chung ganz übersehen und glaubte desshalb dieselbe verlaufe sehr rasch und führe zu einem Morulastadium. Was er für die äußere Zellschicht dieses Stadiums hielt, ist die schon beschriebene verdichtete periphe- rische Plasmaschicht der Eier, welche man leicht beim Zerdrücken der- selben erhält. CrararkpE vermuthet übrigens richtig (9, p. 199), dass der Furchungsprocess von Neritina sich ähnlich verhalten möchte, wie der von Vogr für Actaeon beschriebene (1). Dagegen bildet Ray Lankester (16) einige Furchungsstadien ab, von denen Fig. 14 und 15, Taf. IX, den von mir in Fig. 41 und 43 darge- stellten entsprechen. Seine Fig. 16 kann ich nicht für ganz richtig hal- ten, denn es müsste ein Stadium, welches erst so wenige Zellen auf- weist, viel regelmäßiger sein, wie der Vergleich mit meinen Figuren ergiebt. Figur 17 zeigt uns den Beginn der Umwachsung und entspricht ungefähr meiner Fig. 62. Ferner giebt BürscuLı (30) Abbildungen von zwei Furchungsstadien, von denen das erste, Taf. XVII, Fig. 3, a und 5, meiner Fig. 48 und 49 entspricht; seine Fig. 4, «a und db dürfte wohl mit meiner Fig. 56 identisch sein. Wir dürfen wohl annehmen, dass das Ausstoßen der Richtungs- bläschen bei dem befruchteten Ei in derselben Weise stattfindet, wie bei den unbefruchteten; die Richtungsbläschen finden sich meist in Dreizahl noch bei ziemlich weit fortgeschrittenen Furchungsstadien fest am animalen Pole anhaftend und lassen bei der Färbung auch leicht ein oder mehrere Kernchen erkennen, wie bei den unbefruchteten ‚Eiern. Nach Ausstoßung der Richtungsbläschen wird wohl der weib- liche Pronucleus mit dem Spermakern zur Bildung des Furchungskernes verschmelzen, wie dieser Vorgang schon öfter beschrieben wurde. Beobachtungen hierüber wurden keine gemacht, da es ein Ding der Unmöglichkeit ist, vor Beginn der Furchung das entwicklungsfähige Ei, das sich äußerlich von den anderen nicht unterscheidet, herauszufinden. Ein auf dem Stadium der Zweitheilung befindliches Ei sehen wir in Fig. 38 abgebildet. Die beiden Furchungskugeln A und A’ zeigen im Allgemeinen dieselben Verhältnisse wie das ungefurchte Ei nach der Ausstoßung der Richtungsbläschen. Das eigentliche, nur kleine Proto- leeithtröpfchen enthaltende, Protoplasma liegt an der dem animalen Pol 154 F, Blochmann, zugekehrten Seite und enthält einen ziemlich großen Kern mit Plasma- netz ohne deutlichen Nucleolus. Die Richtungsbläschen finden sich in der beide Zellen trennenden Furche angehettet. Fig. 39 zeigt ein Ei, welches sich in Vorbereitung zur Viertheilung befindet. Die Kerne der Furchungskugeln zweiter Generation haben die Spindelform angenommen, und in der Spindel von A sind die Ele- mente der Kernplaite schon viel weiter aus einander gerückt, als in A. Dies erklärt uns sofort die folgende Fig. 40, wo die Furchungskugel A schon in zwei Zellen a und 5 der dritten Generation zerfallen ist, wäh- rend c und d. noch nicht getrennt sind, sondern erst eine leichte, die bald eintretende Theilung andeutende Furche erkennen lassen. Ich möchte gerade diese Zeitdifferenz in der Theilung der Zellen A und A’ hervor- heben, weil Hırızz, der ein ähnliches Stadium von Leptoplana tremellaris abbildet (32, Taf. IX, Fig. 16), dasselbe für anormal hält. Bei Neritina habe ich solche Stadien öfter beobachtet, und auch das Folgende wird ergeben, dass jedenfalls keine Rede davon sein kann, dass diese successive Theilung der Zel- len zweiter Generation abnorm sei. Da diese ungleichzeitige Theilung bei den Gastropoden und auch sonst (z. B. bei Nephelis vulgaris, cf. 21, Taf.II, Fig. 2a) ziemlich verbreitet ist, so wird man wohl annehmen dürfen, dass auch bei Leptoplana dieser Fall der regelmäßige sein wird. Diese ungleichzeitige Theilung der beiden Zellen A und A’ erklärt uns auch die Verschiebung der Furchungskugeln dritter Generation abced gegen einander, welche sich in Fig. 40 schon deutlich ausspricht und in - Fig. 41 .ganz vollendet ist. Nehmen wir zuerst an, die Theilung er- folge genau gleichzeitig, so müssten die vier Zellen dritter Generation, wenn sie sich gegenseitig anziehen und abplatten, in einer Geraden zusammentreffen. Wenn dagegen die Zelle A sich schon in a und b ge- theilt hat, so lange c und d noch zusammenhängen und eine einzige Masse bilden, wie es die obenstehende Figur zeigt, so werden sich a. und b gegen cd abplatten. | Vollzieht sich nun auch hier die Theilung, so wird die Theilzelle in der Richtung des geringsten Widerstandes, also in der Richtung des. Pfeiles ] ausweichen. Der Widerstand in der Richtung des Pfeiles I ist zwar auch nicht größer, aber ein Ausweichen in dieser Richtung ist nicht möglich, weil ein solches der Richtung nach immer mit der Achse Über die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. 155 der Kernspindel zusammenfallen muss. Ein weiteres’ Moment dürfte vielleicht in dem Umstand zu suchen sein, dass a und c an Masse 5b und d eiwas überwiegen und so sich stärker anziehen, wobei b und d seit- lich herausgedrängt werden. Jetzt schon lässt sich leicht, wie die weitere Entwicklung zeigen wird, die Berührungsfläche der Zellen a und c als Transversalebene, die darauf senkrechte a und c halbirende Ebene als Sagittalebene des zu- künftigen Embryo erkennen. Bei der Furchung der Neritina kann man auch leicht die schon anderwärts beobachtete Thatsache konstatiren, dass nach jeder Theilung die Theilkugeln sich so abrunden, dass sie sich nur noch in einem Punkte zu berühren scheinen und dass dann erst die bleibende gegen- seitige Abplattung eintritt. Die vier Furchungskugeln abcd dritter Ge- neration zeigen denselben Bau wie die der zweiten. Das feinkörnige Protoplasma nimmt den animalen Pol ein und enthält den Kern. Dass die eben betrachtete Zeitdifferenz in der Theilung der Zellen A und A’ nicht etwas Zufälliges und Anormales, sondern im Gegentheil ein regelmäßiger und auch später sich noch deutlich manifestirender Vorgang ist, werden wir jetzt, wenn wir die Entstehung der Zellen der vierten und fünften Generation verfolgen, aufs deutlichste erkennen. Wenn man ein viergetheiltes Ei in der Eiweißlösung eine Zeit lang beobachtet, so wird es meist gelingen, Folgendes wahrzunehmen: An Stelle der vier hellen Flecke, welche im unpräparirten Zustand die Lage der Kerne anzeigen, erscheinen zarte Fasern, die Spindelfasern. Bald sehen wir (Fig. 42), wie von den Zellen a und 5b je eine bedeutend kleinere Zelle a, und b, in Gestalt eines kleinen Höckers hervorsprosst. Die beiden Zellen a, und b, sind oft schon beinahe ganz abgeschnürt, bis auch von c und d zwei Zellen c, und d, (Fig. 43) entstehen. Wäh- rend der Abschnürung machen die Zellen a, b} cı d, eine Verschiebung, oder richtiger gesagt, eine Drehung im Sinne des Uhrzeigers (vom ani- malen Pol aus betrachtet) durch, so dass sie nicht direkt über die Zellen abcd, von denen sie abstammen, zu liegen kommen, sondern dass a, in die Furche zwischen a und d, b, in die zwischen b und au. s. w. rückt. Dadurch, dass sich hier von den Zellen a und 5 zuerst wieder neue Zellen a, b, abschnüren, ist ein neuer Beweis geliefert, dass die ungleich- zeilige Theilung der Zellen A und A’ ein regelmäßiger Vorgang war. Die neue Theilung tritt an den Zellen a und 5 desshalb zuerst auf, weil sie älter sind, als c und d. Die vier so entstandenen Zellen der vierten Generation! sind ver- 1 Es bedarf wohl kaum einer Rechifertigung, dass die Zellen a; bi cı dı zusam- men von der vierten Generation genannt werden, obgleich sie eigentlich nicht ganz 156 F. Blochmann, schieden von denjenigen, die ihnen den Ursprung gaben. Sie enthalten nur feinkörniges Protoplasma und kleine Protolecithtröpfehen und doku- mentiren sich dadurch als die ersten Ektodermzellen. ° Jetzt tritt eine Pause ein, in welcher sich die Zellen abcd wieder zu einer neuen Theilung vorbereiten. Diese zweite Theilung verläuft gerade so, wie die eben geschilderte. Wieder sind es die Zellen a und 5, welche als die älteren zuerst in die Theilung eingehen, dann folgen gleichzeitig c und d. Dieses Mal erfolgt jedoch die Verschiebung in der Uhrzeigerbewegung entgegen- gesetztem Sinne. In Folge davon lagert sich a, zwischen a und bu. S. w. (Fig. 44). Auch diese vier Zellen der fünften Generation enthalten nur feinkörniges Protoplasma. Bald nach ihrer Entstehung bemerkt man in den Zellen a, und c& eine Anhäufung von kleinen stark lichtbrechen- den Körnchen (cf. Fig. 44), besonders gegen das äußere Ende zu. Diese Körnchen sind keine Protolecithtropfen, denn sie werden durch die Be- handlung mit Alkohol nicht entfernt, sondern hleiben selbst nach dem Einschluss in Dammarlack noch durch ihre starke Lichtbrechung deut- lich erkenntlich. Schon diese Eigenschaft ergab eine Ähnlichkeit mit den später in den Velarzellen sich findenden Körnchen, und, wenn wir die- selben im Verlaufe der Furchung im Auge behalten, werden wir sehen, dass sie wirklich in Velarzellen übergehen. Auf der dem animalen Pol zugekehrten Seite der großen Zellen abcd hat sich, wie Fig. 44 zeigt, noch eine Portion feinkörniges Proto- plasma mit dem großen Kern in der Mitte erhalten. Die nächste Theilung nimmt ihren Ausgang nicht von den Zellen der dritien Generation, sondern, wie Fig. 45 zeigt, von den zuerst ent- standenen Ektodermzellen a, bi c, d,. Auch hier ist das verschiedene Alter noch einigermaßen von Einfluss, indem bei a, die Abschnürung schon vollendet ist, während die anderen Zellen noch die Kernspindeln zeigen. So entstehen vier Zellen der sechsten Generation a’, b, cd’; diese sind so klein, dass man sie sehr leicht am frischen Objekt über- sieht; ich wurde auch erst an gefärbten Präparaten auf dieselben auf- merksam. Das nächste Stadium, Fig. 46, zeigt uns sowohl die großen Zellen abcd, als auch die Zellen der fünften Generation aa by c, d, in Theilung begriffen; und zwar ist die Ausbildung der Kernspindeln in den Zellen b und d, a, und c, am weitesten fortgeschritten. Die in 5b sich findende gleichzeitig sich abschnürten. Ihrer Entstehung und Lage nach sind sie vollständig homolog; auch ist die Zeit, welche zwischen der Entstehung der beiden letzten cı und d, und der von aa und ba liegt, viel größer als die zwischen der Entstehung von a, und b; einerseits und cı dı andererseits liegende. Über die Entwieklung der Neritina fuviatilis Müll, 157 Spindel ist, wie die Profilansicht (Fig. 47) zeigt, nach vorn und auf- wärts gerichtet, die von d dagegen nach hinten und aufwärts. Die Ab- schnürung muss also im Sinne des Uhrzeigers erfolgen. Wenn also bei diesen beiden Zellen kaum ein Zweifel über die Abschnürungsrichtung walten kann, so verhält sich dies bei den Zellen a, und c, anders. Es ist mir nicht gelungen durch direkte Beobachtung des Vorganges selbst die Richtung der Verschiebung festzustellen, denn das wichtige Stadium kam mir nur einmal zu Gesicht. Doch lässt sich aus der Vergleichung mit den folgenden Stadien wohl behaupten, dass die Zellen «, und cy je eine Zelle a’, und c’, in der Uhrzeigerbewegung entgegengesetziem Sinne abgeben. Denn in den Zellen @, und ca bemerken wir wieder die schon vorhin erwähnten hellen Körnchen; bei dem folgenden, in Fig. 48 dar- gestellten, Stadium sehen wir alle diese Körnchen in den Zellen «’, und C', wieder; diese müssen sich also in der erwähnten Richtung abge- schnürt haben. Dabei verdrängen sie die Zellen db, und d, etwas und überlagern sie ein wenig. Von diesem Stadium an können wir nicht mehr die bisherige Regel- mäßigkeit in der Zahl der abgeschnürten Zellen und der Drehungsrich- tung der neu entstehenden beobachten, was eben seinen Grund darin haben mag, dass von jetzt ab oft Zellen verschiedener Generationen zu gleicher Zeit in Theilung eingehen. Das in Fig. 48 vom animalen Pol aus gesehene Stadium zeigt uns Fig. 49 im Profil von hinten. Die großen Zellen abcd sind heller ge- worden, als sie vorher waren und das feinkörnige Protoplasma ist zum größten Theil von ihrer Oberfläche verschwunden. Wir bemerken fer- ner, dass in den Zellen db und d die Kerne auf einer Wünderung gegen den animalen Pol begriffen sind. In ihrer Umgebung findet sich noch eine kleine Menge feinkörnigen Protoplasmas. Das Gleiche gilt auch für den Kern der Zelle a, welcher in der Figur nicht sichtbar ist. In der Zelle c dagegen bleibt der Kern an der dem animalen Pole zugewandten Seite liegen. Das etwas ältere (Fig. 50) dargestellte Stadium zeigt uns wieder vier Zellen mehr als das vorhergehende, nämlich @’, b"g,c”,d’,, welche von @9b’ac'’ad’, sich abgeschnürt haben. Dabei hat wieder eine kleine Verschiebung stattgefunden, so dass z. B. «’, in die zwischen «a, und d, sich findende Vertiefung zu liegen kommt u. S. w. Das nächste Stadium (Fig. 51) zeigt uns noch weitere vier Zellen, v2 v2, by d’’,, welche ebenfalls von a’, u. s. w. entstanden sind und sich ähnlich gelagert haben wie die Zellen der letzten Generation. In die Zellen vz und vz, sind die schon mehrfach erwähnten hellen Körn- chen alle übergegangen. Außerdem bemerken wir in dieser Figur noch 158 F. Blochmann, vier Zellen, @,b’3c’,d’,, welche wahrscheinlich von den hinter ihnen liegenden Zellen, az3d,c3d,, entstanden sind. Betrachten wir dieses Stadium im Profil von hinten (Fig. 52)1, so sehen wir, dass sich dicht unter der Ektodermscheibe zwischen den Zellen abcd eine neue ziem- lich große Zelle (M) eingefunden hat; diese stammt von der Zelle c ab, wie die Beobachtung der entsprechenden Kernspindel in c sicher bewies. Diese Zelle bildet, wie das Weitere ergeben wird, die erste Anlage des Mesoderms. Eine weitere Zellvermehrung der Ektodermscheibe findet nun statt, indem sich die Zellen a”, b", c’,d’, nochmals theilen (Fig. 53). Betrach- ten wir dieses Stadium im Profil von hinten (Fig. 54), so finden wir, am vegetativen Pol gelegen, zwei neue Zellen, en, und en,;, welche der Lage der Kerne nach zu schließen, von b und d entstanden sind. Zwei weitere Zellen, b!", und c!",, haben sich von b, und cz abgelöst. An der Vorder- seite finden sich die intspreonehget: Zellen a!”, und d’".. Inzwischen hat sich auch die Zelle M (Fig, 52) in zwei neue Zellen, m, und m; (Fig. 5%), getheilt. Von diesen beiden Zellen wird jede einem Mesodermstreifen den Ursprung geben, so dass von diesem Stadium an die Mesodermanlage bilateral symmetrisch ist. Die Herkunft der Zelle en,, welche zwischen c und d liegend, oben die Zelle c!",, unten en; berührt, festzustellen, ist mir nicht gelungen. Sie scheint später zur Bildung des Entoderms verwandt zu werden. Das eben besprochene Stadium vom vegetativen Pol aus betrachtet stellt Fig. 55 dar. ; Von jetzt ab schlägt die Zellvermehrung in der Ektodermscheibe einen etwas rascheren Gang ein, bleibt jedoch immer noch regelmäßig, wie Fig. 56 zeigt. Besonders bemerkenswerth erscheint bei diesem Sta- .dium das Auftreten einer vierten Zelle in der aus drei Zellen bestehenden Reihe, die in der Mitte der hinteren Hälfte der Ektodermscheibe verläuft, während in den drei anderen entsprechenden Zellreihen die Dreizahl er- halten bleibt. Das Auftreten dieser Zelle ist ein ganz konstantes und. wurde an fünfPräparaten beobachtet. Man kann wohl sagen, dass in der Ektodermanlage an und für sich erst durch das Auftreten dieser Zelle vorn und hinten unterscheidbar wird, während vorher nur die Richtung der Sagittalachse durch das Vorhandensein der Körnchenzellen vz und vz, in den seitlichen Reihen erkennbar war. Die Körnchenzellen haben sich mit den zunächst auf sie folgenden 1 Von jetzt ab lässt sich leicht entscheiden, was vorn und hinten ist, denn in der Zelle a, welche dem späteren Vordertheil des Embryo entspricht, liegt der Kern ganz an der Seite des vegetativen Poles, während er in c, welche Zelle das spätere Hinter- ende einnimmt, an der dem animalen Pol zugekehrten Seite liegt. Über die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. 159 Zellen ziemlich weit über die allgemeine Oberfläche der Ektodermscheibe erhoben, wie dies die Profilansichten Fig. 54, 57 und 58 zeigen. Von diesem Stadium an sind die Richtungsbläschen gewöhnlich nicht mehr vorhanden. Die Profilansichten Fig. 57 und 58 zeigen, dass zwischen den großen Zellen abcd außer m, und my noch zwei Zellen, en, und en, , liegen. Ihre Entstehung selbst konnte ich nicht beobachten, doch schließe ich daraus, dass ich bei einem Präparat in der Zelle a, deren Kern, wie wir sahen, dem vegetativen Pol genähert ist, eine Spindel auffand, dass sie wohl in der gleichen Weise entstanden sein mögen, wie m, und m;, indem sich von a zuerst eine Zelle abschnürte, welche sich dann theilte. Hier möchte ich noch erwähnen, dass ich bei zwei oder drei Präparaten in den Zellen nz, en; und en, je zwei Kerne deutlich beobachtet habe, wie es auch in Fig. 58 dargestellt ist. Ahnliches hat Rası bei Furchungskugeln von Unio tumidus und Freunıng bei Anodonta beobachtet. Ich wollte diesen Fall nur erwähnen, ohne irgend eine Erklärung dafür zu suchen. Nachdem die Furchung so weit fortgeschritten ist, haben wir schon deutlich die Anlagen aller drei Keimblätter vor uns. Die kleinen, nur aus feinkörnigem Protoplasma bestehenden Ektodermzellen bilden eine den animalen Pol einnehmende Kappe oder Scheibe; die Mesodermanlage wird durch die Zellen m, und m, vorgestellt, während die vier großen Zellen abcd zusammen mit en,, en, , en,, en, und en, das Entoderm repräsenliren. Die nächsten Veränderungen treten nun in der Ektodermscheibe auf. Die Zellen fangen an sich enger an einander anzuschließen und damit im Zusammenhang gleichen sich auch die bisher ziemlich auffallenden Niveaudifferenzen zwischen denselben aus (Fig. 59 bis 61). Zugleich verschieben sich die Zellen a; b, c, d,, ihre bisherige centrale Lage ver- lassend, etwas nach vorn und rücken in die Tiefe, so dass an dem Vor- derrande der Ektodermscheibe eine ziemlich bedeutende Einsenkung ent- steht (Fig. 59 bis 61 vt). Diese Einsenkung wird hinten von der Zelle d’, und seitlich von den Körnchenzellen vz und vz, und den beiden ihnen zunächst liegenden Zellen a®, und c”, begrenzt. Die Ektodermscheibe hat trotzdem, wie ein Blick auf Fig. 59 lehrt, noch ihre ganze Regelmäßig- keit bewahrt. Noch interessanter sind die Veränderungen, welche wir jetzt an den Mesoderm- und Entodermzellen wahrnehmen können. Diese verlassen den Ort ihrer Entstehung und treien eine Wanderung gegen den anima- len Pol an, ähnlich wie sie Harz (32) für die Mesodermzellen der Lepto- plana tremellaris beschrieben hat. Da die Mesodermzellen m; und my zu oberst liegen, so erreichen sie natürlich auch zuerst ihren neuen Platz. 160 | F, Blochmann, Wir sehen sie bei den in Fig. 62, 63 und 65 dargestellten Entwicklungs- stadien unter dem hinteren Rande der Ektodermscheibe zur rechten und linken Seite liegend, und zwar hat sich gerade von jeder der beiden Zellen eine kleinere Mesodermzelle nach vorn zu abgeschnürt. Diese Verhältnisse sind ganz analog denjenigen, welche Rası für Planorbis und Harscaek für Teredo aufgefunden hat, worauf ich im näch- sten Abschnitt näher einzugehen haben werde. Die kleinen Entodermzellen wandern auch aufwärts und wir können in Fig. 63 und 64 die Zellen en,, eng und en,, noch leicht in ihrer gegen- seitigen Lage erkennen, während die Zellen en, und en, bereits ober- halb der großen Zellen liegen und sich durch Theilung vermehrt haben. Auch die unteren Zellen en, und en; fangen schon an sich zu theilen, noch ehe sie ihren definitiven Platz erreicht haben (Fig. 65). Durch dieses Aufwärtsrücken der Entodermzellen wird die Ektodermscheibe etwas in die Höhe gedrängt; in den so entstandenen Zwischenraum schieben sich die heraufgewanderten Zellen ein. Während dieser Zeit haben die ursprünglichen Mesodermzellen m, und m, unter fortwährender Theilung jederseits einem Mesodermstreifen den Ursprung gegeben (Fig. 62 und 66). Die kleinen Entodermzellen treten nun zusammen und bilden eine auf den großen Entodermzellen aufsitzende Kugelmütze, deren Hohlraum die Urdarmhöhle vorstellt (Fig. 66, 67 und fg. ud). Auf dem in Fig. 62 und 63 dargestellten Entwicklungsstadium hat, die oben erwähnte Einsenkung des Ektoderms das Maximum ihrer Aus- bildung erreicht und beginnt nun sich allmählich wieder zu verflachen (Fig. 65) um später vollständig zu verschwinden. In Folge davon rücken die beiden Zellen vz und vz, mehr seitwärts und abwärts und senken sich in das allgemeine Niveau des Ektoderms ein. Die durch die vorhin beschriebene Einsenkung hervorgerufene Ver- schiebung der vier ursprünglich im Centrum der Ektodermscheibe gele- genen Zellen a, bc, d, ist theoretisch von großem Interesse; denn wie wir. später sehen werden treten die Velarzellen zwischen den Zellen vz und vz, auf, und zwar zuerst auf der dorsalen Seite, um dann das Vor- derende umfassend, sich ventral zu treffen. So hat es den Anschein als ob das Velum hier eine ganz andere Region des Embryonalkörpers um- fasse, als z. B. bei Paludina, wo es in einem äquatorialen Kreis auftritt, so dass die Richtungsbläschen in der Mitte des Velarfeldes angeheftet sind (30, Taf. XV, Fig. 3 und fg.). In Wirklichkeit sind aber diese Ver- hältnisse bei Neritina und Paludina ganz homolog. Denn durch die Ver- schiebung der Zellen a,b, c,dı, in deren Mitte die Richtungsbläschen angeheftet waren, kommt bei Neritina auch der animale Pol in das Velar- Über die Entwicklung der Neritina Auviatilis Müll. 161 feld zu liegen, so dass in beiden Fällen das Velum homologe Theile der ursprünglichen Ektodermscheibe umfasst. Auf einige andere hierher zu ziehende Fälle soll im nächsten Abschnitt eingegangen werden. Bei den in Fig. 65, 66 und 67 dargestellten Entwicklungsstadien hat die Ektodermanlage begonnen, sich weiter auszudehnen und die sroßen Entodermzellen zu umwachsen. Diese Umwachsung findet allein durch Vermehrung der schon vorhandenen Ektodermzellen statt und von den Zellen a,b,c, d werden keine neuen Ektodermzellen mehr ab- gegeben. Für die Zellen abd ist dies sofort einleuchtend, denn ihre Kerne, die bisher immer bei einer Zelltheilung zugegen waren, bleiben während der ganzen Umwachsung ruhig am vegetativen Pol liegen. Der Kern der Zelle c liegt dagegen noch dem animalen Pol zugewandt, je- doch habe ich denselben bei ungefähr zwanzig darauf hin untersuchten Embryonen niemals in Theilung getroffen, während man immer in einer ziemlich großen Anzahl von Ektodermzellen Kernspindeln beobachten kann. Während dieser Ausdehnung der Ektodermschicht vermehren sich auch die Zellen der Mesodermstreifen, so dass wir auf einem optischen Querschnitt durch das in Fig. 66 dargestellte Stadium jederseits zwischen Ektoderm und Entoderm mehrere Mesodermzellen über einander liegend antreflen (Fig. 67 mr und ml). Wenn nun das Ektoderm sich so weit ausgedehnt hat, dass es auf die Unterseite des Embryo gekommen ist, bleibt schließlich noch eine kleine Stelle frei, der Blastoporus. Der Lage nach findet sich derselbe ziemlich in der Mitte der ventralen Seite, genau an derjenigen Stelle, wo später die Mundeinstülpung auftritt (Fig. 69 bip; Fig. 71 oe). Bald tre- ten auch hier die Zellen zusammen, so dass jetzt die Ektodermschicht ringsum vollständig geschlossen ist. Am Vorder- und Hinterende des Embryo sind die Zellen des Ekto- derms sehr flach, so dass es schwer ist die Grenzen zu erkennen und man ihre Ausdehnung nur ungefähr nach der Lage der Kerne beurtheilen kann (Fig. 70 und 74). Sonst sind sie im Allgemeinen niedrig cylin- drisch und zwar an der ventralen Seite etwas weniger hoch als an der dorsalen. | Die Mesodermzellen haben sich jetzt stark vermehrt und zeigen schon zum Theil Übergänge zu der für sie später charakteristischen Spin- delform (Fig. 70). Im optischen Querschnitt (Fig. 69) sieht man, dass sie vollständig an die Seiten gerückt sind und die kleinen Entoderm- zellen nicht mehr berühren. Die Urdarmhöhle hat sich etwas verflacht, ist aber länger und breiter geworden (Fig. 69 und 71 ud). | | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. AA 162 F. Blochmann, Schon während das Ektoderm anfing sich nach der ventralen Seite hin auszubreiten, sind die Zellen vz und vz, an die beiden Seiten ge- rückt, und in einer dieselben verbindenden Zellreihe werden dieselben lichtbrechenden Körnchen bemerkbar (Fig. 66), wodurch eine weitere ' Ausbreitung des Velums angedeutet wird. Dasselbe erscheint jedoch noch nicht kontinuirlich, sondern von den ursprünglichen Velarzellen vz und vz, aus gerechnet sind jederseits nur zwei oder drei Velarzellen sicher zu erkennen. Auch ventral ist das Velum noch nicht geschlossen. Gerade vor den Körnchenzellen, oder, wie wir sie auch nennen könnten, Urvelarzellen vz und vz, sehen wir in Fig. 70 je eine Zelle, die sich durch helleres Protoplasma auszeichnet und meist eine ziemlich große Vacuole enthält. Diese beiden Zellen haben eine merkwürdige Eigenschaft; sie sind nämlich in hohem Grade klebrig, so dass man bei allen Embryonen, die sich auf diesem und den nächstfolgenden Stadien befinden, immer jederseits einen ganzen Klumpen von zerfallenen unfruchtbaren Dottern anhängend findet. Es erschwert dies sehr die Präparation, da man, um gute Präparate zu erhalten, immer die Embryonen erst von diesen An- hängseln befreien muss. Über die Funktion dieser Zellen konnte ich mir kein bestimmtes Urtheil bilden. Sollte vielleicht ihre klebrige Beschaffen- heit auf eine sekretorische Thätigkeit schließen lassen? Möglicherweise finden sich bei Buccinum und Purpura ähnliche Verhältnisse, da nach Koren und DanIELLsen (3 und 6) auch bei diesen beiden Prosobranchiern die Embryonen fest an den zur Nahrung dienenden Dottermassen an- hängen. Ganz ähnlich beschaffene Zellen treten später am hinteren unteren Rande des Fußes auf; jedoch habe ich nie bemerkt, dass sich an diese auch fremde Gegenstände anhängen. Auch ihre Funktion ist vor der Hand noch unverständlich, und es ist bis jetzt überhaupt noch bei keinem Gastropoden meines Wissens etwas Ähnliches beschrieben worden. In dem zuletzt betrachteten Entwicklungsstadium hat der Embryo | seine volle Ausbildung erreicht, und die nun folgende Larvenperiode ist vorzüglich durch die Anlage der wichtigsten Organsysteme charakterisirt. - \ Der Anfang dieser Periode wird angedeutet durch die in Fig. 74 schon bemerkbare Einstülpung des Ösophagus (oe) und der Schalendrüse (sd). B. Litteraturangaben und allgemeine Betrach- tungen. Es ist bei den marinen Prosobranchiern eine sehr verbreitete Er- scheinung, dass die unbeschalten Eier in großer Menge zusammen in Gocons abgesetzt werden. Von den Süßwasserprosobranchiern schließt sich darin allein Neritina an die im Meere lebenden Formen an; jedoch Über die Entwieklung der Neritina uviatilis Müll. 163 weicht sie wieder in so fern ab, als sie ihre Gocons einzeln ablegt und nicht, wie ihre marinen Verwandten, zu größeren, auf verschiedene Weise gruppirten Massen vereinigt; Lunp (14, p. 995), der eine Über- sicht der Befestigungsweise und Gruppirung der Eikapseln bei den Meeresprosobranchiern giebt, hat den Fall, dass die CGocons einzeln ab- gelegt werden, überhaupt gar nicht erwähnt; daraus scheint hervorzu- gehen, dass er bei den marinen Formen nicht, oder doch selten vor- kommt. Merkwürdigerweise sind auch bei der parasitischen Entoconcha mirabilis die Eier in der Zahl von je 15 bis 30 von einer gemeinsamen Hülle, die man wohl als Cocon bezeichnen kann, umschlossen, obgleich sie ihre ganze Entwicklung in dem das Ovarium umgebenden Schlauche durchmachen. Man darf wohl annehmen, dass die Coconbildung bei dieser Schnecke ein Überrest ist, welcher sich aus der Zeit erhalten hat, in der sich das Thier noch nicht an den Parasitismus adaptirt hatte. Hier wäre noch zu erwähnen, dass J. Mürzer Eikapseln gesehen hat, in denen sich nicht getrennte Eier, sondern eine diffuse Dottermasse be- fand, in der die Keimbläschen noch deutlich waren (4, Taf. V, Fig. 15). Der Autor lässt es ungewiss, ob der Zustand normal sei, oder nicht. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass derartige Bilder nur dadurch entstehen konnten, dass eben die Eier durch Druck, oder anderweitig verdorben waren. | Was nun die Furchung desjenigen Eies anlangt, welches sich in jedem Cocon allein zu einem Embryo entwickelt, so stimmt dieselbe im Allgemeinen mit den Verhältnissen überein, die bisher für die Gastro- poden bekannt geworden sind. Ausgezeichnet ist die Furchung der Neri- ° tina besonders durch die außerordentlich große Regelmäßigkeit, die sich noch bei verhältnismäßig weit fortgeschrittenen Stadien geltend macht. Die Furchungsstadien unserer Schnecke zeigen die größte Ähnlichkeit mit den entsprechenden Stadien von Vermetus, Entoconcha und beson- ders Fusus. Es tritt bei den Eiern der Neritina auch zuerst eine Son- derung von Bildungs- und Nahrungsdotter ein, ein Vorgang, der sich bei den Gastropodeneiern ziemlich allgemein findet. Danach beginnt die Furchung, durch welche das Ei zuerst in vier Furchungskugeln von, so weit erkennbar, übereinstimmendem Bau und nahezu gleicher Größe zerlegt wird. Diese lassen an der dem animalen Pol zugekehrten Seite die ersten Ektodermzellen entstehen, weiter schnürt sich von einer derselben eine große Zelle ab, die, sich bald theilend, den beiden Mesodermstreifen den Ursprung giebt. Von den drei ande- ren entstehen ebenfalls noch einige weitere Zellen, welche zur Bildung des eigentlichen Darmes verwandt werden, während die vier großen Zellen selbst, reichlich mit Protoleeith beladen, ziemlich lange in ihrer 11% 164 F. Blochmann, ursprünglichen Gestalt und Lagerung erhalten bleiben, um schließlich der Leber den Ursprung zu geben. Wir müssen also die Furchung der Neritina eine holoblastische nennen, da ein eigentlicher Nahrungsdotter nicht vorhanden ist. Die holoblastische Furchung scheint im Allgemeinen für die Gastropoden charakteristisch zu sein, doch finden sich auch Formen, z. B. Nassa und Fusus nach Bosrerzky und Purpura lapillus nach SerenkA (23 und 12), bei denen ein wirklicher Nahrungsdotter vorhanden und deren Furchung also meroblastisch ist. In gewisser Beziehung nähert sich die Furchung der Neritina jedoch an die meroblastische an und kann desshalb viel- leicht als ein beide Furchungstypen verbindendes Zwischenglied aufge- fasst werden. Die vier großen Zellen verhalten sich nämlich Anfangs genau so, wie bei Fusus die vier Nahrungsdotterzellen, indem sie lange im Inneren des Embryo unverändert liegen bleiben, um erst, wenn schon Velum, Schalendrüse und Ösophagus ziemlich weit fortgeschritten sind, sich in kleinere Zellen zu theilen und am Aufbau des Eingeweide- sackes sich zu betheiligen. Für diese Auffassung lässt sich noch als weiterer Grund anführen, dass die Ektodermanlage die vier großen Zellen umwächst, worauf ich bei der Gastrulabildung noch näher einzu- gehen haben werde. Was nun die Anlage der Keimblätter im Speciellen betrifft, so zeigt die Entstehung des Ektoderms bei Neritina mit derjenigen anderer Gastropoden große Übereinstimmung. Es schnüren sich von den vier großen Furchungskugeln nach einander drei Generationen von Ekto- dermzellen ab und zwar sind es, wie im vorigen Theil ausgeführt wurde, immer nur zwei Zellen, die genau gleichzeitig entstehen. Durch diese Beobachtung erhält einer der von Warneck für die Gastropodenfurchung aufgestellten Sätze eine neue Bestätigung. Dieser Satz lautet: »Die Bildung der neuen Dotterkugeln aus den alten richtet sich nach dem Alter der Furchungskugeln.« Die Richtigkeit dieses Satzes bewährt sich in unserem Falle sogar noch bei der Entstehung der Zellen der siebenten Generation. Wenn sich also die von WaArneck aufgestellten Sätze für die Gastropodenfurchung richtig erweisen , so ist es doch nicht recht einzu- sehen, wie Wourson (35) dieselben auch auf die Furchung der Lamelli- branchiaten und Gephalopoden ausdehnen will. Auch For ist der An-. sicht (20, p. 41), dass die ersten Furchungsvorgänge bei Gastropoden und Lamellibranchiaten übereinstimmten. Dagegen hat Ragı (31) Ein- sprache erhoben und mit Recht, denn auch die jüngst durch HATschek (37) bekannt gewordene Furchung von Teredo spricht gegen eine solche Übereinstimmung. Durch die neuesten Untersuchungen KowaALzwsky’s (36) hat sich Über die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. 165 ergeben, dass bei Chiton die Furchung regelmäßig ist, also von dem Furchungstypus der Gastropoden abweicht. Da die inäquale Furchung mit den vier primitiven Furchungskugeln eine für die Gastropoden so konstante Erscheinung ist, so darf man wohl in dem abweichenden Ver- halten von Chiton einen weiteren Grund sehen, der eine Trennung der Placophoren von den Gastropoden rechtfertigt. Diese Trennung wurde auch schon von GEGENBAUR (28) und von v. Inzrına (26), jedoch in ver- schiedenem Sinne vorgenommen. Der regelmäßige Wechsel der Richtung, in der sich die drei ersten Generationen der Ektodermzellen bei Neritina verschieben, findet sich nach For (15 und 20) auch bei Pteropoden und Heteropoden, speciell bei Cavolinia tridentata und Pterotrachaea mutica und coronata. Bei der Vergleichung ist jedoch zu beachten, dass For eine andere Bezeichnung der Drehungsrichtung anwendet, indem er die Furchungsstadien vom vegetativen Pol aus betrachtet. Bei Nassa entstehen nach Boprerzky (23) die ersten Ektodermzellen in etwas anderer Weise, ferner entstehen hier eben so wie bei Gavolinia (cf. 15, Taf. II, Fig. 13 bis 15) nicht nur drei Generationen von Ektodermzellen von den vier ersten Furchungskugeln, - sondern diese fahren fort die Ektodermscheibe durch Abschnürung neuer Zellen zu vergrößern. Bemerkenswerth dagegen ist, dass Neritina und mit ihr also auch die übrigen Gastropoden mit dem, was Harızz (32) bei der Furchung und Keimblätterbildung von Leptoplana tremellaris und Eurylepta auri- culata gefunden hat, eine gewisse Übereinstimmung zeigen. Die Eier dieser Turbellarien furchen sich wie diejenigen typischer Gastropoden so, dass zuerst durch zwei auf einander senkrechte Ebenen, die sich in der den animalen und vegetativen Pol verbindenden Achse schneiden, vier unter einander gleiche Furchungskugeln entstehen. Die dritte Furchungsebene steht eben so, wie bei den Gastropoden, senkrecht auf den beiden ersten und die durch sie abgetrennten vier ersten Ekto- dermzellen sind eben so wie dort viel kleiner, als die ihnen den Ur- sprung gebenden, und machen auch eine Verschiebung derart durch, dass sie in die Zwischenräume der vier ursprünglichen Zellen zu liegen kommen. Ganz ähnlich scheinen diese Vorgänge bei den von Haıızz untersuchten Rhabdocoelen des süßen Wassers zu sein. Und da bei diesen beiden Turbellarien sowohl, wie bei den Gastropoden die vier unteren großen Zellen der noch vereinigten Entoderm- und Mesoderm- anlage, die vier kleineren die ersten Ektodermzellen repräsentiren, so ist eine gewisse Ähnlichkeit in der Keimblätteranlage der Gastropoden und Turbellarien nicht zu verkennen. Nach der kürzlich erschienenen Mittheilung von SeLenk4 (Die Keim- 166 F, Blochmann, blätter der Pianarien. Sitzungsber. der phys. med. Soc. zu Erlangen) dürften die Beobachtungen Harzzz’ in einigen Punkten zu modificiren sein, besonders was die Entstehung des Mesoderms und Entoderms anlangt, doch ist dazu erst die von Serenka angekündigte größere Arbeit abzuwarten. } Bei Neritina ist die Anlage des Mesoderms ohne Zweifel bilateral symmetrisch und bleibt dies verhältnismäßig lange. Bilaterie des Meso- .derms findet sich nach Rası bei Unio und Planorbis, nach BürscuLı bei Paludina und nach Harscuzk bei Teredo. Bei Unio, Planorbis und Teredo, wo die Entstehung des Mesoderms mit aller Sicherheit nachgewiesen ist, stammt es eben so wie bei Neritina vom Entoderm ab. In allen diesen Fällen ist es zuerst eine einzige median liegende Zelle, welche, bald sich theilend, zwei bilateral liegenden Zellen den Ursprung giebt, aus denen dann im weiteren Verlaufe der Entwicklung unter fortgesetz- ter Theilung die beiden Mesodermstreifen hervorgehen. Leider weisen die so genauen Untersuchungen For’s sowohl bei den Pteropoden und Heteropoden, als auch bei den Pulmonaten, was die erste Anlage des Mesoderms betrifft, Lücken auf. Doch darf man wohl auch hier ähnliche Verhältnisse erwarten, denn die Ansicht Ragıs, welcher die beiden großen am Hinterende gelegenen Zellen bei den Embryonen von Gymbulia und Pterotrachaea als Mesodermanlage deu- tet, hat viel für sich. Für die Pulmonaten nimmt For selbst die Möglich- keit an (38, p. 127), dass das Mesoderm seinen Ursprung von zwei symmetrisch gelegenen, durch ihre Größe auffallenden Zellen nehmen dürfte (cf. 1. ec. Taf. IX und X, Fig. 7 und Taf. XI und XII, Fig. 3). Bosrerzky (23) macht nur bei Nassa direkte Angaben über die Bil- dung des Mesoderms und leitet dasselbe eben so wie für Fusus vom Ektoderm ab. Die diesbezügliche Figur für Nassa (l. c. Taf. IX, Fig. 29) lässt aber auch eine andere Deutung zu. Die Zelle m unterscheidet sich durch Größe und Gestalt von den Ektodermzellen ganz bedeutend, und es wäre wohl möglich dieselbe von der darunter liegenden großen Fur- chungskugel abzuleiten, wodurch dann eine Übereinstimmung mit den anderen Gastropoden orzieh wäre. Ganz ähnlich wie die Mesodermzellen bei Neritina sich von der hin- teren der vier großen Furchungskugeln abschnürten, so entstehen auch von den drei anderen eine Anzahl kleinerer Zellen, welche dem eigent- lichen Darm den Ursprung geben und mit den vier großen Zellen, welche, wie wir im nächsten Theil sehen werden, zur Bildung der Leber verbraucht werden, als Entodermanlage zusammenzufassen sind. Die kleinen Entodermzellen wandern zwischen den großen in die Höhe und umschließen dann mit diesen die Urdarmhöhle. Gleichzeitig mit Über die Entwicklung der Neritina Auviatilis Müll. 167 der Wanderung dieser Zellen beginnt auch die Ektodermscheibe sich aus- zubreiten und die großen Zellen zu umwachsen. Zuletzt bleibt auf der Seite des vegetativen Poles noch eine kleine Stelle frei, der Blastoporus, welcher der Lage nach dem späteren Mund entspricht. Nach dem Schlusse des Blastoporus umgiebt das Ektoderm den ganzen Embryo als eine ringsum geschlossene Schicht. Die Vergleichung mit anderen Prosobranchiern ergiebt, dass bei Nassa die als letzte Produkte der vier großen Furchungskugeln entstehen- den Entodermzellen, am Rande der Ektodermscheibe liegend, gegen den vegetativen Pol zu wandern und sich später in der Umgebung des Blasto- porus befinden. Die Bildung der Gastrula ist also hier eine wesentlich epibolische. Bei Fusus umwächst das Ektoderm auch den Nahrungs- dotter, das Entoderm entsteht aber durch Umschlagen der Ränder des Blastoporus, so dass man diesen Modus der Gastrulabildung als nahe verwandt mit der Embolie betrachten kann, worauf auch BosrErzky hin- weist. Bei Paludina endlich findet sich eine wirklich embolische Gastrula- bildung (30). Bei Planorbis unter den Pulmonaten finden sich nach der letzten Mittheilung Rası's (42) ähnliche Verhältnisse wie bei Neritina, indem auch von den großen Entodermzellen an der Seite des vegetativen Poles vier kleinere sich abschnüren, die später den eigentlichen Darm bilden. Der Modus der Gastrulabildung bei Neritina ist eine interessante Zwischenstufe zwischen dem embolischen und dem epibolischen Typus, er ist gewissermaßen eine Kombination beider. Denn wir haben gesehen, dass einerseits das Ektoderm eine wirkliche Umwachsung ausführt, ohne dass sich die darunter liegenden Furchungskugeln durch Abgabe neuer Ektodermzellen dabei betheiligen; andererseits lässt sich das Herauf- wandern der kleinen Entodermzellen ganz gut als eine nur wenig modi- fieirte Einstülpung betrachten. Das Fehlen einer Furchungshöhle bei Neritina weist wieder auf eine epibolische Bildung hin. Wenn wir also von Nassa, wo die Gastrulabildung am meisten epibolisch ist, ausgehen, so haben wir beiFusus, Neritina, Natica, eine Reihe von Übergangsformen, die zu der bei Paludina sich findenden streng embolischen Bildung der Gastrula hinführen. Durch diese Verhältnisse nehmen die Prosobranchier eine Zwischenstellung ein zwischen den Pteropoden einerseits, für welche die Gastrulabildung durch Epibolie, und den Pulmonaten und Heteropo- den andererseits, für welche die durch Embolie typisch ist. Dass der Blastoporus bei den Gastropoden entweder direkt zum definitiven Mund wird, oder dass dieser wenigstens an seiner Stelle ent- steht, scheint sich allgemein zu bestätigen. Ein in dieser Beziehung noch zweifelhafter Fall findet sich bei Paludina. 168 F. Blochmann, Em merk würdiges Schicksal hat aber nach den Beobachtungen von Brooks (34) der Blastoporus bei Astyris und Urosalpinx. Bei diesen bei- den Schnecken, bei denen die Gastrulabildung epibolisch ist, soll nach Verschluss des Blastoporus an dessen Stelle die Schalendrüse entstehen, während Fuß und Mund an der dem animalen Pol entsprechenden Seite auftreten sollen. Dass diese Resultate auf Beobachtungsfehlern beruhen, dürfte wohl kaum zweifelhaft sein; sie stehen mit allen anderen Arbei- ten über Gastropodenentwicklung in Widerspruch. Denn, so weit be- kannt, liegt der Blastoporus immer nach dem vegetativen Pol zu, während die Schalendrüse ganz konstant dorsalwärts hinter dem animalen Pol auftritt. Nach Verschluss des Blastoporus kann man den Embryo als vollendet betrachten ; bevor ich weiter gehe, möchte ich noch Einiges darüber be- merken, wie sich bei Neritina die Embryonalachse zur Larvenachse ver- hält. Bei Neritina fällt, wie bei Paludina, der Punkt, wo die Richtungs- bläschen sich anhefien, also der animale Pol, in das Velarfeld. Wenn wir nun mit For die Verbindungslinie des animalen und vegetativen Poles als Embryonalachse, dagegen die das Vorderende des Embryo, d. h. das Centrum des Velarfeldes, mit dem Hinterende verbindende Linie als Larvenachse bezeichnen, so fallen bei Neritina beide zusammen, oder, richtiger gesagt, die Embryonalachse geht durch Drehung in die Larvenachse über, weil ja der animale Pol durch die beschriebene Ekto- dermeinsenkung in das Velarfeld zu liegen kommt. For kam für die Pteropoden zu einem anderen Resultat; er lässt die Larvenachse senk- recht auf der Embryonalachse stehen. An dem überall gleichmäßig vom Ektoderm umhüllten Embryo haben sich zu den beiden schon vorhandenen Velarzellen noch jederseits einige andere hinzugefügt (Fig. 68). Diese sind jedoch nur durch ihren Inhalt an den stark lichtbrechenden Körnchen erkennbar und zeigen noch keine Spur von Wimperung. Die Angaben Grararkpe’s in dieser Beziehung sind nicht richtig. Er bildet (9, Taf. VIl, Fig. 38) einen Em- bryo ab, welcher vollständig mit Gilien bedeckt sein und innerhalb der Eihülle Rotationsbewegungen ausführen soll. Es ist schwer zu sagen, was Veranlassung zu dieser Beobachtung gegeben hat, und, wenn ÜrararzDeE die Wimperung nicht sicher beob- achtet hätte (er bewahrte den vermeintlichen Embryo 50 Stunden lang auf), könnte man glauben, es habe ein verdorbenes Ei Anlass zu dieser Täuschung gegeben. Was es jedoch auch gewesen sein mag, je war es kein Neritinenembryo. Der Zweifel, den Bırrour (39, p. 221) Betrefls dieser Beobachtung ausspricht, ist also sehr gerechtfertigt gewesen. Über die Entwieklung der Neritina Huviatilis Müll. 169 Das frühe Auftreten von Organen speciell des Velums bei Neritina ist analog den von Bosrerzky bei den marinen Prosobranchiern beob- achteten Thatsachen. Auch For hat einige Furchungsstadien von Ptero- trachaea coronata abgebildet (20, Taf. IV, Fig. 4, 5, 6, 9), bei denen sich auch ganz bestimmte Ektodermzellen durch das Vorhandensein von solchen glänzenden Körnchen auszeichnen. Diese Zellen sind regelmäßig um den animalen Pol gruppirt. Möglicherweise gehen diese Zellen auch in spätere Velarzellen über, was der Lage nach wohl möglich wäre, denn bei Firoloides hat For beobachtet, dass das Velum in einer äquatorialen Zone auftritt, wie bei Paludina (20, Taf. II, Fig. 21 und 23). Man könnte also auch hier, wie bei Neritina, von einer schon in frühen Furchungs- stadien beginnenden Organdifferenzirung sprechen. Aus dem Umstand, dass die hellen Körnchen schon auf dem Sta- dium der Zweitheilung vorhanden sind (Fig. 39), kann man wohl folgern, dass die beiden Anhäufungen auch schon in dem eben in die Furchung eingehenden Ei vorhanden waren, und dass sie die Enden eines Durch- messers einnahmen, also eine Achse bestimmten !. Diese Achse müsste der späteren Sagittalachse entsprechen, denn wie Fig. 44 zeigt, stammen die Körnchen aus den Zellen «a und c, welche vorn und hinten liegen. Diese Verhältnisse, so wie das Auftreten der Mesodermanlage, können den Schluss auf einen bilateralen Bau der Eizelle bei den Bilaterien recht- fertigen. Diese Ansicht wurde schon von Rıgr und HarscHek aufge- stellt. Wenn wir aber einen bilateralen Bau der Eizelle annehmen, so dürfen wir dieselbe nicht mehr als indifferente Zelle betrachten, wie dies HAEcKEL thut (14, p. 406), wenn er die Eizelle nach Entstehung des Furchungskernes, die sog. Cytula, für gleichwerthig mit einer einfach- sten, indifferenten Zelle erklärt. Wollen wir aber annehmen, dass diese Gleichwerthigkeit zu irgend einer Zeit einmal bestand, so müssten die Verhältnisse, wie wir sie jetzt finden, durch abgekürzte Vererbung im Sinne Harcxer’s entstanden sein. Auf dem zuletzt erwähnten Stadium ist das verhältnismäßig am weitesten differenzirte Organ des Embryo der Urdarm. Durch die letzte Publikation Rasr’s (42) hat sich eine erwünschte Übereinstimmung in der Entstehungsweise desselben bei Neritina und Planorbis ergeben. In beiden Fällen lässt die Wand des Urdarmes zweierlei Zellen unterschei- den: solche, die so reichlich Protolecith enthalten, dass sie kaum mehr Kern und Plasma erkennen lassen, und andere, die, vollständig frei von - ! Bei unbefruchteten Eiern habe ich manchmal nach dem Austritt der Rich- tungsbläschen um den animalen Pol eine Anhäufung von solchen hellen Körnchen beobachten können (Fig. 23 bis 26), wage jedoch vor der Hand nicht zu entscheiden, ob dieselben hierher zu beziehen sind. 170 F. Blochmann, Protolecith, ungefähr das Aussehen der Mesodermzellen haben. Die kleinen Entodermzellen, vier an der Zahl, entstehen bei Planorbis durch Knospung von den vier großen am vegetativen Pol. . Eben so bei Neri- tina; nur scheinen hier fünf kleine Entodermzellen vorhanden zu sein, jedoch konnte ich, wie schon bemerkt, über den Ursprung der fünften (en,,, Fig. 55) nicht ganz ins Klare kommen. Die mützenförmige, auf den großen Entodermzellen liegende Schicht der kleineren Entoderm- zellen wollen wir mit Ras als Darmplatte bezeichnen. Von dieser, in einem etwas weiter fortgeschrittenen Stadium genau unter der Schalen- drüse liegenden Darmplatte entsteht der Enddarm als hohler Zapfen, der nach hinten und oben gerichtet, das Ektoderm am hinteren Rande der Schalendrüse berührt. Bei Neritina kann man auch später, wenn der Eingeweidesack schon gebildet ist, die kleinen Entodermzellen noch deutlich unterscheiden, und sie werden uns später, beim Beginn der Asymmetrie, zur Orientirung gute Dienste leisten. Eine ähnliche Entstehung des Darmes ist von For für die Pulmona- ten nachgewiesen (38, p. 150 und fg.). Es sind auch zweierlei Zellen vorhanden, die jedoch erst im Laufe der Entwicklung sich verschieden differenzirt haben, indem von den ursprünglich gleichen Zellen die einen Protolecith aufspeicherten, die anderen nicht. Ähnlich scheinen auch die von Wourson bei Lymnaeus beobachteten Verhältnisse zu sein. Die weitere Ausbildung des Intestinaltractus fällt in die Larven- periode und wird also im nächsten Theile zu behandeln sein. Heidelberg, den 1. Februar 1881. Verzeichnis der benutzten Litteratur. 1. G. Voct, Recherches sur lembryogenie des Mollusques gasteropodes. Ann. d. sc. nat. Ill.ser, VI. 14846, 9. F. Leypis, Paludina. Diese Zeitschrift. 1850. 3. Koren und DANIELLSEn, Bidrag til Pectinibranchiers Udviglingshistory. Bergen A851. 4. J. MüLLer, Über Synapta digitata und über die Erzeugung von Schnecken in Holothurien. Berlin 1852. 5. G. Lınpström, Zur Entwicklung der Neritina fluviatilis in: Oefv. af kongl. Vetensk. Acad. Förh. 1855, referirt in: WıEGmAnn’s Archiv für Naturgesch. 4856. II. p. 105. 6. Sans, Koren und DANIELLSEn, Fauna littoralis Norwegiae. II. livr. 4856. _ 7. H. LAcaAzE-DUuTtHiers, Denlale. Ann. d. sc. nat. Ser. IV. T. VI. 4857. 8. CARPENTER, On the development of Purpura lapillus. The ann. and mag. of nat. hist. vol. XX. 1857. 34, 35. Über die Entwieklung der Neritina Anviatilis Müll. 171 E. CLAparkDE, Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Nerilina fluviatilis. Mürr. Arch. f. Anat. 1857. H. LacAzE-DuTBIErs, M&emoire sur l’anatomie et ’embryogenie des Vermets. Ann. d. sc. nat. Ser. IV. T. XIII. 4860. , Bronw’s Klassen und Ordnungen. Bd. Ill. 2. Malacozoa cephalophora von W. KEFERSTEIN. 1862 bis 1866. E. SELEnKA, Die Anlage der Keimblätter bei Purpura lapillus. Nied. Arch. für Zool. 1872. E. HAECKEL, Die Gastraeatheorie. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. VIII. 4874. — Die Gastrula und die Eifurchung der Tbiere. Jen. Zeitschr. für Naturw. 4873. H. For, Sur le d&veloppement des Pteropodes. Paris 1875. Ray-LANkESTER, Contributions to the developmental history of ihe mollusca. Phil. Trans. 4875. 0. Herrwis, Beiträge zur Kenntnis der Bildung und Befruchtung des thierischen Eies. Morphol. Jahrb. 1876. . €. Rasr, Über die Entwicklungsgeschichte der Malermuschel. Jen. Zeitschr. f. Naturw. 1876. . W. VELTEn, Einwirkung strömender Elektricität auf die Bewegung des Proto- plasma, auf den lebenden und todten Zelleninhalt, so wie auf materielle Theilchen überhaupt. Sitzb. d. Akad. d. Wissensch. Bd. LXXIII. 1876. . H. For, Sur le developpement embryonnaire et larvaire des Heteropodes. Arch. d. Zool. exp. et gen. Bd. V. 4876, . 0. Bürscatı, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Konjugation der Infusorien. Abh. d. Senckb. naturf. Gesellsch. Bd. X. 1876. . E. Haecker, Nachträge zur Gastraeatheorie. Jen, Zeitschr. f. Naturw. 1877. . N. Bosrerzey, Studien über die embryonale Entwicklung der Gastropoden. Arch. f. mikr. Anat. 1877. . 0. Herrwıs, Beiträge zur Kenntnis etc. Morphol. Jahrb. 1877. . —— Weitere Beiträge zur Kenntnis etc. Morphol. Jahrb, 1877. 2. Th. . V. [uerıng, Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken. Leipzig 1877. . 0. Herrwie, Beiträge zur Kenntnis etc. Morphol. Jahrb. 1878. . GC. GEGENBAUR, Grundriss der vergleichenden Anatomie. II. Aufl. 4878. - W. Freuning, Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. I. Arch. f. mikr. Anat. 1878. . O. BürschLı, Entwicklungsgeschichtliche Beiträge. Diese Zeitschr. 1879. . C. Ras, Über die Entwicklung der Tellerschnecke. Morphol. Jahrb. 1879. . Harıez, Contributions ä l’histoire naturelle des Turbellaries. Trav. de linst. zool. de Lille. fasc. II. 1879. . H. For, Recherches sur la f&condation et le commencement de l’henog£enie chez divers animaux. Geneve 1879. Brooxs Preliminary Observations upon the Development of the marine proso- branchiate Gasteropods. Chesapeake zool. Lab. J. Hopkins Univ. scientif. res. referirtin: Zool. Jahresber. f. 4879 herausg. v. d. zool. Stat. z. Neapel. I. Theil. Wourson, Die embryonale Entwicklung von Lymnaeus stagnalis. Mel. bibliogr. tires du Bull. d. !’Acad,. imp. d. sc. de St. Petersbourg. t. X. 1879, 172 F, Blochmann, 36. KowALEwsky, Beiträge zur Entwicklung der Chitonen. Zool. Anz. 1879. p. 469. 37. B. Hatscnek, Über Entwicklungsgeschichte von Teredo. Arb. d. zool. Inst. zu Wien. T. III. 4880. 38. H. For, Etudes sur le developpement des Mollusques, III® mem. Gasteropodes pulmones. Arch. d. zool. exp. et gen. 1880. 39. Fr. BALFourR, Handbuch der vergl. Embryologie; übers. von B. VETTER. Jena1880. 40. E. STRASBURGER, Zellbildung und Zelltheilung. IV. Aufl. Jena 4880. 44. W. Fremning, Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. II. Arch. f. mikr. Anat. 1880. 42. C. Rası, Über den pedicle of invagination und das Ende der Furchung von Pla- norbis. Morphol. Jahrb. 1880. | 43. HorrmAann, Vorläufige Mittheilung zur Ontogenie der Knochenfische. Zool. Anz. III. 1880. Nr. 74 und 72. Erklärung der Abbildungen !. Tafel VI. Alle Figuren sind, mit Ausnahme von Fig. 4a nach Alaunkarminpräparaten mit SEIBERT: 75 homogene Immersion gezeichnet und beziehen sich auf unbefruchtete Bier. Die Figuren 23 und 26 bis 34 sind etwas schwächer vergrößert. Für alle Figuren, incl. Fig. 35 bis 37, Taf. VII, geltende Bezeichnungen: n, Eikern; kp, Kernplatte (BürscaLı's Körnchen); nc, Nucleolus desselben ; Rbl, Richtungsbläschen ohne Bezug auf nj, aus den Körnchen BürtscaL!’s entstan- die Entstehung; dene junge Kerne; Rbl,, erstes Richtungsbläschen ; an, durch Verschmelzung der Körnchen Abi’, \die beiden durch Theilung von Rbl, BürscaLr'sentstandenes kernartigesKör- a Richtungsbläschen ; perchen; Rbl,, zweites Richtungsbläschen ; pnQ, weiblicher Pronucleus; prl, Protolecith. Fig. 4. Frisch gelegtes Ei. Fig. Aa. Isolirtes Keimbläschen eines Eierstockseies nach dem frischen Objekt. Fig. 2. Etwas älteres Ei, als Fig. 4; die Kernmembran wird faltig. i Fig. 3. Ei, bei dem die Kernmembran verschwunden ist; ein Strahlensystem vorhanden. Fig. 4. Älteres Stadium; der Nucleolus hat sich in mehrere Stücke getheilt. Fig. 5. Ei mit ausgebildeter Kernplatte und zwei Strählensystemen. Fig. 6. Ei mit ausgebildeter erster Richtungsspindel. Fig. 7. Optischer Schnitt durch dasselbe Ei; die Richtung geben die Pfeile der vorigen Figur an. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Stadium, in welchem die Theilung der Kernplatte noch weiter fortge- schritten ist, das Ei hat sich in der Richtung der Spindelachse verlängert, Fig. 41. Ei, bei welchem das erste Richtungsbläschen auszutreten beginnt. Fig. 12. Fig. 13.\ Eier mit verschiedenen Abschnürungsstadien des ersten Richtungs- Fig. 14. bläschens. Fig. 45. ! Auf dem Titel muss es heißen Taf, VI—VIII, anstatt Taf. VI—-IX. \ Eier, bei denen die Kernplatte in Theilung begriffen ist. ! | | Über die Entwicklung der Neritina Auviatilis Müll. 173 Fig. 46. Ei mit dem zweiten Richtungsamphiaster ; das erste Richtungsbläschen zeigt eine Spindel. Fig. 17. Fig. 18. | n 3 „ ; 2 Bio e Verschiedene Eier, welche die Abschnürung des zweiten und Thei- ni a lungszustände des ersten Richtungsbläschens zeigen, Fig. 21. Fig. 22. Stadium, wo der im Ei zurückgebliebene Theil der Kernplatte gegen die Eimitte zu wandert. Fig. 23. Ei, bei dem die Kernplattenelemente verschmolzen und in dem Cen- trum des Eies angelangt sind. k, Anhäufung stark lichtbrechender Körnchen. Fig. Br mit pathologisch veränderter Kernspindel; sp, äußere, sp’, innere Fig. 25.) solide Spitze der Spindel. Fig. 26. Ei, bei welchem die Körnchen der inneren Kernplattenhälfte zu kleinen Kernen sich ausgebildet haben. Fig. 27. Ei, bei dem die kleinen Kerne sich zu einem weiblichen Pronucleus vereinigt haben. Fig. 28. Ei in beginnender Zweitheilung. Fig. 29. Ei in Zweitheilung, Fig. 30. Ei nach der Zweitheilung. Fig. 31. Fig. 32. Eier in verschiedenen Stadien der Theilung; x, Theilkugeln, die nur Fig. 33.| feinkörniges Protoplasma enthalten. Fig. 34. Tafel VII. Die Figuren dieser und der folgenden Tafeln sind meist nach frischen Präpara- ten entworfen und dann nach gefärbten weiter ausgeführt. Vergrößerung 300:4, Bezeichnungen, die für alle Figuren dieser und der folgenden Tafeln Geltung haben. ec, Ektoderm; oe, Ösophagus; en, Entoderm ; Rbl, Richtungsbläschen ; mMı, Ma, Urzellen des Mesoderms; sd, Schalendrüse; ml, mr, linker und rechter Mesoderm-. ud, Urdarmbhöhle; streifen ; vz, vzy, Urvelarzellen ; v, Nucleus; v, Velum. da, vd, elc., Nucleus von a, b etc.; Fig. 35. Frisch abgelegtes Ei; unpräparirt. Fig. 36. Ei mit beginnender Ausstoßung der Richtungsbläschen ; unpräparirt. Fig. 37. Ei nach Ausstoßung der Richtungsbläschen; unpräparirt. Fig. 38. Ei nach der Zweitheilung. Fig. 39. Vorbereitung zur Viertheilung; h, glänzende Körnchen. Fig. 40. Stadium der beinahe vollendeten Viertheilung; nach einem frischen Präparat. Fig. 44. Ei nach Vollendung der Viertheilung. Fig. 42. Beginn der Ektodermbildung. Fig. 43. Ei mit acht Zellen; a, bi cı dı, Zellen der vierten Generation. Fig. 44. Stadium der Zwölftheilung;; a) ba cada, Zellen der fünften Generation. Fig. 45. Entstehung der Zellen sechster Generation a’; b’, ec’, d'.. Fig. 46, Entstehung der Zellen siebenter und achter Generation a3b3 c;, d3 und a’ob'gc’ad'z. r 174 F. Blochmann, Über die Entwicklung der Neritina fuviatilis Müll. Fig. 47. Dasselbe Stadium im Profil. Fig. 48. Stadium der vollendeten Vierundzwanzigtheilung. Fig. 49. Dasselbe Stadium im Profil. \ Fig. 50. Stadium von 28 Zellen; @’ab”’a ca d”a, Zellen der neunten Generation. Fig. 51. Stadium von 36 Zellen; vz von a’a, vzı von c’a, d’”’, von d’a, @’3 von Q3 entstanden etc. Fig. 52. Dasselbe Stadium im Profil von hinten mit der ursprünglichen Meso- dermzelle M und den Zellen b/V,, cIVa etc.; der Kern von a ist nicht sichtbar; er liegt wie der von b und d am vegetativen Pol. . Fig. 53. Stadium, welches die Theilung der Zellen d”g etc. zeigt. Fig. 54. Dasselbe Stadium im Profil von hinten. Die Zelle M hat sich in die bilateral liegenden m; und m» getheilt. Die Entodermzellen en, und en; sind von b und d aus entstanden. Der Ursprung von en, ist unbekannt. Fig. 55. Dasselbe Stadium vom vegetativen Pol. Tafel VIII. Fig. 56. Ein weiteres Stadium vom animalen Pol; von jetzt ab fehlen die Rich- tungsbläschen. Fig. 57. Dasselbe Stadium im Profil von vorn; es sind noch zwei Entoderm- zellen en, und en,’ von a aus entstanden. Fig. 58. Ein auf demselben Entwicklungsstadium befindliches Ei im Profil von hinten. Die Zellen en,, en; und en, enthalten je zwei Kerne. Fig. 59. Entwicklungsstadium, bei dem die Niveaudifferenzen in der Ekto- dermscheibe verschwunden sind und die Vertiefung vi aufgetreten ist; in diese senken sich die Zellen a; bi cı dı ein. Fig. 60. Dasselbe im Profil von vorn. Fig. 61. Dasselbe im Profil von links; das Ektoderm ist im optischen Schnitt angegeben. Fig. 62. Weiteres Stadium; die Mesodermzellen m; und m» bereits in Theilung; die kleinen Entodermzellen liegen zum Theil schon über den großen, unmittelbar unter dem Ektoderm, Fig. 63. Dasselbe Stadium im Profil von links. Das Ektoderm ist im optischen Schnitt angegeben. Fig. 64. Dasselbe vom vegelativen Pol. Fig. 65. Weiteres Stadium im Profil von links; Ektoderm im optischen Schnitt. Dasselbe beginnt bereits die großen Entodermzellen zu umwachsen; ugr, Um- wachsungsgrenze. Fig. 66. Weiteres Stadium von oben; jederseits ist schon ein Mesodermstreifen entstanden; die kleinen Entodermzellen, die die Urdarmhöhle von oben begrenzen, sind im optischen Schnitt angegeben. Fig. 67. Optischer Querschnitt durch dasselbe Stadium. Fig. 68. Stadium, bei dem die Umwachsung der Entodermzellen durch das Ektoderm vollendet ist; das Velum beginnt sich von den beiden Zellen vz und v2; aus nach der Mitte zu auszudehnen. Fig. 69. Dasselbe Stadium im optischen Querschnitt.mit dem Blastoporus bl. Fig. 70. Optischer Schnitt in der Richtung des Pfeiles durch das Stadium der folgenden Figur. Fig. 71. Stadium, welches den Beginn der Bildung des Mundes oe und der Schalendrüse sd zeigt, im optischen Längsschnitt. Über die Allantois des Menschen. Von W. Krause, Professor in Göttingen. Mit Tafel IX. Da einige Ausstellungen an der Beweisführung in Betreff des früher in dieser Zeitschrift abgebildeten menschlichen Embryo neuerdings ge- macht worden sind, so wird es unumgänglich, noch einmal darauf zurückzukommen. Auf alles nicht streng zur Sache Gehörige soll dabei selbstver- ständlich verzichtet werden — mit Ausnahme einer neuen Abbildung, die einen 4 mm langen menschlichen Embryo darstellt (Taf. IX, Fig. A). Ecker! hat die Ansicht angedeutet, die von mir als Allantois eines menschlichen Embryo beschriebene Blase möge eine pathologische Bildung sein. Wenn aber ein Unbefangener, ohne irgend etwas von dem Embryo zu wissen, das fragliche Gebilde betrachtet (Taf. IX, Fig. 1), so wird er doch gewiss nicht anstehen, dasselbe für eine ganz normale Allantois zu erklären. Besser sieht man den aus der Tiefe kommenden Allantoisstiel freilich, wenn man den Embryo in der Rückenlage be- trachtet und den Focus etwas tiefer einstellt, als es in der früheren Ab- bildung? geschehen ist. Was das Auge des Embryo anlangt, so ist die in Fig. 4 (Taf. IX) abgebildete große Wölbung für das Großhirnbläschen zu halten. Es kommen hierbei die Beleuchtungsverhältnisse in Betracht. Man kann einen Embryo durch Drehung um seine Längs- oder Querachse in verschiedene Stellungen bringen. Man kann das Licht bei Beleuchtung von oben auf dunklem Hintergrund von verschiedenen Seiten her einfallen lassen. Wie die Mondkrater wechselt das Embryonen-Relief 1 Archiv für Anatomie und Physiologie. Anat. Abth. 1880. p. 405. ? Diese Zeitschr. 1880. Bd. XXXV. Taf. IX, Fig. 5. 176 W. Krause, dabei sein Aussehen mit der Beleuchtung. Man kann endlich durch Focus- verschiebung des (einfachen) Mikroskopes verschiedene Theile des Ober- flächenreliefs successive zur Anschauung bringen. Variirt man diese Bedingungen, so ergiebt sich Folgendes: Orien- tirt man den Embryo in reiner Profilansicht mit der rechten Seite nach oben in der Art, wie es am natürlichsten ist, dass das Licht der Be- leuchtungslinse senkrecht auf die Längsachse des Embryo, zugleich von dorsalwärts her und etwas von oben einfällt, so zeigt sich die Kuppe ! des Großhirnbläschens durchleuchtet. Im Gentrum der Kuppe erscheint ein dunklerer Ring. Diese Erscheinungsweise konnte dazu veranlassen, das Auge auf dieser Stelle zu supponiren ?. Von der Kuppe fällt das Großhirnbläschen in sanfter Wölbung nach vorn ab. In der reinen Profilansicht kann man diese Wölbung wenig- stens bei Einstellung des Focus auf die Kuppe nicht sehen. Stärkere Vergrößerung zeigt, dass der innere dunklere Ring der Rand einer flachen uhrglasförmigen jedoch etwas eckigen Depression ist. An der linken Körperhälfte des Embryo ist von einer solchen Depression keine Spur vorhanden, die Kuppe vielmehr auch bei stärkerer Vergrößerung vollkommen glatt. Mit Rücksicht auf die Form der ganzen Wölbung (Taf. IX, Fig. I und 2) lässt sich unmöglich annehmen, sie entspreche einer Augenblase. Vielmehr würde zu folgern sein, dass beim Menschen zur Zeit dieser Epoche das Großhirnbläschen mit seiner lateralen hin- teren (dorsalwärts gelegenen) Kuppe am weitesten lateralwärts vor- springt; wenn man nicht vorzieht, irgend welche Zufälligkeit in der Lagerung eines so zarten mit wässriger Flüssigkeit gefüllten Bläschens anzunehmen. Gegenüber diesen Thatsachen bleibt wohl keine Möglichkeit, das früher’ als Auge bezeichnete Gebilde als solches aufrecht zu halten. Eine andere Frage ist es, ob das später als Augenanlage gedeutete Pünktchen das Auge ist, denn dem Embryo könnten die Augenanlagen ganz fehlen. Jenes Pünktchen ist in der hier mitgetheilten Abbildung (Taf. IX, Fig. 1) nicht sichtbar, das dicht oberhalb der Wurzel des Unterkieferbogens ge- zeichnete Knötchen ist oflenbar der Oberkieferfortsatz und auch in der anderweitigen früheren Abbildung zu erkennen. Unmittelbar oberhalb dieses Oberkieferfortsatzes liegt das jetzt als solches gedeutete Augen- pünktchen. Ganz anders sieht freilich das winzige schwarze Äuglein eines anderen 1 Diese Zeitschrift. 4880. Bd. XXXV. Taf. IX, Fig. 2. 2 Vel. Archiv für Anatomie u. Physiologie. Anat. Abth. 1880. p. AAN. 3 Archiv für Anatomie u. Physiologie. 1875. Taf. Vlc. 4 Diese Zeitschrift. 1880. Bd. XXXV. Taf. IX, Fig. A o. 5 Daselbst. Über die Allantois des Menschen. 177 menschlichen Embryo aus, welcher kleiner als der bisher erörterte, nämlich nur 4 mm, während das Ei 35 mm lang ist. Derselbe besitzt keine freie Allantois, sondern eine Nabelschnur oder sog. Bauchstiel und die Erklärung für dieses häufige pathologische Vorkommnis wurde be- reits früher! gegeben. Ob der Embyro zugleich jünger ist, als der 7 mm lange mit bläschenförmiger Allantois lässt sich nach den eben eitirten Erörterungen nicht ohne Weiteres angeben ; wahrscheinlich ist er sogar älter. Die Abbildung zeigt große Übereinstimmung mit den Anschauungen von Hıs; sie hat nur insofern Interesse, als es sich fragt, ob auch bei diesem Embryo dessen menschliche Natur beanstandet werden wird. Messungen an sehr jungen Embryonen haben bekanntlich ihre Schwierigkeiten. Zur Altersbestimmung wäre es erwünscht, die Körper- länge zu kennen, da die Embryonen ihren Entstehungstag, um einen Ausdruck von LA VALETTE ST. GEORGE'S zu gebrauchen, nicht auf einem Zettel an dem Schwänzchen tragen. Die Embryonen sind aber zusammen- gerollt. Gewöhnlich misst man einen größten Durchmesser des Embryo- knäuels. Das ist ungefähr eben so, als wenn Jemand junge und alte Igel auf ihre Körpergröße vergleichen wollte und sie in zusammengekugeltem Zustande messen würde. Gesetzt, es käme darauf an zum Zweck von Untersuchungen über Spermatogenese oder irgend welcher physiologi- scher Experimente das relative Alter frisch eingefangener Igel zu bestim- men. Jeder Zoologe wird dieses Thier wie alle anderen von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel messen. Da der Kopf bei jungen Wirbelthieren im Allgemeinen relativ länger ist, so würde es für obiges Beispiel rich- liger sein, die Distanz vom Atlas bis zur Schwanzwurzel zu nehmen. Man sieht, dass es auf die Wirbelsäule oder Chorda dorsalis des Stammes ankommt. Verfährt man nach diesen Gesichtspunkten, so bemerkt man sofort, dass die Embryonen von Hrnsen, ferner A und B von His länger sind als 4,5, resp. 7— 7,5 mm, welche Länge ihnen zugeschrieben wird. Man kann die beiden letzteren nicht desshalb für jünger halten als meinen Embryo, weil dieser 53/, — 7,6 mm Länge hat. Denn mein Embryo ist weniger zusammengerollt. Vergleicht man seine Längsachse in imaginär gestrecktem Zustande mit dem von mir abgebildeten Hühn- chen, so findet man an der Abbildung ? beiläufig in mm: Menschl. Embryo Hühnchen Hühnchen Fig. 2. Fig. A. Fig. 6. 57 63 80 welche Ziffern durch die Vergrößerungszahl (7) zu dividiren sind. 1 Diese Zeitschrift. 4880. Bd. XXXV. Taf. IX. 2 Daselbst. p. 139. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVI. Bad. 49 178 W. Krause, Das Hühnchen Fig. 4 hat also dieselbe Körperlänge wie mein Embryo, wenn man auf die Einrollung des Schwanzendes des letzteren 6 mm rechnet, was jedenfalls der Wahrheit sehr nahe kommt. Dieses Hühn- chen gehört aber einer viel früheren Entwicklungsstufe an als mein Em- bryo, weil dieExtremitäten kaum angedeutetsind, die Allantois fehltu. s. w. Das größere Hühnchen von Fig. 6 dagegen entspricht in der Entwicklungs- stufe genau meinem Embryo. Seine Körperlänge (Taf. IX, Fig. 3) ist aber viel bedeutender — um 20—30°/,. Hieraus folgt, was freilich ein Blick auf die Tafel IX (l. c. 1880) in bequemerer Weise lehrt, dass mein Embryo kein Hühnchen sein kann. Ä io Da die Länge der Schlundbogen für die Bestimmung eines Em- bryo von Interesse ist, so hat Hıs! die Kopftiefe bei meinem Embryo? im Bereich des Unterkieferhogens zu 1,5 mm an einer Profilabbildung? ge- messen. Auf derselben ist jedoch, wie ich durch eine anderweitige Ab- bildung (l. c. Fig. 1) erläutert habe, die Spitze des Schlundbogens unsicht- bar, weil nicht im Focus des (einfachen) Mikroskopes befindlich. Nun beträgt die Entfernung von der Wurzel des Unterkieferhogens bis zum Rücken des Embryo in der Profilansicht A mm (l. c. Fig.2), die Länge des genannten Bogens (l. c. Fig. 4) ebenfalls etwa Imm, genau 0,9 mm; nicht aber 0,5 mm, welche Länge Hıs supponirt hat. Da der Unterkieferbogen noch sehr wenig gekrümmt ist, so kann man von seiner optischen Ver- kürzung in der letzteren Abbildung einerseits, in seiner wirklichen Pro- filansicht andererseits abstrahiren. Daraus ergiebt sich, dass die Hıs’sche Messung um wenigstens 20°, zu niedrig ausgefallen ist. Die wahre, mit den von Hıs an seinen eigenen Embryonen (« und B) vorgenommenen Messungen zu vergleichende Distanz beträgt also 4,9 mm (Taf. IX, Fig. 4). Hıs hatte für « —= 1,5, für B== 2,4, im Mittel 1,95 mm erhalten. Historische Bemerkungen. Im Jahre 1875 hatte ich die Allan- . tois eines menschlichen Embryo beschrieben. Bald darauf erklärte KöL- LIKER, ich hätte Amnionfetzen für eine Dotterblase genommen und später: die angebliche Allantois sei eine pathologische Bildung. Letzterer Ansicht sind Anıreup und Ecker beigetreten. Eine nähere Motivirung von irgend einer Seite ist nicht versucht, mit der Ausnahme, dass Ecker angiebt, ein- mal ein pathologisches Bläschen an einem Embryo gesehen zu haben. Andererseits ließ Hıs im Anfange seinen Lesern faktisch die Wahl, entweder »gröbliche Verzeichnungen« in meinen Abbildungen oder aber ! Archiv für Anatomie und Physiologie. Anat. Abth. 1880. p. 4A. 2 Vgl. Zool. Anzeiger. 4880. Nr. 57. p. 284. — 1884. Nr. 80. p. 185. 3 W. Krause, Diese Zeitschrift, 1880. Bd. XXXV. Taf. IX, Fig. 2. * Gentralblatt für Gynäkologie. 1880. Nr. 25. — Vgl. daselbst meine Entgegnung. 1881. Nr. A. u [I Über die Allantois des Menschen. 179 anzunehmen, ich sei dürch einen raffinirten Betrug getäuscht worden. Die angebliche Ähnlichkeit des Gehirns meines Embryo mit demjenigen eines Vogels wurde dadurch hergestellt, dass eine Holzschnittfigur benutzt wurde, deren Amnionschleier nicht verstanden worden zu sein scheint. Später berichtete Hıs von »Präparaten-Verwechselungen«, die ihm in seiner Praxis vorgekommen seien. Nicht minder wurde an der Vogel- natur meines Embryo festgehalten in der Supposition, meine Abbil- dungen stellten die Dinge dar, wie sie mit freiem Auge gesehen werden (vgl. Taf. IX, Fig. 2), während Jeder weiß, dass Mikroskope oder stär- kere Lupen nur eine Ebene im Focus zeigen. Auf Grund solchen Miss- verständnisses wurde die abgerundete Kuppe des Großhirnbläschens für eine Augenblase genommen und schließlich der Unterkieferbogen um etwa die Hälfte seiner Länge zu kurz gemessen. Ist diese historische Darlegung der Wahrheit entsprechend — und die Beweise für jeden Satz sind in den obigen Schriftstücken enthalten — so hat es offenbar keinen Zweck, auf derartige Einwendungen noch ferner- hin zu erwiedern. Vielmehr dürfte es wünschenswerth sein, der be- denklichen Anhäufung von Litteratur über einen so einfachen Gegenstand ein vorläufiges Ende zu bereiten, weil für die Differentialdiagnose früh- zeitiger menschlicher Embryonen nur die Wenigen, welche sich mit letz- teren eigenhändig befasst haben, specielleres Interesse hegen möchten. In Betreff des Nachweises aus dem Präparate selbst, dass der Embryo ein menschlicher und dass die fragliche Blase die Allantois ist, darf noch- mals auf die hier beigegebenen Abbildungen verwiesen werden. An diesen Thatsachen lässt sich nichts mehr ändern. Göttingen, im Juni 1881. Erklärung der Abbildungen. Tafel IX. Fig. 4. Menschlicher Embryo. 7 Mal vergrößert, das Amnion größtentheils ent- ernt. Fig. 2. Der Embryo von der linken Seite. Natürliche Größe. Kopie der Taf. VI, Fig. A des Archiv für Anatomie u. Physiologie. 1875. Fig. 3. Die Profilansicht desselben Embryo auf diejenige eines Hühnchens von gleicher Entwicklungsstufe gezeichnet. Das Hühnchen wird an seinem Kopftheil überall von dem menschlichen Embryo überdeckt, am Schwanztheil ragt das Hühn- chen, nachdem es gestreckt ist, bei 7 facher Vergrößerung um 48 mm hervor; von demselben sind nur die Konturen angegeben. Schematische Kopie der Fig. 2 und 6 der Taf. IX dieser Zeitschrift. 1880. Bd. XXXV. Fig. 4. Menschlicher Embryo aus dem ersten Schwangerschaftsmonat. 4 mm lang. 7 fach vergrößert, von der linken Seite gesehen. Sämmtliche Figuren sind von Herrn PFTERs in Göttingen gezeichnet. 12° Die Fürstlich Jablonowskische Gesellschaft wiederholt für das Jahr 1884 die zunächst für 1880 ausgeschriebene, damals aber ohne Bearbeitung gebliebene Aufgabe. »Nachdem durch die embryologischen Untersuchungen der letzten Jahre der Nachweis erbracht ist, dass der Körper sämmtlicher Thiere — mit Aus- schluss der sog. Protozoen — in ähnlicher Weise aus Keimblättern sich auf- baut, entsteht die Frage, ob der Antheil, welchen diese Blätter an der Ennt- wickelung der einzelnen Organe und Gewebe nehmen, überall genau der gleiche ist oder nicht; eine Frage, die dann naturgemäß weiter zu der Unter- suchung führt, ob dieser Antheil durch die specifischen Eigenschaften der Keimblätter oder durch anderweitige Momente bedingt ist. In Anbetracht der großen Bedeutung, welche die Entscheidung dieser Fragen für die Auf- fassung der thierischen Organisation hat, wünscht die Gesellschaft eine auf eigene Untersuchungen gegründete Kritik der Lehre von der Homologie der Keimblätter.« Da die zur Bearbeitung dieser Aufgabe nöthigen Untersuchungen einen längeren Aufenthalt an der See nothwendig machen dürften, also ungewöhn- liche Kosten verursachen, sieht sich die Gesellschaft veranlasst, den dafür ursprünglich festgesetzten Preis von 700 Mark auf 1000 Mark zu erhöhen. Die anonym einzureichenden Bewerbungsschriften sind in deutscher, latei- nischer oder französischer Sprache zu verfassen, müssen paginirt, mit einem Motto versehen und von einem versiegelten Couvert begleitet sein, das auf der Außenseite das Motto der Arbeit trägt, inwendig den Namen und Wohnort des Verfassers angiebt. Die Zeit der Einsendung endet mit dem 30. November des angegebenen Jahres, und die Zusendung ist an den Secretär der Gesellschaft zu richten. Die gekrönten Bewerbungsschriften werden Eigenthum der Gesellschaft. BRE ”.q | | | | Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. Von Professor Dr. Hubert Ludwig in Gießen. Mit Tafel X und XI und einem Holzschnitt. I. Entwicklung der Armwirbel. Die Gründe, welche ich in einer früheren Arbeit! zu Gunsten der MEck£L- und Jon. MüLer'schen Ansicht von der Homologie der Ophiurenwirbel mit den Wirbeln der Aste- rien entwickelte, waren vorzugsweise den anatomischen Verhältnissen der erwachsenen Thiere entnommen. Ich wies dort darauf hin, dass sowohl die Zusammensetzung aus zwei in der Mittellinie mit einander verwachsenen Hälften als auch die Lagebeziehung zum radiären Wasser- gefäße und zu dessen die Füßchen versorgenden Zweigen für jene Homo- logie sprechen, dass dagegen die Gaupry-Lyman’sche Auffassung, welche die Ophiuren-Wirbel als ganz eigenartige, den Asterien völlig fehlende Skelettstücke hinstellt, der triftiigen Gründe entbehre. Indessen war der eine Hauptpunkt, die ursprüngliche Zusammensetzung aller Ophiuren- wirbel aus zwei, den Wirbelhälften oder Ambulacralstücken der Aste- rien vergleichbaren Hälften, nicht entwicklungsgeschichtlich festgestellt, sondern nur aus einigen anatomischen Thatsachen abgeleitet. Es blieb also hier eine Lücke der Beweisführung auszufüllen um jene Homologie allem Zweifel gegenüber sicher zu stellen. Und wenn auch der neuer- dings veröffentlichte interessante Fund Lyman’s?, dass bei einigen Tief- - seeophiuren die Armwirbel sämmtlich aus zwei deutlich von einander unierscheidbaren Stücken bestehen, erst recht darauf hindeutete, dass das Ergebnis der entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung wohl kaum ! Beiträge zur Anatomie der Ophiuren. Diese Zeitschr. Bd. XXXI. p. 347 sqq. (Morphol. Studien an Echinodermen. I. Bd. p. 242 sqq.) 2 Ta. LymAn, A structural feature hitherto unknown among Echinodermata, found in deep-sea Ophiurans. Boston 4880 (Anniversary Memoirs of the Boston Society of Natural History). | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 13 182 Hubert Ludwig, ein anderes sein werde als eine thatsächliche Bestätigung des von der vergleichenden Anatomie aufgestellten Postulates, so blieb es nicht weni- ger wünschenswerth jene entwicklungsgeschichtliche Untersuchung ein- mal vorzunehmen und die Entstehung der Ophiurenwirbel in ihren einzelnen Stadien zu verfolgen. Ein für diesen Zweck sehr geeignetes Objekt ist die lebendiggebärende Amphiura squamata. Man kann sich hier mit größter Leichtigkeit alle in Betracht kommenden Entwicklungs- stadien verschaffen, wenn man aus einer Anzahl von Exemplaren die Jungen aus den Bursae herausnimmt. Ich benutzte einen Aufenthalt in der zoologischen Station zu Neapel im Frühling des vorigen Jahres um mir eine große Menge aller Entwicklungsstadien zu verschaffen, an welchen ich die im Folgenden mitzutheilenden Verhältnisse feststellen konnte. Bekanntlich wachsen die Ophiurenarme eben so wie diejenigen der Asterien an der Spitze. Dort hat man also stets die jüngsten Stadien der Skelettstücke zu suchen, während weiter nach der Scheibe hin die nächst älteren folgen. Eine Ausnahme von dieser Regel macht nur das Termi- nalstück an der Armspitze, welches von allen Theilen des Armskelettes zuerst entstanden ist. An der ventralen Seite des jungen Armes nun und nach innen vom adoralen Rande des Terminalstückes findet man die erste Anlage der Wirbel (Fig. 2). Dieselbe besteht aus zwei rechts und links von der Medianebene des Armes symmetrisch zu ein- ander gelegenen Kalkstückchen, deren jedes die Form eines winzigen Dreistrahles besitzt. Jeder dieser beiden Dreistrahler ist in durchaus konstanter Weise orientirt. Der eine der drei Strahlen ist von dem Mittelpunkt des Dreistrahlers aus nach der Armspitze, also aboral gerich- tet und fällt in die Längsrichtung des Armes; die beiden anderen Strahlen sind entgegengesetzt nach der Armbasis, also adoral gerichtet und bil- den unter sich einen kleineren Winkel als ihn jeder von ihnen mit dem aboralen Strahle bildet; die beiden adoralen Strahlen liegen aber nicht in einer und derselben Horizontalebene, sondern der eine ist mit seiner Spitze der ventralen Fläche des Armes mehr genähert als der andere; wir können also einen ventralen und einen dorsalen adoralen Strahl unterscheiden ; und wenn wir ferner die Beziehung dieser beiden Strah- len zur Medianebene des Armes berücksichtigen, so zeigt sich, dass der dorsale adorale Strahl auch als medianer Strahl bezeichnet werden kann, da er der Medianebene näher liegt als der ventrale, der dementsprechend auch lateral heißen kann. Wir unterscheiden also an der dreistrahligen Anlage der Wirbelhälfte einen aboralen und zwei adorale Strahlen, und unter den beiden letzteren wieder einen dorsalen, der zugleich median ist, und einen ventralen, der zugleich lateral ist. Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. 133 Sehr frühzeitig macht sich eine Größendifferenz der drei Strahlen bemerkbar, die in den nächstfolgenden Stadien immer deutlicher her- vortritt: Der aborale Strahl wird länger als die beiden adoralen Strahlen (Fig. 3). Der fernere Fortschritt in der Entwicklung der Wirbelanlagen besteht in einer weiteren Größenzunahme; zugleich aber beginnt die Form der primären Wirbelstücke eine immer komplicirtere zu werden. Die Formveränderung kommt hier, wie überhaupt bei den Skeletttheilen der Echinodermen, wesentlich dadurch zu Stande, dass von der erst gebildeten kalkigen Anlage Fortsätze aussprossen, die sich früher oder später an ihrem freien Ende gabeln, dann verbinden sich die Gabelenden benachbarter Fortsätze und bilden so und indem sich derselbe Vorgang wiederholt Maschen und immer neue Maschen des kalkigen Netzwerkes der Skeletttheile; wenn die die Maschen begrenzenden Balken dann noch ein nachträgliches Dickenwachsthum erfahren, so werden die Maschen entsprechend verengt, während sie in anderen Fällen ihren ursprünglichen Durchmesser behalten. So also bilden sich Gabeläste und Maschen auch an den jungen Wirbelstücken und zwar zunächst an den beiden adoralen Strahlen der primitiven Anlage; die beiden adora- len Äste werden dadurch mit einander netzförmig verbunden. Bald aber beginnt auch der aborale Fortsatz sich zu gabeln und Maschen zu bilden; er bleibt indessen stets durch alle folgenden Stadien hindurch hinter der stärkeren Entwicklung des adoralen Theiles der Wirbelan- lage zurück. Und wenn wir die beiden adoralen Strahlen der einfachen dreistrahligen Anlage als Gabeläste am adoralen Ende einer anfänglich nur stabförmigen Anlage ansehen wollen, so ist damit schon in den allerersten Stadien das Vorwiegen des adoralen Theiles der Wirbelanlage bezüglich der Massenentwicklung angedeutet. Ein Blick auf die Abbil- dungen zeigt, dass sich dieses Übergewicht des adoralen Theiles des Wirbels über den weniger massig entwickelten aboralen Theil durch alle Stadien hindurch bewahrt. Da die Ausbildung von Fortsätzen und Maschen am adoralen und aboralen Ende der jungen Wirbelstücke nicht nur lateralwärts, sondern auch medianwärts vor sich geht, so gelangen die Enden der zu einem Paare gehörigen Wirbelstücke sehr bald in unmittelbare Aneinander- lagerung ohne aber jetzt schon an den Berührungsstellen völlig mit ein- ander zu verschmelzen. Es ist in diesen Stadien (Fig. #, 5) innmer noch leicht die beiden Wirbeistücke als von einander isolirte Gebilde zu er- kennen. Später erst tritt eine immer inniger werdende Verwachsung beider Wirbelstücke und zwar zunächst an ihren adoralen und aboralen Enden ein. In ihrem mittleren Theile bilden die beiden Wirbelstücke zwei leicht gekrümmte Bogen, die mit ihren konkaven glatten Seiten | 13% 184 Hubert Ludwig, einander zugekehrt sind, während an den konvexen Seiten der Bogen Fortsätze, die sich gabeln und zu Maschen schließen, entspringen. Es bleibt sonach, nachdem die adoralen und aboralen Enden der Wirbel- stücke sich mit einander fest verbunden haben, in ihrer Mitte eine Längsspalte übrig, die eine Zeit lang erhalten bleibt, in späteren Stadien aber sich vollständig schließt. So kommen also die Wirbel der Ophiure dadurch zu Stande, dass sich getrennt vonein- ander entstandene Stücke paarweise mit einander ver- einigen und eine anfänglich nur lose, dann aber immer innigere Verbindung schließen. Die zuletzt beschriebenen Stadien in der Entwicklung der Arm- wirbel der Amphiura squamata lassen sich ohne Weiteres mit den Ver- hältnissen vergleichen wie sie unlängst von einigen Tiefseeophiuren durch Lyman bekannt geworden sind. Die Beschreibung, welche er von den Armwirbeln von Ophiohelus umbella! giebt, wiederholt die Haupt- züge, welche wir soeben bei den Jugendstadien der Amphiura squamata kennen gelernt haben, und es ist durchaus zutreffend, wenn Lyman von einem »embryonalen Charakter« der Wirbel bei Ophiohelus spricht. Er schildert die letzteren (seine »arm-bones«) folgendermaßen: »The very singular arm-bones, instead of the usual disk-like figure, are com- posed of two long, curved bars, Iyn ig side by side and joined at each end to make the articulating surfaces, the whole forming an elongated oval with terminal articulating surfaces. This embryonie division of the arm-bone into its two halves continues to the disk, but the bars become proportionately shorter and shorter, and the articulating surfaces approach, until, just at ihe margin of the disk, the central hole nearly or quite disappears, and ihe bone pretty much resembles the usual type.« In der älteren Litteratur finde ich nur eine einzige Andeutung über die paarige Anlage der Ophiurenwirbel. Jon. Mürzer 2 erwähnt bei Schilderung der Metamorphose des Pluteus bimaculatus »längere Kalk- leisten«, die er bei den jungen, schon mit dreigliedrigen Armen ver- sehenen Ophiuren »nächst der Mittellinie des Armes rechts und links« auftreten sah. Wie aus dem Zusammenhang und der beigegebenen Ab- bildung hervorgeht, kann damit nur die Wirbelanlage gemeint sein. Auch in der Abbildung, welche Jos. MürLzr von der jungen Ophiothrix it l.c. p. 6; Pl. I, Fig. 46. In den von Herrn Lyman mir freundlichst über- schickten Probetafeln der Ophiuren der Challenger-Publikation ist das- erwähnte Verhalten von Ophiohelus umbella auf Pl. XXVIII, Fig. 10 abgebildet. 2 Jon. MÜLLER, Über die Ophiurenlarven des adriatischen Meeres. Berlin 1852. p. 13; Taf. V, Fig. A. Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. 185 fragilis giebt!, sind an dem vorletzten Armgliede zwei ziemlich paral- lele Kalkstäbe rechts und links von der Mittellinie eingezeichnet, die er zwar nicht näher erläutert, die aber offenbar nur die Wirbelanlagen sein können. Besonders beachtenswerth ist das Verhalten der ersten Stadien der Wirbel zu dem radiären Wassergefäße und zu dessen die Füßchen ver- sorgenden Seitenzweigen. Das radiäre Wassergefäß liegt von Anfang an ventral von den Anlagen der Wirbelstücke und die gleichfalls ventral davon befindlichen Füßchenzweige liegen so, dass bei der Ansicht von der Dorsalseite des Armes der adorale Theil der Wirbelanlagen zwischen je zwei auf einander folgende Füßchenzweige fällt, der aborale Theil der Wirbelanlagen aber über dem Füßchenzweige liegt. Erst später werden die Füßchenzweige von dem Kalkgewebe des wachsenden Wir- bels umsponnen und kommen schließlich in der bekannten Weise zum Theil ins Innere der Wirbel zu liegen. Anfänglich liegen also die Füß- chenzweige des radiären Wassergefäßes nicht in den Wirbelstücken, sondern ventralwärts von ihnen, ganz so wie es sich bei den Asterien das ganze Leben hindurch verhält. Es erweist sich demnach auch in dieser Beziehung die Ho- mologie der Wirbelhälften ubnzs zu der Ophiuren mit den Am- bulacralstücken der Aste- rien für wohlbegründet. In dem Holzschnitte ° habe ich versucht das pri- / märe Verhalten der Am- d 5 2 Y nz bulacralstücke zu den u, das radiäre Wassergefäß; b, Wassergefäßzweig zum Füß- Füßchenzweigen desradi- a The m ervelstück-Anlade: d, os nn (bei ären Wassergefäßes inder den Ophiuren) ae en) Theil der Dorsalansichtanzudeuten. Der Gegensatz in dem anfänglichen Verhalten der Ophiuren im Ver- gleich zu dem der Asterien besteht darin, dass das Ambulacralstück nicht in toto zwischen zwei Füßchenzweigen liegt, sondern nur zum Theile, mit seinem adoralen Abschnitt nämlich, dass aber der abo- rale Strahl den Füßchenzweig von oben überdeckt. Man kann diese Eigenthümlichkeit der Ophiuren so auf das Verhalten der Asterien zu- rückführen, dass man die zu einem Paare gehörigen Wirbelanlagen in konvergirender Richtung um ihre Mittelpunkte eine Drehung von 90° ausführen lässt, so dass ihre aboralen Strahlen quer und zugleich Se Taf vll, Fig, 4. 186 Hubert Ludwig, medianwärts, ihre adoralen Strahlen aber quer und zugleich lateralwärts zu liegen kommen. Es entspricht dann das aborale Ende des primären Ambulacralstückes der Ophiuren dem medianen und das adorale Ende des primären Ambulacralstückes der Ophiuren dem lateralen Ende des Ambulacralstückes der Asterien. Mit dieser Auffassung steht das Ver- halten der Ambulacralstüicke zu den Adambulacralstücken in bestem Einklange. Bei den Asterien verbinden sich bekanntlich die Adambu- lacralia mit den lateralen Theilen der Ambulacralia. Bei den Ophiuren findet die Verbindung zwischen den den Adambulacralia homologen Seitenplatten und den Wirbeln, wie das z. B. an den jungen Armglie- dern der Amphiura squamata sehr leicht zu sehen ist, an dem adoralen Theile der Wirbel statt, also gerade an demjenigen Theile, welcher in der oben angegebenen Weise sich auf den lateralen Theil des Asterien- wirbels zurückführen lässt. Wenn man aber auch dem eben gemachten Versuche das in Rede stehende Lageverhältnis der jungen Ambulacralia der Ophiuren aus demjenigen der Asterien abzuleiten keinen Werth beilegen will, so scheint mir doch der Umstand, dass die Füßchenzweige der Ophiuren anfänglich aboral von dem stärker entwickelten adoralen Theile desjenigen Wirbels gelegen sind, von welchem sie nachher theil- weise umwachsen werden, unbedingt in demselben Sinne zu sprechen wie die anatomischen Thatsachen, aus denen ich schon’ früher folgerte, dass! »jeder Wassergefäßzweig mit seinem Füßchen bei den Ophiuren ursprünglich zwischen je zwei Wirbeln gelegen war und erst sekundär durch Umwachsung von Seiten des aboralen Abschnittes des adoral- wärts von dem betreffenden Füßchen befindlichen Wirbels zum Theil in die Substanz des letzteren eingelagert worden ist«, so dass also bei- spielsweise das dem zwölften Wirbel einer Ophiure aufsitzende Füß- chenpaar dem zwischen dem zwölften und dreizehnten Wirbel einer Asterie gelegenen Füßchenpaar entspricht. Was nun spätere Entwicklungsstufen der Ophiurenwirbel anbe- trifft, so lassen sich dieselben bei Amphiura squamata ohne große Mühe verfolgen. In den Figuren 6—16 habe ich einige spätere Stadien abge- bildet, welche genügen werden um zu zeigen, wie sich aus der anfäng- lich so einfach gestalteten Anlage der komplicirt gebaute fertige Ophiu- renwirbel mit seinen Gelenkgruben, Gelenkhöckern, Muskelansatz- flächen etc. entwickelt, wie ich denselben früher? von Ophiarachna incrassata näher beschrieben habe. Zum Verständnis dieser Figuren 1 ].c. Diese Zeitschrift. Bd. XXXI. p. 355. (Morphologische Studien. I. Bd. p. 250.) 2 ].c. Diese Zeitschrift. Bd. XXXI. p. 346sqq. (Morphologische Studien. 1.Bd. p. 243 sqq.) Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. 187 bitte ich jene frühere Beschreibung zu vergleichen, so wie auch die Mittheilungen, welche Jon. Mürzer!, Lyman? und Sımroru 3 über den Bau der Ophiurenwirbel gemacht haben. I. Entwicklung der übrigen Theile des Armske- lettes. 7) Terminalplatte. In Stadien, welche noch erheblich jünger sind als dasjenige, auf welches sich die Fig. 17, 48 und 22 beziehen und in welchen das später resorbirte larvale Kalkskelett noch sehr voll- ständig erhalten ist, sind die Terminalplatten der Arme schon angelegt. Gleichzeitig mit den jungen Terminalplatten fand ich immer auch schon die Anlagen der fünf großen Radialplatten des Scheibenrückens, welche wir später, bei der Entwicklung des Scheibenskelettes, noch genauer zu betrachten haben werden. Ich kann leider nicht mit Bestimmtheit angeben, ob die Terminalia früher oder später als jene primären Radi- alia des Scheibenrückens ihre Entstehung nehmen, obgleich ich das Erstere für wahrscheinlicher halten möchte. Bekanntlich behalten die Terminalplatten durch das ganze Leben der Ophiure hindurch ihre anfängliche Lage an der Spitze der Arme bei, ganz so wie die entsprechenden Skelettstücke an den Armen der Asterien. Es unterscheidet sich aber die Terminalplatte eines Ophiuren- armes dadurch sehr auffällig von der Terminalplatte eines Seestern- armes, dass sie nicht wie jene den Fühler in eine untere (ventrale) Rinne aufnimmt, sondern denselben ringförmig umgiebt, also auch an der Ventralseite überdeckt. Die fertige Terminalplatte der Ophiuren hat die Form eines kurzen Röhrenstückes, welches von dem Fühler durch- setzt wird. Indessen hat schon Jon. Mürzer * beobachtet, dass auch das Terminalstück der Ophiuren anfänglich eine unten offene Rinne bildet und sich erst später zu einem Ringe schließt. Von der Richtigkeit dieser Beobachtung konnte ich mich bei Amphiura squamata mit aller Sicherheit überzeugen. In Stadien, wie dasjenige, welchem die Figuren 47 und 23 entnommen sind, so wie auch in etwas älteren Stadien (Fig. 22) ist die junge Terminalplatte ein dor- sal von dem unpaaren Ende des radiären Wassergefäßes (Fühler) ge- - legenes Skelettstück, welches erst später von den Seiten her den jungen 1 Jon. MÜLLER, Über den Bau der Echinodermen. Berlin 1854. p. 52 sqq. 2 Lyman, Ophiuridae and Astrophytidae, Old and New. Bull. Mus. Comp. Zool. Cambridge, Mass. Vol. III. No. 410. 1874. p- 254 sqq. 3 Sımkora, Anatomie und Schizogonie der Ophiactis virens,. I. Theil. Diese Zeitschr. Bd. XXVII. 4876. p. 420—423. * Jon. MÜLLER, Über die Ophiurenlarven des adriatischen Meeres. Berlin 1852. p. 12—13, 183 Hubert Ludwig, Fühler umwächst und sich endlich an dessen Ventralseite zu einem vollständigen Ringe schließt. Ich will bei dieser Gelegenheit bemerken, dass der von Grerrr! bei den erwachsenen Ophiuren aufgefundene Fühler bei den jungen Thieren schon von Jon. MüLter entdeckt wor- den ist2. | Die jungen Terminalplatten der Amphiura squamata sind bereits von METScHNIKOFF gesehen und in unverkennbarer Weise abgebildet 3 worden. Doch scheint MErscunikorr dieselben falsch aufgefasst zu haben, denn während er sie in seiner Tafelerklärung gar nicht weiter erläutert, geht aus einer Stelle seines Textes hervor, dass er sie für » die ersten Anfänge der Wirbelstücke« hält. Die wirklichen ersten An- fänge der Wirbelstücke sind bei MrTschnikorr nicht angedeutet. Auch M. Scaurtze * hat die jungen Terminalia nicht unbeachtet gelassen, aber nur ganz allgemein als die verste Anlage der Arme« bezeichnet. Ferner und wohl zuerst von allen Forschern hat schon Kronn die jungen Ter- minalstücke der Amphiura squamata bemerkt, jedoch gleichfalls nicht scharf aufgefasst. Auch bei A. Asassız $ finden sich Beobachtungen über die jungen Terminalstücke einer Ophiure, die er damals irrthümlich zu Amphiura squamata stellte; er hält die jungen Terminalia für die Dor- salschilder des erstgebildeten Armgliedes, eine Bezeichnung, die eben- falls nicht korrekt genug ist. 2) Seitenplatten. Die Seitenplatten der Arme entstehen eben so wie auch die Dorsal- und Ventralplatten in der Reihenfolge, dass die jüngsten Platten immer der Terminalplatte zunächst liegen. Dieses Ver- halten, wie es durch Kroun ? und Jon. MürLer® bekannt geworden ist, lässt sich bei den Jungen der Amphiura sehr leicht konstatiren. Es 1 R. GREEFF, Sitzungsberichte der Gesellsch. zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Marburg. Februar 1874. p. 34. Anmerkung. - 2 Jon. MürLer, Über die Ophiurenlarven des adriatischen Meeres. Berlin 4852. p. 13, 44, 49. — Über den Bau der Echinodermen. Berlin 1854. p. 46. 3 EL. METSCHNIKOFF, Studien über die Entwicklung der Echinodermen und Ne- mertinen. Mem. de l’Acad. imp. des scienc. de St.-Petersbourg. 7. ser. T. XIV. Nr. 8. St.-Petersbourg 1869. p. 148. Taf. IV, Fig. 17. 4 M. ScuuLtze, Über die Entwicklung von Ophiolepis squamata, einer lebendig- gebärenden Ophiure. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1852. Taf. I, Fig. 4u. 5, c. 5 A. Kroan, Über die Entwicklung einer lebendiggebärenden Ophiure. Arch. f. Anat. u. Physiol. 4854. Taf. XIV B, Fig. 4 b; p. 342. 6 A. Acassız, On the Embryology of Echinoderms. Memoirs of the American Academy. Vol. IX. 1864. p. 20. Fig. 32 y. 7 A. Kronn, 1. c. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1854. p. 342. 8 Jon. MÜLLER, |. c. 1852. p. i4. Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. 189 entstehen aber die zu einem Armgliede gehörigen Seiten-, Dorsal- und Ventralplatten nicht etwa auf einmal, sondern zuerst legen sich nur die Seitenplatten an. Ganz ähnliche Beobachtungen hat Lyman an den sich regenerirenden Armspitzen von Pectinura marmorata gemacht!. Erst nachdem die Seitenplatten sich angelegt haben, beginnen auch die Dorsal- und Ventralplatten aufzutreten und zwar sind, wenigstens bei Amphiura squamata, die Ventralplatten den Dorsalplatten immer ein wenig voraus. Man findet also bei den jungen Thieren zunächst der Armspitze ein oder einige Armglieder, welche außer den Wirbelanlagen nur die Seitenplatten besitzen, dann folgt gewöhnlich ein Glied, bei dem auch schon eine junge Ventralplatte vorhanden ist und erst die dann folgenden Glieder besitzen auch Dorsalplatten. Auf dem aboralen Rande der jungen Seitenplatten treten sofort Stachelanlagen auf, an- fänglich in geringerer Zahl; erst später wird die für das ausgebildete Thier ziemlich konstante Zahl der Stachel erreicht, wie das bereits von M. Sırs bemerkt worden ist. Die jungen Seitenplatten berühren sich bei Amphiura squamata weder in der dorsalen noch in der ventralen Mittellinie des Armes. Ihr ältester Theil ist derjenige, mit welchem sie sich. mit dem adoralen Ab- schnitte der Wirbel in Verbindung setzen. Für diese Verbindung be- sitzen die jungen Seitenplatten an ihrer konkaven Innenseite eine leistenförmige Verdickung. Bezüglich der Homologie der Seitenplatten am Arme der Ophiuren mit den Adambulacralstücken der Seesterne kann ich auf meine früheren Ausführungen 3 verweisen und brauche wohl kaum zu bemerken, dass diese Homologie auch in den eben er- wähnten entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen eine Stütze findet. 5) Ventralplatten. Die erste Anlage einer Ventralplatte liegt in Form eines kleinen Dreistrahles genau in der Mittellinie des Armes. Die eine Spitze des Dreistrahles (vgl. Fig. 18 V’) ist adoral, die bei- den anderen sind aboral gerichtet — dieser Dreistrahl ist also gerade umgekehrt orientirt wie die dreistrahligen Anlagen der Wirbelstücke. Die unpaare, genau in der Mittellinie des Armes auf- tretende erste Anlage wie auch alle späteren Stadien in der Ausbildung der Ventralplatten zeigen, dass dieselben 1 Lyman, l. c. Bull. Mus. Comp. Zool. Vol. III. No. 40. 4874. Pl. V, Fig. 1, 2. 2 M. Sans, Geologiske og zoologiske: Jagttagelser, anstillede paa en Reise ien Deel of Trondhjems Stift: Sommeren 4862. Christiania 4863. (Nyt Magazin for Natur- videnskaberne. Bd. XII. 1863. p. 337—338.) 31. c. Diese Zeitschrift. Bd. XXXI. p.352sqq. (Morphologische Studien. I. Bd. p. 247 sqq.) 190 Hubert Ludwig, durchaus unpaare Skelettstücke sind. Es muss das desshalb betont werden, weil Acassız annimmt, dass jede Ventralplatte durch Verschmelzung zweier, rechts und links von der Mittellinie gelegenen Anlagen entstehe, also als ein ursprünglich paariges Gebilde aufzufassen sei. Neuerdings hat P. H. Carpenter! diese irrthümliche Auffassung von Acassız reproducirt. Auch Semrer ? hat die Ansicht vertreten, dass die Ventralplatten der Ophiuren ursprünglich paarige Gebilde seien. Asassız beruft sich allerdings auf die Entwicklungsgeschichte, indessen in einer Weise, die es sehr zweifelhaft lässt, ob es genaue Beobach- tungen oder nur Meinungen sind, auf welche er sich stützt. Weder Asıssız noch irgend ein anderer Forscher hat bis jetzt bestimmte That- sachen angeführt, aus welchen die Entstehung der Ventralplatten aus paarigen Anlagen hervorginge. SEMPER hat die Ansicht von MEckEL wie- der aufgenommen, dass die Ventralplatten der Ophiuren den Adambula- cralplatten der Asterien homolog seien, gesteht aber die Schwierigkeit zu, welche diese Vergleichung darin hat, dass die Ventralplatten bei allen bekannten Ophiuren ausnahmslos unpaar sind. Um diese Schwie- rigkeit zu heben, verweist er auf den fossilen Protaster Sedgwickii Forbes, in welchem uns eine Ophiure mit paarigen Ventralplatten er- halten sei. Leider ist nun aber Protaster ein noch so ungenügend be- kanntes Fossil, dass man dasselbe überhaupt als Beweismittel in dieser Sache nicht gelten lassen kann. 4) Dorsalplatien. Wie schon vorhin angegeben, entstehen die Dor- salplatten an den jungen Armgliedern etwas später als die Ventralplatten. . Sie legen sich als unpaare Gebilde in der dorsalen Mittellinie der Arme an. In Stadien, welche nicht älter sind als das in Fig. 214 gezeichnete, sind noch gar keine Dorsalplatten vorhanden, obgleich schon drei freie Armglieder angelegt sind. Il. Entwicklung des Mundskelettes. Das Mundskelett der Ophiuren ist bis jetzt noch nicht genauer auf seine Entwicklung untersucht worden. Am ausführlichsten sind noch immer die An- gaben, welche M. ScuuLtze? vor fast dreißig Jahren darüber gemacht hat. Dieselben beziehen sich gleichfalls auf Amphiura squamata und ı P. H. CARPENTER, On the Oral and Apical Systems of the Echinoderms. Part. II. Quart. Journ. Microsc. Science. Vol. XIX. 4879. p. 21 (des Separatab- druckes). 2 C. SEMPER, Reisen im Archipel der Philippinen. II, A. Holothurien. 41868. p- 162. 3]. c. Arch. f. Anat. u. Physiol. 4852. p. 37—46. Taf. I. Zur Entwieklungsgeschichte des Ophiurenskeleites. 191 stimmen in allen Hauptpunkten , was die Beobachtungen anbelangt, mit meinen Befunden überein; indessen hat M. SchuLtze nicht alle in den Aufbau des Mundskelettes eintretenden Skeletttheile gesehen, auch ist eine Zurückführung des Mundskelettes auf bestimmte Bestandtheile des Armskelettes nicht von ihm versucht worden. Meine Beobachtungen an den Jungen von Amphiura squamata haben mir gezeigt, dass die früher von mir versuchte Zurückfüh- rung des Mundskelettes der Ophiuren auf bestimmte Theile des Armskelettes sich auch entwicklungsge- schichtlich als begündet erweist, dass namentlich auch die paarigen Peristomalplatten Jos. Mürzer’s, welche ich als umgewandelte erste Ambulacralstücke glaubte ansprechen zu müssen, durch die Art ihrer Entstehung die Berechtigung meiner Ansicht unterstützen. Betrachtet man eine junge Amphiura squamata in dem Stadium, wie es in Fig. 23 dargestellt ist, von der Mundseite, so lassen sich im Bereiche eines jeden der fünf Strahlen neun Skelettanlagen in konstan- tester Lagerung erkennen. Eines von diesen neun jungen Skelett- stücken liegt terminal und ist unpaar, die acht anderen aber liegen in vier Paare angeordnet rechts und links von der Mittellinie des Radius. Das unpaare Stück ist die schon oben besprochene junge Terminalplatte des Armes, welche jetzt noch eine an der Ventralseite offene Rinne für die Aufnahme des jungen Fühlers darstellt und erst später den letzteren von den Seiten her umwächst und endlich umschließt. Von den acht paarigen Skelettanlagen liegen zwei schwächer entwickelte Paare, A, und A,, näher an der Medianebene des Radius und zugleich auch tiefer im Innern des Körpers, die beiden anderen aber, Ad; und Ad», sind stärker entwickelt, liegen oberflächlicher und zugleich auch etwas mehr von der Medianebene des Radius entfernt. Erstere besitzen die Form und die Lagerung, wie wir sie von den jungen Ambulacralstücken am Arm kennen gelernt haben. Auch ihre Lagebeziehung zu den bei- den, jetzt schon angelegten Paaren der Mundfüßchen beweist, dass wir in ihnen die Anlagen der ersten beiden Wirbel vor uns haben, also das erste und zweite Paar der Ambulacralstücke. Die beiden anderen Paare junger Skelettstücke, Ad, und Ad,, sind, wie der weitere Verlauf der Entwicklung zeigt, die beiden ersten Paare von Adambulacral- Stücken. Die beiden Paare ambulacraler Skelettanlagen , A, und A,, ent- wickeln sich trotz ihrer anfänglichen Ähnlichkeit sehr ungleich. Zu- nächst fällt auf, dass in dem Stadium, welches wir hier zuerst betrach- ten, das zweite Paar der Ambulacralanlagen, A,, stärker entwickelt ist als das erste Paar A,. Diese Ungleichheit wird noch merklicher in etwas 192 Hubert Ludwig, späteren Entwicklungsstufen, vgl. Fig. 22, und in früheren Stadien er- erkennt man, dass die Anlage der zweiten Ambulacralia überhaupt etwas früher auftritt als diejenige der ersten (d.h. der dem Munde zunächst gelegenen) Ambulacralia. Es bekommt dadurch die sonst gül- tige Regel, dass das am meisten adoral gelegene Paar von Ambulacral- stücken immer auch das ältere und stärker entwickelte sei, ihre Aus- nahme. Doch lässt sich diese Ausnahme durch die gewiss nicht unbe- rechtigte Annahme erklären, dass die Umbildung des adoralen Theiles des Armskelettes zu einem besonderen eigenartig gestalteten Mundskelett nicht nur Umänderungen in den Formverhältnissen sondern auch in dem zeitlichen Auftreten der betreffenden Skelettstücke nach sich ge- zogen habe. Die späteren Entwicklungsstadien der Amphiura squamata lehren, dass die Differenz zwischen den beiden ersten Paaren von ambulacralen Skelettstücken immer größer wird. Die beiden Stücke des ersten Paares, A,, werden nach und nach zu dünnen länglichen Kalk- plättchen, welche immer tiefer in die Mundwinkel hineinrücken, nie- mals aber sich gelenkig mit einander verbinden, sondern im Gegentheil später aus einander rücken und schließlich in Gestalt der Peristomal- platten an die innere (dorsale) Seite der Mundeckstücke zu liegen kommen. In dem Stadium, welchem die Fig. 18 entnommen ist, sind sie auch schon von M. Scuurtze 1 abgebildet und als »löffelförmige Kalk- plättchen, welche die Mundspalte begrenzen « beschrieben worden. Ganz anders verläuft die Umbildung des zweiten Paares der ambu- lacralen Skelettanlagen, Ay. Sie gehen zunächst in die in Fig. 32 dar- gestellte Form über, welche man noch leicht auf die ursprüngliche dreistrahlige Anlage zurückführen kann. Die größte Länge eines jeden zweiten Ambulacralstückes liegt aber schon in diesem Stadium nicht — wie das an den Wirbelanlagen der Arme der Fall ist — in der Längs- richtung des Radius sondern quer. Der gedrungene mehrzackige me- diane Theil, vgl. Fig. 22, ist aus der Umbildung des aboralen und des medianen adoralen Strahles der primären Anlage (Fig. 23) hervorge- gangen, während der laterale adorale Strahl den verlängerten, schlanken, seitlichen Theil geliefert hat. In den folgenden Stadien treten die beiden Ambulacralia des zweiten Paares mit ihren medianen Theilen in Ge- lenkverbindung mit einander, während sie mit ihren lateralen Enden anfänglich nur eine dichte Aneinanderlagerung, dann aber eine immer inniger werdende Verwachsung mit den gleich zu besprechenden ersten Adambulacralstücken eingehen. Durch die Verbindung der zwei- ten Ambulacralstücke mit den ersten Adambulacral- 1 1.c. Taf. I, Fig. 6 .d. Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. 193 stückenentstehen die Mundeckstücke der ausgebildeten Ophiure. Von dem ersten Paare der Adambulacralstücke, Ad,, ist besonders hervorzuheben, dass sie frühzeitig, vgl. Fig. 22, einen nach der Mittel- linie des Radius und zugleich nach innen gerichteten Fortsatz ent- wickeln, welcher sich an die zweiten Ambulacralstücke anlegt und die spätere innige Verwachsung beider Skelettstücke (zur Bildung eines Mundeckstückes) einleitet. So weit die ersten Adambulacralia ober- flächlich liegen bleiben, gestalten sie sich zu einer auch schon von M. Scaurtze abgebildeten Platte, deren Form aus Fig. 18 Ad, erhellt. Mit ihrem aboralen Rande grenzt diese Platte an die inzwischen ent- standene Ventralplatte V; mit ihrer adoralen Spitze trägt sie, zusammen mit ihrem Partner, den Torus angularis, To; mit ihrem adradialen, konkaven Rande begrenzt sie den betreffenden Mundwinkel; ihr ab- radialer, konvexer Rand berührt in seinem adoralen Theile die erste Adambulacralplatte des anstoßenden Radius, während sich an seinen aboralen Theil die zweite Adambulacralplatte, Ads, anlegt. Das zweite Paar der Adambulacralstücke, deren erste Anlage schon in dem Stadium der Figuren 17 und 23 deutlich erkennbar ist, bildet auf der Entwicklungsstufe der Fig. 18 in seiner Form den unverkenn- baren Übergang zu den Adambulacralstücken oder Seitenplatten des Armes, vgl. Fig. 1. Eben so wie die letzteren sind auch die zweiten Adambulacralstücke in diesem Stadium so gebogen, dass sie nur zum Theil der ventralen Seite des jungen Thieres, zum anderen Theile aber der dorsalen Seite angehören. In den weiteren Stadien ändert sich das allerdings. Mit der stärkeren Entwicklung des Scheibenrückens wer- den die zweiten Adambulacralia ganz auf die ventrale Seite der jungen Ophiure gedrängt. In Fig. 18, 149, 25 liegen sie noch zum Theil auf der Dorsalseite. Sobald aber drei freie Armglieder zur Ausbildung ge- langt sind, Stadium der Fig. 21, gehören sie ganz der Ventralseite an. Wie sich durch alle diese Stadien Schritt für Schritt verfolgen lässt, ent- stehen aus den zweiten Adambulacralstücken die Seitenmundschilder der fertigen Ophiure. — Auf einer Entwicklungsstufe, welche derjeni- sen der Fig. 18 unmittelbar vorausgeht, sind die zweiten Adambulacral- Stücke schon von M. ScuuLtze ! gesehen und abgebildet worden; er be- schreibt sie als » keulenförmige Fortsätze, welche nach außen divergirend mit ihren Spitzen etwas über den Rand der Scheibe hervorragen « und er vermuthete ganz zutreffend die Entstehung der Seitenmundschilder oder, wie er sie nennt, »der seitlichen Leisten, welche die Mundschilder meer p.19, Taf.:1, Fig. 6.d. 194 Hubert Ludwig, der ausgebildeten Ophiure begrenzen« aus den »keulenförmigen Fort- sätzen«. Zum Verständnis der M. Scaurtze'schen Bezeichnung der zweiten Adambulacralstücke als »keulenförmig« und »mit der Spitze über den Rand der Scheibe hervorragend« will ich bemerken, dass das »keulenförmige, hervorragende Ende« durch eine Stachelanlage bewirkt wird, welche dem aboralen Rande des zweiten Adambulacralstückes aufsitzt — ich habe diese Stachelanlage, eben so wie die Stachelanlagen an dem aboralen Rande der übrigen Adambulacralplatien absichtlich in den Abbildungen der Tafel XI weggelassen, um die Figuren nicht un- nöthig zu kompliciren. M. ScuuLtze hat nun die dem aboralen Rande des zweiten Adambulacralstückes aufsitzende Stachelanlage nicht als besonderes Gebilde unterschieden, sondern als einen Theil der zweiten Adambulacralplatie angesehen. Was später METscanIKorF ! sehr unbestimmt als Anlagen der Maxil- len bei Amphiura squamata beschreibt und abbildet, sind die Anlagen der ersten und zweiten Adambulacralplatten; er scheint die Anlagen jeder ersten und zweiten Adambulacralplatte zusammen für ein einziges aus zwei divergirenden Schenkeln gebildetes Stück zu halten. Von dem Torus angularis und den demselben aufsitzenden Zähnen ist in den jüngsten Stadien, wie sie den Fig. 17, 22 und 23 ent- sprechen, noch keine Andeutung vorhanden. Erst später (vgl. Fig. 18) bemerkt man an den Mundecken eine senkrecht gestellte durchlöcherte Platte, To, welche die adoralen Spitzen der ersten Adambulacralstücke mit einander verbindet und auf ihrer dem Mundeingang zugekehrten Seite die Anlagen der Zähne (Z) trägt. Dieselbe ist auch schon von M. ScuuLtze ? gesehen und als »Kaustück der Maxillen« oder »Zahnstück « bezeichnet worden. IV. Entwicklung der übrigen Skeletttheile der Scheibe. Die ersten Skelettstücke, welche auf der dorsalen Seite der jungen Amphiura squamata auftreten, sind die fünf Terminalplatten der Arme und weiter centralwärts von ihnen fünf andere, gleichfalls in der Rich- tung der Radien gelegene Platten, die wir als primäre Radialia des Scheibenrückens bezeichnen wollen (vgl. Fig. 17). Schon oben habe ich angegeben, dass ich nicht mit aller wünschenswerthen Sicherheit kon- statiren konnte, ob die Terminalia, wie ich das allerdings für sehr wahrscheinlich halte, früher angelegt werden als die Radialia. Da die Terminalia an der Spitze der Radien verbleiben und mit der Entwick- lung der Arme immer weiter aus der Scheibe hinausrücken und da wir t1.c.p. \8. Taf, IV, Fig. 46.ce. 2 ].c. p. 42 und Tafelerklärung. Taf. I, Fig. 6 c. j | Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. 195 dieselben schon bei Besprechung des Armskelettes betrachtet haben, so können wir dieselbe hier, wo wir nur das Scheibenskelett ins Auge fassen wollen, außer Acht lassen. Was nun die fünf primären Radialia des Scheibenrückens anbelangt, so sind dieselben nicht nur bei Am- phiura squamata, sondern auch bei anderen Arten von früheren For- schern bereits öfters erwähnt worden. SchuLtzei, Kronn?, Acassız 3 und METSCHNIKOFF * sind darüber einig, dass der dorsale Theil des Scheiben- skeletts anfänglich aus fünf radialen Stücken besteht, welche eine central gelegene sechste Platte umgeben. Diese sechste Platte, das Centrale, tritt bei Amphiura squamata in der Regel später auf als die fünf Radialia. M. Scaurtze hat schon auf diesen Umstand aufmerksam gemacht und meine Beobachtungen haben das gleiche Resultat ergeben. In dem Sta- dium der Fig. 17 war meistens noch keine Spur des Gentrale zu bemer- ken und wenn eine Anlage desselben vorhanden war, so war sie stets schwächer entwickelt als die Anlagen der fünf Radialia. Ganz unter- drückt aber wird die Entwicklung eines CGentrale niemals und schon in dem Stadium der Fig. 19 findet man dasselbe wohlausgebildet. Diese sechs Kalkplatten des Scheibenrückens, die fünf Radialia und das eine Gentrale, lassen sich in allen späteren Entwicklungsstadien wieder er- kennen und sie sind es, welche bei so manchen Ophiuren auch im er- wachsenen Zustande sich in Form einer Rosette aus der übrigen Be- schuppung des Scheibenrückens hervorheben. Sie bleiben aber bei Amphiura squamata nicht in der anfänglichen dichten Aneinanderlage- rung, sondern rücken mit dem Wachsthum der Scheibe aus einander, während sich intermediäre Skelettplatten zwischen sie einschieben. Das Auftreten der intermediären Skelettplatten nimmt seinen An- fang im Umkreis des Centrale (Fig. 25). In der Richtung eines jeden Interradius tritt zwischen dem Centrale und zwei benachbarten Radia- lien eine intermediäre Platte auf. Schon in den nächsten Stadien ver- mehrt sich die Zahl der Intermediärplatten, zwischen je zwei Radialia schiebt sich eine ganze Reihe derselben ein und auch in radiärer Rich- tung hat sich zwischen dem Centrale und je einem Radiale eine inter- mediäre Platte entwickelt (Fig. 24). Weiterhin lässt sich eine bestimmte Gesetzmäßigkeit in dem Auftreten der Intermediärplatten nicht mehr konstatiren; es scheinen überall im Bereiche des dorsalen Scheiben- !1.c. p. 40 und 41, 2 A. Kroan, Über einen neuen Entwicklungsmodus der Ophiuren. Arch. f. Anat. u. Physiol. 4857. Taf. XIV B, Fig. 3. 3]. cc. 4864. Fig. 29. re Taf. IV,Fig. 17. . 196 Hubert Ludwig, perisoms neue Intermediärplatten zwischen und neben den einmal ge- bildeten sich anlegen zu können. Bei den ausgebildeten Ophiuren werden bekanntlich als »Radial- schilder« fünf Paare größerer Schilder bezeichnet, welche auf dem Rücken der Scheibe in der Nähe der Abgangsstellen der Arme sich be- finden. Diese »Radialschilder« legen sich bei Amphiura squamata an dem äußeren Rande der primären Radialia an und sind in dem Stadium der Fig. 24 schon deutlich vorhanden. Später schieben sich auch zwi- schen sie und das primäre Radiale intermediäre Platten ein. Wenn wir nun noch einmal zurückkehren zu dem Stadium der Fig. 19, so haben wir dort in der Richtung eines jeden Interradius, nach außen von der Berührungslinie je zweier Radialia noch je ein Skelettstück liegen, welches wir allein von allen bis jetzt noch nicht beachtet haben. Dieses Skelettstück ist auch schon von M. ScHULTZE gesehen worden, wie aus seiner Beschreibung und Abbildung zweifellos hervorgeht; er nennt diese fünf Stücke »interbrachiale Dorsalschuppen «. M. ScuuLtze hat aber die Bedeutung derselben verkannt und es ist namentlich irrthümlich von ihm, wenn er die Mundschilder der fertigen Ophiure unabhängig von jenen »interbrachialen Dorsalschuppen« ent- stehen lässt; denn wie ich gleich bemerken will, diese fünf anfänglich dorsal gelegenen interradialen Skelettplatten sind nichts anderes als die jungen Mundschilder. M. ScauLtze’s andere Auffassung er- klärt sich wohl daraus, dass er die verschiedenen Stadien »nicht in voll- ständiger Reihe hat verfolgen können«. Von Anfang an grenzen die jungen Mundschilder (Fig. 19) an die sich zu den Seitenmundschildern umgestaltenden zweiten Adambulacralstücke und behalten diese Lage- beziehung unabänderlich bei. Und eben so wie die zweiten Adambula- eralplatten so rücken auch die jungen Mundschilder mit der weiteren Ausdehnung des Scheibenrückens und namentlich auch der intermediären Skelettplatten des letzteren ganz auf die Bauchseite. Bei der ausgebildeten Ophiure ist wie allbekannt eines der fünf Mundschilder zugleich Madreporenplatte. Diese Beziehung zum Wasser- gefäßsystem tritt schon auf, wenn die Mundschilder noch ganz der Rückenseite des jungen Thieres angehören. Man findet nämlich dann schon, dass eines der. fünf späteren Mundschilder sich vor den vier anderen durch seine Größe auszeichnet (Fig. 19, M und Fig. 20) und zugleich einen Porus umschließt, welcher, wie die genauere Unter- suchung lehrt, die Eingangsöffnung in den jungen Steinkanal ist. Die Madreporenplatte tritt auch in ihrer ersten Anlage etwas früher auf als die vier anderen Mundschilder und ist schon vorhanden, bevor von den anderen sich auch nur eine Spur zu erkennen giebt (Fig. 17 M). Der Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. 197 Porus der jungen Madreporenplatte liegt niemals genau in derMitte derselben, sondern weicht etwas ab in der Richtungnacheinem anstoßendenRadius und zwar stets nach demjenigen Radius, welcher, wenn man das Thier von der Rückseite betrachtet, links herum (umgekehrt wieder Zeiger der Uhr) der nächsteist. Es ist beachtenswerth, dass das ganz dieselbe Lageverschiebung ist, die auch bei den erwachse- nen Ophiuren konstant wiederkehrt! und welche auch der primäre Kelchporus der Antedonlarve zeigt 2. Schließlich verdienen noch die Reste des Larvenskelettes Erwäh- nung, welche man in Stadien, die nicht älter sind als das in Fig. 17 und 23 gezeichnete, stets vorfindet. Wie zuerst von M. ScauLtze 3 beob- achtet wurde, entwickelt sich bei den Jungen der Amphiura squamata, obwohl sie in den Bursae ihre ganze Entwicklung ohne eigentliches ‘ Pluteusstadium durchmachen, dennoch, wenn auch weniger ausgebildet, das für die Pluteusstadien anderer Ophiuren charakteristische Skelett. Von diesem Skelette hat Mrrscunikorr * eine nähere Beschreibung ge- ‚ geben, welche ich nach meinen Beobachtungen durchaus bestätigen kann. Als letzte Überbleibsel des rudimentären Pluteusskelettes, wel- ches hier wie bei anderen Ophiuren nicht abgeworfen sondern resorbirt wird, findet man in dem Stadium der Fig. 17 und 23 in einem Inter- ‚ radius des Körpers einige kleine unregelmäßig geformte Kalkstückchen (a), die fast sämmtlich der Rückseite des jungen Thieres angehören; in den nächst älteren Entwicklungsstufen der jungen Amphiuren sind auch ‚ diese letzten Reste des Larvenskelettes vollständig verschwunden und ‚ der Resorption anheimgefallen. So weit sind meine Beobachtungen nicht mehr als eine Konstatirung der schon von Anderen gemachten Funde. Was ich aber als bisher unbeachtet betonen möchte ist der Umstand, dass der Interradius, in welchem sich das Larvenskelett findet, stets und immer derselbe it. Wenn man von dem Interradius der , Madreporenplatte ausgeht und das Thier von der Rück- ‚ seite betrachtet, so ist der Interradius des Larvenske- lettesausnahmslos der zweite, welcher nach rechts herum (also in der Richtung, wie sich der Zeiger der Uhr be- wegt) auf den Interradius der Madreporenplatte folgt; ‘1 Vgl. Lunwıe, Neue Beiträge zur Anatomie der Ophiuren. Diese Zeitschrift. Bd. XXXIV. 4880. p. 336 (Morphol. Studien an Echinod. II. Bd. p. 60). 2 Vgl. Lupwic, Über den primären Steinkanal der Crinoideen. Diese Zeitschrift. Bd. XXXIV. 1880. Taf. XII, Fig. 2 (Morpol. Studien an Echinod. Bd. II). 3 l.c. Taf. I, Fig. 2—5. 2 1.c. p. 45 sqq. Taf. III, Fig. 6; Taf. IV, Fig. 711, 48, 47. Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. XXXVI. Bd. Ah 198 Hubert Ludwig, nach links liegen zwischen dem Rest des Larvenskelettes und der Madreporenplatte zwei Radien und ein Interradius, nach rechts aber drei Radien und zwei Interradien. In Mrrscanikorr’s Abbildung, Taf. IV, Fig. 17, ist die eben besprochene Beziehung zwischen dem Interradius des Larvenskelettrestes und dem Interradius der Madreporenplatte auch schon deutlich zu erkennen, doch finde ich nirgends, dass der genannte Forscher darin ein durchaus gesetzmäßiges Verhalten erkannt hätte. Es ist diese gesetzmäßige Lagebeziehung aber nicht ohne Interesse, denn sie giebt uns einen Fingerzeig für die Lösung der schwierigen Frage, in welchem Verhältnisse die Körperregionen des fertigen Echinoderms zu den Körperregionen der bilateralen Larve stehen. Auf die weitere Er- örterung dieser Frage will ich mich hier aber desshalb nicht einlassen, weil ich in Bälde in der Lage sein werde dieselbe an der Hand der Ent- wicklungsgeschichte der Asterina gibbosa, wo zwischen Larve und fertigem Seestern ähnliche Verhältnisse obwalten, ausführlich zu be- sprechen — ich werde mir dann erlauben auf die hier für Amphiura squamata konstatirte Gesetzmäßigkeit in der Lagebeziehung eines reinen Larventheiles zu einem der wesentlichsten Organe des ausgebildeten Echinoderms zurückzukommen. Gießen, A0. Juni 1881. Erklärung der Abbildungen. Häufiger angewandte Buchstabenbezeichnung: Aı, As, erstes, zweites Ambulacrale ; Adı, Ada, Ada etc., erstes, zweites, drittes etc. Adambulacrale C, Centrale; M, Madreporenplatte, O, Orale (Mundschild); R, primäres Radiale; Ra, »Radiale« des fertigen Thieres; T, Terminale; V, V’, Ventralplatten; X, Reste des Larvenskeleltes; Des z, Medianlinie des Armes (Fig. 1—4). Zur Entwieklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. 199 Tafel X. Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind bei einer 220fachen Vergrößerung mit Hilfe der Camera gezeichnet. Überall ist das adorale Ende der Abbildungen mit * bezeichnet. Fig. 4. Ansicht einer jungen Seitenplatte eines Armgliedes von der Ventral- seite gesehen. Dem aboralen Rande sitzen zwei junge Stachel (St) auf. Neben der Seitenplatte liegt in der Medianlinie des Armes eine junge Ventralplatte. Fig. 2. Erste Anlage eines Wirbels, d. h. der beiden später zu einem Wirbel verwachsenden Ambulacralstücke, von der Dorsalseite gesehen. Fig. 3. Eine etwas ältere Wirbelanlage in derselben Ansicht; die jungen Ambu- lacralstücke sind noch dreistrahlig. Fig. 4. Die Bildung von Gabelfortsätzen und Maschen hat begonnen. Dorsal- ansicht. Fig. 5—16. Spätere Entwicklungsstadien der Wirbel in verschiedenen An- sichten. Fig. 5. Dorsalansicht. Fig. 6, 7 und 42. Ein späteres Stadium in der Dorsalansicht Fig. 6, in der Ven- tralansicht Fig. 7, und in einer Seitenansicht Fig. 12. Fig. 8, 9 und 44. Ein noch späteres Stadium in der Dorsalansicht Fig. 8, in der Ventralansicht Fig, 9, und in einer Seitenansicht Fig. 44. Fig. 40. Seitenansicht eines Stadiums, welches älter als das Stadium der Fig. 43 und 44, aber jünger als das Stadium der Fig. 15 und 46 ist. Fig. 43 und 44. Dorsalansicht und Ventralansicht desselben Stadiums. Fig. 45 und 46. Dorsalansicht und Ventralansicht eines noch älteren Sta- diums. In den Figuren 6—16 sind an den Gelenkseiten die Gelenkhöcker und Gelenkgruben mit Ziffern bezeichnet, die Gelenkhöcker mit arabischen, die Ge- lenkgruben mit lateinischen Ziffern ; mit 7(/) der mediane Gelenkhöcker (Gelenk- grube), mit 2(I/) und 3(III) die lateralen Gelenkhöcker (Gelenkgruben). F bedeutet die Grube für den Ansatz des Füßchens, F! die diese Grube von der Dorsalseite her überdeckende Kalkplatte. be Tafel XI, Die Figuren A7—20, 22 und 23 sind bei 220facher, die Figuren 21, 24 und 25 bei A40facher Vergrößerung gezeichnet. In den Figuren 18, 49, 31, 24, 35 sind die Stachelanlagen an dem aboralen Rande der Adambulacralplatten weggelassen. Fig. 47 und Fig. 23 stellen das Skelett desselben jungen Thieres in der Dorsal- ansicht Fig. 47, und in der Ventralansicht Fig. 23 dar. Fig. 22 stellt die zu einem Radius gehörigen Skelettanlagen eines etwas älteren Thieres in der Ventralansicht dar. Fig. 48. Theil der Ventralansicht eines späteren Stadiums. V’, ganz junge Ventralplatte; V, ältere Ventralplatte; To, Torus angularis; Z, Zahnanlage. Fig. 49. Ein Stadium, welches jünger als das der Fig, 18, aber älter als das der Figuren 47, 23 und 22 ist, von der Dorsalseite gesehen. Fig. 20. Die Madreporenplatte der vorigen Figur in derselben Ansicht, aber isolirt. 44 * 200 Hubert Ludwig, Zur Entwieklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. Fig. 25. Ein Stadium, welches dem der Fig. 48 entspricht, bei schwächerer Vergrößerung, von. der Dorsalseite. Zwischen dem Centrale und den primären Radialia beginnen intermediäre Platten aufzutreten. Fig. 24. Ein älteres Stadium in derselben Ansicht. Die Bildung intermediärer Platten ist fortgeschritten. In Fig. 24 und 35 sind nur die eben erst angelegten Intermediärplatten ausge- zeichnet, die übrigen Platten aber, eben so wie die sämmtlichen Platten der Fig, 24 nur durch Umrisse angedeutet. Fig. 24. Ein noch älteres Stadium. Es haben sich nach mehr intermediäre Platten gebildet, darunter auch die sog. »Radialia« der erwachsenen Ophiure. Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. Von Dr. Julius Andreae., Mit Tafel XII und XII. Einleitung. Während meiner Studien am Zoologischen Institute zu Heidelberg, im Sommer 1880, wurde ich von dem Herrn Professor Bürscarı auf die sowohl in anatomischer wie systematischer Hinsicht so interessante Klasse der Gephyreen aufmerksam gemacht. Zwar lagen über diesen Gegen- stand bereits sehr werthvolle Untersuchungen von den verschiedensten Autoren vor, so namentlich von GruBE, KroHN, KEFERSTEIN, EHLERS, QUATREFAGES, LACAZE-DUTHIERS, und aus der neuesten Zeit von GREEFF und SpEnGEL, doch zeigte sich schon beim Beginn meiner Arbeiten, dass auch hier eine Nachlese nicht ganz werthlos sein würde. Während nämlich in den letzten Jahren unsere Kenntnisse der einen Ordnung der Gephyreen, der Echiuren oder Gephyrei chaetiferi (Gephyrea armata), namentlich durch die eingehenden Untersuchungen der beiden zuletzt genannten Forscher ganz wesentlich gefördert wurden, zeigten sich bei der andern Ordnung, den Sipunculiden oder Gephyrei inermes, vor Allem in histologischer Beziehung noch einige nicht gerade unwesent- liche Lücken. In Folge dessen ging ich Anfangs von der Absicht aus, die gesammte Anatomie der Gephyrei inermes einer Revision zu unterziehen, im Verfolge der Untersuchung häufte sich jedoch das Material so sehr, dass ich mich vorerst auf die Anatomie des Hauptvertreters der genann- ten Ordnung, des Sipunculus nudus L., beschränken musste. In vorliegender Arbeit theile ich nun die wichtigsten Resultate dieser Untersuchung, in welcher ich ein Hauptgewicht auf die histo- logischen Verhältnisse gelegt habe, mit, so weit sie sich auf die äußere Gestalt, die Muskulatur und das Nervensystem des Sipunculus nudus erstrecken. Ich gedenke jedoch nicht, damit meine Studien über diesen 202 Julius Andreae, Gegenstand abzuschließen, sondern hoffe später noch wiederholt Ge- legenheit zu finden, dieselben zu ergänzen und weiter auszudehnen. Das Material zu den vorliegenden Untersuchungen, welche in der zweiten Hälfte des Jahres 1880 im Zoologischen Institute der Universität Heidelberg angestellt wurden, musste theils frisch von der Zoologischen Station zu Neapel bezogen werden, theils fand es sich in der Sammlung des genannten Institutes vor und wurde mir von Herrn Professor Bürscuuı in liberalster Weise zur Verfügung gestellt. Ich ergreife gern diese Gelegenheit um dem Herrn Professor BürscHuLı, meinem hochver- ehrten Lehrer, öffentlich meinen Dank auszusprechen sowohl für das gütige Wohlwollen, welches er meinen Bestrebungen stets entgegen brachte, als auch für den freundlichen Rath und die thätige Hilfe, welche er mir namentlich an den Stellen meiner Untersuchung zu Theil werden ließ, die dem Anfänger noch zu große Schwierigkeiten boten. 1) Äußere Körperform. Der Sipunculus nudusL. besitzt im Allgemeinen einen cylindrischen Körper, der sich nach den beiden Enden hin zuspitzt. Diese gleichmäßig cylindrische Gestalt zeigt jedoch das Thier sowohl im Leben wie nach dem Tode nur sehr selten. In Folge ihres starken Muskelreichthums ist nämlich die Haut äußerst kontraktil, wodurch das Thier befähigt wird, jeden Augenblick seine Gestalt zu verändern und die verschiedensten Formen anzunehmen. Desshalb ist Länge und Dicke des Wurmes nicht nur nach dem Alter, sondern auch nach dem Grade der Hautmuskel- kontraktion äußerst verschieden. — Die Farbe des Thieres wird von den Beobachtern lebender Exemplare als graugelb bis fleischfarben geschil- dert. Außer dieser Färbung zeigt die äußere Haut noch einen atlas- artigen (opalisirenden) Glanz, der nach Gruse (%, p. 237) dem lebenden Thiere stets eigen ist und sich namentlich am hinteren Körperende stark bemerkbar macht. (Ich fand denselben sowohl bei in gewöhnlicher Weise in Alkohol konservirten als auch namentlich bei vorher mit Chrom- säure behandelten Thieren, auch hier besonders stark am hinteren Körperende.) Bei näherer Betrachtung lassen sich am Körper des Sipunculus nudus drei verschiedene Abschnitte unterscheiden, ein vorderer oder Rüsseltheil, ein mittlerer, der eigentliche Körper, und ein hinterer End- abschnitt. Von diesen Abschnitten ist der eigentliche Körper der bei Weitem größte. Derselbe ist ausgezeichnet durch seine 32 Längsfurchen, welche in gleichen Abständen parallel mit der Körperachse verlaufen und von einer großen, aber nicht konstanten Anzahl unter sich eben- falls paralleler und annähernd gleich weit von einander entfernter Ring- Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 203 furchen senkrecht durchschnitten werden. Dadurch wird die ganze Oberfläche des eigentlichen Körpers in rechteckige, erhabene Felder ge- theilt, welche von Grazer (24) als » Integumentalfelder « bezeichnet wer- den. Diese » Integumentalfelder«, deren Entstehung und Bedeutung wir weiter unten kennen lernen werden, sind für unsern Wurm in so fern ° von systematischer Wichtigkeit, als Kererstein und Enrers (10, 47) ihn durch die länglich-rechteckige Form derselben von dem Sipunculus tesselatus K. et E. unterscheiden, bei welchem die Integumentalfelder quadratisch sein sollen!. Die Längsränder der Felder sind dunkler ge- färbt wie der Innenraum, eine Folge starker Pigmentanhäufung an diesen Stellen. Eine Unterbrechung in der regelmäßigen Anordnung der Integu- mentalfelder findet sich nur an drei Stellen, die im vordern Dritttheile des eigentlichen Körpers gelegen sind, in Gestalt dreier Öffnungen, welche ' in Form von Querspalten die Längsfurchen senkrecht kreuzen. Von diesen Öffnungen zeichnet sich die hintere durch ihre bedeutendere Breite vor den übrigen aus. Es sind diese drei Spalten die Mündungen eben so vieler im Körperinnern liegender Organe, die größere die Mündung des Enddarmes, der After, die kleineren die äußeren Öffnungen der Segmen- talorgane. Für uns ist hier zunächst die erstgenannte Öffnung von Wich- tigkeit, da man, auf Grund der Lagerung des Nervenstranges den After als rückenständig betrachtend, nach der Lage dieser Öffnung auch äußerlich Rücken- und Bauchfläche an dem sonst regelmäßig eylindri- schen Körper bestimmen kann. Die beiden kleineren Öffnungen der Segmentalorgane liegen in den beiden submedianen Linien der Bauch- Däche, um ungefähr 8—10 Körperringe vom After nach vorn gelegen. Ohne dass man in allen Fällen eine genaue Grenze erkennen könnte, geht der eigentliche Körper hinten in den dritten Abschnitt, den End- theil, von den meisten Forschern als »Eichel« bezeichnet, über. Hier wird die Felderung der Haut immer schwächer und hört nach kurzer Zeit ganz auf, einer unregelmäßigen Längsstreifung Platz machend, wo- durch eben so unregelmäßige Falten enistehen, die nach hinten zu immer stärker werden. Im Allgemeinen ist dieser Abschnitt gegen den eigent- lichen Körper ziemlich bedeutend verdickt, spitzt sich aber nach hinten stark zu und gewährt so in der That das Ansehen einer Eichel. An der hinteren Spitze desselben stülpt sich plötzlich die ganze Körperwandung handschuhfingerartig in die Leibeshöhle ein, wobei die Haut, namentlich die Cuticula, bedeutend dünner wird und sich so stark in Falten legt, dass der ganze durch die Einstülpung gebildete Trichter ! Es bedarf diese Angabe aber noch der Bestätigung. 204 0 Julius Andreae, von ihr ausgefüllt wird. In dorsoventraler Richtung ist dieser Trichter stark zusammengedrückt. Dadurch wird an der hintersten Spitze der Eichel das Aussehen eines Kanales oder Porus » mit einem zweilippigen Saume« erzeugt. Ein solcher Porus existirt aber bei unserem Sipunculus nudus in Wirklichkeit nicht, sondern die Einstülpung ist immer blind geschlossen. Injektionen, die ich sowohl von außen als wie auch vom Körperinnern aus versuchte, waren ohne Erfolg. Andererseits habe ich durch vorsichtige Maceration die ganze Cuticula unversehrt isolirt, konnte in ihr aber selbst bei der stärksten Vergrößerung — abgesehen von den gleich zu besprechenden Mündungen der »Hautkörper « KErERSTEIN’S — keinerlei Öffnung entdecken. Wegen der starken Faltungen und Ein- biegungen der Guticula an dieser Stelle ist die Durchsuchung derselben unter dem Präparirmikroskop allerdings mit Schwierigkeiten verknüpft, zumal die hier äußerst dünne Haut leicht zu Zerreißungen und dadurch zu Täuschungen Veranlassung giebt. Bei einiger Sorgfalt und Mühe kann man sich jedoch von der zweifellosen Integrität der Guticula mit Sicherheit überzeugen. Eben so kann man auf passenden Längsschnit- ten durch die Eichel das Fehlen eines Porus unschwer konstatiren. Dass die Haut an dieser Stelle gelegentlich oder zu gewissen Zeiten reiße, sei es um dem Meereswasser den Zutritt in die Körperhöhle zu gestatten, sei es um die Geschlechtsprodukte zu entleeren, wie dies Teuscher (25, p-. 498) vermuthet, scheint mir mindestens sehr zweifelhaft. Ausgestülpt habe ich den hintersten, in das Leibesinnere hineinragenden Theil der Eichel niemals gefunden. Vorn schließt sich an den eigentlichen Körperabschnitt, durch eine scharfe, deutliche Furche von ihm geschieden, der Rüssel an. Dieser vorderste Körpertheil ist im Gegensatz zum vorhergehenden dadurch charakterisirt, dass auf ihm die Längs- und Ringfurchen mit ihren da- zwischen liegenden Integumentalfeldern vollständig fehlen. Dafür treten hier aber ganz neue, dem übrigen Körper fehlende Hauibildungen auf, die Papillen (Fig. 44). Es sind das rundlich-dreieckige, flache Hervor- ragungen der Körperdecke, die mit ihrer breiten Basis dem Integument aufsitzen und mit ihrer freien abgerundeten Spitze nach dem hintern Körperende gerichtet sind. In dem dem eigentlichen Körper zunächst angrenzenden Rüsseltheile sind diese Papillen ziemlich groß und stehen dicht gedrängt, so dass sie sich schon bei geringer Kontraktion der Haut dachziegelförmig über einander lagern. Weiter nach vorn hin werden die Papillen jedoch immer kleiner, die Zwischenräume zwischen ihnen immer beträchtlicher, bis schließlich in einiger Entfernung hinter den Tentakeln die Papillen ganz verschwinden und die Haut vollkommen glatt erscheint. Wenn sich auch in der Anordnung der Papillen keine Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 205 bestimmte Regelmäßrigkeit erkennen lässt, so sind dieselben doch nicht so ganz unregelmäßig gestellt wie bei Phascolosoma, indem die Abstände zwischen benachbarten Papillen immer annähernd gleich groß sind. An ihrem vordersten Ende geht die Rüsselhaut unmittelbar auf die Tentakel über, welche in Form einer blattförmigen, vielfach zerschnitte- nen Membran die vordere Körperspitze einnehmen und die Mundöffnung kreisföormig umgeben. Auf den Tentakeln ist die Haut in ihrer ganzen Ausdehnung mit kurzen Flimmerhaaren dicht besetzt. — Auf den feinern histologischen Bau der Tentakel sowohl wie der Papillen und der Inte- - gumentalfelder des eigentlichen Körperabschnittes werde ich, des bessern Verständnisses wegen, erst weiter unten nach der Betrachtung der Körperhülle eingehen. Die beiden ältesten Forscher, die uns eine genauere Anatomie des - Sipuneulus nudus geliefert haben, DELLE Curse (3) und GrusE (4) be- ‚ schrieben Beide eine an der hintern Körperspitze gelegene Öffnung, " welche »sehr eng, in die Breite gezogen und von einem fast zweilippi- ; gen Rande umgeben ist« und » wahrscheinlich zur Ausleerung der Eier « ‘ dient. Diese hintere Öffnung wurde zuerst von Kronn (8, p. 371) auf - Grund sorgfältiger Untersuchungen geleugnet. Späterhin wurde jedoch die Angabe der beiden erstgenannten Forscher wieder von KEFERSTEIN “ und Esrers (10, p. 37, 42) aufgenommen. Einige Jahre nachher scheint aber auch Krrerstein über diese Öffnung etwas zweifelhaft geworden zu " sein, denn er schreibt in seiner Charakteristik der Gattung SipunculusL. (17, p. #19): »In der hinteren Spitze eine lippenartige Bildung ' (Porus?)«, bemerkt dagegen bei Phascolosoma ausdrücklich das Fehlen eines solchen Porus. Im Jahre 1867 legte dann Jourpaın (20) der Pariser Akademie die Resultate seiner Untersuchungen über die vier Species: Sipunculus gigas de Quatref., Sipunculus obscurus de Quatref., Sipun- culus vulgaris Blainville und Sipunculus punctatissimus Gosse vor, welche übrigens mit Ausnahme des Sipunculus gigas zu der Gattung Phascolosoma Leuckart gehören. Nach diesen Untersuchungen nun soll sich beim Sipunculus gigas am Hinterende ein Porus (vun orifice muni d’un sphincter.«) vorfinden, bei den drei übrigen Arten aber fehlen. In neuester Zeit endlich hat sich Teuscner (25, p. 497) nach sehr sorgfäl- tigen Injektionen und Präparationen überzeugt, dass der angebliche Porus, bei unserem Sipunculus nudus wenigstens, nicht existirt. Da- gegen hält er, wie auch A. Branpr (23, p. 32), ein temporäres Zerreißen der Haut an dieser Stelle zum Zwecke der Entleerung der Geschlechts- produkte für wahrscheinlich. 1 Vgl. darüber auch Dissine (9) und KEFERSTEIN (45, 47). 206 Julius Andreae, In ihrer ersten Arbeit erwähnen K£rerstem und Enrers (10, p. 37), dass der After des Sipunculus nudus auf der Grenze des zweiten und dritten vorderen Körpersechstheils liege, während das erste Sechstel von .dem Rüssel eingenommen werde. Später aber (17, p. #18) ändert KEFERSTEIN diese Ansicht, ohne dafür irgend einen Grund beizubringen, indem er ganz allgemein angiebt, dass bei allen Sipunculiden der After auf der Grenze von Rüssel und eigentlichem Körper liege. Bei Phascolo- soma ist das allerdings annähernd richtig, obschon Krrerstein selbst zu- giebt (15, p. 38), dass auch hier diese Annahme nicht immer zutriflt. Warum dieselbe aber auch für den Sipunculus gelten soll, ist in Anbe- tracht der früheren richtigen Begrenzung nicht wohl ersichtlich. Dadurch wird nun Kerzsstein genöthigt (17, p.A19ff.), am Rüssel einen » papillen- tragenden« Theil von einem »längsgerippten und quergeringelten« zu . unterscheiden , welche beide ungefähr von der gleichen Länge sind; doch bemerkt er dabei ausdrücklich, dass nur der erste Theil einge- stülpt werden könne. Außer diesem verschiedenen Verhalten und äußern Ansehen zeigt aber auch die nähere anatomische Untersuchung nament- lich in Bezug auf die Muskulatur eine durchaus vollständige Verschieden- heit der beiden Theile, deren hinterer, nicht papillentragender sich da- gegen in keiner Weise vom eigentlichen Körperabschnitt unterscheidet. Ich möchte desshalb mit dem Ausdrucke »Rüssel« nur den papillentragen- den vordersten Körperabschnitt bezeichnet wissen, mit Einschluss der kurzen papillenlosen Strecke unmittelbar hinter den Tentakeln, und habe ich denselben stets nur in dieser Begrenzung in meiner Arbeit angewandt. Dabei muss ich jedoch noch ausdrücklich bemerken, dass ich die Be- zeichnung » Rüssel« nur beibehalten habe, weil sie einmal für diesen Körpertheil des Sipunculus eingeführt ist, ohne damit gleichzeitig über die morphologische Bedeutung dieses Organes etwas aussagen zu wollen. 2) Integument. Bei unserem Sipunculus nudus setzt sich das Integument im engeren Sinne aus drei verschiedenen Lagen zusammen, einer äußeren Outicula, einer inneren Gutis und einer zwischen diesen beiden liegenden Hypo- dermis oder Epithelschicht. | | Die Guticula (Fig. 4,4, 7..c) iseine verhältnismäßig ziemlich dünne, glashelle Membran mit einem atlasartigen Glanze, der das Thier oft in den verschiedensten Farben schillern lässt. Ihre Dicke wechselt mit den verschiedenen Körperregionen und mit dem Grade der Kon- traktion. In der Regel misst sie auf dem eigentlichen Körper ungefähr 0,04 mm; im Rüssel ist sie meist nur halb so dick und auf den Tentakeln sogar nur noch bei ganz starken Vergrößerungen zu erkennen, erreicht Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 207 aber in der Eichel oft die 3—4fache Mächtigkeit wie im Körper. Auf dem Querschnitte zeigt die Cuticula eine deutlich geschichtete Zusammen- setzung; namentlich im hintersten Körperabschnitte treten diese Schich- ten sehr deutlich hervor und lösen sich durch zufälliges Zerzupfen häufig von einander los. Von der Fläche: betrachtet, machen sich auf der Cuticula zwei Systeme von feinen parallelen Linien bemerkbar, welche sich annähernd unter einem rechten Winkel kreuzen und gegen die Längsachse des Körpers ungefähr unter einem Winkel von 45° geneigt sind (ganz ähnlich den Linien wie sie z. B. auch die Cuticula zahlreicher Nematoden und des Regenwurmes zeigt). Doch sind diese Linien nicht durchaus gleichmäßig entwickelt, sondern es treten einzelne Züge der- selben deutlicher hervor, auch sind sie meist in der Nähe der Hautporen etwas gekrümmt. In dieser Streifung der Cuticula haben wir jedenfalls die Ursache für den eigenthümlichen Glanz derselben zu suchen. Die eben erwähnten »Hautporen«, die Mündungen besonderer in die Cutis eingebetieter Drüsen, lassen sich an einfachen Flächenpräpa- raten der Haut, namentlich nach vorhergegangener Behandlung mit verdünnter Kalilauge, leicht studiren. Sie sind über die ganze Körper- oberfläche — mit Ausnahme des vordersten, papillenlosen Rüsseltheiles und der Tentakel — unregelmäßig vertheilt und je nach der Größe der zugehörigen Drüsen von sehr verschiedener Weite. Die äußere Mündung der Poren ist meist beträchtlich kleiner wie die innere, und erscheinen dieselben daher bei Flächenpräparaten in der Regel als zwei koncen- trische Kreise. Gegen verdünnte kalte Kali- oder Natronlauge, eben so gegen Essig- säure und Salpetersäure, ist die Cuticula vollkommen resistent. Dagegen löst sie sich in kochender, selbst stark verdünnter Kalilauge mit großer Leichtigkeit. Durch dieses Verhalten unterscheidet sich also die Guticula des Sipunculus sowohl wie die anderer Würmer nicht unwesentlich von dem sonst ähnlichen Chitin der Arthropoden. Es erscheint demnach nicht gerechtfertigt, mit Enters (14, p.14 ff.) die Substanz der Gephyreencuti- cula einfach als »Chitin« zu bezeichnen, doch kann man immerhin noch sagen, dass sie dem Chitin der Arthropoden verwandt sei. (Vergleiche über diesen Gegenstand auch Grazer [24, p. 13].) Unter dieser Cuticula nun liegt als Matrix derselben die Hypo- dermis (Fig. 1,4, 7,85. . h), gebildet aus einer einfachen Lage cylin- drischer Epithelzellen mit deutlichen Kernen und feinkörnigem Plasma. Die Dicke dieser Schicht ist ebenfalls je nach dem Kontraktionsgrade schwankend; auf dem eigentlichen Körper beträgt sie durchweg 0,008 bis 0,010 mm, auf dem Rüssel meist nur ein Geringes weniger. Auf dem nach hinten gerichteten freien Rande der Papillen aber und ebenso 208 Julius Andreae, im hintern Körperende nimmt die Hypodermis bedeutend an Dicke zu und misst hier bis 0,045 mm. Während demnach die Epithelzellen des Körpers und des Rüssels ungefähr eben so breit wie hoch sind, erschei- nen sie in der Eichel und in den Papillen stark in die Länge gestreckt, indem sie hier annähernd doppelt so hoch wie breit sind. Die etwas länglichen Kerne sind meistens dem Grunde, d. h. der nach der Cutis zu liegenden, konvexen Wand der Zellen genähert. Von der Fläche ge- sehen gewährt die Hypodermis den Anblick einer Lage unregelmäßig polygonaler Zellen mit centralen, rundlichen Kernen, deren mittlere Entfernung ungefähr 0,04 mm beträgt. | Mit der Cuticula ist die Hypodermis sehr innig verbunden und lässt sich von derselben nur durch Zerstörung.mittelst kalter Kalilauge trennen. . Minder fest ist dagegen ihr Zusammenhang mit der unter ihr liegenden Schicht, der Cutis. Durch gelinde, geeignete Maceration lassen sich die beiden äußeren Hautschichten im Zusammenhange leicht von der dritten, innersten trennen. So heben sich z. B. die Schichten schon von selbst von einander ab, wenn man Hautstücke einige Zeit in Wasser liegen lässt, oder wenn der Alkohol, in dem die Thiere aufbewahrt wurden, schlecht geworden. Diese Erscheinung veranlasste Linnıt — wie schon von GruBE (k, p. 240) und Kererstein (17, p. 405) erwähnt wird — zu dem Irrthume, solche macerirte Spiritusexemplare des Sipunculus nudus als eine besondere Species, als Nereis sacculo induta (1) und später als Sipunculus saccatus (2) zu beschreiben. Dieser Sipunculus saccatus ist auch von Dıssing (9) als Species inquirenda in sein Systema helminthum aufgenommen worden, muss aber wohl ganz unzweifelhaft fallen ge- lassen werden. Auf die Hypodermis folgt als innerste Hautschicht die Gutis (Fig. 1 C, 2), welche von allen drei Schichten bei Weitem am mächtig- sten entwickelt ist und sehr verschiedene Elemente in sich begreift. Wenn auch nicht überall als Hauptbestandtheil, so doch als Grundsub- stanz dieser Schicht haben wir ohne Zweifel ein areoläres Bindegewebs- lager zu betrachten, in welches alle übrigen Elemente eingebettet er- scheinen. Dieses Bindegewebslager besteht vorzugsweise aus einzelnen sehr dünnen, langen Fasern, welche sich nach allen Richtungen kreuzen und innig durch einander flechten und häufig bei zufälligen Zerreißungen isolirt aus der übrigen Masse hervorragen. Die homogene Zwischensub- stanz ist im Verhältnis zu den Fasern nicht bedeutend entwickelt, zeigt _ aber eine große Anzahl deutlicher, bald rundlicher, bald mehr spindel- föormiger Kerne, die den Kernen der Epithelzellen und des später zu er- wähnenden Peritoneums an Größe und Gestalt sehr ähnlich sind. Der Durchmesser dieser Kerne, welche unregelmäßig zwischen den Fasern Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 209 zerstreut sind, schwankt zwischen 0,005 und 0,010 mm. — Zuweilen sieht man ganz deutlich wie sich Bindegewebsfasern direkt an die Wan- dung von Hypodermiszellen inseriren. Außer der homogenen Zwischensubstanz mit ihren Kernen und den feinen Fasern zeigt nun das Bindegewebe der Cutis, im Körper nur ‚ spärlich, an solchen Stellen aber, wo es stärker entwickelt ist (so ‘ namentlich in den Tentakeln), oft in großer Anzahl zwei weitere Binde- gewebselemente in Form von Zellen mit deutlichen Kernen, welche sich ‘ in nichts von den übrigen Bindegewebskernen unterscheiden. Die eine Art (Fig. 2 a) wird gebildet aus großen, rundlichen, vollkommen - durchsichtigen und homogenen Zellen, welche von den sonst ganz ähn- ‚ lichen farbigen Blutkörperchen nur durch die bedeutendere Größe (0,02 mm) und den etwas undeutlichen Umriss verschieden sind. Die zweite Form der Bindegewebskörper (Fig. 2 b) besteht aus kleineren . Zellen — etwa halb so groß wie die vorigen — von ganz unbestimmter ‘ Gestalt mit deutlich körnigem Plasma. Beiderlei Elemente finden sich unregelmäßig zwischen den Fasern zerstreut, meist jedoch in der Nähe der Hypodermis etwas angehäuft. Gegen verdünnte Alkalien- und Salpetersäure zeigt sich das Binde- ‚ gewebe sehr wenig widerstandsfähig. Schon nach kurzer Einwirkung ‘ wird es von den genannten Agentien mehr oder minder vollständig zerstört. In diese areoläre Bindegewebsmasse nun sind eingelagert Pigment- ballen, Hautdrüsen (»Hautkörper« Kererstein’s) und die Enden peri- ‚ pherischer Nerven. Die Pigmentballen, über welche ich in der Litteratur nur äußerst spärliche Notizen finde, obschon sie im Organismus der Gephy- ‚ reen und besonders des Sipunculus eine sehr große Verbreitung be- ‚ sitzen, erscheinen auf den ersten Blick als bräunlich-gelbe körnige ‚ Massen, welche sich zu rundlichen, ovalen oder auch mehr unregel-. ‚ mäßigen Haufen von den allerverschiedensten Dimensionen zusammen- ‚ geballt haben (Fig. 1, 9, 10... f). An geeigneten Querschnitten durch ' die ganze Haut und bei eingehenderem Studium erkennt man an ihnen ‚ zunächst eine den ganzen Ballen umgebende, deutlich doppelt kon- ‚ turirte Haut (Fig. 3 {) und im Innern, in der braunen Körnermasse, ‚ eine mehr oder minder große Anzahl heller, länglich-ovaler Kerne, ‚ welche namentlich nach der Färbung mit Grenacaer’schem Alaunkarmin! ! Ich habe bei den vorliegenden Untersuchungen fast ausschließlich dieses ‚ Tinktionsmittel (vgl. ScauLrtze’s Arch. f. mikroskopische Anat. Bd. XVI. p. 465 ff.) angewandt und leistet dasselbe, namentlich wo es sich um Kernfärbungen handelt, in der That Ausgezeichnetes. 210 Julius Andreae, ziemlich deutlich hervortreten. Dieselben Kerne bemerkt man auch hier und da an der Peripherie der Ballen, in der das Ganze umgebenden Membran. Diese letztere scheint eine ganz ähnliche vorwiegend fibrilläre Struktur zu haben wie die bindegewebige Grundsubstanz der Qutis, ist aber etwas resistenter wie diese gegen verdünnte Kalilauge. Während nämlich der bei Weitem größte Theil der Cutis bei der Behandlung mit diesem Agens zu Grunde geht, bleibt die Hülle der Pigmentballen, wenn die Lauge nicht zu lange einwirkt, ziemlich unversehrt. Da nun das Pigment selbst einerseits durch seine dunkle, schmutzige Färbung die weitere Untersuchung sehr erschwert, andererseits, wie wir weiter unten sehen werden, gegen chemische Agentien eine außerordent- liche Widerstandsfähigkeit zeigt, so schien es Anfangs unmöglich, sich über die feinere Struktur der Pigmentballen genügende Aufklärung zu verschaffen. Nachdem es mir aber endlich dennoch gelungen, das Pig- ment, wenn auch nicht ganz zu zerstören, so doch wenigstens sehr stark aufzuhellen, zeigte sich im Innern der Ballen ein bindegewebiges Gerüst (Fig. 3 g), gebildet aus einer großen Anzahl dünner Fasern, welche, von der umgebenden Tunica propria ihren Ursprung nehmend, den Innenraum nach allen Richtungen durchkreuzen und dadurch eine Menge einzelner Maschen erzeugen. In diese Maschen nun scheinen die kleinen dunkeln Pigmentkörner (Zellen?) eingelagert zu sein, während die oben erwähnten hellen Kerne anscheinend dem bindegewebigen Netzwerke, welches dieselbe Struktur besitzt wie die umhüllende Membran, ange- hören. Besonders in einigen Fällen, wo das Pigment zufällig theilweise aus den Maschen herausgefallen war, glaubte ich diese Verhältnisse mit befriedigender Deutlichkeit zu erkennen. An den rundlichen Pigment- körnern selbst habe ich von einer weiteren Struktur nichts wahrnehmen können. Diese eben beschriebenen Pigmentballen sind im ganzen Körper des Sipunculus nudus sehr verbreitet und scheinen nur an wenigen Stellen ganz zu fehlen. Mit Ausnahme des vordersten Rüsseltheiles und der Tentakel finden sie sich in der ganzen Ausdehnung der Cutis und die größeren von ihnen sind schon von außen, durch die beiden obersten Hautschichten hindurch, makroskopisch gut zu erkennen. Ziemlich ver- breitet sind sie außerdem in den beiden äußeren Muskellagen, im Peri- toneum, in der Darmwandung und in der Hülle sowohl wie in der eigentlichen Nervenmasse des Bauchstranges. Vollständig zu fehlen. scheinen sie nur den Längsmuskeln und Retraktoren, den »Anal- schläuchen«, der Wandung des »Darmdivertikels« und den Seitennerven. Während das Pigment in den übrigen Organen ziemlich regellos zerstreut sich vorfindet, ist es in der Cutis mit einer gewissen Regel- Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 2311 mäßigkeit angeordnet. Auf dem eigentlichen Körper sind hier nämlich die Pigmentballen dicht gedrängt in je zwei parallele Streifen gestellt, welche beiderseits unter den 32 Längsfurchen der äußeren Haut ver- laufen. Diese parallelen Pigmentreihen lassen sich an gut konservirten Alkoholpräparaten schon äußerlich ganz leicht mit unbewaffnetem Auge wahrnehmen. Noch besser aber sind dieselben zu‘erkennen, wenn man von der darunter liegenden Muskelschicht befreite und aufgehellte Stücke der Haut bei schwacher Vergrößerung von der Fläche betrachtet. An einem solchen Flächenpräparate treten die beiden Pigmentstreifen sehr deutlich hervor, ‘da die zwischen zwei solchen zusammengehörenden Streifen liegende Hautpartie frei von Pigment, die zwischen zwei be- nachbarten Streifensystemen liegenden Integumentalfelder aber nur spär- lich damit versehen sind. Eine zweckdienliche Isolirung der drei Haut- schichten von der Muskularis gelingt sehr schön, wenn man ein Stück des Hautmuskelschlauches 1—2 Tage mit 40—A5procentiger Salpetersäure behandelt. Dadurch wird das die einzelnen Muskelfibrillen zusammen- haltende Bindegewebe und ebenso das Peritoneum mehr oder minder vollständig zerstört. Die Muskeln lassen sich dann leicht mit Hilfe eines Pinsels entfernen, während die drei Hautschichten in ihrem Zusammen- hange erhalten bleiben — die bindegewebige Grundmasse der Cutis wird bei diesem Verfahren allerdings auch zum Theil zerstört — und nach der Tinktion mit GrenachHer’s Alaunkarmin für manche Verhältnisse sehr instruktive Bilder geben. Im hinteren Körpertheile, wo die rechteckige Felderung der Haut einer unregelmäßigen Faltenbildung Platz macht, zeigt auch das Pigment keine bestimmte Anordnung mehr. Hin und wieder finden sich hier aller- dings wohl noch Andeutungen von Längsreihen desselben, im Allge- meinen ist es jedoch ziemlich unregelmäßig in der Cutis der Eichel zerstreut, meistens weit spärlicher wie im eigentlichen Körperabschnitte, Doch zeigen in letzterer Beziehung die einzelnen Thiere eine ziemliche Verschiedenheit. Zuweilen war die Qutis der Eichel fast vollständig frei von Pigment, während sie hingegen bei anderen Thieren wieder stark damit angefüllt war, und zwar war dieses Letztere immer dann der Fall, wenn die Hautdrüsen in der Eichel nur in ganz geringer Anzahl sich fanden. — Im hinteren, dem Körper zunächst angrenzenden Rüsseltheile ist das Pig- ment am stärksten entwickelt und bildet hier den bei Weitem mächtig- sten Bestandtheil der Papillen, die von ihm so vollständig ausgefüllt werden, dass die Bindegewebsmasse nur noch wie ein schwaches Netz- werk zwischen den umfangreichen Pigmentballen erscheint (Fig. 13). Zwischen den Papillen jedoch ist die Cutis nahezu vollständig frei von Pigment. Nach den Tentakeln zu nimmt dasselbe in den allmählich 212 Julius Andreae, kleiner werdenden Papillen immer mehr ab, wobei es zuerst aus der Spitze der Papillen verschwindet, nach einiger Zeit nur noch in der Basis derselben sich vorfindet (Fig. 14 f) und endlich ganz in Wegfall kommt, so dass der oberste, papillenlose Rüsselabschnitt vollständig pigmentfrei ist. Dessgleichen besitzt die relativ mächtige Cutis der Ten- takel keine Spur von Pigment (Fig. 15). Gegen Reagentien zeigt sich der Farbstoff der Pigmentballen ganz außerordentlich widerstandsfähig. Kalilauge, Essigsäure, Salzsäure und Salpetersäure in koncentrirter Lösung zerstören bei längerer Einwirkung wohl die umhüllende Membran und das Gerüst der Bailen, scheinen aber auf die einzelnen Pigmentkörnchen selbst vollständig ohne jegliche Einwirkung zu bleiben. Nach dem Zerfall des Bindegewebes schwam- men dieselben isolirt in der Flüssigkeit umher, ohne von ihrer charak- teristischen Färbung wesentlich etwas eingebüßt zu haben. Selbst eine mehrtägige Einwirkung von Chlorwasser und schwefliger Säure blieb in der Beziehung ohne Erfolg. Dagegen gelang es mir endlich das Pig- ment wenigstens sehr stark aufzuhellen durch Anwendung eines Ver- fahrens, welches zuerst von Herrn Geheimrath Künne zur Entfärbung des Retinapigmentes benutzt wurde und welches ich einer Mittheilung des Herrn Dr. von Davınorr verdanke. Dasselbe besteht im Wesentlichen darin: man bedeckt den Boden eines Reagirgläschens umgefähr I cm hoch mit Krystallen von chlorsaurem Kali, bringt auf diese das zu ent- färbende Objekt und darüber eine ungefähr 5 mm hohe Schicht von starkem Alkohol; dazu giebt man dann endlich 8—10 Tropfen koncen- trirte Salzsäure. Nach einer 36stündigen Einwirkung dieses Gemenges war unser Pigment ganz hellgelb geworden und zeigte sich dann für die Untersuchung der Struktur der Ballen ziemlich geeignet, zumal die letzteren bei diesem sehr schonenden Verfahren, abgesehen von der Aufhellung, keinerlei Veränderungen erlitten hatten. — Endlich sei hier noch erwähnt, dass sich bei der Tinktion mit Grenacher’s Alaunkarmin einige Pigmentballen intensiv färbten, unmittelbar daneben liegende aber vollkommen ihre ursprüngliche gelbbraune Farbe beibehielten, während wieder andere die verschiedensten Übergänge zwischen den beiden zeigten, eine Thatsache, für welche ich keine Erklärung zu geben weiß, da ich außer diesem verschiedenen Verhalten gegen Tink- tionsmittel— die bei Weitem größere Anzahl blieb allerdings unverändert braun gefärbt — keinen Unterschied zwischen den einzelnen Pigment- ballen entdecken konnte. ; In physiologischer Hinsicht weit wichtiger für unser Thier sind die beiden anderen in das Bindegewebe der Cutis eingelagerten Elemente, die Hautdrüsen und die peripherischen Nerven mit ihren Endorganen. Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 213 Schon bei ganz schwacher Vergrößerung treten an dem durch ver- dünnte Salpetersäure von den Muskelschichten isolirten (vgl. p. 214) und mit Alaunkarmin tingirten Flächenpräparate der Haut die eigen- , thümlichen, oben als Hautdrüsen bezeichneten Organe deutlich hervor, welche, in das Bindegewebslager hineinragend, direkt unter der Hypo- ‚ dermis liegen. Theilweise besser noch lassen sich dieselben in ihrer | eigenthümlichen Struktur auf passenden Quer- und Flächenschnitten dureh den Hautmuskelschlauch wahrnehmen. Man erkennt dabei auf den ersten Blick, dass sich diese Drüsen in zwei, ihrem Bau nach wesentlich differente Gruppen sondern, in zweizellige und in vielzellige ‘ Hautdrüsen (Fig. 1, 13, 14 d’ und d”). — Einzellige Drüsen, wie sie bei andern Gephyreen sich finden sollen, habe ich beim Sipuneulus nicht ' bemerkt. — Zwischen diesen beiden Drüsenarten zeigen sich niemals Übergänge, da bei der letzteren jedes Organ mindestens aus fünf Zellen zusammengesetzt erscheint. Auch sind dieselben an Tinktionspräparaten ‘schon durch die Färbung scharf von einander geschieden, denn die zweizelligen Drüsen färben sich sowohl mit Alaunkarmin wie auch mit ammoniakalischem Karmin und mit Hämatoxylin meist weit intensiver ‚ wie die vielzelligen. — Betrachten wir zunächst den Bau und das Ver- halten dieser Organe auf dem eigentlichen Körper und dem Rüssel. Die vielzelligen Hautdrüsen (Fig. #, 5) sind rundliche oder birnförmige " Körper von wechselnden Dimensionen; in der Regel schwankt ihr Durch- " messer zwischen 0,04—0,10 mm. Sie besitzen ein ganz ähnliches Gerüst | wie die Pigmeniballen:: Äußerlich sind sie von einer fibrillär-bindege- ‚ webigen Hülle umgeben, die in das Lumen hinein ein feines Netzwerk von Bindegewebsfasern aussendet, welche dasselbe vorzugsweise in radialer | Richtung durchsetzen und in einzelne kleinere Hohlräume abtheilen. ‚ Hülle sowohl wie Netzfasern zeigen auch hier, namentlich nach der , Färbung mit Alaunkarmin, die von den Pigmentballen bekannten spindel- ; förmigen Kerne, welche deneh der Cutis ganz ähnlich sind. Die Maschen- | | räume des Bödiinewebsneties nun werden ausgefüllt von langen Drüsen- zellen, welche auf einem Äquatorialschnitt durch das ganze Organ einen unregelmäßig rundlichen, von der Seite betrachtet aber einen länglich-eiförmigen Umriss zeigen. Diese Zellen sind annähernd 3/, so ‚lang wie der Durchmesser der ganzen Drüse und da sie alle so ziemlich | senkrecht zur Körperoberfläche gestellt sind, so gewährt das ganze Organ ' in Folge der Durchsichtigkeit seiner Hülle ungefähr den Anblick einer | abgeschälten Apfelsine. Die einzelnen Drüsenzellen haben mir niemals etwas von Kernen gezeigt, dagegen.waren sie ganz oder theilweise mit \ einer körnigen Masse erfüllt, die ich als geronnenes Drüsensekret deute. | Dieselbe Masse fand sich auch zuweilen zwischen den einzelnen Zellen, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 45 una 214 Julius Andreae, namentlich aber im Halse der Drüsen. Ein Theil der Drüsenzellen, der frei von einem solchen Inhalte war, erschien mehr homogen und durch- sichtig. Ungefähr in der Mitte der der Körperoberfläche, also der Hypo- dermis zugekehrten Seite der Drüsenwandung geht diese letztere plötz- lich in einen ziemlich engen Kanal (Fig. 4 o) über, der die beiden äußeren Hautschichten senkrecht durchsetzt und durch die Hautporen der Cuticula ausmündet. Auf dem eigentlichen Körper und dem Rüssel bleibt der Drüsenkanal wegen des geringen Durchmessers der beiden äußern Hautschichten verhältnismäßig kurz, zeigt aber nach der Ober- fläche der Cuticula zu stets eine mehr oder minder beträchtliche Ver- jüngung, so dass der Kanal an seinem Ursprunge aus der Drüse oft 3 bis Amal so weit ist wie an seiner äußern Mündung. Niemals findet sich aber die Cuticula um die Kanalöffnung verdickt oder über die um- gebende Körperoberfläche erhoben, wie dies z. B. von den gleichen Organen beim Phascolosoma bekannt ist. Jedenfalls wird das Sekret der einzelnen Drüsenzellen in die zwischenliegenden Hohlräume abgeschieden und von dort durch den Kanal nach außen entleert. Wenigstens fand sich in vielen Fällen der Ausführungskanal der Drüse von einer körnigen anscheinend geronnenen Masse pfropfartig erfüllt, welche mit der in und zwischen den Drüsen- zellen sich findenden vollkommen gleichartig war. Aus diesem Befunde sowohl wie auch aus dem ganzen Bau unserer Organe glaube ich mit Recht schließen zu können, dass wir in denselben wirkliche Drüsen und nicht etwa Sinnesorgane vor uns haben, zumal ich bei den vielzelligen sowohl wie bei den gleich zu beschreibenden zweizelligen Hautkörpern im Rüssel und eigentlichen Körperabschnitte niemals etwas von Nerven- endigungen entdecken konnte, trotz der allersorgfältigsten Unter- suchungen. Dass beim Sipunculus nudus wirklich eine Schleimabson- derung stattfindet, wird bereits von DELLE CHlaJE (3, p. 67) angegeben. Ebenso erwähnt O. Scnnipr (18, p. 3), dass der verwandte Aspidosiphon Mülleri Dies. (— Lesinia farcimen ©. Schm.) Hautdrüsen besitzt, durch deren Sekret wahrscheinlich der Kalk gelöst wird, in welchen sich das Thier einbohrt. Endlich thun Kererstem (15, p. 42) und Grazer (24, | p. 15) einer reichlichen Schleimabsonderung bei der Bonellia Er- wähnung. | i Wesentlich anders wie bei den eben geschilderten Organen zeigt | sich der Bau der zweizelligen Drüsen (Fig. 6, 7). Dieselben sind bei- | nahe von derselben Größe wie die vielzelligen (0,03—0,08 mm Durch- | messer) und besitzen eine nahezu regelmäßig rundliche Gestalt, die nur | dort etwas modificirt wird, wo die Drüsen dicht an einander lagern und Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 215 sich gegenseitig abplatten. Auch hier wird die ganze Drüse von einer bindegewebigen Hülle (Fig. 6, 7) mit deutlichen Kernen umgeben, von einem Netzwerk im Innern habe ich jedoch nichts wahrgenommen, vielmehr wird der ganze Hohlraum von zwei halbkugelförmigen, nahezu gleich großen Drüsenzellen ausgefüllt. In der Mitte der Kugel weichen die beiden einander zugekehrten Wände dieser Zellen weit aus einan- der, in der Weise, dass sie dadurch zwischen sich einen kugligen, meist in der Ebene des Äquators der Drüse etwas in die Länge gestreck- ten Hohlraum (h’) entstehen lassen. Nach dem Grunde der Drüse zu ist dieser Hohlraum vollkommen abgerundet, nach oben, d. h. nach der Hypodermis hin, setzt sich derselbe aber in einen schmalen Spalt (s) fort, dessen Längendurchmesser senkrecht zum größten Durchmesser des innern Hohlraumes steht. Unmittelbar unter der Hypodermis geht der Spalt in einen Kanal von kreisrundem Querschnitt über, der durch die beiden äußeren Hautschichten nach der Körperoberfläche verläuft und in allen Einzelheiten vollkommen mit dem Ausführungsgange der viel- zelligen Drüsen übereinstimmt, nur ist letzterer meist etwas weiter, ent- sprechend dem größeren Umfange der zugehörigen Organe. Während bei den zuerst beschriebenen vielzelligen Drüsen die ein- zelnen Zellen ziemlich weite Zwischenräume zwischen sich lassen, ist die Aneinanderlagerung der beiden Zellen der zweiten Drüsenform eine so innige, dass diese letzteren Organe auf den ersten Blick als einzellige Drüsen mit einem centralen Hohlraum erscheinen. Erst bei Anwendung stärkerer Vergrößerungen erkennt man, dass dieser Hohlraum nichts An- deres ist, als die bedeutende Erweiterung eines zwischen zwei getrenn- ten Zellen befindlichen sonst nur schmalen Zwischenraumes. Betrachtet man eine solche zweizellige Drüse von der Außenfläche der Haut aus, so bemerkt man bei oberflächlicher Einstellung des Mikroskopes zunächst die äußere, dann die innere Mündung des Drüsenkanales (Fig. 6,7 c’) und darauf den länglich-elliptischen Spalt (s). Senkt man den Tubus allmählich, so erscheinen die beiden parallelen, etwas Sförmig gekrümm- ten Linien w’ und ww", welche den Drüsenkörper in zwei ähnliche Hälf- ten theilen, — die nur unbedeutend von einander abgewichenen Wände der beiden Drüsenzellen, — und endlich eine ovale, im Inneren hellere Figur, das Bild des centralen Hohlraumes (h’). Bei günstigen Objekten kann man, namentlich wenn dieselben um ein Weniges von der Seite gesehen werden, den kontinuirlichen Zusammenhang dieser einzelnen Hohlräume ganz deutlich verfolgen. Abgesehen von ihrem Bau und ihrem bereits oben erwähnten ver- schiedenen Verhalten gegen Färbemittel, welches sich vielleicht dadurch erklärt, dass das Sekret, welches die beiden Drüsenarten absondern, ein 15% 216 Julius Andreae, verschiedenes ist, kennzeichnet sich ein wesentlicher Unterschied zwi- schen denselben namentlich noch darin, dass jede Zelle der zweizelligen Drüsen einen deutlichen Kern (k) besitzt, während es mir bei den viel- zelligen niemals gelungen ist, einen solchen in den Drüsenzellen aufzu- finden. Ungefähr bei mittlerer Einstellung erkennt man bei der zuletzt beschriebenen Drüsenart im Innern einer jeden Zelle einen rundlichen, hellen Kern, der sich mit Alaunkarmin intensiv roth färbt. Diese beiden Kerne liegen stets mehr oder minder symmetrisch in der Nähe der zu- sammenstoßenden respektiven Zellwände, meist ziemlich dicht an einan- der gerückt. Bei dem ganz analogen Bau, den die vielzelligen und zweizelligen Hautkörper zeigen, bei der vollkommenen Gleichheit ihrer Ausführwege, in denen auch bei den zweizelligen Formen häufig ein körniges Sekret sich vorfand, glaube ich nicht zu irren, wenn ich auch diese zuletzt be- schriebenen Organe als » Hautdrüsen« — wie ich sie bereits in meiner obigen Beschreibung genannt habe — anspreche, obschon vielleicht ihre Funktion etwas von der der anderen Drüsen abweichen mag. — Zwei- zellige sowohl wie vielzellige Drüsen sind über die ganze Oberfläche des eigentlichen Körpers in beinahe gleicher Anzahl unregelmäßig verbreitet. Doch macht sich wenigstens in so fern eine gewisse Anordnung bemerk- lich, als immer an den Rändern der Integumentalfelder je eine ziemlich kontinuirliche Drüsenreihe sich findet, während diese Organe innerhalb der Felder weniger dicht gedrängt stehen (Fig. 1). Im Rüssel sind die Drüsen namentlich in den Papillen angehäuft und finden sich zwischen denselben nur vereinzelt (Fig. 13). Auch bekommen hier die zweizelli- gen Drüsen allmählich immer mehr die Oberhand, so dass die vielzelligen Drüsen in der Mitte des Rüssels nur spärlich zwischen den zweizelligen (Fig. 14), in der Nähe der Tentakel aber gar nicht mehr gefunden werden. Ein in mehreren Punkten wesentlich vom übrigen Körper verschie- denes Verhalten zeigt die Gutis der »Eichel«. Zunächst ist sie bedeutend mächtiger entwickelt wie in den vorhergehenden Körperabschnitten. Bindegewebszellen finden sich hier nur spärlich, dagegen sind die Fasern sehr stark ausgebildet und erscheinen in zwei allmählich in einander übergehende Lagen gesondert. Die zunächst dem Muskelschlauche ge- legenen Fasern kreuzen sich nämlich, wie wir dies bereits früher bei der Gutis kennen gelernt haben, nach allen Richtungen und sind un- regelmäßig wellenförmig gekrümmt, während die der Hypodermis be- nachbarten Fibrillen mehr gerade sind und vorzugsweise in radialer Richtung, senkrecht zur Körperoberfläche, verlaufen. Ein Hauptunterschied zwischen der Cutis der Eichel und der des | Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 217 Körpers prägt sich jedoch im Bau der Drüsen aus. Die so charakteristi- schen zweizelligen Drüsen sind hier vollständig verschwunden und es finden sich nur noch vielzellige (Fig. 8), welche mit den gleichen Or- ganen des Körpers in Bezug auf ihre Zusammensetzung aus bindege- webiger Membran und Netzwerk mit dazwischen gelagerten lang-eiför- migen Drüsenzellen vollkommen übereinstimmen, hinter jenen aber meist an Größe zurückbleiben. Da hier die Cuticula einen so bedeutenden Durchmesser besitzt, so ist auch der Drüsenhals (Fig. 8 c‘) stark in die Länge gezogen und ungefähr eben so lang wie der Drüsenkörper. An ‘ seinem Ursprunge von dem letzteren ist der Hals eingeschnürt, erweitert sich aber plötzlich und geht dann nach außen in ein enges, spitz zu- ‘ laufendes Rohr über, welches etwas gekrümmt ist. Im Innern zeigt der Ausführungskanal feine ringförmige Leisten, entsprechend den Lamellen der Cuticula. Während jedoch im eigentlichen Körper die Drüsen stets ‘ ganz unterhalb der Hypodermis liegen, ragen dieselben hier ziemlich “ weit mit einem birnförmig verschmälerten Theile bis in die Guticula hinein, wobei die benachbarten Hypodermiszellen sich ebenfalls kegel- ‘ förmig mit erheben (Fig. 8). x Von ganz besonderer Wichtigkeit aber ist der Umstand, dass hier ‚ unzweifelhaft an den inneren Pol einer jeden Drüse ein deutlicher Nerven- ast (Fig. 8 n) herantritt, während, wie wir oben gesehen, selbst bei der stärksten Vergrößerung und sorgfältigsten Untersuchung eine solche \ Verbindung von Drüsen und Nerven im eigentlichen Körper niemals zu ‚ entdecken war. An geeigneten Querschnitten durch den Hautmuskel- ‘ schlauch der Eichel sieht man zuweilen ganz deutlich Nervenäste, nach- ‚ dem sie einige Zeit in der Muskulatur verliefen, in die Cutis eintreten und sich dort zu den Drüsen begeben, mit denen sie so innig verschmel- ‚ zen, dass sie als eine direkte Fortsetzung der Drüsenhülle erscheinen. Sie sind in dem fibrillären Bindegewebslager namentlich durch ihren meist schlangenförmigen Verlauf und ihren feinkörnigen Inhalt leicht zu erkennen (Fig. 10). Dieselben feinen Körner, welche den Hauptbe- standtheil der Nervenfäden bilden, erfüllen auch den Grund des Drüsen- hohlraumes, von einer zelligen Endanschwellung der Nerven in diesem ist dagegen nichts wahrzunehmen. Sobald sie in die Cutis eintreten, verästeln sich die einzelnen peripherischen Nerven wiederholt, setzen sich mit benachbarten in Verbindung und bilden dadurch ein Netzwerk, welches sich namentlich schön auf Flächenpräparaten der Cutis zeigt. Von diesem aus werden dann die Drüsen sowohl wie die gleich näher zu beschreibenden Nervenendorgane versorgt. — So sehr nun diese im \ Vorigen geschilderten Hautkörper durch den Besitz von Nervenästen von | den sonst ganz ähnlichen im mittleren und vorderen Körpertheile ab- ! \ 218 Julius Andreae, weichen, so glaube ich doch, auch sie als »Drüsen« bezeichnen zu müssen. Einmal stimmt ihr Bau im Princip vollständig mit dem der vielzelligen, nervenlosen Hautdrüsen des Körpers und Rüssels überein, dann aber lassen sich auch hier in den einzelnen Zellen dieselben sekret- artigen Massen unschwer erkennen, welche bereits bei jenen beschrie- ben wurden. Solche Drüsen, an welche Nervenäste herantreten, sind ja nichts Ungewöhnliches, sondern finden sich, wie bereits GrABER (24, p. 15) mit Recht hervorhebt, auch bei anderen Thieren (Speicheldrüsen und dgl.). Die letzten in die Bindegewebsmasse der Cutis eingelagerten Ele- mente, die peripherischen Nervenendigungen, setzen der Untersuchung mancherlei Schwierigkeiten entgegen. Daher mag es denn auch wohl rühren, dass dieselben bis jetzt theils sehr mangelhaft, theils vollständig falsch erkannt sind. Einmal ist es bei der starken Entwick- lung der Muskelschichten nur in besonders günstigen Fällen möglich, die sehr feinen Nervenfasern in ihnen zu verfolgen. Dann aber auch ‚ist es selbst innerhalb der Cutis, im eigentlichen Körper und im Rüssel wenigstens, schwierig die einzelnen Fasern und ihren Verlauf zu er- kennen, sowohl wegen der starken, fast Alles verdeckenden Pigment- anhäufungen, als auch wegen der Ähnlichkeit, welche die Nervenfasern mit den Bündeln von Bindegewebsfibrillen besitzen, mit denen sie sich mannigfach kreuzen. Am besten gelingt es daher, die Nervenfasern iso- lirt zur Anschauung zu bringen, wenn man durch geeignete Mittel die umgebende Bindegewebsschicht möglichst entfernt, ohne aber die übri- gen Gewebe zu zerstören. Ein solches Mittel, welches wenigstens in genügendem Maße diesen Zweck erfüllt, besitzen wir in der koncentrir- ten Salpetersäure. Lässt man diese einige Zeit auf sehr dünne Quer- schnitte des Hautmuskelschlauches einwirken (am besten geschieht dies unterm Deckglase, da sich sonst die Schnitte leicht rollen oder ganz zerfallen) und färbt, nachdem man vorsichtig ausgewaschen, mit Alaun- karmin, so treten die Nervenfasern ziemlich deutlich hervor, während die Bindegewebsmasse nahezu vollständig zerstört und das Pigment einigermaßen durchsichtig wird. Dabei bemerkt man, dass die ein- zelnen Nervenzweige, nachdem sie aus der Ringmuskulatur in die Cutis übergetreten sind, anfangen sich zu verästeln. Die einzelnen Äste setzen sich vielfach mit benachbarten in direkte Verbindung, so dass dadurch ein vollständiger Nervenplexus entsteht, wie wir ihn bereits oben bei der Besprechung der Hautdrüsen im hintersten Körperab- schnitte kennen gelernt haben. Hier und da zeigen sich am Beginn der | Abzweigungen und auch wohl mitten im Verlaufe einer Faser Ver- dickungen der Nervensubstanz, besondere Ganglienzellen oder Kerne Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 319 habe ich jedoch niemals beobachtet, vielmehr waren alle peripherischen Nerven in gleicher Weise aus einer dünnen, einfachen Hülle und einer von dieser umschlossenen feinkörnigen Masse gebildet. Von dem Nervennetze gehen nun nach der Hypodermis zu feine Zweige aus, welche sich dort an eigenthümliche Nervenendorgane ansetzen. Zwischen den Drüsen nämlich finden sich sowohl im Rüssel, wie auch spärlicher im eigentlichen Körper, unregelmäßig zerstreut be- sondere Gebilde, welche dadurch entstehen, dass eine Anzahl von Hypodermiszellen sich nach unten stark verlängern und zuspilzen (Fig.9e). Dabei sind die im Mittelpunkte solcher Gebilde stehenden Zellen am längsten, während die im Umkreise derselben sich findenden allmäh- lich an Länge abnehmen, wodurch dann das Ganze das Ansehen eines Bechers erhält und sehr lebhaft an die Seitenorgane der Fische erinnert. An die Basis eines solchen Bechers tritt nun je ein feiner Nervenfaden heran, um sich wahrscheinlich an jede einzelne Zelle zu verzweigen. Leider ist es mir aber bis jetzt noch nicht gelungen, das Verhalten der Nerven beim Eintritt in die Endapparate genauer festzustellen. Ebenso habe ich Sinneshaare auf der Oberfläche der Cuticula an diesen Stellen nicht auffinden können, doch ist die Möglichkeit ja immerhin nicht aus- geschlossen, dass diese bekanntlich sehr vergänglichen Gebilde bei der Konservirung in Alkohol zu Grunde gegangen sind, sich beim lebenden Thiere aber doch finden. Zuweilen war die Guticula über diesen End- organen etwas emporgewölbt, in anderen Fällen auch wohl eingesenkt, meist jedoch vollkommen- eben. Von einem Kanale, der, die Cuticula durchsetzend, die Sinnesbecher mit der Außenwelt kommuniciren ließe, habe ich hier nichts bemerkt. Wie zu erwarten ist das Vorkommen der Nervenendorgane in den einzelnen Körperregionen ein verschiedenes. Am häufigsten und relativ am deutlichsten entwickelt finden sich dieselben in den Rüsselpapillen, weit seltener aber und nur sehr schwer zu erkennen sind sie im eigent- lichen Körper. Gegen diese beiden Abschnitte zeigt wiederum, gerade wie bei den Drüsen, die Eichel eine ganz beträchtliche Verschiedenheit. Abgesehen davon, dass hier die einzelnen Nervenfasern sich durch ihre bedeutendere Dicke und den charakteristischen schlangenförmigen Ver- lauf in der Cutis leicht erkennen und verfolgen lassen, zeigen auch die Endorgane (Fig. 11, 12) der Eichel einen ganz besonderen Bau. Den neben ihnen lagernden Drüsen ähneln sie einigermaßen darin, dass sie wie diese einen birnförmigen Umfang besitzen, an ihrem äußeren und inneren Pole aber stark in die Länge gezogen sind. Auch hier sind, wie bei den Drüsen, die im Umkreise stehenden Hypodermiszellen kegelartig in die Cutieula hineingeschoben, der’ sie durchsetzende verschmälerte 220 Julius Andreae, vordere Theil des Endorganes geht jedoch nicht kurz nach seinem Ein- tritte in die Cuticula in einen engen Hals über, sondern verläuft, nur schwach konisch sich zuspitzend, bis unmittelbar unter die Oberfläche der Cuticula. Diese selbst ist an den Stellen, wo sich solche Sinnes- organe befinden, meistens stark eingesenkt und zeigt äm Grunde dieser Einsenkung eine ganz kleine, ringförmige Erhabenheit, die die Mündung eines kurzen, äußerst engen Kanales (Fig. 44, 12 c’) umgiebt, welcher von der Körperoberfläche zu dem abgerundeten äußeren Pole des End- organes verläuft. Dieser Kanal ist nur sehr schwer und nur an beson- ders günstigen Objekten zu erkennen. An seinem inneren Pole ist unser Organ stark zugespitzt und geht unmittelbar in einen Nervenfaden (n) über. Was die Struktur des Endapparates anbelangt, so wird derselbe auch hier von palissadenartig neben einander gestellten Hypodermis- zellen gebildet, welche aber hier äußerst lang und dünn, fast fadenför- mig sind und je einen deutlichen glänzenden Kern besitzen. Der Grund der Endorgane wird von einer feinkörnigen Masse ausgefüllt, welche mit der der Nervenzweige, in welche sie auch unmittelbar übergeht, ganz übereinstimmt. Mit den Drüsen sind diese zuletzt beschriebenen Nervenapparate innig vereinigt. Nicht allein empfangen beide Elemente ihre Nerven- zweige oft aus einem und demselben größeren Nervenaste (Fig. 10 .n), sondern sind meist so innig an einander gelagert, dass sie scheinbar einen einzigen Körper bilden. Dessgleichen korrespondirt die Häufigkeit der Nervenendorgane im hintersten Körperabschnitte immer mit der der vielzelligen Drüsen, denn in allen den Fällen, wo die letzteren (bei starker Pigmentanhäufung in der Eichel) nur spärlich vorhanden waren, fehlten auch die ersteren fast vollständig. Im Allgemeinen sind die- selben aber weit häufiger wie die Sinnesbecher des übrigen Körpers. Wenn sie nun von diesen auch im Baue einige nicht ganz unwesentliche Verschiedenheiten zeigen, so möchte ich sie doch nur für Modifikationen derselben halten. Für ihre unzweifelhafte Natur als sensible Endorgane spricht neben der direkten Verbindung mit dem Nervennetzwerke — die ja allerdings auch bei den Drüsen in der Eichel stattfindet —, namentlich ihre Zusammensetzung aus Hypodermiszellen. Auch kann die ziemlich große Verbreitung von Empfindungsorganen an diesem Körpertheile wohl kaum überraschen, da sich ja bekanntlich das Thier bei seinen Wanderungen mit der Eichel voran in den Sand einbohrt. Die Angaben älterer Forscher, wie DELLE CHIAJE (3) und GrusE (k), über die Haut des Sipunculus sind nur sehr spärlich und beziehen sich fast ausschließlich auf die makroskopischen Verhältnisse derselben. Erst KEFERSTEIN und Enzers (10) ‚unterzogen diesen Gegenstand einer ein- Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 331 gehenderen Untersuchung und machten zuerst auf die Zusammensetzung der Haut aus drei Schichten, einer Cuticula, einem Epithel; und einer Cutis, aufmerksam. Die Resultate ihrer diesbezüglichen Untersuchungen stimmen, so weit sie sich auf die Cuticula und das Epithel (Hypodermis) erstrecken, im Wesentlichen vollkommen mit der von mir oben gegebenen ausführlicheren Beschreibung überein. Nur weichen sie in so fern etwas ab, als nach Krrerstein und Enurers die Epithelzellen platt und die Träger des Hautpigmentes sein sollen, während ich entschieden konsta- tiren muss, dass dieselben fast stets ziemlich hoch sind und mir von Pigment niemals etwas gezeigt haben. Eine ganz wesentlich von der meinigen abweichende Schilderung geben aber diese beiden um die Kenntnis der Sipunculiden so hoch ver- dienten Forscher von der bindegewebigen Cutis und den in ihr einge- lagerten Elementen. Was zunächst die Grundsubstanz der Gutis anbe- langt, so soll dieselbe von einer hyalinen Bindesubstanz gebildet werden, »in welcher zahlreiche Zellen mit zwei oder drei sich wieder theilenden langen Ausläufern eingelagert sind«. Außerdem sollen sich noch minder häufig größere Zellen ohne Ausläufer finden. Diese beiden Zellenarten sind jedenfalls dieselben wie die oben von mir beschriebenen, an denen ich aber von Ausläufern nichts wahrgenommen und welche nur in den Tentakeln reichlicher im Bindegewebe vorkommen. Die von mir als wesentlicher Bestandtheil der Gutis beschriebenen feinen Fibrillen sind von KErErRSTEIN und Enrers ebenfalls gesehen worden, werden von ihnen aber »nur für das Bild von Falten« gehalten. Die » Hautdrüsen «, von denen sie übrigens eine wenig klare Zeichnung geben (10, Taf. VI, Fig. 3,4 D), werden beschrieben als »große kuglige oder ovale Schläuche, aus einer Tunica propria bestehend, die innen ausgekleidet ist von 0,02 mm großen runden Zellen mit 0,006 mm großem Kern«. Diese »Drüsenschläuche « sollen durch einen sich trichterförmig erweiternden (?) Kanal ausmünden und an ihrem inneren Pole stets mit einem » Aus- läufer des Bauchstranges« in Verbindung treten (vermuthlich haben KEFERSTEIN und EnLers diese Drüsen nur in der Eichel untersucht, wo dieselben allerdings bekanntlich mit einem Nervenzweige versehen sind). Obschon die beiden Forscher angeben, von einer Sekretabsonderung beim Sipunculus nichts wahrgenommen, übrigens aber auch nicht be- sonders darauf Acht gegeben zu haben, nehmen sie diese Organe doch als Drüsen in Anspruch, besonders desshalb, weil neLLE Case (3, p- 67) erwähnt, dass eine solche Absonderung beim Sipunculus vorzugs- weise am Rüssel stattfinde. Enters (41, p. 22, 23) berichtet dann später noch von ähnlichen » drüsigen Gebilden«, die er beim Priapulus caudatus Lam. unter der 222 Julius Andreae, Subeutieularschicht am Endtheile des » Stammes « (eigentlichen Körpers) gefunden habe. Dieselben bestanden nach ihm aus einer » weichen, leicht zerdrückbaren Masse«, in welcher sich nur »ein Maschenwerk von feinen Fäden und unregelmäßig eingestreuten Kernen erkennen lieb. Euters hält diese Gebilde, welche er durch Porenkanäle nach außen münden sah, für unzweifelhafte » Hautdrüsen «, welche letzteren ihm für alle Gephyreen » charakteristisch zu sein scheinen «. Kurz nach der Veröffentlichung der Untersuchungen von KEFERSTEIN und Enzers spricht Leyvie, gestützt auf den Ausspruch dieser beiden Forscher, dass sie keine Hautdrüsen gefunden hätten, »die nicht an ihrem inneren Pole mit einer jener feinkörnigen Nervenfasern in Verbin- dung standen«, und wegen der Ähnlichkeit, welche diese Organe mit anderen von ihm bei den Egeln entdeckten zeigten, die Vermuthung aus, dass wir es hier mit specifischen Nervenendorganen zu thun hätten (12, p- 60%4,-605). Dass sich aber keineswegs an alle drüsenartigen Hautkörper Nervenzweige ansetzen und dass selbst im entgegengesetzten Falle kein Grund vorliegt, die wirkliche Drüsennatur unserer Organe zu bestreiten, habe ich des Näheren bereits oben erörtert. In seiner zweiten Arbeit über die Sipunculiden (15, p. 41, 42) er- wähnt dann Kererstein ganz ähnlicher Hautdrüsen beim Phascolosoma, an deren inneren Pol ein Muskelstrang herantreten soll, doch hat er nicht entdecken können, ob vielleicht »in diesen Ansatzstellen der Drüsen der Eintritt von Nerven verborgen ist«. Schon hier wird KErErR- stein über die wirkliche Natur der »Hautdrüsen «, in Folge der Lryvıc- schen Arbeit, einigermaßen zweifelhaft und scheint geneigt, dieselben für Nervenendapparate zu halten. SEMPER (16, p. 421) untersuchte dann einige »in Schneckenschalen lebende Sipunculiden« von den Philippinen und fand hier über den ganzen Körper verbreitet, namentlich aber am Hinterende angehäuft, eigenthümliche » Tasiorgane«, welche mit den Krrerstein’schen Haut- drüsen nach Beschreibung und Abbildung (16, Taf. XLI, Fig. 5) einige Ähnlichkeit besitzen. Dieselben werden gebildet »aus einer rundlichen Blase, die im Inneren ‚vier kleinere Blasen trägt, welche einen centralen Nerv umschließen. Dieser Nerv endigt, wie es scheint, mit einer zelli- gen Anschwellung an der Spitze der Blase«. Von einem diese »Tast- organe« mit der Außenwelt in Verbindung setzenden Kanale erwähnt SEmpEr nichts. Selbst wenn die Schilderung, die dieser Forscher von seinen Tastorganen giebt, in der That richtig ist, so bleibt es für mich doch zweifelhaft, ob wir in denselben wirkliche Analoga der KEFERSTEIN- schen Hautdrüsen vor uns haben, oder ob sie nicht eher den von mir beim Sipunculus nudus beschriebenen » Nervenendorganen« an die Seite t | Fi ) } | | . nm Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. >23 zu stellen sind, zumal bei genanntem Thiere diese Apparate ja in zwei ziemlich differenten Formen auftreten. Nichtsdestoweniger giebt Krrerstein bald darauf (17, p. 405, 406), ohne selbst nochmals eine Untersuchung vorzunehmen, allein auf Grund der Leypie’schen und Seuper’schen Arbeiten, seine frühere Ansicht über die Natur der »Hautdrüsen « auf und bezeichnet dieselben jetzt als »Haut- körper« (Tastorgane), »an deren inneren Pol sich stets (Sipunculus, Phascolosoma)« ein starker Nervenzweig ansetze. Außerdem führt Kerer- STEIN in dieser Arbeit (p. 405) eine vierte Hautschicht ein, welche als feine » Guticularhaut« zwischen Hypodermis und Cutis liegen soll. Ich habe trotz aller Mühe von einer solchen beim Sipunculus nudus nichts entdecken können. In demselben Jahre erwähnt dann O. Scamipr (18, p. 3, 4, 5) der Hautdrüsen beim Aspidosiphon Mülleri, ebenso Jourpaın (20, p. 871) der »glandules« bei Sipunculus (Phascolosoma) obscurus, vulgaris und punctatissimus, doch geben beide Forscher keine nähere Beschreibung derselben. Seitdem wurden die in der Cutis liegenden Hautkörper der Sipunculiden fast allgemein als Tastorgane angesehen. Zu sehr merkwürdigen Resultaten ist GrABEr in seiner kurzen Mit- theilung über die Haut unseres Sipunculus nudus (24, p. 10, 11, 13, 14, 45) gekommen. Er macht zuerst mit Recht darauf aufmerksam (p. 13), dass die Substanz der Cuticula von dem Arthropodenchitin wesentlich verschieden ist, und stützt sich dabei auf das verschiedene Verhalten beider gegen chemische Agentien. Die Hypodermiszellen hat er jedoch nicht erkennen können und statt derselben »nur eine der Phascolosoma-Matrix entsprechende Lage von dichtgedrängten 0,007 mm großen Kernen« gefunden. Durchaus irrthümlich aber sind die Resultate, zu denen GrAser bei der Untersuchung der in die Cutis eingelagerten »großen Zellen« kommt, » welche dicht unter der Matrix, theils dicht an einander gelagert, theils in kleinen Intervallen von einander« sich vor- finden (p. 41). Beschreibung sowohl wie Zeichnung (2%, Taf. III, Fig. 12), die allerdings — trotz gegentheiliger Versicherung des Verfassers — sehr schematisch ist, lassen keinen Zweifel darüber, dass wir es hier mit den » Hautdrüsen « oder »Hautkörpern « Krrersrein’s zu {hun haben. Obschon dies nun durch eine Vergleichung mit der von Krrerstein und EnLers (10, Taf. VI, Fig. 3, 4) gegebenen Abbildung leicht zu erkennen ge- wesen wäre, weiß doch GrABEr mit diesen »Zellen«, von denen er glaubt, dass sie durch die Hautporen ausmünden, augenscheinlich nichts zu machen. Da er keine Hypodermiszellen gesehen, so hält er es für möglich, dass dies die »Hypodermiszellen von EnLers und KErERSTEIN « seien. Ebenso merkwürdig werden dann von Graser die von den 224 | Julius Andreae, beiden letztgenannten Forschern als »Hautdrüsen« bezeichneten Organe untergebracht. Er beschreibt nämlich »in der Mitte der Integumental- felder « einen »großen ellipsoidischen Körper«. Dieser Körper wird nach ihm »umgeben von einer diekwandigen Kapsel und lässt im Innern nirgends deutliche Zellen sondern nur eine Menge gelblicher Körnchen erkennen«. Abgesehen von der mangelnden Kommunikation mit der Außenwelt soll dieser Körper in seinem Bau »mit den von Enters und Kererstein als Drüsen beschriebenen Gebilden« übereinstimmen (!). Wie aus der beigegebenen Zeichnung (24, Taf. III, Fig. 12 S) ersichtlich, ist der »ellipsoidische Körper« aber nichts Anderes als die zwischen der Cutis und der Muskulatur liegende » Integumentalhöhle «, auf welche wir wei- ter unten noch näher eingehen werden, die »gelblichen Körnchen « aber sind Blutkörper. — Da nun Gruber offenbar ganz andere Organe in der Haut des Sipunculus (die Integumentalhöhlen) für »Hautkörper« hält, wie die wirklichen Drüsen, so ist seine Behauptung, dass er »an den vielen hunderten von Hautkörpern«, die er untersuchte, »niemals ein nervöses Gebilde« habe entdecken können, ziemlich bedeutungslos. Was endlich die »strangartigen Gebilde« anbelangt, die die Basis der Graper’schen »Hautkörper« aufnimmt und welche »Fortsätze der Ring- muscularis« sein sollen, so habe ich nichts Derartiges gefunden. Die beste und ausführlichste Arbeit, welche wir über die »Haut- körper« der Sipunculiden besitzen, hat in neuerer Zeit Teuscner (25) geliefert. Derselbe beschreibt (p. 492, 493) beim Sipunculus nudus drei Arten von Hautdrüsen, in welchen ich die vielzelligen und zweizelligen Drüsen so wie die Nervenendorgane der Eichel, wie ich sie oben be- schrieben habe, wiedererkenne. Er theilt die erste Art, die vielzelligen Drüsen, nochmals in drei Gruppen ein, je nach dem Grade ihrer Durch- sichtigkeit, und hält diese drei Gruppen für eben so viele Bildungsstufen. Dagegen scheinen mir dieselben lediglich dadurch zu entstehen, dass die Zwischenräume zwischen den einzelnen Drüsenzellen mit mehr oder weniger Sekret erfüllt sind. Die zweite Drüsenart beschreibt TEuscHER als einen ovalen Schlauch, der »eine durch einen schmalen Zwischen- raum von ihm getrennte Zelle mit deutlichem Kern und Kernkörperchen « enthält, in welcher wiederum eine andere viel kleinere und kernlose Zelle liegt, welche im Gegensatz zu den beiden anderen meist » wasser- hell« ist. Es würde eine solche Drüse sich also aus drei in einander ge- schachtelten Zellen zusammensetzen. Zuweilen sah Teuscurr eine das Ganze durchsetzende Scheidewand und in dem Falle zwei Kerne in der zweiten, mittleren Zelle. Wenn nun auch die von ihm zur Erläuterung beigegebene Abbildung (25, Taf. XIX, Fig. 7) nicht ganz mit der mei- nigen (Fig. 7) übereinstimmt, so stehe ich dennoch keinen Augenblick | | I Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 225 an, diese Gebilde mit meinen »zweizelligen Drüsen « zu identificiren. Es wäre demnach die äußere Zelle der Teuscner’schen Drüse die Drüsen- hülle, die mittlere die beiden dicht an einander gelagerten Drüsenzellen und die innerste, » wasserhelle« Zelle der Hohlraum zwischen den letz- teren. Die Scheidewand, die Teuscaer nicht immer gesehen, entspricht den beiden eng zusammengelagerten Wänden der Drüsenzellen. Auch zeichnet TEUSCHER ganz richtig die diesen Wänden charakteristische _Sförmige Wölbung und die zu ihnen symmetrische Lagerung der beiden Zellkerne. Was die dritte von ihm erwähnte Drüsenform anbelangt, so entspricht dieselbe nach Beschreibung sowohl wie Zeichnung ziemlich genau den von mir aus der Eichel beschriebenen Nervenendorganen. Auch sie kommen nach TeuscHer nur in diesem Körperabschnitte vor, ragen mit einem konischen Ende weit in die Cuticula hinein und gehen hier in einen ganz feinen, kurzen Kanal über, der in einer Einsenkung der letzteren ausmündet; an ihrem inneren Pole stehen sie mit Nerven in Verbindung. Trotz dieser vollkommen richtigen Beschreibung ist dem sorgsamen Forscher die wahre Natur dieser Organe dennoch entgangen, da er ihre Zusammensetzung aus stark modificirten Hypodermiszellen nicht erkannte, ihnen vielmehr einen ähnlichen Bau wie den wirklichen Drüsen beilegte. Nach ihm sollen nun an die erste und dritte Drüsenform Nerven- endigungen herantreten und zwar ganz ausschließlich im hinteren Körperende, aber auch bier nur im früheren Lebensalter (Teuscuer giebt nämlich an, dass er Drüsen in Verbindung mit Nervenfasern nur bei bis 40 mm großen Exemplaren gefunden habe, niemals aber bei größeren). In Bezug auf den ersten Punkt stimme ich vollständig mit ihm überein, im letzteren aber muss ich ihm widersprechen, denn das Exemplar, bei welchem ich die Nerven von den Drüsen und Nervenendorganen bis in die Ringmuskulatur sehr deutlich verfolgen konnte, war ungefähr 220 mm lang, also ziemlich ausgewachsen, und vollkommen geschlechtsreif. Auch der Pigmentballen thut Teuscuer Erwähnung als » Pigment- zellen, von sehr verschiedener Größe und Menge, von rundlicher oder ovaler Gestalt, bei alten Würmern dicht mit gelbbraunen Pigmentkörn- chen besetzt und meistens einen dunklen Kern zeigend« (p. 493). Von den becherförmigen Nervenendorganen des Rüssels und eigentlichen Körpers hat er jedoch nichts wahrgenommen. Eine sehr schöne und wichtige Bestätigung meiner Beobachtungen über die Drüsen und Nervenendorgane des Sipunculus finde ich in der Beschreibung, welche Teuscher (25, p. 495, 496) von ähnlichen Organen bei Phascolosoma liefert. Zunächst erwähnt derselbe unzweifelhaft drü- siger (hier in der Cuticula liegender) »Schläuche, welche in ihrem Bau 226 Julius Andreae, eine sehr große Ähnlichkeit mit den vielzelligen Drüsen des Sipunculus besitzen und mit Leichtigkeit Nervenfäden an ihrem inneren Pole er- kennen lassen (25, Taf. XIX, Fig. 9—13). Neben diesen aber werden noch besondere »Sinnesorgane« beschrieben. Diese sollen aus einem ovalen Schlauche bestehen, der mit zwei oder drei Nervenfäden in Ver- bindung steht. Im Innern dieser Schläuche soll sich eine » feine granu- löse Masse und eine Anzahl größerer Körner« finden, »deren Hauptmasse in der Nähe des Ausführganges gruppirt und zum Theil an von da her- einhängenden Fäden befestigt erscheint«. Diese Beschreibung erinnert so sehr an die Verhältnisse, wie sie die Nervenendorgane im hinteren Körperende des Sipunculus zeigen (vgl. meine Fig. 11 und 12), dass ich nicht anstehe, in derselben Weise wie dort die »vom Ausführungsgange hereinhängenden Fäden« als die fadenförmigen Hypodermiszellen , die »größeren Körner« als deren Kerne und die »feine granulöse Masse« als die direkte Fortsetzung und Ausbreitung der feinkörnigen Nervensub- stanz zu erklären, wie sie sich in den peripherischen Nervenästen findet. TuteL (26, p. 10) beschreibt bei seinem Phascolion strombi (= Phas- colosoma strombi Kef.) ebenfalls Hautkörper (»follicules«), von läng- licher, sackförmiger Gestalt, welche in die Hautpapillen hineinragen und an deren Spitze durch einen langen Kanal ausmünden. Dieselben wer- den zusammengesetzt aus einer »membrane extremement mince, qui renferme une masse granuleuse et plusieurs grandes cellules«. Von der Basis dieser Hautkörper aus verlaufen eine, zuweilen auch zwei oder mehr feine Fasern bis zur Ringmuskulatur, die Tateı jedoch nur beim Phascolosoma Oerstedii Kef. deutlich verfolgen konnte. In vollkomme- ner Übereinstimmung mit Kererstein (15, 17) und Semeer (16) fand er beim Sipunculus nudus an jedem Hautkörper nur eine solche Faser, welche ihm nichts Anderes als eine »Prolongation tubiforme du follicule« zu sein scheint. Über die Bedeutung dieser Fasern spricht sich TatEL nicht bestimmt aus. Da er nicht eine direkte Fortsetzung derselben bis zum Hauptnervenstamme verfolgen konnte, dieselben bei der Tinktion mit Goldchlorid auch nicht die charakteristische Purpurfärbung zeigten, so hält er es nicht für unwahrscheinlich, dass die Fasern zarte Gefäße sind, die durch mannigfache Verzweigungen ein sehr feines Gefäßsystem bilden, welches vielleicht dazu bestimmt ist, Wasser in die verschieden- sten Körpertheile zu führen. Für Blutgefäße möchte er sie nicht halten, da sie im Verhältnis zu den Rlutkörpern einen zu geringen Durchmesser besitzen (»a peine 0,004 mm de large). SPENGEL endlich beschreibt in seiner ausführlichen Arbeit über die Organisation des Echiurus Pallasii (32, p. 464—466) einzellige birn- förmige Drüsen mit deutlichem Kerne und dünnem Halse, welche in die Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 227 Cutis hineinragen. Durch Zusammentreten dieser Drüsen werden die über den ganzen Körper verbreiteten Papillen gebildet, in welchen sich aber außerdem noch besondere »Sinnesorgane« finden. Diese werden zusammengesetzt aus einer Anzahl hoher (Epidermis-?) Zellen, » welche zu einem becherförmigen Körper vereinigt sind«. »Die Kerne dieser Zellen sind sämmtlich dem Grunde des Bechers genähert«, welcher letztere an seinem vorderen Ende durch einen kurzen Kanal nach außen mündet. Die becherförmigen Sinnesorgane sollen mit den » Schleim- drüsen « in sehr inniger Verbindung stehen. Diese Beschreibung sowohl wie die beigegebene Abbildung zeigen eine sehr bemerkenswerthe Ähn- lichkeit der in die Cutis eingelagerten Nervenendapparate des Echiurus Pallasii mit den von mir beim Sipunculus nudus beschriebenen. Auch hat Spenger den Eintritt starker Nervenäste in die Hautpapillen beob- achtet, ohne aber darüber Aufschluss geben zu können, welche von den beiden Bestandtheilen« — Schleimdrüsen und Sinnesorganen — »sie hauptsächlich versorgen und in welcher Weise die Verbindung geschieht «. Die Cutis selbst besteht nach SpenGEL aus einer »homogenen, glashellen, gallertartigen Grundsubstanz, in welcher sternförmige Zellen mit etwas länglichem Kerne liegen, die mit ihren zarten Ausläufern meistentheils unter einander in Verbindung zu stehen scheinen«. Außerdem erwähnt er »Ballen von Zellen, die mit rothbraunen oder gelblichen Pigment- körnchen erfüllt sind «. GREEFF führt dann (31, p. 44) beim Echiurus als dritte, innerste Hautlage »eine aus mehrfach sich kreuzenden, hauptsächlich aber radiär verlaufenden Fasern bestehende, helle Faser- und Zellschicht « an. Diese »Bindegewebsschicht«, welche nach der von ihm gegebenen Schilderung mit der Gutis des Sipunculus im Wesentlichen überein- stimmt, enthält Drüsen, Blutgefäße und Nerven eingelagert, welche letzteren in den »Tastpapillen« der Haut unter starker Verzweigung endigen. GRrEEFF hat diese Nerven deutlich »bis zu ihrem Austritt aus dem Bauchnervenstrang« verfolgen können. Zum Schlusse ist noch zu erwähnen, dass uns in neuerer Zeit Eısıc (28) mit eigenthümlichen Sinnesorganen (»Seitenorgane« und » becher- förmige Organe «) der Capitelliden bekannt gemacht hat, welche den von mir beim Sipunculus beschriebenen Nervenendorganen in mancher Beziehung ähnlich sind. Es sind das epitheliale Bildungen, bei welchen man »einen centralen, aus den eigentlichen nervösen Elementen sich aufbauenden Theil von einer peripherischen, aus mehr oder minder modificirten Epidermiselementen sich zusammensetzenden Hülle unter- scheiden kann« (p. 316). Über die Art der Innervation der »Capitelliden- 228 Julius Andreae, Sinneshügel«, welche ein »retraktiles Haarfeld« besitzen, hat sich Eısıc keine Gewissheit verschaffen können. 3) Muskulatur. Unter dem oben ausführlicher beschriebenen Integument, in innigem Zusammenhang mit demselben, liegt die sehr mächtige Muskelschicht des Sipunculus nudus, ebenfalls einen mehr oder minder geschlossenen Schlauch um den Leibeshohlraum bildend. Diese Muskulatur setzt sich aus drei verschiedenen Schichten zusammen, einer äußeren Ring-, einer inneren Längs- und einer zwischen beiden liegenden Diagonalmuskel- schicht. Diese drei Lagen sind durch eine dünne, bindegewebige Haut ziemlich fest mit einander verbunden und lassen sich mechanisch nur selten unverletzt isoliren. Ganz leicht gelingt eine solche‘ Isolirung aber nach längerer Maceration des Muskelschlauches in verdünnter Salpeter- säure (vgl. p. 211). — Da die einzelnen Schichten sich in den verschie- denen Körperregionen auch verschieden verhalten, so erscheint es an- gebracht, sie für jede derselben gesondert zu besprechen. Im eigentlichen Körperabschnitte besteht die Ring- muskulatur nicht aus einer zusammenhängenden Schicht, sondern aus neben einander liegenden platten, breiten Bändern (Fig. 17 R), welche vollkommen geschlossene, zur Längsachse des Wurmes senkrecht verlaufende Ringe bilden. Diese Bänder oder Gürtel sind fassreifenartig nach außen gewölbt. Ihre Dicke und Breite schwankt ziemlich beträcht- lich je nach dem Kontraktionsgrade des Hautmuskelschlauches. Im All- gemeinen beträgt letztere bei völlig ausgewachsenen Exemplaren 2 bis 3 mm und nimmt von der Körpermitte aus nach dem vorderen und hin- teren Ende nur wenig ab. Die Dicke der Ringmuskelbänder erreicht aber selbst bei hochgradiger Kontraktion kaum 4 mm. Die Lücken, welche die einzelnen Bänder zwischen sich lassen, sind zuweilen nicht unbedeutend, können aber, wenn das Thier sich in der Richtung der Körperachse stark kontrahirt, vollständig geschlossen werden. Die An- zahl der Muskelringe im eigentlichen Körper ist nicht konstant; Anasto- mosen zwischen denselben habe ich nur spärlich gefunden. Eine Ab- weichung von der regelmäßigen Anordnung der Ringmuskulatur findet sich im Körper nur an drei Stellen, den Mündungen des Enddarmes und der Segmentalorgane. Hier zeigt diese Schicht bedeutende Verdickungen in Form von sphinkterartigen elliptischen Muskelringen, welche die ge- nannten Mündungen eng umgeben und durch ihre Kontraktion voll- ständig verschließen können. Namentlich an der Afteröffnung ist dieser Schließmuskel stark ausgebildet. Die innerste Schicht des Muskelschlauches, die Längsmuskulatur, ne EEE. en EEE Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 399 Ds besteht im eigentlichen Körper nur aus einzelnen Bündeln (Fig. 17 L), bildet also ebenfalls keine zusammenhängende Schicht. An der Ansatz- stelle der Retraktoren, in der vorderen Körperhälfte, sind diese Bündel etwa halb so breit wie die Ringmuskelbänder und nehmen nach vorn und hinten zu allmählich an Breite ab. Auch hier wechseln die Dimen- sionen mit dem Kontraktionsgrade, doch sind im Allgemeinen die Längs- muskelbänder nicht flach wie die Ringmuskeln, sondern mindestens eben so hoch wie breit. Die Zahl der longitudinal verlaufenden Muskel- züge ist eine ganz konstante; nach Krrerstein (17, p. 419) soll dieselbe zwischen 30 und 32 schwanken, bei allen von mir untersuchten Exem- plaren des Sipunculus nudus fanden sich aber regelmäßig 32 vollkommen gleich stark entwickelte Muskelstränge, welche den eigentlichen Körper " des Wurmes in seiner ganzen Länge parallel zur Körperachse durch- " ziehen. Anastomosen zwischen diesen einzelnen Strängen, wie sie im Rüssel unseres Thieres und beim Phascolosoma vorkommen, zeigen sich ' bier nur äußerst selten. Übergänge zwischen ganzen Muskelschichten dagegen, wie sie von SPENGEL (32) beim Echiurus Pallasii beobachtet wurden, kommen beim Sipunculus niemals vor. Die Zwischenräume zwischen den Längsmuskeln sind noch bedeutender wie die zwischen , den Ringmuskeln und verschwinden selbst bei stärkster Kontraktion der ' letzteren niemals vollständig. Zwischen diesen beiden stark entwickelten Muskelschichten findet sich nun noch eine dritte, weit zartere Lage, welche von diagonalen ' Muskeln gebildet wird, die aus einzelnen sehr dünnen, etwa 0,5 mm breiten Bändern (Fig. 17 D) bestehen. Im Gegensatz zu den beiden anderen ‘ Schichten sind hier aber die Zwischenräume sehr groß, ungefähr 3 bis " kmal so breit wie die Bänder selbst. Diese letzteren entspringen beider- \ seits dicht neben dem Nervenband von je einem der beiden begleitenden ‚ Längsmuskelstränge und verlaufen dann, sich kreuzend, unter dem | Nervenbande hinweg zur entgegengesetzten Körperseite. Dabei sind sie unter einem Winkel von ungefähr 45° gegen die Körperachse geneigt und verlaufen von der Bauchfläche beiderseits nach dem Rücken und nach vorn. In der Rücken- (After-) Linie kreuzen sie sich wieder und inseriren sich dann an die beiden dicht neben dieser Linie verlaufenden, benachbarten Längsmuskelstränge, in der Weise, dass jedes Diagonal- muskelband wieder auf derselben Körperseite endigt, auf welcher es entsprungen. In den beiden medianen Körperlinien verlaufen also zwei sich senkrecht kreuzende Diagonalmuskelschichten über einander. An ihren Insertionspunkten sind diese Diagonalbänder meist ziemlich zart und undeutlich, werden jedoch bald stärker, so dass sie zuweilen eine Breite von 0,7 mm erreichen können. Wie bereits erwähnt, sind die Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 46 230 Julius Andreae, Zwischenräume zwischen den einzelnen Bändern ziemlich bedeutend, und es entspricht in Folge dessen im vorderen Körperabschnitte die Zahl der Diagonalmuskeln ungefähr der der Ringmuskeln. Weiter nach hinten zu werden jedoch die Zwischenräume immer größer, die Muskel- bänder selbst werden immer schwächer und hören endlich meistens ungefähr beim Beginn des letzten Viertels des eigentlichen Körperab- schnittes vollständig auf (zuweilen konnte ich dieselben jedoch noch weiter nach hinten verfolgen). Hin und wieder finden sich, häufiger wie bei den Ring- und Längsmuskeln, Anastomosen zwischen den Diagonal- muskeln. Die Zahl der einzelnen Bänder ist eine sehr wechselnde, meist aber geringe. Sehr schön lässt sich die Diagonalmuskulatur im Zusammenhang präpariren, wenn man ein von passender Stelle — am besten aus der Gegend der Retraktorenwurzeln — entnommenes Stück des Hautmuskel- schlauches einige Zeit (I—2 Tage) mit verdünnter Salpetersäure (10 bis 20procentig) macerirt. Alsdann wird das Bindegewebe, welches die einzelnen Muskelbündel umgiebt und die verschiedenen Lagen mit ein- ander vereinigt, zerstört und es gelingt jetzt sehr leicht, durch Weg- nahme der Längsmuskeln die ganze diagonale Schicht bloß zu legen, wenn man nur darauf Bedacht nimmt, die beiden ventralen und dor- salen Längsmuskelpaare, an welche sich die Diagonalfasern anheften, un- versehrt zu lassen. Man erkennt dann sehr gut den eigenthümlichen, schrägen Verlauf unserer Fasern, ihre beiden Durchkreuzungen in den medianen Linien und ihre gelegentlichen Anastomosen. Ebenso gelingt es bei demselben Verfahren leicht, die ganze Diagonalmuskulatur nebst den zugehörigen vier Längsmuskeln im Zusammenhange von der darunter liegenden Ringmuskulatur abzuheben. Die diagonale Schicht ist dort, wo sie im Körper des Sipunculus vorkommt, für dieses Thier dadurch von einiger Wichtigkeit, dass in ihr die Seitennerven erster Ordnung verlaufen. Beim Abheben der mittleren Muskelschicht von der äußeren bleiben diese Nervenzweige an der ersteren auf der der Ringmuscularis zugekehrten Fläche hängen. Eine wesentliche Bedeutung glaube ich aber der Diagonalmuskulatur wegen ihrer Zartheit im eigentlichen Körper nicht beilegen zu können. Sie wird wohl nur dazu dienen, die gemeinschaftliche Wirkung der beiden anderen Schichten etwas zu verstärken. Im hinteren Körperende, in der Eichel, zeigen sich die Ring- muskeln nicht mehr deutlich in gesonderten Strängen angeordnet. Die platten Bänder haben sich hier in eine Anzahl schmaler Fasern auf- gelöst, welche nur kleine Zwischenräume zwischen sich lassen und da- durch mehr und mehr das Aussehen eines gleichmäßigen Stratums Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 231 bieten. Im Umkreise der Hauteinstülpung in der hinteren Leibesspitze ist dieses Stratum, bei vollständigem Wegfall der Zwischenräume, sehr stark verdickt und bildet einen die Einstülpung dicht umgebenden und in den Körperhohlraum hineinragenden sphinkterartigen Muskelring, dessen besonderen Zweck ich nicht zu erkennen vermag, da eine Öfl- nung (Porus) hier ja unzweifelhaft fehlt. Die Längsmuskeln beginnen sich beim Übergange in die Eichel in der Weise zu theilen, dass jeder einzelne Strang in zwei Äste sich gabelt, welche dann, ohne sich weiter zu verzweigen, bis zu dem starken Ringmuskelsphinkter in der hinteren Leibesspitze verlaufen, an welchen sie sich inseriren. Nicht immer betheiligen sich jedoch alle 32 Längs- muskelstränge an dieser Gabelung, sondern es bleiben zuweilen einige davon ausgeschlossen. So theilten sich bei einem darauf untersuchten Exemplare nur 26 Längsmuskeln in zwei Äste, während die übrigen 6 ungetheilt bis zum Hinterende verliefen. Auch finden sich nicht selten Anastomosen und streckenweise Verschmelzungen dieser Äste. Nachdem sich nun die Längsmuskelstränge in der angegebenen Weise getheilt haben, werden die Äste nach hinten zu immer schmaler, ebenso auch die etwa unverästelt gebliebenen Längsmuskeln, so dass, obschon die Anzahl der einzelnen Muskelstränge durch die Gabelung hier beinahe um das Doppelte vermehrt, der Durchmesser des Körperlumens sogar verringert wird, dennoch kein geschlossenes Stratum entsteht. Im Gegentheil erscheinen dieZwischenräume zwischen den einzelnen Zügen, deren Breite hier höchstens noch !/, derjenigen der Längsmuskeln im vorigen Körpertheile erreicht, verhältnismäßig sehr weit. Die Diagonalmuskulatur fehlt hier, wie im hinteren Theile des eigentlichen Körpers, vollständig, wenigstens konnte ich von der- selben weder bei der Präparation noch auf geeigneten Längs- und Quer- schnitten etwas erkennen. Beim scharf begrenzten Übergange des Hautmuskelschlauches vom eigentlichen Körper auf den Rüssel lösen sich die einzelnen Bänder der Ringmuskulatur plötzlich zu einer gleichmäßigen, aus dicht neben einander verlaufenden, parallelen Fasern zusammengesetzten Schicht (Fig. 13 R) auf, die weiter nach vorne zu allmählich immer dünner wird. Dabei behalten die Fasern stets dieselbe Richtung wie die Muskelringe des Körpers, senkrecht zur Längsachse des Thieres. Auch die Diagonalmuskeln lösen sich in derselben Weise zu einer gleichmäßigen Muskelschicht auf, sobald sie aus dem Körper in den Rüssel übertreten, dabei verändern aber die einzelnen Fasern ihre Richtung. Während die diagonalen Bänder des Körpers ungefähr unter einem Winkel von 45° gegen die Ringmuskeln geneigt sind, nehmen sie 16* 232 Julius Andreae, im Rüssel allmählich mehr und mehr einen diesen letzteren ähnlichen cirkulären Verlauf an. Hand in Hand damit verschwinden auch die An- fangs zwischen den Fasern noch zu erkennenden Zwischenräume. Auf passenden Querschnitten durch die Haut dieses Körpertheiles (Fig. 13) erkennt man jedoch, dass die der ursprünglichen Diagonalschicht an- gehörenden Fasern (D) nicht unter einander parallel verlaufen, wie die eigentlichen Ringfasern, sondern, im Allgemeinen allerdings eine cirku- läre Richtung einhaltend, sich schlangenartig durch einander winden und flechten. Dem entsprechend findet man in dieser Muskelschicht auch immer eine mehr oder minder große Anzahl von Bindegewebs- strängen (b), während solche in der mehr gleichmäßigen und dichten Ringfaserschicht (R) nur spärlich vorkommen. Stets behält die Diagonal- faserschicht ihre Lage zwischen Ring- und Längsmuskulatur bei und ist von diesen deutlich zu unterscheiden. — Wie man auf Querschnitten erkennt, erreicht die mittlere Muskelschicht im Rüssel eine bedeutende Mächtigkeit, welche der der Ringmuskulatur nur wenig nachsteht. So gering ihre Wirkung demnach auch im eigentlichen Körper sein mag, muss man sie doch im Rüssel als einen wesentlichen Faktor für die Kon- traktion und Retraktion dieses so beweglichen Körpertheiles betrachten; im Allgemeinen fällt ihre Wirkung hier wohl mit der der Ringmuskula- tur zusammen. Wesentlich verschieden von diesen beiden Schichten verhalten sich die Längsmuskeln. Während im eigentlichen Körper die Anastomosen zwischen den einzelnen Bündeln derselben nur ausnahmsweise vor- kommen, werden dieselben im Rüssel ganz allgemein. Schon auf der Grenze zwischen Rüssel und Körperstamm fangen die Längsmuskeln an sich zu iheilen, benachbarte Äste verschmelzen mit einander und theilen sich dann wieder, um sich aufs Neue mit einem oder mehreren anderen Ästen zu verbinden. Nach einigem Verlaufe, und zwar an der Stelle, wo sich die Rüsselhaut stark verdünnt und das Pigment in ihr ver- schwindet, also ungefähr in der Mitte des ganzen Abschnittes, verbin- den sich jedoch sämmiliche Äste zu einer gemeinschaftlichen dünnen und gleichmäßigen Längsfaserschicht, welche von Zwischenräumen nichts mehr erkennen lässt. Ebenso wie das Integument und die beiden äußeren Muskellagen wird auch diese Schicht nach den Tentakeln zu immer dünner und lässt sich von den anderen Schichten nur noch auf Querschnitten unterscheiden. Auf solchen bemerkt man dann auch, dass die beiden äußeren Muskelstraten hier das innere bedeutend an Mächtigkeit übertreffen, ein Umstand, der sich auch bei der Retraktion des Rüssels äußert. Während sich in dem Falle nämlich der hintere, pigmentirte Rüsseltheil noch ziemlich stark in der Längsrichtung zu- Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 233 sammenzieht, zeigt der vordere dünne und nicht pigmentirte Abschnitt in dieser Richtung nur eine schwache Kontraktion. Sehr stark geschieht dieselbe aber hier in der Querrichtung, in Folge der gemeinschaftlichen kräftigen Wirkung der beiden cirkulären (Ring- und Diagonal-) Muskel- schichten, so dass der die Tentakel (bei retrahirtem Vorderende) ein- schließende vorderste Rüsseltheil sich oft als knollige Anschwellung von dem übrigen abhebt. Von diesen Muskelschichten der Körperwandung nun, namentlich von den Längsmuskeln, nehmen verschiedene in die Leibeshöhle hinein- ragende Muskeln ihren Ursprung. Die mächtigsten derselben, welche beim Öffnen des Thieres zunächst in die Augen fallen, sind die vier Retraktoren des Rüssels. Dieselben entspringen jederseits dicht neben dem Nervenstrang und der Rückenlinie in ungefähr gleicher Höhe von je acht Längsmuskelzügen (Krrerstein giebt [17, p. 419] für das dorsale Paar sechs, für das ventrale sieben Wurzeln an, was ich nicht bestätigen kann). Ihr Ursprung liegt ungefähr auf der Grenze des ersten und zweiten Drittels des eigentlichen Körperabschnittes, etwas hinter der Afteröffnung. Von hier verlaufen sie, frei in der Leibeshöhle schwe- bend, nach der Spitze des Rüssels, wo sie sich hinter den Tentakeln mit einander vereinigen und so um den Pharynx einen dicken, muskulösen Ring bilden, der an seinem vorderen Theile direkt in die Muskulatur der Rüsselwandung übergeht. Wo sie aus den Längsmuskeln entspringen sind die Retraktoren sehr breit und flach, verdicken sich aber bald unter Abnahme der Breite und zeigen, im größten Theile ihres Verlaufes gleich stark, einen unregelmäßig rundlichen Querschnitt. Im Inneren werden dieselben von einem feinen Nervenfaden der Länge nach durch- setzt. Weit mehr noch wie die Hautmuskeln zeigen sich diese Rüssel-' retraktoren kontraktil, so dass sie ihre Länge bis auf die Hälfte und mehr verkürzen können, wobei ihre Dicke beträchtlich zunimmt. Namentlich die vorderen, im Rüssel sich vereinigenden Enden derselben findet man oft stark kuglig zusammengezogen. Mit dem vordersten Theile des Darmes, dem Oesophagus und Pharynx, so wie auch mit dem Nerven- schlundringe, sind diese Retraktoren durch eine feine, bindegewebige Membran verbunden. Neben diesen sehr kräftigen Muskeln finden sich in der Leibeshöhle noch andere, bei Weitem schwächere, welche dazu bestimmt sind, die Darmspirale an die Körperwand zu befestigen. Dieselben kommen in Form von zarten Muskelfäden in der ganzen Ausdehnung des Darmes vor, mit Ausnahme des Oesophagus, welcher frei schwebt und dadurch befähigt ist, beim Ein- und Ausstülpen des Rüssels nachzugeben. Solche Muskelfäden, welche aus den Längsmuskeln der Körperwandung ihren 234 Julius Andreae, Ursprung nehmen und sich in der Muscularis des Darmes verlieren, sind in besonderer Stärke und Zahl an der Übergangsstelle des Oesopha- gus in den Mitteldarm und in der Nähe der Afteröffnung (Fig. 18 m) ent- wickelt. Im letzteren Falle spielen sie jedenfalls eine Rolle bei der Ent- leerung der Exkremente. i Außerdem findet sich hier aber noch ein besonderer Muskel (Fig. 18 sp), von den früheren Untersuchern als » Spindelmuskel« be- zeichnet. Derselbe entspringt ungefähr 5—10 mm vor der Afteröffnung mit zwei oder drei feinen Wurzeln von einem Längsmuskelstrange und verläuft als runder Faden, nach hinten zu immer feiner werdend, über den Enddarm weg zwischen den Windungen der Darmspirale bis zum hinteren Körperende, wo er sich in der Hautmuskulatur verliert. In einiger Entfernung vom After ist dieser Faden mit der Wandung des »Darmdivertikels« verschmolzen, so dass er als eine direkte Fortsetzung desselben erscheint, und giebt dann bei seinem weiteren Verlaufe hier und da feine Äste an die Darmwandung ab. Nicht immer gelingt es je- doch, diesen » Spindelmuskel « bis in die hintere Leibesspitze des Thieres zu verfolgen. Meist wird er schon vorher äußerst fein und scheint sich dann schließlich in der Darmwandung zu verlieren. In einem Falle war dieser Spindelmuskel sogar nur 25 mm lang und nur bis zur Insertion an das Darmdivertikel vorhanden, an dessen hinterem Ende er vollstän- dig fehlte. Auch zeigte sich hier (Fig. 18) eine weitere Abnormität noch darin, dass das sonst in der Regel kleine Darmdivertikel (dd) 70 mm lang war. Dasselbe lag in Gestalt eines dünnwandigen, mit feinkörni- gem Inhalte (in dem ich keine bestimmten Formelemente erkennen konnte) dicht angefüllten Schlauches der Darmwandung, mit welcher es durch feine (Bindegewebs-?) Fasern verbunden war, eng auf. Außer der gewöhnlichen vorderen, 19 mm hinter der Afteröffnung liegenden Kommunikation (&) besaß das Organ hier anscheinend noch drei fernere, aber weniger deutliche Einmündungen (ß, y, 6) in den Darm, welche 73, 79 und 89 mm hinter der Afteröffnung sich fanden; wenigstens ging an diesen Stellen die Wandung des Divertikels unmittelbar in die des Darmes über. Die anderen beim Sipunculus vorkommenden Muskeln, wie die beiden Begleitmuskeln des vorderen Theiles des Nervenstranges und die Muskeln in den Wandungen des Darmes und der Segmentalorgane, werden am besten erst bei der Betrachtung dieser Organe näher be- sprochen. | Was die histologischen Verhältnisse der Muskulatur an- belangt, so sind alle Muskeln durchweg aus feinen lang-spindelförmigen Fasern (Fig. 19) zusammengesetzt, welche palissadenartig dicht neben Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 2335 und über einander gestellt sind und durch Bindegewebe zusammen- gehalten werden. Behandelt man die Muskelstränge mit verdünnter Kalilauge oder noch besser mit wässeriger Salpetersäure, so werden dadurch, unter Zerstörung des Bindegewebes, die Muskelfasern isolirt. An beiden Enden sind diese Fasern (Fig. 19—23) gleichmäßig zugespitzt, doch finden sich gelegentlich auch solche, die sich am Ende gabeln und in zwei Spitzen auslaufen (Fig. 22). In der Mitte sind die Fasern regel- mäßig am breitesten (0,012—0,026 mm); ihre Länge schwankt zwischen 4,0—2,5 mm. Bei der Tinktion mit Alaunkarmin und bei der Anwen- dung sehr starker Vergrößerungen erkennt man, dass diese feinen Muskelfasern sich aus drei Elementen zusammensetzen, einer äußeren, sehr dünnen und glashellen Membran — Sarkolemma — (s), einer diese ausfüllenden zart-fibrillären Masse (f) una einem centralen Kanal (c’), welcher im Inneren mit einer feinkörnigen Masse angefüllt ist. Ziemlich häufig findet man Muskelfasern, in welchen die Innenmasse zusammen- gezogen ist (Fig. 20) und welche dann sehr deutlich die abstehende farb- lose Hülle zeigen. Diese letztere scheint vollkommen homogen zu sein, denn ich konnte keinerlei besondere Struktur an ihr erkennen. Bei anderen Muskelfasern sieht man wieder, wie, vielleicht in Folge zu starker Streckung, die fein-fibrilläre Masse zerrissen und der Inhalt des CGentralkanales nur noch von dem weit abstehenden Sarkolemma um- geben ist. Die fein-fibrilläre Masse, welche den Hauptbestandtheil der Muskelfasern ausmacht, zeigt sich als ausäußerst feinen Fäden zusammen- gesetzt, welche in der Richtung einer von links nach rechts um die Längsachse der Faser gedrehten Schraube verlaufen. Diese (Primitiv-?) Fibrillen zu isoliren ist mir nicht gelungen. Von ihnen eingeschlossen verläuft durch die ganze Länge der Muskelfaser der Gentralkanal (ce), der aber nicht immer genau in der Mitte liegt, sondern sich der äußeren Hülle unregelmäßig, oft mehr, oft weniger, nähert. Die ihn erfüllenden feinen Körnchen sind ebenfalls sehr ungleichmäßig angehäuft, wodurch sich der Kanal stellenweise bedeutend erweitert, stellenweise aber auch sehr verengert. An solchen Stellen, wo er zwischen zwei starken Körner- haufen frei von Inhaltsmasse war (Fig. 20, 22), glaubte ich zuweilen eine besondere, den ganzen Hohlraum umhüllende, zarte Membran (}’) zu erblicken. Von einem Kern aber habe ich in den Fasern niemals etwas bemerken können. Auf Querschnitten durch dieselben erkennt man unschwer den inneren Markraum und die äußere Hülle, außerdem aber noch in der fein-fibrillären Masse eine radiäre Streifung, welche wahr- seheinlich durch eine vorwiegend radiäre Anordnung der Fibrillen — wie dies ja auch von den Muskelfibrillen der Nematoden bekannt ist — hervorgerufen wird. 236 Julius Andreae, Isolirt man die Muskelfasern in etwas schonenderer Weise als wje oben angegeben, etwa mit dem von Künne empfohlenen Gemisch von Salpetersäure und chlorsaurem Kali, so erhält man nicht selten Fasern, an denen man das Herantreten eines feinen Nervenfadens (Fig. 23) beobachten kann. Meist inserirt sich der Nerv (n) ungefähr in der Mitte der Faser, wobei er sich in feinste Fädchen auflöst, welehe nach Durch- brechung des Sarkolemmas in der feinfibrillären Masse zu endigen scheinen. Gruse (4, p. 240, 244) unterschied in der Muskulatur des Sipunculus bereits eine äußere Ring- von einer inneren Längsmuskelschicht, deren nähere Verhältnisse, so weit sie auf den eigentlichen Körper Bezug haben, von ihm auch ganz richtig beschrieben wurden. Auch erwähnte er bereits zarter Fasern , welche zwischen diesen beiden Muskelschichten schräg verlaufen sollen. Dagegen hat Gruse, — dessen Arbeit mir übrigens erst nach Abschluss meiner diesbezüglichen Untersuchungen zu Gebote stand, — die Anordnung dieser Fasern (unserer Diagonal- muskeln) nicht ganz richtig erkannt. Dieselben Fasern soll nach ihm auch DELLE Curse (3) abgebildet und beschrieben haben, worüber ich mich indessen nicht vergewissern konnte, da mir des Letzteren Abhand- lung selbst nicht zugänglich war. In Betreff der Natur des » Spindel- muskels«, dessen Verlauf er übrigens sehr genau und treffend schildert, ist GrusE zweifelhaft und scheint eher geneigt, denselben für einen Nervenfaden zu halten. Kererstein und Euters (10, 45, A7), ebenso wie alle späteren Untersucher des Sipunculus nudus, haben die von GruBE gefundenen Diagonalfasern vollkommen übersehen. Von den anderen beiden Muskel- schichten berichten die beiden Forscher, dass dieselben aus 0,004 bis 0,008 mm breiten Fasern zusammengesetzt würden, in welchen von Kernen nichts zu bemerken sei. G. Scuwarse (21, p. 221, 222) hat die Muskelfibrillen von Phas- colosoma zum Gegenstande einer eingehenderen Untersuchung gemacht. Ich sehe in seiner Arbeit, die mir ebenfalls erst nach Beendigung meiner Untersuchungen zugänglich wurde, eine schöne Bestätigung meiner Beobachtungen. Beschreibung sowohl wie Abbildungen stimmen fast vollkommen mit den von mir für den Sipunculus gegebenen überein. Auch hier unterscheidet ScuwaLsE ein Sarkolemma, eine fibrilläre kon- traktile Substanz und einen in dieser gelegenen »sehr feinkörnigen Strang« (weine Art Marksubstanz «). Nur findet sich beim Phascolosoma in so fern einige Verschiedenheit, als die feinen Fibrillen der kontraktilen Substanz nicht schraubenförmig, wie beim Sipunculus, sondern in der Richtung der Längsachse neben einander verlaufen, und die feinkörnige Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 337 ‘ Marksubstanz einen Kern zeigt, den ich beim Sipunculus niemals finden . konnte. Tu£er (26, p. 11) beschreibt beim Phascolion strombi einen äußeren Ring- und einen inneren Längsmuskelschlauch, welche beide vollkommen geschlossen sind. Zwischen diesen Lagen fand Tn£eı zarte, durch gleich weite Zwischenräume von einander getrennte Muskelbänder, welche die ' anderen unter einem Winkel von 45° kreuzten. — Ich selbst habe, um das hier gleich zu erwähnen, bei dem verwandten Phascolosoma laeve Kef., welches ich darauf untersuchte, ebenfalls eine Diagonalmuskulatur sefunden, welche in allen Einzelheiten mit der des Sipunculus nudusL. übereinstimmt, und dürfte daher dasselbe auch wohl für das Phascolion strombi gelten. Sehr interessant sind die Resultate, zu denen Spenger bei seiner Untersuchung der Muskulatur des Echiurus Pallasii (30, p. 542 und 32, p. 468) gekommen. Danach soll sich der Hautmuskelschlauch des Rumpfes aus drei Schichten zusammensetzen, »einer äußeren Ring- faserschicht, einer darauf folgenden Längsfaserschicht und einer der Leibeshöhle zugewandten Schicht von schräg verlaufenden Fasern, ‚ welche in einiger Entfernung von der ventralen Mittellinie beginnend ‚ diese überschreiten, nach hinten geneigt an den Seiten des Rumpfes zum Rücken emporziehen, um auch hier über die Mittellinie hinüberzu- greifen, so dass an den Seiten des Rumpfes drei, in der Umgebung der Medianlinien dagegen vier Schichten über einander gelagert erscheinen «. Es zeigen hier die Verhältnisse der Diagonalmuskulatur also eine ganz frappante Übereinstimmung mit denen beim Sipunculus, weichen aber ‚ doch wieder wesentlich darin von ihnen ab, dass die »schrägen Fasern « die innerste, nicht die mittlere Schicht bilden und vom Bauche nach dem Rücken und nach hinten verlaufen, eine Abweichung, die sehr merk- würdig ist. GREEFF endlich beschreibt (31, p. 42, 45, 46) die innerste Muskel- lage des Echiurus als eine cirkuläre Ringfaserschicht, gerade wie die äußerste Lage. Die Elemente der Muskulatur dieses Thieres bestehen nach ihm »aus lang ausgezogenen spindelförmigen Fasern, die sich bei genauerer Untersuchung als von einer gemeinschaftlichen Hülle um- gebene Bündel von feinen Primitivfibrillen erweisen«. Die Primitiv- fibrillen sollen innerhalb ihrer gemeinschaftlichen glashellen Scheide »um eine innere körnige Längsachse gestellt« sein. Auch die radiäre Streifung auf Querschnitten durch die Muskelbündel hat GrErrF beob- achtet und zu erklären versucht. Ehe ich die Betrachtung der Muskulatur, und damit die der Körper- 238 | Julius Andreae, hülle überhaupt, verlasse, muss ich noch auf einige Bildungen zurück- kommen, welche als besonders differenzirte Theile des Hautmuskel- schlauches unser Interesse beanspruchen, ich meine die Tentakel, die Rüsselpapillen und die Integumentalfelder des eigentlichen Körperab- schnittes. : | Die Tentakel, deren Wandung als die direkte Fortsetzung der des Rüssels zu betrachten ist, umgeben in Form einer rundlichen, blatt- förmig zerschnittenen Membran die an der Rüsselspitze gelegene Mund- öffnung. Im Inneren zeigt diese Tentakelmembran einen flachen Hohl- raum (Fig. 15 /), der mit dem den Pharynx umgebenden Gefäßringe in Verbindung steht. : Dadurch wird das ganze Organ in zwei ungefähr parallele Blätter getheilt, welche an ihrem vorderen Ende in einander übergehen. Der dazwischen liegende Hohlraum wird von zahlreichen, zu den Blattflächen senkrechten Trabekeln durchzogen, welche die beiden Blätter so mit einander verbinden, dass sie niemals weit aus einander weichen können. Die äußere Fläche der Tentakel ist stark ‘ höckerig und wellig gekrümmt, namentlich zeigt die dem Munde zuge- kehrte Fläche (Fig. 15 O) größere, wulstartige Hervorragungen, wodurch das ganze Organ eine sehr bedeutende Oberfläche erlangt. Die Guticula (c) ist hier äußerst dünn und nur bei starker Ver- größerung zu erkennen. Unter ihr liegt die aus hohen cylindrischen Zellen gebildete Hypodermis (h) mit ihren länglichen, dem Zellgrunde genäherten Kernen. Äußerlich findet sich auf der Cuticula ein kurzes, aber sehr dichtes Wimperkleid, welches an den von mir untersuchten Spiritusexemplaren ganz gut erhalten war. Die den größten Theil der Tentakelmasse bildende Gutis (C) ist sehr locker und zeichnet sich da- durch aus, dass die zelligen Bindegewebselemente, namentlich die großen hellen Zellen, ganz besonders in ihr vertreten sind. Weit zahl- reicher wie in den übrigen Körperregionen finden sich dieselben hier durch die ganze Cutis verbreitet, vorzugsweise aber unmittelbar unter der Hypodermis. Die Hervorragungen der Tentakelblätter werden im Inneren sogar fast ganz ausschließlich von diesen Zellen gebildet und nur am Grunde derselben treten wieder mehr faserige Elemente auf (Fig. 15,16). Dem entsprechend sind die Bindegewebszellen namentlich in dem oralen Blatte der Tentakel (Fig. 15 O) angehäuft. Teuscuer, der diese Zellen hier auch beobachtet hat (25, p. 488), beschreibt dieselben als »große, hyaline (Knorpel-?) Zellen«. Die Muskulatur (m) der Tentakel ist nur sehr gering entwickelt. Sie besteht vorzugsweise in zwei aus unregel- mäßig verlaufenden Fasern zusammengesetzten Lagen, welche den Ten- takelhohlraum in sich einschließen und an ihrem hinteren Ende direkt in die Muskulatur des Rüssels und des Oesophagus übergehen. Die dem u Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 339 Munde zugekehrte Lage ist noch ziemlich deutlich, die an der anderen, ‚ äußeren Seite des Hohlraumes gelegene aber kaum noch zu erkennen. Durch die ebenfalls muskulösen Trabekel (ft) sind die beiden Lagen mit einander verbunden. Besondere Schichten lässt die Muskulatur hier nicht mehr unterscheiden, zeigt sich aber stark mit Bindegewebe, sowohl ‚ faserigen wie zelligen Elementen, durchsetzt. Dadurch und durch den unregelmäßigen Verlauf der äußerst feinen Muskelfasern ist es kaum möglich, eine scharfe Grenze zwischen Muskulatur und Cutis zu ziehen. Obschon ich bei der Präparation des Nervensystems ganz deutlich ‘ feine Nervenäste gefunden habe, welche jederseits von der ventralen Fläche des Oberschlundganglions aus zur Tentakelmembran verlaufen (Fig. 24 nt), ist es mir doch trotz der sorgfältigsten Untersuchung nicht - gelungen, auf Querschnitten durch die Tentakelhaut Nerven oder Nerven- endorgane, wie sich solche im ganzen übrigen Körper ja finden, zu ent- “ decken. Dennoch glaube ich keinen Augenblick daran zweifeln zu ‘ dürfen, dass dieselben auch hier vorkommen und vielleicht nur sehr : schwer zu erkennen sind. Drüsen und Pigment fehlen dagegen der Tentakelmembran vollständig. Die Ausbreitung und Bewegung der Tentakel, wie man sie am lebenden Thiere beobachtet, werden neben einer Wirkung der schwachen Muskulatur wohl wesentlich durch die Kontraktion der beiden mit dem ' Tentakelhohlraum kommunicirenden Gefäßstämme hervorgerufen, welche ‚ der dorsalen und ventralen Wandung des Oesophagus dicht anliegen. ee Ze Zwar habe ich bei meinen Spiritusexemplaren in der Höhlung der Tentakel keinerlei Inhaltsmasse gefunden, ebenso sind mir Injektionen wegen der die beiden Schläuche vollständig verstopfenden Massen ge- ronnenen Blutes nicht gelungen, doch glaube ich mich durch makro- ‘ skopische Präparation von einem Zusammenhange des Tentakelhohl- raumes mit dem durch die vorderen Enden der beiden Gefäßschläuche gebildeten Gefäßringe hinlänglich überzeugt zu haben. Auch von allen früheren Forschern wird eine solche Kommunikation angenommen, welche nachzuweisen einigen sogar durch Injektion gelungen sein soll. GrugE hält (4, p. 252,253) die Tentakelmembran für ein Athmungs- organ, da er die von ihm bereits gesehenen, vom Schlundganglion zu derselben hinziehenden feinen Nervenfäden als » Blutgefäße« betrachtet, im Zusammenhange mit seiner irrigen Auffassung des Bauchnerven- stranges als » Hautgefäß«. Mit der richtigen Erkenntnis des letzteren mussten natürlich auch die » Blutgefäße « fallen gelassen werden. Da- gegen beschreibt Gruse ganz richtig den Zusammenhang des Tentakel- hohlraumes mit den beiden kontraktilen Gefäßschläuchen (»Porr’schen Blasen «). 240 Julius Andreae, Kererstein und Enters vermuthen (10, p. 46, feine Kommunikations- wege zwischen dem Tentakelhohlraum und der Leibeshöhle. Später (15, p. 47) fand jedoch Krrersreın beim Phascolosoma den richtigen Zu- sammenhang des ersteren mit dem Ringgefäße, welches den Oesophagus umgiebt und bei diesem Thiere nur einen einzigen Sehlauchanhang be- sitzt. Durch diesen Befund wird Krrerstein veranlasst (p. 48), auch für den Sipunculus eine entsprechende Verbindung anzunehmen und be- schreibt er dann in seiner größeren Arbeit (17, p. 412, 443) ganz all- gemein für sämmtliche Sipunculiden ein solches mit dem Tentakelhohl- raum kommunicirendes »Respirationsgefäßsystem «, bestehend aus einem Ringgefäß mit einem oder mehreren langen Schläuchen. Auch Jourvaın (20, p. 872) hält in Übereinstimmung mit WirLıans und Qvarrerases die Tentakel für Respirationsorgane (»le siege principal de l’h&matose «). A. Branor (23, p. 22, 23) beschreibt die Tentakelmembran als hufeisenförmig (wobei die Konkavität dem Rücken zugekehrt sein soll) und aus mehreren Lappen zusammengesetzt. Leider konnte ich mich über diese Verhältnisse nicht hinreichend orientiren, da meine Spiritus- exemplare alle zu stark kontrahirt waren. In Betreff ihrer Funktion hält er die Tentakel für » Tast- und Greiforgane«, da ihm für respiratorische Leistungen die Tentakelhaut zu dick erscheint, welcher Ansicht ich mich vollkommen anschließe. — Tuter hält dagegen (26, p. 16) die Tentakel seines Phascolion wieder gleichzeitig für Respirationsorgane. Was die Rüsselpapillen (Fig. 14) anbelangt, so habe ich dar- über hier eigentlich nur Weniges nachzuholen, da das Meiste schon aus meinen vorhergehenden Angaben bekannt geworden. Es sind diese Papillen Wucherungen der Rüsselceutis, gleichmäßig überzogen von Hypodermis und Guticula. Ihre Form war bei meinen Spiritusexempla- ren eine flache, rundlich-dreieckige, mit nach hinten gerichteter Spitze, bei lebenden Thieren soll sie mehr konisch sein. Die Oberfläche der- selben ist mit Drüsen ziemlich dicht besetzt, der ganze übrige Innenraum aber an den hinteren Rüsselpapillen fast allein mit eng an einander ge- lagerten Pigmentballen ausgefüllt, welche weiter nach vorn zu allmählich verschwinden und dem fibrillären Bindegewebe Platz machen. Im ganzen Verlaufe des Rüssels ist die Gutis gleichmäßig ohne Zwischen- räume mit den darunter liegenden Muskelschichten, die an der Bildung der Papillen keinen Antheil nehmen, verwachsen. Ich komme jetzt zu den die äußere Haut des eigentlichen Körpers charakterisirenden »Integumentalfeldern«. Auf den ersten Blick scheint es, als ob die von ihnen gebildeten regelmäßigen, erhabenen Quer- und Längsreihen der Ausdruck der unter ihnen verlaufenden Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 341 Ring- und Längsmuskeln seien. Bei näherer Betrachtung erkennt man jedoch unschwer, dass dies nicht der Fall, dass vielmehr die Querreihen allerdings den Ringmuskeln, die Längsreihen aber gerade den Zwischen- räumen zweier benachbarter Längsmuskelzüge entsprechen. Die »Inte- gumentalfelder« entstehen nämlich dadurch, dass die Haut oberhalb eines jeden Längsmuskels der Ringmuskulatur dicht angewachsen, da- ‘ zwischen aber vollkommen frei und emporgewölbt und nur wieder in ‘ den Zwischenräumen der Ringmuskeln stark nach innen eingesenkt ist, ohne jedoch mit der Muskulatur zu verwachsen. Die Folge davon ist, dass zwischen der Haut und der äußeren Muskelschicht kleine länglich- rechteckige, oben gewölbte Hohlräume (Fig. I I) entstehen, welche ich »Integumentalhöhlen« nennen will. An ihrem vorderen und hinteren ' Rande, zwischen den Ring- und Längsmuskeln hindurch, stehen diese " Integumentalhöhlen mit der Leibeshöhle und demnach auch unter sich sowohl in der Längs- wie in der Querrichtung in Verbindung. Bei starker ' Kontraktion wird jedoch diese Kommunikation aufgehoben, da sich als- dann die Ringmuskeln dicht an einander legen, während sich gleichzeitig “ die Haut in ihren Ringfurchen bis zu ihnen einsenkt, doch kann dabei " unter Umständen eine beschränkte Verbindung in der Längsrichtung be- “ stehen bleiben. Im Inneren werden die Hohlräume von einem ziemlich dickwandigen Peritoneum (Fig. 4 p) ausgekleidet, welches, ganz ähnlich der Grundsubstanz der Cutis, hauptsächlich aus einem unregelmäßigen, “ dichten Geflecht von feinen Bindegewebsfasern mit spärlicher, homogener Zwischensubstanz und deutlichen, hellen Kernen besteht; hin und wie- der zeigt dasselbe auch Pigmentballen. An der unteren, mehr flachen Seite der Integumentalhöhlen geht das Peritoneum, welches im Allge- meinen etwas resistenter wie die Cutis erscheint, kontinuirlich auf die äußere Wandung der einzelnen Muskelzüge über und kleidet den ganzen inneren Körperhohlraum aus. Oberhalb unserer Höhlen ist die Gutis beträchtlich verdünnt und fast vollkommen pigmentfrei. Auch in der Eichel finden sich die Integumentalhöhlen, erhalten hier aber mehr das Aussehen zusammenhängender Kanäle, da die unter- liegende Muskelschicht nahezu vollständig geschlossen ist und die Haut sich nicht mehr ringförmig nach innen einsenkt. Nach dem hinteren Körperende zu wird das Lumen der Kanäle immer enger, doch habe ich sie noch deutlich bis zu der Stelle verfolgen können, wo die Haut sich in die Leibeshöhle einstülpt. Im Rüssel dagegen war von solchen Hohlräumen nichts zu entdecken, vielmehr waren hier, wie bereits oben erwähnt, Haut und Muskulatur kontinuirlich mit einander verwachsen. — Stets finden sich, wie das bei der direkten Verbindung mit dem Körper- lumen nicht anders zu erwarten, in den Integumentalhöhlen alle Elemente 242 | 4% Julius Andreae, der Leibesflüssigkeit, Blutkörper, Spermatozoenhaufen und Eier in den verschiedensten Größen und Entwicklungsstadien. Ohne Zweifel ist diese eigenthümliche Art der Verwachsung von Haut- und Muskelschicht bei der Bewegung des Wurmes von großer Wichtigkeit. Durch dieselbe wird die Haut in den Stand gesetzt, mit großer Leichtigkeit den stärksten Muskelkontraktionen sowohl in der Längs- wie in der Querrichtung zu folgen, was wohl kaum in dem Grade möglich sein würde, wenn die Verwachsung der beiden Lagen eine voll- kommene wäre. Aber auch in anderer Beziehung noch scheinen mir die Integumentalhöhlen für unseren Sipunculus von großem Werthe. Da nämlich das ganze Körperlumen vollkommen von der Leibesflüssig- keit erfüllt ist, welche alle inneren Organe umspült, so müssten diese Organe bei den außerordentlich heftigen Kontraktionen, die das lebende Thier vollführt, in hohem Maße zusammengepresst und dadurch in ihren Funktionen gestört werden. Indem nun aber bei der Kontraktion der Muskulatur die Leibesflüssigkeit zum Theil zwischen die Muskellücken hindurch in die Hohlräume der ziemlich elastischen Haut gedrängt wird, vermindert sich der Druck auf die inneren Organe beträchtlich. Stets fand ich dem entsprechend bei starker Kontraktion des Körperschlauches die Integumentalhöhlen strotzend mit den Elementen der Leibesflüssig- keit erfüllt; im anderen Falle waren sie nahezu leer und zeigten ein weit geringeres Lumen. Die größte Bedeutung ist aber den Integumentalhöhlen wohl in physiologischer Beziehung beizumessen. Bisher wurden gewöhnlich die Tentakel als die Vermittler der Respiration betrachtet, doch haben wir ja bereits oben gesehen wie die Wandung derselben in Folge ihres beträchtlichen Durchmessers für diese Funktion wohl kaum geeignet sein dürfte; auch ist der innere Hohlraum dieser Organe im Verhältnis zu den großen Quantitäten der Leibesflüssigkeit entschieden zu unbedeu- tend. Außerdem aber scheint der Zutritt des Meerwassers zu den Ten- takeln für gewöhnlich nur ein beschränkter zu sein, denn PrTers giebt (7, p. 384) an, dass unser Thier, mit dem Hinterende in den Sand ein- gebohrt, » meistens den sogenannten Rüssel eingezogen« habe. Da nun aber im Körper des Sipunculus besondere Athmungsorgane nicht anzu- treffen sind, so glaube ich mit Recht der ganzen Körperhaut an den Stellen, wo sie mit dem Blute in unmittelbare Berührung kommt, eine respiratorische Thätigkeit zusprechen zu müssen. Eine solche Berührung findet jedoch allein und in sehr ausgedehntem Maßstabe in den Inte- gumentalhöhlen statt, welche schon durch ihre Verbreitung über den bei Weitem größten Theil des Körpers zur Vermittlung der Respiration ganz besonders geeignet erscheinen; auch ist die Haut oberhalb der Hohlräume Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 243 genügend dünn — weit dünner wie in den Tentakeln —, um einen Gas- ‚austausch zwischen der Leibesfllüssigkeit und dem Meerwasser an diesen ‚Stellen leicht zu ermöglichen. Eine Art von Cirkulation der Leibesflüssig- ‚keit in diesen Höhlen wird schon bei jeder Aktion des Muskelschlauches "hervorgerufen, vielleicht aber auch noch unterstützt durch ein aus- kleidendes Wimperepithel, wie solches durch die Untersuchungen | KEFERSTEIN’S und Enrzers’ an lebenden Thieren wahrscheinlich gemacht ist (10, p. 50, 51). | Vor Kurzem hat KrukEngere unter Anderem einige interessante ‚Beobachtungen über die Athmung und die Leibesflüssigkeit des Sipun- ‚culus nudus mitgetheilt (34, p. 82—93). — Er fand in den gefärbten ‚Blutkörperchen dieses Thieres einen eigenthümlichen Farbstoff, von ihm »Haemerythrin« genannt, der in seiner physiologischen Bedeutung dem ‚Haemoglobin der höheren Thiere sehr nahe stehen soll. Derselbe färbte ‚sich bei der Berührung mit atmosphärischer Luft, namentlich aber mit ‚Sauerstoff intensiv roth, wurde dagegen beim Schütteln mit Kohlensäure | vollständig entfärbt (» Haemerythrogen «). KrukEnBERG hält dieses » Haeme- rythrin« für den »Sauerstofiträger des Sipunculusblutes «, » welcher be- fähigt ist, Sauerstoff chemisch locker zu binden, um ihn den vorzugs- weise lebensthätigen Zelien des Organismus weiterhin zur Verfügung zu ‘stellen «, doch hebt derselbe (p. 99) ausdrücklich hervor, dass das Blut ‚des Sipunculus » voraussichtlich noch andere Stoffe — an die Blutkörper- ‚chen gebunden oder im Serum gelöst — enthalten wird, welche eine ‚ähnliche und vielleicht eine für den Gaswechsel bedeutungsvollere Ver- ‚ wandtschaft als das Haemerythrin zum Sauerstoff besitzen, uns dieselbe ‚aber durch Farbenwechsel nichi verrathen «. | Ebenso wie Krrerstein, halten alle älteren Untersucher des Sipun- ‚eulus nudus die Felderung der Haui für den » Ausdruck der in Stränge ‚gesonderten Längs- und Ringmuskelschicht« (147, p. 419). Indessen be- schreiben bereits Krrersteın und Enzers (10, p. 50, 51) als Bildungs- | stätten der Eier Hohlräume im Inneren (?) der Cutis, welche die Form von »etwa 0,25 mm großen, an ihrer Außenfläche stark wimpernden Schiäuchen« besitzen, »in denen man meistens eine Menge zelliger Ab- 'iheilungen und ein oder zwei schon ziemlich reife Eier von 0,1 mm Größe beobachiet«. Außerdem erfahren wir von diesen Schläuchen noch, dass sie durch die Lücken der Muskulatur in die Leibeshöhle mün- den, Die genauere Form, Lage und Anordnung ist aber von diesen bei- den Forschern nicht richtig erkannt worden, was sowohl aus der oben eitirten späteren Angabe Kererstei’s über die Entstehung der Inte- gumentalfelder, als auch aus den dem ersten Werke beigegebenen Ab- bildungen (10, Taf. VIII, Fig. 1, 2) deutlich hervorgeht. Die »zelligen 244 Julius Andreae, Abtheilungen« der »Schläuche« sind nichts Anderes wie vielzellige Haut- drüsen, was man schon aus ihrer regelmäßigen Anordnung an den Seiten der »Schläuche« (Integumentalhöhlen) schließen kann (10, Taf. VII, Fig. 2). Von Wimpern an der Innen- oder » Außen-« (?) Fläche der Inte- gumentalhöhlen habe ich nichts bemerken können,. doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieselben beim lebenden Thiere wirklich vor- kommen. Später, nachdem Krrerstein seine Ansichten über die Sexual- verhältnisse und über die Entstebung der Geschlechtsprodukte des Sipunculus geändert, erwähnt er der »Schläuche« in der Cutis nicht mehr, sondern beschreibt (17, p. 407) die Haut als der Körpermuskulatur überall »eng anliegend«. Der Erste, der dann wieder die Integumentalhöhlen erwähnt und abbildet, ist Gräser (2%, p. 41 und Taf. III, Fig. 12 S). Die Zeichnung, die er von einer solchen Höhle giebt, ist verhältnismäßig ziemlich richtig, sehr merkwürdig aber die Beschreibung derselben als eines »in der Mitte der Integumentalfelder gelegenen großen ellipsoidischen Körpers (S)«, der »von einer dickwandigen Kapsel« umgeben und im Inneren von »gelblichen Körnchen« ausgefüllt sein soll. Wir haben bereits oben gesehen, dass der »große ellipsoidische Körper «, wie auch aus der Zeich- nung desselben mit Sicherheit hervorgeht, die Integumentalhöhle, die »dickwandige Kapsel« das dieselbe auskleidende Peritoneum und die »gelblichen Körnchen« dicht gedrängte Blutkörper sind. Jedenfalls hat GRABER nur wenige Querschnitte studirt, sonst dürfte ihm die wahre Natur seines »großen ellipsoidischen Körpers « wohl kaum entgangen sein. So ist ihm aber der merkwürdige Irrthum passirt, diese Gebilde mög- licherweise für die Drüsen Kererstein’s und Enuters’ zu halten, — diese letzteren Forscher schilderten bekanntlich hinwiederum unzweitelhafte Drüsen als Theile der Integumentalhöhlen (»hohlen Schläuche in der Cutise). Welche Konsequenzen sich nun an die falsche Auffassung GrABER’S knüpfen, habe ich ebenfalls bereits oben eingehender erörtert. Die allein richtige Beschreibung der Integumentalhöhlen findet sich bei Truscher (25, p. 496, 497) in seiner sorgfältigen und gründlichen Untersuchung über einige Organisationsverhältnisse beim Sipunculus | und Phascolosoma. Er schildert ganz richtig die Art des Zusammen- hanges von Cutis und Ringmuskulatur und die dadurch erzeugten Hohl- | räume, welche er »Längskanäle« nennt und über deren Dimensionen er | genauere, zutreffende Angaben macht. Doch weichen allerdings in einigen | Punkten unsere beiderseitigen Beobachtungen ziemlich von einander ab. Zunächst sollen seine »Längskanäle« nur dem Körper im engeren Sinne eigen sein, während ich, wie bereits erwähnt, dieselben bis an das Hinterende der Eichel deutlich verfolgen konnte. Dann scheint Teuscher | m —n en mm - nn Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 245 die »Längskanäle«, die er auch »Röhren« nennt, als Hohlräume zu be- trachten, welche nach der Leibeshöhle zu vollständig geschlossen sind; wenigstens scheint mir das aus der Bezeichnung derselben als »Kanäle« oder »Röhren« hervorzugehen. Leider ist aber seine sonst mustergültige Darstellung gerade in Betreff dieses Punktes etwas unklar. So führt er z. B. an, dass die Wand der Kanäle » ringsum « von einem » platten Epi- thelium« ausgekleidet werde und dass die Längskanäle in der Quer- richtung (direkte) Verbindungen besäßen, welche durch die fassreifen- artige Form der Ringmuskelbänder entständen. Er stützt diese letztere Behauptung darauf, dass bei der Injektion eines einzigen »Längskanales« sich das »Röhrensystem um den ganzen Wurm« mit Farbstoff fülle. Auch ich habe solche Injektionen versucht und dass dieselben in der That für größere Strecken gelungen, wird nach meiner obigen Beschrei- bung der »Integumentalhöhlen«, welche unterhalb der Ringfurchen der Haut mittels der Muskellücken sowohl in der Längs- wie in der Quer- richtung kommunieiren, kaum überraschen. Es bedarf ja nur eines gewissen Kontraktionsgrades der Längsmuskulatur um, im Vereine mit einer Verstopfung der Muskellücken durch geronnene Leibesflüssigkeit — was sich bei Spiritusexemplaren fast regelmäßig findet —, eine Art von künstlichem Röhrensystem in der Haut zu erzeugen. Wurde diese ge- ronnene Leibesflüssigkeit jedoch vorher sorgfältig entfernt, so gelang eine Injektion höchstens über einige benachbarte Felder hinaus, während der größte Theil der Injektionsflüssigkeit in die Leibeshöhle drang. End- lich überzeugt man sich auch auf Längsschnitten (d. h. Schnitten in der Richtung der Längsachse desKörpers) durch den Hautmuskelschlauch leicht von der direkten Kommunikation der Hohlräume mit dem Körperlumen. ‚ Höchstens in der Eichel könnte man die Höhlen als Kanäle bezeichnen, im ganzen eigentlichen Körpertheile aber — und Teuscaer spricht nur von einem solchen — sind selbst bei einiger Kontraktion des Thieres die Muskellücken noch weit genug um vollkommen ausgebildeten Eiern den Durchtritt zu gestatten. Die »Längskanäle« oder Integumentalhöhlen nun werden von Teuscher als Bildungsstätten der Geschlechtsprodukte beansprucht, wo- durch er theilweise zu der alten Ansicht von Kererstein und Enters zurückkehrt. Er stützt diese seine Behauptung auf zwei Punkte, einmal auf das Vorkommen von Geschlechtsprodukten aller Entwicklungsstadien in den Hohlräumen und zweitens auf die Struktur der Kanalwandung, welche er als Matrix der Eier sowohl wie der Spermatozoen betrachtet. Nach ihm soll diese Wandung aus einem platten Epithelium bestehen, zusammengesetzt aus abgerundeten, polygonalen, zum Theil stark ge- körnten Zellen, deren Kerne Tzuscner selten sah. Was den ersten Punkt Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 17 246 Julius Andreae, anbelangt, so finden sich regelmäßig in den Integumentalhöhlen nieht. nur Geschlechtsprodukte, sondern auch alle anderen Elemente der Leibesflüssigkeit, von denen aber TeuscHer nichts erwähnt, und zwar stets in dem gleichen Mengenverhältnisse wie in der Körperhöhle. In Betreff des zweiten Punktes muss ich dagegen erklären, dass ich von einem seiner Beschreibung ähnlichen Epithelium nichts habe entdecken können. Die Auskleidung des Hohlraumes bestand vielmehr aus dem- selben mit Kernen versehenen fasrigen Bindegewebe, welches als Peri- toneum die innere Wandung der Leibeshöhle überzieht. Schon nach diesen Einwendungen möchte die Behauptung Teuscher’s, dass sich die Geschlechtsprodukte an der Innenfläche der Integumental- höhlen bilden, unbegründet erscheinen. Außerdem aber haben wir neuerdings durch SpeneeL (29) die wirklichen Keimstätten der Ge- schlechtsprodukte des Sipunculus kennen gelernt. Dieselben sollen in Gestalt einer quer verlaufenden, aus sehr kleinen Zellen zusammen- gesetzten Krause an den Wurzeln der ventralen Rüsselretraktoren liegen. Ganz dasselbe war bereits vorher von Tuter beim Phascolion strombi (26, p. 23—25) konstatirt worden. 4) Nervensystem. Das centrale Nervensystem (Fig. 24) des Sipunculus nudus ist, wie das der Sipunculaceen überhaupt, nach dem von den Anneliden bekann- ten Typus gebaut, besteht also aus einem oberhalb des Schlundes, dicht hinter der Mundöffnung gelegenen Oberschlundganglion (g) und einem mit diesem zusammenhängenden Bauchstrange (s). Ein wesentlicher Unterschied der beiden Abtheilungen kennzeichnet sich jedoch darin, dass der Bauchstrang der Anneliden doppelt, der der Sipunculiden (und der Gephyreen überhaupt) aber nur einfach ist. Der Bauchstrang des Sipunculus verläuft als weißer, runder Faden (Fig. 17, 24 5) in der ventralen Mittellinie, parallel der Längs- achse des Thieres, durch die ganze Leibeshöhle. Der Muskulatur ist der- selbe ziemlich dicht angelagert und mit ihr durch seine Seitenzweige (Fig. 17 nr) verbunden, sonst aber vollkommen frei. In seiner ganzen Länge besitzt er ungefähr denselben Durchmesser und lässt keinerlei Anschwellungen erkennen, ausgenommen an seinem hintersten Ende in der Eichel. Hier (Fig. 26) verdickt er sich, ungefähr 1 mm vor der Leibesspitze, sehr stark, wobei er einen 2—3mal so großen Umfang er- reicht und theilt sich dann in unmittelbarer Nähe der Hauteinstülpung plötzlich in zwei feine Äste (Fig. 26 n’), welche sich in dem sphinkter- förmigen Muskelringe unter starker Verzweigung verlieren. Im übrigen Theile der Eichel sowohl wie auch im ganzen Körperabschnitt entsendet Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 947 der Bauchstrang etwa in der Mitte eines jeden Ringmuskels zwei ziem- lich starke Seitenäste (Fig. 17 nr), welche, beiderseits auf gleicher Höhe aus dem Bauchstrange ihren Ursprung nehmend, unter zum Theil auch durch die beiden den Bauchstrang begleitenden Längsmuskelstränge hin- durch in die Muskelschicht eintreten. Hier verlaufen sie, zwischen Diagonal- und Ringmuskeln liegend, auf der Mitte der letzteren zum Rücken, wo sie sich mit einander vereinigen und so einen vollständig : geschlossenen Ring bilden. Von der Existenz dieser Ringe kann man sich leicht überzeugen, wenn man aus dem unverletzten Körperschlauche ein ringförmiges Stück senkrecht zur Längsachse des Thieres heraus- schneidet und in der früher angegebenen Weise.mit verdünnter Salpeter- säure macerirt. Es gelingt alsdann leicht, nach Wegnahme der Längs- muskeln die geschlossenen Nervenringe im Zusammenhange mit dem Bauchmarke zu isoliren. Man beobachtet dabei, wie diese Nervenringe, welche in ihrem ganzen Verlaufe fast gleich stark bleiben, ziemlich zahl- reiche sekundäre Zweige (Fig. 17, 26) abgeben, die sich unter starker Verästelung in der Muskulatur und Haut verlieren. Im vordersten Theile des eigentlichen Körpers, zwischen den Mün- dungen der Segmentalorgane und der Rüsselgrenze, hebt sich der Bauch- ' strang allmählich immer mehr von der Körperwandung ab, indem die ‚ zwischen ihm und den begleitenden Längsmuskeln liegenden Stücke der ‘ Nervenringe immer länger werden. Besonders aber gilt dies von den 6—-8 Nervenpaaren, welche im Rüssel aus dem Bauchstrange entspringen, so dass der letztere dadurch ziemlich frei in der Leibeshöhle schwebt. Dagegen ist er auf der ganzen Strecke vom Beginne der Abhebung bis zu ‚ seiner Theilung in die beiden Schlundkommissuren jederseits von einem ‚ platten Muskelbande begleitet und mit demselben (Fig. 24 m) durch feine Bindegewebsfasern verbunden. Diese beiden » Begleiter des Nerven- stranges« entspringen jeder mit drei Wurzeln von je einem der beiden Längsmuskelstränge, zwischen denen der Bauchstrang im eigentlichen Körper verläuft, und inseriren sich vorn an die Rüsselretraktoren. Eine solche Einrichtung, welche den Bauchstrang im Rüssel frei schwebend erhält und ihm eine ziemliche Beweglichkeit gestattet, ist für das Thier ‚ von großem Vortheile, da dadurch Spannungen und Zerrungen des | | a Nervenstranges beim Ein- und Ausstülpen des Rüssels vollständig ver- mieden werden. Fast immer zeigt der Nervenstrang, so weit im Rüssel Seitennerven abgehen, selbst bei aufgehobener Kontraktion eine starke | schlangenförmige Krümmung, welche bei oberflächlicher Betrachtung ungefähr den Eindruck von Nervenknoten hervorruft (Fig. 35). Von , hinten nach vorn nehmen die Seitennerven des Rüssels allmählich an Dicke zu und man beobachtet deutlich, wie dies nur die Folge ihrer 17* 248 Julius Andreae, Zusammensetzung aus mehreren primären Nervenästen ist. Schon ehe sie sich in der Muskulatur verlieren, zerfallen sie in einzelne gleich starke, den Ringnerven des Körpers entsprechende Zweige, und zwar zeigt das (von vorn gerechnet) zweite Nervenpaar (Fig. 24, 25 P) meist jederseits drei, die darauf folgenden (y„—£) zwei und die letzten Nervenpaare (n, 9) endlich nur einen solchen Ast. Die vordersten auf gleicher Höhe vom Bauchmarke entspringenden Nervenzweige aber treten nicht mehr paarig auf, sondern zeigen das Ansehen eines flachen Bandes («), welches aus der Unterseite des Nervenstranges entspringt und sich dicht an der Körperwandung in zwei schmalere Bänder theilt, welche dann jederseits mit etwa vier Hauptästen an die Muskulatur herantreten. Dem ent- sprechend zeigt dieses Nervenband bei genauerer Untersuchung eine Zusammensetzung aus meist acht gleich starken, parallel neben einander liegenden Nervenästen, welche durch eine bindegewebige Membran zu- sammengehalten werden. Beim Eintritt in die Muskulatur, oft auch schon etwas vorher, verästeln sich alle primären Seitennerven des Rüssels sehr stark und verlieren sich bald als feinste Fäden im Hautmuskel- schlauche, bilden also keine geschlossenen Nervenringe wie im eigent- lichen Körper. In einiger Entfernung hinter den Tentakeln spaltet sich der Bauch- strang, der hier etwas verdickt ist, in zwei dünne Äste, die beiden Schlundkommissuren (Fig. 24 sc), welche, den Ösophagus in ' weitem Bogen nach vorn und oben umgreifend, an das hinter den Ten- takeln auf dem Pharynx liegende Oberschlundganglion (g) herantreten. Dicht an ihrem Ursprunge aus dem Bauchstrange sowohl wie auch un- gefähr in der Mitte ihres Verlaufes entsendet jede Schlundkommissur je einen Seitenzweig. Diese vier Seitenzweige treten in die vier Rüssel- retrakioren ein, und zwar das vorderste Paar in die dorsalen, das hin- terste in die ventralen Rückzieher (Fig. 24 nrd und nrv). Hier verlaufen sie durch die ganze Länge derselben nach hinten, zahlreiche feine Äste an die Muskeln abgebend, und spalten sich dann an den Wurzeln der Retraktoren in mehrere Zweige, welche bald sehr dünn werden und in den Längsmuskeln verschwinden. | Das Oberschlundganglion (Fig. 24 g), an dessen hintere Fläche jederseits eine Schlundkommissur (sc) herantritt, liegt in geringer Ent-. fernung hinter den Tentakeln dicht auf dem Pharynx. Es besitzt eine biskuitförmige Gestalt und lässt eine Zusammensetzung aus zwei Sym- metrischen kugelförmigen Hälften deutlich erkennen. Seine dorsale Fläche ist mehr eben, seine ventrale aber stark konvex mit einer mittle- ren tiefen Querfurche. An seinem vorderen Rande besitzt das Ganglion eine kugelsegmentartige Hervorwölbung, auf welcher eigenthümliche, | U ln eb & U esse EEE PB 22 07 m EEE SEE EEE Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 349 bald einfach fingerförmige, bald mehr verästelte Anhänge (a) sitzen, welche hohl zu sein scheinen und an ihrem vorderen, freien Ende etwas blasig aufgetrieben sind. Jederseits, und zwar von der ventralen Fläche desselben, entspringen aus dem Ganglion 3—4 sehr feine Nervenfäden (nt), welche zu den Tentakeln verlaufen, in denselben aber von mir nicht weiter verfolgt werden konnten. — Pigmentflecke, wie sie beim Phascolosoma vorkommen, zeigt das Ganglion des Sipunculus nicht. Die Erkenntnis des feineren Baues des Nervensystems ist mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden, welche ich leider nicht immer in genügender Weise zu überwinden vermochte. Zunächst bemerkt man am Bauchstrange eine äußere Hülle (äußeres Neurilemma: Fig. 27 ne), welche sich auch auf die Nervenringe und zum Theil auf die Seiten- zweige derselben fortsetzt. Dieses äußere Neurilemma besteht aus einer längsfaserigen bindegewebigen Membran, an welcher man von Muskeln, Zellen oder Zellkernen nichts bemerken kann. Auch Cilien, wie sie von KEFERSTEIN und Enrers (10, p. 47) auf dem Neurilemma lebender Thiere beschrieben werden, habe ich bei meinen Weingeistexemplaren nicht gefunden. Im Inneren dieser gleichmäßigen Hülle, durch einen ziemlich beträchtlichen Zwischenraum von ihr getrennt, liegen die eigentlichen Nervenelemente in Gestalt eines drehrunden Fadens, ebenfalls wieder von einer besonderen Scheide (inneres Neurilemma: Fig. 27 nı) um- geben. Dieses innere Neurilemma besitzt dieselbe Struktur und die gleiche Dicke wie das äußere, mit dem es hin und wieder durch feine Bindegewebsfäden in Verbindung zu stehen scheint, lässt aber stets eine große Menge heller, spindelförmiger Kerne erkennen, welche namentlich an den Ringnerven deutlich hervortreten. Der Zwischenraum zwischen den beiden Nervenhüllen wird von einer feinkörnigen Masse (i) ausgefüllt, in welcher man deutlich kleine Kerne erkennt, von Zellen aber nichts wahrnimmt. Dieselbe machte mir ganz den Eindruck einer geronnenen, vordem dickflüssigen Masse und zeigte sich stark mit Pigmentballen durchsetzt. Wahrscheinlich erfüllt sie beim lebenden Thiere den ganzen Innenraum; bei meinen Spiritusexemplaren aber fand sie sich nur um das innere Neurilemma angehäuft, während die äußere Hülle sowohl an dem Bauchmarke wie auch an den Seitennerven desselben lose davon abstand. In Folge dessen lässt sich das äußere Neurilemma auch mit Leichtigkeit von dem ganzen übrigen Theile des Bauchmarkes abstreifen, wobei dann die körnige Zwischenmasse dem inneren Cylinder anhaften bleibt. Am Ursprunge der Schlundkommissuren, an der hinteren kolbigen Anschwellung des Bauchstranges (Fig. 28) und ebenso an den Seiten- nerven zweiter Ordnung verschwindet der Hohlraum allmählich und die 250 Julius Andreae, beiden Nervenhüllen verwachsen schließlich vollständig mit einander. — Entgegen der Ansicht früherer Beobachter kann ich in dem Hohlraum kein Blutgefäß erkennen, sondern schließe mich der Meinung von Krrer- STEIN, Enzers und Leypiec (vgl. p. 252) an, dass wir es hier mit einem integrirenden Theile des Nervenstranges selbst zu thun haben. Jeden- falls ist die ausfüllende Substanz keine Blutflüssigkeit wie sie in den beiden kontraktilen Gefäßschläuchen und neben anderen Elementen in der Leibeshöhle sich vorfindet, denn in diesen waren die farbigen run- den Blutzellen auch bei den Spiritusexemplaren stets deutlich zu er- kennen, hier aber immer nur eine feinkörnige, anscheinend durch den Weingeist veränderte Masse. Eine endgültige Entscheidung über das problematische »Nervengefäß « wird aber wohl nur durch eine nochmalige sorgfältige Untersuchung lebender Thiere herbeizuführen sein. Der vom inneren Neurilemma eingeschlossene Theil des Nerven- systems wird gebildet von einem Netzwerk bindegewebiger Fasern (Fig. 27 bf), welche auf Querschnitten durch das Bauchmark namentlich einen radiären Verlauf erkennen lassen. Zwischen diesen Fasern, dicht an der ventralen Wandung des (inneren) Neurilemma (ni) findet sich eine strangförmige, auf dem Querschnitt rundliche Pigmentanhäufung (f), oberhalb welcher die Nervenzellen (nz) halbmondförmig gelagert sind. Diese Nervenzellen besitzen eine rundliche Gestalt und zeigen in der Mitte einen deutlichen, großen Kern. Stets sind sie in der ventralen Hälfte des inneren Nervenstranges, zwischen den Bindegewebsfasern gelegen. Die übrigen Maschenräume der letzteren zeigen sich auf dünnen Querschnitten mit feinen Körnchen (nf) angefüllt, die aber weiter nichts sind wie querdurchschnittene lange Nervenfasern, welche man an Flächenpräparaten des Bauchstranges nach Entfernung des Neurilemma, am besten aber an den Seitennerven erkennen kann. Einige Verschiedenheit zeigt der Bauchstrang bei seiner Anschwel- lung im hinteren Leibesende (Fig. 28). Inneres und äußeres Neurilemma sind hier mit einander verwachsen (nv) und der ganz bedeutend er- weiterte Innenraum wird im Umkreise der Peripherie von starken Binde- gewebsfasern (bf) netzartig erfüllt. In der Mitte aber zeigt sich eine sehr feine, ringförmige Faserschicht (rf), in welcher ventralwärts die Nervenzellen (nz) liegen, während der dorsale Theil von vorzugsweise transversal verlaufenden, parallelen Fasern (if) gebildet wird. Doch er- streckt sich das äußere bindegewebige Netzwerk (bf), welches auch hier einen im Allgemeinen radiären Verlauf besitzt, zum Theil noch in diese innerste gesonderte Schicht hinein und namentlich zwischen die Nerven- zellen. Diese letzteren sind Anfangs, beim Beginne der Anschwellung, in einem runden Strange angeordnet — das Pigment (Fig. 27 f) ist hier a e Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 251 nämlich von den Nervenzellen verdrängt —, nach und nach nimmt dieser Strang aber eine elliptische Form an und wird schließlich zu einem flachen Bande, welches sich in der Mitte allmählich mehr und mehr ein- schnürt (Fig. 28) und endlich in zwei gesonderte fadenförmige Hälften zerfällt. Letztere gehen dann bei der Theilüng des Bauchmarkes in je einen der beiden Nervenäste - (Fig. 26 n’) über. — Ein ganz analoges Verhalten wiederholt sich bei der Theilung des Nervenstranges in die beiden Schlundkommissuren. Die Ringnerven und ihre Nebenäste zeigen im Wesentlichen eine ähnliche Struktur wie das Bauchmark, doch fehlen ihnen die Ganglien- zellen, welche durch longitudinal verlaufende Nervenfasern ersetzt sind. An den peripherischen Nervenzweigen aber konnte ich immer nur eine dünne, strukturlose Hülle und einen feinkörnigen Inhalt erkennen. Das Oberschlundganglion besitzt eine ziemlich starke, bindege- webige Hülle und, ähnlich wie das Bauchmark, ein Netzwerk von Binde- gewebsfasern, in welches die eigentlichen Nervenelemente eingelagert sind. Die Ganglienzellen sind minder regelmäßig angeordnet wie im ' Bauchstrange und mehr durch das ganze Organ zerstreut, finden sich aber namentlich an der ventralen Wandung der beiden Kugeln, am -" vorderen Rande der Hervorragung und in der Spitze der fingerförmigen ' Fortsätze zu größeren Massen angehäuft. Außer den Bindegewebsfasern " finden sich hier noch andere Fasern, welche besonders in der Mitte des Ganglions zu ziemlich starken Strängen zusammengruppirt und wahr- - scheinlich nervöser Natur sind. — Obgleich schon Pırras und Cuvier den der Innenfläche der Körper- ‚ wandung des Sipunculus aufliegenden weißen Faden ganz richtig als Nervenstrang (»filum medullare« und »cordon nerveux«) aufgefasst hatten, wurde diese Ansicht dennoch von den späteren Forschern ver- lassen und dadurch die wahre Erkenntnis des Nervensystems für längere Zeit unmöglich gemacht. DeLLE Guse (3) beschreibt allerdings zwei gelbe Knötchen auf dem vordersten Theile des Schlundes, welche er für das Hirn ‚ halten möchte, und eine große Anzahl von ihnen ausstrahlender, feiner Fäden. Den Bauchstrang aber fasst er als ein Blutgefäß, » Aorta«, und ‚ dessen hintere Anschwellung als das Herz auf, an welchem er deutlich ‚ rhythmische Kontraktionen wahrgenommen haben will. Die im Rüssel ai fe" u ne von dieser vermeintlichen »Aorta« abgehenden Nerven hält er für Muskeln Pmuscoli pettinatic). | Noch weiter von dem wahren Sachverhalte entfernt sich GrusE (4, p. 244, 245, 248—250). Das Oberschlundganglion, dessen fingerför- migen Anhänge er in der That sehr richtig beschreibt, hält er für einen »Knorpel, ein Rudiment von den Kalkstücken in der Mundmasse der 252 Julius Andreae, Holothurien«. Den Bauchstrang und seine Seitenzweige betrachtet er ebenfalls als Blutgefäße. (Übrigens giebt er als der Einzige vom Schlund- ring mit seinen vier Ästen eine ziemlich richtige Zeichnung.) Dagegen iSt GRUBE geneigt, den Spindelmuskel für einen Nerven zu halten. Kroun (5) war der Erste, der das Nervensystem bei unserem Thiere richtig erkannte. Doch lässt er irrthümlicherweise den Bauchstrang sich aus »zwei durch eine seichte Furche von einander getrennten Seiten- hälften« zusammensetzen (p. 349). Den Raum zwischen innerem und äußerem Neurilemma hält er für ein unzweifelhaftes Blutgefäß und stützt diese Behauptung darauf, dass die Scheide (äußeres Neurilemma) bald in ihrer ganzen Ausdehnung, bald nur stellenweise durch einen in ihr enthaltenen Saft roth gefärbt war. Dass dieser Saft, den er übrigens nicht näher untersucht hat, Blut sei, scheint ihm unzweifelhaft. Eine wesentliche Vervollständigung dieser Beobachtungen lieferten dann Kererstein und Enters (10, p. 46—49). Während noch Kronn die Seitennerven sich einfach in der Muskulatur verästeln ließ, machten diese beiden Forscher zuerst auf die geschlossenen Nervenringe aufmerk- sam. Dagegen bilden sie, im Gegensatze zu GrusE, fälschlicherweise die Anhänge des Ganglions als nach hinten gerichtet ab und halten das von den vordersten Seitennerven des Rüssels gebildete breite Band für muskulös. Was den Hohlraum zwischen den beiden Nervenhüllen an- belangt, so betrachten sie denselben nicht als ein Blutgefäß, sondern als eine besondere, aus runden, durchsichtigen Zellen und feinen Körnchen gebildete Schicht des Bauchmarkes. Der innerste, centrale Theil des letzteren besteht nach ihnen aus einer Masse runder Zellen und Körn- chen, welche auf Querschnitten eine strahlig-faserige Zeichnung bietet. Später (17, p. 440, 411) lässt Kererstein den centralen Nerventheil aus einem feinkörnigen und längsfaserigen Inhalte mit eingelagerten »größeren zelligen Gebilden« und das Ganglion aus deutlichen Zellen sich zusammensetzen. Übrigens beschreibt und zeichnet er auch hier wieder die fingerförmigen Fortsätze des Hirnes als am hinteren Rande desselben sitzend. | Leypie (13, p. 97) tritt der Angabe Kronn’s, dass der Neryenstrang aus zwei besonderen Hälften bestehe, entgegen, indem er betont, dass »das Neurilem als ein einfaches, ungetheiltes Rohr« die Nervenelemente umschließe. Auch hält er in Übereinstimmung mit Krrersteın und Euters, den Raum zwischen den beiden Nervenscheiden nicht für ein Blutgefäß, sondern für eine besondere Schicht des Bauchstranges, be- stehend aus einer »körnig-zelligen Masse« (13, p. 105), wie sie sich nach Quarrerages ähnlich bei Cirrhatulus und Clymene finden soll. Das äußere Neurilem selbst beschreibt Leynıs als eine feste, homogene, Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. 253 ‚ streiige Bindegewebsmembran, welche nur am Schwanzganglion (?) große, klare Bindesubstanzzellen erkennen lasse (p. 117). Außerdem sollen im äußeren Neurilem sowohl des Bauchmarkes wie auch der Seitennerven Muskelfasern sich finden (p. 414), von denen ich aber trotz genauester Untersuchung nichts entdecken konnte. — Auch O. Scunipr ‚ (18, p. 6) nennt das Neurilemma beim Aspidosiphon Mülleri eine » mus- kulöse Scheide «. Ze EEE DR EEE An oe Teuscher (25, p. #91), der Spiritusexemplare des Sipunculus nudus ‚ untersuchte, hat den Raum zwischen den beiden Nervenhüllen sowohl ‘ am Bauchmarke wie auch an den Seitennerven injicirt und hält den- selben wieder für das Lumen eines Blutgefäßes. Ferner macht er darauf ‚, aufmerksam, dass die Anhänge des Oberschlundganglions am vorderen und nicht am hinteren Rande desselben sitzen. Beim Priapuius (11, p. 239, 240) sowohl wie beim Halicryptus (14, ; p- 410) soll nach Euters das Nervensystem, welches aber nur ganz un- ‘ vollkommen bekannt ist, aus einem zwischen Haut und Muskulatur liegenden Bauchstrange und einem Schlundringe ohne Ganglion bestehen. ‘ Sollte hier in der That ein solches Oberschlundganglion fehlen, so hätten wir in diesem Nervensystem einen Übergang zu dem der Echiuren. SPENGEL beschreibt (32, p. 484 ff.) beim Echiurus Pallasii, ganz ähnlich wie wir es beim Sipunculus kennen gelernt haben, einen auf ‚ der innersten Muskelschicht liegenden Bauchstrang mit geschlossenen ' Nervenringen, welche letzteren zwischen Ring- und Längsmuskeln ver- laufen. Zwei durch einen Zwischenraum getrennte Nervenhüllen finden ' sich hier nicht, dagegen zeigt das Bauchmark, welches sich aus zelligen und faserigen Elementen zusammensetzt, eine deutliche bilaterale Sym- meirie, hervorgerufen durch zwei getrennte, dorsal gelagerte Ganglien- haufen. Nach Grerrr (31, p. 82ff.) wird der Bauchstrang des Echiurus aus einem inneren Netz von Nervenfasern und zwei seitlichen peripherischen Schichten von Nervenzellen gebildet. Das Ganze ist von einer binde- gewebigen Scheide umgeben und liegt in einem besonderen Nerven- gefäß. Außerdem beschreibt Grerrr einen das Bauchmark in seiner ganzen Länge durchziehenden, dorsal gelegenen Hohlraum, »Central- kanal«. Ich habe von einem solchen, der auch von Spengeı als »Neural- kanal« angegeben wird, bei meinem Sipunculus nudus niemals etwas gefunden. Es sei mir endlich zum Schlusse noch gestattet einige Worte hinzu- |; zufügen über diesystematische Stellung der Sipunculiden, ' namentlich gegenüber den Echiuriden und Anneliden, so weit sich die- 254 Julius Andreae, selbe aus meinen obigen Untersuchungen erkennen lässt. Neuerdings hat Hartschek (33, p. 69—72) auf Grund eingehender Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte des Echiurus den Versuch gemacht, die »chaetiferen Gephyreen« oder »Echiuriden« von den »borstenlosen Gephyreen« oder »Sipunculiden« zu trennen und mit den CGhaetopoden zu vereinigen. So wenig sich nun auch verkennen lässt, dass die Echiuriden besonders in ihrer Entwicklungsgeschichte eine entschieden große Verwandtschaft zu den Borstenwürmern dokumentiren, scheint mir doch andererseits eine so vollständige Trennung der beiden Ord- nungen der Gephyreen nicht zulässig. Harscuek sucht eine solche durch die verschiedene Ausbildung und morphologische Bedeutung des Kopf- lappens der Echiuriden und des Rüssels der Sipunculiden, durch die abweichende Lage des Afters und durch die Verschiedenheit der Larven- formen zu begründen. Doch finden sich in dieser Beziehung ja auch innerhalb der Ordnung der Sipunculiden selbst mancherlei Differenzen, ich erinnere nur an die durchaus verschiedene Ausbildung des vorder- sten Körperabschnittes beim Sipunculus und Halicryptus und an die endständige Afteröffnung bei den Priapulaceen (Priapulus und Hali- cryptus). Andererseits aber zeigen die Sipunculiden und Echiuriden wieder eine so große Ähnlichkeit in ihrer allgemeinen Organisation sowohl wie in ihrem feineren Bau, dass eine sehr nahe Verwandtschaft zwischen denselben wohl kaum zu läugnen ist. Das Integument besteht bei den Sipunculaceen (und wahrscheinlich auch bei den Priapulaceen) und Echiuriden aus denselben drei Schich- ten, welche selbst in den feinsten histologischen Details eine nahezu vollständige Übereinstimmung zeigen. Bei den Sipunculaceen (Sipun- culus und Phascolosoma) setzt sich der Muskelschlauch gerade wie bei den Echiuriden aus drei differenten Lagen zusammen, deren Fasern in ganz ähnlicher Weise verlaufen, jedoch in verschiedener Reihenfolge gelagert sind (Diagonalmuskulatur von Sipunculus und Echiurus), wäh- rend die Chaetopoden nur zwei Muskelschichten besitzen. Nicht minder deutlich prägt sich die Zusammengehörigkeit der gesammten Gephyreen im Bau des Nervensystems aus. Bei den Anneliden findet sich ein doppelter, mit Ganglienknoten und Querkommissuren versehener Bauch- sirang, welcher dagegen bei allen Gephyreen stets einfach und ohne ganglionäre Anschwellungen ist. Ein Oberschlundganglion, wie es allen Chaetopoden zukommt, fehlt bei den Echiuriden vollständig und gleichen dieselben darin den Priapulaceen, bei welchen bis jetzt wenigstens von einem solchen auch nichts bekannt ist. Endlich aber dokumentiren die charakteristischen,, sonst nirgendwo vorkommenden Nervenringe des Sipunculus und Echiurus und nicht minder der mikroskopische Bau des Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. 255 ‘ Nervensystems beider eine so große Übereinstimmung derselben, dass ‚ich glaube, die »Gephyreen« mit vollem Rechte als einheitliche, zwar zunächst an die Anneliden sich anschließende Klasse aufrecht erhalten zu müssen, welche Klasse sich dann aus zwei scharf getrennten, aber doch in vielen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Ordnungen, - den »Sipunculiden« (»Sipunculacea« und »Priapulacea«) und den - »Echiuriden « (= Echiuren) zusammensetzt. | Indem ich hiermit meine Untersuchungen über die Sipunculiden - einstweilen abschließe, bin ich mir der Lücken, die dieselben, trotz aller 1 Sorgfalt, immer noch aufweisen, wohl bewusst; theilweise sind diese | aber auch wohl dem Umstande zuzuschreiben, dass mir nur Spiritus- ‚ exemplare des Sipunculus nudus zu Gebote standen. Gewisse Verhält- nisse lassen sich mit Erfolg eben nur an frischem Materiale erforschen. Dennoch glaube ich hoffen zu dürfen, mit vorliegender Arbeit einen wenigstens nicht ganz werthlosen Beitrag zur Kenntnis der Anatomie "und Histologie der Gephyreen geliefert zu haben. Heidelberg, den 5. März 1881. Verzeichnis der in vorliegender Arbeit citirten Werke. 4. Chinensia Lagerströmiana praeside Linnaeo proposita a J. L. OnueLıo Upsalae 1754. Ammoenit. acad. IV. Holmiae 4759. 8. p. 254. Tab. III, Fig. 5. 2. C. Linne, Systema naturae. Edit. XII. reform. Holmiae 4766—1768. Vol. II. -p. 4078. 3. STEF. DELLE CHIAJE, a) Su la notomia e la classificazione del Sifunculo nudo di Linneo. Memorie sulle storia e notomia degli animali senza vertebre del Regno di Napoli. Vol. Ii. Napoli 1825. 4. p.1—24. Tav. 1. — b) Notomia del Sifunculo echinorinco. Ibid. p. 124—127. Tav. X, Fig. 8—11. ‚ 4. E. Gruse, Versuch einer Anatomie des Sipunculus nudus. MüLLEr’s Archiv für Anat., Physiol. etc. Jahrg. 1837. p. 237—257. Taf. X, XI. , 5. A. Kronn, Über das Nervensystem des Sipunculus nudus. Mürter’s Archiv für Me Anat., Physiol. etc. Jahrg. 1839. p. 348—351. ‚ 6. H. Meyer, Zur Anatomie der Sipunculiden. DieseZeitschr. I. Bd. 4849. p. 268, | 269. 7. W. Peters, Über die Fortpflanzungsorgane des Sipunculus‘ Mitgetheilt in der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin am 16. Juli 1850. MÜLLER’S Archiv für Anat., Physiol. etc. Jahrg. 1850. p.382—385. Taf. IV, Fig. A—H. 8. A. Kroan, Über die Larve des Sipunculus nudus, nebst vorausgeschickten Be- merkungen über die Sexualverhältnisse der Sipunculiden. MüLLer’s Archiv für Anat., Physiol. etc. Jahrg. 1851. p. 368—379. Taf. XVI. a a ne nn ee 256 Julius Andreae, 9. C.M. Diesing, Systema helminthum. Vindobenae 4854. Vol. II. p. 59—76. 40. KEFERSTEIN und EHLERS, Untersuchungen über die Anatomie des Sipunculus nu- dus. Zool. Beiträge. Leipzig 1864. p. 35—52. Taf. VI—VII. 44. E. EHLERS, Über die Gattung Priapulus (Lam.). Inauguraldissertation. Diese Zeitschr. Bd. XI. 4864. p. 205—252. Taf. XX, XXI. 42. Fr. Leypıe, Die Augen und neue Sinnesorgane der Egel. MüLLer's Archiv für Anat., Physiol. etc. Jahrg. 4864. p. 588—605. f 13. Fr. Leypie, Über das Nervensystem der Anneliden. MürLer’s Archiv für Anat., Physiol. etc. Jahrg. 4862. p. 90—124. 14. E. Euters, Über Halicryptus spinulosus (v. Sieb.). Diese Zeitschr. Bd.XI. 18692. p. 401—445. Taf. XXXIV. 15. W. KErERSTEIN, Beiträge zur Kenntnis der Gattung Phascolosoma F. S. Leuckart, in: Untersuchungen über niedere Seethiere. Diese Zeitschrift. Bd. XI. 1862. p. 35—51, 439, 440. Taf. III, IV. 16. C. SENPER, Reisebericht (Fortsetzung). Diese Zeitschrift. Bd. XIV. 1864. p. 446 bis 426. Taf. XLI. A7. W. KEFERSTEIN, Beiträge zur anat. und system. Kenntnis der Sipunculiden. Diese Zeitschrift. Bd. XV. 41865. p. 404—445. Taf. XXXI—XXXI. 18, O. Scunipt, Über den Bau und die systematische Stellung von Aspidosiphon Mülleri Diesing (= Lesinia farcimen Schmidt). Mittheilungen des natur- wissenschaftlichen Vereines für Steiermark. III. Heft. 4865. p. 56—66 mit einer Tafel. 49. S. JourpAIn, Recherches sur l’anatomie des Siponcles. Comptes rendus heb- domadaires. Paris 1865. Tome LX. p. 1042—1044, 20. S. JourDAın, Sur quelques points de l’anatomie des Siponcles. Comptes rendus hebdomadaires. Paris 1867. Tome LXIV. p. 871—873. 24. G. ScuwALsE, Über den feineren Bau der Muskelfasern wirbelloser Thiere. SCHULTZE’S Archiv für mikr. Anat. Bd. V. 1869. p. 205—247. Taf. XIV. 22. G.SCHWALBE, KleinereMittheilungen zur Histologie wirbelloser Thiere. SCHULTzE’S Archiv für mikr. Anat. Bd. V. 1869. p. 248—259. Taf. XV. 2. 23. A. BrAnpt, Anatomisch-histologische Untersuchungen über den Sipunculus nu- dus L. Memoires de l’Academie imperiale des sciences de St. Petersbourg. VIIe Serie. Tome XVI. No. 8. 4870. Mit zwei Tafeln. 24. V. GRÄBER, Über die Haut einiger Sternwürmer (Gephyrei). Sitzungsberichte der (Wiener) Akademie der Wissenschaften. Bd. LXVII. 4. Abth. Jänner- Heft. Jahrg. 1873. Mit drei Tafeln. 25. R. Teuscher, Notiz über Sipunculus und Phascolosoma. Jenaische Zeitschr, für Naturwissenschaft etc. Bd. VII. 1874, p. 488—499. Taf. XIX. 26. H. Tu£er, Recherches sur le Phascolion strombi Mont. Kongl. Svenska Veten- skaps-Akademiens Handlingar. Bandet 44. No. 2. Stockholm 4875. Mit drei Tafeln. 27. H. Tu&er, Etudes sur les Gephyriens inermes des mers de la Scandinavie, du Spitzberg et du Groenland. Bihang till Kongl. Svenska Vetenskaps-Aka- demiens Handlingar. Bandet 3. No. 6. Stockholm 1875. Mit vier Tafeln. 28. H. Eısıs, Die Seitenorgane und becherförmigen Organe der Capitelliden. Mit- theilungen aus der Zool. Station zu Neapel. 4. Bd. 2. Heft. p. 278—343. Taf. VII. 29. J. W. Spenge, Anatomische Mittheilungen über Gephyreen. Amitl. Bericht. d. 50. Naturforscherversammlung. München 4877. p. 489. Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunenlus nudus L. 2357 30. J. W. Sprenger, Über die Organisation des Echiurus Pallasii. Zoolog. Anzeiger. Jahrg. 2. 4879. Nr. 40. p. 542—547. 34. R. GrEEFF, Die Echiuren (Gephyrea armata). Nova Acta d. Kaiserl. Leop.-Carol.- Deutschen Akademie der Naturforscher. Bd. XLI, Pars II. Nr. 4. 4879. p. 1—172. Taf. XVI-XXIV. 32. J. W. SpEnGEL, Beiträge zur Kenntnis der Gephyreen. II. 4. Die Organisation des Echiurus Pallasii. Diese Zeitschrift. Bd. XXXIV. 4880. p. 460—538. Taf. XXII—XXVI. 33. B. HATscHEr, Über Entwicklungsgeschichte von Echiurus und die systematische Stellung der Echiuridae (Gephyrei chaetiferi). Arbeiten aus dem zool. In- stitute der Universität Wien. T. III. Heft 4. 4880. p. 45—78, 34. C. Fr. KRUKENBERG, Vergleichend-physiologische Studien zu Tunis, Mentone und Palermo. Ill. Abth. Heidelberg 1880. p. 79—99 (Blutfarbstoffe der Würmer). Erklärung der Abbildungen. Tafel XII und XIII. c, Cuticula; h, Hpodermis; C, Cutis; d’, d”, Hauldrüsen; f, Pigmentballen; R, Ringmuskulatur; D, Diagonalmuskulatur; L, Längsmuskulatur; n, peripherische -Nervenfäden. Fig. 4. Querschnitt durch den Hautmuskelschlauch des eigentlichen Körpers. J, Integumentalhöhle; p, Peritoneum;; db, Blutkörperchen; s, Spermatozo&nhaufen. Fig. 2. Cutis von der Fläche gesehen, a, große, runde und helle Bindegewebs- zellen; d, kleinere, unregelmäßige und körnige Zellen. Fig. 3. Pigmentballen aus der Cutis. i, Tunica propria, g, bindegewebiges Netz- werk mit Kernen. Fig. 4. Vielzellige Hautdrüse aus dem eigentlichen Körper, von der Seite ge- sehen. i, Drüsenhülle mit Netzwerk und Kernen; z, Drüsenzellen ; o, Hautpore. Fig. 5. Aquatorealschnitt durch eine solche Drüse. Bezeichnung wie bei Fig. #. Fig. 6. Zweizellige Hautdrüsen im Zusammenhange mit der Cuticula, von außen gesehen. o, Hautpore; c’, Drüsenkanal; Ah’, centraler Hohlraum; s, spaltförmige Fortsetzung desselben ; z, Drüsenzellen mit ihren benachbarten Wäandungen w’, w" und ihren Kernen %; t, Drüsenhülle. Fig. 7. Zweizellige Hautdrüse in der Achse halbirt. Bezeichnung wie bei Fig. 6. Fig. 8. Vielzellige Hautdrüse aus der Eichel, an welche der feinkörnige Nerven- faden n herantritt. Bezeichnung wie früher. Fig. 9. Querschnitt durch die Rüsselhaut. e, Nervenendorgane, aus modificir- ten Hypodermiszellen gebildet. Fig. 40. Cutis der Eichel von der Fläche gesehen. e, Nervenendorgane; d”, vielzellige Hautdrüsen. Fig. AA und 42. Nervenendorgane aus der Eichel. c’, feiner Kanal, der vom Endorgan an die Oberfläche der Cuticula führt. Fig. 43. Querschnitt durch den Hautmuskelschlauch aus dem hinteren Theile des Rüssels. p, Peritoneum; db, Bindegewebsstränge. Fig. 414. Flächenschnitt durch eine vordere Rüsseipapille. 358 Julius Andreae, Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. Fig. 45. Längs- (Radial-) Schnitt durch die Tentakel. O, orales, A, aborales Blatt; /, Hohlraum ; m, Muskulatur; t, Trabekel. Fig. 46. Querschnitt durch die Tentakelhaut. a, db, Bindegewebszellen. Fig. 47. Die drei im Zusammenhange präparirten Muskellagen, von der Innen- fläche des Körpers aus gesehen; die Längsmuskeln sind zum Theil entfernt (halb- schematisch). b, Bauchnervenstrang; nr, Nervenringe. Fig. 18. Enddarm (größtentheils aufgeschnitten und ausgebreitet). dd, Darm- divertikel; « (8, y, 0), Einmündungen desselben in den Darm; a, Analschläuche (hier sehr klein); sp, Spindelmuskel; m, Muskeln, welche den Enddarm an die Leibeswand befestigen. Fig. 149—23. Muskelzellen. s, Sarkolemma; f, fibrilläre Muskelsubstanz; ce’, Markraum;; h’, Hülle (2) des Markraumes; n, Nervenfaden. Fig. 24. Nervensystem (des Rüssels). g, Oberschlundganglion mit seinen finger- förmigen Fortsätzen a; b, Bauchstrang; sc, Schlundkommissur;; nrd und nrv, Äste derselben, welche in den dorsalen, bez. ventralen Rüsselretraktoren verlaufen ; nt, Nervenfäden, welche auf der ventralen Seite des Oberschlundganglions ent- springen und in die Tentakel eintreten; «, unpaares Nervenband, aus acht primären Nervenästen zusammengesetzt; 8—{, paarige zusammengesetzte, 7 und $, paarige einfache Seitennerven des Rüssels; nr, Nervenringe aus dem Körper; m, Begleit- muskeln des vordersten Theiles des Bauchstranges und der Schlundkommissuren. Fig. 25. Vorderster Theil des Bauchstranges, von der Seite gesehen. Bezeich- nung wie vorher. Fig. 26. Anschwellung des Bauchstranges in der Eichel. n’, die beiden feinen Äste, in welche der Bauchstrang sich theilt; 7, 2, 3, 4, 5, Ringnerven. Fig. 27. Querschnitt durch das Bauchmark in der Mitte des Körpers. ne, äußeres Neurilem;; ni, inneres Neurilem; i, feinkörnige Zwischenmasse; nz, Nervenzellen ; nf, querdurchschnittene Nervenfasern; bf, Bindegewebsfasern. Fig. 28. Querschnitt durch die kolbige Anschwellung des Bauchstranges in der Eichel (ungefähr in der Mitte der Anschwellung). nv, Neurilemma; bf, (radiäre) Bindegewebsfasern ; rf, feine ringförmige Faserschicht; tf, Transversalfasern ; nf, querdurchschnittene Nervenfasern ; nz, Nervenzellen. - Vergleichend anatomische Studien über das Gehirn der Knochen- fische mit besonderer Berücksichtigung der Cyprinoiden. Von Dr. P. Mayser, Assistenzarzt a. d. Kreisirrenanstalt München. Mit Tafel XIV— XXI. Erster Theil. I. Allgemeines. Die Litteratur über das centrale Nervensystem der Fische ist nicht ‚ unbeträchtlich und der Ausspruch Haızer’si, »Hicager parum cultus fuit«, trifft heute kaum mehr zu. Ich unterlasse es, die einzelnen Autoren aufzuzählen; dieselben sind in den Arbeiten über das Fischgehirn, die ich im Folgenden citiren werde, ziemlich vollständig aufgeführt. An- ' gesichts der Ansprüche, die man zur Zeit an eine Hirnuntersuchung stellt, interessiren ihrer vollkommeneren Methoden willen ganz besonders , StIEDA?, V. Ronon® und Frırscn®. Die beiden letzteren bedienten sich 1 Oper. anatom. argument. minor. T. IH. p. 198. Lausannae 1768. | 2 StiEDA, a) Über das Rückenmark und einzelne Theile des Gehirns von Esox ‚, Luc. Diss. inaug. Dorpat 1864. — b) Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische. Leipzig 1868. — c) Über den Bau des Rückenmarks der Rochen und | Haie. Diese Zeitschr. Bd. XXIII. 4873. — d) Über die Deutung d. einzelnen Theile | desFischgeh. Loco eodem. — e) Studien über den Amphioxus lanceolatus. Memoires ‚ der St, Petersburger Akademie. VII. Serie. T. XIX. 1873. — Außerdem werden im ' Folgenden noch berücksichtigt: f) Über den Bau des centralen Nervensystems der ' Amphibien und Reptilien. Leipzig 1875. — 8) Studien über d. centrale Nervensyst. ‚ der Vögel und Säugethiere. Leipzig 1868. — h) Studien über das centrale Nerven- system d. Wirbelth. Leipzig 1870. | 3 Das Centralorgan des Nervensystems der Selachier. Wien 1877. 2 Untersuchungen über den feineren Bau des Fischgehirns etc. Berlin 1878. Die Arbeiten von BaupeLor: Etude sur Yanatomie comparde de l’encephale des poissons in Memoires de la Societe des Sciences naturelles de Strassbourg I I) l | N | | 260 P. Mayser, bereits des Mikrotoms, Rouon des von GUDDEN, Fritsch des von ihm selbst angegebenen !. Die Vortheile dieses Instruments haben sich hier gezeigt. Romon hat für die Knorpel-, Frırscn besonders für die Knochen- fische zahlreiche Details aufgedeckt, die nicht nur den unvollkommenen Methoden der älteren Vorgänger, sondern selbst den neueren Autoren (BAUDELOT, Stiepa, Viaurt) entgehen mussten. Außerdem stand Beiden in Bezug auf Zahl der untersuchten Arten ein reiches Material zur Ver- fügung. Diesem letzteren Umstande gegenüber bedarf es einer nähe- ren Begründung, um nicht zu sagen Entschuldigung, dass ich mich auf die ausschließliche Untersuchung des Gehirns einiger Cyprinoiden und noch ein paar anderer Knochenfische beschränkte. Wenn ich mir die Widerlegung der Bedenken, die Fritsch speciell gegen die Untersuchung der Gyprinoiden äußert, auf die Besprechung der Untersuchungsmethode verspare, so fußt diese Begründung im Fol- genden: Das von mir aufgegriffene Material umfasst diejenigen Arten von Knochenfischen, die man hier zu Lande am leichtesten bekommt. So klein es ist, so erwies es sich doch bald genug zu groß für eine er- schöpfende Durchforschung geschweige denn Erkenntnis und mahnte von Schritt zu Schritt an die großen Schwierigkeiten histologischer hirnana- tomischer Untersuchungen, die zu bescheidener Einengung der Themata zwingen. Es genügt aber, um darzuthun, dass Fritsch, der in seinem wirklich reichen und schönen Werk den Bau des Knochenfischgehirns von allen Autoren am eingehendsten dargethan hat, dennoch mannigfachen Täuschungen unterlegen ist, und dass namentlich die vergleichend-anato- mische Deutung, welche dieser Autor den einzelnen Abschnitten des Fischgehirns gegeben hat, in wichtigen Theilen eine unrichtige ist. Dies ist aber gerade der Angelpunkt, um den sich seit fast einem Jahrhundert die ganze Fischhirnanatomie dreht und mit größtem Rechte dreht. Denn um aus der Erkenntnis dieses Organs für die Erkenntnis des Hirns der höheren Vertebraten in specie des Menschen Vortheil ziehen zu können, bedarf es vor Allem einer zuverlässigen Homologisirung der einzelnen größeren Abschnitte. Für einen großen Theil der alten Autoren nun war die Valvula cerebelli Stıepa hierbei ein wichtiger Stein des Anstoßes gewesen. Das T. XVI. 41866—1870 und von Vıauit: Recherches histologiques sur la structure des centres nerveux des Plagiostomes in LAcAzE-Dutniers Archives de Zoologie experimentale et generale Bd. V. 1876, deren weder Fritsch noch Ronon gedenken, sind mir erst nach Beendigung meiner Untersuchungen bekannt geworden; auf die Beobachtungen dieser Autoren ist jedoch im Folgenden Rücksicht genommen. 1 Archiv für Anat. und Physiologie. 4874. p. 442 etc. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Gyprinoiden. 261 schönste Beispiel bietet K. E. v. Baer! in seinem berühmten Werk über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Ihrer Lage vor dem Cerebellum und der äußeren Ähnlichkeit wegen, welche die Valvula vieler Knochenfische mit dem Corpus quadrigeminum der Säuger hat, hält Baer dieselbe fürs Mittelhirn, und, ob er gleich in der Entwicklungs- geschichte hierfür keine Bestätigung findet, glaubt er lieber an eine Lücke in seiner Beobachtung als an die Unrichtigkeit seiner vorgefass- ten Auffassung. » Wenn ich allein meinen Zeichnungen über die Aus- bildung folgen wollte,« sagt er p. 309, »so würde ich Carus beipflich- ten«2, Diese Auffassung der Valvula cerebelli Stıepa als Corpora quadrigemina theilten Camper 1762 (nach Cuvier), EBEL?, Cuviert, CuvIER et VALENCIENNES®, TREVIRANUS 6, GOTTSCHE a. a. O., Hannover’, Vocts, KraarscH 9, Leurer 10, Horıarn !! und Mayer!?2. Auch Harzer a. a. O. 1 Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Beobachtung u. Reflexion. II. Thl, 1834 (1837). 2 In seiner Arbeit: »Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte nebst einem Anhang über die Schwimmblase. Leipzig 1835«, hält BAER, wenn ich ihn recht verstehe, den Lobus opticus fürs Mittelhirn. Er untersuchte hier an Cyprinus blicca. Die Valvula der Cyprinoiden hat äußerlich keine Ähnlichkeit mit den Corp. quadrig. der Säuger. cf. GoTTschE, Vergleichende Anatomie des Gehirns der Grä- tenfische in Archiv für Anatomie und Physiologie von J. MÜLLER. 1835. p. 278. 3 Observationes neurolog. ex anatome comparat. 14788 (n. Cuvier). 4 Lecons d’Anatomie comparee. T. II. p. 166. 5 Histoire naturelle des Poissons. T. I. Paris 1828. 6 a) Untersuchungen über den Bau u. die Funktionen d. Gehirns etc. Bremen 1820. p. 47. Vermischte Schriften. Bd. IH. — b) Über d. hinteren Hemisphären d. ' Gehirns der Vögel, Amphibien und Fische. Zeitschrift f. Physiolog. Bd. IV. Leipzig 1831. 7 Recherches microscopiques sur le systeme nerveux. CGopenhague 4844. Ip. 16 ete, | 8 Embryologie des Salmones m. Atlas. 4842 in Asassız: Histoire naturelle des | Poissons d’eau douce de l’Europe centrale. p. 67. »Bientöt cependant, les quadri- ‚ jumeaux se montrent sous la forme d’un petit renflement sur la paroi posterieure | qui fait saillie en dedans. En m&me temps s’eleve un second renflement de la base ‚demesencephale....lescolliculesophthalmicques«. Man sieht schon \ hieraus, welche Vermengung von Namen und Begriffen bezüglich der Hirnentwick- "lung in dieser Arbeit herrscht. 9 De cerebris piscium ostacanthorum aquas nostras colentium. Halis 4850. | 10 LEURET (et GRATIOLET), Anatomie comparee du Systeme nerveux. T. I. Paris "41839—1857. | 11 Recherches sur la structure de l’enc&phale des poissons et sur la signification ‚homologique etc. Journal de l’anatomie par Rosın. 1866 (nach StıEnA). | 12 Über d. Bau des Gehirns d. Fische. Novor, actor. Academ. Caesar. Leopold. ‚Carol. germanic. natur. Curiosor. T. XXX. Dresden 1864. N | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 18 262 P, Mayser, nennt die Valvula von Salmo Umbla corp. quadrig., aber allerdings ohne zu homologisiren. Hand in Hand mit dieser Deutung wurde der Lob. optieus bald als Zwischenhirn, bald als Großhirn im engeren Sinne, bald als hinterer Antheil des letzteren (Treviranus) angesehen. Es ist BaupeLor's a. a. O. und Srıepa’s (Knochenfische)! Verdienst, die Zugehörigkeit der von Srtiena so benannten Valvula, die letzterer mit dem Velum medullare anterius der Säuger homologisirt, zum kleinen Hirn auf mikroskopischem Weg festgestellt zu haben. Bezüglich der von Mikrucno MaAcray? und GEGENBAUR® angestellten Vergleichung des eigentlichen Gerebellum mit dem Mittelhirn der höheren Vertebraten dürfte in der Zukunft doch kaum ein Zweifel mehr statthaben®. Nun ließen sich allerdings auch von den alten Autoren manche und gerade nicht die unbedeutendsten durch die äußere Ähnlichkeit der Valvula mit den Corp. quadrig. nicht täuschen und erkannten im Lob. optic. das Homologon des Mittelhirns. An ihrer Spitze nenne ich C.G. Carus5. Sein von ihm selbst gepriesener Vorgänger war ARsAkY®, sein bedeutender Nachfolger TIEDEMAnN?’. Serres® und Desmov- 1 Schon VuLpıan, Lecons sur la physiologie generale et compar6e du systeme nerveux. Paris 4866 macht in der 34. Lecon vom 23. aoüt 1864 auf den gleich- artigen Bau zwischen Kleinhirn und Valvula (STIEDA) aufmerksam und fügt p. 834 hinzu: »on s@ra conduit a rattacher ces renflements, au moins en grande partie, au systeme du cervelet. 2 Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Leipzig 1870. 3 Grundriss der vergleichenden Anatomie. 1874. In der zweiten Auflage, Leip- zig 1878, p. 527—529 finde ich die Theile der drei abgebildeten Fischgehirne drei- fach verschieden gedeutet. Bei Heptanchus ist z. B. der Lob. optic. als Zwischen- hirn, bei Scyllium als Zwischen- und Mittelhirn, bei Polypterus als Mittelhirn angegeben. * Mit Mikzucuo MAcrAy und GEGENBAUR nahmen von den älteren Autoren auch PHILIPEAUX und VuLPpıan das Cerebellum fürs Mittelhirn: L’Institut. Journal univers. d. sciences. I Section. T. XX. Paris 1852. p. 360 etc., in neuerer Zeit aber hat VuLpıan a. a. O. Lecons sur la physiologie etc. diese frühere Deutung widerrufen und sich für die später von Stıepa (Knochenfische) und BAUDELoT aufgestellte erklärt. 5 Versuch einer Darstellung des Nervensystems und insbesonders des Gehirns nach ihrer Bedeutung, Entwicklung und Vollendung im thierischen Organismus. Leipzig A844. p. 435 etc. 6 De piseium cerebro et med. spinali. Halis 1843. Dissertation. 7 Anatomie und Bildungsgeschichte des Gehirns im Foetus des Menschen nebst einer vergleichenden etc. Nürnberg 1846. p. 125 etc. | 8 Anatomie comparee du cerveau dans les quatre classes des animaux verite- bres. T. Tet Il. Paris 1824—14826. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 263 ins t schlossen sich an. Indem nun aber diese Autoren die Lobi anteri- ores für die Homologa der Hemisphären, die Lobi optici für das Mittel- hirn erklärten und auch das Cerebellum richtig deuteten, gab es für sie kein Zwischenhirn der Fische. Carus und Tiepemann kennen überhaupt keinen Thalamus opticus, SERRES ist geneigt, die Lobi inferiores dafür zu nehmen. Es war des Scharfblicks eines Jouannes MÜLLER? würdig, trotz beschränkter Hilfsmittel die Zusammensetzung der Lobi optici aus Zwischen- und Mittelhirn zuerst zu erkennen. Die Auffassung MÜLLEr’s nähert sich bereits sehr der Deutung Srtıepa’s. Letzterer vergleicht die Lobi anteriores dem Vorderhirn, die Lobi optici im engeren Sinn, d.h. ohne Lobi inferiores und Trichter dem Mittelhirn und was zwischen Mittel- und Vorderhirn liegt, dem Zwischenhirn, während MüLerr auch noch die Tori semicirculares Halleri zu letzterem rechnet. MüLLer’s Zwischenhirn ist also größer als Stiepa’s. Stannıus3 endlich, der die Mürzer’sche Deutung für die Knochenfische acceptirt, deutet das Stör- gehirn fast ganz genau im Sinne Stiepa’s und erkennt sogar die Zuge- hörigkeit der Valvula zum Kleinhirn. Bei aller äußeren Verschiedenheit in der Deutung der Fischgehirn- theile haben die bis jetzt aufgeführten Autoren dies unter einander so ziemlich gemein, dass sie in homologe Abschnitte auch homologe Details einzufügen bestrebt sind. Wenn z. B. GoTtscae oder L£ur£r oder PnıLı- PEAUx et Vurpian die Lobi optici für die Hemisphären nahmen, so fanden sie darin auch Balken, Fornix, Stabkranz etc. Baer dagegen, der den gleichen Abschnitt fürs Zwischenhirn nimmt, kann (Entwicklungsgesch. p. 307) nicht glauben, dass der Fornix der Fische einerlei sei mit dem der Säuger, wenn auch ein ähnliches Gebilde, das sich so gut wie der Säuger-Fornix (bzw. Ammonshorn) aus einer Einsenkung entwickeln kann. Carus, der die Lobi optici mit dem Mittelhirn homologisirt, sagt ‚in Bezug auf die von den Autoren hervorgehobene äußere Ähnlichkeit ‚ der Lobi optiei mit den Hemisphären (Corp. striat., Corp. callos, For- ‚nix, Corona radiata etc. etc.) p. 156: »Freilich ist die Bedeutung aller dieser Theile hier eine ganzandere....« In der That, man braucht kein Descendenztheoretiker zu sein, um ! DesmouLıns (et MAGENDIE), Anatomie comparee du systöme nerveux, Paris. T. Let I. 1824—1897, 2 J. MÜLLER: a) Über den Bau des Gehörorgans bei den Cyelostomen. Abhand- | ‚lungen der Akademie der Wissensch. Berlin 1837. — b) Vergleichende Neurologie ‚der Myxinoiden. Abhandlungen der Akademie der Wissensch. Berlin 4838, 3. Srannıus: a) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Berlin ‚1846. p. 59. — b) Archiv für Anatomie und Physiologie von J. MüLzer. p. 44. (Lei- ‚der fehlten bei meinem Exemplar die angezogenen Tafeln.) 18% 264 P, Mayser, dies a priori zu erwarten. Wer will nicht Vocr beistimmen, wenn er a. a. O. p. 57 in der Anmerkung sagt: »Le developpement prepon- derant de l’une ou de l’autre partie du cerveau semble deja se mani- fester de tr&s bonne heure dans les embryons des vertebres et detruire ainsi par des formations secondaires variees la simplicite du plan pri- mitif, qui est sans doute leme&me dans tous les vertebres. De la aussi les interpretations si variees et si contradictoires qui l’on a donnees aux especes cerebreaux des embryons« etc. Trotzdem weicht Fritsch, wie mir scheint, in seiner Deutung der Fischgehirntheile von der Idee des »plan primitif« so weit ab, dass man fast an den Ausspruch des SerRES erinnert wird, um dessenwillen ihn Levrer a. a. OÖ. p. 145 etc. so bitter tadelt. Frırscn erklärt nämlich die Lobi anteriores für das sekundäre Vorderhirn (Großhirn im engeren Sinne), hält es aber als Vorderhirn weder für physiologisch zureichend noch anatomisch genug entwickelt und verlegt nun die Theile, die ihm zum Großhirn (im engeren Sinne) zu fehlen scheinen, gegen alle sonstige entwicklungsgeschichtliche Ordnung ins »primäre Vorderhirn «, d. h. ins Zwischenhirn, wofür er die Lobi optici erklärt. Somit wird das Tectum lobi optici zum Dach des Ill. Ventrikels, hat Hirnrindenstruktur und -Bedeutung,, entwickelt einen Fornix, ein Corpus callosum, aber auch gleichzeitig einen Theil des Nervus opticus etc. Was anatomisch daraus folgt ist in die Augen springend: Der Fornix liegt hinter der Zirbel, der Linsenkern hinter dem Opticus, Balken und Commissura posterior gehen in einander über, die Commissura anterior liegt zum Theil dorsal vom Mevnert'schen Bündel etc. ete. Ganz übel weg kommt das Mittelhirn. Es besteht aus zwei Nervenzellengruppen — vorderes und hinteres Vierhügelpaar — ohne eigenes Dach, nur durch die Valvula cerebelli Stiepa zur Bildung des Aquaeductus dorsal verbunden. Wir werden auf alle diese Einzelnheiten im Text zurückkommen, einstweilen be- gnügen wir uns mit der Behauptung, dass Fritsch zu dieser Deutung weder durch embryologische noch vergleichend-anatomische Betrach- tungen genöthigt war. Man hat eine Litteratur über die Entwicklungsgeschichte der Fische, die van Bamgere ! mit 53 Nummern aufführt. Zwar bietet dieselbe nach dem, was ich darüber erfahren konnte, noch durchaus keine endgültige Kulknne bezüglich der Hirnentwicklung, allein immerhin auch keine Stütze N die Auffassung Frıtscen’s 2. ! Recherches sur ’Embryologie des poissons osseux. Me&moires couronnes et Memoires des Savants etrangers publies par l’Academie royale des Sciences .... de Belgique. T. XL. Bruxelles 4876. 2 In neuester Zeit hat Löwe, »Beiträge zur Anatomie und zur Entwicklungs- Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 265 Baer (Entwicklungsgeschichte der Thiere) sagt p. 309 wörtlich : ».... man erkennt deutlich zwei Bläschen hinter einander, wovon das vordere ein wenig kleiner als das hintere ist. Beide haben eine Spur mittlerer Einsenkung, das hintere deutlicher. Jetzt rückt das Hirn rasch zusammen, man sieht nur noch ein Bläschen mit deutlicher mittlerer Einsenkung vor dem Hinterhirn. Es sieht so aus, als ob das Mittelhirn das Zwischenhirn unterdrückt habe — das kann ich nicht leugnen«. Dann ließ sich aber Baer, wie schon erwähnt, durch die Valvula cerebelli Stieva irre leiten. In den » Untersuchungen über die Entwicklung der Fische nebst einem Anhang eic.« sagt er dagegen p. 18: »Die Decke des III. Ventrikels ist vorn, wo sie an die flemisphären stößt, offen mit deutlicher kreuzförmiger Öffnung, wo- durch sie allein von der beim Huhn etwas abweichte; und p. 23: »am ersten Tag nach dem Auskriechen liegt vor dem Kleinhirn die große Blase des Vierhügels und vor dieser wie bei Vögel und Säugern in früher Zeit eine Zwischen- abtheilung (II. Ventrikel) mit aufgerissener Decke«. Barr's Vorgänger, RATake !, vergleicht die Lobi optici des Blennius viviparus direkt mit den Vierhügeln des Menschen (p. 45) und erklärt ihre Aus- dehnung p. 18 also: »Der bedeutende Umfang hat seinen Grund haupt- sächlich in einer rasch voreilenden Vergrößerung der oberen und dünneren Wand oder der Decke dieses Theiles, wodurch nun die an- gegebene Wand, indem ihr die obere Wand des Schädels mit ihrer Hauptbedeckung nicht hinreichend nachgiebt, genöthigt wird, theils seitwärts, theils aber auch, und mehr noch, nach hinten, sich auszu- buchten und immer stärker sich auszudehnen.« Die Arbeiten von ÄUBERT 2, SCHAPRINGER ®, WEIL?, OWSJANNIKOW®, VAN BAMBERE a. a. O. geschichte des Nervensystems der Säugethiere und des Menschen. Berlin 4880« die Fritsca’sche Deutung richtig zu stellen gesucht. Bei dieser Gelegenheit giebt er p. 125 Fritsch Recht, wenn er im Tectum opticum Hirnrinde erblickt, p. 426 aber STIEDA, dass er dasselbe zum Mittelhirn rechnet. ! Abhandlungen zur Bildungs- und Entwicklungsgesch. des Menschen und der Thiere. 11. Theil. Leipzig 4833. 2 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Fische, Diese Zeitschr. 4854 und 41856, ; 3 Über die Bildung des Medullarrohrs bei den Knochenfischen. Sitzungsber. der k. k. Akademie der Wissensch. Wien. 64. Il. 4874. * Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Knochenfische. Sitzungsber. der k. k. Akademie der Wissensch. Mathem. naturw. Klasse. 1872. 5 a) Die Entwicklungsgeschichte der Flussneunaugen. Vorläufige Mittheilung. Bulletin de P’Academie imp. des sciences de St. Petersbourg. T. XIV. 4869/4870. — Ib) Über die ersten Vorgänge der Entwicklung in den Eiern des Coregonus lavare- E tus. Bulletin de l’Academie imp. des sciences de St. Petersbourg. T. XIX. 266 P. Mayser, beschäftigen sich nur mit den allerersten Entwicklungsvorgängen. Die Angabe von W. Hıs!, p. 114: »bemerkenswerth ist dabei der be- deutende, dem Vorderhirn beinahe gleichkommende Durchmesser des Mittelhirns« stimmt mit dem Verhältnis zwischen Lob. optic. und Hemi- sphären bei den Haien im Allgemeinen überein, wonach dann erstere als Mittelhirn aufzufassen wären. Endlich stützen auch Kuprrer’s? Beob- achtungen über die Entwicklung der Knochenfische die Deutung der Lobi optici im engeren Sinn als Zwischenhirn nicht. Fassen wir nun aber die Resultate der Embryologen, Bazr a. a. O., TIEDEMANN a. a. O., Raruke? GörtE#, Misarkovics >, KÖLLIkER® etc. zu- sammen, so vollzieht sich im Groben die Entwicklung der einzelnen primitiven Hirnblasen der Wirbelthiere derart, dass sich 4) aus der Mittelhirnblase ventral Haube und Pedunculus mit den Nerven Ill und IV, dorsal die Corpora quadrigemina ent- wickeln, deren vordere Grenze durch die hintere Kommissur, deren hintere durch die Kreuzung des vierten Nervenpaares gebildet wird, und dass 2) aus der Vorderhirnblase Zwischenhirn (primäres) und Großhirn im engeren Sinn (sekundäres Vorderhirn MmaAr- Kovics, Fritsch) entstehen. Die Basis des Zwischenhirns wird durchs Tuber cinereum, den Trichter, die Hypophysis, die Seiten- wand durch eine gangliöse Anschwellung (= Thalamus opticus), die Decke aber abgesehen vom Recessus pinealis nur durchs Epithel des Plexus choroid. med. gebildet. Die vordere Grenze ist durch die vor der embryonalen Schlussplatte (MinarLkovics) entstehenden vorderen Kommissur, die hintere durch die hintere Kommissur angezeigt. Aus dem sekundären Vorderhirn entwickelt sich der Groß- hirnmartel mit seinem Stabkranz und je nach der Höhe des Thieres Streifenhügel, Linsenkern, Ammonshorn, Fornix, Balken etc. Nirgends aber ist die Rede von wechselnder Versetzung irgend eines embryo- logisch oder anatomisch selbständigen oder wichtigen Theiles aus einer Blase in die andere, weder bei ein und derselben, noch bei unter ein- i Über die Bildung der Haifischembryonen. Zeitschr. für Anatomie von Hıs und BRAUNE. Il. 4876/1877. 2 Archiv für mikroskopische Anatomie. 4868. Die Arbeit über Laichen und Entwicklung des Ostseehärings war mir leider nicht zugänglich. 3 a) a.a. OÖ. — b) Entwicklungsgeschichte der Natter. J. MüLLer’s Archiv für Anat. und Physiol. 1838. 4 Kurze Mittheilungen aus der Entwicklungsgesch. d. Unk. Archiv für mikr. Anatomie. IX. 1873. 5 Entwicklungsgeschichte des Gehirns. Leipzig. 1877. 6 Entwicklungsgeschichte des Menschen u. der höheren Thiere. Leipzig 1879. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes, Berücks. d. Oyprinoiden. 267 ander verschiedenen Thierklassen. In der That ist dies a priori nicht und am allerwenigsten bei den niederen Klassen zu erwarten. Wie die Embryologie, so liefert auch weder die systematische noch die vergleichende Anatomie Stützen für die von Frırsch aufgestellte Deutung. Ich kann nicht finden, dass das Tectum opticum Großhirn- rindenstruktur besitzt. Es lässt sich ferner nachweisen, dass die Co- lumna fornicis Frıtscn zum Torus longitudinalis der Autoren nur theil- weise in Beziehung steht und nichts Anderes ist als die Fortsetzung der Commissura horizontalis Fritsch (Meynerr’s Opticuskommissur), die sich mit den Fasern des Crus cerebelli ad cerebrum directum Fritsch vermischt, — indess wir werden im speciellen Theil von solchen Details zu sprechen haben. Ich wüsste aber auch nicht, was in der vergleichenden Anatomie nöthigte, z. B. den Pedunculus und den Stabkranz der Großhirnhemi- sphären der Säuger im Lemniscus Reır (Olivarstrang Tırpemann) der Fische wieder zu finden. Hat man nicht eine einfache Darstellung des sog. Gorpus callosum der Fische, wenn TieDEmanNn angiebt, dass die ' Fasern des Olivarstrangs zu den membranartigen Vierhügeln aufwärts : steigen und »sich nach innen krümmen und von beiden Seiten mit einander zum Gewölbe der Vierhügel verbinden«? Sieht man noch davon ab, dass ein guter Theil der Commissura posterior in die vor- dersten Partien des Tectum, also der Hirnrinde Frıtsen, fällt, dass die ‘ Zirbel und der dorsale Eingang zum Ill. Ventrikel vor dieser Hirnrinde und diesem Balken liegen!, so muss das Verhalten des Opticus die Deutung von Fritsch umstoßen. Es ist schon von den alten Autoren darauf hingewiesen’worden, dass die Größe der Augen und der Optici bei Säugern im Allge- meinen? im direkten Verhältnis zur Größe des vorderen Vierhügel- ‚ paares, bei den übrigen Thierklassen des Lobus opticus (Corpora ‚ bigemina) steht. Auf die von physiologischer Seite sehr beachtens- ‚ werthe Thatsache, dass die Corpora quadrigemina (bzw. die Lobi ‚ optiei) um so größer sind, je weniger sich der ganze Hirnbau entwickelt ‚ zeigt, hat meines Wissens zuerst TiepEmann hingewiesen. Relativ am ‚ kleinsten. sind sie beim Menschen, viel größer bei den Nagern und | Fledermäusen. Sie wachsen beträchtlich bei den Vögeln und nehmen 1 Die Bedeutung der Epiphyse für die Trennung von Zwischen- und Mittel- " hirndecke bei den Fischen hat, so viel mir bekannt ist, von allen Autoren EHLERS ‚ am meisten betont und vergleichend-anatomisch bewiesen. Diese Zeitschr. Bd. XXX. ‘ Supplement. Die Epiphyse am Gehirn der Plagiostomen. 2 Nicht im Einzelnen, z. B. Fuchs, Ratte, Maulwurf etc. haben im Verhält- nis zum Nerv. II, große vordere Hügel. 268 ...P. Mayser, _ im Allgemeinen nach abwärts an relativer Größe immer mehr zu und gerade bei den niederen Klassen, namentlich den Fischen, ist dann die Abhängigkeit ihrer Entwicklung von der Entwicklung der Nervi optici am allermeisten in die Augen springend (GoTTScHE, a. a. O. und Stannıus ! p. 7). Je weiter man also bis zu einer gewissen unteren Grenze in der Reihe der Wirbelthierklassen nach abwärts steigt, um so mehr nähern sich die Gesammtform des Hirns und die Größenverhältnisse der ein- zelnen Abschnitte jenem embryonalen Zustand des Gehirns der höheren Vertebraten, wo die Mittelhirnblase durch ihre Größe alle übrigen über- trifft. (Siehe darüber Fig. I—115 und vgl. auch die Zeichnungen der Autoren, namentlich von Leurer und GratioLer a. a. OÖ. T.II, IH, IV etc.) Die Entwicklungsabhängigkeit der Corpora quadrigemina Fritsch von der Größe der Augen und der Nervi optici, ja sogar ihr regelmäßiges Vorkommen im Fischgehirn geschweige denn bei anderen Kiassen ist einstweilen noch zu beweisen. Allerdings beschränkt sich die anatomische Bedeutung der Lobi optici (Corpora bigemina) der Fische durchaus nicht darauf, Ursprungs- ganglien der Nervi optiei zu sein, allein eben so wenig ist dies der Fall bei denselben Organen der Reptilien und Vögel und den Corpora quadri- gemina der Säuger. Nichtsdestoweniger wurden diese Gebilde bei den letztgenannten drei Thierklassen von fast allen Autoren (J. MüLLzr, Baur, BLATTMANN?, TiEDEMANN, MECKEL®, WAGNER*, Stannıus und SIE- BOLD, STIEDA, GEGENBAUR etc.) für homolog erklärt und nur wenige, wie z.B. Treviranus und Leurer glaubten darin Theile erkennen zu müssen, . die bei Säugern zum Großhirn gehören. Das aber war die Folge mangel- hafter Untersuchungsmethoden und theoretischer, durch Äußerlichkeiten gestützter Voreingenommenheiten. Wie könnte sonst LEURET a. a. O. p- 227 bei der Mittelfurche der Lobi optici der Reptilien an den Fornix und p. 280 bei der Kommissur der Lobi optici der Vögel an den Balken denken? Solltensich nun die Lobi optici (Gorpora bigemina) derFische auf ein- mal anders verhalten als die der Reptilien ? sollte sich auf einmal da, wo man aufklärende Einfachheit erwartet, verwirrende Abweichung von der sonstigen Gesetzmäßigkeit zeigen? Wahrlich, die Lobi optici.der Fische :sind, so sehr ihre Entwicklung von der des Sehnerven offenbar abhängt, i Das peripherische Nervensystem der Fische anatomisch und physiologisch untersucht. Rostock 1849. - 2 Mikroskopisch-anatomische Darstellung d. Nervensystems der Batrachier etc. Zürich 1850. 3 Anatomie des Gehirns der Vögel. D. Archiv für Physiol. Il. Bd. * Lehrbuch der vergl. Anatomie. . ) ’ 4 : Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 269 zwar kein einfaches Ganglion des Nervus opticus, aber, wie man der Detailbeschreibung entnehmen wird, auch gewiss nicht wesentlich komplieirter als das Mittelhirn der übrigen Wirbelthierklassen, das übrigens noch nach vielen Seiten hin der Aufklärung harrt, und jeden- falls hat man vergleichend-anatomisch keinen hinreichenden Grund, in ihnen Dach- und Seitenwand eines ungewöhnlichen Zwischenhirns zu erkennen. Sie sind das Mittelhirn der Knochenfische, ihr Dach in specie das Homologon des vorderen Vierhügels der Säuger. Die Lobi inferiores homologisirt Fritsch mit den Corpora mammillaria der Säuger. Die Corpora mammillaria der Säuger sind be- kannilich vorzüglich charakterisirt durch die Säulen des Fornix der Autoren (Fornix descendens Meynerr und Funiculus Vıcg D’Azyr). Die Angabe des Trevıranus, je größer die Einfachheit in den Windungen, um so flacher und inniger zu einer einzigen Masse verbunden seien die Corpora candicantia, besagt zwar nur im Allgemeinen die Abhängigkeit dieser Körper von der Entwicklung der Großhirnhemisphären (Ammons- horn, Fornix descendens), die bekanntlich auch im Verhältnis steht zur Ausbildung des Thalamus opticus, welch letztere wieder die Größe des Funiculus Vıco n’Azyr einigermaßen bestimmt. Im Einzelfalle erlaubt jedoch das äußere Ansehen der Brusthöcker durchaus keinen sicheren Schluss auf die Ausbildung dieser Fasersysteme. Den Vögeln werden äußerlich wahrnehmbare Corpora candicantia meist abgesprochen !. Ob sie ein Äquivalent des Säuger-Fornix haben, ist einstweilen noch eine offene Frage. Jedenfalls entspricht die »strahlenförmige Scheidewand« der Autoren diesem Gebilde nicht. Die »patte d’oie« tritt vor den Lobi optieci an der oberen äußeren Fläche des Thalamus opticus zu Tag, umschlingt unmittelbar vor dem Tractus opticus den Pedunculus cerebri von außen und zerfährt dann in der bekannten Weise an der medialen Oberfläche der Großhirnhemisphären. Eine homologe Bahn haben, wenn ich mich nicht täusche, auch die Reptilien. Reptilien und Amphibien werden Fornix und CGorpora mam- millaria gleichfalls ziemlich allgemein abgesprochen. Ich selbst habe diese Organe hier einstweilen nicht feststellen können. Auf einmal soli- ten nun mit den Knochenfischen absolut und relativ wirklich ganz bedeutende Brusthöcker auftreten. Ich habe bereits gesagt, dass der Fornix Fritsch kein Homologon des Fornix ist. So weit sich der Ver- ‚ gleich hierauf stützt, ist er also hinfällig. Die Lobi inferiores der 1 Zwei kleine Höckerchen hinter dem Chiasma nach außen vom Infundibulum ‚ und den Nervi oculomotorii finde ich regelmäßig. Fig. 2. Lob, inf. ? 270 P. Mayser, Knochenfische haben Faserverbindungen mit allen Gehirnabschnitten, also auch mit den Hemisphären, und zwar sind diese letzteren sogar relativ beträchtlich. Es soll der Detailbeschreibung vorbehalten bleiben, zu entscheiden, ob sich unter ihnen ein dem Fornix vergleichbares System, und ferner, wie weit sich in den Lobi inferiores noch eine Ansammlung jener Systeme feststellen lässt, die außer Fornix und Funiculus Vıcg D’Azyr den Brusthöckern der Säuger zukommen. Berücksichtigen wir einstweilen nur die örtlichen Beziehungen der Lobi inferiores zum Trichter, zum Tuber cinereum (Trigonum fis- sum GoTTscHE) und zum Ill. Ventrikel, wonach sie zur Wand dieser Höhle zu rechnen sind, so haben wir in ihnen zunächst Ganglien des Zwischenhirns, also des Thalamus opticus im weite- sten Sinn oder in specie Ganglien der Tubergegend, d. i. Homologa der Regio subthalamica, von Tuberganglien und eventuell der Gorpora candicantia der höheren Thiere zu er- kennen. Die Tori semicirculares Halleri, die Frırscu geradezu den Thalami optici vergleicht, vermag ich nicht hierfür zu halten. Einmal geht der Aquaeductus Sylvii erst vor ihrer größten Entwicklung in den III. Ventrikel über, welchen sie selbst direkt nirgends begrenzen (Fig. 5%, 55, 57), und zweitens stehen sie nach hinten in naher örtlicher Beziehung zum Kleinhirn, bzw. der Valvula cerebelli (Fig. 48, 55). Vielleicht ist auch beachtenswerth, dass sich von der zwischen Tectum opticum, Torus semicircularis und Valvula cerebelli eingeschobenen Falte der Pia mater zahlreiche mächtige Bindegewebszüge und Blutgefäße tief zwischen diese drei Hirntheile einsenken. Eine exakte Homologisirung der Tori semicirculares ist aber dadurch sehr erschwert, dass dieselben bei dem dicht in einander geschobenen Mittel- und Zwischenhirn den Übergang von dem einen in das andere theilweise vermitteln, und ferner dadurch, dass bei den höheren Thieren bezüglich der Nervenfaserbahnen im Mittel- hirn noch sehr viel Unklarheit herrscht. So würde ich die Tori am liebsten um ihrer Beziehungen zum Opticus und zur Commissura transversa Halleri (Comm. inferior Guppen) willen, so wie wegen ihres topogra- phischen Verhältnisses zur Seitenwand des Ill. Ventrikels (Thalamus opticus) mit den Corpora geniculata interna der Säuger vergleichen, allein die diesbezügliche Unsicherheit unserer Kenntnisse bei den letz- _ teren beeinträchtigen sehr die Zuverlässigkeit des Vergleiches. Natür- lich denkt man zunächst an die Seitenwandverdickungen in den Lobi optici der Reptilien! und an die Anschwel- ! Der Anschwellungen in der Corpora bigemina der Krokodile gedenkt bereits % Vergl. anat, Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks, d. Öyprinoiden. 271 lungen in den Sehlappen der Vögel. Jedenfalls sind die Tori ‚; partielle Verdickungen der Basis und Seitenwand des Mittelhirns in seinen hinteren Abschnitten. Dafür aber, ‚ glaube ich, fehlen die Beweise, dass man in ihnen weit nach hinten ausgezogene Thalami optici zu erkennen habe. Nach dem Gesagten bietet die Fig. 18, ein nahe der Mittellinie ge- führter Sagittalschnitt von Cypr. carpio, der unsere Auffassung der ein- zelnen größeren Abschnitte des Knochenfischgehirns in übersichtlicher ; Weise darstellen soll, dem Verständnis keine Schwierigkeiten. Ihre Übereinstimmung mit dem von ForzL ! gezeichneten Sagittalschnitt vom Kaninchen bedarf keiner Erläuterung. Über Hinterhirn H und Nachhirn N (gekreuzt schraffirt) ist gar kein Zweifel. Die Grenze zwischen Mittelhirn M (schräg) und Zwischenhirn Z (vertikal schraffirt), welche durch das MEvnerr’sche -; Bündel ausgedrückt ist, hat zwar etwas Willkürliches, aber sie ist in so fern die relativ zuverlässigste, als das Bündel in Wirklichkeit der em- ‚ bryologischen Grenze ziemlich entspricht und, was hier noch wertih- ‚ voller ist, durch sämmtliche Wirbelthierklassen sich in gleicher Weise wiederfindet. Wir werden also im Allgemeinen zum Mittelhirn rechnen, was dorsal, zum Zwischenhirn, was ventral von der Ver- ‚ laufsebene des Mevnerr’schen Bündels liegt. Auch die Grenze zwischen primäremZ (vertikal) und sekun- därem Vorderhirn V (horizontal schraffirt) ist einigermaßen theo- retisch konstruirt. Sie ist unmittelbar hinter der vorderen Kommis- ' sur gezogen in Berücksichtigung der embryologischen Thatsache, dass sich diese Kommissur unmittelbar vor der embryonalen Schlussplatte des Zwischenhirns bildet. In der That besteht die Kommissur? bei den darauf hin untersuchten Cyprinoiden zum guten Theil aus grauer | J. Mürzer. Rası-Rückuanp zeichnet sie vom Alligator (diese Zeitschrift. Bd. XXX. Taf. XIX, Fig, 4 (18) ohne indess eine eingehende vergleichend-anatomische Deu- ı tung davon zu geben. ! Untersuchungen über die Haubenregion etc. Archiv für Psych. Bd. VI. | T. IX, Fig. 27. 2 Der faserige Theil der Commissura anterior besteht bei den Cyprinoiden aus ‚ einem größeren dorsalen Abschnitt, der eigentlichen Kommissur der Hemisphären, und einem von letzterem wohl getrennten schwächeren ventralen, dem Homologon der Pars olfactoria der Commissura anterior der Säuger (Fig. 18). cf. GAnser, Über ‚ die vordere Hirnkommissur der Säugethiere. Archiv für Psychiatr. Bd. IX; auch BAupeLora.a.O. sagt bereits p. 103: la racine interne du nerf (statt tractus) olfactif Savance jusqu’a la commissure interlobulaire; arrivee en ce point, une partie de ses fihres m’a sembl& penetrer dans cette commissure. 272: | | P. Mayser, ar 5 Substanz, die sich bei einer frontalen Karpfenreihe sogar bis auf die Basis fortsetzt und eine förmliche vordere Wand bildet. Die obere Grenze des Zwischenhirns ist zum Theil durch das aus der Zirbel kommende Homologon der Taenia thalami optici angezeigt. , Deutlich zeigt die Figur wie sich durch das starke Vordrängen des Mittelhirndaches Mittel- und Zwischenhirn bei den Knochenfischen in einander schieben. II. Untersuchungsmaterial und Untersuchungs- methode. Folgende Knochenfische habe ich mikroskopisch vorzüglich untersucht: Esox lucius L., Salmo fario L., Cyprinus carpio L. (Fig. 1), Barbus fluviatilis Ag., Abramis brama Flem., Leuciscus cephalus L., Cobitis fossilis L. (Fig. 5). Außer diesen in einzelnen Theilen : Leueiscus?, Lucioperca sandra Cuv., Salmo salvelinus L., Gadus aeglefinus L., Gobio fluviatilis Flem., Alburnus lucidus Heck. Zur makroskopischen Untersuchung standen mir zu Gebote außer den schon genannten die frischen Gehirne von: Salmo salar L., Salmo hucho L., Solea vulgaris Quens., Pleuronectes platessa L., Thymallus vulgaris Nilss., Coregonus Wartmanni Bloch. (Fig. 10), Cobitis barbatula L., Cobitis taenia L., Perca fluviatilis, Carassius vulgaris Nilss. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 273 Die meisten der zur mikroskopischen Untersuchung verwendeten Gehirne habe ich in wässeriger Lösung von Kali bichromicum gehärtet, auf dem alten Guppen’schen Mikrotom geschnitten, schnittweise mit Karmin tingirt und die Schnitte in der bekannten Weise durch Alkohol und Nelkenöl in den Kanadabalsam gebracht. Manche Reihen sind hier- bei außerordentlich wohl gelungen. Es sind von Esox lucius: 1 sagittale, 1 horizontale, 1 frontale (von Professor ForeL in Zürich); bei keiner ist das Vorderhirn vollständig erhalten. Salmo fario: 1 frontale, 1 horizontale (beide ohne Vorderhirn), 1 schräge, von hinten oben nach vorn unten, durchs Zwischen-, Mittel-, Hinter- und einen Theil des Nachhirns, A schräg horizontale, in entgegengesetzter Richtung als die vorausgegangene durch Zwischen-, Mittel-, Nach- und einen Theil des Hinterhirns. Cyprinus carpio: I frontale, durchs ganze Gehirn und einen Theil des Rücken- marks, A frontale, vom oculomotorius ins Rückenmark, 2 frontale, vom Vorderhirn in die Mitte des Nachhirns, 3 sagittale, durchs ganze Gehirn, horizontale, durchs ganze Gehirn, 1 schräg horizontale, von hinten unten nach vorn oben an- steigend, durchs ganze Gehirn. Barbus fluviatilis: i horizontale, durchs ganze Gehirn, 1 schräge, von hinten oben nach vorn unten, durch Vorder-, Zwischen-, Mittel- und den größten Theil des Hinterhirns, I schräge, in umgekehrter Richtung als die vorhergehende durch Zwischen-, Mittel- und den größten Theil des Nach- hirns, 1 schräg horizontale, nach vorn oben ansteigend, durchs ganze Gehirn. 974. „mal! | P. Mayser, Abramis brama: 1 sagittale, durchs ganze Gehirn, Leuciscus cephalus: 4 horizontale, durchs ganze Gehirn. Außer diesen größeren Reihen habe ich noch eine’Anzahl kleinerer, in den verschiedensten Richtungen ausgeführt durch den Bulbus olfac- torius von Carpio und Barbus, frontale und horizontale durchs Vorder- hirn derselben Thiere, und eine schräge, nach hinten oben ansteigende, durch die untere Olive von Barbus. Ferner von: Lucioperca sandra: 1 sagittale (unvollkommen). 'Salmo salvelinus: A horizontale (unvollkommen). Gadus aeglefinus: A horizontale (unvollkommen). Alburnus lucidus: A schräge, von vorn oben nach hinten unten abfallend, durch Vorder-, Zwischen- und Mittelhirn. Zu diesem Material aus normalen Gehirnen kommt von Barbus fluviatilis: 4 frontale, mit Atrophie eines Nerv. opticus, durch Zwischen-, Mittel- und einen Theil des Hinter- und Nachhirns (Fig. 14 a), 1 schräge, nach vorn unten abfallende, mit Atrophie eines Opti- cus, durch dieselben Gehirntheile (Fig. 415) und von Cobitis fossilis (Fig. 12): 4 frontale, durch das ganze Gehirn, mit Atrophie eines Nerv. opticus. Neben diesen zahlreichen Karminreihen hatte ich eine einzige durchgehende doch nur zum Theil wohl gelungene, mit Überos- miumsäure behandelte und auf einem kleinen Mikrotom unter Alkohol geschnittene frontale Reihe von Barbus fluviatilis, eine zweite frontale von demselben Thier durch Zwischen- und Mittelhirn, eine dritte fron- tale durch Zwischen- und Mittelhirn von Gobio fluviatilis, ferner eine, vierte frontale durch den größeren Theil der Oblongata von einer Laube, Vergl, anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 275 endlich eine schräge, nach vorn unten abfallende durchs Vorder-, ' Zwischen-, Mittel-und einen Theil des Nachhirns von Esox lucius und eine zweite von demselben Thier und in derselben Richtung angelegte durchs Zwischen-, Mittel- und Hinterhirn. An vergleichend-anatomischem Material standen mir zur Verfügung drei unvollkommene frontale Karminreihen von Anguis fragilis (Fig. 8), eine schräge, nach vorn und unten abfallende, von Lacerta agilis, eine unvollkommene horizontale von Tropidonotus natrix (Fig. 3) und ein- zelne reihenlose- Schnitte von Rana esculenta und Salamandra atra; ‘ ferner eine von Professor Forer in Zürich angefertigte frontale Reihe von Columba domestica, sowie zwei kleine (frontal und horizontal — letztere ‘ mit einseitig atrophischem N. opticus) von Direktor GrAsHEY in Deggen- dorf aus freier Hand sehr gut geschnittene Orientirungsreihen von dem- selben Thier, und endlich von Säugern der ganze reiche Schatz der Münchener Kreisirrenanstalt. Für die unbeschränkte Benutzung des letzteren bin ich Herrn Professor von Guppen zu hohem Danke ver- pflichtet. Meine besten und wichtigsten Schnittreihen von Knochenfischen, die ich am eingehendsten untersucht habe und auf die sich auch die Detailbeschreibungen beziehen, sofern nicht ausdrücklich andere Ob- jekte namhaft gemacht werden, sind die Cyprinoiden. Ausgehend von der Überzeugung, dass sich die wesentlichen Grund- züge der Hirnarchitektur, deren Feststellung doch nächster und wesent- lichster Zweck einer vergleichend-anatomischen Untersuchung des Fisch- hirns sein muss, in den verschiedensten Gattungen und Arten einer ‚systematischen Ordnung oder Unterordnung gleich verhalten werden, hätte mich auch vor Beginn dieser Untersuchungen die Angabe von ı Fritsch (a. a. O. p. 35), dass die Gehirne der Cyprinoiden »die schlech- ‚teste Grundlage allgemein gültiger Vergleichungen geben«, nicht von | Wer sich die Mühe nehmen will, die von mir untersuchten Fische nach- dem besonderen Studium eben dieser Thiere abwendig machen können. -‚zuuntersuchen, wird mit ein paar Reihen erkennen, wie sehr sich alle ‚diese Thiere in der principiellen Anordnung ihrer Gehirntheile unter ‚einander gleichen. Er wird auch manche Irrthümer in den Detailanga- ‚ben jenes Autors bezüglich der Cyprinoiden erkennen; er wird nämlich ‚zwischen den hinteren Längsbündeln (Fasciculi teretes) keinen inter- | ‚medialen Zug (Owen) eingeschaltet finden, wird nicht nur im Wesent- lichen, sondern vielfach auch im Einzelnen dieselbe mediale ‚Vereinigung der beiden Hälften des Tectum opticum wie bei anderen ‚Gattungen (Hecht, Forelle) beobachten; er wird allerdings neben dem ‚Tubereulum impar (Lob. trig. Fig. 18, 19, 25, 26, 27, 50), das übrigens | | | 276 Rn. P. Mayser, in der Mittellinie einer unvollkommenen bindegewebigen Scheidewand nicht entbehrt (Fig. 25)1, auch eine partielle dorsale Vereinigung der Tubercula acustica (Fig. 19, 28, 29, 30) und Lobi vagi (Fig. 19, 22) entdecken , indess kann dies doch eben so wenig für eine wesentliche Störung der principiellen Anordnung erklärt werden als z. B. bei den Säugern die Vereinigung der Gorpora mammillaria zu -einem unpaaren Körper; er wird allerdings bei den Cyprinoiden einzelnen Eigenthüm- lichkeiten begegnen, aber gerade in diesem abweichenden Verhalten gegenüber sonst ziemlich nahe stehenden Gattungen das Unwesentliche, Zufällige derselben erkennen und vor Täuschungen bewahrt bleiben, die äußerliche Ähnlichkeit so leicht hervorruft und denen auch Frırsch nicht ganz entgangen ist®. Ein ausgesprochener Vorzug der Cyprinoiden, den man auch in jeder anderen Wirbelthierklasse mit besonderen Hoffnungen begrüßen würde, sind die relativ sehr bedeutenden Hirnnerven, namentlich Vagus, Acustieus und Quintus. Es sind ja gerade diese Nerven, die den Bau der Oblongata aufs wesentlichste beeinflussen und andererseits bei sämmtlichen Wirbelthierklassen noch mangelhaft genug erkannt sind. Fritscn hat auf ihre Mannigfaltigkeit, insonders auf die des Trigeminus, bei den Knochenfischen überhaupt aufmerksam gemacht. Wenn also bei den Cyprinoiden mit großen Schwimmblasen, einem ausgedehnten, durch Barteln etc. noch verbreiterten Tastbezirk und einem beträchtlichen Gehörapparat eine große Entwicklung der korre- spondirenden Nerven Hand in Hand geht, so sind dagegen gewaltige Optici und Augenbewegungsnerven die Domaine der Raubfische. Man begreift die erstaunliche Sicherheit, mit der die Forelle eine Mücke im 1 Schon VuLpıan sagt in den Lecons a.a. 0. p. 822 vom Lobus trigemini des Karpfen: »le renflement offre m&me un tres leger sillon antero-posterieur, lequel indique la r&union de deux masses laterales en une seule«. 2 Ich mache übrigens noch aufmerksam auf die Beobachtungen von BAUDELOT a.a. O0. p. 76: le plus ordinairement les lobes posterieures Sont bien developpes etsoude&s sur la ligne me&diane .... par exemple chez la Perche, la Plie, l’Eperlan, l’Alose, le Merlan, l’Orphie, le Maquereau, le Congre etc. Il est plus rare que le IV. ventricule reste compl&tement ouvert en arriere. Ferner p. 88: Dans la plupart des cas chaque lobe öptique touche celui du cöte oppose dans toute l’etendue de son bord interne .... (Brochet, Perche, Saumon, Epinoche, Chabot, Merlan, Trigle, Veron etc.); mais d’autre foisiln’enestplusde m&me; ainsi chez le Hareng et l’Alose l’union des deux lobes ... se fait .... seulement dans leur moitie anterieure. 3 Auffällig in dieser Hinsicht erscheint mir, dass Fritsch a. a. ©. Fig. 44 und 15 die Seitenlappen der Valvula cerebelli bei den Cprinoiden für die Tori semicircula- res, bzw. für die Thalami optieci hält. EEE TB — re Pe A Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 277 Strudel erblickt und erschnappt, wenn man dieses kolossalen Opticus mit seinem Lobus ansichtig wird, allein man wundert sich auch nicht mehr darüber, dass dasselbe Thier einen goldenen Köder oder eine seidene Mücke ergreift, wenn man daneben seine unbedeutenden Hemi- sphären betrachtet. Für das Studium dieses außerordentlich ausge- bildeten Sehreflexapparates sind allerdings die Raubfische den Cyprinoi- den vorzuziehen. Vielleicht noch fruchtbarer ist die Kehrseite dieser Betrachtung. Sie fußt in der Gupven’schen Exstirpationsmethode, die ich Archiv für Psychiatrie Bd. VII weitläufig beschrieben habe. Gunpen selbst hat ‘ seine Methode bis jetzt nur auf Warmblüter (Säuger und Vögel) an- ' gewendet; ich freue mich sehr, auch ihre Anwendbarkeit auf die Kalt- ; blüter (Amphibien und Fische) erfahren zu haben, wenn auch meine Beobachtungen einstweilen in Folge ungünstiger äußerer Bedingungen leider noch sehr unvollkommen sind. Im Oktober und December 1878 habe ich einer Anzahl Individuen ; von Barbus fluviatilis mit einem Gewicht von circa 100—200 gr ver- schiedene Hirnnerven (7, II, III, IV, VI, Äste des V. und X) theils aus- gerissen, theils disseeirt und die operirten Thiere innerhalb eines ı Behälters in einen Isarkanal versetzt. Die Wunden heilten sehr rasch ; Lücken dagegen, wie sie z. B. nach Ausräumung einer ganzen Orbita entstanden, füllten sich langsam mit sulzigem Bindegewebe. Sämmt- ‚ liche operirten Thiere, selbst die mit doppelseitiger Enucleation des ‚ Bulbus optieus, blieben den ganzen Winter vollständig gesund, nur ‚ magerten sie etwas ab, da sie keine Nahrung aufnahmen. Im Mai ., 1879, also nach fünf bis sieben Monaten, war ich genöthigt die meisten zu tödten. Mit Ausnahme eines einzigen, bei welchem sich nach Enu- cleation eines Bulbus opticus der entsprechende Nerv in seinem cen- - tralen Verlauf von gelbem Pigment durchsetzt zeigte, erschienen die - Gehirne durchaus normal. Es sah aus, als wäre der Stoffwechsel der | Thiere über den Winter ungemein herabgedrückt gewesen, als hätten ‚sie eine Art von Winterschlaf durchgemacht und in Folge dessen keine | sekundäre Entartung der angegriffenen Nerven erlitten. Hierfür spräche ‚auch das sonstige Verhalten der Barben, wonach sich dieselben in der ‚kalten Jahreszeit an tiefen Stellen der Flüsse in Haufen sammeln und, ‚einer dicht an den anderen gedrängt, überwintern sollen. N ! Baupenor a. a. O. sagt p. 103: la destruction de ses lobes optiques jette, en | effet, aussitöt le poisson dans la stupeur, tandis que l’ablation de ses lobes cere- aux parait ne lui faire perdre aucune de ses facult6s. Nach Vurrıan’s Experimen- ten soll dagegen die Zerstörung der Hermisphären bei den Fischen den Verlust der willkürlichen Bewegungen zur Folge haben. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 49 278 | P. Mayser, Zwei der operirten Thiere mit je einem enucleirten Bulbus opti- cus konnte ich dagegen bis Ende August 1879 (also nur noch über drei Monate) in einem Bassin weiter erhalten, worauf sie wider meinen Willen getödtet wurden. Leider kamen sie bereits etwas verwest in meine Hände, so dass die mikroskopischen Präparate weniger gut geworden sind, als dies sonst bei dieser Species der Fall ist. Jetzt war aber ein ziemlich beträchtlicher Unterschied zwischen den Nervi und Lobi optici beider Seiten zu konstatiren, wie er in den Figuren AAa, 115, 13a und 1% wiedergegeben ist. Später hatte ich Gelegenheit, eine Anzahl ganz junger Lauben zu gewinnen. Diese jungen Tbierchen eignen sich sehr zu Operationen besonders an den Centralorganen. Man sieht die einzelnen Hirnab- schnitte durch die Schädeldecke durchschimmern und kann mit einer Nadel oder mit einem feinen scharfen Messerchen leicht zu ihnen gelangen. Ein Theil der Thierchen erträgt die Wegnahme oder Zer- störung bestimmter Hirntheile ohne Gefahr fürs Leben. Einzelne sah ich nach Verletzung eines Lobus opticus ein bis zwei Tage lang in Korkziehertouren schwimmen. Die Drehungen erfolgten regelmäßig nach der verletzten Seite!. Auch erwachsene Individuen von Cobitis barbatula und taenia, denen ich einzelne Hirntheile weggenommen hatte, fand ich nach über drei Monaten noch munter und scheinbar normal. Leider konnte ich die Gehirne in der Folge nicht näher unter- suchen. Von meinen Eingriffen bei älteren Thieren habe ich in der ver- hältnismäßig kurzen Zeit, welche dieselben nach der Operation noch zu leben hatten, nur eine theilweise Atrophie erwartet. In der That ist bei den beiden Barben Fig. 41a und 115 der atrophische Nerv mit seinem Lobus nur einfach kleiner als der normale mit seinem Lobus, außerdem aber finde ich keine sicheren Unterschiede; es sieht nicht anders aus als ob Nerv und Centrum einfach im Wachsthum stillgestanden wären (Fig. 13a und 14). Auch bei zwei erwachsenen Schlammpeitzgern (Cobitis fossilis), die ich nach Entfernung eines Auges und einzelner die Orbita durch- setzender Äste des Quintus derselben Seite über ein Jahr lang (August 1879 bis September 1880) im Zimmeraquarium fütterte, erschienen die angegriffenen Nervi optici einfach kleiner (Fig. 12, 15) als die ge- sunden. 1 Die Drehbewegungen nach Zerstörung eines Lobus opticus (Lobe bijumeau) sind bereits von FLourens beobachtet. Außerdem haben auch DeEsMouLins, MAGENDIE, VULPIAN und BAuDELor Exstirpationsversuche am Gehirn der Fische an- gestellt. Vergl. anat, Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 279 Ganz dieselbe Erscheinung bieten ferner die Sehnerven einiger ziemlich erwachsener Exemplare von Salamandra atra, die ich acht Monate nach Entfernung eines Bulbus opticus tödtete. Fig. 13 zeigt die beiden Sehnerven eines Thieres in circa dreifacher Vergrößerung. Diese Experi- mente beweisen, dass auch die Amphibien trotz ihrer hohen Regene- rationsfähigkeit der sekundären Nervendegeneration unterliegen und widerlegen wenigstens fürs erwachsene Thier die da und dort ausge- sprochene Ansicht, dass sich bei ihnen sogar zerstörte Augen wieder neu ersetzen. Auch in der Natur kommen normalerweise bei Knochenfischen einseitige Atrophien vor. Der rechte (obere) Nervus und Bulbus olfac- torius der Schollen ist beträchtlich größer als der andere. An den Hemisphären habe ich jedoch bei den auf hiesigen Markt gebrachten halbverwesten Exemplaren fast keinen Unterschied bemerkt. Sofern sich dies auch an gutem Material bestätigt (siehe dagegen GoTTsch£ a. a. 0. p. 479), spricht es, da die übrigen Hirntheile symmetrisch sind, für eine partielle Kreuzung der Tractus olfactorii innerhalb der Commis- sura anterior. Auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1878 konnte man merk- würdige Monstrositäten bei Aquariumfischen sehen, z. B. Individuen mit einem großen stark hervortretenden und einem kleinen tiefer liegen- den Auge. Zweifellos entsprechen diesen äußeren Ruumalsien auch solche der nervösen Centralorgane. Wenn ich jetzt zum speciellen Theil dieser Arbeit übergehe, so be- spreche ich vom Rückenmark ausgehend die einzelnen embryologischen Abschnitte des Gehirns in der Reihenfolge: Nachhirn, Hinterhirn, Mittel- hirp, Zwischenhirn und Vorderhirn mit Bulbus olfactorius. Dabei denke ich mir den Fisch schwimmend und gebrauche die Ortsbezeichnungen:: hinten = caudal, vorn = nasal, oben — dorsal, unten = ventral, außen — lateral, innen — medial. Nur wenige allgemein übliche Ausdrücke, wie z. B. Vorderstrang, Hinterstrang (statt Unterstrang, Oberstrang) etc., die gar kein Missver- ı ständnis zulassen, stehen mit diesen Ortsbezeichnungen in Wider- ‚ spruch. 19* 280 P. Mayser, Ill. Specieller Theil. a. Oblongata. Nachhirn. N. Hinteres Längsbündel (Frırscn, Ronon), H. L. der Figuren, Vorderstranggrundbündel (Fritsch), Centrales Längsbündel (STIEDA), Vordere Pyramiden, Eminentiae, Funiculi teretes der Autoren. Mit Beginn der Oblongata (Fig. 21, 22) wird der Vorderstrang des Rückenmarks durch die ventralwärts sich ausdehnenden Vorder- hörner und den austretenden vordersten Halsnerven (7. sp. [X/I.|) vom übrigen Markmantel förmlich abgetrennt. Dieser abgeschlossene Vorder- strang ist durch die Fortsetzung der unteren Kommissur des Rücken- marks (Comm. accessoria Mauruner |Oomm. acc. M. Fig. 20, 21], Comm. transversa Sriena) in einen kleineren dorsalen und größeren ventralen Abschnitt getheilt, eine Anordnung, die sich fast bis ans Ende seiner Fortsetzung als hinteres Längsbündel der Oblongata erhält. Die vorherrschend dicken Fasern, wovon die dicksten und darunter auch die beiden Mavurunzr’schen (M.F.) im dorsalen Abschnitt liegen, bilden den Grundstock des letzteren. Die hinteren Längsbündel liegen dem entsprechend durch die ganze Oblongata unter der Fortsetzung des Centralkanals und zu beiden Seiten der Raphe. Bedenkt man, dass das hintere Längsbündel auf seinem Weg vom Rückenmark insMittelhirn an Umfang hald zu- bald abnimmt, — die größte Ausdehnung erreicht es im Ursprungsgebiet des Nerv. acustic. und des motorischen Quintus, wobei ich selbstverständlich mit ihm verlaufende Wurzeln peripherer Nerven von seiner Betrachtung ausschließe — be- denkt man, dass das Bündel in der Höhe des Nerv. trochlearis, noch mehr aber vor seinem Ende jenseits des Oculomotorius trotz eines zweifellosen Zuschusses aus der Oblongata kleiner ist als beim Eintritt in die letztere, so folgt, dass das Plus von Fasern, das in seiner Bahn zwischen Rückenmark und centralem Ende verläuft, entweder unter- wegs enden oder auf anderen Wegen vordringen muss. Diese Betrach- tung veranlasst, die Beschreibung seines Verlaufs und seiner Endi- gung zu trennen. Hinteres Längsbündel der Oblongata. Mauthner’sche Fasern. M. F. der Figuren. Am hinteren Längsbündel in seinem Verlauf durch die Oblongata Verol. anat, Studien üb. d, Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d, Oyprinoiden. 281 interessiren uns zunächst ihrer ungewöhnlichen Größe willen die bei- den Maurnuner’schen Fasern (M.F.). Im Allgemeinen sind diesel- ben mehr ausgezeichnet durch den Umfang ihrer Markscheide als die Dicke des Achsencylinders. So finde ich im oberen Halsmark eines großen Karpfen den Achsencylinder kaum dicker als bei anderen dicken Fasern im Vorderstrang, die Markscheide aber sechs- bis achtmal so groß. In der Oblongata mittelgroßer Exemplare von Hecht und Bach- forelle ist das Verhältnis zu Gunsten der Markscheiden fast noch günsti- ger. Bei einem jüngeren Individuum von Cypr. carpio ist hingegen eine mäßig große Scheide von einem kolossalen Achsencylinder fast ganz ausgefüllt. Die Markscheide ist immer koncentrisch stark geschichtet (zwiebel- schalenartig), der Achsencylinder bei der letzterwähnten Reihe auf dem Querschnitt fein getüpfelt, ein anderes Mal auf Horizontalschnitten ge- strichelt, wie aus feinen Reisern zusammengesetzt, in anderen Fällen endlich — und dies ist die Regel — hat er das weiche homogene Aus- sehen eines gewöhnlichen Nervenzellenfortsatzes und zeigt Schwan- kungen im Kaliber, die mindestens auffallend wären, wenn er aus einem Bündel primitiver Elemente bestände. Auf horizontalen Schnitten habe ich auch nie eine deutliche Abzweigung gesehen, auch nicht an einem Sagittalschnitt von Abramis brama, wo eine MAuruner'sche Faser vom Vaguskern an dem Rückenmark zu fast auf Gentimeier Länge frei, wie präparirt, vorliegt. Dagegen sind bei meiner gelungensten frontalen Karpfenreihe in der Höhe des Vaguskerns mehrmals, nach einander zweiAchsencylinder in derselben Scheide einer MAurs- ner schen Faser und an anderen Frontal- und auch Sagittalschnitten von derselben Species gewahrt man kurze Ästchen, die sich vom Achsencylinder ähnlich wie die Dsırrrs’schen Fortsätze ‚ı von den Nervenzellen erheben. Diese letztgenannten That- sachen sprechen dringend zu Gunsten der von Fritsch ausgesprochenen ‚ Vermuthung, dass die dem Schwanz zu sich verjüngende Faser Ab- | zweigungen bilde. Im Werk des eben genannten Autors ist mir aufgefallen, dass ihm ‚ das Ende der Maurnner’schen Fasern in der Oblongata und auch, dass ihm die Angabe Srıepa’s, die Fasern enden daselbst in »gewissen sehr großen Zellen«, entgangen ist. Ich habe keine Reihe durch das ver- -, längerte Mark, wo ihr Ende nicht mindestens einigermaßen deutlich ‚ wäre. Die Mauruner’schen Fasern kreuzen sich nämlich unter dem Epithel des IV. Ventrikels in der von den Autoren angegebenen Fron- ‚ talebene (Fig. 31) und treten jederseits zu einem lateral vom hinteren Längsbündel liegenden Gebilde, das man allerdings für eine eigenthüm- 282 il; P, Mayser, liche, sehr große Zelle halten muss (Fig. 16). Dieselbe hat eine starre weite Bindegewebskapsel, welche einen relativ kleinen Protoplasma- leib und zwei sehr große Fortsätze einschließt, einen lateralen (L. F.) und einen ventralen. An der Abgangsstelle des lateralen liegt in dessen Verlaufsrichtung ein langgestreckter, dichter, durch Karmin sehr stark gefärbter Kern mit einemähnlichen Kernkörper- chen. Vor ihrem Eintritt in das Endorgan schwillt die Maurnuner’sche Faser, nachdem sie sich zuvor im Allgemeinen verschmälert hatte, noch einmal leicht spindelförmig an und hat hier wie auch der Zellenleib und die großen Fortsätze gerade an meinen deutlichsten Präparaten ein ausgesprochenes fibrilläres Aussehen. Dabei ist freilich zu beach- ten, dass die zu Faserverfolgungen günstigsten Karminpräparate einen leichten Grad von Schrumpfung zeigen und dass dies fibrilläre Aus- sehen eben so wie auch die Retraktion des Zellenleibes und der großen Fortsätze von der starren Kapsel vielleicht nur Folge der Präparation ist. An geschrumpften Präparaten erscheinen manchmal auch andere dicke Achsencylinder fein längsgestrichelt. Was nun die beiden großen Fortsätze betrifft, so sieht man nach dem Abgang vom Zellenleib ihr Protoplasma von der Kapsel durch körnige Substanz getrennt. Der laterale zieht zwischen den Fasern der gekreuzten absteigenden Acusticuswurzel (N. VIII. .) nach außen und hinten und lässt sich bis nah an den Seitenrand, der andere nach unten und vorn bis nah an die Basis der Oblongata verfolgen. Hierbei zer- spalten sie sich mehrfach unter sehr spitzen Winkeln; die Scheide dei Abzweigungen ist gleichfalls durch körnige Substanz gebildet. An hori- zontalen, noch mehr aber an sagittalen Schnitten hat es den Anschein als ob von der Hauptverlängerung der Fortsätze markhaltige Nerven- fasern abgehen und je nachdem lateral- oder ventral-nasalwärts in der Richtung gegen die Commissura ansulata der Autoren weiterziehen. Diese Beobachtung ist jedoch nicht sicher. Nach innen und oben liegt dem Leib unserer Zelle ein rundlicher, mit Karmin sich nur wenig färbender und an manchen Präparaten (Barbe) sogar entschieden gelblich (wie Pigment) aussehender Klumpen an, der mir viele Schwierigkeiten gemacht hat. Abgesehen von den zahlreichen Fortsätzen, wodurch die Zellenkapsel mit ihrer Umgebung und namentlich dem Ependym des vierten Ventrikels in Verbindung steht, sieht man nämlich noch von diesem Klumpen Ausläufer aus- gehen. Dieselben sind weich, wechselnden Kalibers, dem Centrum zu sich stark verjüngend, gegen die Peripherie unregelmäßig anschwel- lend, von einer zarten Scheide umgeben. Ich konnte sie nie durch den Klumpen hindurch bis in den Zellenleib hinein verfolgen, auf der Vergl. anat, Studien üb. d. Gehirn d, Knochenfische mit bes. Berücks. d, Oyprinoiden. 283 anderen Seite aber haben sie wieder die größte Ähnlichkeit mit Achseneylindern. An feinen mit Überosmiumsäure behandelten Frontal- schnitten sieht man, dass der Klumpen selbst sich aus Fasern und körni- gen Molekeln zusammensetzt. Leider ist die ganze Untersuchung, die ich vornehmlich an Gyprinoiden vorgenommen habe, hier durch einen heillosen Zusammenfluss von Nervenfasern so erschwert, dass ich mich eines definitiven Urtheils enthalten muss. | Durch seine zahlreichen Fortsätze und die ihn umspinnenden | Nervenfasern ist der ganze Endapparat der Maurnner’schen Fasern auf 1 dem Horizontalschnitt nicht unähnlich einem Gaput Medusae. Ich sehe " ihn an manchen Präparaten mit freiem Auge. Mikroskopisch verfolge ich ihn an einer frontalen Karpfenreihe mit Sicherheit durch acht Schnitte. Wenn irgend ein Theil des Fischgehirns scheint mir dieses sonderbare Gebilde die Aufmerksamkeit der Histologen zu verdienen. Interessant ist die Frage, ob die Maurnnsr’schen Fasern speci- fische Gebilde oder einfach sehr große Nervenfasern sind, die sich von andern dicken Fasern des Vorderstranggrundbündels nicht wesentlich unterscheiden. Wenn es sich endgültig bestätigt, dass die Fasern dem Schwanz zu Abzweigungen bilden und wenn meine Be- schreibung des Endapparats in der Oblongata auch den Beobachtungen späterer Untersucher gerecht wird, so haben wir es zum mindesten mit etwas Eigenihümlichem, bei höheren Thieren bis jetzt noch nicht Beobachtetem und, wie ich glaube, auch gar nicht Vorhandenem zu thun. Srtıepa ! vergleicht die Fasern mit den von Jouannes MÜLLER ? bei Petromyzon beschriebenen und nach ihm von Owssannıkow ? benannten, deren auch Reısner * und Kutscuin 5 unter dem Namen der MürLer’schen gedenken. SriepA, der in der eben citirten Abhandlung p. 45 bemerkt, dass die Mauruner’'schen Fasern in gewissen sehr großen Zellen der ı Oblongata enden, betrachtet dieselben wie die MüLzer’schen als sog. ‚ immanente Fasern, d. h. als lang ausgedehnte Kommissuren zwi- ‚ schen zwei sehr großen Nervenzellen; den letzteren schreibt er den | Charakter der Sammelzellen® zu. So wenig ich nun dieser Stizpa’schen | 1 a. a. 0. Studien über d. Amphiox. p. 44—45. 2 a.a. O. Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissensch. 1838. Vergl. ' Neurologie der Myxinoiden. p. 207. 3 Disquisitiones microscop. de med. spinal. textura inprimis in piscibus factita- tae. Dissertatio. Dorpat 1854. p. 19. | * Archiv für Anat. und Physiol. von C. REıcHerr und Dusois-R. 1860. ) 5 Über den Bau des Rückenmarks der Neunaugen. Kasan. Dissertat. inaugural. 1868. 6 a.a. O. Studien über das centrale Nervensystem der Wirbelthiere. Leipzig 4870. 284 P. Mayser, Deutung der MüLzer’schen Fasern wenigstens in Bezug auf den Am- phioxus entgegentreten will, so muss ich doch auf Folgendes aufmerk- sam machen. Wenn man auch beim Vergleich der Maurtnaner’schen Fasern mit den Mürzer’schen zugiebt, dass die große Markscheide der ersteren — die Mürzer’schen haben keine Markscheide — der im All- gemeinen höheren Entwicklung der Knochenfische zuzuschreiben ist, so ist doch zu bedenken, dass beiderlei Fasern dem Schwanz zu immer feiner werden und dass die Sriepa’sche Ansicht erst dann eine sichere Stütze hätte, wenn man auch die fein gewordenen MüLzer’schen oder Mautuner’schen Fasern schließlich in eine Zelle einmünden sähe. Denn nach dem Text, p. 44, und der Zeichnung, Taf. Il, Fig. 17, sieht Stıepa beim Amphioxus immer nur »kolossale Fasern« im Zusammen- hang mit kolossalen Zellen und der Vermuthung, dass die aufsteigen- den Fasern sich hier eben so nach oben wie die absteigenden sich nach unten verfeinern, und dass Stıepa also immer nur eine einzige Art der Endigung gesehen hat, steht im Grunde nichts entgegen. A priori wäre ‘es auch nicht abzusehen, warum eine sog. immanente Faser sich nach einer Seite hin regelmäßig verfeinern sollte. Freilich hat es wohl die meiste innere Wahrscheinlichkeit für sich, dass die Mautuner’schen Fasern im Rückenmark mit Zellen in Verbindung treten, sei es nun direkte oder durch Vermittlung von Abzweigungen. _ Im letzteren Falle verdienten dann wohl die Endorgane in der Oblon- gata, sofern man überhaupt gegen ihren Nervenzellencharakter nichts einzuwenden hat!, in vorzüglicher Weise den Namen Sammelzellen, wenn auch nicht ganz im Sinne StiEpa’s. Sind die MAauruner'schen Fasern nichts Anderes als zwei unge- wöhnlich große Nervenfasern des Vorderstranggrundbündels, so hätte man in ihnen zwei, fast möchte ich sagen grobe Paradigmata für das Verhalten der Fasern dieses Bündels in der Oblongata. Nun sieht man zwar an Horizontalschnitten vielfach dicke Elemente lateralwärts ab- schwenken und theilweise sich zu den seitlich aufsteigenden Systemen gesellen, welche ihrerseits wieder dicke Fasern ans hintere Längs- bündel abzugeben scheinen, andererseits aber findet man öfter, z. B. 1 Gegenüber der nackten Angabe von STIEDA, die MAutaner’schen Fasern enden in »gewissen sehr großen Zellen der Oblongata«, berufe ich mich auf das Vorauf- gegangene, einstweilen freilich nur mit Rücksicht auf die von mir untersuchten Fische, obwohl zu erwarten ist, dass sich die verschiedenen Genera der Knochen- fische hierin im Wesentlichen gleich verhalten werden. Beim Axolotl und Triton cristatus konnte Stiepa das Ende in der Oblongata nicht feststellen. Von Reptilien, Vögeln und Säugern glaube ich mit Sicherheit sagen zu dürfen, dass sie keine MAUTHnNER'schen Fasern besitzen. Vergl. anat, Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 285 zwischen Vaguskern und Quintusaustriti, dass dicke Fasern ganz ähn- lich den Mauranersschen gegen die Mittellinie umbiegen und sich kreuzen, und wenn man vom Quintus gegen den Trochlearis zu an frontalen Schnitten untersucht (Fig. 33, 34, 35) und bei regelmäßigen Faserkreuzungen in der Raphe das hintere Längsbündel immer kleiner werden sieht, so meint man glauben zu müssen, die Fasern enden in den neben dem hinteren Längsbündel (motorisches Feld) liegenden Ganglienzellen; direkte Untersuchungen haben mich jedoch zu keinem ‘ Resultat geführt. Nun ist es ferner eine recht auffällige Thatsache, dass der größte Querschnitt des hinteren Längsbündels in der Oblon- gata ziemlich genau zusammenfällt mit der größten Entwicklung peri- pherer (motor.?) Nerven (Acusticus und motor. Quintus), ähnlich wie der Querschnitt des Vorderstrangs im Rückenmark da am mächtigsten ist, wo die stärksten Nerven abgehen (Hals- und Lendenanschwellung). ' In der That werden die folgenden Beobachtungen zeigen, dass wenig- stens ein Theil der Fasern des hinteren Längsbündels die Aufgabe hat, verschiedene Querschnittsebenen des Gehirns mit einander, bzw. mit dem Rückenmark zu verbinden. Es ist nämlich eine bei sämmtlichen Wirbelthierklassen leicht zu konstatirende Thatsache, dass sich das hin- tere Längsbündel bei Passirung des Oculomotoriuskerns nicht unbe- trächtlich verjüngt. Sriepa (Knochenfische, p. 41) spricht die Ansicht ‚ dass ein Theil der Fasern in den Nervus oculomotorius übergehe und ForeL a. a. O. sagt: »dass es [hinteres Längsbündel) an dieser , Stelle Fasern zum Oculomotoriuskern, zum Nerv oder zur Raphe ab- giebt, ist höchst wahrscheinlich, doch kaum direkt nachweisbar«. Bei den Fischen seh ich nun eine große Zahl gerade der dicksten Fasern aus dem hinteren Längsbündel in den Oculomotoriuskern hineintreten. ‚ In ihrer ganzen Dicke doch ohne deutliche Markscheiden wenden sich ‚ dieselben zu Zellen des Kerns und zerfahren unmittelbar vor ihnen in ‚ eine Anzahl Äste, die den Zellenleib rings umklammern, ähnlich wie man einen Apfel mit der ganzen Hand umspannt (Fig. 47). Das ist nicht selten. Zuweilen sieht man aber auch einzelne Äste über das Gebiet einer einzigen Zelle hinausgreifen oder selbst ganze Fasern im ‚ centralen Höhlengrau sich zerspalten und die sekundären Fibrillen in ‚ die Raphe übergehen, ohne in nachweisbare Beziehungen zu Zellen zu treten. Überhaupt lässt sich ein direkter Zusammenhang der sekundären - Fasern mit dem Protoplasma der Oculomotoriuszellen nicht mit unan- ] 'fechtbarer Sicherheit feststellen, vielmehr scheinen sich dieselben end- fi gültig in dem Fasernetz des etsalen Höhlengrau’s zu verlieren. Bei schwächerer Vergrößerung oder etwas dickeren Schnitten, wo die ein- 286 I. P, Mayser, zelnen Verzweigungen nicht deutlich werden, hat man allerdings den Eindruck einer ganz plumpen Verschmelzung zwischen Zellen und Fasern. Am meisten empfiehlt sich zu diesbezüglichen Untersuchungen die Forelle um ihres großen Oculomotorius willen. An Horizontalschnitten und noch mehr an Sagittalschnitten von Cypr. carpio, Barbus und Abramis brama verfolge ich einzelne Fasern aus dem Kern ins hintere Längsbündel und hier eine Strecke weit caudal- wärts, also dass über ihr Herkommen kein Zweifel sein kann. Wiederholt habe ich auch an anderen Stellen der Oblongata nach ähnlichen Endigungen gesehen, jedoch erfolglos. Zwar sieht man auch in den Trochleariskern Fasern aus dem hinteren Längsbündel eintreten, allein ihr ferneres Verhalten in demselben ist mir unbekannt geblieben. Nun ist freilich wohl zu beachten, dass nirgends im verlängerten Mark die räumlichen Beziehungen zwischen hinterem Längsbündel und Zel- len der Nervenkerne so günstig sind wie beim Oculomotorius; findet man ja doch vielfach Oculomotoriuszellen mitten im hinteren Längs- bündel selbst liegen. Dass mir die Untersuchung von Reptilien, Vögeln und Säugern kein sicheres, mit den Befunden an Knochenfischen über- einstimmendes Resultat ergab, ist vielleicht theilweise auf die ungleich größere Feinheit der Fasern zurückzuführen. Für die Fische aber wird es nach den mitgetheilten und wiederholt gemachten Beobachtungen wahrscheinlich, dass sich unter günstigen Umständen noch andere ähn- liche Verbindungen werden finden lassen. Ende des hinteren Längsbündels im Gehirn. In einiger Entfernung vor der unteren Olive (Ronon) (Ol. inf. Fig. 24, 25, 50) beginnt das hintere Längsbündel der Oblongata sich an seiner ventralen Seite mit mitteldicken Fasern zu verstärken (Fig. 28, 29 ete.), über deren Herkunft ich nichts Sicheres angeben kann. Wenn man Sagittalschnitten, an welchen ihr Verlauf übrigens am besten zu überblicken ist, trauen darf, so treten sie aus dem motorischen Feld derselben Seite hinzu und, indem sie nach vorn im Allgemeinen an Menge zunehmen, bleiben sie bis ins Mittelhirn ein innig verbundener ventraler Antheil des hinteren Längsbündels. Es erhält sich also die schon zu Anfang erwähnte Faservertheilung, wonach die dicksten vor- züglich dorsal, die schwächeren ventral liegen, durch den ganzen Ver- lauf des Bündels. Ja gerade im Mittelhirn, und zwar unmittelbar bevor es durch‘die sich kreuzenden Bindearme durchbrochen wird, ist diese Faserordnung am prägnantesten ausgedrückt (Fig. 33, 34, 35). Von Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes, Berücks, d. Gyprinoiden. 287 F hier ausgehend werden wir auch die centrale Endigung am besten stu- ' diren. Dieselbe geschieht folgendermaßen: 4) Eine Partie vorherrschend dicker Fasern setzt dicht am Boden des Aquaeductus über die Bindearmkreuzung hinweg, umgreift den Oculomotoriuskern von der Seite und zerfährt pinselförmig und un- gekreuzt in einer Gruppe großer Ganglienzellen, weiche dorsal vom Meynerr'schen Bündel zwischen Commissura posterior und Oculomo- toriuskern liegt und also zum Mittelhirn gehört, während sie Frırtsen, _ der diese Endigungsweise bereits angegeben hat, ein Zwischenhirn- ganglion nennt. An schräg von vorn oben nach hinten unten ab- ‚ fallenden Horizontalschnitien habe ich die Vereinigung von Zellen und Nervenfasern hier wiederholt mit Bestimmtheit konstatiren können (Fig. 54, 57). 2) Der mittlere und ventrale Abschnitt des hinteren Längs- bündels, vornehmlich aus mittelstarken Fasern bestehend, wird durch die sich kreuzenden Bindearme in mehrere Bündel zerlegt, die sich auch jenseits der Bindearmkreuzung nicht wieder vereinigen. Diese Fasern großentheils und einzelne aus dem dorsalen Abschnitt sind es, die vor dem Oculomotoriuskern jene Kreuzung eingehen, aus der nach Fritsch die Homologa der Meynerr'schen Linsenkernschlingen hervor- gehen (H. L. X Fig. 55, 57). Dieser Autor zeichnet a. a. ©. Taf. VI, Fig. 36 die Kreuzung bei Belone mit großer Deutlichkeit; man verfolgt die Fasern auf der Zeichnung bis zum Nucleus corticalis Fritsch, wo sie enden sollen. Offenbar ist Belone hierfür ein sehr günstiges Objekt. Die Gypri- noiden eignen sich dagegen wenig; die mäßig starken Fasern verlaufen hier in sehr lockerer Anordnung. Besser ist die Forelle und auch der Hecht ist günstiger als die Gyprinoiden. Die gekreuzten Fasern ziehen ‚ im Bogen nach vorwärts, übersetzen das Bündel c/f (columna fornicis) ‚ Fritsch (= Comm. hor. F. + Tr. c. ad Lob. opt., Fig. 5%) in den hin- | teren Frontalebenen der hinteren Kommissur, wenden sich an dessen ‚ äußerer Seite ventralwärts und treten, sich rasch verschmälernd, wäh- ‚ rend im Allgemeinen die Richtung nach vorn immer beibehalten wird, ‚ in eine Nervenzellenansammlung ein, welche bei der Forelle nach außen und oben, beim Hecht mehr nach außen und vorn vom Nucleus roiun- dus Fritsch und hinten oben und außen vom Corpus genie. extr. Frıtscn ‚ liegt, an der Stelle, wo sich das Tectum opticum von der Wand des ‚ Il. Ventrikels erhebt. Diese Zellenansammlung entspricht der Lage ‚ nach so ziemlich dem Nucleus lentiformis Frırscn. Einzelne Fasern | sah ich bei der Forelle von hier aus nach außen gegen das Tectum um- | biegen; möglicherweise thun dies alle und alsdann hätten sie Gelegen- N | 1 | 288 P. Mayser, heit, sich mit daselbst liegenden großen Zellen zu verbinden, deren Ge- sammtheit Fritsch Nucleus corticalis nennt. Eine thatsächliche Verbindung mit diesen Zellen habe ich indessen nie gesehen. Dieser Nucleus corticalis Fritsch, auf den wir an Ort und Stelle zurückkommen werden, besteht bei der Forelle aus einer beträchtlichen Menge meist schlanker, spindeliger oder pyramidenartiger, zum Theil aber auch mehr rundlicher Zellen, die in der mittleren grauen Schicht der vorderen und ventralen Bezirke des Tectum opticum einzeln oder in kleinen Gruppen beisammen liegen. Sie stellen also kein geschlossenes Ganglion vor und sind viel zu zahlreich, um etwa eine ausschließliche Endstation der Linsenkernschlinge Frıtsen zu sein!. Auch beim Hecht liegen die übrigens kleineren und weniger zahlreichen Zellen im Tectum zerstreut und bei den Cyprinoiden lässt sich überhaupt kein Nucleus corticalis Frırsch mit Bestimmtheit konstatiren, man müsste denn die in entsprechender Gegend vorkommenden Zellen, die etwas größer als die zahlreichen kleinen des Vierhügeldaches sind, dafür nehmen. In- dessen kann man doch auch bei diesen Fischen Fasern aus der Linsen- kernschlinge Frırscuh bis in die Nähe des Tectum verfolgen. — Ähnlich wie mit dem Nucleus corticalis verhält es sich mit dem Nucleus lentiformis Frıtscn. Diese großen Zellen, wie sie jener Autor von seinem Nucleus lentiformis beschreibt, lassen sich zwar bei Hecht und Forelle regelmäßig finden, allein sie bilden gleichfalls kein streng ab- geschlossenes Ganglion, noch sind sie allgemein vorhanden. Sie ver- mischen sich mit kleineren Nervenkörpern und stehen in kontinuir- lichem Verband mit jenen zellenhaltigen grauen Massen, die sich zwi- schen vordere (N. II. a) und hintere (N. 1]. b) Opticuswurzel einschieben und neben anderen auch Fasersystemen den Ursprung geben, die Fritsch zu seinen Associationsfasern des Lobus centralis (Cingulum Fritsch, br. ant., br. p.) zählt; sie stehen hierdurch, was bei Cypri- noiden deutlich wird, ferner im Zusammenhang mit der zelligen Um- gebung des Nucleus rotundus Frıtsen (Nuc. rot. F.) und der Endstation seines Crus cerebelli ad cerebrum directum (Tr. c. ad lob. opt.); in Kur- zem, sie sind ein Theil jener Ganglienmassen in der Seitenwand des Ill. Ventrikels, welche den Thalamus opticus mit den vorderen Partien des Vierhügeldaches verbinden und also auch das Corpus geniculatum exter- num FrıtscH (C. gen. ex. F.) in sich schließen; ich nenne dieselben in 1 Es scheint eher, als stehe die Zahl und Ausbildung dieser Zellen im Ver- hältnis zur Größe des Opticus. Übrigens findet man in den mittleren Schichten der vorderen ventralen Partien des Tectum opticum auch bei anderen Wirbel- thierklassen, z. B. bei den Vögeln, durch ihre Größe hervorstechende Ganglien- zellen. Vergl, anat. Studien üb. d, Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 289 ihrer Gesammtheit Corpus geniculatum externum im wei- ‚teren Sinne (c.gen.ex.s.l.) und verstehe darunter weniger ein ' Homologon als eine wegen ihrer Lage und Beziehungen zum Opticus dem äußeren Kniekörper der Säuger analoge Masse (Fig. 14, 15, 53, 54), Ich sage nicht, dass dieselbe als Ursprungsherd so differenter Bahnen ein einziges gleichartiges Ganglion vorstelle. Im Gegentheil, man beobachtet allerdings Differenzirung (größere und kleinere Grup- pen größerer und kleinerer Zellen), aber abgesehen von einigen Par- ‚tien, z. B. dem Corpus geniculatum externum Frırscn, ist dieselbe bei den verschiedenen Fischen nicht konstant, zum Theil durch den, fast möchte ich sagen zufälligen Verlauf einzelner Faserbündel bedingt. ‚Wir werden auch auf diese Verhältnisse an Ort und Stelle zurück- kommen. Wie sehr übrigens auch andere Ganglien bei verschiedenen Gaitungen an Ausdehnung, Gestalt und Lage wechseln, zeigt z. B. das Verhalten des Nucleus rotundus Frırscn, der sich bei den Gyprinoiden als ziemlich kleiner fast drehrunder Kern zwischen vorderen Ast des Opticus, Corpus geniculatum externum Frırscn und die eben be- sprochene, hier sehr undeutlich gegliederte Nervenzellenansammlung einkeilt (Fig. 50, 53, 56), während er z. B. beim Hecht als mächtige langgestreckte Walze unterhalb der letzteren bis weit nach hinten in den Lobus inferior hineinreicht. Natürlich suchen wir den Linsenkern nicht im Zwischen- oder Mittelhirn, falls er aber wirklich hier zu suchen und ein so ele- mentarer Theil des Gehirns wäre, dass ihn der Knochenfisch mit dem Menschen gemein hätte, dann würde ich ihn auch bei allen Knochen- fischen und bei allen anderen Wirbelthieren im Wesentlichen so ziem- lieh an derselben Stelle des Gehirns und mit denselben Charakteren ausgestattet erwarten, so wie man die bekannten, Mensch und Fisch ge- ‚meinsamen Theile nicht bloß bei den Fischen, sondern durch die ganze ‚Reihe der Wirbelthiere im Wesentlichen an derselben Stelle wieder- ‚findet: das Ganglion interpedunculare (G. ini.), die Zirbel (ZÖ), die ‚Trochleariskreuzung (Dec. N. IV), die Kreuzung der Bindearme (B. A.), ‚die Commissura posterior (Comm. post.) etc. etc. | 3) Einzelne dicke Fasern enden gekreuzt oder ungekreuzt in großen, vielstrahligen, theilweise durch auffallend lange Protoplasma- fortsätze ausgezeichneten Zellen, die vor der Kreuzung der Linsenkern- schlingen Fritsch (H. L. X) in nächster Nähe des Mevnerr'schen Bündels liegen (Fig. 55). Sie gehören noch zum Mittelhirn. Andere kleine feiner- faserige Fascikelchen seh ich an Sagittalschnitten bis ins Zwischenhirn vordringen. Dieselben enden vermuthlich im Thalamus opticus. | h 1 290 P, Mayser, Seitenstrang des Rückenmarkes. 4) Ein dickfaseriger Antheil der ventralen Seitenstrangparlien er- hält sich an der Außenseite des vordersten motorischen Halsnerven (1. sp. [XII.]) bis in die Oblongata hinein und lässt sich hier in toto bis jenseits der unteren Olive verfolgen (Fig. 22, 23, 24, 25). Vor der Olive theilt sich das Bündel in ein ventrales und dorsales. Das ventrale gelangt in seinem Verlauf nach vorn ganz an die Peripherie der Oblongata und verliert sich hier bald. In seiner Verlängerung ent- wickelt sich der Lemniscus Reır (lateraler Theil der Schleife, Olivar- Schicht Tiepemann, L.R.); es ist unwahrscheinlich, dass diese Fasern aus dem Rückenmark ununterbrochen in die Bahn des Lemniscus ein- gehen. Der dorsale Antheil zerfährt nach vorn bündelweise im mo- torischen Feld (Fig. 50). 2) Ein zweiter dickfaseriger Theil der mittleren Seitenstrangpartien erhält sich in der Oblongata im Winkel zwischen den sich differenziren- den Vorder- und Hinterhörnern zur Seite des hinteren Längsbündels bis ins Hauptgebiet des Quintus. Diese Fasern bilden ein wesentliches Kon- tingent des motorischen Feldes. In ihrer Verlängerung liegt der Funieulus lateralis (Frırscn, Ronon, das laterale Längsbündel Srıepa’s, L. L. der Figuren 23, 24, 26, 29, 31, 32, 33, 35, 48, 49, 50, 55, 57), indessen ist unwahrscheinlich, dass Fasern davon auf diesem Weg direkt in die vorderen Hirntheile gelangen. Die Elemente dieses lateralen Bündels beunruhigen, wie wir oben sahen, vielfach das hintere Längsbündel; sie scheinen auch die anatomische Bedeutung der dicken Fasern des letz- teren zu haben. Hinterstrang des Rückenmarkes. F.p. Aufsteigende Quintuswurzel. N. V.asc. Die Besprechung des Restes der Rückenmarkslängsfasern fällt zu- sammen mit der Beschreibung der aufsteigenden Quintuswurzel. Hier bemerke ich noch einmal, dass ich mich wie im Allgemeinen, so auch bei den peripherischen Nerven ganz vorzüglich an die Cyprinoiden halte und nur, wenn es zur Klärung nothwendig ist, auch andere Gattungen heranziehen werde. Rn Hinterstrang. F.p. Der Hinterstrang (F.p.) des Rückenmarks ist bei Carpio vor dem vordersten sensiblen Halsnerven (4. sp. p. Fig. I) sehr schwach. Um so mehr setzen die sehr feinen markhaltigen Fasern der Verfolgung Schwie- rigkeiten entgegen. Auf Horizontal- und Sagittalschnitten scheinen sie _ Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden, 291 in den nach vorn gewaltig anschwellenden Hinterhörnern zu verschwin- den, an Frontalschnitten aber sieht man sie von oben und von unten (besonders von oben) Bögen um die Hinterhörner herum beschreiben, wodurch sie dann mit der nach außen liegenden aufsteigenden Quintus- wurzel in Berührung kommmen (Fig. 21). Ihr definitives Schicksal ist unklar. Ein Theil scheint in die Hinterhörner, ein Theil in die auf- steigende Quintuswurzel (N. V. asc.) überzugehen. Den Zug, den man mit freiem Auge von hinten oben um die Medulla herum biegen und zur unteren Olive ziehen sieht (Fig. I), kann ich mikroskopisch nicht ver- folgen. Hinter dem vordersten sensiblen Rückenmarksnerven nimmt der Strang ziemlich rasch zu und zwar theilweise durch Quintusfasern, die sich von oben her zu ihm gesellen. Eine natürliche Trennung in zwei, dem gracilis und cuneatus vergleichbare Stränge gelingt nicht. Das was vorhanden ist halte ich für dem Hinterstranggrundbündel homolog. Der Gorr’sche Strang scheint also zu fehlen; auch bei den Reptilien finde ich ihn nicht, bei der Taube ist eine Trennung angedeutet. Aufsteigende Quintuswurzel. N. V..asc. Die aufsteigende Quintuswurzel ist bei den untersuchten Fischen aus verschiedenartigen Fasern zusammengesetzt. Dieselben vermischen sich zwar unter einander, aber es giebt doch Stellen, wo sie ohne Zwang eine Trennung dieser Wurzel in wohl charakterisirte Bündel ge- statten. Im hinteren Vagusgebiet (Fig. 22, 23) hat man beim Karpfen von außen nach innen: 4) ein Bündel ziemlich feiner, theils mit schmalen Markscheiden ver- sehener, theils markloser Fasern. An Karminpräparaten hat das Bündel in Folge dessen einen charakteristischen Rosaton (N. V. asc. I); 2) ein Bündel mittelstarker und mit breiten Markscheiden versehener ‚Fasern (N. V. asc. II); 3) ein ausschließlich aus sehr feinen Fasern bestehendes Bündel (N. V. asc. III). Während die aufsteigende Trigeminuswurzel unter dem Vagus- knoten wegläuft (Fig. 1, 5, 22—26),, wobei sie vielfach von Bündeln dicker Vagusfasern durchbrochen wird, verlässt ein Theil der mark- losen Fasern des ersten Bündels, vermischt mit feinen (sensiblen) Vagusfasern die Oblongata (Fig. 4). Dabei scheinen dieselben Mark an- zunehmen, möglicherweise wird dies aber durch eingeschobene Vagus- fasern nur vorgetäuscht. Im letzteren Falle hätte man es mit von Fritsch so benannten gelatinösen Zügen zu thun. » I99 | -P, Mayser, Am hinteren Rand der Lobi vagales biegt die Wurzel nach oben um und die drei Bündel liegen dann über einander (Fig. 21). Im Ver- lauf nach hinten beherrscht das erste, an den Hinterstrang angelehnt, die obere Seite des Hinterhorns (Subst. gel. Roranpo), das zweite liegt seitlich. Die Fasern beider dringen fascikelweise in die Substantia gela- tinosa ein und beschreiben hier Bogentouren,, welche die graue Sub- stanz derart in rundliche Felder theilen, dass man an die Glomeruli der Buibi olfactorii erinnert wird (Fig. 50). Ich zweifle nicht, dass die immer feiner werdenden Fasern in den kleinen Zellen der Gelatinosa enden!. Diese Zellchen sind festleibig und mit mehreren Fortsätzen versehen, oder weich und spindelförmig mit relativ sehr großem Nucleus und wenig Protoplasma. Die Bildung der aufsteigenden Quintuswurzel beschränkt sich auf das Rückenmark. Das hinterste Ende der zwei ersten Bündel (7 und /7) lässt sich nur einigermaßen durch das Abschwellen der Hinterhörner bestimmen. Bezüglich des zweiten kommt man um so weniger aus dem Zweifel, als an die Stelle der verschwindenden Quintusfasern’ gleich- kaliberige Seitenstrangfasern treten. Das dritte Bündel verfolgt man nach hinten ventral vom zweiten. ! Diese Frage ist entschieden, wenn weitere und auch mit anderen Methoden gemachte Beobachtungen die Resultate von BerLoncı bestätigen. BEeLLoncıs dies- bezügliche Arbeiten sind: A) Ricerche intorno all’ intima tessitura del cervello dei Teleostei. Memorie della R. Accademia dei Lincei. Anno CCLXXVI. 1878—1879. Roma. — 2) Ricerche comparätive sui centri nervosi dei Vertebrati. Memorie della R. Accademia dei Lincei. Anno CCLXXVII. 1879—1880. Roma. — 3) Contribuzione all’ istologia del cerveletto. Memorie della R. Accademia dei Lincei, 1884. — 4) Über den Ursprung des Nerv. opt. und den jeineren Bau des Tecium optic. der Knochen- fische. Diese Zeitschrift. Bd. XXXV. 18814. — Leider sind mir dieselben so spät bekannt geworden, dass ich ihnen die verdiente Berücksichtigung nicht mehr an- gedeihen lassen konnte und hier nur das Wesentlichste referire. Nach 'BELLoNcI lösen sich in allen Wirbelthierklassen alle centripetal-leitenden Nervenbahnen beim Eintritt in ihr Centrum (Ganglion) in ein Fasernetz auf (GerLAc#). Dies Fasernetz steht einerseits in Verbindung mit den Verästelungen der Ausläufer kleiner Zellen, die neben großem Kern und wenig Protoplasma auch nur wenig Fortsätze haben und sich in charakteristischer Weise mit Überosmiumsäure nicht schwärzen (sen- sible Zellen); auf der andern Seite steht das Netz in Verbindung mit den Veräste- lungen der zahlreichen Fortsätze anderer Nervenzellen, die sich charakteristisch mit Überosmiumsäure schwärzen (motorische Zellen). Die schwarzen motorischen Zellen sind nichts Anderes als Durchgangspunkte mehr oder weniger zahlreicher Fibrillen aus jenem Netz (M. SchuLtTze). Sie haben einen Achsencylinderfortsatz und es gehen Fasern aus jenem Netz in dessen Bildung über. BELLoncı zeichnet speciell die Endigung des sensiblen Vagus in der Substantia gelatinosa der Vagusknoten bei Cypr. carassius (Tessitura del cervello dei teleostei Tav. V und Ricerche comparative. fig. 51). E72 Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 293 An seiner Stelle erhalten sich feinste Fasern, wenn man die beiden ersten Bündel bereits nicht mehr .erkennt. Dieselben sind im hinteren Theil des Seitenstrangs halbmondförmig angeordnet. Die Konkavität des Halbmondes sieht nach oben, das innere Horn stößt an die RoLanno- sche Substanz; es ist annähernd die Stelle, wo man beim Säuger die Pyramidenbahn suchen würde (Fig. 20, N. V. asc. III.?). Das dritte Bündel gehört nicht eigentlich zum Quintus; sein letztes Schicksal ist mir unbekannt. Ich glaube nicht, dass seine hintere Fort- setzung eine kontinuirliche ist, halte das Bündel vielmehr für eine sekun- däre Bahn der aufsteigenden Trigeminuswurzel. Die Gründe dafür liegen im Folgenden. Die aufsteigende Quintuswurzel liegt in der Oblongata im Allge- meinen nach außen und etwas nach oben von der sekundären Vagus- und Trigeminusbahn (Sec. V. T. B., Fig. 22—33), im Einzelnen aber sind ihre örtlichen Beziehungen zu dieser Bahn mannigfachen Schwan- kungen unterworfen. Die feinsten Fasern der Wurzel (N. V. asc. III.) vermischen sich im Aufsteigen untrennbar mit der sekundären Vagus- Trigeminusbahn, indem sie dieselbe von oben her in Bögen umziehen oder einfach von außen in sie einbrechen. Ferner scheinen sich zahl- reiche Fasern aus dem zweiten Bündel (N. V. asc. II.) an der Innenseite der sekundären Vagus-Trigeminusbahn zu etabliren, doch kehrt von diesen sicher ein Theil in die austretende Wurzel zurück. Jedenfalls wird diese letztere durch in der Oblongata erlittene Verluste etwas ge- schwächt. Sie verlässt diesen Gehirntheil als eine der vordersten Quintus- wurzeln unter spitzem Winkel und mit ausgesprochener Richtung nach vorn. Die Fasern haben jetzt mittelstarkes Kaliber und wie mir scheint auch sämmtlich (jedenfalls ganz überwiegend) Markscheiden (Fig. 33). Brama und Barbus verhalten sich wie Garpio. Bei Salmo und Esox ist die Zusammensetzung aus zweierlei Fasern fast noch auffälliger als bei den Cyprinoiden. Das Schicksal der feinsten (drittes Bündel) habe ich nur bei Carpio studirt. Vorderstes Halsnervenpaar 7. sp. (XII.), 1. sp. p. Des vordersten Halsnervenpaares will ich mit ein paar Worten ge- denken. Die obere Wurzel (1. sp. p., Fig. 1) entspringt ein klein wenig hinter der unteren. Sie sammelt ihre feinen Fasern aus dem Hinter- strang und dem Hinterhorn, biegt im Bogen über das dorsale Bündel der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 20 294 P. Mayser, aufsteigenden Quintuswurzel (N. V. asc. I) nach außen hinweg und ver- lässt die Medulla lateral-dorsal. Die dicken Fasern der unteren (7. sp. [XII.], Fig. 1, 5, 22, 23, 50) entspringen aus großen Zellen der Vorderhörner und deren Fortsetzung bis zur Höhe der entwickelten unteren Olive. Diese Wurzel ist minde- stens in ihrem vorderen Abschnitt ein Homologon /des Nervus hypo- glossus der Säuger ; ihre Übereinstimmung mit dem entsprechenden Nerv der Reptilien und Vögel ist evident. Es ist möglich, dass sich bei den Fischen Fasern in der Commissura transversa Stıepa (Comm. acc. M.) kreuzen, die direkte Untersuchung ließ mich aber im Stich. Gewöhn- lich biegen sie vor der Raphe in den Vorderstrang um. Zum Austritt ziehen die vorn entspringenden Fasern vor und zu beiden Seiten der Vorderhornspitze caudalwärts, die wenigen hinten entspringenden auf kurze Strecke im Vorderstrang nasalwärts. Die in den Austrittsebenen haben natürlich den kürzesten Weg. Sämmtliche Fasern sammeln sich zu einer einzigen Wurzel und verlassen die Medulla lateral-ven- tral mit ausgesprochener Richtung nach hinten. Diese Verhältnisse übersieht man am besten an etwas schräg laufenden Sagittalschnitten (Fig. 50). Lobi vagales (Owen, Frıtscn), Lob. vag., Lobi posteriores (Autoren), Lobi vagi (Üuvier, GOTTSCHE), und Lobus n. trigemini, Lob. irig., Pons mammillaris (Harrer), Tuberculum impar (Autoren). HALLER (a. a. O., p. 203) hat die Lobi vagi des Karpfen unter dem Namen Tubercula striata in klassischer Kürze beschrieben. Auch des Carus (a. a. O., p. 152) weitläufigere Beschreibung ist gut, das ein- schlägige Bild (Taf. II, Fig. X) aber etwas undeutlich. GoTTscHE’s Cyprinoidenzeichnungen sind recht primitiv und die bereits citirten von Fritsch weder ganz getreu noch sehr belehrend. Gegenüber StıEnA’s summarischer Beschreibung (Knochenfische, p. 59 ff.) bemerke ich hier, dass sich die Kleinhirnrinde (Molecularschicht) nur auf die Oberfläche der Tubercula acustica fortsetzt und dass nur diese seitlich ohne scharfe Grenze ins Kleinhirn übergehen (Fig. 27, 50). Man überblickt die that- sächlichen Verhältnisse leicht an der Figur 19, die einen schräg von unten nach oben ansteigenden Horizontalschnitt von Gypr. carpio sche- matisirt. Subst. gelat. Roranno des Rückenmarks (S. gel.), Lobi vagi (Lob. vag.) und Lobus trigemini (Zob. trig.) hängen kontinuirlich mit Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 295 “einander zusammen und haben auch denselben histologischen Bau. Von der äußeren Oberfläche der ersten sehen wir die aufsteigende Wurzel des Quintus (N. V. asc.), von der der zweiten die feinfaserigen (sen- siblen) Vaguswurzeln .(7, Fig. 19), von der des dritten die dorsale ge- ‚kniete Wurzel des Trigeminus (N. V. gen. dors.) ausgehen. Stellte man sich vor, dass die Substantia gelatinosa der Hinierhörner, um zur Bil- dung der Lobi vagi Raum zu gewinnen, in der Mittellinie aus einander wiche und andererseits von vorn wieder durch die Tubercula acustica (Tub. ac.) in die dadurch entstandene Lücke zurückgedrängt würde, ‚so hätte man eine mechanische Erklärung der in Fig. 19 dargestellten Verhältnisse. Zwischen den Lobi vagi et trigemini einerseits und den Hörhöckern andererseits besteht keine Gewebskontinuität, vielmehr sind sie durch Bindegewebe und die austretenden Nervenwurzeln von ein- ander getrennt. | Carus (a. a. O.) zeichnet Taf. II, Fig. X, wie sich der Centralkanal hinter den Vagusknoten als IV. Ventrikel öffnet. Dem ist nicht so. Allerdings klafft mit der Ausbildung der Roranpo’schen Substanz zu Kernen der äußeren aufsteigenden Quintuswurzel die obere Längsfissur des Rückenmarks weit aus einander (Fig. 21), aber in der Tiefe ist der Centralkanal geschlossen und öffnet sich erst zwischen den Vagusknoten (Fig. 23), deren hinterster Theil gleichfalls noch über dem Centralkanal verschmolzen ist, was ich LEuRET gegenüber betonen muss, der (a. a. O. p. 150) sagt: »jamais on ne les trouve soudes ceux du cöt& droit A ceux du cöte gauche«. Harzer (a. a. O.) kannte diese Verbindung bereits und nannte sie Commissura cerebri infima (Comm. cer. inf. H., Fig. 18, 19, 22, 50). Reıssner’scher Faden. R.F. In dieser Gegend finde ich regelmäßig den Reıssner’schen Faden {R. F., Fig. 20, 214), den Stıeva (Knochenfische) im Rückenmark nie vermisst, und den ich an Sagittalschnitten nach vorn sogar bis in ‘die Frontalebenen des Trigeminusaustritts verfolgen konnte; vielleicht reicht er noch weiter. Karminpräparaten nach glaubt man alles Recht zu haben, diesen sonderbaren Faden mit seinem Entdecker (a. a. O. p. 552) gegenüber Srırpa (Knochenfische, p. 13) und Viaurr (a. a. O.) für einen präformirten zu halten. An einem Horizontalschnitt von Garpio finde ich ihn hinter den Vagusknoten auf eine lange Strecke in weichen Biegungen geschlängelt und an einer Stelle sogar aufgerollt. Sollte ein Gerinnungsprodukt innerhalb des ganz geraden Centralkanals solche Formen annehmen können? Für einen Achsencylinder erscheint er allerdings zu starr. An Osmiumpräparaten bin ich über sein Verhalten 20* 296 P. Mayser, nicht klar geworden. Man darf vielleicht von der Entwicklungsgeschichte Aufschlüsse über seine Bedeutung erwarten. Commissura cerebri infima Halleri. Comm. cer. inf. H. Die hintere Verbindung der Lobi vagi der Cyprinoiden, die Com- missura cerebri infima HALLer’s, ist, wenn überhaupt, nur zum Theil eine Commissur. Das Gros der Fasern sind gekreuzte Vagusfasern meist feinen Kalibers, doch findet man in den ventralsten Partien auch dickere, die wahrscheinlich von den unter der Comm. infima liegenden großen Zellen entstehen und zum motorischen Vagus gehören (Fig. 22). Ferner sieht man aus der Gegend der Kommissur ein Bündel feiner Nervenfasern zur Innenseite der aufsteigenden Vaguswurzel ziehen , wo jetzt die Bildung der sekundären Vagusbahn beginnt. Mit ihm zieht ein markloses Bündel, ein gelatinöser Zug (Frırscn), der indess, wenn ich mich nicht täusche, die Oblongata mit sensiblen Vagusfasern verlässt. Der hinterste Abschnitt der Kommissur endlich imponirte mir zum Theil als eine Kreuzung von Fasern des N. V. asc., zum Theil als eine nach hinten konkave Kommissur der Hinterhörner (S. gel.): Kehren wir zur schematischen Figur 19 zurück! Man unterscheidet an den Vagusknoten von außen nach innen gehend: 1) Die Hauptmasse der feinfaserigen (sensiblen) Wurzeln (1)!. Diese mächtige Lage setzt sich eigentlich aus zwei Faser- schichten zusammen, einer dickeren äußeren markhaltigen, und einer dünneren inneren marklosen. Sie entspringen aus der nächstfolgenden Schicht.(2), an welcher sie durch ihre Ursprungsfascikel wie mit Füßen haften. Ihre Faserbündel schlingen sich zopfartig durch einander und indem sie an der Oberfläche der Lobi direkt ventralwärts steigen (Fig. 22—26) verleihen sie ihnen das charakteristische streifige Aus- sehen, um dessenwillen Harzer sie Tubercula striata nennt. Die mark- losen Bündel haben die Charaktere der gelatinösen Züge (Fritsch). 2) Die zweite Schicht ist die der gelatinösen Sub- stanz (2). Sie besteht aus dichtem Grundgewebe mit zahlreichen ein- gestreuten Nervenzellen, wie wir sie bei der aufsteigenden Quintus- wurzel beschrieben haben. Im innern Dritttheil dieser Schicht findet sich eine Anzahl solitärer Bündel feiner Vagusfasern, die sich erst an der Basis zur ersten Schicht gesellen (Fig. 23, 24, 25). Das ganze 1 Nicht bei allen Cyprinoiden ist dies der Fall. Bei einzeinen Arten entspringt ‘ die Mehrheit der sensiblen Fasern von der Innenseite der Substantia gelatinosa z. B. bei Carassius. cf. BeLLoncı: Ricerche intorno all’ intima tessitura del cervello dei Teleostei. Taf. V. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 297 Areal der Substantia gelatinosa ist im Wesentlichen gleichartig, an der innern Grenze aber ist die Grundsubstanz am wenigsten dicht, so dass man die Zellen hier am besten .untersuchen kann. 3) Die dritte Schicht ist die der sekundären Vagusbahn ß). Ihre Bündel verlaufen in der spongiösen Substanz, die sich einwärts von der Substantia gelatinosa (2) entfaltet und in welcher sich noch weiter medianwärts der motorische Vaguskern (4) etablirt. Sie verschwinden zum Theil in der Substantia gelatinosa, zum Theil in der spongiösen Substanz selbst, die als centrales Höhlengrau zu betrachten ist (Fig. 24, 95; in Fig. 23 zu sehr schematisirt). Fast auf allen meinen Karmin- präparaten von Cyprinoiden, besonders den sonst gelungensten, hat die Sec. V. B. bei schwächeren Vergrößerungen einen lichtgelben Ton wie ein Bündel feinster markhaltiger Nervenfasern. Bei stärkeren Ver- srößerungen aber gelingt es erstens nicht, Markscheiden deutlich zu er- kennen, und zweitens zeigen die Fasern, die sich einzeln auch in der Verlaufsrichtung nur auf kurze Strecken verfolgen lassen, öfter unsichere Konturen und scheinen wie aus fein granulirter Masse bestehend; ein ander Mal dagegen sind sie ziemlich starr und homogen. Auf Schnitten, welche die Bahn in ihrem Verlauf zum Kleinhirn quer treffen, sieht man einmal die bekannten Sonnenbildchen feinster Nervenfasern, dann die Querschnitte zarter stark lichtbrechender Fibrillen von kleinen leeren Höfen umgeben oder in dichte, ziemlich stark gefärbte, granulirte Sub- stanz eingebettet. An Osmiumpräparaten sind die Bündel der dritten Schicht eben so geschwärzt wie Bündel markhaltiger Nervenfasern und da sie gleichzeitig scharf begrenzt sind, so gelingt es, sie auf weitere Strecken zu verfolgen. Häufig sieht man an ihnen Anschwellungen, wie sie den mit Überosmium- säure behandelten markhaltigen Nervenfasern zukommen. Und noch mehr! Bei einer Laube (besonders gut gelungene Frontalreihe) erweitern sich manchmal die schwarzen Schläuche ampullenartig, indem sie ein relativ beträchtlich großes Klümpchen granulirter Substanz (Protoplasma) um- schließen. Am entgegengesetzten Pol des Klümpchens verschmälern sie sich eben so plötzlich wieder, zuweilen um in nächster Nähe das Gleiche zu wiederholen. Allem Anschein nach hat man es hier mit - zellenartigen Einschaltungen zu thun. Auf Querschnitten im Verlauf der Sec. V. B. kommen ähnlich wie an Karminpräparaten erstens die Querschnitte markhaltiger Fasern, dann geschwärzte Fibrillen in freien Höfen oder in helleren gelblich ge- färbten Scheiden, endlich leere Höfe allein zur Beobachtung. Berücksichtige ich jetzt noch, dass die Bahn in ihrem Verlauf durch die Oblongata bei einzelnen Schnittreihen durch Karmin einen 298 ABblauaııd 2 22 227 Kt MAP Mayser, exquisiten Rosaton annimmt, so geht meine Ansicht dahin, dass sich die- selbe aus markhaltigen und marklosen Fasern zusammensetzt. | 4) Die vierte Schicht entspricht dem Ursprungsgebiet der dickfaserigen (motorischen) Vaguswurzeln (4). Die Zellen des motorischen Kerns treten mit der Comm. cer. inf. H. lateral-dorsal vom Gentralkanal auf und reichen bis ins Gebiet des Lobus trigemini (Fig. 22—25). Seine größte Ausdehnung fällt annähernd in die Mitte der Lobi vagi (Fig. 24). Da er zugleich nach vorn und hinten abnimmt, so resultirt auf dem Horizontalschnitt in toto eine Halbmondform. Die Zellen des motorischen Vaguskerns sind unter einander ver- schieden : mittelgroß,, groß, sehr groß. Letztere sind beim Karpfen größer als die großen Zellen der Rückenmarksvorderhörner und liegen vorzüglich ventral-medial, also in der Nähe des Centralkanals, bzw. der Oberfläche des vierten Ventrikels, und in der hinteren Kernhälfte (Fig. 22, 23). Die übrigen vermischen sich ziemlich regellos; man kann nur sagen, dass die mittleren und dorsalen mehr rundlich sind und ihre Fortsätze zu einer Art Netzwerk verflechten, während die ventral ge- legenen eckiger, fortsatzreicher und außerdem durchgängig bestrebt sind, ihre langen Protoplasmafortsätze zur Innenseite der Sec. V. B. zu schicken. Überhaupt ist es eine besondere Eigenthümlichkeit der von mir darauf hin untersuchten Knochenfische, dass die Zellen der ein- zelnen motorischen Nervenkerne der Oblongata ihre Protoplasmafortsätze in auffälliger Weise nach ein und derselben Richtung aussenden (Fig. 25, 27, 28, 29, 32, 33). 5) Die fünfte Schicht ist Ependym mit Epithel (5). Die Anordnung der besprochenen Fasersysteme und den Abgang der peripheren Nerven in frontalen Ebenen zeigen Fig. 22—25. In die- selben ist auch die Fortsetzung der Commissura accessoria MAUTHNErR des Rückenmarks eingezeichnet. Diese Kommissurenfasern der Vagusgegend haben zweierlei Kaliber. Ausgenommen die Kreuzungen, welche aus dem Rückenmark (vornehmlich Seitenstrang, L. L.) kommende Nerven- fasern hier eingehen, halte ich nach meinen direkten Beobachtungen die feinen für sich kreuzende sensible, die dicken für sich kreuzende mo- torische Vagusfasern. Man verfolgt nämlich einerseits Bündel in die Kerne und andererseits sieht man solche aus der Kommissur in die peri- pheren Nerven übergehen ; den direkten Übergang einer Faser aus einem Kern in eine Wurzel.der anderen Seite habe ich allerdings nie gesehen. Nichtsdestoweniger möchte ich eine partielle Kreuzung wenigstens der motorischen — die überwiegende Mehrheit der motorischen Wurzeln ist A zuverlässig ungekreuzt — besonders in den vorderen Frontalebenen der Lobi für nahezu sicher erklären. Berücksichtigt man dazu noch die Vergl. anat. Studien üb, d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 299 Kreuzungen in der Comm. cer. inf. H., so hat man den Vagus der Cyprinoiden im Ganzen als einen partiell gekreuzten Nerv zu betrach- ten. — Die aus dem Rückenmark kommenden Fasern, die sich in der Comm. acc. M. kreuzen, treten ins motorische Feld ein, wo sie ver- muthlich auch endigen. Der Rest der Kommissurenfasern endlich scheint in die Längsfasersysteme der Oblongata umzubiegen. Möglicher- weise betheiligen sich auch Bündel der Sec. V. B. an der Bildung der " Kommissur, wenigstens sieht man an Frontalschnitten die feinen Kom- missurenfasern von den ventralwärts zur sekundären Bahn ziehenden Bündeln wegireten. Eine Lösung dieser Fragen wird am ehesten von der Exstirpations- methode zu erwarten sein. Es ist nicht schwer, zu einem großen Theil des peripheren Vagus zu gelangen, wenn man die hintere obere Anheftung des Kiemendeckels trennt. Alsdann liegen die Nerven oberhalb der Kiemenbögen unter der Haut. Ich sah eine Barbe die Ausreißung eines großen Theils des X. Nerven ganz gut überstehen; auch dieses Thier wurde zu früh getödtet. | Endlich mache ich noch darauf aufmerksam, dass man an Karmin- und Osmiumpräparaten die beiden Kerne derselben Seite (motorischen und sensiblen) durch seltene markhaltige und zahlreiche marklose (Protoplasmafortsätze?) Fasern mit einander verbunden sieht (Fig. 24). Stellt dies eine leitende Verbindung vor? cf. Berzoncı: Gervello dei Teleostei a. a. O. Taf. V. ; Der Lobus trigemini der Gyprinoiden ist an Größe und Form bei den verschiedenen Arten etwas verschieden. Cobitis fossilis hat unter den von mir untersuchten den relativ größten. Bei Carpio, dem Barbus und Brama diesbezüglich sehr nahe stehen, ist das Tuberculum impar fast sphärisch, ventral und hinten etwas abgeplattet, oben und vorn etwas zugespitzt. Das unpaare Ganglion manifestirt seine bilaterale Zusammensetzung äußerlich durch eine wechselnd tiefe Einkerbung am hintern untern Rand und innerlich durch eine Ansammlung von Binde- gewebe in der Mittellinie, die einer unvollkommenen Scheidewand ent-. spricht (Fig. 25, 26). Das Bindegewebe hat die Qualität des Ependyms des Ventrikels; es enthält zahlreiche Gefäße. Das Tuberculum impar dient der dorsalen geknieten Quintuswurzel (N. V. gen. dors.) und einer sekundären Bahn zum Ursprung (Sec. T. B.). Die Anordnung der Fasersysteme ist im Wesentlichen wie bei den Vagusknoten: außen die peripheren, innen die sekundären (Fig. 25, 26, 27, 50). Sämmtliche ausschließlich feine Elemente der dorsalen Knie- wurzel des Quintus (N. V. gen. dors.) sammeln sich zu einem fast dreh- runden Bündel am vorderen Rand des Knotens. In der Seitenwand des 300 P. Mayser, vierten Ventrikels, nur durch das Ependym von dessen Oberfläche ge- trennt, zieht die Wurzel nach vorn, umgreift von innen das gleichseitige Tuberculum acusticum in zierlichem Bogen, durchbricht es nach außen umbiegend in seinem vorderen Dritttheil und verlässt mit der Richtung nach vorn und außen als größte Quintuswurzel die Oblongata, dorsal von ihrem ventralen motorischen Gespann und hinter der aufsteigenden (Fig. 27—32). Der ganze Verlauf der Wurzel innerhalb des verlänger- ten Marks fällt so ziemlich in dieselbe Horizontalebene und hat eine aus- gesprochene S-Form. | Die sekundäre Faserbahn des Lobus trigemini (Sec. T. B.) tritt direkt ventralwärts zur Sec. V. B. (Fig. 26, 27). Sie unterscheidet sich histologisch von dieser eben so wenig als sich sensible Vagusfasern und Quintusfasern aus dem Tuberculum impar von einander unterscheiden. Sekundäre Vagus- und sekundäre Trigeminusbahnen verschmelzen untrennbar zu der einzigen Sec. V. T. B. (Fig. 26—34). Die Zuschüsse aus den verschiedenen Lobi stehen im direkten Verhältnis zu deren Größe. | Das Tuberculum impar besitzt namentlich dorsal und auch ventral Fasern, die seine Mittellinie durchsetzen und als gekreuzte betrachtet werden können. Die dorsalen schließen sich der peripheren, die ven- tralen der sekundären Bahn an (Fig. 26, 27). Wie sich die Fasern im Centrum des Lobus trigemini verhalten, entzieht sich wegen ihrer Fein- heit und der Dichtigkeit der Grundsubstanz der genaueren Erkenntnis. Bei Cobitis fossilis sehe ich auch inmitten des mehrhöckerigen Lobus trigemini Bündel aus beiderlei Systemen die Mittellinie überschreiten. Resümirend muss man also sagen, dass bei Weitem der größte Theil sowohl der peripheren als sekundären Bahnen ungekreuzt entspringt, ein kleiner Theil jedoch die Mittellinie des Tuberculum impar über- setzt. Die Kommissurenfasern im Gebiet des Pons mammillaris Halleri gehören zum kleineren Theil diesem selbst, zum größeren den Lobi vagi und den Hörhöckern zu, zwischen welche der Pons eingeschaltet ist. Die ihm eigenthümlichen haben feines Kaliber; sie treten wie heim Vagus von der Fasermasse weg, die zur sekundären Bahn zieht (Fig. 26). Ihre Bedeutung ist vermuthlich dieselbe wie beim Vagus. Fassen wir das Gesagte zusammen, so finden wir bei den Cypri- noiden drei sehr beträchtliche Hirnnervenwurzeln, die fast möchte ich sagen aus gemeinsamem Kern, nämlich der zusammenhängenden Sub- stantia gelatinosa der Oblongata und des Rückenmarks entspringen: die aufsteigende und die dorsale gekniete Quintuswurzel, ferner der ' sensible Vagus (Fig. 19). Die centrale Differenzirung dieser funktionell Vergl. anat, Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 301 \ so verschiedenen Nerven ist hier also sehr unvollkommen. Beim Karpfen ‘7. B. vermischen sich an den Übergangsstellen der Vagusknoten ins ‚ Tuberculum impar Vagus- und Quintusfasern so wie die Bündel der sekundären Bahnen derart mit einander, dass eine exakte Trennung | gar nicht mehr möglich ist. Auch der Bau der Substantia gelatinosa ist im Wesentlichen durchaus derselbe, nur bei Cobitis fossilis finde ich im ' Lobus trigemini neben den bereits an der S. gel. des Rückenmarks be- schriebenen kleinen noch eine ziemliche Anzahl größerer, meist zu langen " Spindeln ausgezogener Nervenzellen. Auf ein weiteres Beispiel un- | vollkommener Differenzirung werden wir sogleich zu sprechen kommen. ' Die aufsteigende und die dorsale gekniete Trigeminuswurzel zusammen ‚betrachte ich als das Homologon der aufsteigenden Quintuswurzel der ‘höheren Wirbelthiere. Sie sind zugleich die zwei größten und einzigen sensiblen Trigeminuswurzeln. Der größere Theil ihrer Äste ist nach ‘Enucleation eines Bulbus opticus operativen Eingriffen sehr zugänglich. "Ihre sensible Natur hat Srannıus (a. a. O. das peripherische Nerven- ‚system, p. 23 etc.) im Wesentlichen und zwar auf experimentellem Weg ‚nachgewiesen. Es wäre wirklich wichtig und zweifellos lohnend, die ‘Experimente dieses Forschers noch einmal zu wiederholen. Ich häbe mich wiederholt davon überzeugen können, wie sehr sich die Fische “für centrale Reizungen eignen. Wenn man einer fingerlangen Laube ‚das Schädeldach in zwei Sitzungen abträgt, d. h. zuerst einen sagitta- ‚len Schnitt durch den Knochen führt, und dann nach ein paar Tagen die getrennten Theile entfernt, so SC hrätnif das Thier mit seinem offen daliegenden Gehirn ruhig umher. Nervus glossopharyngeus. N. IX. 1 Bezüglich des Nervus glossopharyngeus der Fische herrscht bei den "Autoren Unklarheit. Hi l J. Mürzer (a. a. O.) kennt bei Petromyzon fluviatilis einen Nervus facialis und hypoglossus, aber keinen Glossopharyngeus; eben so schreibt ‚er den Myxinoiden einen Facialis aber keinen Glossopharyngeus zu. Die | Rami pharyngei branchiales kommen vom Vagus. | Auch nach SchLemm und v’Arron (a. a. ©.) hat Petromyzon keinen ‚selbständigen Nervus IX. Cuvier (et VALENCIENNES a. a. O.) sagt p. 436: il y a d’ordinaire ‚en avant de la VIII (vagus) un nerf particulier qui repond au glosso- pharyngien. Treviranus (a. a. O. Bau und Funktionen etc.) sagt, p. 52: »Nach | ScarPpa (de auditu et olfactu) ..... werden bei den Grätenfischen von | j \ | h 302: along | = Pu Mayser, - diesem (Trigeminus) zugleich die Theile versorgt, zu welchen bei den höheren Thieren der Glossopharyngeus geht.« Trevıranus selbst schreibt. den Teleostiern zwar einen Facialis aber keinen Nervus IX zu. E. H. Weser (Über vier Längsnerven etc. Archiv für Anatomie und Physiol. 1827. I) findet beim Wels keinen Glossopharyngeus. ‚Nach Carus (a. a. O. p. 316) entspricht das siebente Nervenpaar bei den Knochenfischen mehr dem Glossopharyngeus als dem Communi- cans faciei. GoTTscHE (a. a. O. p. 477) lässt zwischen Quintus und Acusticus den Nervus primus branchialis entstehen, der auch als erster Vagus- ast vorkommen soll und sagt: »Cuvier vergleicht ihn dem Glossopharyn- geus.« Hierin täuscht sich aber GoTTscHE, denn Cuvıer’s Glossopharyn- geus entspringt zwischen Acusticus und Vagus. Leurer (a. a. ©. p. 149) ist vorsichtig: ils (les glossopharyngiens) sont chez les poissons assez intimement lies aux nerfs pneumogastri- ques pour que leur existence comme nerfs distincts soit au moins dou- teuse. Stannıus (a. a. ©. p. 74) schreibt der Mehrzahl der Fische einen vollkommen selbständigen Glossopharyngeus zu; eben so Bücuner! den von ihm untersuchten Thieren. In gleicher Weise beanspruchen | BauDELoT (a. a. OÖ. p. 70), Fee2 und Vıaurt (a. a..O. p. 462) für die Knochen- und Knorpelfische eine einfache aber selbständige Glossopharyngeuswurzel, die ventral von der vorderen Vaguswurzel dieser Autoren die Oblongata verlassen soll. Stıepa (Knochenfische p. 28) betrachtet den »Glossopharyngeus der Autoren« als eine dritte Wurzel des Vagus. Auf seinen schemati- schen Figuren 16 und 17 ist dieser Nerv der hinterste Ast des Acusti- cus. Auf Fig. I und 2 in der Dissertation über Esox lucius ist er da- gegen ein gesonderter zwischen Vagus und Acusticus entspringender Nerv. Nach Ronon (a. a. O. p. 23) entspringt der Nervus IX der Selachier mit einer Wurzel an der ventralen Fläche des Nachhirns. An seinen Zeichnungen 10 und 20 sieht man ihn lateral abgehen. Fritsch (a. a. O.) zeichnet bei den Selachiern den Nervus IX an 1 M&moire survle systeme nerveux du Barbeu in Memoires de la societe du Museum d’histoire naturelle de Strassbourg. T. II. 4835. 2 Recherches sur le systeme lateral du nerf pneumogastrique des poissons in Memoires de la societe des sciences naturelles de Strassbourg. T. XVI. 1866 bis 1870. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 303 ‚der Stelle wie RoHon oder GEGENBAUR (a. a. O. p. 543, Fig. 290), bei seinen Teleostiern vermisst man ihn aber regelmäßig. Im Kontext, ‚p. 88, nennt Fritsch die obersten (vordersten) als gesonderter Stamm ‚verlaufenden Vaguswurzeln »Glossopharyngeus der Autoren« und lässt "in dessen Bildung (Fig. 36) ein dickfaseriges Bündel d. gl. eingehen, das im hinteren Längsbündel von vorn nach hinten verläuft und sich { vor seinem Austritt in der Mittellinie mit seinem Partner kreuzt. Es.ist also weder die Frage definitiv entschieden, ob die Fische einen Glossopharyngeus haben, noch ob dieser Nerv, wenn er vorhan- ‚den ist, selbständig oder ein partieller, bzw. totaler, Abkömmling des Vagus ist. A priori erwarten wir, dass das neunte Hirnnervenpaar auch ‚bei den Fischen zwischen dem achten und zehnten und nicht, wie z. B. GoTTscHE anführt, zwischen dem fünften und achten von der Oblongata ‚abgeht. An ersterer Stelle haben die Cyprinoiden drei besondere “Nerven, einen feinfaserigen sensiblen, einen grobfaserigen motorischen "und eine nach hinten ziehende Wurzel aus dem Tuberculum acusticum, ) "den Ramus lateralis vagi nach Stannıus. Die beiden ersten treten nach ! ‘Art der Spinalnerven vor dem Vagus zu einander (Fig. 27, 28, N. IX. s. "und N. IX. mot.). Sie stellen also einen gemischten, vom Vagus und ""Acusticus wohl getrennten Nerv vor, den man der Lage nach für den “ Glossopharyngeus erklären kann, wie dies z. B. Büchner und STAnNIUS j thun, verfolgt man nun aber die Wurzeln centralwärts, so sieht man die ‚größere sensible gerade unter dem Ramus lateralis vagi (Stannıus) weg ‚nach hinten und eigwärts ziehen und in den vordersten Partien des ‚ gleichseitigen Vagusknotens verschwinden (Fig. 27, N. IX. s.). Die - kleinere motorische andererseits entspringt aus dem vorderen Theil des motorischen Vaguskerns (Nuc. N. IX. mot., Fig. 25), zieht dem hin- teren Längsbündel lateral-dorsal dicht anliegend nach vorn, biegt hinter ‚ dem vorderen Kern der ventralen Kniewurzel des Quintus gleichfalls im , Knie nach außen ab und gelangt zu ihrem dorsalen Gespann, indem sie "unter der ventralen Kniewurzel lateral-ventral-caudalwärts im Bogen | wegzieht, wobei sie die Bahn der aufsteigenden Trigeminuswurzel ‚ durchbricht (N. IX. mot., Fig. 25, 26, 27, 28, 50). Es ist möglich, aber f unwahrscheinlich, dass sich einzelne ihrer Fasern vor dem Austritt in ' der Raphe kreuzen. Schon bei den Säugern, wo doch die einzelnen Hirnnerven viel | differenzirter auftreten, behandelt Meynerr ! das IX., X. und XI. Paar ‚ wegen ihrer innigen Vermischung gemeinsam als »seitlich gemischtes 1 Vom Gehirn der Säugethiere in STRICKER’s Handbuch der Gewebelehre. Leip- zig 1870. p. 787 etc. 304 P, Mayser, System«. Bei den Cyprinoiden ist die Differenzirung möglichst unvoll- kommen. Vagus und Glossopharyngeus entspringen im Wesentlichen aus denselben Kernen und man thäte ‚vielleicht besser, den letz- teren einfach als aufsteigende Wurzeln zu der großen Vagusgruppe (im Sinne GEGENnBAUR’s) zu zählen, so wenig ich seine physiologische Gleichwerthigkeit mit dem Glossopharyngeus der höheren Vertebraten gegen Stannıus und Büchner bestreiten will. Ist nicht der motorische Antheil des Glossopharyngeus der Autoren hier ganz bedeutend im Ver- gleich zu den Säugern, wo dieser Nerv für einen fast ausschließlich sensiblen gilt? und sollte man nicht vermuthen, dass der sehr große motorische Kern des Vagus der Cyprinoiden auch den Accessorius der Säuger wenigstens zum Theil ersetze ? Abgesehen von diesen vordersten zwei Vaguswurzeln haben die Cyprinoiden keinen Nerv, der sich mit dem Glossopharyngeus ver- gleichen ließe. Das Bündel d. gl. Frırscn, auf das wir später zurück- kommen werden, gehört, sofern wir uns in der Identität nicht täuschen, nicht hierher. Stiepa (Knochenfische, p. 34) scheint in der Detailbeschreibung auch die hintere Acusticuswurzel, bzw. den Ramus lateralis vagi (STAnnıus), zum Glossopharyngeus zu rechnen. _ Ventrale gekniete (N. V. gen. vent. [VII.]) und absteigende bzw. transversale Wurzeln des Quintus. (N. V. trans. und desc.) Wie sich der Typus der Rückenmarksnerven, d. h. die Zusammen- setzung aus dorsalen sensiblen und ventralen motorischen Wurzeln an den Nerven der Vagusgruppe wiederholt, so entsprechen auch den sen- siblen Wurzeln der Trigeminusgruppe periphere motorische Bahnen, nämlich der aufsteigenden die absteigenden, bzw. transver- salen Wurzeln, und der dorsalen geknieten die ventrale, d.i. das Homologon des Facialis. Die grobfaserige ventrale gekniete Quintuswurzel (N. V. gen. vent. |VIl.]) kennt Srıeva (p. 35 und 55, Knochenfische) und Fritsch (a. a. 0. p. 85). Die Wurzel bildet sich bei Cyprinoiden aus zwei hinter einander entspringenden Bündeln. Das hintere legt sich der Außenseite der aufsteigenden motorischen Vaguswurzel (N. IX. mot.) an und kommt aus dem hinteren Trigeminuskern Srtıepa’s und einer Ansammlung sehr großer blasenförmiger Zellen, welche zwischen den Kommissurenfaserzügen und zu beiden Seiten des hinteren Längsbün- dels liegen (Nuc. N. V. gen. vent. post., Fig. 27); das vordere ent- springt in derselben Weise da, wo die aufsteigende motorische Vagus- Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks, d. Gyprinoiden. 305 ‚ wurzel (N. IX. mot.) nach außen umbiegt (Nuc. N. V. gen. vent. ant., Fig. 29). Vereinigt ziehen beide, fast nur vom Epithel des Gentralkanals bedeckt und mit dem hinteren Längsbündel außen oben innig verbun- - den nach vorn, biegen etwas vor der Umbeugungsstelle der dorsalen ' Kniewurzel plötzlich unter rechtem Winkel nach außen um, wobei sie den N. V. asc. und die vordersten Partien der vorderen Acusticuswurzel ‚ {N. VIII. anti.) durchbrechen (Fig. 27—34). Die Gruppen großblasiger Zellen sind für jedes Bündel durch , zwischengeschobene Kommissurenfaserzüge getrennt und ausgezeichnet durch wahrlich enorme Protoplasmafortsätze, die sie über die Raphe ‚und zur Innenseite der Sec. V. T. B. ausstrecken (Nuc. N. V. gen. vent. ant. und post., Fig. 27 und 29). Der hintere Trigeminuskern Sriena’s (Nuc. N. V. gen. vent., Fig. 27 und 28) ist dagegen beiden Bündeln ge- ‘meinsam. Der große einzige Kern liegt an der Innenseite der Sec. V. 'T. B. und besteht aus langgestreckten fortsatzreichen Zellen. Wie der Verlauf der ventralen Kniewurzel dem des N. facialis der höheren Wirbelthiere ungemein ähnlich ist, so kann dieser letztere Kern ‚dem Facialiskern mit allem Recht verglichen werden. Die Art und "Weise wie sich die von ihm entspringenden Nervenfasern neben dem "hinteren Längsbündel sammeln, erinnert durchaus an die Bildung des 'Facialis beim Kaninchen. Die beiden Gruppen großblasiger Zellen sind dagegen dem Facialis der Fische mindestens eigenartig. — | Dass sich einzelne Fasern der ventralen Kniewurzel kreuzen, ist möglich ; die direkte Beobachtung ergiebt dafür keinen positiven Anhalt. Die weit überwiegende Mehrzahl ist jedenfalls ungekreuzt. Zu der von Frıtsch beschriebenen transversalen Wurzel mit ihrem ‚Kern n. ir, Fritsch muss ich Folgendes bemerken : Der Kern ist bei Cyprinoiden jederseits doppelt und jeder ein- ‚zelne hat seine Eigenthümlichkeiten. Beide liegen hinter einander an ‚der Innenseite der Sec. V. T. B., der hintere etwas ventraler als der ‚vordere. Der hintere (Nuc. N. V. trans. post., Fig. 32) besteht aus- schließlich aus großen langgestreckten Ganglienzellen. Seine Fasern um- ‚ziehen die Sec. V. T. B. von oben im Bogen und treten so ziemlich in ‚ihren Ursprungsebenen von der Oblongata weg, indem sie sich dem N. V. asc. von vorn anschließen. Ein Theil derselben kreuzt sich höchst - wahrscheinlich vor seinem Austritt in der Raphe. Man sieht ganz | zweifellos Fasern aus dem Kern in die Commissura transversa und aus dieser solche in die Wurzel ziehen. Die Wurzel verdient wirklich den ‚Namen einer transversalen (Fig. 32). | Der vordere Kern (Nuc. N. V. trans. ant.) verhält sich im Großen ‚wie der hintere, nur hat er innen und oben eine Anzahl sehr großer Ne 306 P. Mayser, blasiger Zellen ähnlich den bei der ventralen Kniewurzel beschriebe- nen. Indem sich seine Wurzel gleichfalls um die Sec. V. T. B. herum- schlägt und jener aus dem hintern Kern anschließt, wird ihr Verlauf etwas absteigend (Fig. 33). Zu ihr gesellt sich ein Bündelchen sehr dicker Fasern, die man mit der Commissura transversa bis ins hintere Längsbündel verfolgen kann (gekreuzt?), und außerdem höchst wahr- scheinlich die absteigende Quintuswurzel imengeren Sinn, wie- wohl ich dies nicht sicher beweisen kann. Übrigens hat man wohl ein Recht, diese letztere der äußeren ab- steigenden Wurzel der Säuger zu vergleichen. Sie ist sehr schwach und besteht aus locker angeordneten dicken Fasern. Diese verfolgt man nicht ganz in der Höhe des Aquaeductus, ohne dass sie mit Zellen in Berührung kämen, bis an die Seite des hintern grobfaserigen. Antheils der Commissura posterior (also nicht bis ins Zwischenhirn, wie Fritsch angiebt). Hier herrscht aber ein solches Gemisch dicker Fasern aus dem hinteren Längsbündel und der genannten Kommissur, dass mich das Suchen nach einer Verbindung mit Nervenzellen im Stiche ließ. Ich stehe indessen nicht an, hierfür Elemente in Anspruch zu nehmen, die im centralen Höhlengrau in der Nähe der Kommissur, ja sogar zwi- schen deren Fasern liegen und die frappanteste Ähnlichkeit mit den Zellen des äußeren absteigenden Quintus der Säuger haben. Sie liegen in Gruppen von zwei bis sechs beisammen ; ihr Leib ist rund ; am einen Pol sieht man den Nucleus, am andern sehr häufig den Deiters’schen Fortsatz: das Ganze gleicht einer Johannisbeere an ihrem Stielchen. Der Achsencylinder ist jedoch nicht der einzige Fortsatz; an guten Präpa- raten sah ich wiederholt vom entgegengesetzten Pol mehrere feine Proto- plasmafortsätze abgehen. Anordnung und Verbreitung dieser Zellen lässt sich am besten an schräg nach vorn und oben ansteigenden Horizontal- schnitten studiren (Fig. 57, Nuc. N. V. desc.). — Fritsch sagt p. 83, dass er bei den Knochenfischen keine Zellen gefunden habe, welche den Zellen des äußeren absteigenden Quintus ‚der Säuger ähnlich seien. Ich muss die Existenz der oben beschriebenen vor der Hand für die untersuchten Cyprinoiden und den Hecht entschie- den vertreten. Die gekreuzten Fasern, die sich, wie FrırscH gefunden hat (p. 8%), zur absteigenden Trigeminuswurzel im engeren Sinn gesellen, lassen sich beim Karpfen sehr schön beobachten, ich habe aber nie deutlich gesehen, dass sie die Oblongata als peripherer Nerv verlassen. Dagegen käme jetzt noch in Frage, ob sich nicht die Fasern aus den beerenförmigen Zellen zum Theil in der Commissura posterior kreuzten. Ich sehe sie manchmal den Weg nach der Kommissur einschlagen, meist Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 307 aber ziehen sie von der Zelle weg ventralcaudalwärts in der Richtung der Wurzel. | Einen Faserzuschuss zu unserer Wurzel, der lateral von der Co- lumna fornieis Frırsch nach oben und hinten zöge (Frırscn p. 83), habe ich nicht beobachtet. Die periphere Verbreitung der einzelnen absteigenden, bzw. trans- versalen Wurzeln des Trigeminus lässt sich wohl nur durch die Guppen- : sche Exstirpationsmethode befriedigend darthun. Abducens. N. VI. Acusticus. N. VI. Um die Beschreibung der Nerven der Trigeminusgruppe sogleich zu Ende zu führen, sind noch ein ventraler Antheil, der N. abducens, und ein dorsaler, der N. acusticus, zu betrachten, welch letzteren man gewöhnlich (GEGENnBAurR) mit dem N. facialis verbindet. Ich wüsste wirklich nicht, was der Auffassung dieses Nervs als dorsalen Astes der Quintusgruppe im Wege steht, wenn man nur im Auge behält, dass sich derselbe und sein Kern durch specifische Differenzirung aus- zeichnen. Die morphologische Übereinstimmung beider Kniewurzeln mit einem gewöhnlichen Spinalnervenpaar ist in die Augen springend und doch unterscheidet sich der dorsale Ast, der die tastenden Organe des Gesichts mit Nerven zu versehen hat, durch seine ausschließliche Entstehung aus der Substantia gelatinosa von einer gewöhnlichen sen- siblen Spinalnervenwurzel. Ähnlich steht es um den Acusticus. Bei aller specifischen Differenzirung, sogar beim Mangel eines peripheren Ganglion, bleibt doch als einheitliche Regel, dass die centripetal leiten- den Nerven aus der dorsalen, die centrifugal leitenden aus der ventra- len Wand des primitiven Medullarrohrs entstehen. Wir werden dess- halb, um dies gleich hier zu sagen, auch die Sehnervengruppe unter diesem Gesichtspunkt betrachten und in den Nervi trochlearis und oculomotorius den ventralen, im Nervus opticus selbst den dorsalen Antheil des peripheren Nervensystems des Mittelhirns beschreiben. Ja, ich möchte noch weiter gehen und die ganze dorsale Wand der drei hinteren Hirnblasen für eine im Wesentlichen sensible, d. h. auf centri- petale Reize thätige, die ventrale für eine im Wesentlichen motorische Platte erklären, und was sich zwischen beiden an Fasersystemen ein- schaltet, mag vornehmlich den zweifellos sehr mannigfaltigen Reflexen zur Leitung dienen. Abducens. N. VI. Die Nervi abducentes sind bei den von mir untersuchten Fischen 308 P, Mayser, immer beiderseits doppelt vorhanden als zwei dünne, ziemlich nahe hinter einander von der ventralen Fläche der Oblongata abgehende Nervenfäden (Fig. I, N. VI.). Der Ursprung des hinteren fällt beim Karpfen annähernd in die Umbeugungsfrontalebene der dorsalen, der des vorderen in die Umbeugungsfrontalebene der ventralen Knie- wurzel des Trigeminus, ein Umstand, der die Homologie dieses Nervs mit dem Facialis der Säuger noch mehr erhärtet (Fig. 30 und 31). Beide Kerne liegen im ventralen Dritttheil der Oblongatabasis in einiger Entfernung von der Raphe, also ganz anders als bei den Säugern und als es Fritsch p. 86 für die Knochenfische angiebt. Auch bei der Blind- schleiche und der Taube liegen sie nicht im Bodengrau des Ventrikels. Die Kerne bestehen je aus einer kleinen Zahl großer fortsatzreicher Ganglienzellen vom Charakter der motorischen. Die Richtung der aus- tretenden Nerven ist ventral mit unbedeutender Neigung nach vorn. Von den Kernen sieht man regelmäßig feinere Fasern zur Raphe ziehen, sichere Verbindungen mit anderen Hirntheilen habe ich aber nicht beobachtet. Acusticus. N. VII. Der Nervus acusticus der Gyprinoiden ist ein mächtiger Nerv, was übrigens von den Autoren für die Knochenfische im Allgemeinen an- gegeben wird. Sein Kern ist im Wesentlichen das Tuberculum acusti- cum (Tub. ac., Fig. 19, 27—32, 50). Dies ist eine Anschwellung der ganzen Seitenwand des IV. Ventrikels, welche ventral von der Sec. V. T. B., hinten von den zusammenfließenden Lobi vagi et trige- mini, vorn vom Cerebellum (Rindenknoten der Sec. V. T. B.) begrenzt wird. Die dorsale Kniewurzel des Quintus verläuft, wie schon erwähnt wurde, ein Stück weit an seiner Innenseite. Dieselbe trennt dem Ven- trikel zu ein Ganglion ab, das im Bau mit dem Tuberculum überein- stimmt und also wahrscheinlich auch zu ihm gehört (Fig. 30, y). Die Tubercula beider Seiten sind vor dem Lobus trigemini über dem IV. Ventrikel durch eine breite graue Brücke mit einander verbunden und an ihrer dorsalen Oberfläche, wie bereits erwähnt wurde, von einer Fortsetzung der radiär gestreiften Kleinhirnrindenschicht (Molecular- | schicht) überzogen. Nur unmittelbar hinter dem Kleinhirn ist die IV. Hirnkammer auf eine kurze Strecke geöffnet (Fig. 19). Das Tubercu- lum acusticum ist durchsetzt von zahlreichen Nervenzellen, Nerven- faserzügen und Blutgefäßen, wodurch es sich leicht von seiner Klein-. hirnrindendecke trennen lässt. Die Zellen sind meist ziemlich klein, rundlich oder eckig mit mehreren Fortsätzen, die ein reichmaschiges Netzwerk formiren. Nur in der Umgebung der austretenden dorsa- N Vergl. anat, Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 309 len Kniewurzel des Quintus findet sich eine ansehnliche Menge großer, mit ungemein langen Protoplasmafortsätzen ausgestatteter Elemente (Fig. 30). — Die Faserzüge des Tuberculum setzen dasselbe in Verbindung mit den verschiedensten Hirntheilen und sind von eingreifender Be- deutung für die Entwicklung der Oblongata (Pars commissuralis STIEDA). Ich unterscheide eine kleinere hintere (N. VIII. post.) und eine größere vordere (N. VIII. ant.) Acusticuswurzel, ferner sich kreuzende ventrale und dorsale Fasersysteme und endlich Bündel aus der unteren Olive (V. Ronon), also Antheile des Corpus restiforme, welche das Tuberculum einfach durchziehen und auf die wir bei der Besprechung jener Bahn zurückkommen werden (St. Z.). Hintere Acusticuswurzel. N. VII. post. (Ramus vagi lateralis.) Die hintere kleinere Acusticuswurzel, die aus mittelstarken Nerven- fasern besteht, verlässt die Oblongata ein klein wenig dorsal-nasal von der aufsteigenden sensiblen Vaguswurzel (N. IX. s.) in ausgesprochener Richtung nach hinten. Indem sie innerhalb des Tuberculum nach vorn, oben und innen ansteigt, spaltet sie sich circa im hinteren Dritt- theil desselben in zwei Arme, von denen sich der eine medianwärts verliert, der andere aber nach vorn und oben weiter zieht und zum Theil bis in die nächste Nähe des Kleinhirns verfolgt werden kann. Die Angabe des Srtannıus in seinem vortrefflichen Werk über das peripherische Nervensystem der Fische p. 92: »Die vorzüglichste Quelle des Seitennervensystems ist... .. eine eigene... über der Wurzel des N. glossopharyngeus aus ... . dem sogenannten Lobus posterior der Ob- longata entspringende einfache Wurzel!«, hat die Vermuthung in mir 1 Mit dieser Beschreibung des Stannıus stimmen auch die Angaben der spä- ieren Autoren (BAUDELOT, FEE, VıauLT) überein. Ich gebe hier nur die Worte Fer's, der in seiner Monographie sur le systeme du nerf pneumogastrique a. a. O. zwar die periphere Vertheilung dieses Systems in sehr übersichtlicher Weise dargethan, bezüglich seines centralen Ursprungs aber nur wenig Neues erbracht hat. F&r er- klärt (wie auch BAuDELoT und VıauLT) den Truncus lateralis für la racine anterieure du pneumogastrique und sagt, dieselbe verlasse das Gehirn z. B. bei Leuciscus ru- tlus.. sur les cötes de la moelle allongee en arriere du glossopharyngien et de | . . B \ ‚ Yacoustique, au dessus desquels elle semble se continuer jusqu’ä la grosse ra- | eine du trijumeau, par !intermediaire d’un renflement allonge de substance grise, BAUDELOT verwundert sich zwar darüber, dass er Fasern seiner vorderen Vagus- ' wurzel bis zum Kleinhirn verfolgen konnte und macht die Physiologen auf diese "| Beobachtung aufmerksam, denkt aber nicht daran, dieselbe mit dem Acusticus in / Verbindung zu bringen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 94 310 P, Mayser, erregt, es möchte der von mir als hintere Acusticuswurzel erkannte Nerv der Cyprinoiden identisch sein mit dieser von STAnNIUS ange- gebenen Hauptwurzel des lateralis. Es kam dazu, dass ich bereits beim Schlammpeitzger, bei der Barbe, bei Leuciscusarten etc., auch wenn die Hirnnerven nur auf kurze Strecken erhalten waren, makroskopisch dasselbe Verhältnis der hinteren Acusticuswurzel zum Vagus gesehen hatte, wie es Stannıus, Taf. II Fig. 1, bei Spinax acanthias vom Ramus lateralis zeichnet. Als ich nun einige frische Cyprinoiden (zwei Exem- plare von C. barbus, ein Carassius vulgaris, zwei Chondrostoma nasus, zwei Leuciscusarten) eingehender auf dieses Verhältnis untersuchte, beobachtete ich Folgendes: Von dem großen Ganglion Gasseri zieht eine aus Nervenfasern und grauer Masse bestehende Fortsetzung der Oblongatabasis entlang nach rückwärts und theilt sich vor den Vagus- wurzeln in zwei Äste, von denen der eine unter, der andere über diesen Wurzeln weiter zieht; es ist der untere und der obere Re- currens der Autoren (Büchner, a. a. O. p. 18, Stannıus). Zum obe- ren gesellt sich die hintere Acusticuswurzel!. Beide zusammen, Recur- rens superior und hintere Acusticuswurzel, bilden nach ihrem Austritt aus dem Schädel den Stamm des Nervus lateralis. Der Nervus lateralis besteht also aus zweierlei Fasern. Nach Stannıus’ Untersuchungen sind die aus dem Trigeminus kommenden fein und verbreiten sich vor- nehmlich in der Haut des Rumpfes, die aus dem eigentlichen Ramus lateralis (hintere Acusticuswurzel) breit und enden in den Schleim- kanälen des Operculum, der Ossa suprascapularia und supratemporalia Cuvier’s und der Seitenlinie des Rumpfes. Inzwischen haben die schönen Untersuchungen Leypıg’s? dargethan, dass man in diesen Kanälen nothwendig specifische Sinnesorgane er- kennen muss und zwar denkt dieser Autor vornehmlich an Tast- organe. Berücksichtigt man aber, dass die Nerven aus dem Tuber- culum acusticum, also aus einem zweifellosen Acusticuskern kommen, dass ihre Wurzel der eigentlichen (vorderen) Acusticuswurzel histo- logisch durchaus ähnlich ist, dass nach Stannıus’ Untersuchungen bipo- lare Ganglienzellen in die Fasern eingeschoben sind, wie es FrırscH im ! Büchner, der diese Wurzel »la racine superieure du nerf vague« nennt, giebt davon eine Zeichnung. Fig. XI, db. 2. Die Zeichnung von E. H. Weser, Taf. IV, Fig. 26. 46 in dem Aufsatz über das Geschmacksorgan des Karpfen in MECKEL’S Archiv für Anat. und Phys. 1827 ist ungenau. 2 Über die Schleimkanäle der Knochenfische. Archiv für Anat., Physiol. und wissensch. Medic. von J. MüLLEr. 4850. ‘ _ no mund n e mnen ne —uatEEE PEN. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 314 Anschluss an M. ScnuLtze für den Stamm des Acusticus angiebt!, so hat man gewiss alles Recht, hier zunächst an ein accessorisches Gehörorgan zu denken. Diese Vermuthung erhält eine bedeutende Stütze durch den eigenthümlichen histologischen Bau der Schleim- kanäle, von welchem Lrynie (a. a. OÖ. p. 180) sagt: »Schon eine ein- fache vergleichende Beobachtung zwischen einem Bogengang des Ge- hörorgans mit seiner Ampulle und einer sogenannten Schleimröhre muss die wesentlich ähnlichen Beziehungen, die beide Organe mit einander gemein haben, anerkennen. Hier wie dort haben wir Röhren aus Binde- gewebe bestehend mit zahlreichen Gefäßen, und die von mir entdeck- ten Nervenknöpfchen entsprechen vollkommen der Ausbreitung des Gehörnerven in der Ampulle.« Auch die späteren Untersuchungen von F. E. ScauLze ?2 stimmen damit überein: er sagt p. 762: ».... man sieht eigenthümliche, in Mitte mit einer Konkavität versehene, zellige Hügel und aus dieser Konkavität eine Menge starrer parallel stehen- der Haare in das umgebende Wasser hinausragen,, welche Haare mit den in den Ampullen des Gehörorgans beschriebenen ziemlich überein- stimmen«. Endlich spricht für die Auffassung der Schleimkanäle als Organe des Gehörsinns ihre Verbindung mit knöchernen Rinnen und Kanälen (am Schädel die Ossa nasalia, infraorbitalia und supratempo- ralia Cuvier). Zwar ist Leypıc der Ansicht, dieselben dienten bloß als » Stützen und Schutz « für die Nervenausbreitung, allein man kann auch geltend machen, dass sie beim Aufenthalt im Wasser, also bei ausge- schlossener direkter Luftleitung die Schallleitung besser übernehmen als z. B. die sehr elastische Lederhaut. Ja, gerade diese Ansicht erklärt wenigstens einigermaßen ungezwungen die von Leypıc wiederholt aus- gesprochene Bemerkung, dass man es hier mit einem speciell für den Wasseraufenthalt berechneten Sinnesorgan zu thun habe. — Die weiteren von F. E. ScuuLze a. a. OÖ. an Amphibien und von Leypıe® an Amphibien, Reptilien und selbst wirbellosen Thieren ge- machten und in Beziehung zu den Schleimkanälen der Fische gebrach- ten Beobachtungen sprechen nicht gegen die Auffassung derselben als Organe des Gehörsinnes. Gegenüber der von Levis wiedergegebenen 1 Stannıus selbst (Periph. Nervensystem, p. 15) giebt an, im Bereich des Acusti- ' cus nie Ganglienkörper wahrgenommen zu haben. 2 Über die Nervenendigung in den sogenannten Schleimkanälen der Fische und , über entsprechende Organe der durch Kiemen athmenden Amphibien. Archiv für -, Anatomie, Physiol. und wissensch. Medic. von Reichert und Du Boıs-REymoxD. 4864. 3 Über Organe eines sechsten Sinnes. Novor. Actor. Academ. Caesar. Leop. -| Carol. germanic. naturae curiosor. XXXIV. 4868. 313 312 P. Mayser, Angabe des Stannıus, wonach die Schleimröhren des Kopfes der Fische von den Rami frontalis et buccalis trigemini versorgt werden, mache ich auf Folgendes aufmerksam: Auch diese Schleimröhren haben nach Stannıus nur breite Nervenfasern und zwar aus der II. Wurzel des Trigeminus. Die II. Quintuswurzel des Stannıus entspringt aus dem Tubereulum acusticum und ist bei den Cyprinoiden, wie jener Autor p. 28 sagt, »fast ganz verdeckt von der Ill. Wurzel«, d. h. unserer dor- salen geknieten. Bedenkt man jetzt, dass Stannıus als I. Wurzel unsere aufsteigende mit den absteigenden (bzw. transversalen), als IV. die ventrale gekniete behandelt, so kann man unter seiner Il. nur einen Acusticusantheil oder jene unklaren Wurzeln, innere aufsteigende und gekreuzte absteigende, verstehen, die jedenfalls beim Austritt vom Acusticus nicht zu trennen sind. Wir werden sogleich auf sie zu sprechen kommen. An einer frontalen Karpfenreihe sehe ich auch dorsal von der III. Wurzel des Stannıus und mit ihr vereinigt dicke Acusticusfasern aus dem Hörhöcker austreten. Sind nun ferner nach Srtannıus die breiten, für die Kopfschleim- röhren bestimmten Fasern seiner II. Quintuswurzel keine motorischen, so betheiligen sie sich andererseits auch nicht an der Bildung des Gasser’schen Knotens; sie haben vielmehr gleich wie die hintere Acusti- cuswurzel (Ramus lateralis vagi nach Srannıus) eingeschalteie Gan- glienzellen und ich glaube also, wenn auch einstweilen der strikte Be- weis noch aussteht, dass man sie gleichfalls für Acusticusfasern halten muss. Somit spreche ich die Ansicht aus, dass die Schleimkanäle der Fische nichts Anderes sind als ein weit über die Körperoberfläche aus- gebreiteles accessorisches Gehörorgan , von dem ich gerade nicht be- haupten will, dass es Schallempfindungen zu vermitteln habe, dessen Funktion aber in den Bereich des zur Zeit noch unvollkommen erkannten Gehörsinns fallen wird. Vordere Acusticuswurzel. N. VIll. ant. Das Austrittsgebiet der großen vorderen Wurzel liegt unmittel- bar vor der Austritisstelle der aufsteigenden Vaguswurzeln (N. IX. s. und mot.) und also ventraler als das der hinteren (Fig. I, 29, 30, 31, N. VIII. ant.). Nach ihrem Eintritt ins Tuberculum fahren die vor- nehmlich mittelstarken Fasern der Wurzel bündelweise wirr durch ein- ander, wobei sie das ganze Tuberculum durchsetzen und zum Theil bis ins Kleinhirn vorzudringen scheinen, was übrigens um so schwerer zu konstatiren ist, als der Hörhöcker ganz verloren in die Körnerschicht, des Gerebellum übergeht. Innerhalb des Tuberculum wird die Wurzel in ihren vorderen Partien von der dorsalen Kniewurzel des Quintius durch- | \ z — | Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d, Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 313 brochen. — Außer diesem notorischen Trigeminusantheil drängen sich - aber noch drei (N. VIII. «. dors., N. VIII. «. vent. und N. VIII. P.) durch ihren Verlauf ausgezeichnete Bündel dicker Nervenfasern in sie ein, die mir besonders dadurch Schwierigkeiten bereitet haben, dass ich nicht ins Klare kommen konnte, ob sie wirklich zum Acusticus oder zum Trigeminus gehören. Zwei dieser Bündel, ein dorsales und ein ventrales (N. VIII. «. dors. und vent.), verbinden die Acusticuswurzel mit caudalwärts, das dritte mit nasalwärts vom Hörhöcker gelegenen Hirntheilen (N. VIII. 8.). — Frıtscn (a. a. O. p. 88, Fig. 36 nicht be- zeichnet) kennt das dorsale von den beiden ersten, leitet es aus dem hinteren Längsbündel ab und lässt es in der » Nachbarschaft des Acusti- cuskerns« endigen. Frırscun sagt, Srırpa lasse diesen Faserzug in den Quintus übergehen. Ich muss gestehen, dass mir die Identität der von Srıepa Knochenfische p. 35 (Fritsch citirt p. 88 Anm. 3 eine falsche Seite) zu Anfang beschriebenen Wurzel bei Gadus lota mit unserem dorsalen Bündel durchaus nicht zweifellos ist. Dieses ist nämlich sehr klein, sehr locker, während die Stiepa’sche Wurzel den größten Theil seines »hinteren Trigeminus« ausmacht. Dass dieselbe gerade aus dem hinteren Längsbündel komme, sagt Stiepa zudem nicht. Beim Hecht leitet Stiep«a (p. 55) eine starke grobfaserige Quintus- wurzel aus den »Längsfasern unterhalb und seitlich vom Ventrikelc« her; diese muss man nothwendig für meine ventrale gekniete halten. Unser dorsales Bündel zum Acusticus ist auch beim Hecht recht klein und jedenfalls kleiner und undeutlicher als die ventrale Kniewurzel. Eben so: verhält es sich bei der Forelle, wo das Bündel noch relativ am stärksten ist. Bei den Cyprinoiden besteht das Bündel N. VIII. «. dors. aus wenigen — man könnte sie zählen — und sehr locker vereinigten Fasern. Sie dringen nahe hinter der austretenden ventralen und unterhalb der dorsalen Kniewurzel des Quintus in die verschlungenen Bündel der vor- deren Acusticuswurzel ein, nachdem sie vorher die aufsteigende Trige- minuswurzel übersetzt haben (Fig. 30). Bis zur Peripherie konnie ich sie indessen nie ganz verfolgen und so wäre es entsprechend der An- sicht Frırsen’s wohl möglich, dass sie in großen Zellen enden, welche sich zwischen den Acusticusbündeln eingestreut finden. Aber auch das caudale Ende des Bündels ist mir nicht klar gewor- ‚ den. Die Hauptrichtung geht vom Acusticus aus geschlängelt gegen den hinteren Kern der ventralen Kniewurzel (Fig. 27). Vielleicht enden hier ‚ einzelne Fasern in großen Zellen, die zwischen hinterem und lateralem Längsbündel liegen; ich sehe einmal den Deiters’schen Fortsatz einer solchen Zelle sich zu unserem Bündel gesellen. Die Mehrzahl der Fasern 314 P, Mayser, zieht jedoch im hinteren und wie es scheint auch im lateralen Längsbündel unbestimmbar weit nach hinten. In einer Karpfenreihe bleibt ein Theil des Bündels an der oberen Seite der sekundären Vagus-Trigeminus- bahn bis zum Anfang des motorischen Vaguskerns, wo er dann in Ge- sellschaft von Kommissurenfasern medianwärts ins hintere Längsbündel abschwenkt und wahrscheinlich die Mittellinie überschreitet. Das ventrale Bündel (N. VIII. «. vent.) ist mächtiger als das dor- sale. Die Fasern ziehen locker geordnet lateral-ventral vom hinteren Längsbündel durch die Oblongata (Fig. 25, 27, 28). Nach hinten ver- lieren sie sich zwischen den Fasern des absteigenden Nervus hypo- glossus, bzw. des Vorderstrangs der Medulla, nach vorn sammeln sie sich in der Höhe des hinteren Abducens zu zwei Bündeln, kreuzen sich in der Raphe und ziehen theils unter, theils durch die sekundäre Vagus- Trigeminusbahn zur Peripherie, wo sie sich gleichfalls mit Acusticus- fasern vermischen (Fig. 30). Ihr Abgang von der Oblongata als periphe- rer Nerv lässt sich darum nicht ganz absolut sicher stellen, ist aber im höchsten Grad wahrscheinlich. Auch dieses Bündel ist bei der Forelle wieder verhältnismäßig groß. Beide Bündel haben ganz und gar das eigenthümliche Aussehen von Nervenwurzeln, allein was wird aus ihnen? Stellen sie auf- steigende motorische Quintuswurzeln, ventrale Partner der aufsteigen- den sensiblen Wurzel vor, die den Acusticus einfach durchsetzen, oder sind es wirkliche Acusticuswurzeln ? Ich kann nicht glauben, dass Hör- nervenwurzeln aus ventralen Theilen des Medullarrohrs entspringen. Oder sind es absteigende Wurzeln des Acusticus? Nach Cuvıer’s Angabe gehen Fasern vom ventralen Ast des ersten motorischen Spinalnerven (1. sp. |XII.]) zur Schwimmblase, die bekanntlich mit dem inneren Gehörorgan in Verbindung steht; Stannıus erklärt sie jedoch für mo- torische. Das dritte Bündel (N. VII]. ß.) verlässt zuverlässig die Oblongata als peripherer Nerv und zwar hinter der ventralen Kniewurzel des Quintus und innig vermischt mit dem vorderen Acusticus. Seine Fasern umziehen in der Richtung von hinten ventral nach vorn oben die sekun- däre Vagus-Trigeminusbahn im Bogen, um sich in der Raphe zu kreuzen. Hierbei werden sie von der ventralen Kniewurzel durchsetzt (Fig. 31) und umspinnen in der früher beschriebenen Weise das Endorgan der Mautaner’schen Faser. Gekreuzt ziehen sie im hinteren und lateralen Längsbündel nach vorn und scheinen in den großen Nervenzellen zu enden, welche in den Frontalebenen der transversalen Quintuswurzel auf der grauen Scheidewand zwischen hinterem und lateralem Längs- Vergl. anat, Studien üb. d. Gehirn d, Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 315 bündel liegen (Fig. 32, 33, Nuc. N. VIII. #.?). Allein dies ist nicht sicher; möglicherweise gehen die Fasern dorsalwärts aufsteigend in die vorderen Theile des Tuberculum acusticum über, möglicherweise ziehen sie noch weiter nach vorn. Ein Faserantheil der Wurzel N. VIII. $. streicht Anfangs unge- kreuzt nach vorn und überschreitet die Raphe erst in der Gegend der genannten großen Zellen. Wieder steht man vor der Frage: haben wir es hier mit einer Hörnervwurzel, oder mit einer den Acusticus einfach durchsetzenden Quintuswurzel zu thun? Wenn es sicher stände, dass sie aus den sroßen Zellen der Oblongatabasis entspringt, so würde ich sie für eine Trigeminuswurzel erklären. Unter den von Frırsch beschriebenen Bahnen finde ich zum Ver- gleich mit diesem ziemlich starken N. VIII. $. nur den Zug d. gl., Taf. VIEFig. 36. Allerdings ist bei letzterem der Bogen nach hinten viel größer, wie auch Frırscn sein Bündel d. gl. zu den vordersten Vagus- wurzeln (Glossopharyngeus) ziehen lässt, allein die Kreuzungsstelle ist ziemlich genau dieselbe. Alsdann wäre auch der Querschnitt VI? Frırsen vielleicht in Beziehung zum Endorgan der Mautnuner’schen Faser zu bringen, denn die Abducenskerne liegen wenigstens bei den von mir untersuchten Fischen viel zu nahe der Basalfläche der Oblongata, als dass sich vollends der Nerv schon in dieser Horizontalebene zeigte. Die im Vorstehenden beschriebenen drei Bündel (N. VIII. «. dors., N. VIII. «. vent. und N. VIII. ß.) haben drei Eigenschaften mit ein- ander gemein, die einigermaßen für ihren Charakter als Acusticuswurzeln sprechen, nämlich: 1) den Übergang in die große vordere Hörnervwurzel, 2) das starke Kaliber ihrer Fasern und 3) die Kreuzung in der Raphe, die wenigstens für das zweite und dritte Bündel zuverlässig, für das erste wahrscheinlich ist. Dass sich bei Vögeln, Reptilien und Fischen ein guter Theil des Hörnerven kreuzt, steht nach meinen Untersuchungen außer Frage, aber nicht weniger auch, dass bei den Fischen von den bekannten moto- rischen Quintuswurzeln jedenfalls nur ein kleiner Fasertheil die Mittel- linie überschreitet. — Kehren wir zum Tuberculum acusticum zurück! Wir haben oben zwischen ventralen und dorsalen Faserkreu- zungen bei den Gyprinoiden unterschieden. Dorsale Faserkreuzungen im Acusticusgebiet. N. VIII. y. Sec. A. B.? Ich nenne von den letzteren zunächst ein System mittel- 316 P. Mayser, starker Fasern, die sich bündelweise im Kleinhirn kreuzen und zwar zwischen der cm. p. 1 Frırscn’ (Kreuzung der sekundären Vagus- Trigeminusbahn) (vorn) und den gegen die Spitze des Kleinhirns an- steigenden Faserbündeln des gekreuzten Bindearms (hinten) (N. VIII. y, Fig. 32 und 33). Fritsch hat den Verlauf dieses Systems im Kleinhirn (p. 85) so zutreffend beschrieben, dass es gar nicht ver- kannt werden kann; er hält es für eine Trigeminuswurzel. Ich finde dasselbe besonders schön entwickelt bei der Forelle und auch beim Hecht, weniger bei den Gyprinoiden, muss es aber nach vielfachen und in den verschiedensten Schnittrichtungen angestellten Unter- suchungen für eine Hörnervenwurzel erklären. Man sieht bei Cyprinoi- den einen Theil der Fasern in den vordersten Partien des Tuberculum acusticum verschwinden; der größere Rest zieht in zwei annähernd gleich großen Bündeln (Fig. 50) nach rückwärts. Das tiefer gelegene senkt sich vor der ausbiegenden dorsalen Kniewurzel des Quintus ven- tralwärts, um sich mit Acusticusfasern untrennbar zu vermischen, das höhere zieht über die Kniewurzel weg nach hinten und schließt sich theilweise dem Zug der hinteren Acusticuswurzel an, zum Theil verliert es sich zwischen anderen Fasern des Hörnervhöckers. Die übrigen dorsal sich kreuzenden Fasern des Tuberculum über- setzen den IV. Ventrikel; es sind dem Kaliber nach zweierlei. In den hinteren, vor den Lobi vagi et trigemini gelegenen Partien (Fig. 28, 29, 30) kreuzen sich Bündel mäßig dicker Acusticusfasern, in den vorde- ren Partien aber (Fig. 30) gewahrt man eine ziemlich beträchtliche Kreuzung feinster Elemente, die in eine eigenthümliche Beziehung zum Kleinhirn treten. Die Fasern sammeln sich nämlich aus den obersten Lagen des Hörnervknotens und treten in ziemlich groben Bündeln direkt unter der (aus dem Kleinhirn herüber ziehenden) Rindenschicht (Mole- cularschicht) zur Kreuzung zusammen. Gekreuzt ziehen sie an der Innenseite der Ventrikelwand immer dicht unter der Rindenschicht sich haltend und also leicht vom Grau der Tubercula zu trennen nach vorn, um an der Stelle, wo Seitenwand des IV. Ventrikels (Corpus restiforme der Autoren) und Kleinhirn winklig zusammenstoßen, in zierlichen Bögen nach außen umzubiegen. Sie verschwinden alsdann in einer Partie der Körnerschicht des Kleinhirn, welche oben und außen vom vorderen Ende des Tuberculum acusticum und unmittelbar hinter dem Rinden- knoten der sekundären Vagus-Trigeminusbahn liegt (Fimbria cerebelli Frırsen nach Busen). Auf ihrem Weg längs der Ventrikelwand schlieben sich ihnen zahlreiche Bündel von derselben Beschaffenheit an, die in derselben Weise aus den vorderen, über dem IV. Ventrikel nicht ver- bundenen Theilen der Hörnervhöcker wie jene aus den hinteren kommen, —„..n———WebW[ee——e Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 317 aber erst im hintersten und ventralsten Theil des Kleinhirns zur Kreu- zung gelangen, ein Fasersystem formirend, das Frırscn als Tractus fimbriae oder Commissura corporis restiformis Owen beschreibt (Fig. 19, 31, 32, Tr. fimb. F.). Wie alle diese Fasern in den Fimbriae Busch enden, kann ich nicht angeben. In der Umgebung der Körner finden sich zahl- reiche Ganglienzellen, die in den ventralen Theilen den kleinen Zellen des Hörnervhöckers, oben und vorn aber den Purkinse’schen Zellen des Kleinhirns ähnlich sehen. Beide dürfen an dieser Übergangsstelle des Tuberculum ins Cerebellum nicht befremden. Wichtiger als die Frage nach der Endigung dieser Fasern erscheint mir die Aufklärung ihrer Beziehungen zum Nervus acusticus. Hat man es hier mit einer gekreuzten feinfaserigen Kleinhirnacusticuswurzel zu thun oder stellt dies Fasersystem eine gekreuzte sekundäre Verbindung zwischen Gerebellum und Kern des Nervus acusticus vor (Sec. A. B.?), wie die sekundäre Vagus-Trigeminusbahn eine gekreuzte Verbindung zwischen diesem und den Kernen des sensiblen Vagus und Trigeminus vorstellt? Direkt lassen sich die Bündel nicht über das Tuberculum acusticum hinaus aber auch nicht in den Hörnerv hineinverfolgen und andererseits muss die Betrachtung des Hörnervs selbst ergeben, dass dies beträchtliche System feinster Fasern unmöglich in denselben übergegangen sein kann, wenn die Fasern nicht vorher stärkeres Kali- ber angenommen haben. Allerdings sieht man, besonders an sagittalen Schnitten, den Nervus acusticus bei seinem Abgang aus dem Tuber- eulum acusticum von Bündeln feinster Fasern durchsetzt, allein die- selben gehören, wie wir im Folgenden sehen werden, der Oliven- Kleinhirnbahn an (St. Z.). Ventrale Faserkreuzungen im Acusticusgebiet. Die ventral sich kreuzenden Fasersysieme des Hörnervknotens sind die sog. Kommissurenfasern desselben. Sie sind bei den Cyprinoi- den so beträchtlich, dass dieser Theil der Oblongata (Fig. 28—33) ganz besonders die von Srıenı dafür eingeführte Bezeichnung der Pars com- missuralis verdient. Die ziemlich dicken Kommissurenfasern sind zum ; Theil gekreuzte Acusticusfasern, zum Theil sind es Fasern aus dem Tubereulum acusticum, die sich nach vorberiger bündelweiser Kreu- zung in der Raphe an der Bildung des hinteren Längsbündels und noch weit mehr der lateralen Längsfasersysteme der Oblongata (late- vale Längsbündel) in deutlicher Weise betheiligen und centralwärts weiter ziehen. Im Bereich des Hörnervknoten hat, wie wir oben sahen, neben dem lateralen Längsbündel auch das hintere Längsbündel den größten Querschnitt, der sich allerdings nach vorn zu durch gekreuzt 313 P, Mayser, abgehende Fasern wieder verringeri. Ich will auch die Möglichkeit nicht leugnen, dass ein Theil dieser sog. Kommissurenfasern die Tubercula acustica mit den Zellen der Oblongatabasis gekreuzt verbindet, eine wirkliche kommissurenartige Verbindung beider Hörnervknoten unter einander selbst ist mir dagegen unwahrscheinlich. Sekundäre Vagus-Trigeminusbahn. Sec. V.T.B. Wir kehren zurück zu der Beschreibung der sekundären Vagus- Trigeminusbahn, die wir in der Höhe des Tuberculum impar verlassen haben (Fig. 27). Ich denke, man hat volles Recht diese Bahn eine sekundäre zu nennen. Ihre Fasern entspringen an der Innenseite des- selben Ganglion, von dessen Außenseite der periphere Nerv abgeht, aber sie ziehen dem Centrum, d. h. dem Gehirn zu. Die Bahn liegt seitlich ventral in der Oblongatabasis, nach innen — unten von der aufsteigen- den Quintuswurzel (Fig. 26—33). Bei Carpio und Barbus hat sie auf Frontalschnitten eine plumpe Halbmondform mit medianwärts gerichteter Konkavität, in welcher eine schwächere Bahn gröberer markhaltiger Nervenfasern verläuft, die sich mit ihr innig vermischt und nasalwärts immer enger von ihr umschlossen wird (x der Figuren). Beide zusam- men machen in der Höhe der vorderen Acusticuswurzel fast !/, der Oblongatabasis aus; gewiss ein sehr mächtiges Fasersystem (Fig. 29, 30). Vor der Austrittsstelle der aufsteigenden Quintuswurzel erhebt sich die feinfaserige Bahn fast rechtwinklig (Fig. 33) und dringt, indem sie sich dorsalwärts verbreitert, in einen großer, vundlichen nach außen und oben etwas zugespitzten grauen Knoten ein, der an der Basis des Kleinhirns, und zwar an der Grenze zwischen eigentlichem Cerebellum und Valvula cerebelli liegt (Fig. 34). Aus dem Knoten, dessen Ge- websstruktur im Wesentlichen mit derjenigen der Kleinhirnrinde (Mole- eularschicht) übereinstimmt, ziehen die Fasern zur Mittellinie und kreu- zen sich über dem IV. Ventrikel mit denen der anderen Seite, um alsdann in der Richtung nach vorn zwischen den Zellen zu verschwin- den, von denen der Rindenknoten durchsetzt und (besonders am vorderen Rand) reichlich eingefasst ist. Ob sich alle Fasern kreuzen, ist unmög- lich mit Sicherheit zu sagen; die lateralsten marklosen verbleiben an- scheinend auf derselben Seite. Die Nervenzellen in und um den Knoten sind in der Mehrzahl klein, mit ziemlich großem Kern und punktförmi- gem Nucleolus, rund, spindelig oder mehrstrahlig, meist mit einem bis drei Fortsätzen versehen; in der Minderzahl haben sie die Charaktere der Purkınse’schen Elemente. Der ganze Knoten ist, ausgenommen die ventrale und theilweise auch die äußere Seite, von den verschieden- artigsten Kleinhirnfasern umsponnen (Fig. 34, 50). EEE I ne ro TER Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes, Berücks. d. Gyprinoiden. 319 Die Kreuzung der feinfaserigen sekundären Vagus-Trigeminusbahn - liegt zwischen der Trochleariskreuzung und der Kreuzung Vec.? Fritsch (Kreuzung der Wurzel N. VIII. y.). Sie findet sich bei allen von mir darauf hin untersuchten Fischen und ihre Größe steht im Verhältnis zum Vagus und zur dorsalen Kniewurzel des Quintus. Es ist die cm. p. 1 (Commissura posterior 1) von Fritsch, eine Bezeichnung, die nach dem Gesagten schwer haltbar erscheint. Nervenfaserbahn « (Fig. 27—50). Was nun die an der Innenseite der sekundären Vagus-Trige- minusbahn verlaufende Bahn & betrifft, so sind ihre Fasern dicker und stehen lockerer als bei jener und außerdem haben sie alle deutliche Markscheiden. Um so unklarer ist dagegen ihre Entstehung. Sie ver- lieren sich nach hinten im Bereich der großzelligen Kerne der ventra- - len Kniewurzel des Quintus (facialis) und des gemeinsamen motorischen , Vagus und Glossopharyngeus. Erst nach Passirung des motorischen -) Vago-Glossopharyngeuskerns beginnt die Hauptentwicklung der Bahn (Fig. 26); dies ist aber zugleich die Gegend, wo dickere Fasern aus der aufsteigenden Quintuswurzel in die sekundäre Vagus-Trigeminus- ' bahn überzugehen scheinen. Andererseits kann man sich vorstellen, dass unser Bündel aus den genannten motorischen Kernen vielleicht durch Vermittlung der in sehr auffälliger und regelmäßiger Weise an die sekundäre Vagus-Trigeminusbahn herantretenden Büschel von Proto- plasmafortsätzen entsteht (Fig. 27, 28, 29, 32, 33). Zuweilen scheint es auch als kommen Fasern aus der Raphe (sog. Kommissurenfasern) dazu. An der Stelle, wo sich die sekundäre Vagus-Trigeminusbahn in ihren Rindenknoten erhebt (Fig. 33), löst sich das Bündel & von ihr los und biegt an der Innenseite vom lateralen Längsbündel in schönem Bogen über die Commissura ansulata der Autoren (Comm. ans.) hin- weg ventralwärts, um sich vermischt mit einer später zu behandeln- den Bahn aus dem Rleinhirn (Tr. c. ad lob. inf., Fig. 48, 49, 50, 56, 57) zwischen den zahlreichen Nervenzellen zu verlieren, welche nach oben außen und hinten von dem großen Ganglion des Lobus inferior und ‚ nach außen vom Stiel des Nucleus rotundus Frıtsch (Ped. nuc. rot. F.) | liegen (Fig. 50, & in die Figur geschrieben und 56). Wie dieser Stiel ‚ äußerlich an den Funiculus Vico D’Azyr der Säuger, so erinnert dieser 1 Bogen an das vom Funicukus Vıcg D’Azyr nach hinten in die Haube um- 1 biegende Fasersystem beim Kaninchen (Sagittalschnitte!). Die Nerven- ] ! Guppen, Beitrag zur Kenntnis des Corpus mammillare und der sog. Schenkel des Fornix. Archiv für Psych. Bd. XI. Taf. VII, Fig. 16 HB. 320 P. Mayser, zellen sind fast durchweg ziemlich klein, haben einen festen Leib und mehrere Fortsätze. | Ich habe die eben beschriebene Bahn nur bei den Cyprinoiden näher studirt, da mir diese hierfür am geeignetsten erschienen. Untere Oliven (Ol. inf.), Olivenkleinhirnbahn (ST. ZUR Die grauen Massen des Nachhirns, welche Vıaurr a. a. O. und V. Ronon a. a. O. als untere Oliven der Selachier beschreiben und letz- terer Taf. VII Fig. 52 (wo) zur Darstellung bringt, finden sich auch bei den Teleostiern. Die unteren Oliven und die aus ihnen entspringenden Nervenfaserhahnen zum Kleinhirn, das Stratum’ zonale Arnoldi (St. Z.), sind also ganz elementare Hirngebilde, die sich auch bei Reptilien und Vögeln finden und deren genauere Kenntnis bei den Säugern wir den glänzenden Untersuchungen O. Deıters ! in erster Linie verdanken. Sie zeigen sich bei den verschiedenen Arten von Knochenfischen verschie- den entwickelt und besonders mächtig bei den Cyprinoiden, in specie den Karpfen (Fig. 1, 24, 25, 50, Ol. inf.). Bei diesen Thieren haben Harzer? (a. a. O. p. 204 etc.), Carus (a. a. O. p. 153) und GorTTscHE (a. a. ©. p. 466) das äußere Aussehen der Oliven bereits beschrieben. Die beiden letzteren geben auch Zeichnungen, worunter die von Carus (Taf. II Fig. 9 m) ziemlich gut gelungen ist. Sie betrachten die Oliven mit ihren Querfaserzügen als eine untere Kommissur der Vagusknoten; eben so Bücuner a. a. O. Fig. XV, b.L. Ich verstehe unter der unteren Olive der Cyprinoiden eine An- sammlung grauer Substanz, die sich annähernd im Bereich des mittleren Dritttheils der Vagusknoten an der Basis der Oblongata und neben der Raphe ausbreitet. Dorsal steht dieselbe in direkter Verbindung mit einer starken Lage sog. gelatinöser Substanz, welche von unten her ans hintere Längsbündel stößt und nach vorn ziemlich weit über die Oliven hinausreicht. Nach außen werden die letzteren von Längsfaserzügen, medial von den sich bildenden Basalsträngen der Oblongata (untere Pyra- miden der Autoren, U. P.), bzw. in den hinteren Frontalebenen von der Raphe begrenzt (Fig. 24, 25). ! Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säuge- thiere. Braunschweig 1865. ? Inferius hae eaedem columnae in ea sede uniuntur, quo superius tubercula striata ad sedem cerebelli adnascuntur;; ibique calamus scriptorius inferior ab aliquo spatio interrumpitur, cum pons aliquis fiat, quo fasciae exteriores, in arcem circum- datae, sub calamo se decussant. : Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden, 321 Die Oliven besitzen zahlreiche kleine Nervenkörper, zu denen sich am Rand Körner geselleh, wie sie in der Pia und zwischen den Fasern ‚_ peripherer Nerven zu sehen sind. In der darüber liegenden gelatinösen Substanz dagegen scheinen die Nervenzellen ganz zu fehlen. Das Verhalten der aus den Oliven entspringenden Nervenfaserzüge - stimmt überein mit dem bei höheren Thieren (Vögeln und Säugern) beobachteten. Einerseits sieht man nämlich spärliche Züge feiner Fasern ' von hinten oben im Bogen um die Oblongata herum ziehen und in diesen Ganglien verschwinden, nachdem sie sich, wenn ich mich nicht täusche, ' vorher in der Raphe gekreuzt haben. Es ist möglich, dass sie aus den Rückenmarkshintersträngen kommen, ihre Verfolgung dahin ist mir je- ' doch nicht gelungen. ‘Andererseits entspringen aber aus den unteren | Oliven zahlreiche, zum Theil ziemlich mächtige Bündel, die sich in der Raphe kreuzen und dann fächerartig über die ventrale Fläche der Ob- ' longata weg nach vorn und oben verbreiten (Fig. 1, 24, 25). Indem " sie hierbei theils über, theils zwischen den Wurzelbündeln des Hör- nervknotens wegsetzen, theils die Quintuswurzeln umschlingen, dringen sie in die Körnerschicht des Cerebellum ein (Fig. 24—35) und kenn- “ zeichnen sich durch diesen Verlauf als Homologon des Stratum zonale \ Arnoıvı (St. Z.) der höheren Thiere. | Unter den Bogenfasern ins Kleinhirn befinden sich auch marklose Züge, wie sie von Fritsch mit dem Namen der gelatinösen belegt wer- - den. Insbesondere sind es zwei ziemlich starke Bündel, die unmittel- ‚ bar hinter der Austrittsstelle der aufsteigenden Trigeminuswurzel fast - unter rechtem Winkel dorsalwärts umbiegen und hinter dem Rinden- knoten der sekundären Vagus-Trigeminusbahn aufsteigend in jene ‚ große Markmasse des Cerebellum gelangen, welche dorsal vom Knoten - die Seitenlappen der Valvula (Ve) mit dem eigentlichen Kleinhirn (Kih) - verbindet (Fig. 34, 50). Hier verliert sich ein Theil der Fasern, einen anderen Theil aber verfolge ich nach oben in die Körnerschicht des - Mittellappens der Valvula, während der Rest (namentlich vom hin- ' teren, bzw. lateralen Bündel) auf einmal ein ganz struppiges Aus- sehen gewinnt, starke Karminfärbung zeigt und, aus groben Ästen in - feinere Reiser zerfahrend, von beiden Seiten gegen die Mittellinie der Valvula zustrebt. | Außer dem eben beschriebenen kenne ich bei den Gyprinoiden ' kein Fasersystem, das von hinten aus der Oblongata, bzw. dem Rücken- mark ins Kleinhirn aufsteigt; Hecht und Forelle habe ich diesbezüglich nicht genau genug untersucht, um mir ein definitives Urtheil zu er- ‚ lauben. Ich muss daher die Möglichkeit wohl zugeben, dass sich bei günstigen Specien weitere Bahnen werden auffinden lassen. 322 P. Mayser, b. Cerebellum. Hinterhirn. Gerebellum (Klh), Verbindung der Valvula (V.c.) mit dem Tectum opticum (T. opt.) Das Kleinhirn der Knochenfische bietet bei der relativen Durch- sichtigkeit seiner übrigens reich gegliederten Architektonik kein ge- ringes Interesse. Aus seiner Betrachtung dürfte sich vielleicht mancher Fingerzeig für die Erkenntnis. dieses anatomisch wenig aufgeklärten Hirntheils der Säugethiere ergeben. Dasselbe makroskopisch näher beschreiben, hieße wiederholt besser Gesagtes noch einmal wiederholen.. Hemisphären sind bekanntlich keine vorhanden!. Die Hauptmasse (Klh) entspricht dem Wurm der Säuger, die Valvula (Vc), wie bereits STIEDA dargethan hat, dem Velum medullare anterius. Für die Cyprinoiden glaube ich die Größenverhältnisse, die Vertheilung von Körnerschicht und Rindenschicht (Molecularschicht), den Zusammenhang mit den übri- gen Hirntheilen durch die schematischen Figuren 18, 49, 36—47 dem Verständnis genügend zu erschließen. Ich bemerke dazu nur Folgen- des: das Kleinhirn der Cyprinoiden ist am schmälsten und niedrigsten beim Übergang des eigentlichen Cerebellum (Klh) in die Valvula (Ve, Fig. 20). Die letztere ist hier dreilappig in seitlicher Anordnung, der Mittellappen viel kleiner als jeder der seit- b d ve lichen. Ihre Entstehung kann man sich so Fe vorstellen: Wenn it und c der nebenan- stehenden Figur a (Tectum lobi optici und cerebellum) die sagittal getroffenen Decken zweier zusammenhängender Blasen sind und es schiebt sich von c eine Falte in die Blase i vor, so hat diese Falte (vc — Valvula cerebelli) ein ventrales (v) und ein dor- sales (d) Blatt. Stellt man sich nun vor, dass diese Falte vc (in Fig. b frontal getroffen) nach der Seite stärker wachse als nach vorn, aber, durch die Wände der Blase £ an ihrer Ausdehnung gehindert, sich seitlich nach oben umschlage derart, dass ihre Seitenränder sogar gegen einan- der konvergiren (Fig. b), und stellt man sich jetzt vor, dass aus dem ventralen Blatt die Gewebselemente des Kleinhirns in ihrer typischen Anordnung (nach außen Rinde, nach innen Körnerschicht) entstehen, so hat man die Valvula der Cyprinoiden. Ich möchte zum Voraus glauben, 1 VIauLT (a. a. O.), der sich sonst in der Deutung der einzelnen Gehirntheile STIEDA anschließt, ist der Meinung, dass das Cerebellum der niederen Vertebraten nicht dem Wurm allein, sondern dem ganzen Kleinhirn der Säuger entspreche. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 323 dass sich die Sache entwicklungsgeschichtlich wenigstens theilweise! so verhalten wird, wenn auch die fachmännische Bestätigung einstweilen noch aussteht. Eine Art anatomischer Probe müsste darin bestehen, dass sich das nicht als Kleinhirnmasse entwickelte dorsale Blatt beim Erwachsenen wenigstens in Form von Epithel der Pia erhielte, welches Epithel kontinuirlich in das des Tectum opticum überginge. Die schematische Fig. 47 stellt einen schrägen Sagittalschnitt von C. carpio vor. Man sieht wie sich die Körnerschicht des Mittellappens der Valvula nach hinten oben membranartig auszieht und unter der Pia (p), welche beim Karpfen zum Theil die ausschließliche Decke des Lob. optic. bildet, eben so verliert, wie sich weiter nach vorn der Torus longitudinalis (Tor. long., Fornix der Autoren) wieder unter derselben hervorbildet, allein einen kontinuirlichen Übergang von Epithel habe ich hier nicht gesehen und ist dies bei den geübten Präparationsmethoden auch nicht zu erwarten?. Fritsch, der sich a. a. ©. p. 33 gegen die Stıepa’sche Darstellung, nach welcher Valvula und Tectum in nervöser Gewebskontinuität mit einander steben, erhebt, führt die bindegewebige Verbindung mit dem Kleinhirn als Beweisgrund gegen die Auffassung des Tectum opticum als Dach der Vierhügelblase auf. Hiergegen bemerke ich: Auch bei den Säugern reichen die eigenthümlichen Gewebselemente des Klein- hirns nicht über die Lingula hinaus; Dach der Vierhügelblase und Klein- hirn gehen nicht direkt sondern mittelst des Velum medullare anterius in einander über. Es lässt sich aber bei den Vögeln sehr leicht und aufs deutlichste nachweisen, dass das vordere Marksegel zwar in seinen hintersten Partien noch die Gewebselemente des Kleinhirns enthält, nach vorn aber eine durchaus bindegewebige Platte wird, unter welcher sich z. B. die Nervi trochleares kreuzen, und welche als solche erst weit vorn in das Tectum opticum übergeht. In ähnlicher Weise vollzieht sich der Übergang bei den Knochen- fischen. Zu Unrecht erklärt also Fritscn einen »wirklich nervö- .: Theilweise umgekehrt, indem sich das frühe sehr rasch wachsende Tectum über das Cerebellum biegt. cf. RATHkE a. a. O. ® Fritsch giebt p. 33 das Bestehen des Epithels auf der Verbindungsbrücke ausdrücklich an, eben so Stıepa Knochenf. p. 43. Beim Hecht habe ich den kon- tinuirlichen Übergang selbst gesehen. Die Karpfen sind für diese Untersuchungen sehr ungünstig, weil die Seitenhälften des Tectum opticum und die Tori longitu- ' dinales durch die gewaltigen Seitenlappen der Valvula weit aus einander getrieben , werden, und sich nun statt ihrer dem Messer eine feine, elastische , lose über die -, Höhle des Lobus opticus gespannte Membran darbietet. Bessere Präparate als die - Karpfen liefert Abramis brama. 3 Knochenfische. Taf. II Fig. 28 und 32. 324 | | P. Mayser, sen« Übergang vom Cerebellum auf das Tectum für wünschens- werth, um letzteres für einen Theil des Mittelhirns ansehen zu können. Schichten des Kleinhirns. Die Schichtung des Kleinhirns beschränkt sich im Wesentlichen auf Körner- und Rindenlage. Ausgenommen die Nervenfaseransamm- lungen dorsal vom Rindenknoten der sekundären Vagus-Trigeminus- bahn und dem Corpus quadrigeminum posterius Frıtscn (Ü. G.) (Fig. 33, 34, 35, |8, 49, 55) haben die Gyprinoiden keine Markschicht wie die höheren Thiere, vielmehr zerfahren die Faserbahnen in der Körnerschicht in mehr oder weniger starken Bündeln. Über die feinere Histologie der die Kleinhirnschichten konstituiren- den Elemente unterlasse ich nähere Angaben. Auffällig in hohem Grade ist das wirklich enorme Fasernetz in der moleculären Schicht, das durch die Bindegewebsfortsätze und die Blutgefäße aus der Pia noch komplicirt wird. Wenn ich die letzteren von der Betrachtung ganz ausschließe, so sind hier wesentlich zwei Systeme von Fasern zu unterscheiden, nämlich 1) ein System vornehmlich radiär (senkrecht zur Oberfläche der Körnerschicht) verlaufender, relativ dieker und mit Karmin sich stark färbender Fibrillen, die für Abkömmlinge der Protoplasmafortsätze der Purkinsje’schen Elemente angesprochen werden müssen und 2) ein gleichfalls sehr mächtiges System feinster, die Molecular- schicht bündelweise und in wagrechter Richtung durchsetzender, offen- bar nervöser Fibrillen. Diese sind sehr deutlich an Präparaten, die mit Überosmiumsäure behandelt wurden (in Fig. 55 angedeutet). Man sieht sie in die Körnerschicht übertreten. cf. Berroncı . . istologia del cer- veletto Fig. 1, b. y5 Die Anordnung der PurkınJe’schen Zellen ist bei verschiedenen Ge- schlechtern verschieden. Bei Esox und Salmo z. B. bilden diese Zellen wie bei den höheren Vertebraten eine scharfe Grenzlinie zwischen Körner- und Molecularschicht, während bei den Gyprinoiden und namentlich bei den Karpfen stellenweise die ganze Rindenschicht, be- sonders die der Valvula, von jenen Zellen durchsetzt ist. Dies veran- lasst die zierlichsten mikroskopischen Bilder. Man sieht nämlich zahl- reiche einzelne Nervenfasern in ihren Markscheiden wie auf gelben Straßen in die Molecularschicht eindringen, um zu den Zellen zu ge- langen. Ä Beim Hecht findet man in der Rinde an der vorderen und hinteren Seite des eigentlichen Cerebellum (Klh) auffallend viele kleine mit Höfen versehene Zellen, die sich auch in die Rinde des Tuberculum acusticum TE I; | Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 325 fortsetzen. Ferner beobachtet man bei allen von mir darauf untersuch- ten Fischen eine besondere Verdickung der Molecularschicht über den sich kreuzenden Tractus Fimbriae Fritsch. Dieselbe verliert sich in der Rinde des Hörnervhöckers. Corpus quadrigeminum posterius Frırsca. Ü.@. Jene Ansammlung von Nervenzellen, die Frırscu als Ganglion des hinteren Vierhügels beschreibt, hat bei den Cyprinoiden eine sehr be- trächtliche Ausdehnung und greift dergestalt auf das Cerebellum über, dass die Frage entsteht, ob dieselbe wirklich zum Mittelhirn oder zum -. Hinterhirn zu rechnen sei. ng nr i | i h Nimmt man die Kreuzung des vierten Hirnnervenpaares als starre Grenze, so gehört das Ganglion beiden Hirnabschnitten an, denn diese kleinen Zellen setzen sich, wenn auch an Zahl abnehmend, an der Basis des Cerebellum nach hinten fort, umgeben von oben außen und innen den Rindenknoten der sekundären Vagus-Trigeminusbahn und sammeln sich hinter diesem noch einmal in größerer Menge an (Fig. 33, 3%, 35, 48, 49,50, Ü.G.). Bei Hecht und Forelle ist die Ausbreitung nach hinten zwar vorhanden, aber bedeutend schwächer; sie scheint von der Entwicklung der sekundären Vagus-Trigeminusbahn abzuhängen, während die Ausdehnung der vorderen Ansammlung (Corpus quadri- geminum posterius Fritsch) mehr von der Größe der Valvula cerebelli abzuhängen scheint. So sehr es nun auf der einen Seite keinem Zweifel unterliegen kann, dass dieses Ganglion dem anatomischen Begriff eines hinteren Zweihügels nicht entspricht — nach den bisherigen Beobach- tungen ist der letztere bei den Säugern durch die untere Schleife und den Arm zum inneren Kniehöcker charakterisirt, bei den übrigen Wirbel- ‚ thierklassen aber überhaupt noch nicht festgestellt, — so sehr es auf ‘ der anderen Seite im Kleinhirn der höheren Wirbelthiere Nervenzellen- ‚, ansammlungen giebt, die nicht aus Purkınjr’schen Elementen oder ein- fachen Körnern bestehen (Nucleus dentatus, Dachkerne), so finde ich einstweilen doch keine zuverlässigen Vergleichungspunkte zwischen diesem Ganglion und einem Kleinhirnganglion bei anderen Vertebraten- klassen und nenne es desshalb »Übergangsganglion« zwischen , Mittel- und Hinterhirn (Ü. G., Fig. 33, 34, 35, 48, 49, 50). Nervenfasersysteme des Kleinhirns. Die Nervenfasersysteme des Kleinhirns der Cyprinoiden sind von relativ großer Klarheit. Bereits haben wir darunter in der Reihenfolge von hinten nach vorn kennen gelernt: 1) die Kreuzung der Tractus fimbriae Frırscn (Comm. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 2 22 336 | P, Mayser, corp. restiformis OwEn), die wahrscheinlich einer sekundären Acusticus- kleinhirnbahn entspricht (Fig. 31, 32, 33); 2) de Kreuzung einer Hörnervwurzel, welche Fritsch zum Trigeminus zählt (Fig. 33, 50, N. VII. y.); 3) die bei den Cyprinoiden kolossale Kreuzung der sekun- dären Vagus-Trigeminusbahn (Fig. 34), die Fritsch für eine Kommissur jener Gegend ansieht (cm. p. 1.). Vor der letzteren liegt 4) die Kreuzung der Nervi troch- leares (Dec. N. IV., Fig. 48). Abgesehen von diesen vier regelmäßig wiederkehrenden Bahnen übersetzen verhältnismäßig wenige Nervenfasern die Mittellinie des Klein- hirns selbst in deutlich erkennbarer Weise. Man beobachtet nämlich 1) ein bei den Gyprinoiden relativ stark entwickeltes System von Fasern, die sich nach hinten und oben von der Kreuzung der Wurzel N. VIII. y. und zwar zwischen den zur Kuppe des eigentlichen Kleinhirn aufsteigenden Crura cerebelli ad cerebrum directa Frıtscn inmitten der Körnerschicht kreuzen und, wie ich glaube, die eine Kleinhirnhälfte mit den vorderen Abschnitten des entgegenge- setzten Übergangsganglion verknüpfen; die Kreuzung selbst geschieht unter einem nach vorn offenen Bogen; und | 2) ein bei der Forelle relativ stark entwickeltes Fasersystem, das sich dicht unter der Rindenschicht der Valvula in einem nach hinten offenen Bogen kreuzt und gleichfalls zum Übergangsganglion zieht. Auf der anderen Seite aber kreuzen sich die Verbindungsbahnen des Kleinhirns auf ihrem Verlauf; freilich nicht ausnahmslos, wie dies bei den Säugern angenommen wird. Die Kreuzung der Oliven- kleinhirnbahn (St. Z.) stimmt überein mit dem Verhalten des Stra- tum zonale Arnorpı bei den Säugern. Die nächste Frage ist nach der Brücke. Pons Varoli. P?. Den Vögeln wird von den Autoren eine Brücke abgesprochen. Vielleicht muss man die vordersten Fibrae arcuatae des wohl entwickel- ten Stratum zonale Arnordı (bei der Taube) dem Corpus trapezoides, eine Ansammlung von Nervenzellen in dieser Gegend der oberen Olive der Säuger vergleichen. Auch bei den Reptilien habe ich keine Brücke gefunden. ViauLt (a. a. O.) vergleicht bei den Selachiern einen Theil der Fibrae arciformes (Stratum zonale ArnoLpı) mit dem Pons Varoli der Säuger. Frırsch nennt p. 74 die Commissura ansulata der Autoren vein exquisites Kommissurgebilde wie die Brücke höherer Wirbelthiere « und vergleicht sie dem Pons Varoli, ohne sie jedoch, wie man hätte erwarten Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 327 sollen, in Beziehung zum Kleinhirn zu bringen, bzw. die Processus cerebelli ad poniem bei den Fischen festzustellen. Indessen spricht schon die Lage der Commissura ansulata durchaus nicht für die Auf- fassung derselben als Homologon der Säugerbrücke. Die Säugerbrücke liegt zwischen Ganglion interpedunculare und dem sechsten Hirnnerven- paar, also hinter dem Mittelhirn ; die Commissura ansulata dagegen liegt vor jenem Ganglion, ist durchbrochen vom N. oculomotorius und gehört also zum Mittelhirn. Allerdings vergleicht Fritsch (a. a. O. p. 4A) seinen Conus praecommissuralis, der vor der Commissura ansulata, bzw. dem N. oculomotorius liegt, mit dem Ganglion interpedunculare Guppen, jedoch mit Unrecht. Das Ganglion interpedunculare GUDDEN liegt hinter dem dritten Nervenpaar und ist charakterisirt durch seine Beziehungen zum Meynerr’schen Bündel, die auch beim Fisch existiren. Die Commissura ansulata der Autoren ist also keinesfalls ein Homologon des Pons Varoli; dass sie auch kein »exquisites Kommissurgebilde « ist, werden wir an Ort und Stelle erfahren. Die Cyprinoiden haben eine Bahn, bei deren Betrachtung im fron- ‘ talen Querschnitt man sofort an den Pons Varoli erinnert wird. Es sind Bündel ziemlich starker Nervenfasern, die unmittelbar hinter dem : Rindenknoten der sekundären Vagus-Trigeminusbahn, also etwa im vorderen Dritttheil des eigentlichen Cerebellum die äußersten Partien des Übergangsganglion (Ü. G.) durchbrechen, an der Außenseite des austretenden N. V. asc. in die Oblongatabasis herabtreten und hinter dem Ganglion interpedunculare (Conus postcommissuralis Fritsch, G. int. der Figuren) nahe der ventralen Oberfläche zur Raphe ziehen, um sich mit denen der anderen Seite in zierlichen Achtertouren zu kreuzen (Fig. 33). Gerade dies letztere Verhalten erinnert lebhaft an die Kreu- zung der Brückenfasern bei den Säugern. Das Woher und Wohin der , Bündel ist mir nicht klar geworden. Nach dem Ansehen an horizontalen ‚ Schnitten zu schließen ziehen die gekreuzten Fasern in der Oblongata nach vorn. Bei Esox und Salmo finde ich diese Bündel nicht; eben so wenig das Homologon bei Reptilien und Vögeln. So gern ich also diese Bahn ‚ der Cyprinoiden für einen Pons Varoli erklärt hätte, so muss doch ihr -, beschränktes Vorkommen einstweilen davon abhalten. | | keinen Pes Pedunculi, in welchen die Fasern der Brückenarme bei den Es ist einigermaßen befremdend, bei der relativ beträchtlichen Kleinhirnentwicklung der Knochenfische den Pons ganz zu vermissen. Allerdings besitzen diese Thiere keine Kleinhirnhemisphären und auch - Säugern theilweise übergehen sollen, andererseits aber ist die Möglich- ‚ keit wohl zu betonen, dass sich vielleicht noch unter den im Folgenden | | f { | 1 | M ! 2% 328 ab, Mayser, zu betrachtenden Verbindungen wenigstens partielle Äquivalenie des Processus cerebelli ad pontem werden finden lassen. Frontale Bahn aus der Valvula. In weiter nach vorn gelegenen Frontalebenen beobachtet man fein- faserige, aus der Valvula heraustretende und den vorderen Theil des Übergangsganglion (Ü. G.) durchsetzende Bündel, die sich theils der hinteren, theils der vorderen Portion (hinter und vor dem N. oculomo- torius) der Commissura ansulata anschließen (Fig. 35 nicht bezeichnet). Beide schlagen die Richtung gegen die Raphe ein. Die hinteren scheinen die Mittellinie zu überschreiten, die vorderen verfolgt man bis in den Winkel zwischen Lobus inferior und Basis des Mittelhirns (Pars pedun- cularis Stıepa), wo man Fasern nach ein- und aufwärts umbiegen und unter kleinen Nervenzellen verschwinden sieht, die zwischen Tractus cerebelli ad lobum inferiorem (Tr. c. ad lob. inf.) und Tractus cere- belli ad lobum opticum (Crus cerebelli ad cerebrum directum Frırsch) liegen. Die Identität dieser Fasern mit unsern Bündeln aus dem Kleinhirn steht jedoch nicht außer Zweifel. Der Verlauf des ganzen Systems erinnert an den Faserzuschuss aus der Hirnklappe zum unteren Schleifenblatt bei den Säugern (MEyneErT, a. a. ©. p. 756; FOREL, a. a. O. p. %3). Gekreuzter Bindearm. B. A. Eine zuverlässige Homologisirung gestattet dagegen der zwischen beiden soeben beschriebenen Bahnen eingeschaltete gekreuzte Binde- arm (B. A.). Der Bindearm hat bei den Cyprinoiden nach den gekreuz- ten Trochlearis- und Acusticuswurzeln die dicksten Nervenfasern, die im Kleinhirn vorkommen. Dieselben sammeln sich vorzüglich aus den mittleren ‚Partien des eigentlichen Cerebellum und der Valvula und lassen sich bis zur Lage der PurkınJe’schen Zellen verfolgen. Der Haupt- antheil aus dem eigentlichen Gerebellum steigt hinter, der kleinere vor der Kreuzung der sekundären Vagus-Trigeminusbahn (Fig. 34, 35), der Antheil aus der Valvula vom Mittellappen dieses Organs (Fig. 48) im Bogen um den Aquaeductus herum zur Kreuzung hinter dem Oculomo- torius. Die Kreuzung beginnt, wenn man von hinten nach vorn geht, mit den dorsalsten Bündeln und schließt mit den ventralsten, die bis in die Commissura ansulata herabreichen. Nach der Kreuzung scheint ein Theil der Fasern in der Richtung nach außen und vorn zu zerfahren, um vermuthlich in den vorderen Partien der Mittelhirnbasis und in den hinteren des Zwischenhirns (Pars peduncularis Srtıepa) vielleicht auch im Torus semicircularis der Autoren zu endigen (Fig. 48, 57). Ein an- Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d, Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 329 derer Theil zieht in sagittalen Ebenen nach vorn, der Bahn des MEynErT- schen Bündels theilweise folgend, theils dieselbe kreuzend. Diese Fasern verfolgt man in den Thalamus opticus, bzw. in eine graue Masse, die ventral vom Mrynerr’schen Bündel und etwas caudalwärts vom Gan- - glion habenulae liegt, eine große Menge kleiner Nervenkörper enthält und die Seitenwand des III. Ventrikels bilden hilft. Ventral davon steigen die Stiele der Hemisphären an. Während nun die Fasern aus ; dem Bindearm meist zwischen den kleinen Zellen verschwinden, sieht man beim Hecht einzelne darunter sich an die Großhirnstiele anlehnen, und manchmal konnte ich sie ein Stück weit in der Bahn derselben verfolgen (Sagittalschnitte). Es wäre demnach möglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich, dass von hier aus Kleinhirnfasern in die Hemisphären gelangen. Unweit vor dem Oculomotorius passirt das Meynerr’sche Bündel ein namentlich bei Hecht und Forelle schön entwickeltes Ganglion, das sich - aus großen Nervenzellen zusammensetzt. In diesen Zellen endet ein Theil der das marklose Meynerr’sche Bündel begleitenden markhaltigen ' Nervenfasern. Das Ganglion erinnert durch seine Lage und großen Nervenzellen ' einigermaßen an den rothen Kern der Haube bei den Säugern. Die Bindearmkreuzung wird in ihren ventralen Partien komplicirt durch ein von der unteren Pyramide der Autoren (U. P.) aufsteigendes feinfaseriges Bündel, das sich unter fast rechtem Winkel in die Kreu- zung erhebt und mit seinen Partner einen leierförmigen Bogen bildend nach vorn und außen in eine Nervenzellengruppe eintritt, welche nach innen vom Crus cerebelli ad cerebrum directum Frırsen (Tr. c. ad lob. opt.) in der Frontalebene der hinteren Längsbündelkreuzung (Fig. 55, 57) liegt. Grus cerebelli ad cerebrum directum FrıtscnH. Tr. c. ad lob. opt. Sehr interessant durch seinen Verlauf ist das schon wiederholt ge- nannte Fasersystem aus dem Kleinhirn,, das Frirscu als Crus cerebelli ad cerebrum direetum bezeichnet, aus dem Kleinhirn in den vorderen Theil seines Thalamus opticus (Torus semicircularis der Autoren) ver- folgt und für einen ungekreuzten Theil des Bindearns erklärt (a. a. O. p. 82). Dies System ist bei den Cyprinoiden ziemlich stark, stärker als beim Hecht, aber schwächer als bei der Forelle, bei welcher mir auch das Faserkaliber stärker erscheint. Ich glaube nicht, dass man ein Recht hat, die Bahn mit Frirscn für einen ungekreuzten Theil des | Bindearms zu nehmen. Die Fasern des gekreuzten Bindearms sind viel 330 P. Mayser, stärker, wenigstens bei den CGyprinoiden; auch Fritsch betont p. 83 die Feinheit der Fasern seines Bündels cr. c,, ferner haben beide Bahnen einen gesonderten Ursprung. Fritsch denkt an eine Kreuzung im Klein- hirn, allein eine solche existirt nicht, jedenfalls nicht in direkt erkennt- licher Weise. Nurin den obersten Theilen der Kleinhirnkuppe sieht man einzelne Fasern dieser Bahn die hier kaum festzustellende Mittellinie und zwar direkt unter der Rindenschicht übersetzen. Das Crus cerebelli ad cerebrum directum Frırsca (Tr. c. ad lob. opt.) bildet sich bei den Gyprinoiden aus einer Anzahl kleiner Bündel!, die, so ziemlich in derselben sagittalen Ebene über einander liegend, oben außen und vorn vom Hauptantheil des eigentlichen Bindearms (B. A.) aus den seitlichen Theilen des Cerebellum herabsteigen, den Rinden- knoten der sekundären Vagus-Trigeminusbahn überschreiten und vor diesem den vorderen Theil des Übergangsganglion Ü. G. (Corp. quadrig. post. Frıtscn) im Bogen durchbrechen (Fig. 50). Hierdurch in die Basis des Mittelhirns (Pars peduncularis Stıepa) gelangt (Fig. 49, 55) vereinigen sie sich mit einander und gewinnen, indem sie einen Bogen mit sanfter ventraler Konvexität beschreiben, den vorderen inneren Rand des Torus semicircularis der Autoren seitlich vom dickfaserigen Antheil der hin- teren Kommissur (Fig. 50). Auf diesem Wege stößt zu ihnen die Com- missura horizontalis Frırsch, nach diesem Autor ein Homologon der MEynerT' schen Opticuskommissur. Commissura horızontalıs Frırscu. Comm. hor. F. Die Commissura horizontalis Frırsca verläuft nur eine kurze Strecke weit um das Tuber cinereum (Trigonum fissum GoTTschE) herum (Fig. 55) in horizontalen Ebenen, dann erhebt sie sich, biegt von hinten im weit nach vorn offenen Bogen dorsalwärts um das große Ganglion des Lobus inferior herum und vereinigt sich mit der in Frage stehenden Kleinhirnbahn an der ventralsten Stelle ihres Verlaufs (Fig. 50). Auch bei den Thieren, wie z. B. Esox, Lucioperca, wo der Nucleus rotundus Fritsch an der von diesem Autor angegebenen Stelle liegt, endet die Commissura horizontalis nicht wie jener Autor angiebt in diesem, sondern durchsetzt ihn dorsalwärts umbiegend und in mehrere Fascikel getheilt?. Die Fasern der Commissura horizontalis verlaufen zum Theil zwischen den Bündeln, größtentheils aber an der Außenseite 1 Bei Esox und Salmo verläuft dies Fasersystem im Kleinhirn geschlossener als bei den Cyprinoiden. 2 Die Möglichkeit, dass Fasern im Nucleus rotundus F. zurückbleiben, muss ich wohl zugeben. Dann liegt der Gedanke an eine gekreuzte - von Zwischen- und Mittelhirn nahe. Vergl. anat. Studien üb, d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d, Cyprinoiden. 331 des Crus cerebelli ad cerebrum directum Frırsen nach vorn (Fig. 5%, 57, Tr. c. ad lob. opt. + Comm. hor. F.). Am vorderen inneren Rand des Torus semicircularis Halleri (Tor. sem.) löst sich von dieser gemischten Faserbahn eine innere Abtheilung los und schwenkt gegen die Mittellinie ab, um sich vor dem dickfase- rigen Antheil der hinteren Kommissur mit seinem Partner von der anderen Seite zu kreuzen, also selbst einen Theil der hinteren Kom- ‘ missur konstituirend. Es ist sehr schwer zu entscheiden, was das für Fasern sind, die in die Kreuzung eingehen, und trotz wiederholter und an den verschiedensten Reihen angestellter Versuche bin ich zu keinem sicheren Resultat gekommen. Es gesellen sich nämlich unterwegs außer der Commissura horizontalis noch Fasern aus der Mittelhirnbasis, bzw. dem Lobus inferior zur Kleinhirnbahn, die höchst wahrscheinlich auch an der Kreuzung Antheil nehmen. Ferner wird die Sache noch dadurch komplicirt, dass die vereinigten Bündel nahe der Stelle, wo sich die Fasern zur Kreuzung erheben, vom gekreuzten Theil des hin- teren Längsbündels (Linsenkernschlinge Frıtscn, H. L. X) in frontalen Ebenen durchsetzt werden (Fig. 54) und dass anderweitige Querfaser- züge aus der Innenseite des Tectum opticum (tiefliegendes Mark) über ‘ die Umbeugungsstelle hinwegstreichen. Nur das Faserkaliber erlaubt die Systeme wenigstens einigermaßen zu trennen. Die Fasern aus dem ‚ hinteren Längsbündel sind nämlich die stärksten, die der Kommissur die feinsten, die übrigen wenig unter einander verschieden. A priori darf man erwarten, dass sich die Commissura horizontalis an der Kreuzung nicht betheiligen wird?. In der That sieht man auf sagittalen Schnitten die aus dem Lobus inferior heraufkommenden Bün- del der Kommissur sich vor dem tiefen Marklager des Tectum opticum erheben und in das Vierhügeldach übertreten ; auf horizontalen ver- folgt man sie hier nach vorn und etwas nach einwärts bis dicht hinter die vordere Opticuswurzel (N. II. a.). Möglicherweise enden auch Fasern im Corpus geniculatum externum s. 1. (Zwischenhirn). Nach den direkten, besonders an schräg von vorn oben nach hin- ten unten abfallenden Schnitten gemachten Beobachtungen und in Be- | rücksichtigung des Umstandes, dass die gemischte Bahn mit der Kreu- zung mehr abnimmt als dem Abgang der neben der Commissura horizontalis zugeschossenen Fasern entspricht, wird es sehr wahr- ! Hierin herrschen übrigens Verschiedenheiten bei den verschiedenen Fami- lien. So sind z. B. bei Esox die Fasern der Kommissur ziemlich viel stärker als die der Kleinhirnbahn. 2 Ein Bündelchen feiner Fasern (wie Kommissurenfasern), das die Mittellinie , an der kritischen Stelle übersetzt, kommt offenbar nicht aus der Commissura hori- ' zontalis Fritsch, | 332 P. Mayser, scheinlich, dass ein Theil der Kleinhirnbahn die Mittellinie überschreitet, ehe er mit dem ungekreuzten Rest in den oberen Partien des Corpus geniculatum externum s. 1. endigt. Die Umbiegung der Fasern zur Kreuzung in der, Commissura posterior zeichnet Frırscn Taf. VIII, Fig. 41. Er bezeichnet sie mit cl. f. (Columna fornicis) und lässt die Fasern ungekreuzt als Fo (Fornix) in den Torus longitudinalis Halleri eintreten. Aus anderen Figuren seines Werkes, z. B. Fig. 34, 40, 45, geht hervor, dass das Bündel cl. f. Fritsch nichts Anderes ist als die durch den Nucleus rotundus dorsal- wärts umbiegende Gommissura horizontalis Frırsch und also den Namen Columna fornicis sehr zu Unrecht führt. Vergleicht man jetzt die von mir gemachten Angaben mit der Darstellung durch Frırtsch, so ist 4) das Crus cerebelli ad cerebrum directum dieses Autors (Tr, c. ad lob. opt.) eine wahrscheinlich theilweise gekreuzte, also indirekte Verbindung zwischen Kleinhirn und Zwischenhirn (bzw. Corpus genic. extern. im weiteren Sinn). 2) Der Verlauf der Gommissura horizontalis Fritsch rechtfertigt ihren Namen nicht. Dieselbe hat, da ihr aufsteigender Theil fast in eine und dieselbe sagittale Ebene fällt, in toto annähernd die Gestalt des Schlüsselbeins einer Gans und ist eine basale Kommissur des Tec- tum opticum (?). 3) Die Golumna fornieis Fritsch entspricht dem aufsteigenden Theil seiner Commissura horizontalis, was aber gegen die Mittellinie umbiegt, bzw. nach Fritsc# in den Fornix (Torus longitudinalis der Autoren) überzugehen scheint, gehört nicht der Kommissur an, sondern sehr wahrscheinlich dem Crus cerebelli ad cerebrum directum Frıtsca (Tr. c. ad lob. opt.) und einem schwachen mit diesem vermischten und durchaus ungeschlossen aus der Mittelhirnbasis, bzw. dem Lobus inferior stammenden Faserantheil. Von einem Homologon der Fornix- säule der Säuger kann also nicht die Rede sein, ganz abgesehen davon, dass wir im Torus longitudinalis der Autoren als einem Antheil des Vierhügeldaches keinen Fornix, bzw. kein Ammonshorn erwarten dür- fen. Dagegen ist jetzt die Frage von Interesse, wie sich die als Fornix Fritsch gegen die Mittellinie umbiegenden Fasern zum Torus longitudi- nalis verhalten? — Ich habe an sehr günstigen Präparaten nie einen Übergang;dersel- ben in das Längsfasersystem des Torus sehen können; ‚Alles scheint theils hinter, theils quer durch den letzteren die Mittellinie zu über- setzen; auch entsprächen z. B. bei Karpfen und Barbe sämmtliche Längsfasern des Torus durchaus nicht der Gesammtheit der hier in Frage kommenden Nervenfasern. EEE ET Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Oyprinoiden. 333 Immerhin will ich die Möglichkeit, dass ein Theil darunter in die | Längsfasern übergehe, nicht bestreiten, im Übrigen aber bin ich der An- sicht, dass man das schwache Längsfaserbündel des Torus (Fig. 51) im Wesentlichen für einen separirten Theil der longitudinalen Schicht des tiefliegenden Markes (im Tectum opticum) zu halten hat. Traetus cerebelli ad lobum inferiorem. Tr. c. ad lob. inf. Der beträchtlichen Entwicklung der Valvula cerebelli entspricht , bei den Gyprinoiden eine zweifellos ungekreuzte Kleinhirnbahn von be- ‚ sonderer Mächtigkeit, nämlich eine Verbindung zwischen Valvula und ! Lobus inferior. Das Gros dieser Bahn liegt nach außen und hinten von der soeben abgewandelten, jedoch nicht genug, um Kollisionen mit jener zu entgehen. Dieselben entstehen einmal dadurch, dass die \ Faserbündel der Bahn zum Unterlappen theils über, theils im vorderen ‚ Abschnitt des Übergangsganglion von den Bündeln der Bahn zum ‚ Zwischenhirn durchbrochen werden, und dann dadurch, dass beide so ziemlich in derselben Sagittalebene nach vorn und unten ziehen (Fig. 49, 50, 57). Die Bahn zum Lobus inferior hat zweierlei Fasern : feine, die vor- ı nehmlich nach außen, und stärkere vom Kaliber der Bindearmfasern, ‘ die nach innen liegen; noch weiter der Mittellinie zu findet man wieder ‘ feine. Während sich die feinen besonders aus den hinteren und seit- ' lichen Partien der Valvula-Seitenlappen sammeln, sieht man die Bündel ‚ der diekeren an Sagittalschnitten von vorn (Mittellappen) kommen und — un zierliche nach vorn oflene Bögen bildend in die Bahn übergehen (Fig. 50). Nach dem Durchtritt durchs Übergangsganglion vermischt sich der ‚ Tractus cerebelli ad lobum inferiorem innig mit der Bahn x, zieht mit dieser nach vorn und unten und verliert sich mit ihr zwischen den zahlreichen hinter dem großen Ganglion des Lobus inferior zerstreut liegenden Nervenzellen (Fig. 50, 56). Bei der Einstrahlung in den Lobus inferior halten sich die Fasern der Bahn « im Allgemeinen am meisten ‚ dorsal und bestreichen die Übergangspartie zwischen jenem und der ‚ Mittelhirnbasis (Pars peduncularis Srıepa), während man aus der Klein- hirnbahn manche beträchtliche feinfaserige Bündel bis in die ventralen Partien des Unterlappens verfolgt. Der Bahn & schließt sich bei dieser Gelegenheit ein Bündel mittelstarker Fasern aus einer Gruppe mäßig großer Zellen an, die ich Fig. 35 zwar ventral vom Übergangsganglion ‚ gezeichnet, aber nicht bezeichnet habe. Die vergleichend - anatomische Bedeutung derselben ist mir unklar. Einzelne dickfaserige Bündel aus dem Tractus cerebelli ad lobum 394 P. Mayser, inferiorem betheiligen sich an den ventralsten Kreuzungen des Binde- arms, bzw. gehen sie in die Commissura ansulata über; über ihr wei- teres Geschick weiß ich nichts anzugeben; ‚ich betrachte sie als Nach- zügler des eigentlichen Bindearms (Fig. 49). — Fibrae propriae des Kleinhirns. Über die Verbindungen der Kleinhirntheile unter einander will ich rasch hinwegkommen, so sehr sie in der That durch ihre Mächtigkeit imponiren. Sie bestehen alle aus Fasern feinen Kalibers. Es sind a) Züge zwischen eigentlichem Gerebellum und Valvula, nämlich: 1) Ein ziemlich starkes Bündel, das bis in die Kuppe des eigent- lichen Cerebellums verfolgbar nach innen vom Hauptantheil des Bindearms unter der Kreuzung der sekundären Vagus-Trigeminusbahn wegzieht und von unten in den Mittellappen der Valvula einstrahlt (medial). 2) Eine Anzahl feinerer Bündel aus den vorderen Partien der seit- lichen Theile des Cerebellum in die Seitenlappen der Valvula ; an sagit- talen Schnitten die dorsalsten, theilweise marklos (lateral) (Fig. 50). b) Züge zwischen eigentlichem Cerebellum und Übergangsganglion, nämlich: 4) Kleinere Bündel, die aus dem hinter dem Rindenknoten der sekundären Vagus-Trigeminusbahn liegenden Theil des Übergangsgan- glion in die seitlichen Theile des Cerebellum umbiegen (Fig. 50). 2) Bündel von ähnlichem Verlauf wie diejenigen der Bahn ins Zwischenhirn, bis in die vordersten Theile des Übergangsganglion ver- _ folgbar und wie es scheint theilweise gekreuzt. c) Züge zwischen Valvula und beiden Abschnitten des Übergangs- ganglion. Diese Verbindungen sind wirklich relativ sehr mächtig. Dabei ver- flechten sich die Faserzüge in den verschiedensten Richtungen unter einander und mit den bereits beschriebenen Bahnen. Berücksichtigt man dabei, dass Valvula und eigentliches Cerebellum so wie die beiden Theile des Übergangsganglion durch den Rindenknoten der sekundären Vagus-Trigeminusbahn wie durch ein Bollwerk von einander geirennt sind, so müssen natürlich die Stellen hinter, vor und über demselben wahre Brennpunkte von Nervenfasern sein (Fig. 33, 34, 35, 48, 49, 50, 55). Übergangsganglion. Ü. G. der Figuren. Um noch ein Wort über das Übergangsganglion zu sagen, so gehört dieses Corpus quadrigeminum posterius Fritsch durch seine Verbin- Vergl, anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d, Cyprinoiden. 335 dungen fast ganz dem Kleinhirn an. Allerdings beobachtet man Faser- züge zwischen seinen beiden Abschnitten (vor und hinter dem Rindenknoten der sekundären Vagus-Trigeminusbahn), die ihm vielleicht eigenthümlich sind. Bündel, welche in die bei den Knochenfischen so gewaltige Commissura transversa Halleri (Commissura inferior GupDEn) übergehen (Fig. 55), oder unter dem Aquaeductus Sylvii weg in fron- talen Ebenen um den Kern des Nervus oculomotorius herumbiegen (Fig. 49), entspringen in seiner nächsten Nähe, sehr unwahrscheinlich aus ihm selbst. Nervenfaserbündel endlich, die von ihm ausgehend die hintersten Abschnitte des Torus semicircularis quer nach außen zu durchsetzen und an die Innenseite des Tectum opticum zu gelangen scheinen, kommen wenigstens theilweise (Forelle, Osmiumpräparate vom Hecht) aus der Valvula cerebelli selbst, indem sie das Ganglion einfach durchsetzen und den Eindruck von einer Verbindung zwischen Kleinhirn und Vierhügeldach hervorrufen (radiatio thalami Frıtscn). Schlussbetrachtung über das Kleinhirn. Ich kann über die Beschreibung des Kleinhirns nicht hinweg- kommen, ohne noch eine kurze anatomisch-physiologische Reflexion " daran zu knüpfen. Das Cerebellum mit der Valvula ist seinem histo- logischen Baue und seinen Faserverbindungen nach ein specifischer Theil des Medullarrohrs. Kein peripherer Nerv hat in ihm seine nachweisbare Entstehung. Nichtsdestoweniger kommt auch dem Cerebellum und zwar in höherer Dignität die charakteristische Bestimmung der dorsalen Hälfte des Medullarrohrs zu, nämlich centripetal leitende Nervenbahnen in sich aufzunehmen. Wiederholen wir noch einmal seine Fasersysteme und wir haben 1) eine Verbindung mit dem Hörnervknoten (Tractus fimbriae Fritsch, Sec. A. B.?); 2) eine Verbindung mit den Kernen der centripetal-leitenden Ner- ven der Eingeweide, des Herzens, der Respirationsorgane, der Haut des Gesichtes und des Rumpfes (sekundäre Vagus-Trigeminusbahn); 3) eine Verbindung mit den unteren Oliven, die nach Deriters’ Untersuchungen die Vermittelungsganglien zwischen Hintersträngen und Kleinhirn vorstellen (Stratum zonale Arnoıpı) ; 4) eine Verbindung mit dem Zwischenhirn, bzw. dem Corpus geniculatum externum im weiteren Sinn, also möglicherweise eine Ver- knüpfung mit dem Nervus opticus, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird (Tractus cerebelli ad Lobum opticum); 5) eine für die Cyprinoiden freilich nicht bewiesene Verbindung 336 | P. Mayser, mit dem Tectum opticum, die allerdings im Verhältnis zur Größe des Nervus opticus sehr schwach ist (Bündelchen aus der Valvula ins Tectum); 6) der gekreuzte Bindearm, der durch seine theilweise Endigung im Zwischenhirn eine weitere Verknüpfung zwischen Kleinhirn und Sehnervenkern vorstellen könnte, was gleichfalls aus dem Folgenden hervorgehen wird ; 7) die übrigen Verbindungen des Kleinhirns mit anderen Hirn- theilen, z. B. mit dem Lobus inferior, der Commissura ansulata etc. ge- statten einstweilen keine physiologische Verwerthung. — Allein auch wenn diese Letztern, und wenn selbst alle gröber faserigen, vermuthlich aus der Schicht der Purkinse’schen Zellen ent- springenden Züge keine Verknüpfungen des Cerebellum mit Kernen centripetalleitender Bahnen vorstellen sollten, so genügten doch schon die feinfaserigen Systeme und namentlich seine mannigfaltige und innige Verbindung mit dem Tuberculum acusticum!, dem Kleinhirn den Stempel eines von der Peripherie aus erregbaren CGentrums höherer Dignität (Bewegungsregulator?) aufzudrücken, wobei sich dann physiologischer- seits wieder Faserverbindungen mit den verschiedenartigsten Theilen des Gehirns erwarten lassen. Interessant bleibt dabei in hohem Maße, dass das große Cerebellum der Knochenfische nach meinen Untersuchungen jedenfalls keine nach- weisbaren und im günstigsten, jedoch unwahrscheinlichen Fall nur ganz unbedeutende direkte Verbindungen mit den Hemisphären hat. c. Corpora quadrigemina. Mittelhirn. Lobi optici. Gorpora bigemina. Dem Mittelhirn in charakterisirender Weise eigenthümlich sind die Nerven des Gesichtssinnes : der Nervus opticus als dorsaler, die Augen- bewegungsnerven (Oculomotorius und Trochlearis) als ventraler Antheil dieses peripheren Systems. Die Entwicklung des letzteren wechselt mit der Entwicklung der Augen und findet am Hirn ihren direkten und deutlichsten Ausdruck in der Größe der Lobi optici (Corpora bigemina). ‚Denn nicht nur sind die Corpora bigemina das wesentlichste Gentrum der Sehnerven, sondern es stehen auch diejenigen Fasersysteme, die neben dem Opticus ins Dach derLobi eintreten, wie ich glaube wenigstens theilweise im direkten Größenverhältnisse zum Augennerven. 1 Nicht ohne Interesse erscheint mir eine Untersuchung der Größenverhält- nisse zwischen Tuberculum acusticum und Kleinhirn (namentlich dessen hinterem Abschnitt) bei den niederen Vertebraten. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden, 337 Ich denke hier zunächst an die Associationsfasersysteme (Cin- - gulum) Fritsch, die ich aus später anzugebenden Gründen Arme des ' Tectum opticum nenne. Ob und in wie weit auch die Verbindungen - der Vierhügel mit der Oblongata (Lemniscus Reır, CGommissura ansulata) von der Ausbildung des Gesichtssinnes abhängen, muss an einem um- - fangreicheren Material als dem von mir untersuchten entschieden wer- 1 he den. Ich kann einstweilen nur sagen, dass die Anordnung der ver- ‚ schiedenen Fasersysteme in der relativ dünnen Mittelhirndecke so dicht gedrängt und eigenthümlich ist, dass man unwillkürlich auf die Idee ‚ ihrer anatomischen und physiologischen Zusammengehörigkeit verfällt. Teetum opticum. T. opt. Durch alle Wirbelthierklassen hindurch zeigen die Lobi optici, bzw. : der vordere Vierhügel, einen principiell übereinstimmend geschichteten ‚Bau. Die Schichtung wird im Allgemeinen um so deutlicher, je tiefer das untersuchte Thier sieht. Srıepa und Frırsch haben dieselbe bei ‚ den Knochenfischen in kongruenter Weise beschrieben. In der That - kann man sich schon an wenig glücklichen Präparaten überzeugen, dass ihre Angaben in Bezug auf Zahl und Folge der Schichten richtig sind ; anders steht es allerdings um die anatomische Deutung. Ich schicke bei dieser Gelegenheit gleich voraus, dass ich mittelst ‘der mir augenblicklich zur Verfügung stehenden normalen und hemia- ‘trophischen Reihen zu keinem endgültigen Abschluss in der Erkenntnis des Sehnervenurprungs gelangen konnte und behalte mir eine letzte ' Entscheidung darüber für Untersuchungen an Fischen vor, die einmal mit großen Optici ausgestattet und nach der Gunpen’schen Exstirpations- ‚ methode (Fortnahme eines Auges am jungen Thier etc.) für die Unter- ‚ suchung vorbereitet sind!. Indessen ist eine, wenn auch nur kurze ' Beschreibung des Opticusursprungs zum Verständnis des Daches der ‚ Lobi optici unerlässlich. Ich erwarte aber um so weniger, dem Leser mit dem Folgenden eine deutliche Vorstellung vom centralen Verlauf des Sehnervs zu verschaffen, als ich der Überzeugung bin, dass auch die genaueste und zutreffendste Beschreibung dieses komplicirten Nervs das Selbststudium der Präparate unmöglich ersetzen kann. Nervus opticus. N. I. An schräg nach unten und vorn abfallenden Horizontalschnitten sieht man bei Cyprinoiden den Nervus opticus von außen um den 1 Als solche Augenthiere empfehlen sich besonders die Forellen, die nach meinen Erfahrungen Operationen leicht überstehen und in der Gefangenschaft fressen. 338 °P, Mayser, Pedunculus der Hemisphären (Ped.) herumbiegend ! sich im Ganzen steil nach oben und außen erheben (Fig. 50, 54). Nur ein verhältnismäßig schwaches Faserkontingent schwenkt gegen die Mittellinie ab und senkt sich ungefähr in den Frontalebenen der Zirbel in die Seitenwand des III. Ventrikels (Thalamus opticus) ein (N. I]. c., Fig. 51, 52, 53). Die Hauptmasse des Nervs aber stößt am unteren vorderen Rand des Tectum, also an der Übergangsstelle der III. Ventrikelwand (Thala- mus opticus) in das Dach des Mittelhirns auf jene Nervenzellenmassen, die ich in ihrer Gesammtheit »Corpus geniculatum externum im wei- teren Sinne« genannt habe und zwischen welche sich bei den Cyprinoi- den auch noch der fast sphärische Nucleus rotundus Fritsch einschaltet (Fig. 50, 53, 56). Durch sie wird der breite Strom der Sehnervenfasern in zwei große Arme abgelenkt, welche die vordere oder obere (N. II. a.) und die hintere oder untere (N. II. b.) Opticuswurzel vorstellen. Die vordere etwas schwächere Wurzel sieigt an der vorderen und inneren Seite des Corpus geniculatum in die Höhe und verbreitet sich in den vorderen und oberen Bezirken des Tectum (Fig. 50, 51, 57); die hintere zieht am unteren Rand des Mittelhirndaches nach hinten und senkt sich in die hinteren Theile desselben ein (Fig. 50, 52, 53, 54, 55, 56). In beide Wurzeln drängen sich aus dem Corpus genicu- latum s. I. kommende Fasersysteme ein; es sind die Arme des Tectum opticum, die Associationsfasern (Cingulum) Fritsch. Über die Vertheilung dieser verschiedenen Systeme innerhalb des Tectum kann man schwerlich ins Klare kommen, wenn sich dieselben nicht durch gewisse histologische Eigenthümlichkeiten von einander trennen lassen. Glücklicherweise ist dies theilweise der Fall, doch verhalten sich verschiedene Familien hierin ziemlich verschieden. Am günstigsten erschien mir die Forelle. Die Sehnervenfasern haben hier dickere Achsencylinder und schmälere Markscheiden als die Fasern der Arme. In Folge dessen unterscheidet sich die vordere Opticuswurzel N. II. a. der Forelle bei schwächeren Vergrößerungen in auffallender Weise durch ihren röthlichen Ton von dem hellen Gelb des sie be- gleitenden vorderen Armes. Undeutlicher sind diese Unterschiede beim Hecht und noch undeutlicher bei den Cyprinoiden. — Am Opticus selbst beobachtet man dreierlei Arten von Sehnerven- 1 Ein kleiner Theil des Opticus durchbricht merkwürdigerweise regelmäßig die Seitenwand des III. Ventrikels, bzw. den Pedunculus cerebri von innen nach außen (Fig. 54, N. II. b.) und schließt sich in mehreren Bündeln caudalwärts an- steigend der hinteren Sehnervenwurzel an (Fig. 56). Wie ich finde, kommt diesem ‘gesonderten Opticusantheil auch ein gesonderter Antheil der Commissura transversa Halleri (Comm. inferior GUDDEN) zu. m; USERN N EEE N Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 339 fasern, nämlich dicke, mitteldicke und feine; die ersteren sind bei der Forelle, die letzteren bei den Cyprinoiden besonders deutlich. Das Gros der Fasern hat bei allen darauf untersuchten Fischen mäßig starkes Kali- ber. Dass sich die Sehnervfasern von anderen in ihrer Nähe verlaufenden Systemen, z. B. der CGommissura inferior GuppEn (Comm. transversa Halleri) unter Anderem auch durch Anschwellung des Achsencylinders unterscheiden, darauf hat bereits Guppen! aufmerksam gemacht. End- - lich sehe ich besonders deutlich an einer schräg nach vorn abfallenden Barbenreihe zahlreiche bipolare Zellen in den Tractus opticus ein- geschaltet. Vordere obere Wurzel des.Opticus (N. IT. a.) und vorderer Arm des Tectum opticum- (br. ant.). In Berücksichtigung der angegebenen Merkmale beobachtet man bei der Forelle im Tectum die folgende Ausbreitung der vorderen (obe- ren) Opticuswurzel und des sie begleitenden Systems aus dem Corpus - geniculatum externum im weiteren Sinne. 4) Unmittelbar auf die äußere schmale Rindenschicht des Mittel- hirndaches folgt ein ziemlich dünnes Stratum ungewöhnlich dicker, mit . schmalen Markscheiden und knotenförmigen Anschwellungen des Achsen- eylinders versehener zweifelloser Opticusfasern (2, Fig. 51). Diese ‚ Fasern übersetzen, um ins Tectum zu gelangen, den Kniehöcker von vorn. Im Bereich des Corpus geniculatum externum Fritsch durch- brechen sie ein aus feinen Fasern bestehendes System, das in eben - diesem Ganglion seinen Ursprung zu nehmen scheint, nach unten und hinten zieht und auf die Seitenwand des Tectum übergeht (n.)?. Die ‚ dicken Fasern verbreiten sich in ziemlich gleichmäßiger Vertheilung - über die Fläche des Tectum als äußerste Längsfaserschicht. Hierbei verlieren sie ihre Markscheiden. Ihre letzte Endigung ist unsicher. Dass sie in die äußere, sehr zellenarme Rindenschicht übergehen, ist nach Karminpräparaten und noch mehr nach Osmiumschnitten von anderen Knochenfischen höchst unwahrscheinlich. Dem äußeren An- scheine nach enden sie in der äußeren Lage der mittleren Rindenschicht des Tectum. ! Archiv für Ophthalmologie. Bd. XXV. A. 2 Dies System ist mit Bündeln aus dem unteren Dacharm schon äußerlich und mit unbewaffnetem Auge zu konstatiren. Es liegt an der Vorderseite des Lobus opti- cus als hintere obere Seite eines Dreiecks dem durch die aus einander weichenden Opticuswurzeln gebildeten Winkel gegenüber. Vor, bzw. ventral von ihm und also innerhalb des Dreiecks sieht man zuweilen mit großer Deutlichkeit ein graues Knöt- chen, das dem Corpus geniculatum externum Frıtsca entspricht. 340 Ä P. Mayser, Unter den untersuchten Fischen haben die Forellen diese Schicht am meisten ausgebildet. | 2) Die nächste, viel mächtigere als die voraufgegangene, aber un- mittelbar auf sie folgende Längsfaserschicht wird durch den vorderen Arm des Tectum (dr. ant., Cingulum Frırtscn) und zahlreiche Faserbündel aus der vorderen Opticuswurzel gebildet (5, Fig. 51). Der vordere Arm er- hebt sich an der äußeren Seite der vorderen (oberen) Opticuswurzel und versendet seine Fasern aus der Nähe der Mittellinie über das Tec- tum, also dass die Schicht um so schwächer wird, je weiter sie sich von der Mittellinie, und in der Nähe der Mittellinie selbst, je weiter sie sich von dem Ursprung der Bahn und dem Opticusabgang nach hinten ent- fernt. Ich bin der Ansicht, dass auch diese Fasern in der äußeren Lage der mittleren Rindenschicht enden. Der vordere Arm kommt aus den hinteren Partien des Corpus geni- culatum externum s. l. und zwar bei der Forelle aus einer anscheinend rundlichen Zellenansammlung!. Allem Anschein nach steht der vordere Arm im direkten Größen- verhältnis zu der vorderen Opticuswurzel. Er ist bei den Gyprinoiden viel schwächer als bei der Forelle. Bei Karpfen und Barbe geht unter spärlichem Faserzuschuss durch den vorderen Arm fast die ganze vordere (obere) Sehnervwurzel in der Bildung der zweiten Längsfaser- schicht auf. | 3) Auf diese zweite Längsfaserschicht folgt nun keine Faser- schicht mehr, sondern die mittlere, bzw. die eigentliche Rindenschicht des Vierhügeldaches (4. a. und 4. b. Fig. 51). In diese dringen in ähn- licher Verbreitung wie bei der zweiten Längsfaserschicht Bündel aus der oberen Opticuswurzel ein. Außerdem aber sieht man Faserzüge aus dieser Wurzel an der Innenseite jener Rindenschicht und selbst an der Innenseite der auf diese Schicht folgenden Querfaserschicht (5. a.) in longitudinalen Zügen sich verbreiten (5. b. Fig. 51). Bei Hecht und Forelle gewahrt man aber leicht, wie sich von diesen inneren Zügen Faserbündel ablösen und nun von innen nach außen in die äußere Lage der mittleren Rindenschicht eindringen; auf die inner- sten werde ich besonders zu reden kommen. 1 Wiederholt schon ist die Vermuthung in mir aufgetaucht, es möchte der vor- dere Arm des Tectum (br. ant.) nichts Anderes sein als ein von unten und ziemlich weit hinten jäh nach vorn und oben umbiegendes Bündel der vorderen Opticus- wurzel, bei welchem das helle Gelb, die feineren Achsencylinder und die scharfe Umgrenzung, wie sie Fig. 51 zeigt, einzig durch die Schnittrichtung veranlasst wür- den. Ich konnte mich indessen nie hiervon überzeugen. Sagittalschnitte dürften. die beste Auskunft geben. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Kuochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 341 Endlich mache ich darauf aufmerksam, dass ein Theil der vorderen Opticuswurzel das Corpus geniculatum externum s. |. so durchsetzt und ‚ umflicht (Fig. 53), dass eine Verbindung mit demselben wahrschein- ‚ lich erscheinen muss. Strikte Beweise fehlen. Untere hintere Opticuswurzel (N. I]. b.) und hinterer Arm des Tectum opticum (Br. post.). Während sich die untere (hintere) Wurzel zwischen Corpus geni- culatum externum s. ]., unterem Rand des Tectum opticum und Com- \ missura inferior Guppen (Comm. transversa Halleri) hindurchzwängt (Fig. 14, 53, 56), und während sie am unteren Rand des Mittelhirn- ı daches frei nach hinten zieht, wobei sie bekanntlich eine theilweise | Umdrehung ihrer Faserbündel von außen nach innen erfährt, wird sie schichtweise (ähnlich dem Sehnervenchiasma der Reptilien und Vögel) von den Zügen des unteren (hinteren) Tectumarmes (Br. post.) durch- " brochen, welche vom Corpus geniculatum externum s. I. nach außen und hinten ziehen und an der Außenseite der Sehnervenwurzel ins | Vierhügeldach übergehen (Fig. 53, 54, 56). Zu ihnen gesellen sich auch | Fasern aus der Commissura inferior Guppen. Allein da sich der Über- | tritt ins Tectum nicht auf einmal vollzieht, so sammelt sich am hinteren | unteren Rand des Mittelhirndaches — also im Winkel zwischen Tec- ‚ tum und Torus semicircularis Halleri — eine gemischte Fasermasse an (Fig. 53, 55, 56), die jener am vorderen oberen Rand, aus vorderem Arm- und vorderer Opticuswurzel zusammengesetzten (Fig. 51, 53), ähn- lich ist. In ziemlich übereinstimmender Weise mit jener vollzieht sich auch ‚ hier der Übertritt ins Mittelhirndach und nur so viel glaube ich beifügen - zu müssen, dass sich die Armfasern ganz vorzüglich in den mittleren - Bezirken der Tectumseitenwand verbreiten (Fig. 53, 54, 56). Die äußerste dickfaserige Opticusschicht nimmt von vorn nach hin- ten rasch an Mächtigkeit ab. Fritsch lässt p. 64 die ganze untere (hintere) Sehnervenwurzel j vom unteren (hinteren) Rand des Tecium weg auf den Torus semicircu- ‚ laris Halleri (Thalamus opticus Frırsch) hinübertreten und von dessen Außenseite medianwärts umbiegend in einem Ganglion des Torus endi- gen, das er dem vorderen Vierhügel der Säuger vergleicht!, obwohl nach seiner Ansicht die untere Opticuswurzel der Fische dem zum Corpus geniculatum internum ziehenden Sehnervenantheil der Säuger ent- - sprechen soll. Der Schwerpunkt seiner Angaben liegt jedenfalls in der ! a.a. O0. Fig. 42, 43, 44 etc. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 23 342 P. Mayser, Behauptung, dass Sehnervenfasern auf den Torus semicircularis Halleri übergehen. Entgegen seiner Erklärung p. 64, dass dies keineswegs schwer zu beobachten sei, erschien mir die Lösung gerade dieser Frage mit großen Schwierigkeiten verknüpft, die sich in befriedigender Weise wahrscheinlich nur durchs Experiment (Wegnahme eines Auges) wer- den überwinden lassen. Das Thatsächliche ist Folgendes. Stratum zonale des Torus semicircularis. St. Z.T. Die Fasern der unteren Sehnervenwurzel sind nach Fritsch (p. 69) im Stratum zonale des Torus semicircularis enthalten (St. Z. T.). Dieses Stratum besteht, so weit es sich um annähernd longitudinal (schräg hori- zontal) verlaufende Fasern handelt (die anderen gehören dem sog. Stab- kranz des Lobus opticus an), aus zwei auf und etwas hinter einander liegenden Schichten, von welchen die innere vordere fast durchaus feine, die äußere hintere etwas dickere Nervenfasern hat. Da die Mark- scheiden der Fasern beider Schichten im entsprechenden Verhältnis stehen, so hat die innere (vordere) an Karminpräparaten im Groben einen mehr röthlichen, die äußere (hintere) einen hellgelben Ton. Beide sind an- nähernd von derselben Mächtigkeit. Die Fasern beider Schichten sieht man besonders gut bei Cyprinoiden an nach unten und vorn abfallen- den Schrägschnitten bündelweise gegen die Mittellinie umbiegen und zwischen zahlreichen kleinen Nervenzellen vorzüglich im hinteren und oberen Theil des Torus verschwinden (Fig. 55). Einen Übergang in ein bestimmtes von seiner Umgebung exakt trennbares Ganglion habe ich nier nicht beobachtet. Was nun dieinnere feinfaserige Schicht des Stratum zonale an- betrifft, so gehört dieselbe der Commissura transversa Halleri (Comm. inferior Guppen) an; nichts ist leichter, als an den eben erwähnten Schrägschnitten ihren Zusammenhang mit dieser Kommissur zu kon- statiren (Fig. 55). Allerdings glaubt Frırscn mit den alten Autoren, die Commissura inferior bestehe vorwiegend aus Sehnervenfasern, und nennt es in der Anmerkung p. 58 eine Ansicht Guppen’s, dass diese 1 Jedenfalls zum größten Theil, indessen beobachtet man auch Bündel, die, obwohl sie in der Bahn der Commissura transversa Halleri verlaufen, doch nicht zu dieser gehören, vielmehr im Tuber cinereum und zwar nahe der Mittellinie in einer Zellenansammlung enden, ohne vorher die Medianlinie überschritten zu haben. Andererseits scheint es, als gehen Nervenfasern aus dem gleichseitigen Lobus in- ferior in die innere Schicht des Stratum zonale über und endlich drängen sich in dieselbe noch dickere Fasern aus einem System ein, das sich ein wenig dorsal und caudal von der Commissura inferior in der Mittellinie kreuzt und das ich der von GAnsER, »Untersuchungen über das Gehirn des Maulwurfs. München 4880. p. 32«, so benannten »vorderen Kreuzung der Regio subihalamica« vergleiche. EEE Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 343 Kommissur nichts mit dem peripheren Nervus opticus zu thun habe. Indessen dürfte eine Thatsache, die wie nur wenig andere in der Hirn- anatomie durch schlagende Beweise gestützt ist, doch etwas mehr sein als die»Ansicht« eines Autors. Die äußere (hintere) Schicht des Stratum zonale nimmt nachweis- bar zunächst Faserzüge auf, die an nach außen geneigten Sagittal- schnitten von der äußeren Seite der vorderen Opticuswurzel, bzw. des sie begleitenden oberen Arms des Tectum direkt nach hinten auf den Torus semicircularis umbiegen, wobei sie natürlich die untere Opticus- wurzel mit dem unteren Tectumarm durchbrechen müssen (Fig. 53, 56, nl). Die Züge beschreiben also einen nach vorn konvexen Bogen. An frontalen Schnitten sieht man sie aus der vom unteren Opticus und dem unteren Teciumarm gebildeten Fasermasse medianwärts durch- brechen. Dem Anschein nach stammen sie aus dem Corpus genicula- tum externums. |. und zwar bei den Cyprinoiden zum Theil aus den Zellen in der Umgebung des Nucleus rotundus FrırscH; indessen ist auch die Möglichkeit nicht ganz auszuschließen, dass sie aus der vorderen Opti- cuswurzel nach hinten herabsteigen. Immerhin sind diese Bündel nicht mächtig genug, um die ganze äußere (hintere) Schicht des Gürtellagers zu repräsentiren und in der That sieht man, zumal an Frontalschnitten auch noch andere Züge von der Innenseite der aus unterer Opticuswurzel und unterem Tectumarım gebildeten Fasermasse aufs Stratum zonale übertreten, allein es ist die Frage, gehören dieselben dem Opticus an oder sind sie den Fasern des Dacharmes gleichwerthig, bzw. kommen sie aus dem äußeren Kniehöcker im weiteren Sinn oder stehen sie vollends mit anderen Gehirntheilen in Verbindung und durchsetzen einfach das Opticusgebiet? Nach immer und immer wieder an Karmin- und Osmiumreihen, an normalen und hemiatrophischen Objekten angestellten Untersuchungen kann ich nur Folgendes sagen : Für den Übergang von Sehnervenfasern sprechen 1) die direkten Untersuchungen (namentlich an Sagittal- schnitten), die sich auf die histologischen Merkmale der Opticusfasern, in specie die Anschwellungen der Achsencylinder stützen. Allerdings ‚werden diese an sich schon etwas unsicheren Unterscheidungen noch unsicherer, je näher man dem centralen Ende der Fasern kommt. 2) Durch die Umdrehung nach einwärts gelangt ein Theil der unteren Wurzel an die Innenseite der aus dieser und dem unteren Tec- tumarm bestehenden Fasermasse; von der Innenseite derselben geschieht aber der Faserübergang aufs Stratum zonale. 33* 344 P. Mayser, 3) Das Stratum zonale ist um so mächtiger, je größer der Nervus opticus. — Dagegen kann man freilich bemerken, dass auch die Systeme aus dem Corpus geniculatum s. l. dem Anschein nach im Größenverhältnis zum Sehnerv stehen. Außerdem lässt sich bei meinen drei Reihen mit hemiatrophischem Opticus kein deutlicher Unterschied in der Mächtig- keit der Gürtellager beider Seiten feststellen. Freilich ist bei keiner derselben die Atrophie eine totale, andererseits aber erscheint mir die hintere Opticuswurzel auch bei Reptilien und Vögeln aufs Mittelhirndach beschränkt und bei einer Taube finde ich trotz totaler Atrophie eines Opticus einstweilen nur eine Atrophie der äußeren Faserschicht des Sehlappens.. Doch sind auch hierin die Untersuchungen nicht ab- geschlossen. Die Frage nach der Betheiligung des Opticus an der Bildung der Gürtelschicht des Torus semicircularis bleibt also vor der Hand eine offene, wenn auch die vorgebrachten Gründe theilweise zu Gunsten dieser Ansicht sprechen. Zweifellos erscheint mir aber nach meinen Untersuchungen an normalen und einseitig blinden Knochenfischen und in Berücksichtigung meiner auch an Reptilien und Vögeln über die hintere Opticuswurzel gemachten Erfahrungen !, dass sich mindestens ein beträchtlicher Theil derselben im Tectum Lobi optici, d. i. im Mittel- hirndache, verbreitet. Kehren wir wieder zur Betrachtung des Tectum opticum zurück. Das Dach hat bei demselben Individuum an verschiedenen Stellen ver- schiedene Dicke, die theilweise durch die Faseransammlungen bedingt ist, außerdem aber zeigen verschiedene Familien auch hierin ein ver- schiedenes Verhalten, auf dessen Beschreibung ich jedoch verzichte. Ich muss nur Angesichts der aus Frıtscr’s Werk bereits zu Anfang citir- ien Angaben (Fritsch, p. 35) darauf aufmerksam machen, dass bei einzelnen Cyprinoiden, z. B. Carpio und Barbus, die einen mäßig großen Opticus aber eine relativ sehr beträchtliche Valvula cerebelli besitzen, die beiden Seitenhälften des Tecium durch die Valvula in der Mittellinie weit aus einander gedrängt werden, so dass die Tori longi- tudinales Halleri zwischen den Innenrändern der beiden Dachhällten frei liegen und mit den über sie wegziehenden Querfaserzügen und der Pia mater den ganzen dorsalen Verschluss der Höhle der Lobi optiei bilden. Andere Gyprinoiden dagegen, wie z. B. die Leuciscusarten, unterscheiden sich in dieser Hinsicht kaum von Esox oder Salmo. 1 Bei beiden Thierklassen lassen sich am Opticus eine vordere obere und bin- tere untere Wurzel unterscheiden. Die Verbreitung der vorderen Wurzel im Tectum hat namentlich bei Reptilien und Fischen eine ganz frappante Ahnlichkeit m mn m Vergl, anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 345 Tiefes Marklager des Tectum opticum. a) Querfaserschicht. 5.a. In Beziehung auf die feinere Struktur des Tectum opticum haben wir bis jetzt von außen. nach innen gerechnet folgende an verschiedenen Stellen wechselnd dicke Schichten kennen gelernt: 1) einen schmalen Rindensaum (7.); 2) eine dünne Schicht dicker Opticusfasern (2.); 3) eine dickere Schicht von Fasern der Tectumarme und des Opti- cus (.); 4) eine breite Rindenschicht, die sich aus einer a) helleren, von Arm- und Opticusfasern und zahlreichen Nervenzellen durchsetzten, äußeren (4. a.) und einer b) dunkleren, dichteren, gleichfalls mit: Zellen und Nerven- fasern ausgestatteten inneren (4. b.) Lage zusammensetzt. Die nächstfolgende fünfte Schicht wird abermals durch Nerven- fasern und zwar vorzüglich durch Querfaserzüge gebildet, zu welchen sich schwächere mehr longitudinal verlaufende Bündel gesellen. Die Querfaserschicht geht nach vorn direkt über in den vorderen Theil der - hinteren Kommissur (Fig. 57). Fritsch vergleicht diese Züge, so weit ‘ sie die Mittellinie überschreiten, mit dem Balken im Großhirn der Säuger, und den sich anschließenden vorderen Theil der Commissura posterior rechnet er zur Commissura anterior (cm. a. 1.), obwohl die Zir- bel vor demselben liegt. Indessen stellt die Querfaserschicht des Tec- tum — ganz abgesehen davon, dass wir weder im Mittelhirn einen Balken, noch hinter der Zirbel eine vordere Kommissur erwarten — in Wirklichkeit nichts Anderes vor als eine Verbindung des Tectum mit weiter nach hinten gelegenen Theilen des Nervencentralorgans, die also, so weit sie die Mittellinie überbrückt, keine Kommissur, sondern wie auch der größere Theil der hinteren Kommissur selbst eine Kreuzung markhaltiger Fasern ist. Allerdings gesellen sich zu dieser Kreuzung ‚ im Dach noch marklose Bündel, die aus der äußersten Rindenschicht des Teetum entspringen und diese, wie ich glaube, mit der Körner- schicht (sechste Schicht) der entgegengesetzten Seite verbinden. Auf ‚ die Bedeutung der mehr longitudinal verlaufenden Züge, die sich mit der Querfaserschicht mischen (5. b.), werden wir später zu sprechen - kommen. Die beträchtliche Querfaserschicht im Tectum der Knochenfische | entspricht im Allgemeinen den Querfaserzügen des tiefliegenden Markes ‚ im Mittelhirndach der übrigen Wirbelthierklassen. Sie enthält, da sie ‚ vorzüglich aus der Oblongata kommt und hier, wie es scheint, zum 346 - P. Mayser, größeren Theil auch entspringt, bzw. endet, die Homologa jener Faser- systeme, welche das Mittelhirndach mit dem Nachhirn verbinden. Leider sind dieselben bei den höheren Thieren wenig erkannt. Speciell bei den Säugern beschränken sie sich auf die obere und untere Schleife, deren Endigungen noch festzustellen sind. Über die fontainenartige Haubenkreuzung Meynerr’s, über die mit dem tiefliegenden Mark zu- sammenhängenden Bogenfasern der Mittelhirnbasis, über etwaige Be- ziehungen der ventralen Haubenkreuzung zu den Vierhügeln sind die Akten kaum eröffnet (ForeL a. a. 0. p. 49 etc.). Ich halte es somit für zweckmäßiger, bei den Fischen die Verbindungen des Mittelhirn- daches mit den weiter nach hinten gelegenen Theilen des Nervencentral- organs im Folgenden einstweilen für sich und ohne Berücksichtigung der möglichen Homologien zu betrachten. Dieselben sind vornehmlich enthalten im Lemniscus Reır und der Commissura ansulata der Autoren, welche das Mittelhirndach mit der Oblongata, und in der Radiatio thalami Fritsch, welche das erstere mit dem Torus semicircularis und der Valvula cerebelli, bzw. dem Übergangsganglion verbindet. 1) Lemniscus Reıı. L.R. Die Reın’sche Schleife präsentirt sich makroskopisch als annähernd dreieckiger Markbeschlag an der ventralen Oberfläche der Oblongata. Die abgestumpfte Spitze des Dreiecks ist der unteren Olive zugekehrt, seine Basis fällt so ziemlich zusammen mit den Querfaserzügen der Commissura ansulata der Autoren. In welcher Weise sich die Fasern an der ventralen Oberfläche sammeln, ob sie etwa aus den zahlreichen Nervenzellen der Oblongatabasis, bzw. des motorischen Feldes her- vorgehen, kann ich nicht angeben. Sie haben verschiedenes, durch- schnittlich aber mittleres Kaliber; die dicksten liegen am meisten nach innen. In den Frontalebenen des Ganglion interpedunculare erhebt sich der Lemniscus Reı, nach außen oben und vorn und strahlt durch die ganze Länge des Torus semicircularis Halleri bündelweise auf die Innenseite des Tectum opticum über (Fig. 56, 57). Diesen Stabkranz Reır’s der alten Autoren vergleicht auch Fritsch der Ausstrahlung des Pedunculus in die Hemisphären bei höheren Thieren (Radiatio peduncularis Fritsch), während er Corona radiata die Durchflechtung nennt, welche seine Balkenfasern mit den aufsteigenden Stabkranzfasern eingehen (a. a. O. Fig. 41, 42, 43, 44, 45, 46). Im Einzelnen vollzieht sich der Übertritt des Lemniscus Reır auf das Mittelhirndach bei den CGyprinoiden derart, dass die hintersten Stab- kranzfasern von der äußeren Oberfläche der Mittelhirnbasis weg direkt Vergl. anat, Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes, Berücks. d. Gyprinoiden. 347 ins Teetum aufsteigen; je weiter man aber nach vorn geht, um so mehr müssen die Bündel das Stratum zonale und den Torus semicircularis selbst der Quere, ja die vordersten sogar der Länge nach durchbrechen. Die vorderen Bündel sind aber ziemlich beträchtlich und da der Torus nach vorn nicht bis ans Tectum heranreicht, so haben dieselben nach ihrem Austritt aus demselben die Höhle des Lobus opticus eine geraume Strecke weit fast frei, nur vom Ependym und der Körnerschicht locker _ umhüllt zu durchsetzen (cf. Fig. 54, 55, 57). Die vortrefflichen Zeich- nungen in Frıtsca’s Werk, Taf. II—XI, sind in diesem Punkte wirklich sehr wahrheitsgetreu und instruktiv. Es ist schon in der Art dieser Vertheilung begründet, dass die für die hinteren Abschnitte des Tectum bestimmten Bündel an der Oberfläche, die für die vorderen Abschnitte aber mehr im Innern der Mittelhirnbasis und zwar im Wesentlichen unten und außen vom Funiculus lateralis in den Maschen der netzförmig zerklüfteten grauen Substanz verlaufen (Fig. 35, 48, 49). Ja sogar von der Innenseite des seitlichen Längs- bündels (Z. L.) und von diesem selbst gehen Fasern in diese Stabkranz- bündel über, so dass man also alles Recht hat, zwischen einem ober- flächlichen ventralen und einem tieferen dorsalen Antheil des Lemniscus ' Reit zu unterscheiden!. Außerdem gesellen sich zum Olivarstrang | - die tiefere innere vergleicht er der Pyramide der Säuger. | | Tiepemanns (L. R.) die Komponenten der Commissura ansulata der Autoren. 2) Commissura ansulata der Autoren. (omm. ans. Ich habe bereits bei der Besprechung des Kleinhirns darauf auf- merksam gemacht, dass Frıtsen p. 74 die Öhrkommissur der Autoren ein »exquisites Kommissurgebilde« nennt; sie ist aber im Gegentheil, so weit Fasern aie Mittellinie überschreiten, eine exquisite Kreuzung. An ihrer Bildung betheiligen sich wesentlich @) dieuntere Pyramide der alten Autoren (U. P.) und £) ein zwischen dieser und dem Lemnisecus Reır gelegenes inter- mediäres System durch ihre Dicke ausgezeichneter Nervenfasern (1. S.). @) Intermediäres System. ].S. Das letztere markirt sich erst in den vordersten Abschnitten der Oblongata deutlich als mäßig starkes und wenig geschlossenes Bündel (Fig. 33, 34, 35), dessen Fasern bezüglich ihrer Herkunft höchst wahr- ! Auch Fritsch p. 74 und 75 theilt seinen Pedunculus (94) in diese zwei Theile, Die ventrale oberflächliche Schicht nennt er hinteren absteigenden Thalamusstiel, 348 | P, Mayser, scheinlich mit denen des Lemniscus ReırL übereinstimmen. Dieselben treffen unmittelbar vor dem Ganglion interpedunculare und also un- mittelbar hinter den austretenden Augenbewegungsnerven zur Kreuzung in der Mittellinie zusammen, wobei sie die unteren Pyramiden der Au- toren durchbrechen (Fig. 48, 56)!. Nach der Kreuzung ziehen sie zu- nächst gerade nach außen, gelangen aber nicht sofort ins Tectum, sondern biegen vorher in die Bündei des Lemniscus um und gelangen mit diesen, den Torus semicircularis durchsetzend, in die vorderen Par- tien der Tectumseitenwand. Diese Kreuzung bildet den hinteren Theil der Commissura ansulata der Autoren. In sie drängen sich, wie wir bereits oben erwähnt haben, auch Bündel aus dem Kleinhirn, bzw. der Valvula und dem Übergangs- ganglion, so wie aus dem Bindearm ein. Wenn man den direkten Unter- suchungen trauen dürfte, so biegen dieselben nach der Kreuzung im Torus semicircularis dorsalwärts in eine Ansammlung kleiner Nerven- zellen ein, welche nach außen vom Funiculus lateralis und nach außen und unien vom Übergangsganglion (Corpus quadrigeminum posterius Fritsch) liegt (Fig. 48). Die Richtung dahin nehmen auch Fasern aus dem Stratum zonale Tori (Si. Z. T.) (Fig. 55) und andererseits entspringen daselbst Bündel, die aufs Tectum übergehen (Radiatio thalami Frırsch) Fig. 48, 19, 55. ß) Untere Pyramiden der Autoren. U. P. Die unteren Pyramiden der Autoren, die aus feineren Fasern bestehen als das intermediäre System, präsentiren sich an der ventralen Oberfläche der Oblongata als zwei ziemlich ansehnliche Bündel zu bei- den Seiten der Raphe genau an der Stelle, wo bei den Säugern die Pyramiden liegen. Sie entstehen zwischen den vorderen Abschnitten der unteren Oliven (Fig. 25) und zwar unter den sich daselbst voll- ziehenden Kreuzungen des Stratum zonale ArnoLvı so, dass man meinen könnte, sie gehen selbst aus diesen hervor. Im Verlauf nach vorn nehmen sie langsam aber stetig an Größe zu, ohne dass man erfahren könnte, woher der Faserzuschuss eigentlich kommt (Fig. 235—35). Im Mittelhirn umgehen sie das Ganglion interpedunculare von beiden Seiten und durchsetzen die Kreuzung der intermediären Systeme, indem sie sich selbst dabei in einem nach vorn spitzigen Bogen kreuzen (Fig. 48, 49, 56)2. Nach der Kreuzung biegen sie, meist in mehrere Bündel ge- 1 Die lateralsten Fasern des intermediären Systems kreuzen sich nicht, sondern gehen ungekreuzt in den gleichseitigen L. R. über (Fig. 56). 2 In Fig. 56 sind der vordere und der hintere Kreuzungswinkel der unteren Pyramiden viel zu spitzig gezeichnet. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 349 tbeilt, ziemlich horizontal und parallel dem hinteren Antheil der Com- missura ansulata vor den austretenden Augenbewegungsnerven nach außen und oben und treten ins Tectum über (Fig. 49, 56). Sie be- schreiben also nach vorn und oben konkave Bögen und müssen den Torus und das Stratum zonale desselben theilweise durchbrechen (Fig. 49). An der Basis bilden sie den vorderen Theil der Commissura ansulata und zugleich die Grenze zwischen Mittelhirn und Lobi inferiores. Die ‘ Fasern des intermediären Systems vermischen sich innerhalb der Öhr- kommissur zuweilen mit den Bündeln der unteren Pyramiden und um- gekehrt, jedoch immer nur auf kürzere Strecken. Auch an diesem vorderen Theil der Öhrkommissur betheiligen sich, wie wir oben er- fahren, Bündel aus dem Kleinhirn, bzw. aus der Valvula cerebelli und vom Bindearm (Fig. 49). 3) Radiatio thalami Frırtscn. Es ist in hohem Maße wahrscheinlich, dass eine ansehnliche Zahl von Fasern aus den soeben beschriebenen Kontingenten des Stabkranzes der Autoren (L. R., I. S., U. P.) im Torus semicircularis ihr nächstes ‚ Ende findet, wenn sich dies auch durch direkte Untersuchungen schlechterdings nicht feststellen lässt. Auf der anderen Seite gehen, wie bereits erwähnt wurde, Faserbündel aus den hinteren dorsalen Partien - dieses Gehirntheiles in den Stabkranz über, ein System formirend, das -. Fritsch als Radiatio ihalami bezeichnet. Bei Forelle und Hecht glaubte > ich namentlich an Osmiumpräparaten ganz bestimmt zu sehen, dass ein Theil dieser Bündel aus der Valvula cerebelli und dem hinteren und vorderen Vierhügelganglion von Frırscn stammt. Nach diesen Präpa- raten bin ich auch zu der Überzeugung gekommen, dass jene Züge, \ die Fritsch aus seinem Ganglion des vorderen Vierhügels in die hintere ‘ Opticuswurzel verfolgt, nicht in diese Wurzel, sondern aufs Tectum ", opticum übergehen, vorausgesetzt, dass ich mich in der Identität des | { | 1 Ganglions nicht täusche. | Die übrigen Antheile der Radiatio ihalami Frıtsca entspringen ver- ‚ muthlich aus den schon erwähnten kleinen Zellen in den mittleren Be- zirken des Torus semicircularis. Von hohem Interesse ist die Frage nach dem Schicksal der sog. Stabkranzfasern im Mittelhirndach. Stabkranz. St.K. Zum Studium derselben eignen sich Osmiumschnitie ungleich besser als mit Karmin gefärbte. Zunächst sieht man wie die Bündel die Körnerschicht ohne Faserverlust durchsetzen und sich alsdann an der Innenseite der mittleren Rindenschicht des Tectum (4. b.) dorsalwärts er- 350 P. Mayser, heben (Fig. 35, 48, 49, 54, 55, 57). Hier werden sie successive kleiner, je weiter sie in die Höhe steigen, indem sie unterwegs Fasern an die Rinde abgeben. Einen kleinen Rest verfolgt man indessen schon in den hinteren Frontalebenen des Lobus opticus bis zum Torus longitudinalis Halleri, über den die Fasern hinwegsetzen, um in die andere Tectum- hälfte zu gelangen. Zweifellos und massenhaft präsentirt sich diese letztere Erscheinung in den vorderen Frontalebenen und besonders deutlich an nach hinten schräg abfallenden Reihen von kleinen Ge- hirnen, z. B. von Cobitis fossilis. Diese die Mittellinie überschreitenden Züge gehen untrennbar über in den vorderen Theil der sog. hinteren Kommissur (Fig. 57). Das sog. Corpus callosum der Knochenfische ist also keine Kom- missur, sondern eine Kreuzung; was für Fasern sind es aber nun, die sich hier kreuzen ? A priori erwarten wir, dass die aus der Commissura ansulata hervorgegangenen Bündel im Mittelhirndach nicht noch einmal die Mittellinie überschreiten werden. Auf der anderen Seite ist der Nachweis unschwer zu erbringen, dass die mächtigen vordersten Bündel des Corpus callosum vornehmlich aus dem inneren dorsalen Theil des Lemniscus Reır (r. p. Fritscn), bzw. aus den Faserbündeln hervorgehen, welche in den vorderen Frontalebenen der Öhrkommissur unten und außen, ja theilweise sogar nach innen vom lateralen Längsbündel und selbst mit demselben verlaufen. Ist also mit dieser Thatsache wenig- stens eine partielle Kreuzung des Lemniscus außer Zweifel gestellt, so stützt die nach hinten fortschreitende Abnahme des Corpus callosum die Annahme, dass auch die Fasern des ventralen äußeren Theils der Schleife (hinterer Thalamusstiel Frırsch) die Mittellinie des Mittelhirn- daches überschreiten. Über die Beziehungen der Radiatio thalami Frırscu (aus dem Torus semicircularis, bzw. der Valvula, dem Ganglion des hinteren und vorderen Vierhügels nach Frırscn) zu seinem Corpus callosum weiß ich nichts Bestimmtes anzugeben. Dass sich übrigens dieselbe auf die hin- teren und seitlichen Theile des Tectum beschränke, wurde bereits an- gegeben. Endigung der Stabkranzfasern. Was nun die letzte Endigung der Stabkranzfasern anlangt, so sieht man solche namentlich gut au Osmiumpräparaten in die innere dichtere Lage der mittleren Rindenschicht (4. b.) eintreten, ja einzelne lassen sich sogar in die äußere hellere verfolgen. Ich bin also der Ansicht, dass sie vorzüglich in dieser inneren Lage enden werden, denn diese ist keineswegs arm an Zellen, wenn sich dieselben auch bei der dichten Verg], anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 351 ‘ Grundsubstanz vielfach der Beobachtung entziehen. Außerdem gewahrt man namentlich bei Cyprinoiden innerhalb des tiefen Marklagers selbst ‘zahlreiche kleinere und größere Nervenzellen, die vielleicht als End- ' stationen von Fasern dieser Schicht betrachtet werden können. Ich habe sie Fig. 52 ihrer Massenhaftigkeit wegen mit 4. c. = innerste Rinden- schicht bezeichnet. | Die Nervenzellen des Mittelhirndaches sind abgesehen von denen ‚ des Nucleus corticalis Frırscr (siehe oben) überwiegend ziemlich klein. Sie haben meist einen gestreckten Leib und zwei oder auch mehr Fortsätze. | Besonders häufig begegnet man der reinen Spindelform. Solche Spindeln | stellen sich mit ihren ausgezogenen Spitzen gerade senkrecht zur Aus- | breitungsebene des Rindengrau. Da aber außerdem von der Pia und ‘den Körnern der äußeren Rindenschicht Kapillargefäße, Bindegewebs- ‚fibrillen , und Zellfortsätze stiftförmig ins Tectum eindringen, und um- "gekehrt von den Zellen der inneren Körnerschicht Fortsätze in ent- gegengesetzter Richtung nach außen ziehen, so erhält das Dach dadurch N eine radiäre Streifung, die nur durch die sehr prägnante Schichtung " verwischt wird. Wenn also schon die auffallenden örtlichen Beziehungen "der Längs- und Querfaserschicht zu einander, so erleichtern die senk- recht zwischen beide Marklager eingeschalteten Nervenzellen die Vor- "stellung, dass man es hier mit einem vermittelnden Centralapparat (Reflexapparat) zu thun habe!. Dafür, dass Fasern der Querfaserschicht auch in der Körnerschicht (sechsten Schicht) endigen, habe ich zwar "keine sicheren Anhaltspunkte, bin jedoch weit entfernt, die Möglichkeit dieser Endigung zu bestreiten. b) Längsfaserzüge. 5.b. ! Zur eigentlichen Querfaserschicht des tiefen Marklagers gesellen "sich Züge, die innerhalb des Tectum einen mehr longitudinalen, bzw. schräg von außen oben und hinten nach innen unten und vorn ab- steigenden Verlauf zeigen (Fig. 51, 52, 5. b.). Sie bestehen bei den Cy- - prinoiden aus den feinsten markhaltigen Nervenröhren , die im Mittel- -hirndach vorkommen und nehmen von hinten nach vorn an Menge zu. - Nach meinen Beobachtungen gehen die hintersten in die Commissura inferior Gunpen (Fig. 54 nicht bezeichnet), die weiter vorn in die Wand ‚des II. Ventrikels (Thalamus opticus) (Fig. 51, 52, 5. b.), die vordersten ‚direkt in den Sehnerven über (Fig. 51, 5.b.). | Was die ersten anlangt, so will ich gerade nicht behaupten, dass | ! Den feineren histologischen Bau des Tectum opticum siehe diese Zeitschrift ‚Bd. XXXV. Berroncı, a. a. 0. Taf. II, Fig. A und 2, | E| | | 392 P. Mayser, dieselben auch wirkliche Kommissurenfasern vorstellen, denn die bei den Knochenfischen so gewaltige Commissura transversa Halleri (Com- missura inferior Gubpen), die in zahlreichen Bündeln von den äußeren (Stratum zonale) und inneren Bezirken des Torus semicircularis Halleri, von der Seitenwand des Tectum opticum und des Ill. Ventrikels zur vorderen Seite des Tuber cinereum herabsteigt, enthält nicht nur, wie ich bereits bemerkte, einen Faserantheil, der ungekreuzt ins Tuber cinereum umbiegt, sondern es gehen sogar möglicherweise Fasern davon in den Pedunculus cerebri über. Ä Der Eintritt der weiter vorn herabsteigenden Bündel in die Seiten- wand des III. Ventrikels (Thalamus opticus) ist über jeden Zweifel erhaben (Fig. 51, 52). Sie gehen größtentheils in dieselbe graue Masse über, aus welcher die Thalamuswurzel des Optieus (N. II. c.) hervorgeht und viel- fach ist ein direkter Zusammenhang beider Faserarten zweifellos nach- weisbar; andere Fasern enden etwas dorsaler und theilweise erst, nachdem sie die Mittellinie innerhalb der Commissura posterior über- setzt haben, wenigstens sieht man Bündelchen zu dieser Kommissur hinziehen (Fig. 51, 52). Ich bin also der Meinung, dass diese letzteren dorsalen (ungekreuzten und gekreuzten) Züge eine Verbindung des Teetum mit dem Thalamus opticus vorstellen und vielleicht auch zum Theil in den Pedunculus cerebri (Stiel der Hemisphäre) übergehen, während die ersteren ventralen in die Thalamuswurzel des Opticus ein- treten und somit die Wand des Ill. Ventrikels einfach durchsetzen. Jedenfalls gesellen sich die vordersten der longitudinalen Züge im tiefen Marklager ganz zuverlässig und zwar direkt zum Sehnerven; schräg nach vorn abfallende Osmiumschnitte zeigen dies aufs deut- lichste. Wie wir bereits oben angegeben haben, sind diese Bündel bei Hecht und Forelle sehr beträchtlich (Fig. 514). Außerdem haben die Fasern hier das Kaliber mittlerer Opticusfasern, während bei den Cyprinoiden entsprechend dem kleineren Opticus die Bündel viel schwächer und zudem die Fasern feiner und überhaupt die feinsten des Sehnerven sind. Ferner wurde eben daselbst angeführt, dass bei Hecht und Forelle Bündel dieser Opticusfaserzüge im tiefen Mark von innen nach außen in die mittlere Rindenschicht eindringen. Bei den Cyprinoiden konnte ich dies nicht beobachten, vielmehr treten hier die Fasern in sehr nahe örtliche Beziehung zur sechsten Schicht (Körnerschicht). Ich bin der Meinung, dass diese Fasern der Cyprinoiden nicht beim Opticus ver- bleiben, sondern in weiter nach vorn gelegenen Frontalebenen in die Commissura inferior abschwenken. Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes, Berücks. d. Cyprinoiden. 353 | Körnerschicht. 6. Die sechste Schicht ist die mehrerwähnte Körnerschicht. Die Ele- - menie dieser großen Schicht sind viel größer als die Körner des Gere- bellum. Es sind Zellen mit großem Kern, kleinem Protoplasmaleib und deutlichen Fortsätzen, wie man sie im centralen Grau des III. Ventrikels, ‚ in der Zirbel, in der Umgebung des Ganglion interpedunculare u. s. w. in großer Menge findet. Unter den äußersten, d. h. unter den dem - tiefliegenden Marklager zunächst liegenden sieht man größere, vermuth- " lich zur Rindenschicht 4. c, (Fig. 52) gehörige Exemplare, welche die größte Ähnlichkeit mit typischen Ganglienzellen haben. Die Ausläufer der Körner dringen radienartig ins Tectum ein. nn nme Für den Ursprung größerer Markmassen aus der ihrer Ausdehnung nach so beträchtlichen sechsten Schicht bieten meine Präparate keine - Anhaltspunkte. | Auf die Körnerschicht folgt Ependym mit zahlreichen Blutgefäßen “und auf dieses eine Epithelschicht als nächste Einfassung des ventrikel- artig ausgedehnten Aquaeductus Sylvii. 9 eg a Resume über den Bau des Mittelhirndaches. Rekapituliren wir jetzt noch einmal in Kurzem unsere Angaben - über den Bau des Mittelhirndaches, so setzt sich dasselbe in folgender Weise zusammen. Von außen nach innen gezählt hat man 1) eineäußereschmale Rindenschicht mit wenig Körnern, sehr seltenen Opticusfasern und Nervenzellen ; | 2) eineschmale Längsfaserschicht aus dicken Opticus- asern; ' | 3) eine stärkere Längsfaserschicht gebildet durch die Arme des Tectum opticum und Fasern des Opticus; | k) eine breite Rindenschicht bestehend aus a) einer äußeren helleren Lage mit zahlreichen Nerven- zellen und Fasern = wahrscheinliche Endstation der Arme des Tectum, des Opticus, der Gommissura horizontalis Frırscn und vielleichteinzelner Bün- | delausder CommissuratransversaHalleri (p. 342); | b) einer inneren dichteren Lage mit Zellen und Fasern = wahrscheinliche Endstation der Querfaserschicht destiefen Marklagers; ec) einer namentlich bei den Cyprinoiden bemerkenswerthen Menge in dastiefe Marklager eingestreuter Nervenzellen 354 PB, Mayser, — innerste Rindenschicht, vermuthlich Endsta- tion von Fasern destiefliegenden Markes; 5) einestarke Nervenfaserschicht, das tiefe Marklager, be- stehend aus a) Querfaserzügen = Verbindung des Tectum opti- cum mit weiter nach rückwärts gelegenenHirn- abschnitten (Oblongata, Valvula cerebelli, Torus semicir- cularis, Ganglion des vorderen und hinteren Zweihügels nach Fritsch); b) Längsfaserzügen = Verbindung des Tectum mit der Commissurainferior, mitdem Thalamus opti- cus, bzw. den Hemisphären (Pedunculus cerebri) und mit dem Nervus opticus; 6) eine starke Körnerschicht; 7) das Ependym mit dem Epithel. N. trochlearis (N. IV.) und N. oculomotorius (N. IIl.). Dem dorsalen, d. i. sensiblen Nervus opticus entsprechen als ven- trale, d. i. motorische Antheile die Nerven der Mittelhirnbasis, Oculo- motorius und Trochlearis. Zu den von Fritsch hierüber gemachten An- gaben bemerke ich das Folgende. | Trochlearis. N. IV., Fig. 48. Der Kern des Trochlearis lässt sich an frontalen Reihen vom Karpfen und der Forelle vom Kern des Oculomotorius trennen. Einmal nämlich stellt der erstere ein rundliches, oben und außen vom hinteren Längs- bündel und dicht unter dem Aquaeductus liegendes Zellennest vor; ferner schiebt sich zwischen ihn und den hinteren oberen Rand des Oculomotoriuskerns eine zungenförmige Fortsetzung des Übergangsgan- glion (Corpus quadrigeminum posterius Fritsch); endlich sind die Zellen des Oculomotorius, die bei der aufsteigenden Untersuchung frontaler Schnittebenen zuerst erscheinen, durch ihre Größe und ihre exquisit rundliche Form leicht von denen des Trochlearis zu unterscheiden. Die ausstreichende Wurzel des Trochlearis biegt aus der Mitte des Zellen- nestes im Bogen um den Aquaeductus nach oben, kreuzt sich mit ihrem Gespann in der Valvula cerebelli vor der Kreuzung der sekundären Vagus- Trigeminusbahn (Fig. 48) und verlässt, im Bogen nach hinten und ab- wärts ziehend, die Valvula unmittelbar hinter dem Torus semicircularis. Dies ist die Regel wenigstens bei den Cyprinoiden, allein es giebt Aus- nahmen. Die Kreuzung ist bald höher bald tiefer und einmal, bei einem Karpfen, sah ich die Nerven unmittelbar nach der Kreuzung senk- Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 355 recht in die Höhe steigen und an der oberen Seite der Valvula austreten. Immer ist die Kreuzung eine totale; darüber kann gar kein Zweifel sein und dies stimmt auch ganz überein mit dem Verhalten der übrigen Wirbelthierklassen. Namentlich sind die Vögel geeignet, einen hiervon zu überzeugen, da bei diesen (Taube) die Trochleares unmittelbar von den ganz oberflächlich liegenden Kernen weg zur Kreuzung über dem Aquaeductus zusammentreten. Oculomotorius. N. III., Fig. 48, 49. Der ungleich mächtigere Kern des Nervus oculomotorius ist bei den von mir untersuchten Fischen ausgezeichnet durch verschiedenerlei Zellen, die sich von innen halbmondförmig ums hintere Längsbündel herumlegen (Fig. 49). Das obere spitzige unter dem Aquaeductus liegende, und das untere stumpfe Horn des Halbmondes enthalten bei den Cyprinoiden vornehmlich mittelgroße, denen im Trochleariskern ähnliche Nervenzellen von gestreckter Form, während sich in dem schma- len nach innen vom hinteren Längsbündel liegenden Mittelstück zahl- ‚ reiche beträchtlich große, rundliche Elemente vorfinden, die bei der ‚ Forelle auch im Querschnitt des hinteren Längsbündels selbst vorkommen. Endlich begegnet man zwischen beiden ventralen Hörnern einer Anzahl ‚ auffällig kleiner Zellen, die sich an Frontalschnitten von der Forelle und ‚ an Sagittalschnitten von Esox bei schwächeren Vergrößerungen unge- mein scharf von den darüber liegenden großen abheben. Die grobfaserigen Oculomotorii treten nach vorn divergirend aus, indem sie, wie wir bereits sahen, die Commissura ansulata der Autoren ‚ durchsetzen (Fig. 48, 49, 56). Der von Frırsch ausgesprochenen Ver- muthung, dass sich die Oculomotoriusfasern der Knochenfische zum Theil in der Kaphe kreuzen, muss ich unbedingt beipflichten ; ich müsste - mich auch sehr täuschen, wenn dasselbe bei den Vögeln (Taube) und den Reptilien (Eidechse, Blindschleiche) nicht gleichfalls stattfände. Für die Säuger (Kaninchen) hat Guppen ! die partielle Kreuzung vor Kurzem unanfechtbar nachgewiesen. Bei den untersuchten Fischen ist der direkte Nachweis an frontalen (Fig. 49) und horizontalen (Fig. 57) Schnitten gerade nicht schwer zu führen. Es sind die vordersten und ventralsten Faserbündel des Nervs, die sich kreuzen. 1) Dorsale Längsfasersysteme der Mittelhirnbasis. a) Funiculus lateralis (Frırscen). Laterales Längsbündel (Strıema). L. L. Die ansehnlichste Faserverbindung zwischen Mittelhirnbasis und Oblongata wird gebildet durch den Funiculus lateralis Frırscn (laterales \ Archiv für Psych. Bd. XI. Über den Tractus peduncularis transversus. 356 P. Mayser, Längsbündel Srtıepa, L. L. der Figuren). Das Bündel, welches, wie wir oben sahen, aus der Fortsetzung des Rückenmarkseitenstrangs hervor- geht, liegt seitlich in einiger Entfernung vom hinteren Längsbündel, seine Fasern haben vorwiegend mittelstarkes Kaliber. Ich kenne kein Homologon davon bei den Säugern, wenn man nicht willkürlich einige Bündel der Formatio reticularis (motorisches Feld) unter seinem Namen zusammenfassen will. In den vorderen Frontalebenen des Hörnervknotens (Fig. 31—33) vollzieht sich an ihm fast plötzlich eine ziemlich beträchtliche Quer- schnittszunahme. In derselben Gegend sieht man auf Horizontalschnitten viele sog. Kommissurenfaserbündel aus dem Tuberculum acusticum ins laterale Längsbündel umbiegen (Fig. 28—31). Ich halte das seitliche Längsbündel gerade aus diesem Grunde für sehr interessant, weil es unter Anderem den Hörnervhöcker mit dem Mittelhirn zu verbinden scheint. Allerdings treten im weiteren Verlauf nach vorn (Fig. 32—35) wieder Fasern von ihm weg um durch andere ersetzt zu werden. Jeden- falls übertrifft es, je weiter nach vorn, um so mehr das hintere Längs- bündel, mit dem es im Übrigen viele Ähnlichkeit hat, an Mächtigkeit (Fig. 48, 49, 55, 57). Das Ende des lateralen Längsbündels im Torus semicircularis ist durch Fritsch bekannt. Aus seiner nächsten Umgebung gehen Fasern mit dem dorsalen Theil des Lemniscus Reır in die vorderen Abschnitte des Tectum opticum über; seine Hauptmasse endet fast plötzlich im Torus vorn oben und innen (Fig. 57), vermuthlich in den daselbst zahl- reich liegenden Nervenzellen, die manchmal durch besonders intensive Färbung der Grundsubstanz den Eindruck eines eigenen Ganglions des lateralen Längsbündels erwecken. Ein ziemlich beträchtlicher Antheil des Bündels verbreitet sich endlich nach außen oben und hinten (Fig.55). Insbesonders durch das letztere kommt das laterale Längsbündel in die nächste Beziehung zur Endstation des Stratum zonale, d. i. eventuell eines Theils der hinteren Opticuswurzel. b) Commissura posterior. Comm. post. An horizontalen und schräg nach hinten abfallenden Schnitten sieht man in der Mittelhirnbasis zwischen hinterem und lateralem Längsbün- del, also parallel der absteigenden Quintuswurzel aus der Oblongata heraufsteigende Bündel dicker Nervenfasern , von denen die lateralsten in den hinteren Frontalebenen der Commissura posterior unmittelbar vor der Endigung des Funiculus lateralis nach außen ins Tectum opti- cum umbiegen, während die inneren mit den entsprechenden der anderen Seite unter einem nach vorn konvexen Bogen frei in der Mittel- Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 357 - linie zusammentreffen, sich kreuzen und zwischen mittelgroßen Nerven- zellen verschwinden, die ziemlich dicht hinter dieser Kreuzung liegen (Fig. 57). Die Kreuzung selbst ist nichts Anderes als der hintere dick- faserige Theil der Commissura posterior, die Faserbündel aber stammen aus dem motorischen Feld, bzw. der Formatio reticularis. Ich halte sie im Wesentlichen für gleichwerthig mit den Fasern im hinteren und lateralen Längsbündel. Im Gegensatz zu diesem dickfaserigen Antheil der Comm. post. ge- wahrt man — um dies gleich jetzt abzumachen — unmittelbar hinter den Polstern der Zirbel (Ganglion habenulae) eine nach vorn konkave Brücke über dem Aditus ad Ventriculum tertium, die aus feinen Nerven- fasern besteht (Fig. 51, 52). Dies ist der vorderste Theil der hinteren Kommissur und zugleich der einzige, der mir den Namen einer Kom- missur zu verdienen scheint, indem ich ihn für eine einfache Verbin- dung der beiden Seitenwände des Ill. Ventrikels halten zu müssen glaube. Die übrigen Kontingente der mächtigen Commissura posterior sind, wie wir bereits erfahren haben, nichts Anderes, als dem tiefliegen- den Mark des Mittelhirndaches angehörige Faserkreuzungen (Fig. 51, 52, 57). 2) Ventrale Längsfasersysteme der Mittelhirnbasis. In den ventraler gelegenen Horizontalebenen der Mittelhirnbasis beobachtet man ein System ziemlich dicker Fasern, welches die Gom- missura ansulata in den Sagittalebenen des von mir so genannten inter- mediären Systems übersetzt und bis in die Seitenwand des III. Ventrikels (ventral vom Ganglion habenulae) verfolgt werden kann (Fig. 56 nicht bezeichnet). Andere Längsfaserbündel gesellen sich in der Sagittalebene der unteren Pyramide der Autoren zum Mrynerr'schen Bündel, das sie je- doch nicht bis ins Ganglion habenulae begleiten, sondern früher ver- lassen, um ähnlich dem eben erwähnten System im Thalamus opticus zu verschwinden. ; Meynerr’sches Bündel. M.B. Das Meynert’sche Bündel selbst, d. i. jene Faserbahn, welche das Ganglion habenulae (Polster der Zirbel) mit dem Ganglion interpedun- culare Guppen verbindet, besteht, wie auch Osmiumschnitte beweisen, bei den Knochenfischen aus marklosen Fasern. Es entspricht dem Vin- culum gelatinosum centrale -- dem Vinculum gelatinosum intermedium von Fritsch. Ich finde keine Veranlassung, das Bündel in zwei Theile zu zerlegen. Es ist ein einziges Bündel, das vom Ganglion habenulae Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 24 358 P. Mayser, ausgehend unter der Gommissura posterior weg nahe der Mittellinie nach hinten und unten zieht (Fig. 51, 52, 54, 55), die Gommissura ansulata der Autoren einwärts vom Oculomotorius in mehreren Fascikeln durch- bricht (Fig. 48) und an den Gonus postecommissuralis Frırsch (Ganglion interpedunculare) herantritt (Fig. 35, 56). Ein kleiner medialer An- theil der Fasern wird hier grob und rauh, kreuzt sich mit dem ent- sprechenden der anderen Seite und verliert sich im vordersten Abschnitt des Ganglion interpedunculare, woselbst zahlreiche kleine körnerartige Zellen liegen, an denen ich zuweilen zarte Fortsätze-beobachtete. Das Gros der Fasern, das sich nach Durchbrechung der Öhrkommissur wieder zu einem einzigen Bündel sammelt, biegt in horizontalen Ebenen um den Gonus herum und kreuzt sich unmittelbar hinter diesem, zum Theil auch noch in dessen hinterstem Abschnitt mit seinem Partner von der anderen Seite (Fig. 56). An einer schräg nach hinten ab- fallenden Horizontalreihe von Gyprinus barbus sieht diese Kreuzung so aus, wie wenn man die Finger beider halb hohl gemachten Hände zwischen einander steckt. Dabei legen sich die Fibrillen dicht an ein- ander, so dass man gar keine einzelnen Fasern mehr erkennt, viel- mehr das Ganze ein granulirtes protoplasmaartiges Aussehen gewinnt. Im Kreuzungsgebiet selbst zeigen sich nur sehr wenige der erwähnten kleinen Zellen. Die Hauptmasse des CGonus postcommissuralis Fritsch selbst hat Eiform und besteht aus einer feinkörnigen dichten Grund- substanz mit zahlreichen Kapillargefäßen und verhältnismäßig wenig Zellen. Mehr kann ich bei den Gyprinoiden nicht sehen. Wie endet nun also hier das Mrynerr’sche Bündel? Wenn man auch annehmen darf, dass sich die medialen Fibrillen mit den Zellen des Ganglion inter- pedunculare verbinden, was wird dann aus den zahlreicheren lateralen ? Gehen sie von beiden Seiten in einander über, oder enden sie gekreuzt in Zellen, die sich in diesem dichten und stark gefärbten Gewebe dem Auge entziehen, oder steigen sie endlich nach der Kreuzung zu jenen kleinen körnerartigen Elementen in die Höhe, welche in den nächsten Frontalebenen hinter dem Ganglion interpedunculare dicht gedrängt zu beiden Seiten der Raphe liegen? Das letztere ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich. Fritsch vergleicht das marklose Meynerr’sche Bündel der Knochen- fische jenem Antheil des Meynerr’schen Bündels der Säuger, der sich bei Kaninchen, Hund und Affe an Karminpräparaten durch seine inten- sive Färbung ganz distinkt von den zweifellos markhaltigen Fasern jenes Bündels unterscheidet, und den Frirscn um dieser Eigenschaft willen gleichfalls für marklos hält. Ich glaube, dass der Autor hierin Recht hat, so wenig ich verkenne, dass man vermittelst der Ammoniak- Vergl. anat. Studien üb. d. Gehirn d. Kuochenfische mit bes. Berücks. d. Gyprinoiden. 359 Karminmethode die Marklosigkeit nicht zuverlässig feststellen kann. Da nun aber auch bei den Fischen, wie wir bereits gesehen haben, mark- haltige Faserzüge in der Bahn des sonst marklosen Bündels verlaufen, sich jedoch nicht ins Ganglion interpedunculare einsenken, so ist Fritsch der Meinung, dass auch bei den Säugern die markhaltigen Fasern des Meynerr’schen Bündels höchst wahrscheinlich nicht im Ganglion inter- pedunculare enden, sondern vorher in die Längsfasersysteme der Mittel- hirnbasis, bzw. der Oblongata abschwenken werden. Diese Ansicht (Frıtseu, p. 45) wird widerlegt durch die im Archiv für Psych. Bd. XI niedergelegten Untersuchungen Guppen’s, wonach sich das ganze MEvnErT- sche Bündel im Ganglion interpedunculare dieses Forschers kreuzt. Außerdem scheint seine durchweg nervöse Natur durch den sekun- dären Schwund nach Zerstörung des Ganglion habenulae bewiesen. Ganglion habenulae. Gang. hab. Der Zirbel zu wird der Querschnitt des Meynerr’schen Bündels größer durch Fibrillen, die aus den kleinen, mit deutlichen Fortsätzen versehenen Zellen der Wand des Aquaeductus, bzw. des Ill. Ventrikels kinzutreten (Fig. 51, 52, 53). Unmittelbar vor der Commissura poste- rior dringen die Fasern ins Polster der Zirbel ein. Das Meynerr’sche Bündel bildet den vornehmsten Theil des Stiels dieses Polsters und an dessen frei nach vorn und innen vorspringenden Bohnengestalt gleich- sam die Narbe. Die Tubercula intermedia Gortscuhe (Ganglion habe- nulae, Polster der Zirbel) besitzen in einer mäßig dichten Grundsubstanz zahlreiche körnerartige Zellen in eigenthümlicher Gruppirung, die wahr- scheinlich durch die Vertheilung der Fasern bedingt ist. Kommissur des Ganglion habenulae (Comm.). Außer durch das Mrynerr'sche Bündel steht das Ganglion habenulae mit seiner Nachbarschaft durch marklose Züge in Verbindung, welche von ihm aus vorzüglich in sagittalen Ebenen nach hinten, nach unten, und nach vorn ausstrahlen. Dieselben vereinigen sich am seitlichen Rand des Ganglion und erheben sich in demselben, um mindestens zum Theil mit den entsprechenden der anderen Seite über den beiden Zirbel- polstern hinweg zu einem gar zierlichen Bogen zusammenzutreten (Fig. 53). Hierbei fassen sie ein schwaches aber zweifellos markhaltiges Nervenfaserbündel in sich, das aus den Lobi anteriores (Hemisphären) entlang dem oberen Rand der Ill. Ventrikelwand zur Zirbel verfolgt werden kann und als Homologon der Taenia thalami optici! be- ! Dies Bündel war bereits BAupeLor bekannt; er sagt a. a. ©. p. 98: Chez cer- lains especes on voit partir de l’extremite anterieure de chaque tubercule pedon- 24 * 360 P. Mayser, zeichnet werden muss. Für die Ansicht Ganser’s (a. a. ©. p. 25), dass sich bei den Säugern (Maulwurf, Maus, Kaninchen) die Fasern der Taenia theilweise kreuzten, bieten meine Fischpräparate keine Anhalts- punkte, vielmehr habe ich von dieser Zirbelbrücke den Eindruck einer reinen Kommissur (Fig. 53, Comm.). Nachtrag. Die Arbeit von Sınpers: Contributions to ihe Anatomy of Ihe central nervous System in vertebrate Animals ist mir leider ‘nicht zugänglich gewesen. München, im März 1881. Erklärung der bei den Abbildungen gebrauchten abgekürzten Bezeichnungen. V, Vorderhirn ; M, Mittelhirn ; N, Nachhirn ; Z, Zwischenhirn ; H, Hinterhirn ; R, Rückenmark. Ag. S., Aquaeductus Sylvii; B. A., Bindearm ; Bulb. olf., Bulbus olfactorius ; Br. ant., Brachium anterius (vorderer Arm des Tectum opticum); Br. p., Brachium posterius (hinterer Arm des Tectum opticum); Chias., Chiasma nervorum opticorum; Comm., Kommissur der Zirbelganglien (Commissura tenuissima GoTTSCHE); Comm. acc. M., Commissura accessoria MAUTHNER ; Comm. ans., Commissura ansulata; Comm. ant., Commissura anterior; Comm. cer. inf. H., Commissura cerebri infima Halleri; Comm. hor. F., Commissura horizontalis FrıTsch ; Comm. post., Commissura posterior; Comm. tr. H., Commissura transversa Halleri; C. gen. ex. F., Corpus geniculatum externum FRITScH ; C. gen. ex. s. l., Corpus geniculatum externum sensu latiore ; Dec. 1. S., Decussatio (Kreuzung) der intermediären Systeme ; Dec. M. B., Kreuzung der Meynerr'schen Bündel; Dec. N. IV., Kreuzung der Nervi trochleares ; Dec. U. P., Kreuzung der unteren Pyramiden ; Ep., Ependym; F. p., Funiculus posterior (Hinterstrang); culaire (ganglion habenulae) un petit filet medullaire qui se porte en avant le long du bord superieur du pedoncule cerebral et va se perdre vers la base de l’hemi- sphere correspondant, Vergl, anat, Studien üb. d, Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Gyprinoiden. 361 Gang. hab., Ganglion habenulae ; G. int., Ganglion interpedunculare; H. L., hinteres Längsbündel ; H. L. X, gekreuzter Theil des hinteren Längsbündels; Hem., Großhirnhemisphäre; Inf., Infundibulum ; ]. S., intermediäres System ; J. S. X, intermediäres System vor (d. h. dem Vorderhirn zu) der Kreu- zung, _ K., Körnerschicht im Cerebellum ; Klh., eigentliches Kleinhirn (d. h. ohne Valvula); L. F., lateraler Fortsatz des Endorgans der MAurtuner’schen Faser; L. L., laterales Längsbündel; L. R., Lemniscus Reili; Lob. inf., Lobus inferior; Lob. trig., Lobus trigemini; Lob. vag., Lobus vagi; M. B., Meynert'sches Bündel; M. F., MAuTtHaner’sche Faser; n., eine Nervenfaserbahn vom Corpus geniculatum externum s. Il. zum Tectum opticum;; . 1, eine Nervenfaserbahn vom Corpus geniculatum externum s. I. zum Torus semicircularis; II., Nervus opticus; II. a., vordere Opticuswurzel; II. a. d., rechte vordere Opticuswurzel; II. a. s., linke vordere Opticuswurzel; II. b., hintere Opticuswurzel; II. b. d., rechte hintere Opticuswurzel; II. b. s., linke hintere Opticuswurzel; Il. c., Innere (Thalamus-) Wurzel des Opticus ; . d., rechter Nervus opticus; II. s., linker Nervus opticus; III., Nervus oculomotorius ; IV., Nervus trochlearis ; V., Nervus trigeminus;; V. asc., aufsteigende Trigeminuswurzel ; V. asc. I., äußerer oberer Theil der aufsteigenden Trigeminuswurzel beim Karpfen ; V. asc. II., innerer unterer Theil dieser Wurzel bei demselben Thier ; V. asc. III., feinfaseriges mit der aufsteigenden Trigeminuswurzel ver- laufendes und in die sekundäre Vagus-Trigeminusbahn übergehendes Bündel bei demselben Thier; V. gen. dors., dorsale gekniete Wurzel des Trigeminus; V. gen. vent. (VII.), ventrale gekniete Wurzel des Trigeminus (Nervus facialis); V. trans. post., hintere quere Wurzel des Trigeminus; VI., Nervus abducens; VI. post., hintere Wurzel des Abducens; VIII., Nervus acusticus; VII. ant., vordere Wurzel des Acusticus; VII. post., hintere Wurzel des Acusticus; VII. «. dors., dorsale aufsteigende Acusticus- (?) Wurzel ; VIII. «. vent., ventrale aufsteigende Acusticus-(?) Wurzel; VII. ß., absteigende Acusticus- (?) Wurzel; VIl. y., im Kleinhirn sich kreuzende Acusticuswurzel ; IX. mot., motorische aufsteigende Vaguswurzel (motorischer Glosso- pharyngeus-Antheil); IX. s., sensible aufsteigende Vaguswurzel (sensibler Glossopharyn- geus-Antheil); . X. mot., motorischer Theil des Nervus vagus; S En neeerze area ee ui ee 362 P. Mayser, N. X. s., sensibler Theil des Nervus vagus; Nuc. N. III., Nucleus nervi oculomotorii ; Nuc. N. IV., Trochleariskern ; Nue. N. V. asc., Kern der aufsteigenden Trigeminuswurzel ; Nuc. N. V. desc., Kern der absteigenden Trigeminuswurzel ; Nuc. N. V. gen. vent. (VII), Kern der ventralen geknieten Trigeminus- wurzel (Facialiskern); Nue. N. V. gen. vent. post., hinterer Kern der ventralen geknieten Trige- minuswurzel; Nuc. N. V. gen. vent. ant., vorderer Kern der ventralen geknieten Trige- minuswurzel ; Nue. N. V. trans. post., Kern der hinteren transversalen Trigeminuswurzel, Nue. N. V. trans. ant., Kern der vorderen transversalen Trigeminuswurzel; Nue. N. VI. post., Kern der hinteren Abducenswurzel; Nuc. N. VI. ant., Kern der vorderen Abducenswurzel; Nuec. N. VIlI. 8.?, Kern (?) der absteigenden Acusticus- (?) Wurzel; Nuc. N. IX. mot., Kern der motorischen aufsteigenden Vaguswurzel (moto- rischer Glossopharyngeus); Nuc. N. X. mot., Kern des motorischen Nervus vagus; Nuc. rot. F., Nucleus rotundus Fritsch; Ol. inf., untere Olive; p., Pia mater; P.?, Pons Varoli?; Ped., Pedunculus cerebri; Ped. med., medialer Theil des Pedunculus cerebri ; Ped. !., lateraler Theil des Pedunculus cerebri ; Ped. nuc. rot. F., Pedunculus nuclei rotundi Fritsch ; R., Rindenschicht im Cerebellum ; R. F., Reiıssner’scher Faden; S. gel., Substantia gelatinosa ; Sec. T. B., sekundäre Trigeminusbahn ; Sec. V. B., sekundäre Vagusbahn ; Sec. V. T. B., sekundäre Vagus-Trigeminusbahn ; St. K., Stabkranz ; St. Z., Stratum zonale ArNOLDI; St. Z. T., Stratum zonale tori semicircularis ; T. opt., Tectum opticum ; Tor. long., Torus longitudinalis Halleri ; Tor. sem., Torus semicircularis Halleri ; Tub. ac., Tuberculum acusticum ; Tub. cin., Tuber cinereum ; Tr. c. ad lob. inf., Tractus cerebelli ad lobum inferiorem ; Tr. c. ad lob. opt., Tractus cerebelli ad lobum opticum ; Tr. fimb. F. (Sec. A. B.?), Tractus fimbriae Frırscn (sekundäre Acusticus- bahn ?); Tr, olf., Tractus olfactorius ; Ü. G., Übergangsganglion ; U. P., untere Pyramide; U. P. X, untere Pyramide vor (d. h. dem Vorderhirn zu) der Kreuzung; V. ce., Valvula cerebelli; x, an der Innenseite der sekundären Vagus-Trigeminusbahn verlaufende Nervenfaserbahn ; y, durch die dorsale gekniete Wurzel des Trigeminus abgetrenntes Stück des Tuberculum acusticum Fig. 30; Zb, Zirbel; 1.5p. (XII.), erster motorischer Spinainerv (Hypoglossus); 1. sp. p., erster sensibler (hinterer) Spinalnerv; +, und; z. B. N. II. a. + br. ant. Fig. 57 — vordere Opticuswurzel und vorderer Arm des Tectum; X, gekreuzt; z.B. H. L.X Fig, 57 = gekreuzter Theil des hinteren Längs- bündels. Vergl, anat. Studien üb. d. Gehirn d. Knochenfische mit bes. Berücks. d. Cyprinoiden. 363 Erklärung der Abbildungen. Tafel XIV—-XXILU. Fig. 4. Gehirn von Cyprinus carpio von der ventralen Oberfläche aus gesehen. Vergrößerung 4/l. Fig. 2. Gehirn von Gallus domesticus in derselben Ansicht. Vergr. A/I. Fig. 3. Gehirn von Tropidonotus natrix in derselben Ansicht. Vergr. 2/1. Fig. 4. Gehirn von Bombinator igneus in derselben Ansicht. Vergr. 2/I, Fig. 5. Gehirn von Cobitis fossilis in derselben Ansicht. Vergr. 2/I. Fig. 6. Gehirn von Mus decumanusvonderSeiteausgesehen. Ver- größerung A/I. Der hintere Abschnitt der Großhirnhemisphären ist entfernt, um das Zwischenhirn (Thalamus opticus) zur Ansicht zu bringen. Fig. 7. Gehirn von Gallus domesticusin derselben Ansicht. Vergr. A/l. Fig. 8. Gehirn von Anguis fragilis in derselben Ansicht. Vergr. 2/I. Fig. 9. Gehirn von Bombinator igneus in derselben Ansicht. Vergr. 3/T. Fig. 40. Gehirn von Coregonus Wartmanni in derselben Ansicht. Ver- größerung A/I. Fig. 44a. Gehirn eines jungen Barbus fluviatilis circa 9 Monate nach Enucleation des linken Auges, von der dorsalen Oberfläche aus gesehen. Vergr. A/I. Der rechte Lobus opticus im Ganzen und namentlich auch in seinem hin- teren Abschnitt kleiner als der linke; die am medialen Rand des Tectum opticum verlaufende vordere Opticuswurzel ist rechts beträchtlich schmäler als links. Fig. 44b. Gehirn eines jungen Barbus fluviatilis in ähnlicher Weise opera- tiv vorbereilet wie Fig. 44a und in derselben Ansicht gezeichnet. Vergr. 2/l. Auf . die Atrophie der rechten Hemisphäre bei diesem Thier werde ich an einem anderen Ort zu sprechen kommen. Fig. 42. Atrophie des linken Nervus opticus ein Jahr nach Enuclea- tion des linken Auges bei einem (erwachsenen) Schlammpeitzger von der ventralen Gehirnoberfläche aus gesehen. Vergr. 3/l. Fig. A3a. Querschnitte der normalen undatrophischen zu Fig. 44a und 4Ab gehörigen Nervi optici vor (dem Auge zu) der Kreuzung. Fig. 13b. Atrophie des Nervus opticus 9 Monate nach Enucleation des entsprechenden Auges bei einem jüngeren Exemplar von Salamandra atra. Fig. 44. Frontalschnittdurchden Lobus opticus von Fig. Ma. Die Atrophie der vorderen oberen und der hinteren unteren Opticuswurzel auf der einen Seite ist ersichtlich. Fig. 45. Schrägschnitt (von vorn oben nach hinten unten) durch den Lobus opticus von Fig. 42. Atrophie der Opticuswurzeln auf der einen Seite. Fig. 16. Endorgan der MAuTHnEr’Schen Faser mit dem lateralen Fort- satz, einem Horizontalschnitt von Cyprinus barbus entnommen. Fig. 47. Aus dem hinteren Längsbündel in den Oculomotoriuskern übertretende Fasern, einem Frontalschnitt vom Salmo fario entnommen, Fig. 48. Sagittalschnitt von CGyprinus carpio nahe der Mittellinie zur schematischen Darstellung der Topographie der einzelnen Gehirnabschnitte bei den Knochenfischen. Fig. 49. Schematische Darstellung der Topographie der Lobi vagi et trigemini einerseits, des Tuberculum acusticum und Klein- hirns andererseits, einem schräg von vorn oben nach hinten unten abfallenden Horizontalschnitt von Cyprinus carpio entnommen, Fig. 20—35 und 48—49. Frontalschnitte durchs Rückenmark, die Oblongata, das Kleinhirn und Mittelhirn vonCyprinuscarpio, einund nn Reihe entnommen und bei derselben Vergrößerung gezeichnet. Näheres im Text! Fig. 86—15. Schematisirte Frontalschnitte von Cyprinus carpio zur Darstellung der Topographie desKleinhirns und der Valvulacere- belli bei den Cyprinoiden. Fig. 46. Ein schematisirter Frontalschnitt durch den Lobus opticus von Gobio fluviatilis zur Darstellung der topographischen Beziehungen der Val- 364 P. Mayser, Vergleichend anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische ete. vula cerebelli zum Torus longitudinalis Halleri und dem Tectum opticum über- haupt. Fig. 47. Einschematisirter Sagittalschnitt durchs Kleinhirn und Tec- tum opticum von Cyprinuscarpio zu demselben Zweck wie Fig. 46. Fig. 50. Ein Sagittalschnitt durchs Gehirn von Cyprinus carpio. Näheres im Text. Fig. 54. Ein Schrägschnitt (von hinten oben nach vorn unten) durch den vor- deren Theil des Lobus opticus von Salmo fario. Näheres im Text. Fig. 52. Ein dessgleichen von Barbus fluviatilis. Näheres im Text. Fig. 53. Ein Schrägschnitt (in entgegengesetzter Richtung von Fig. 51 und 52) durch den vorderen Theil des Lobus opticus von Barbus fluviatilis. Näheres im Text. 3 Fig. 54 und 55. Schrägschnitte (von hinten oben nach vorn unten) durch die hinteren Abschnitte des Lobus opticus aus derselben Reihe von Barbus fluviatilis. Näheres im Text. Fig. 56. Ein Horizontalschnitt nahe der Basis durchs Gehirn von Barbus fluvia- tilis. Näheres im Text. Fig. 57. Ein Schrägschnitt (von vorn oben nach hinten unten) von Barbus fluviatilis. Näheres im Text. Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). Von Dr. 6. Haller in Bern. Mit Tafel XXIV und XXV und einem Holzschnitt, Die ungünstige Kritik, welche Berrkau in WıEemann’s Archiv über meine ersten Dermaleichenstudien ! schrieb, nöthigten mich meine Stu- dien an diesen vögelbewohnenden Sarcoptiden noch einmal und mit erneuter Sorgfalt aufzunehmen. Es zeigie sich hierbei, dass ich die nämlichen Verhältnisse fast sämmtlich bereits früher beobachtet hatte, dass jedoch meine Unerfahrenheit manche falsche Deutung zugelassen hat. Eine erneute eingehende Besprechung der Organisation der Der- maleichen wird daher keine bloße Wiederholung des schon früher Ge- sagten sein. Indessen halte ich mich, um Zeit und Raum zu sparen, lediglich an die Besprechung neuer, von den früher gegebenen wesent- lich abweichender, oder dieselben ergänzender Resultate. 1) Munditheile. Meine neueren Ergebnisse über die Mundtheile weichen eben so sehr von den Beobachtungen Eurers’? an Dermatoryctes fossor und den meisten bisherigen Anschauungen ab, als sie sich den Darstellungen Rosın’s® und Mtenın’s* nähern. Es mag diese Verschiedenheit in der 1 Vel. diese Zeitschr. Band XXX. p. 50—98. Taf. III und IV, ferner p. 54 bis 562. Taf. XXXIII—XXXV. 2 E. Euters, Die Krätzmilben d. Vögel. Diese Zeitschr. Bd. XXIII. p. 228. Taf. XII bis XII. 3 Rosın, Memoire zoolog. et anatom. sur divers especes d’Acariens de la fam. des Sarcoptides: in Bullet d.l. soc. imper. de Moscou 1860. p.184—293. Tab. 1—8. 2 Cu. RosınetP. M&cnın, Memoire sur les Sarcoptides plumicoles in Journ. d’anat. ei de physiol. 4877. p. 209 u. ff. nebst zugehörigen Tafeln. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bad. 95 366 G. Haller, Darstellung der sicherlich übereinstimmend gebauten Mundtheile mehrer mit einander nahe verwandter Milben von der ungenügenden Unter- suchungsmethode herrühren. Me£cnın und Rosın begnügten sich augen- scheinlich mit einer bloßen äußerlichen Betrachtung der Mundtheile; Enters ging etwas weiter und untersuchte künstlich aufgehellte Indi- viduen unter starkem Drucke. Bei beiden Verfahren wurden einerseits Theile nicht wahrgenommen, welche verborgen im Inneren des Gamero- stomes liegen, andererseits Theile als mit einander verwachsen betrach- tet, welche deutlich getrennt sind. Es war daher zunächst mein Be- streben ein Verfahren ausfindig zu machen, welches eine eigentliche Anatomie der Mundtheile gestattet. | Die Dermaleichiden erreichen gleich den übrigen tracheenlosen Mil- ben selten eine Größe über 0,6—0,8 mm. Die Anwendung von Schnitt- oder Tinktionsmethoden, welche bei den etwas größeren Hydrachniden, Trombidien, Ixodiden etc. recht gute Resultate giebt, stößt daher auf Schwierigkeiten, welche wenigstens von mir bis jetzt noch nicht über- wunden werden konnten. Ich bediente mich daher zur Untersuchung der Mundtheile unserer Milben eines anderen, von den bisher gebräuch- lichen wesentlich abweichenden Verfahrens und habe damit in der That einige günstige Erfolge erzielt. Die Methode selbst ist zwar eine sehr primitive, erfordert aber viele Übung und Beharrlichkeit; ich kann die- selbe namentlich auch zum Bestimmen sämmtlicher Formen sehr an- empfehlen. Es wird zunächst durch Kochen in einer Mischung von zwei Theilen Wasser mit einem Theile Kalilauge das Chitinskelett des Untersuchungsobjektes dargestellt, dasselbe hierauf in einem Tropfen stark wässerigen Glycerines unter das Mikroskop gebracht und endlich unter steter genauer Überwachung durch das Instrument mit Hilfe sehr feiner Nadeln und eigens präparirter Messerchen zerstört und zerzupft. Die gewöhnlich in den Laboratorien gebräuchlichen Präparirnadeln er- | wiesen sich sehr bald als zu grobe und plumpe Werkzeuge. Ich nahm daher meine Zuflucht zu den harten und feinen Richtsonden der Uhr- macher, welchen man vermittels feiner Schleifwerkzeuge leicht jede nur gewünschte Form beibringen kann. Als Messerchen verwandte ich mit den nämlichen Apparaten in verschiedener Form geschliffene Bruch- stücke feinster Uhrfedern. Meine Untersuchungen beschränkten sich nicht bloß auf die Acarina atracheata oder wohl gar bloß auf die Dermaleichen, sondern erstreckten sich auf eine fast vollständige Reihe der übrigen Formen. Bis jetzt untersuchte ich nämlich Sarcoptes, Dermaleichus, Tyroglyphus; ferner Gamasus, Dermanyssus, Pteroptus; Oribata, Pelops, Nothrus, Damaeus, Labidostomma; Ixodes; endlich Rhyncholophus, Trombidium, Bdella, : | Te — Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 367 Limnocharis, Eylais, Limnesia, Hygrobates u. a. Bei allen Formen be- stätigte sich das folgende Schema (s. untenstehende Figur), welches übrigens fast durchaus mit den merkwürdigen Resultaten überein- stimmt, welche CGronzperg’s ! klassische Untersuchungen an Trombidien und Hydrachniden ergaben. Wir finden zunächst ein Epistom (a’aa’), welches, wie schon oft gesagt worden ist, nicht der echten Oberlippe entspricht, sondern ein- fach eine Verdoppelung und Verlängerung der Rückendecke ist, und die Mundtheile von oben bedeckt und auch theilweise auf den Seiten um- giebt. Dicht unter dessen horizontalem Theile stoßen wir auf die mäch- tigen »Kieferfühler « (uns. Fig. cc), wel- che man schon seit Erıcason als das erste Kieferpaar betrachtet und dem entsprechend Mandibeln heißt. Auf einem Querschnitte durch diese Organe sehen wir stets, dass dieselben aus zwei deutlich verschiedenen Theilen ‚bestehen, nämlich dem kompakten mas- sigen Körper der Kiefer selbst und aus rel einem lappenartigen Deckstücke (uns. Schematischer Querschnitt durch die Mundtheile einer Milbe (z. B. eines Der- me . maleichus). o' oo, Epistom, 5 b, rudimen- Fig. bb), welches dieselben von oben täre Oberlippe, cc, erstes, dd, zweites . . Kieferpaar, ee, dessen Pars pseudolabia- fast vollkommen bedeckt, sich ihnen is, ff Pais voromaxillaris, pp, Palpus eng anschmiegt und nur an seinem ünterlippe als awei verwachsenen sym- Innenrande mit den Kiefern selbst ver re en ac wachsen ist. Die sonderbare Lage des- selben gegenüber den Kieferfühlern erlaubt absolut nicht, dasselbe mit rudimentären Kiefern zu vergleichen, welchen die Kieferfühler als Taster angehören würden. Ich weiß daher auch diese Lappen mit nichts An- ‚derem zu vergleichen als mit einer rudimentären Oberlippe, welche mit den beweglichen Mandibeln einseitig verwachsen ist und daher in zwei Hälften zerrissen wurde. Dicht unterhalb den vertikalen Schenkeln des Epistomes liegen die bei den verschiedenen Gattungen auch sehr ver- schiedenartig gestalteten »Kiefertaster« (uns. Fig. pp). Sie ruhen auf den äußeren Enden eines seiner ganzen Länge nach in zwei durchaus symmetrische Theile geschiedenen Gerüstes (uns. Fig. dd), welches sich 1 CRONEBERG, (russisch) Über den Bau von Eylais extendens, nebst Bemer- kungen über verwandte Formen, Nachr, d. Gesellsch. d. Freunde der Naturkunde in Moskau. Bd. XXIX. Lfg. 2. Mit drei Tafeln, (Deutscher Auszug aus dieser Ar- beit im Zoologischen Anzeiger von Carus 1878. Nr. 44. p. 347.) (Deutsch) Über den ‚Bau von Trombidium in Bulletin d. 1. soc. imper. des naturalistes de Moscou. Tome LIV. p. 234 u. ff. Taf. V. 25 * 368 6, Haller, schon durch den Besitz der Taster als zweites Kiefer- oder erstes Maxillenpaar kennzeichnet. Seine beiden plattenartigen Hälften, welche nicht selten gegen oder an ihrem hinteren Ende durch eine schmale Querbrücke verbunden sind, erweisen sich als sehr flach und unregel- mäßig — mit der konvexen Seite nach hinten gerichtet — -förmig ge- krümmt. Der kleinere äußere Schenkel (ee) überragt meistens nach außen die Seitenenden der Unterlippe, hilft dieser das Camerostom nach unten abschließen und trägt die Taster. Der innere größere Schenkel (ff), welcher kontinuirlich und ohne äußerlich sichtbare Unterschei- dung in den äußeren übergeht, ragt nach innen und vorn frei in das Camerostom hinein. Ich heiße jenen ersteren Schenkel die Pars pseudo- labialis, den inneren die Pars veromaxillaris. Dieser letztere betheiligt sich entweder in sehr wesentlicher Weise am Aufbau der Mundtheile oder ist nach hinten bis weit in die Körperhöhle hinein verlängert. Je nachdem jenes oder dieses der Fall ist, können wir an der Pars vero- maxillaris eine vordere und eine hintere Hälfte unterscheiden (Semi- pars anterior und posterior), selten sind beide gleichmäßig entwickelt, in der Regel gewinnt die eine auf Kosten der anderen eine bedeuten- dere Ausbildung. Bekanntlich spricht NicoLer ! bereits von einem Paare Maxillen der Oribatiden, auch M&enin ? hat die Maxillen der Cheyletiden gezeichnet etc. Sie beschreiben jedoch dieselben als mehr oder weniger einfache Organe, eine Beschreibung, welche auf der unvollkommenen Untersuchungsweise beruht. Würden sich die eben genannten Mono- graphen nicht hiermit begnügt haben, so hätte sich ergeben, dass diese als Maxillen angesprochenen Organe nichts weiter sind, als die Spitzen der vorderen Hälfte des wirklich maxillären Theiles des zweiten Kiefer- paares. Unter dem Gerüst der ersten Maxille, mithin noch inner- halb der Unterlippe, diese bald überragend, bald von ihr vollkommen versteckt, treffen wir endlich auf zwei höchst einfach gebaute stab- oder klöppelförmige Organe, welche ich als das dritte Kieferpaar anspreche. Diese Deutung scheint namentlich durch ihre Lage zwischen dem zwei- ten Kieferpaare und der Unterlippe nahe der Mittellinie gerechtfertigt (uns. Fig. 9). Den Abschluss des Camerostomes nach unten hin voll- zieht eine wohl ausgebildete durch Verschmelzung zweier symmetri- schen Längshälften entstandene Unterlippe (uns. Fig. h), an welcher sich zwei Taster, eine Mittelzunge, nicht selten ein Kinn, stets aber ein 1 NicoLer, Hist. nat. des Acariens, qui. se trouvent aux environs de Paris. Fam. des Oribatides in Arch. du Mus&um.d’hist. nat. 4854—14855. tome VII. p. 381—482. Taf. XXIV— XXX. 2 P, Mesnın, Memoire sur les Cheyletides parasites in Journ. d’anat. et de physiolog. 1878. Mit vier Tafeln. Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 369 ladenförmiges Basilarstück erkennen lassen. Wenn ich nun auch im Großen und Ganzen die Mundtheile sämmtlicher von mir untersuchten Milbenformen diesem Schema entsprechend gebaut gefunden habe, so herrscht doch im Einzelnen eine erstaunliche Mannigfaltigkeit vor; wenn wir dieselbe zu benutzen wissen werden, wird es uns sicherlich besser als bisher gelingen, die stets noch offene Frage einer naturgemäßeren Eintheilung der Milben in Familien zu lösen. Es ist heute nicht meine Absicht ausführlicher über meine Untersuchungen der Mundtheile der diversen Milbenformen zu berichten. Ich beschränke mich vielmehr darauf, die Mundtheile der Dermaleichen und verwandten Milben zu schildern. Wenn wir unser Instrument genau auf die Rückenfläche eines Dermaleichen einstellen (Taf. XXIV, Fig. 2), so erkennen wir leicht, wie sich von derselben eine einfache Verlängerung der Rückendecke nach vorn und seitwärts über die Mundtheile bis etwas über ihre Hälfte hinaus zieht um hier geradlinig zu enden. Es ist das Epistom (Fig. 2 ee), welches keiner tracheenlosen Milbe fehlt, sondern mehr oder weniger entwickelt überall die Mundtheile kaputzenförmig bedeckt. Eben so finden wir das Epistom bei den Gamasiden und Oribatiden sehr wohl entwickelt, dagegen fehlt es fast allen höher organisirten Milben, oder ist, wie bei den Hydrachniden, zu einem sehr kleinen drei- eckigen Lappenstück rückgebildet. _ Seine volle Entwicklung wird daher immer eine niedrige Organisationsstufe der betreffenden Milbe verrathen. Die Scherenkiefer der tracheenlosen Milben sind bereits durch die von Duc#s publicirten, für seine Zeit sicherlich klassischen Unter- suchungen, recht gut bekannt. Eine erneute Beschreibung derselben wäre daher nur eine bloße Wiederholung. Ich erwähne mithin hier bloß, dass sich auch an ihrer Rückenfläche das lappenartige Deckstück wahrnehmen lässt, welches ich als Rudiment der Oberlippe zu deuten gesucht habe (vgl. uns. Fig. 2 k! ac). Während dem dieses Deckstück bei manchen Milben eine ganz beträchtliche Ausbildung erlangt, z. B. bei den Ixodiden, — wo es von Heızer! als Scheide und von PAcen- STECHER 2 als »häutiger Schneidendecker« beschrieben worden ist — die Mandibeln ihrer ganzen Länge nach bedeckt, bleibt es bei den tracheen- losen Milben stets sehr einfach und gering. Dieses Rudiment der Ober- ! HELLER, Zur Anatomie von Argas persicus in Sitzungsberichte der k. k. Aka- demie der Wissensch. in Wien. Mathem.-naturwissensch. Klasse. 30. Band. 4858. p- 297 u. ff. Taf. I—IV (p. 305, Taf. II, Fig. 8 d). 2 PAGENSTECHER, Beiträge zur Anatomie der Milben. 4864. Heft I. Ixodes rici- nus. p. 29. Taf. I, Fig. III e. 370 | G. Haller, lippe erstreckt sich höchstens bis zur Höhe der Basis des beweglichen Scherenfingers. Ich! habe bereits früher hier seine Grenze als ein- fachen Ring wahrgenommen und beschrieben. | Die Palpen des ersten Maxillenpaares sind durch die früheren Mono- graphien sehr wohl bekannt, dagegen bedürfen die Verhältnisse des Gerüstes einer eingehenderen Beschreibung und halte ich mich hierbei hauptsächlich an die Dermaleichen. Die Pars pseudolabialis ist hier sehr wenig entwickelt und überragt die Unterlippe durchaus nicht, diese schließt daher den Boden des Camerostomes von unten gänzlich allein ab, auch treten seitwärts von derselben höchstens die Grundglieder der Palpen hervor (Taf. XXIV, Fig. I mpmp). Einer um so bedeuten- deren Entwicklung erfreut sich in einzelnen Fällen die Pars veromaxil- laris des Gerüstes und zwar .bieten die tracheenlosen Milben sowohl Beispiele einer bedeutenden Entwicklung der hinteren Hälfte auf Kosten der vorderen und umgekehrt. Ersteres ist zunächst in ganz auffallen- der Weise bei den Analges-Arten und einigen wenigen Formen der Gat- tung Dimorphus der Fall, trotzdem scheint merkwürdigerweise bei allen anderen Dermaleichen auch der wirklich maxilläre Theil des Gerüstes auf kleine und unbedeutende Chitinstücke reducirt, welche nach hinten von einer sehr kurzen und mäßig breiten Brücke zusammengehalten werden. Bei den oben angeführten Dermaleichenformen sehen wir zwei schmale, ungefähr in ihrer Mitte sehr stumpfwinklig nach außen ah- gebogene lange Platten — von den Trugköpfchen aus sich bis weit nach hinten, ja bis über die Insertion der vorderen Rückenborsten hinaus erstrecken. An den Figuren, welche Rosın und M&cnın 2 von Analges passerinus geben, sind !dieselben leicht zu erkennen, erwähnt werden sie von den französischen Monographen nicht. Auch ich habe sie bereits früher beobachtet, hielt sie jedoch für rudimentäre Verlängerungen der Mandibeln nach rückwärts. Mit Hilfe der oben angedeuteten Methode gelingt es zuweilen, diese Platten (Fig. 3 k2%k2) ohne Beschädigung zu isoliren und wir erkennen nun, dass ihr vorderes leicht zugerundetes und an der Innenseite durch einen schmalen und kurzen, sich leicht nach aufwärts ziehenden Einschnitt vom Hinterende gesondertes, weit- aus kleineres Ende die Grundglieder der Maxillarpalpen (Fig. 3 mp mp) trägt. Die physiologische Bedeutung dieses zweiten Kieferpaares, wel- ches man leicht und auch beim lebenden Thiere ohne weitere Behand- lungsweise sehen kann, heimzuweisen, will mir nicht gelingen. 1 HALLER, Freyana und Picobia. Diese Zeitschrift. Bd. XXX. p. 86. Taf. IV, Fig. 6 c. 2]. c. Pl. XXVI, Fig. 2 und 4. 3]. c. p. 58. Taf. III, Fig. A und B. I \ \ Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 371 Das Gegentheil des eben beschriebenen Falles, dass nämlich die vordere Hälfte auf Kosten der hinteren ausgebildet ist, erkennen wir bei mehreren Sarcoptes-Arten. Bei einigen Krätzmilben ist nämlich be- reits vor Rosın die sogenannte »falsche Wange« beschrieben worden. Dieser vortreffliche Acarinologe hat diese Beobachtung nicht nur be- stätigt und erweitert, sondern erwähnt auch, dass die » falsche Wange « der Sarcoptiden die Palpen trage und hat, wie sich aus seinen Zeich- nungen ergiebt, den Verlauf dieser Organe bis in die Tiefe des Camero- stomes verfolgt, wo sie ganz am Anfange der Körperhöhle in ein ein- faches Chitinstück von sehr geringer Größe auslaufen. Sie werden hier auch durch eine schmale Brücke zusammengehalten, welche von Rosın durch die Unterlippe hindurch wahrgenommen und als die verwachsenen Maxillen gedeutet worden ist. Nach dem oben Mitgetheilten war es durchaus nicht schwer in diesen Gebilden die Semipars anterior der Pars veromaxillaris des zweiten Kieferpaares zu erkennen. Direkte Beobachtungen an den entsprechenden Sarcoptes-Arten bestätigten nicht nur diese Vermuthung, sondern ergaben auch, dass eine große Zahl der von Rosın und M£enın der Unterlippe zugeschriebenen Gebilde ihre Entstehung den {durch die durchsichtige Lippe wahrnehmbaren Rand- linien des Gerüstes entsprechen. Eine ähnliche Bedeutung haben auch die bedornten Laden der Ixodiden, welche von PAGENSTECHER schlecht- weg als » Unterseite des Rüssels« beschrieben worden sind, sie erweisen sich gleich NıcoLrr’s Maxillen der Oribatiden als Analoga der falschen Wangen der Sarcoptiden. Vergleichen wir nun endlich diese Darstellung noch mit Enters’ Beschreibung der Mundtheile von Dermatoryctes fossor, so ergiebt sich, dass Enrers !dieses Maxillargerüst ebenfalls bekannt war, dass er es aber Dank seiner unvollkommenen Untersuchungsmethothe für mit der Unterlippe vollkommen verschmolzen gehalten hat. Es entspricht den frei in das Lumen des Camerostomes hineinragenden Flügeln der Unter- lippe fast in ihrer ganzen Breite. Was Eurers dagegen als » Wangen « beschrieben hat, ist mir, da ich diese merkwürdige vogelbewohnende Krätzmilbe nicht untersuchen konnte, völlig unbekannt geblieben. So viel steht jedenfalls fest, dass die Wange von Dermatoryctes fossor mit dem synonymen Organe der verwandten Milben durchaus nicht iden- tisch ist, dass vielmehr die »falschen Wangen« der von Enzers beschrie- benen Form eben so gut als den Dermaleichen gefehlt hat. Es bleibt mir nun noch der Nachweis eines dritten Kieferpaares übrig, welcher jedenfalls am meisten auf Widerstand stoßen wird. In- dessen erinnere ich daran, dass zuerst von PAGEnsTEcHEr bei den Trom- bidien, und später von Cronzserg bei fast allen Hydrachniden und den 372 G. Haller, Trombidien ein paariges klöppelförmiges Organ nachgewiesen worden ist, dessen Chitinmasse von den Tracheen durchzogen wird und das als Träger der Anfangsöffnungen der Athmungswege funktionirt. Bei Eylais erreicht dieses Organ eine sehr beträchtliche Größe und Aus- bildung, seine Endhaken betheiligen sich in sehr wesentlicher Weise am Aufbaue der eigenthümlichen zum Saugen eingerichteten Mundöfl- nung, seine Gestalt endlich ist stabförmig und erinnert hierin an das analoge Gebilde der übrigen Milben. Es ist mir nämlich gelungen bei allen von mir untersuchten Formen, freilich in sehr verschiedener Aus- bildung und Gestalt die Analoga der klöppelförmigen Organe der Trom- bidien und Hydrachniden aufzufinden, freilich nehmen dieselben eine weniger unentschiedene Stellung ein, wie diese und geben sich, wie dieses weiter oben bereits ausgeführt wurde, gerade durch diese letz- tere als das dritte Kieferpaar zu erkennen. Bei den Dermaleichen (Taf. XXIV, Fig. 1 %3%2) lassen sich dieselben deutlich durch die häutigen Anhänge der Unterlippe hindurch als zwei einfache cylin- drische Stäbe erkennen, welche etwas von der Mittellinie entfernt, dicht innerhalb der Taster und schräg nach innen und oben parallel den Maxillarpalpen liegen. Da ihnen, wie sich direkt beobachten lässt, ein geringer Grad von Beweglichkeit eigen ist, liegt bei ihrer einfachen Ge- stalt die Vermuthung sehr nahe, dass sie das Zusammenkehren der von den Mandibeln abgebissenen Hautschüppchen und Federreste gegen die Mundöfinung hin besorgen. Bei den Sarcopten und Tyroglyphen treten sie in ähnlicher einfacher Gestalt und ebenfalls mehr oder weniger dicht nach einwärts von den Maxillarpalpen auf. Es scheint mir als ob sie bereits, wenn ihrer auch im Texte nicht erwähnt worden ist, in den Figuren von M£cnın und Rosın angedeutet sind. Nach unten hin schließt eine Unterlippe das Gamerostom in seiner ganzen hinteren Hälfte ab (uns. Fig. 4, Taf. XXIV ul). Dieses dünne und ladenartige Organ hat im Ganzen eine quer-sechsseitige Gestalt mit nach vorn und hinten gerichteten größten Seiten und ist stets länger als breit. Die hintere Seite ist meist quer abgestutzt, zuweilen leicht ausgebuchtet. Der vordere Rand lässt dagegen zwei seichte Ausbuchtungen erkennen, welche in der Mitte durch einen schwachen zugerundeten Fortsatz ge- trennt werden. Es entspricht dieser letztere der gefiederten Zunge der Gamasiden und ist daher als von beiden Längshälften der Unterlippe gemeinsam gebildet zu betrachten; eine kinnartige Bildung konnte ich nicht wahrnehmen. Nach vorn verlängert sich jede Hälfte der Unter- lippe in einen zarthäutigen durchsichtigen Anhang, welcher nicht ganz bis an das Ende der Mundtheile reicht, und somit in der Ansicht von unten von den Spitzen der Maxillarpalpen und Mandibeln überragt wird Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 373 (Taf. XXIV, Fig. I pl pl). In dem vorliegenden Falle (Pterolichus secu- riger) ist der äußere und vordere Zipfel eines jeden dieser dünnhäutigen Anhänge in einen spitzen Zipfel verlängert, welcher nach seitwärts die Maxillarpalpen bedeutend überragt und daher auch in der Ansicht von oben zu Tage tritt. Es ist dieses Verhalten jedoch nicht die allgemein- gültige Regel, sondern muss eher eine Ausnahme genannt werden. Bei der Mehrzahl der Dermaleichusarten ist die entsprechende Ecke dieses Anhanges einfach, abgerundet und überragt die Seitenlinie des Trug- köpfchens nicht. Will man also dieses Organes ansichtig werden, so hat man die Mundtheile von der Bauchfläche aus zu untersuchen. Was die physiologische Bedeutung dieser Anhänge anbelangt, so irre ich kaum, wenn ich dieselben für die Schaufeln anspreche, welche das von den stabförmigen Kiefern Zusammengekehrte aufnehmen sollen. Ihrer morphologischen Bedeutung nach entsprechen dieselben ganz augen- scheinlich den seitlichen Zähnchen der Unterlippe der Gamasiden. PAGEnsTEcHEr1, welcher dieselben zuerst beschrieben und gezeichnet hat, beansprucht sie als die rudimentären Laden des zweiten Kiefer- paares. Nachdem wir das umfangreiche Gerüst des zweiten, ja sogar ein drittes Kieferpaar kennen gelernt haben, fällt diese Deutung von selbst dahin. Dagegen wird es nunmehr wahrscheinlich, dass diese verschiedenartig gebildeten Organe in eigenthümlicher Weise entwickelte, eingliedrige Lippentaster sind. Ähnliche Verhältnisse finden wir auch bei den Sarcopten und Tyro- glyphen vor, wo diese häutigen Anhängsel nach außen stets einfach gerade abgeschnitten sind und die Seitengrenzen des Mundkegels nicht überragen. Auch Rosın und Mienın haben Labialtaster beschrieben, welche jedoch nicht mit den eben beschriebenen Gebilden identisch sind; sie scheinen vielmehr aus einer Kombination mehrerer durch- scheinenden Linien im Innern des Gamerostomes liegender Gegenstände hervorgegangen zu sein. Euzers blieben diese heutigen Anhängsel un- bekannt, die Unterlippe seines Dermatoryctes fossor endet nach vorn mit einfachem und. geradem Rande. Nichtsdestoweniger zweifle ich nicht daran, dass sie sich auch bei dieser Krätzmilbe vorfinden, dagegen blieben sie ihrer Zartheit und Durchsichtigkeit wegen unter dem künst- lich aufgehellten und einem starken Drucke ausgesetzten übrigen Mund- ' theile verborgen. 2) Darmkanal nebst zugehörigen Drüsen. Im gesammten Verdauungsapparate der Dermaleichen spricht sich, 1 PAGENSTECHER, Allgemeine Zoologie. 4877. T. IL. p. 447—449. Fig. 81. 374 | | » @. Haller, einige Eigenthümlichkeiten abgerechnet, die nahe Verwandtschaft dieser Parasiten mit den Tyroglyphen und Dermacaren aus. Wir erkennen den nämlichen einfachen Verlauf des Tractus, die nämliche Scheidung des sackförmigen Magens in zwei physiologisch nicht verschiedene, hinter einander liegende Abschnitte etc. Es bestätigte sich daher, wenigstens in den allgemeinsten Zügen, die früher von mir für Dimor- phus Haliaeti gegebene Beschreibung des Verdauungsapparates. Es er- fuhr jedoch dieselbe einige nicht unwichtige Erweiterungen, wesshalb eine erneute Beschreibung der Verhältnisse bei den langleibigen Procto- phyllodes-Arten nicht ohne Interesse sein möchte. Der Oesophagus (Taf. XXIV, Fig. 5 g) stellt eine weite, häutige Röhre von einfachem und gestrecktem Verlaufe dar. Er beginnt mit der klaffenden, am hinteren Ende des Trugköpfchens gelegenen Mund- öffnung und eilt, sich kaum merklich verbreiternd, nach hinten, wo er in der Höhe der Insertionsstelle des zweiten Fußpaares in den Magen übergeht. Der Magen ist vom Oesophagus, welchen er etwas entfernt vom vorderen Rande an der Bauchfläche aufnimmt, deutlich abgesetzt. An seinem vorderen Ende erweist er sich etwa als drei- bis viermal so breit als die Speiseröhre, das hintere steht zum Enddarme ungefähr in dem- selben Verhältnisse. Dabei erstreckt er sich von der Höhe der Insertion des zweiten Fußpaares an nach hinten bis ungefähr zu den Hüften des dritten. Von der Seite gesehen erkennen wir stets sehr deutlich, dass ein tiefer von oben nach unten eindringender keilförmiger Einschnitt (Taf. XXIV, Fig. 4 &) diesen Magen entsprechend der tiefen Furchen- linie zwischen dem zweiten und dritten Beinpaare in zwei hinter ein- ander liegende, gleichwerthige Abschnitte zerlegt. Etwas Ähnliches | haben wir bereits früher bei Tyroglyphus kennen gelernt. Es ergiebt sich hieraus, dass diese Grenzlinie weit mehr Berücksichtigung verdient, als man ihr bis jetzt einräumen wollte. Bei Tyroglyphus ist bekanntlich. der Magen ähnlich dem Körper nur durch eine rings um denselben ver- laufende Einschnürung in zwei zusammenhängende Hälften zerlegt, bei den Dermaleichen erkennen wir dagegen zwei durchaus gesonderte Abschnitte, welche nur an ihrer unteren Fläche durch eine kurze und dünne aber breite Brücke in offener Verbindung stehen. Wenn die vor- liegende Milbe längere Zeit gefastet hat, so erkennen wir in der Mitte auch eine seitliche Einschnürung (vgl. Fig. 4), welche jedoch verstreicht, sobald der Magen mit Nahrungsstoffen prall angefüllt ist, jene erstere Scheidung des Magens in zwei Abschnitte bleibt aber auch jetzt noch | vollkommen sichtbar. Die mächtigen Blindsäcke, welche ich für die Tyroglyphen be- nn nn rc en Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 375 schrieben habe, würden wir bei den Dermaleichen vergeblich suchen. An ihrer Stelle sind die vier Zipfel des Magens blindsackförmig er- weitert, und zwar die beiden vorderen kaum merklich (Taf. XXIV, Fig. 5 dd), die zwei hinteren beträchtlich stärker (näml. Fig. d’d’). Es scheint diesen vier Erweiterungen eine von derjenigen des eigent- lichen Magens verschiedene Funktion zuzukommen, wenigstens ist ihr Epithel von demjenigen des Magens sehr verschieden. Wir dürfen ihnen daher vielleicht die Bedeutung einer Leber zuschreiben. Der innere Epithelialbeleg ihrer Wandungen besteht aus sehr kleinen Zellen mit verhältnismäßig großem dunklem Kerne, — ist mithin durchaus ver- schieden von dem an den Blindsäcken der Tyroglyphen beobachteten Epithelium, — die Wandungen des Magens selbst sind mit großen Zellen gepflastert, deren Kern ungefähr die Größe hat, wie in den kleinen Zellen der hornförmigen Erweiterungen. Sehr eigenthümlich sind zwei starke Bündel von Längsmuskeln, von denen je eines von den vorderen dieser blindsackförmigen Erweiterungen nach vorn ziehen, wo sie, wie ich zu ‚erkennen glaubte, an der vorderen Körperwand zwischen der Basis des Trugköpfchens und der Insertion des ersten Fußpaares befestigt sind. Sie bezwecken augenscheinlich eine Erweiterung des Magens nach vorn hin und erinnern in ihrer Insertion an der vorderen Magenwand an ähnliche Muskelzüge bei manchen Crustaceen. Im Lumen des Magens der Dermaleichen erkennen wir sehr häufig eine eigenthümliche,, scheibenförmige und kreisrunde Zelle (Taf. XXIV, Fig. 5 y) von intensiver bräunlicher Färbung. Ein undeutlicher Kern : und eine dicke Wandung charakterisiren dieselbe. Ziemlich selten er- kennen wir auch verschiedene Theilungsstadien dieser Zelle. Ich irre mich kaum, wenn ich in derselben einen Parasiten erkenne; über seine ‚ thierische oder pflanzliche Natur zu entscheiden ist mir jedoch nicht möglich. Ein weiter und einfacher Enddarm macht den Beschluss des Verdauungsapparates. In seinem Lumen nehmen wir stets einen oder ‚ zwei Kothballen (Taf. XXIV, Fig. 5 cc’) wahr, welche seine häutigen Wandungen stark anschwellen machen, wodurch ähnliche Knoten ent- stehen, wie bei den Tyroglyphen. Der hintere Kothballen ist meist von dunklerer Färbung und schärferen eckigen Umrissen als der vor- ‚ dere, woraus vielleicht auf einen weiteren chemischen Process, welcher ' sich im Inneren des Enddarmes vollzieht, zu schließen ist. Der Anus liegt in Gestalt einer einfachen Spalte (Taf. XXIV, Fig. 5 an) nahe dem hinteren Körperrande an der Bauchfläche. Seine Ränder sind mit Hilfe starker quer angelegter Bündel paralleler Muskel- ‚ fasern (uns. Fig. ee) zurückziehbar, so dass sich die Spalte zum Aus- 376 6. Haller, tritte der Kothballen weit klaffend öffnet. Wenn die Dermaleichen, oder namentlich Symbiotes spathifer in großen Kolonien unter das Mikroskop gebracht werden, findet man stets eine große Menge solcher Ex- kremente. Die nicht unbeträchtlichen Speicheldrüsen liegen zu beiden Seiten des Oesophagus dicht vor dem Magen in dem von diesem unbe- nutzten Theile der Körperhöhle und erstrecken sich nach hinten kaum über die Insertionsstelle des zweiten Fußpaares hinaus. Sie liegen daher im Bereiche der gebräunten, den CGephalothorax bedeckenden Chitin- platte, durch welche hindurch man auch die Umrisse der einzelnen Zellen wahrnehmen kann. Eine jede dieser Drüsen besteht nämlich aus einem lappig angeordneten Konglomerate sehr großer Zellen mit deut- lichem Kerne und. fein granulirtem Inhalte (Taf. XXIV, Fig. 5 ff). Hellt man das Thier bis zum Verschwinden dieser Drüse auf, so be- merkt man dicht unter der Rückenfläche das muthmaßlich zu diesen Drüsen gehörende Reservoir, nebst dessen Ausführgang. Indessen ge- lang es mir — sicherlich nur in Folge der ungenügenden Untersuchungs- weise — nicht zwischen beiden Organen einen innigeren Zusammenhang festzustellen; es kann aber an einem solchen wohl kaum gezweifelt werden. Bei Analges (Taf. XXIV, Fig. 2) sind die Verhältnisse des Re- ceptaculum der Speicheldrüsen am leichtesten zu beobachten, an gelungenen Präparaten fallen sie nicht nur sofort in die Augen, da sie dicht unter der aufgehellten Körperdecke liegen, sondern scheinen sich förmlich über die Körperdecke zu erheben, was mich früher zu der irr- | thümlichen Annahme eines »Rückenkölbchens« veranlasste. Das Re- servoir (Fig. 2 r) selbst ist sehr klein, kaum vier- bis fünfmal so | groß als das Lumen des Ausführganges und liegt nur wenig nach rück- | wärts von der vorderen Körperwand zwischen dem Pseudocapitulum und der Insertionsstelle des ersten Fußpaares. Der enge Ausführgang | (Taf. XXIV, Fig. 2 spg) entspringt an dessen Spitze und steigt zuerst | eine kurze Strecke weit nach abwärts, zieht aber plötzlich nach vorn, wodurch eine fast rechtwinklige Knickung entsteht. Er geht dann in | sehr flachem Bogen, ja in fast geradem Verlaufe, längs den Seiten des Trugköpfchens nach vorn, wo er am Vorderrande des Epistomes in einem rechten, nach außen leicht zugerundeten Winkel nach innen um- biegt, um hier nahe der Mittellinie nach unten gegen die Mundhöhle hin auszumünden. Obschon sich demnach sein Sekret außerhalb der Mund- öffnung in das Gamerostom ergießt, so scheint dasselbe dennoch vom Thiere verschluckt zu werden. Wenigstens sehen wir, wenn wir einen Dermaleichen lebend unter dem Mikroskope beobachten, den Oesopha- en — ee Br nn Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 377 gus desselben stets mit einer Flüssigkeit gefüllt, welche sich namentlich durch die Menge der eingeschlossenen Luftbläschen zu erkennen giebt, welche bei den ununterbrochenen Schluckbewegungen unserer Milbe hin und her gleiten. Ich greife sicherlich nicht fehl, wenn ich dieselbe für den massenhaft abgesonderten Speichel der Milbe halte, welche den- selben verschluckt hat. Außer bei den Analgen habe ich dieses Receptaculum nebst dessen Ausführgang noch bei einer weiteren Form sehr schön beobachten können. Es bot sich hier eine wesentlich abweichende Modifikation dar, so dass die ausführlichere Beschreibung ebenfalls Interesse bieten möchte. Bei Pierocolus bisetatus nov. spec. (Taf. XXV, Fig. I und 2) hat das quergestellte und eiförmige Receptaculum eine beträchtliche Größe (Taf. XXIV, Fig. 6 r) und liegt dicht an der Basis des ersten Bein- paares. Der dünne Ausführgang (Fig. 6 spg) beginnt kaum merklich verdickt an dem äußeren Ende dieser Blase, zieht sich dann innig an deren Rundung angeschmiegt unter ihr durch und biegt, sobald er sie verlassen hat, in rechtem aber etwas zugerundetem Winkel nach vorn um. Sein weiteres Verhalten entspricht dem oben für Analges Be- schriebenen. Die Exkretionstaschen der Dermaleichen sind wohl be- kannte Gebilde und bedürfen daher keiner erneuten Beschreibung. Das bereits früher darüber Berichtete bedarf nur einer Ergänzung, indem ich konstatire, dass auch die Proctophyllodes-Arten eine Exkretionstasche besitzen (Taf. XXIV, Fig. 5 e). Sie liegt ganz am hinteren Körperende und ist sehr schwer wahrzunehmen, da ihr Inhalt ein durchaus farbloser scheint. 3) Nervensystem und Sinnesorgane. Meine neueren Beobachtungen über das Nervensystem der Der- maleichen haben durchaus die Angaben bestätigt, welche ich früher ‚ über dasselbe machte. Meine Beschreibung der Sinnesorgane ist aber dadurch wesentlich modificirt worden. Was letztere anbelangt, so er- ‚ weisen sich die Dermaleichen unzweideutig als niedriger organisirte ‚ Geschöpfe als die Tyroglyphen. | Das Nervensystem wird auch hier nur durch einen einfachen ' Nervenknoten (Taf. XXIV, Fig. 5 a) von sehr geringer Größe dargestellt, ‚ welcher jedoch eine deutliche Trennung in zwei Seitenhälften und ein ‚ schmaleres Mittelstück zeigt. Er liegt sehr weit nach vorn und ragt ‚noch theilweise in das Pseudocapitulum hinein. Ein Durchzogenwerden ‚desselben durch den Oesophagus lässt sich eben so wenig wie davon 'ausstrahlende Nervenäste wahrnehmen. Seine Gestalt endlich ist ver- ‚kehrt herzförmig, mit nach vorn gewendeter, quer abgestutzter Spitze. 378 6. Haller, Das von mir früher als »Sinneskölbehen« beschriebene Organ ist bereits weiter oben auf seine wahre Natur zurückgeführt worden. Als Sinnesorgane scheinen in erster Linie die langen Haare an den vorderen Extremitäten zu funktioniren, wesshalb dieselben bei mehreren Arten (Taf. XXV, Fig. I und 2) deutlich geknöpft sind. Riechkölbchen, wie ich solche für die Tyroglyphen beschrieben habe, fehlen vollständig. Endlich scheinen einige farblose den Taststiften der Insekten ähnliche Spitzen an den Palpen anzudeuten, dass auch diese als Sinnesorgane thätig sind. A) Männliche Geschlechtsorgane. Paarige Hoden mit paarigen Ausführgängen bei unpaarer Samen- blase und eben solchem Zeugungsorgan, endlich der Besitz von Haft- organen und auf die Extremitäten vertheilte accessorische Begattungs- organe kennzeichnet die Männchen; — zwei oder gar drei verschiedene Formen, paarige Eierstöcke mit unpaarem Ausführgange und Recepta- culum seminis, endlich das Passiren des abgetrennten Eies durch die Leibeshöhle, dessen endgültiger Aufenthalt im Eileiter dagegen die Weibchen der Dermaleichen als die nächsten Verwandten der Tyro- glyphen. Dringen wir mehr ins Einzelne, so trefien wir auch hier den Stempel einer noch niedrigeren Organisationsstufe als dort. Wir erkennen (Taf. XXIV, Fig. 10 und 11) bei allen männlichen | Dermaleichen auf der Höhe der Insertion des vierten Fußpaares oder nur wenig hinter derselben zu beiden Seiten des letzten Abschnit- | tes des Enddarmes (Fig. 11 c’) ein einziges wohl ausgebildetes Hoden- paar (in beid. Fig. it). Der Bau derselben ist, wie sich namentlich im normalen Zustande ergiebt, ein acinöser und sind dann die aus einzelnen Zellen bestehenden Acini namentlich gegen das hintere Ende hin sehr schön sichtbar (vgl. Fig. 11). Wenn aber die Testikel mit Sperma- tozoen gefüllt sind, so schwellen sie merklich an und die Textur wird in Folge dessen undeutlich (vgl. Fig. 10). Ihren Inhalt ergießen diese ' Hoden jederseits in einen dünnhäutigen Ausführgang, welcher wie- | der in die Vesicula seminalis (in beid. Fig. vs) einmündet. Aus. dieser’ letzteren endlich, welche stets ventralwärts vom Mastdarme in der‘ Mittellinie des Körpers und dicht über dem Genitalfelde gelegen ist, ge- langen die Samenfäden direkt in die Ruthe. | Ich habe bei den zahlreichen von mir untersuchten Dermaleichiden' namentlich zwei etwas verschiedene Abweichungen gefunden. So ge- ringfügig dieselben auch sind, so scheinen sie sich dennoch ziemlich regel- mäßig auf die Arten mit langem und mit kurzem Penis zu vertheilen, und mögen daher hier einlässlicher beschrieben werden. Hierbei gelte | | | | | | | | f | Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 379 Analges pachyenemius (Taf. XXIV, Fig. 10) als Typus der ersteren, Procto- phyllodes Vannelli als Typus der zweiten Form. BeiAnalgespachycenemius liegen die mächtigen längs-ovalen Hoden (Taf. XXIV, Fig. 10 ti) sehr weit nach vorn, auf gleicher Höhe mit der ventralwärts von ihnen gelegenen Samenblase (Fig. 10 vs). Ein durch die Insertionsstellen des vierten Fußpaares geführter Schnitt, welcher auch den Penis treffen würde, zerlegte die zwei Hoden in zwei gleiche Querhälften. An ihrer Außenseite und dem hinteren Pole stark ‚genähert beginnt bei einer jeden dieser Hoden ein einfacher und dünn- häutiger Ausführgang, welcher zunächst in einem flachen Bogen nach unten und innen zieht. Etwa auf der Höhe der Analspalte und dem Ende des Darmkanales genähert biegen sie plötzlich nach unten und vorn um und eilen in fast parallelem. Verlaufe nach vorn, wo sie auf den Seiten der Samenblase nahe dem hinteren Ende derselben ausmünden. Der absteigende Theil dieser Samenleiter (Fig. 10 vd) unterscheidet sich von dem etwa dreimal dünneren aufsteigenden (Fig. 10 vr) durch seine bedeutendere Ausweitung. Zur Zeit der größten Ausbildung der Spermatozoidien treffen wir in diesem absteigen- den Abschnitte zahlreiche quer in dessen Lumen gelagerte zu dicken Bündeln vereinigte Samenfäden. Eine Unterscheidung der beiden Theile als Vas descendens und Vas recurrens (Fig. 10 vd und vr) möchte daher nicht nur morphologisch, sondern auch physiologisch berechtigt sein. Bei Proctophyllodes Vannelli liegen die Hoden (Fig. 11 ti) weiter nach hinten, jene oben gedachte Linie würde sie etwa in ihren vor- deren Spitzen schneiden, dabei lassen sie sowohl zwischen sich als dem Körperrande einen merklichen Abstand frei, erweisen sich somit auch als kleiner wie bei der vorigen Form. Ihre Gestalt erweist sich etwa als mandelförmig, mit innerer leicht ausgebuchteter Seite und nach vorn gerichteter Spitze. Nach innen vom hinteren Ende nimmt der Samenleiter seinen Ursprung (Fig. vd), welcher keinerlei Unterschei- dung in ein Vas descendens und ein Vas recurrens erkennen lässt, sondern in einfachem Verlaufe nach vorn zieht, wo er ungefähr in der Mitte der Seitenfläche in die Vesicula seminalis einmündet. Am äußeren Kopulationsapparate des Männchens können wir, wie bei den Tyrogiyphen, ein mehr oder weniger hügelartig hervorstehendes Geschlechtsfeld und den chitinisirten Penis unterscheiden. Stets aber ‚ fehlen die »genitalen Haftnäpfe«. Ich habe vorhin Arten mit langem und mit kurzem Penis aus einander gehalten und diese Unterscheidung lässt sich in ziemlich konsequenter Weise durchführen. Man sieht dann, dass der kurze Penis lauter solchen Männchen zukommt, deren Weibchen 380 6. Haller, einen einfachen kurzen und gedrungenen Körper ohne gabelförmige Anhänge oder tiefen Längseinschnitt besitzen (Dimorphus, Dermaleichus, Pteronyssus, Alloptes ete.). Einen langen Penis besitzen im Gegentheil nur diejenigen Arten, bei welchen der Körper der Weibchen langge- streckt, mit gabelföormigem Anhange bewehrt oder am Ende tief ge- spalten ist (Proctophyllodes, Pterocolus, Pterolichus etc.). Wir werden bei der Besprechung der weiblichen Genitalien baldigst sehen, dass auch in ihrem Baue entsprechend diesen beiden Typen einige Modifikationen beobachtet werden können. Es muss daher augenscheinlich die all- gemeine Körperform bei Errichtung der einzelnen Gattungen eine wesent- lichere Rolle spielen als dies bisher der Fall war. Das Begattungsorgan von Analges pachycenemius (Taf. XXV, Fig. %) ist sehr einfach gebaut, aber wegen seiner sehr geringen Größe noch immer nicht richtig beschrieben worden. Wir erkennen eine sehr geräumige, halbkreisförmig umschriebene Geschlechtsarea (Fig. 4 ar) mit nach vorn gewendeter Rundung, nach hinten gerichteter Sehne. In der Mitte dieser letzteren ragt der einem gekrümmten Schnabel nicht unähnliche stark chitinisirte Penis (Fig. 4 p) hervor, welcher seiner ganzen Länge nach von einem an seiner Spitze ausmündenden Kanale durchzogen wird. Es kann derselbe nach oben gegen das Genitalfeld “eingeschlagen werden, wodurch ein Bild entsteht, welches einigermaßen an die schwer erklärbaren Zeichnungen erinnern soll, welche früher da- von entworfen wurden. Was die Arten mit langer Ruthe anbelangt, so haben M&enın und Rosın bereits eine Abbildung ! des langgestreckten Begattungsgliedes von Proctophyllodes glandarinus gegeben. Es ist ihnen aber dasselbe nicht in seinem ganzen Umfange bekannt geworden und be- darf daher einer erneuten Abbildung und Beschreibung. Zunächst (vel. Taf. XXV, Fig. 5) entspringt diese eigenthümlich gestaltete Ruthe auf einem birnförmigen Geschlechtsfelde von sehr geringer Größe. Sie (Fig. 5 ppp) steigt von hier aus fast senkrecht nach vorn bis nahe zur Querfurche zwischen dem zweiten und dritten Fußpaare, biegt hier in sehr starker Krümmung, die fast eine Knickung zu nennen ist, nach hinten um und eilt in gestrecktem Verlaufe nach dem Hinterrande des Körpers, welchen sie fast um die Länge der blattförmigen Anhänge (Fig. 5 ff) überragt. Sie hat somit eine Länge, welche so ziemlich | derjenigen des ganzen Körpers des Männchens gleichkommt, dabei aber eine ungemein geringe Dicke, welche etwa derjenigen einer langen Körperborste entspricht. Da sie überdies gleich diesen letzteren eine | 11. c. Taf. XXXVI, Fig. 3 und 4. 4.28 ii Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 381 außerordentliche Biegsamkeit besitzt, ist sicherlich die Benennung als borstenförmige Ruthe vollkommen gerechtfertigt. Mit Hilfe einer sehr starken Vergrößerung erkennt man ferner, dass dieser Penis seiner ganzen Länge nach von einem Kanal mit entsprechend engem Volumen durchzogen wird. Eigenthümlicherweise endet derselbe nicht an der Spitze der Ruthe selbst, deren Ende ähnlich wie bei einem Katheter blind geschlossen, stumpf und abgerundet ist (Taf. XXIV, Fig. 12), sondern nahe derselben an der Ventralfläche des Penis in Gestalt einer länglich ovalen Öffnung. Ähnlich gebaut ist auch die bedeutend kürzere, einer Degenborste zu vergleichende Ruthe von Proctophyllodes Vannelli (Taf. XXIV, Fig. 11). Gleich dem borstenförmigen Penis von Proct. glandarinus kann auch dieses Begattungsglied ganz oder theilweise unter die Bauch- decke zurückgezogen werden. Es ist das ein Vorgang, welchen ich mir noch nicht’erklären kann, um so weniger, da hierbei die Verbindungs- stelle der Ruthe mit der Vesicula seminalis nicht dislocirt wird. Er vollzieht sich übrigens so ungemein rasch, dass ich auch durch oft- malige sorgfältige Beobachtung desselben keinen Aufschluss erhalten konnte. Eigentlich müsste nun eine Beschreibung der Haftnäpfe diesen Ab- schnitt abschließen. Allein diese Hilfsapparate sind in den sämmitlichen früheren Studien so ausführlich behandelt worden, dass ich mich ent- schieden einer bloßen Wiederholung schuldig machen würde. Ich will daher diese Beobachtungen dahin ergänzen, dass zwei verschiedene der Hautmuskulatur angehörende Bündel von Muskelfasern aufgefunden werden können (Taf. XXIV, Fig. 10 und 11), deren eines sich stets als ein ringförmiges, deren anderes sich bald als ein longitudinales, bald als ein spiralförmiges zu erkennen geben. Sie vermitteln den Dienst der Haftnäpfe. — Welche erstaunliche Ausbildung diese Haftapparate erreichen können, beweist Proctophyllodes glandarinus. Me£cnın und Rosın haben diese Verhältnisse bereits recht gut dargestellt; ich kann daher nichts Neues beifügen und habe auch in meiner Figur die ihrer äußeren Erscheinung nach mit langen Zitzen vergleichbaren Organe nur schematisch angedeutet. — In allen bisher von mir beobachteten Fällen stehen zwar die echten Haftnäpfe stets zu beiden Seiten der Analspalte, dass aber dennoch ihre Stelle eine wandelbare ist, beweist eine neuere Beobachtung von Canesteinı und BerLes£e!. Dieselben beschreiben näm- ‚ lich in dem merkwürdigen Histiostoma fimetarium einen Tyroglyphen, ! Nuovi Acari osseryati da GIOVANNI CANESTRINI € ANTONIO BERLESE in Atti della societa veneto-trentina di scienze naturali. Anno 1884. Vol. VII. Taf. XXI, Fig. 2. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XXXVI. Ba. 26 382 6. Haller, bei welchem die wohl ausgebildeten Haftnäpfe an der Vorderbrust sitzen. Ich selbst hatte noch nicht Gelegenheit diese Beobachtung zu bestätigen. | Bereits in einer früheren Studie wurde von mir bei Beschreibung von Dimorphus Haliaöti gezeigt, dass gewisse eigenthümlich geformte Protuberanzen bald am dritten, bald am vierten Fußpaare der Dimor- phen als accessorische Begattungsorgane nach Art derjenigen an dem zweiten Extremitätenpaare einiger Tyroglyphen zu bezeichnen sind, da sie bei der Begattung zum Festhalten der Weibchen bestimmt sind. Ich habe auch diese Beobachtung weiter verfolgt und gefunden, dass sie sich durchaus bestätigte. Fast alle Dimorphusformen besitzen diese Protuberanzen bald in Gestalt eigenthümlicher Fortsätze, bald als ab- gerundete Warzen etc. Ihre Form erweist sich bei den einzelnen Arten als eben so konstant als charakteristisch und dürfte daher ein gutes - Merkmal zur Aufstellung der Species-Diagnosen abgeben, was aber bis- her vollkommen vernachlässigt worden ist. 5) Weibliche Geschlechtsorgane. Die Beobachtung von zwei, in selteneren Fällen von drei ver- schiedenen Weibchenformen wurde von mir abermals bestätigt. Die erste von ihnen wird zunächst vom Männchen befruchtet, zeigt aber durchaus noch keine Anlagen von Geschlechtsorganen, die folgende trägt bereits ein nahezu reifes Ei im Eileiter. Gewiss ist eine solche Ver- schiedenheit zwischen zwei nahe auf einander folgenden Entwicklungs- formen außerordentlich auffallend und die bisherige Anschauungsweise genügt nicht um sie zu erklären. Einige direkte Beobachtungen be- stärkten mich hierin und erlaubten mir einen Schritt weiter zu gehen. Wir haben es nämlich in dieser »ersten Weibchenform« nicht mit einem geschlechtsreifen Weibchen zu thun, sondern nur mit dem leiz- ten Häutungszustande der achtbeinigen Larvenformen. Wenn dieselbe vom Männchen begattet wird, hat die letzte Häutung schon begonnen, vom früheren Larvenzustande ist nur die äußere Haut übrig, in welcher das geschlechtsreife Weibchen bereits vollkommen vorgebildet, aber noch unbeweglich und mit an der Bauchfläche gekreuzien Beinen ruht. Wir überzeugen uns hiervon sofort, wenn es gelingt von in Begattung vereinigten Pärchen stark aufgehellte Präparate anzufertigen !. Diese Beobachtung giebt uns nun freilich genügenderen Aufschluss über die bedeutende Verschiedenheit im Baue zweier so nahe auf einander folgen- i Ich besitze eine Anzahl solcher Präparate von den verschiedenartigsten Formen, die ich durch Einschluss sowohl in Glycerin, als in Harz erhalten habe und bin gern bereit dieselben Interessenten vorzuweisen. TE TEE Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Derinaleichidae). 383 den Entwicklungsstufen als die Theorie von zwei verschiedenen Weib- chenformen. Die Eier reifen augenscheinlich in überaus kurzer Zeit und wenn das innerhalb der Larvenhaut befruchtete Weibchen aus derselben schlüpft, so haben sie bereits eine beträchtliche Größe er- reicht. Die Einschiebung des Penis in den Körper des Weibchens vollzieht sich, wie ich wiederum oftmals beobachtete, durch eine postanale und dorsalständige Öffnung (vgl. Taf. XXIV, Fig. A I, Fig. 7 und 8 b), nicht durch den After. Zu meinem Bedauern hat BeErTkAU in seinem Litteraturberichte an meiner früheren Bezeichnung als einer »über« dem After gelegenen Öffnung Anstoß genommen, misszuverstehen war dieselbe indessen doch wohl kaum. Der beste Beweis hierfür ist wohl folgender Auszug aus einem Briefe des bewährten Acarinologen Kramer's, welcher mir am 10. Oktober vorigen Jahres schrieb: »Die von Ihnen erwähnte Geschlechtsöffnung kenne ich schon seit einem Jahre und Sie können dieselbe am schönsten vielleicht bei Proctophyllodes glandarinus sehen.« Sehr schön habe ich dieselbe auch bei Pterocolus bisetatus ge- sehen und füge daher meiner ersten Tafel eine Abbildung des Hinter- leibsendes des Weibchens dieser Art (Taf. XXIV, Fig. 7) bei. Die unwiderlegbarste Bestätigung dieser Beobachtung war mir aber die Thatsache, dass es mir allein mit Berücksichtigung derselben gelang, in allen Fällen das Receptaculum seminis aufzufinden. Wenigstens bei den kurzleibigen Weibchen der Dermaleichen erinnert dasselbe be- deutend an das entsprechende Organ der Tyroglyphen und zeigt nament- lich die nämlichen dünnhäutigen Wandungen wie dort. Bei den beiden nachfolgend zu beschreibenden Typen habe ich in dessen sehr geräu- migem Lumen mehrere schrauben- oder ringförmig zusammenge- krümmte, seltener einfach stabförmig gestreckte Samenfäden von sehr geringer Größe aufgefunden (Taf. XXIV, Fig. 8 und 9). Es kann wohl keinen bestimmteren Beweis für die Bedeutung jener Receptacula geben als gerade diese Beobachtung. Bei der geringen Größe der Unter- suchungsobjekte und der Hartnäckigkeit, mit welcher ihr flacher depri- mirter Körper einer Untersuchung von der Seite trotzt, gelang es mir nicht oder wenigstens nur sehr unvollkommen den Zusammenhang des Receptaculum seminis mit dem Eileiter in genügender Weise fesizu- stellen. Es kann jedoch an einem solchen kaum gezweifelt werden und wenn nicht alle Erwägungen täuschen, so findet die Kommunikation am vorderen Ende der Samentasche statt. Die paarigen Eierstöcke (Taf. XXIV, Fig. 8 und 9 est, est) liegen stets zu beiden Seiten des Hinterendes des einfachen, sackförmigen, sehr dünnhäutigen und außerordentlich weiten Eileiters (Fig. 8, 9 el, el). 26 * 384 G. Haller, Jene zeigen ein ganz ähnliches Verhalten wie bei Dermacarus, nur sind dieselben weitaus kleiner und ärmer an Zellen. Hieraus und aus der ganz bedeutenderen Größe der Eier erklärt sich warum jeweilen nur ein einziges legereifes Ei im Eileiter getroffen wird. Da aber schon dann, wenn das entwickelte Ei noch im Ovidukte enthalten ist, sehr oft zur Seite des Ovariums noch ein zweites, weitaus kleineres zu bemerken ist (Taf. XXIV, Fig. 9 ea), welches eben im Begriffe ist, sich vom Ovarium zu trennen, so ergiebt sich von selbst, dass das Eilegen mehr- mals nach einander wiederholt wird. Auffallenderweise findet dieses Abtrennen auf der dem Ovidukte entgegengesetzten Seite des Ovariums statt und die abgetrennten Eier liegen Anfangs frei in der Leibeshöhle. Da wir dieselben erst in einem späteren Stadium und bei bereits be- trächtlicherer Größe in dem mittelständigen Ovidukte treffen, müssen dieselben augenscheinlich, um in den Eileiter einzutreten, die freie Leibeshöhle passiren, was wir in ähnlicher Weise bereits bei den Tyro- glyphen kennen gelernt haben. Es ist von hohem Interesse, dass, wie mit Bestimmtheit an- genommen werden kann, Hrrına ! bereits 1835 die Ovarien und Hoden von Sarcoptes hippopodos richtig erkannt hat. Er sagt über diese Or- gane: »Beim Zerdrücken einiger Milben kamen zwei rundliche, viele kleine Zellen enthaltende Organe zum Vorscheine, deren Lage in der Nähe des Ursprunges der Hinterfüße es mir wahrscheinlich macht, dass dieses die Eierstöcke sind; bei anderen Individuen waren an derselben Stelle zwei kleinere bohnenförmige, aber röthliche Organe sichtbar, die vielleicht zu dem männlichen Zeugungsapparate gehören.« Der gründ- liche Parasitenkenner hat auch die merkwürdige Begattungsweise und andere Verhältnisse bereits vollkommen richtig beschrieben. Auch Giov. CAnESTRINI und BERLESE versuchen es, ohne begleitende Worte, eine Darstellung der inneren weiblichen Geschlechtsorgane ihres Histiostoma fimetarium zu geben. Durch einen L-förmigen Schnitt ist die Körperhaut an der Rückenfläche geöffnet worden, so dass der Beob- achter in die Leibeshöhle sieht. Diese wird durch eine Menge regellos vereinigter kugelrunder Bläschen ausgefüllt, welche unzweideutig einem unpaaren, die Leibeshöhle fast gänzlich erfüllenden Eierstocke ent- sprechen sollen, in welchem die größeren ovalen Eier bald hier bald dort halb eingegraben stecken. Schon aus der Darstellung ergiebt sich, dass wir es mehr. mit einer entomologischen Spielerei als mit einer gründlichen wissenschaftlichen Untersuchung zu thun haben. 1 Krätzmilben der Thiere von E. Herıng in Acta Acad. Caes. Leop. Carol. Nat. Cur. vol. XVD. P. II. p. 610. Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 385 Entsprechend meiner Unterscheidung zweier verschiedenen Typen von Männchen treffen wir auch ım Bau des weiblichen Geschlechts- apparates zwei konstante Abweichungen, die sich vornehmlich auf die Gestalt der Eierstöcke und das Receptaculum seminis beziehen. Bei dem gedrungen-leibigen Weibchen von Dimorphus strigis- oti Buchh. (Taf. XXIV, Fig. 9) haben die beiden Eierstöcke eine mehr kugelige Form, ihre Zellen sind beträchtlich größer und liegen dem hinteren Körperrande stark genähert. Das Receptaculum seminis ist eine kugelige, sitzende oder nur sehr kurzhalsige Blase, auch an ihrem vorderen Pole lässt sich keinerlei ausführender Gang wahr- nehmen. = Wesentlich verschieden gestalten sich die Verhältnisse bei Procto- phyllodes alaudae (Taf. XXIV, Fig. 8). Die Eierstöcke sind lang- gestreckt und walzlich, stehen fast um ihre eigene Länge vom hinteren Körperrande ab und bestehen aus etwas zahlreicheren und beträchtlich kleineren Zellen. Sehr eigenthümlich gestalten sich die Verhältnisse des geräumigen Receptaculum seminis (Fig. 8 rs). ‚Es wird dasselbe durch eine walz- liche an beiden Enden zugespitzte Blase dargestellt, welche an der Dor- salfläche (Taf. XXIV, Fig. % g) einseitig verschoben, weit nach vorn verlegt, etwa auf der Höhe der Mündung des Eileiters nach außen liegt. Ihr hinteres Ende ist mit der postanalen Geschlechtsöffnung (Fig. % b) durch einen langen, gewundenen Gang verbunden (Fig. 4 g). Das vordere Ende ist ebenfalls in einen Gang verschmälert, durch wel- chen wahrscheinlich die Spermatozoen in den Ovidukt eintreten. Ich habe denselben an der Rückenfläche deutlich wahrgenommen und ge- sehen, wie er sich an der Außenseite des gleichseitigen Magenblindsackes nach unten zog, ihn hier aber, aus den oben bereits angeführten Grün- den, aus den Augen verloren. Das Lumen dieses kurzen Ausführganges ist etwa dreimal so weit als dasjenige des Anfangsganges, die Wan- dungen erweisen sich ebenfalls als etwas dicker. Das hintere Ende dieses eigenthümlichen Receptaculum seminis zeigt, so weit es zugespitzt, eine größere Anzahl radiär nach der Mündung des Einführganges zu- sammentreiende Muskelfasern (Fig. 3 ß), welche wahrscheinlich einem Erweiterer der hinteren Öffnung entsprechen. Dagegen scheint der Ein- führgang selbst in einer knotenförmigen Anschwellung (Fig. 3 «) nahe seinem vorderen Ende einen Sphincter einzuschließen. Wie bei den Männchen können wir auch bei den Weibchen einen äußeren, chitinisirten Geschlechtsapparat erkennen, welcher demjenigen der Tyroglyphen wesentlich gleicht, jedoch fehlen ihm ebenfalls die »genitalen Haftnäpfe«. Er besteht daher, wie übrigens wohl bekannt, 386 G. Haller, nur aus der bogenförmigen, Lyra genannten Chitinleiste, welche nach vorn die Geschlechtsarea umsäumt und die nach vorn verschmälerten, nach hinten verdickten Wülste, welche in ihren vorderen Hälften an der Innenseite zusammenstoßen, in den hinteren divergiren. So weit die- selben zusammenstoßen bezeichnen sie die Stelle, welche später un- regelmäßig zerreißt, um eine Öffnung zum Austritte der Eier zu bilden. Nicht selten sehen wir noch nach einwärts vom äußeren Geschlechts- apparate, dicht unter der Körperdecke, ein oder zwei Paare einfach ge- stalteter Chitinleisten (Taf. XXIV, Fig. 8 /!), welche einen Stützapparat des Eileiters zu bilden scheinen. Gewöhnlich liegt dieser äußere Apparat dicht hinter der Querfurche zwischen dem zweiten und dritten Beinpaare, mithin etwas weiter nach vorn als der männliche Apparat. Eine Ausnahme von der Regel bildet einzig das überaus gedrungene und bisher noch unbekannte Weibchen von Dimorphus parinus Buchholz! (Taf. XXV, Fig. 3). Hier rückt der Geschlechtsapparat weit nach vorn über diese Linie hinaus bis nahe an die Basis des Pseudocapitulum heran, wo sich die verkürzten Epimeren des ersten Fußpaares mit ihm vereinigen. Wenn ich nun am Schlusse dieses Aufsatzes noch einmal auf die Frage zurückkomme, ob die Dermaleichiden lebendig gebärend sind oder Eier legen, so geschieht es um einen durch Berrkau hervorge- rufenen Irrthum zu widerlegen. Es berichtet nämlich derselbe in dem oben bereits mehrfach erwähnten Litteraturberichte, dass nach meinen Angaben die Dermaleichen ovoyivipar oder vivipar seien. An und für sich hat dieselbe freilich nichts Auffallendes, da bei mehreren Milbenformen dieser modus parendi Regel ist, z. B. bei den Oribatiden ? und einigen Gamasiden. Würde aber BErrkAu meine früheren Studien gewissen- haft durchgelesen haben, so müsste er auf Seite 549 dieser Zeitschrift gerade das Gegentheil von der obigen Aussage gefunden haben. Ich bemühte mich vielmehr, gestützt auf den eigenthümlichen Haftapparat, welchen die Eier mancher Dermaleichiden aufweisen, zu zeigen, dass diese letzteren vermuthlich einen großen Theil ihrer Entwicklung auf den Federn des Wohnthieres und außerhalb des Körpers der Mutter vollenden. Dagegen machte ich darauf aufmerksam, dass Freyana ana- tina hiervon eine Ausnahme mache und vermuthlich ovovivipar sei. Es steht auch dieser Ausnahmefall nicht vereinzelt da, wir haben viel- 1 Pterocolus bisetatus und das @ von Dimorphus parinus Buchholz verdanke ich der Gefälligkeit von Herrn Popp in Bremen, welcher dieselben selbst auf den Wohnthieren auffand und mir in dankenswerther Weise zur Verfügung stellte. 2 NıcoLgr, Histoire naturelle des Acariens etc. in Arch. du Mus. d’hist. nat. t. VII. p. 390. u 3 Io BET. Ya EEE RAR HER WOHEI Ya \iE_ 5. u Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). 387 mehr durch die Litteratur einige ähnliche kennen gelernt. Ich erwähne EnLers’! Beobachtungen an Dermatoryctes fossor und Sırensky's? Mit- theilungen über Tyroglyphus viviparus. Nachtrag. Obige Studie war bereits dem Drucke übergeben, als mir Dr. Kramer in Halle einen Abdruck seiner verdienstvollen Arbeit zusandte, in welcher er meine Entdeckung einer postanalen Genitalöffnung Behufs der Be- gattung an Weibchen von Proct. glandarinus bestätigte (Über Milben, Zeitschr. f. d. ges. Naturw. 1881. Bd. LIV. p. 2 d. Sep.-Abz.). Auch Dr. Micnser in London sandte mir erst in den letzten Tagen als Bestäti- gung der obigen Beobachtung eine von ihm bereits im Jahre 1879 publi- cirte Studie zu, in welcher er den Höcker am hinteren Leibesende einiger Glyeyphagus-Arten, gestützt auf genaue mikroskopische Untersuchungen als postanale Geschlechtsöffnung beansprucht (On some peculiarities in the reproductive system etc. Journ. ofthe Quekett Microscop. Club. 1878. pl. XII, fig. 5 et 6. p.5.d. Sep.-Abz.). Bern, den 24. Oktober 1881. Erklärung der Abbildungen. Anm.: Die sämmtlichen Figuren sind mit Hilfe der Camera lucida von NAcHET angefertigt worden. Die Angabe der Kombinationen bezieht sich auf ein kleines In- strument von HArtnack bei eingestoßener Kammer. Tafel XXIV. Fig. 4. Mundapparat von Pterolichus securiger Megn. von der Bauchfläche. Oc. 5, Syst. 7. Fig. 2. Mundapparat von Analges pachycnemius von der Rückenfläche. Oc. 4, Syst. 7. Fig. 3. Vom zweiten Kieferpaare gebildetes Gerüst von Analges Nitzschii Hall. auf künstliche Weise isolirt. Oc. 5, Syst. 7. Bezeichnung in allen drei Figuren. ee, Epistom; kl, erstes, k2, zweites, k3, drittes Kieferpaar; mp, Maxillarpalpus; pl, Palpus labialis; rr, Receptaculum der Speicheldrüsen;; spg, ihr Ausführgang; ul, Unterlippe. Fig. 4. Proctophyllodes spec. indet @ von der Seile gesehen. Oc. 5, Syst. 6. a, Gehirn; db, vordere, b’, hintere Abtheilung des Magens; c, erste, c’, zweite Anschwellung des Enddarmes; d’, hintere blindsackförmige Ausstülpungen des Magens; e, Exkretionstaschen ; f, Eierstock; h, Receptaculum seminis; i, Eileiter; ! Enters, |. c. p. 242 u. ff. ® SALENSKY, Die Geschichte der Embryonalentwicklung der Acariden. 1849. Petersburg. p. 55. (Russisch.) 388 6. Haller, Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). k und X’, die beiden Körperanhänge ; !, die postanale und dorsalständige Geschlechts- öffnung. Fig. 5. Verdauungstractus von Proctophyllodes alaudae mihi von der Rücken- fläche aus gesehen, Oc. 3, Syst. 7. a, bb’, cc’, wie oben; d, vordere, d’, hintere blindsackförmige Erweiterungen des Magens; ee, Muskeln der Afterspalte; ff, große Zellen der Speicheldrüsen ; g, Oesophagus; Ah, Muskelzüge; y, parasitische Zelle. Fig. 6. Speichelreservoir von Pterocolus bisetatus mihi. Oc. 4, Syst. 7. b', Insertion des ersten, linken Beines; e, Epistom; r, Behälter; spg, Speichel- sang. Fig. 7. Hinteres Leibesende des Weibchens von Pterocolus bisetatus mihi. Oc.5, Syst. 7. a, hinterer Ausschnitt; db, Geschlechtsöffnung; cc, Exkretionstaschen,; dd, äußere Öffnungen derselben. Fig. 8. Geschlechtsapparat des Weibchens von Proctophyllodes alaudae mihi von der Rückenfläche aus gesehen. Oc. 3, Syst. 7 Fig. 9. Geschlechtsapparat des Weibchens von Dimorphus strigisoti ebenfalls von der Rückenfläche aus. Oc. 3, Syst. 7 Bezeichnung in beiden Figuren: Db, postanale Geschlechtsöffnung; ea, reifendes, vom Eierstocke abgetrenntes Ei; el, Eileiter; er, reifendes Ei im Eileiter; est, Eier- stöcke, g9g', Ein- und Ausführgang der Samentasche; I, sekundäre Chitinleisten; rs, Receptaculum seminis; «, Schließ-, 8, Erweiterungsmuskel. Fig. 40. Männlicher Geschlechtsapparat von Analges pachycnemius Gieb. Oc. 3, Syst. 7. Fig. 44. Männlicher Geschlechtsapparat von Proctophyllodes Vannelli, wie der vorige von der Bauchfläche aus gesehen. Oc. 3, Syst. 7. Bezeichnungen zu beiden Figuren: an, Afterspalte ;, c’, zweite Anschwellung des Mastdarmes; hn, Haftnäpfe; p, Ruthe; ti, Hoden; vd, Vas descendens; vr, Vas re- currens; vs, Vesicula seminalis. Fig. 412. Ende der borstenförmigen Ruthe von Proctophyllodes glandarinus. Oc. 5, Syst. 7. Tafel XXV. Fig. 4 und 2. Pterocolus bisetatus mihi von Larus spec., beide von der Rücken- fläche. Oc. 3, Syst. 6. Fig. 3. Weibchen von Dimorphus parinus Buchh. von der Bauchseite. Oc. 3, Syst. 6. Fig. 4. Äußerer Geschlechtsapparat von Analges pachycnemius. Oc. 5, Syst. 7. Fig. 5. Hinterleib von Proctophyllodes glandarinus Megn., um den äußeren männlichen Geschlechtsapparat zu zeigen. Oc. 3, Syst. 7 ' Bezeichnungen zu Fig. 4 und 5: ar, Geschlechtshof; ff, blattförmige Hinter- leibsanhänge nach der Bauchfläche; ppp, Ruthe, oder p, ns ;%%, die A ten Seitenränder des Hinterleibes. Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. Beitrag zur Kenntnis der Anatomie und Histologie der Anneliden. Von Wilhelm Mau in Kiel. Mit Tafel XXVI und XXVIL, Die folgenden Blätter sollen einen kleinen Beitrag zur Kenntnis der ‚ polychaeten Meeresanneliden liefern. Sie sind das Ergebnis von Unter- suchungen und Beobachtungen, die ich vom Oktober 1880 bis zum Juni 1881 in dem zoologischen Institut zu Kiel machte, und zwar an ‘ der zu den Ariciiden Mlgr. zu zählenden Species Scoloplos armiger 0. F. Müller. Zur Untersuchung dienten sowohl lebende Thiere, als auch nach verschiedenen Methoden gehärtete und konservirte. Die lebenden Thiere hielt ich in dem Aquarium des Institutes. Da sie in großer Menge im Kieler Hafen vorkommen, so war ich in .der , Lage, vor dem Eintritt des Winters so viele Exemplare zu sammeln, ' dass ich meine Studien auch dann fortsetzen konnte, als eine Eisdecke den Gebrauch des Schleppnetzes unmöglich machte. Die zum Konserviren und Härten angewandten Methoden waren verschiedener Art. Ich tödtete die Thiere in Pikrinschwefelsäure oder Chromsäure und ließ sie bis zu 14 Tagen in diesen Flüssigkeiten. Chromsäure durfte ich nicht zu lange anwenden, denn dann wurden die Gewebe krümelig. Nachdem ich die Säuren durch reines Wasser wieder aus dem Körper entfernt hatte, was bei Thieren,, die in Pikrin- schwefelsäure gehärtet waren, sehr lange dauerte, brachte ich die Würmer zunächst in verdünnten, dann in absoluten Alkohol. — Die Chromsäure wandte ich in !/,procentiger Lösung an. Die Pikrin- 390 Wilhelm Mau, schwefelsäure war ein Gemenge von 100 Vol. koncentrirter Pikrinsäure, 2 Vol. koncentrirter Schwefelsäure und 300 Vol. Wasser. — Außerdem tödtete ich Thiere in verdünntem Alkohol, legte sie nach einiger Zeit in koncentrirteren und endlich in absoluten. Diese Methode, so wie namentlich das Härten mit Chromsäure lieferten die besten Resultate. Ich muss noch besonders hervorheben, dass die mit Chromsäure gehärteten Exemplare sich vorzüglich zum Schneiden eigneten. Man gestatte mir, auch ein Wort über die von mir angewandten Färbungsmethoden zu sagen. Ich versuchte verschiedene von Anderen mit Erfolg angewandte Tinktionsmittel. Am geeignetsten fand ich Saffranin, Alaun-Kochenille und Pikrokarmin. Ich erhielt durch sie die schönsten Kernfärbungen. Saffranin veranlasste in wenigen Sekunden Färbungen, vorausgesetzt, dass sämmtliche Säure aus dem Gewebe entfernt war. Bei Anwen- dung von Pikrokarmin erhielt ich dagegen ein deutliches und scharfes Hervortreten der Blutgefäße und Muskeln. Entweder färbte ich im Ganzen und machte darauf Schnitte, oder ich färbte erst letztere. Mit Saflranin lässt sich nicht gut im Ganzen färben , weil dieser Farbstoff beim Lösen des beim Schneiden an- gewandten Einbettungsmaterials leicht wieder verloren geht. Zum Ein- betten der Schnitte und anderer Präparate von Scoloplos armiger benutzte ich Canadabalsam oder Glycerin. Vor dem Schneiden bettete ich die gehärteten Wurmtheile in Pa- raffın ein. Anfangs fertigte ich Schnitte mit dem Mikrotom an; später indess ausschließlich aus freier Hand mit einem scharfen Rasirmesser. Auf diese Weise machte ich mir zahlreiche Längsschnitte und Querschnitte, und wo ich es für nöthig erachtete, ganze Schnittserien. Daneben machte ich auf verschiedene Weise Macerationsversuche. Bezüglich der Nomenklatur der Schnittrichtungen bemerke ich, dass ich unter Längsschnitten überhaupt solche Schnitte verstehe, welche in die Hauptlängsachse des Körpers fallen, oder welche parallel derselben gehen. Ich unterscheide dann 1) sagittale und 2) laterale Längsschnitte. Derjenige Sagittalschnitt, welcher durch die Hauptlängsachse und die dorsoventrale Hauptachse geführt ist, heißt Hauptsagittalschnitt; alle anderen diesem parallelen Sagittalschnitte heißen Nebensagittalschnitte. Der Hauptlateralschnitt liegt in der durch die Hauptlängsachse und die laterale Hauptachse gelegte Ebene; die Nebenlateralschnitte laufen ihm parallel. Die Figuren habe ich größtentheils mit der Camera lucida angelegt. Dann zeichnete ich alles Dasjenige hinein, was ich aus dem Studium m | | | ! Über Scoloplos armiger 0. F, Müller. >91 ‘zahlreicher Präparate und Schnitte gewonnen hatte. Daher sind eine ‘ Anzahl meiner Zeichnungen Kombinationsbilder aus zahlreichen "Schnitten. Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass durch ‘diese Vereinigung die Naturtreue derselben nicht beeinträchtigt wor- ‘den ist. Zum Schlusse dieser einleitenden Worte sei es mir erlaubt, meinem “hochverehrten Lehrer, dem Herrn Professor Dr. K. Mösıus, meinen tief- ‘gefühlten Dank auszusprechen für die mir gegebene Anleitung bei der Herstellung der nöthigen Präparate, so wie für seine außerordentliche 'Zuvorkommenheit und anderweitige bereitwillige Unterstützung, mit ‘der er mir während der ganzen Zeit meiner Untersuchung zur Seite ‚stand. Litteratur. 10. F. MüLLer, »Zool. Dan.« p. 22. Taf. 22, Fig. 4 und 5. 4788. — Der Verfasser | führt zum ersten Mal den Wurm unter dem Namen Lumbricus armiger | in die Wissenschaft ein. Er giebt von demselben eine den damaligen Kenntnissen und Verhältnissen entsprechende Beschreibung und Ab- bildung. H. RATuke, »Beiträge zur Fauna Norwegens«. Diese Abhandlung ist gedruckt in den Verhandlungen der Kaiserl, Leopold.-Carol. Akademie der Naturforscher: Nov. act. nat. cur. Bd. XX. p. 176, 1843. — RATHkE besaß vier unvoll- ständige Exemplare von dem Wurm, den er Aricia Mülleri nannte. Er giebt von demselben eine Beschreibung und Abbildungen. E. GRUBE, »Familie der Anneliden«. In: Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. XVI. Bd. I. p. 316. — Hier treffen wir zuerst den Namen Aricia armigera. J. Koren bezeichnet ihn ebenfalls als Aricia armigera: Nyt. Mag. IX. p. 95. (Nach MALMGREN.) D. €. Danıessen. Auf seiner zoologischen Reise im Jahre 4857 hatte er drei Exem- .plare erhalten: »Beretning om en zoologisk Reise foretagen i Soemmeren 1857«.. p. 33. 'M. H.D. DE BrLAmnviLLE. Von ihm stammt der Name Scoloplos. Er bemerkt, dass er nur dasjenige über den Wurm gekannt habe, was O. F. MÜLLER ge- schrieben. Dict. d. Scienc. natur. Bd. 57. p. 198. | a. S. OERSTED. Dieser Forscher behält den Namen Scoloplos armiger bei. Er giebt | eine kurze Beschreibung von ihm in: »Udtog af en Beskrivelse af Groen- lands Annulata dorsibranchiata«. In: Krover’s Naturhist. Tidskr. 4842 bis 1843. Bd. IV. p. 125. Ferner in »Ann. Dan. consp.« 4843, wo er den Wurm zu seinen Ariciae verae der Maricolae rechnet. Er führt ihn auch an in seiner Inaugural-Dissertation »De regionibus marinis« 1844. p. 78. 'M. Sans. In »Bemzrkninger over det Adriatiske Havs Fauna sammenlignet med Nordhaves« erwähnt er Scoloplos armiger. In: Nyt. Mag. Ba. VI. 1853. 392 Wilhelm Mau, A. DE QUATREFAGES. In: »Histoire naturelle des Annel&s marins et d’eau douce«. Paris A865. Bd. II. p. 287 zählt der Verfasser Fundorte für Scoloplos ar- miger auf und giebt die Beschreibung OErstEp’s wieder. A. J. MaLnGrENn, »Annulata Polychaeta.« In: Öfvers. af Kongl. Vet. Akad. Förh. 1867. Nr. 4. p. 204. Hier giebt er die bis dahin erschienene Litteratur über Scoloplos an. | K. Mösıvs, »Moll., Würm., Echinod. und Coel. der zweiten deutschen Nordpolfahrt 1869—1870.« p. 255. Auf dieser Fahrt ist Scoloplos bei der Sabine-Insel gefunden. Ferner: »Die wirbellosen Thiere der Ostsee.« In: Bericht über die Expedition des Avisodampfers Pommerania 4874. p. 407. Hier sind viele Fundstellen des Wurmes in der Ostsee mit Angabe der Tiefe und Bodenbeschaffenheit angeführt. Ferner: Jahresbericht der Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere in Kiel für die Jahre 41872, 4873. p. 460. Hier ist eine Fundstelle von Scoloplos in der Nordsee angegeben. G. ©. Sars, »Bidrag til Kundskaben om Christianiafjordens Fauna.« Ill. p.40. 1873. Verfasser beschreibt den sogenannten Rüssel von Scoloplos, und vergleicht diesen Wurm mit Aricia-Arten. A. W. Maım, »Zool. observationer.« Heft VII. p. 94. 4874. Angeführt sind die Fundstellen an der Westküste Schwedens. P. TAuser, »Annulata Danica.« I. 4879. p. 406. In seiner Zoologia Danica giebt O. F. Mürzer ! eine Beschreibung und Abbildungen von einem Wurm, den er Lumbricus armiger nennt. Dieser Wurm ist identisch mit Scoloplos armiger. Der von MÜLLER gegebene Name blieb ungefähr vierzig Jahre gültig in der Wissen- schaft. Erst Savıcny ? weist darauf hin, dass dieser Wurm nicht zu den Lumbrieinen zu rechnen sei, sondern einer ganz anderen Anneliden- familie angehöre. BLamviLLe® nennt ihn daher Scoloplos armiger, und OErsTED* weist ihm später einen richtigen Platz im zoologischen System an, indem er ihn zu der Familie der Aricien zählt. Allein, der Name Scoloplos wurde nicht von allen Forschern an- erkannt. Da der Wurm in der That der Gattung Aricia sehr nahe steht, so nannte ihn Raruke 5, der auch eine bessere Beschreibung desselben geliefert hat, als MüLLer, Aricia Mülleri; Grusz €, KorEn’, so wie DAnIELS- senS nennen ihn Aricia armigera. i Zool. Dan. p. 22. Taf. XXI, Fig. 4 und 5. 1788. 2 Systeme des Anneles. p. 104. 4820. 3 Dict. d. Sc. nat. Bd. 57. p. 493. 4828. * Ann. Dan. consp. 4843. Groenl. Ann. dors. 5 Nov. act. nat. cur. Bd. XX. p. 176. 1843. 6 Fam. d. Ann. (In: Archiv f. Naturgesch. Jahrg. XVI. I. p. 316.) 7 Nyt. Mag. IX. p. 95. (Nach MALMGREN.) 8 Beretning om en zool. Reise 4857. p. 53. — Reise 1858. (Nach MALNGREN.) Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. _ 393 Die neueren Forscher!, welche den in Frage stehenden Wurm ge- funden haben, führen ihn unter dem Namen Scoloplos armiger Müll. an. Näher von ihnen beschrieben ist er nicht. Nur dem dänischen Zoologen G. O. Sars? verdanken wir eine etwas ausführlichere Mit- theilung über denselben. Zugleich liefert er eine Beschreibung von einigen Aricia-Arten, und stellt dann einen Vergleich an zwischen diesen und der von Braınvirz aufgestellten und von OErsteD beibe- haltenen Gattung Scoloplos. Die bei diesem Vergleiche aufgefundenen Unterschiede lassen es ihm noch als fraglich erscheinen, ob man die Gattung Scoloplos mit vollem Recht aufrecht erhalten solle, oder ob es nicht besser sei, diese Form unter die Species Aricia zu bringen, und ' Aricia armigera zu nennen. Ich will hier bemerken, dass weder RıtukeE noch Sars bei ihrer Untersuchung vollständige Exemplare vom Scoloplos armiger besaßen. Immer fehlte das Hinterende des Körpers. Selbst bei den von Oxrsten 3 untersuchten Exemplaren scheint dasselbe gefehlt zu haben. Denn dieser Autor schreibt: »cauda truncata absque cirris«, während doch das unverletzte Aftersegment stets Aftercirren besitzt. Vorkommen und Lebensweise. In den nördlicheren Meeren scheint das Vorkommen unseres Wur- mes ein allgemeines zu sein. Man hat ihn gefunden in dem nördlichen Eismeere, und zwar recht häufig bei Spitzbergen, Grönland und Island; ‘ ferner an der Küste Skandinaviens, vom Oeresund bis nach Warangert. Auch in der Nordsee® und an der französischen Küste findet er sich vor. Sehr gemein ist Scoloplos armiger endlich in der Ostsee’. Hier trifft man ihn sowohl an der deutschen, als auch an der schwedischen 1 A. DE QUATREFAGES, Hist nat. d. Anneles. Bd. Il. 1865. p. 287. — A. J. MALn- GREN, Öfvers. af K. Vet. Akad. Förh. Nr. 4. p. 204. 1867. — K. Mösıus, Moll., Würmer, Echinod. und Coel. der zweiten deutschen Nordpolfahrt. 1869—1870. ' p. 255. — Die wirbellosen Thiere der Ostsee (in: Bericht über die Expedition des ‚ Dampfers Pommerania. 4874. p. 107). — Jahresber. der Kommission zur wissensch. Untersuchung der deutschen Meere. 4872, 1873. p. 160. — A. W. Marnm, Zool. observat. VII. p. 94. 4874. — P. TAUBER, Ann. Danic. I. 1879. p. 406. 2 Bidrag til Kundsk. om Christ. Fauna. III. p. 40. 1873, 3 Ann. Dan. consp. p. 38. * A. J. MALNGREN, Öfver. afK. Vet. Akad. Förh. Nr. 4. p. 204. 1867. Di 5 K. Mösıus, Jahresber. der Kommission zur wissensch. Untersuchung der ‚ deutschen Meere. 1872, 1873. p. 160. 6 A. DE QUATREFAGES, Hist. nat. d. Ann. Bd. II. p. 287, 7 K. Mösıvs, Die wirbellosen Thiere der Ostsee. p. 107. 394 Wilhelm Mau, Küste. Selbst in größeren Tiefen um die Insel Bornholm, so wie zwischen dieser Insel und Schweden hat man ihn gefunden. In der Ostsee lebt Scoloplos armiger in einer Tiefe von 5—70 m, und zwar in sandigem Lehm, Schlick, Mud, Sand, todtem Seegras und rothen Algen !. Von den organischen Beimengungen der Bodenbestand- theile seiner Lagerstätte scheint er sich auch zu ernähren; denn pflanz- liche Stoffe vermischt mit erdigen und sandigen Bestandtheilen traf ich immer im Darme an. Eben so Kieselskelette von Diatomeen und chiti- nöse Bildungen von Infusorien fand ich im Darme. Hier in der Kieler Bucht lebt Scoloplos armiger in großer Menge in einer Tiefe von 5—18 m. Dieser Umstand ermöglichte es mir, während der ganzen Zeit meiner Untersuchung eine genügende Anzahl lebender Thiere in dem Aquarium des zoologischen Institutes zu halten und ihre Lebensweise zu beobachten. Ich hielt zu diesem Zwecke dieselben in flachen Schüsseln, deren Boden mit Mud und abgestorbenem Seegrase bedeckt war. Meistens hielten sich die Thiere unter diesem Mud auf, und nur selten traf ich das eine oder andere Exemplar lang ausgestreckt auf demselben an. Auch unter dem losen Mud und dem locker über ein- ander liegenden todien Seegras halten sie sich langgestreckt, und immer so, dass Kiemen und Parapodien frei und ungestört die Funktion der Athmung ausüben können. Es scheint, als ob die Thiere gern gesellschaftlich beisammen leben. Diejenigen, welche ich im Aquarium hatte, lagen fast stets an einer Stelle über und neben einander. Störte man sie, so Tollten sie sich spiralig zusammen und bildeten dann einen knäuelförmigen , ver- worrenen Haufen, aus welchem sie gewöhnlich nicht, ohne dass einzelne zerrissen, aus an zu lösen waren. Das Einzollen lieben überhaupt diese Würmer. Im lebenden Zu- stande kann sowohl die Rücken- als auch die Bauchseite, die äußere, also die konvexe Seite der gekrümmten Theile des Wurmes ausmachen. Tödtet man aber ein Thier, so krümmt es sich so, dass stets die Rücken- seite die konvexe Fläche der Krümmungen bildet. Die Fortbewegung geschieht durch langsame Zusammenziehung und Ausdehnung des Körpers unter Mitwirkung der Parapodien. Aber außer dieser langsamen, kriechenden Bewegung kommt eine andere vor, die im freien Wasser geschieht, und gewissermaßen in einem Fort- schnellen besteht. Diese plötzliche Bewegung wird dadurch zu Stande gebracht, dass der Wurm mit der größten Schnelligkeit abwechselnd ! K. Mösıus, Die wirbellosen Thiere der Ostsee. p. 107. Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. 395 aus seiner gekrümmten oder eingerollien Lage in eine gestrecktere übergeht. Form und Größe. Figur 1—5. Die Länge der größten in der Kieler Bucht gefangenen Exemplare im unausgestreckten Zustande betrug 20—30 mm; ausgestreckt da- gegen das Doppelte und darüber. Die Breite, welche, wie Raruke schon angiebt, am 13. oder 14. Segment am größten ist, beträgt 1,5—2,2 mm; nur das letzte Ende des Hinterkörpers ist bedeutend schmäler. Die Anzahl der Segmente variirt: bei einigen Exemplaren zählte ich zwischen 160 und 200. Dieselben sind fast alle 3—4mal so breit als lang, und nur das Mund- und das Aftersegment machen hiervon eine Ausnahme. Der Körper von Scoloplos ist vorn, oben und unten abgeplattet, in der Mitte halbeylindrisch, und zwar so, dass die Bauchseite konvex, die Rückenseite flach, bisweilen sogar etwas konkav ist. Das Hinter- ‚ ende ist wiederum oben und unten etwas abgeplattet. Man kann an dem ganzen Wurmkörper zwei Regionen unter- scheiden: eine vordere Region, oder den Vorderkörper, und eine hintere ‚ (abdominale) Region, oder den Hinterkörper. Der Vorderkörper (Fig. 1) besteht aus dem nackten Mundsegment ‚ mit dem kegelförmigen Kopflappen, so wie aus 16 bis 17 borstentragen- ‚ den Segmenten. Der Kopflappen (Fig. 3 kl) ist schmäler als das Mund- segment und wie dieses ohne jegliche Anhängsel und höhere Sinnes- organe. Auf der unteren Seite des Mundsegmenies befindet sich der ‚ Mund, welcher als eine mit Falten umgebene, spaltförmige Öffnung ‚ erscheint (Fig. 9 mö). Ein Querschnitt zeigt, dass dieses Segment noch nieht, wie die folgenden dorsal und ventral abgeplattet, sondern halb- eylindrisch ist, und zwar bildet die dorsale Seite die konvexe (Fig. 13). ‚ Die borstentragenden Segmente des Vorderkörpers sind mehr oder min- ‚, der abgeplattet und nehmen allmählich nach hinten zu die halbeylin- drische Form an, die die Segmente des Hinterkörpers besitzen. An den Seiten eines jeden Segmentes des Vorderkörpers (mit Ausnahme der zwei ersten Segmente) befinden sich je zwei kleine, ‚ undeutlich von einander getrennte, an den vorderen Segmenten kaum | bemerkbare Höcker oder Erhöhungen des Leibesschlauches, welche wir ‚als obere und untere Parapodien oder Fußsiummel ansehen müssen, | und die somit den Ruderplatten der Nereiden entsprechen. | Der obere Fußstummel ist kleiner als der untere und befindet sich ‚ Anfangs, wie dieser, an den Seiten der Segmente. Mit dem Auftreten 396 Wilhelm Mau, von Kiemen auf der Rückenseite des 41. Segmentes rückt er dorsal- wärts und am letzten Segmente des Vorderkörpers befindet er sich bereits auf dem Rücken zwischen Kieme und unterem Fußstummel, Von dem oberen Fußstummel geht ein an den ersten Segmenten äußerst ' kleines Zipfelchen ab. Dieses cirrenartige Zipfelchen oder Züngelchen (entsprechend Sars’ »Laebeblad« bei Aricia!) ist von kegelförmiger Ge- stalt und ähnelt dem Kopflappen (Fig. 5 o). Vor demselben befindet sich ein fächerförmiger Büschel von sehr feinen Borsten. Diese stehen in mehreren parallelen Reihen senkrecht zur Längsachse des Körpers und werden nach Art eines Fächers ausgebreitet, vor und zurück be- wegt. Sie sind sehr fein, aber trotzdem ziemlich steif. Ihre Länge beträgt 0,5 mm, so dass sie die Zipfel der Fußstummel beträchtlich überragen. Sie sind fast durchweg von einer Art (Fig. 6); nur an den beiden letzten Segmenten des Vorderkörpers kann eine stärkere Borste auftreten , eine Stützborste oder Acicula (Fig. 6a). Diese findet sich hier einzeln oder zu zweien, ist im Wurmkörper versteckt, und ihre Spitze reicht höchstens bis zur Basis des Zipfelchens. Die Acicula ist viel stärker als die anderen Borsten, von dunkler Farbe, und nur an der Spitze etwas gebogen. Die anderen Borsten dagegen sind in der Mitte etwas eingeknickt, so dass das obere Ende mit dem unteren einen Winkel bildet. Das obere Ende, welches aus der Leibeswand her- ausragt, ist an der einen Seite grob gekerbt und läuft dann in eine sehr feine Spitze aus. Der untere Fußstummel (Fig. 5 «) des Vorderkörpers ist etwas breiter als der obere und ebenfalls an den 13 ersten Segmenten mit nur einem Zipfelchen versehen. Die letzten Segmente besitzen indess deren zwei (Fig. 5«). Bei den größten Exemplaren habe ich noch sogar einen dritten cirrenartigen Anhängsel an der Basis des Fußstummels gefunden. Je weiter das Segment nach hinten liegt, desto weiter ist auch dieser untere Fußstummel nach dem Rücken hinaufgerückt. Die Borsten sind die nämlichen wie im oberen Fußstummel. Ihre Zahl hat sich indess verdoppelt: sie beträgt hier gegen 80, so dass auch der fächerförmige Büschel viel breiter erscheint. Einzelne größere Stütz- borsten finden sich in den unteren Fußstummeln der letzten Segmente des Vorderkörpers. Sie ragen auch hier nicht aus der Leibeswand hervor, sondern ihre Spitze reicht nur bis zur Basis der Zipfelchen. Der Hinterkörper (die Abdominalregion) beginnt mit dem 18. oder 19. Segmente und besteht aus mehr als 100 Segmenten, von denen 1 G. O. Sırs, Bidrag til Kundskaben om Christianiafjordens Fauna. Il. 4873. p. 34 u. fl. De | ‘ } | Über Seoloplos armiger 0. F. Müller. 397 sämmitliche, mit Ausnahme der letzten, wohlentwickelte Kiemen und Parapodien besitzen. Diese treten deutlich hervor und befinden sich auf der dorsalen Seite des Thieres. Weiter nach hinten, ungefähr vom 15. Segmente vor dem After an, rücken sie wieder herunter nach der Seite (Fig. 2a). - Der obere Fußstummel ist eine warzenförmige Erhöhung der Leibeswand mit einem lanzetiförmigen Zipfelchen (Fig. 50, o), das dem Zipfelchen des oberen Fußstummels des Vorderkörpers homolog ist. Es ist beträchtlich länger als dieses und nicht mit Flimmercilien besetzt, wie sie bei Aricia foetida Cipr. vorkommen!. Vor demselben befindet sich ein Büschel feiner Borsten, welche lange nicht so zahlreich sind, wie am Vorderkörper. Auch sind sie weniger steif, mehr gerade und nicht immer gekerbt, sondern bisweilen fein gesägt. Die Farbe ist auch weniger intensiv. Stets finden sich in den oberen Fußstummeln des Hinterkörpers einige Aciculae, welche in Form und Farbe mit denen des Vorderkörpers übereinstimmen. Während diese Stützborsten eben aus der Haut des Zipfelchen herausstehen, überragen die feineren Borsten diese ziemlich weit. Der untere Fußstummel ist nach außen zu halbmondförmig und geht an der Leibeswand etwas herunter, während der mehr dorsalwärts ‘ gelegene Theil sich auf der Grenze zwischen Rücken- und Seitenfläche ‘ findet. Dieser Theil ist auch in zwei, selten in drei Zipfel gespalten, ‚ von welchen der äußere, mehr ventral gelegene, immer der kleinere ‚ist. Bei großen Thieren fand ich bisweilen an den vordersten Seg- ; menten des Hinterkörpers auch an der ventralen halbmondförmigen Partie einen ceirrenartigen Anhang, der an den weiter nach hinten ge- legenen Segmenten verkümmert zu sein schien. Zwischen den beiden ‚ oberen Zipfeln ragen ungefähr 6—10 feine Borsten hervor, die die- ‚ selben Eigenschaften besitzen, wie die entsprechenden der oberen ‚ Fußstummel. Außerdem finden wir zwischen jenen’ Zipfeln mehrere ‚ (bis zu vier) Aciculae, welche aus der Haut etwas hervorragen. Auch ' diese sind gleichgestaltet mit den Stützborsten der oberen Fußstummel. ‚ Während die feinen Borsten eine Länge von circa 4 mm besitzen, be- trägt die Länge der letzteren nur !/; mm. Dagegen haben die Sttttz- borsten annähernd die doppelte Dicke der feineren Borsten und sind ‚dunkler gefärbt als diese. Bei starker Vergrößerung erkennt man eine | ‚ deutliche Längsstreifung an den Borsien. In Kalilauge und in koncentrirten Mineralsäuren gekocht, lösten \sich die Borsten vollständig. Hieraus, so wie aus ihrem sonstigen | | | ! E. CLaPAREDE, Les annelides du golfe de Naples. 1868. p. 306. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 27 398 Wilhelm Mau, chemischen Verhalten gegen Reagentien, schließe ich, dass sie Chitin- bildungen sind. Nach dem Ende des Hinierkörpers zu verkümmern beide Fuß- stummel und an den letzten vor dem Aftersegmente befindlichen Seg- menten, wo sie deren laterale Seite einnehmen, erscheinen sie nun- mehr als kleine Höcker ohne Zipfel und Borsten. Wo sie verschwinden, wird auch die Zahl der Borsten geringer, welche zuletzt nur noch ver- einzeit vorkommen. Das Aftersegment weicht an Gestalt von allen anderen Segmenten des Körpers ab (Fig. 2). Es ist ungefähr eben so breit wie lang und hinten abgestumpft. Die Analöffnung ist etwas dorsal gelegen. Das Segment besitzt zwei 1,5—2 mm lange Analcirren, die jederseits von der Afteröffnung an der dorsalen Seite ihren Ursprung sehmen. Meistens sind diese Cirren einfach, doch sah ich auch mehrere Thiere, die gablig verzweigte Analeirren besaßen (Fig. 2b). Bei einem einzigen Exemplar fand ich statt zwei, vier Analfäden, welche Zahl bei Scoloplos minor Oerst.! vorkommt. Da ich vier. Analfäden niemals wieder an-. traf, so darf diese Zahl bei Scoloplos armiger wohl als abnorm bezeich- net werden. Die Kiemen erscheinen zuerst meistens am 11. Segment als kleine paarige Papillen. Auf den folgenden Segmenten nehmen sie an Größe zu, rücken näher zusammen und mehr nach der Mittellinie des Rückens hinauf, so dass sie am Hinterkörper in der Mitte zwischen der Median- linie und den oberen Fußstummeln stehen. Hier ist das obere Ende der bei ihrem ersten Auftreten am Vorderkörper geraden lanzettförmigen Kieme, etwas nach der Medianlinie des Rückens zu herübergebogen, so dass die Kieme dadurch an der Seite nach den Fußstummeln zu, eine Ausbuchtung erhält. Am Hinterkörper überragen die Kiemen die Fuß- ! stummel. Sie sind vorn und hinten etwas abgeplattet, und an der | vorderen Seite mit Cilien besetzt, die willkürlich bewegt werden können, und schon bei schwacher Vergrößerung sichtbar sind. An den letzten Segmenten des Hinterkörpers sind die Kiemen wieder gerade, ceirrenförmig und überragen weit die Fußstummel, bis sie auch, je mehr sie sich dem Aftersegmente nähern, immer mehr an die Seitenwandung il der Segmente rückend, allmählich an Größe abnehmen und zuletzt ver- schwinden. | | I N Die Kiemen besitzen an ihrer Oberfläche schwache Furchen, die noch deutlicher durch eine streifenartige Einlagerung von Pigment-' körnern hervortreten. Sie verlaufen senkrecht zur Längsachse der ! Groenl. Ann. Dors. p. 200. pl. VII. Über Scoloplos armiger 0. F, Müller. 399 Kieme. Im Innern der letzteren entsprechen denselben Kammern, in welchen Blut eirkulirt (Fig. 28 k). Die zahlreichen, durchscheinenden Blutgefäße geben dem Wurm ein röthliches Aussehen. Die Pigment- körner sind dunkelgelb; durch Alkohol werden sie entfärbt. Ich bemerkte nicht selten bei Scoloplos armiger einen aus dem Munde gestülpten Rüssel, den schon Sars! ausführlicher beschrieben hat. Nicht vollkommen hervorgestülpt besteht er aus einer sehr ver- änderlichen Anzahl von Lappen. Häufig beobachtete ich deren vier, bei anderen Exemplaren bis zu acht (Fig. 3a). Falls sich der Rüssel mög- ‚liehst weit aus der Mundöffnung gestülpt hatte, bildeten die Lappen desselben einen unregelmäßigen Stern vor derselben (Fig. 4). In dieser Lage waren die einzelnen Lappen weniger veränderlich, während sie vorher in jedem Augenblicke durch Kontraktionen ihre Form veränder- {en, was auch Sırs erwähnt. Eine Regelmäßigkeit, betreffend die Größe der einzelnen Lappen, konnte ich nicht bemerken. Sieht man von oben auf den ausgestülpten Rüssel, so erblickt man ein reich verzweigies Gefäßnetz (Fig. 4 b). Von der Mitte des scheiben- oder tellerförmigen Rüssels kommen mehrere Hauptgefäße und treten, indem sie sich verzweigen und mit einander anastomosiren, in die ein- zelnen Lappen. Die ganze Fläche des Rüssels ist mit Wimpercilien besetzt. Diese Ausstülpung des Verdauungstraktus scheint bei den Ari- ‘ ciiden Mlgr. allgemein zu sein. Sars? beschreibt auch eine ähnliche bei Aricia norvegica M. Sars und A. Cuvieri Aud. et Edw., nur ist der bei diesen Arten vorkommende Rüssel verhältnismäßig kleiner. Auch bei Aricia foetida Clpr. 3 findet sich eine ähnliche Ausstülpung, welche ‚ jedoch aus zwei Kreisen von Lappen besteht, von denen die des äuße- ren Kreises die größten sind. Endlich hat CLararkDE einen solchen . »Trompe exsertile« bei Theodisca liriostoma Clpr. * beschrieben, wel- ‚ chen Rüssel er mit einer getheilten Blumenkrone vergleicht. Diesen Vergleich möchte ich auch für den Rüssel bei Scoloplos armiger gelten ' lassen. | | | \ i \ | ) \ Über die Funktion des Rüssels bei Scoloplos armiger kann ich nichts ‚ Bestimmtes behaupten. Vielleicht ist er bei der Nahrungsaufnahme ı thätig. Bei vollständigen Thieren fand ich denselben selten hervor- gestülpt, dagegen häufig bei solchen Exemplaren, deren Hinterkörper 1 @. 0. Sars, Bidrag til Kundskaben om Christianiafjordens Fauna. II. p. 40. 4873, 2 Ibidem. p. 37. 3 E. CrArArkpe, Les ann. du golfe de Naples. p. 308. Taf. XX, Fig. 2 A. * Ibidem. p. 341. Taf. XXIV, Fig. 3. 21% 400 Wilhelm Mau, zum großen Theil fehlte und damit auch die Respirationsorgane (Para- podien und Kiemen); besonders häufig dann, wenn das Wasser, in ‚welchem die Würmer lebten, nicht mehr frisch oder genügend salzig war. Diese Wahrnehmungen einerseits, so wie das reiche Gefäßnetz des Rüssels andererseits, veranlassen mich zu der Vermuthung, dass der letztere auch als Respirationsorgan dienen kann. Nach dieser Darstellung der allgemeinen anatomischen Verhältnisse gehe ich zur Beschreibung des feineren Baues über. Ich halte mich dabei an folgende Eintheilung: | R 4) Die Haut: a) Cuticula, b) Hypodermis; 2) das Muskelsystem ; 3) die Leibeshöhle; 4) die Verdauungsorgane: a) der Munddarm mit dem Rüssel, b) die Speiseröhre, c) der Magendarm; 5) das Nerven- system; 6) das Gefäßsystem ; 7) die Fortpflanzungsorgane: a) Geschlechts- produkte, b) Segmentalorgane. 1) Die Haut. Unter der Haut verstehe ich zwei verschiedenartige Bedeckungs- schichten, welche zusammen mit den unter ihnen liegenden Muskeln den Leibesschlauch bilden. Die obere dieser Schichten ist die Guticula (epiderme Orerr.), die andere die Hypodermis (derme Qrrr.). Falten zeigt die Haut nur an den Begrenzungsstellen der Ringel des Körpers. a) Die Guticula (Fig. A1 ec). Im Unterschied von vielen landbewohnenden Oligochaeten, welche eine sehr starke Guticula besitzen!, bildet diese bei Scoloplos armiger eine höchstens 0,002 mm starke durchsichtige Hülle. Am Vorderkörper ist sie überall gleich dick, oder zeigt doch im Allgemeinen nur höchst minimale Unterschiede. Dagegen nimmt sie an Dicke ab, je weiter sie nach hinten liegt, und am Hinterkörper ist sie äußerst fein. Sie besitzt keine Tastborsten oder andere Erhöhungen. Es hält ziemlich schwer, dieselbe von lebenden Thieren abzupräpariren, ohne dass Theile der darunter liegenden Hypodermis daran haften bleiben. In Alkohol oder in Lösungen von chromsaurem Kali gehärtete Exemplare gestatten da- gegen ein leichtes Abziehen ihrer Cuticula vermittels feiner Nadeln unter dem Präparirmikroskop; eben so bereits in Verwesung über- gegangene Thiere, bei welchen die Cuticula, in welcher auch noch die Borsten stecken, wie ein Sack die verwesten Theile umhüllt. Gegen die gewöhnlichen äußeren Einflüsse scheint die Cuticula also wider- ı F, VEIDovskY , Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Anneliden. 1. 1879. p. AM. | Über Seoloplos armiger 0. F. Müller. 401 standsfähiger zu sein, als die übrigen Gewebe. Ähnlich verhält sie sich gegen Kalilauge und koncentrirte Mineralsäuren. Sie löst sich jedoch in diesen Reagentien beim Erwärmen auf. Auf Querschnitten durch den Körper erscheint die Cuticula als äußerer von der Hypodermis deutlich abgegrenzter Saum, an welchem es mir nicht gelang, Schichtungslinien zu entdecken, wie sie LevpıG ! bei der allerdings um Vieles stärkeren Cuticula von Phreoryctes Menke- anus sah. Von der Fläche bei sehr starker Vergrößerung gesehen, zeigt die Cuticula von Scoloplos eine ähnliche Streifung, wie sie von verschie- - denen Forschern bei manchen Meeresanneliden beobachtet ist. Diese Streifen kreuzen sich unter rechten Winkeln, und in vielen Kreuzungs- punkten sieht man dunkle Punkte, welche äußerst feine, sogenannte ‘ Porenkanäle sind (Fig. 12). Von dieser Oberflächenstruktur rührt auch das Irisiren her, das man namentlich an Exemplaren wahrnimmt, welche mit Chromsäure oder Alkohol getödtet wurden. Außer diesen Porenkanälen giebt es noch größere runde Lücken in der Guticula, welche, in mehreren parallelen Reihen neben einander - sich befindend, die Borsten durchlassen. Cuticularscheiden, entsprechend ‘ denjenigen, in welchen sich die einzelnen Borsten bei manchen Oligo- ‚ chaeten bilden, existiren nicht. b) Die Hypodermis fFig. 11). Unmittelbar unter der Cuticula erscheint eine ziemlich scharf ab- ' gegrenzte Schicht von zelligen Elementen, die wir als Hypodermis oder Matrix bezeichnen. Dieselbe ist nicht überall gleich dick. Während sie ‚ an der Rücken- und Bauchseite des mittleren Vorderkörpers ungefähr ‚ eine Dicke von 0,03—0,04 mm besitzt, ist sie dicker in der Nähe des ‚ Mundes und an den Lippen; dagegen beträchtlich dünner am ganzen , Hinterkörper, wo ihre Dicke nur ungefähr 0,015 mm beträgt. } 1} Eine sehr geeignete Methode zur Untersuchung der Hypodermis - ‚ ist das Erhärten mit Chromsäure und die Färbung mit Alaun-Kochenille oder Saffranin. Namentlich durch letztgenanntes Tinktionsmittel erhält man eine ausgezeichnete Färbung der Kerne und der stäbchen- oder ‚ spindelförmigen Körperchen der Hypodermis. Auf Querschnitten durch den Körper erscheint sie als zweite unter ‚der Guticula folgende Schicht (Fig. 10 hp). Sie scheint in Manchem mit ! Fr. LevDie, Über Phreoryctes Menkeanus Hoffm. In: M. Scuuutze’s Archiv für mikrosk. ndonie. Bd. 1. Heft II und III. p. 255. 402 Wilhelm Mau, der von E. Crararipe! und später von Mossısovics2 beschriebenen Hypodermis von Lumbricus übereinzustimmen. Gebilde, wie Crapı- REDE’S » Wabenräume«, welche Mossısovics anders gedeutet hat. als der - 2 y) Genfer Zoologe, finden sich auch auf Schnitten durch die Hypodermis von Scoloplos armiger. Hier sind es Zellen mit granulirtem Inhalte und großem Kern, wovon man sich leicht bei Anwendung starker Ver- größerungen überzeugen kann. Von der Fläche betrachtet und bei hoher Einstellung erscheint auch ein Maschennetz, wie CLAPAREDE ein solches beim Regenwurm beobachtet hat. Die Maschen sind: die vorhin er- wähnten, jetzt von oben betrachteten Zellen, welche durch eine grob- körnige Substanz von einander getrennt sind, in welch’ letzterer sich Pigmentkörner befinden, so wie jene auch von anderen Forschern bei Anneliden beobachteten stäbchenförmigen Zellen. Die großen Zellen, welche sich bei einer Flächenbetrachtung maschenförmig ausnehmen (Fig. 4a), in Querschnitten dagegen säulen- artig erscheinen, sind von einer fein granulirten Substanz erfüllt. Nach der Cuticula zu waren sie bei Thieren, die in Chromsäure und darauf in wasserfreiem Alkohol erhärtet waren, stumpf abgerundet. Von einer fein ausgezogenen Spitze derselben, die sich in die Porenkanäle er- strecken könnte: wie es bei Lumbricus-Arten der Fall ist?, habe ich nach Anwendung verschiedener Macerationsmittel nichts entdecken können. Die Zellen besitzen einen rundlichen großen Kern, der 0,003 bis 0,005 mm im Durchmesser hat. Er liegt nicht in allen Zellen in gleicher Höhe, doch in den meisten Fällen weiter nach der Ringmuskel- schicht, als nach oben gegen die Guticula hin. Zwischen diesen Zellen befindet sich nun eine körnige Substanz (Fig. Aa, zw), welche Vespovsky? auch bei den Enchytraeiden antraf und die er geradezu als Intercellularmasse bezeichnet. In dieser Sub- stanz befinden sich beim Scoloplos die bereits erwähnten stäbchen- oder spindelförmigen Gebilde, welche, weil sie dunkler erscheinen, leicht für Kerne der Zwischensubstanz angesehen werden können, wenn man die Hypodermis von oben betrachtet (Fig. 11a, sz). Solche Stäbchenzellen sind von Crararipe bei manchen Meeres- 1 E. CLAPAREDE, Histologische Untersuchungen über den Regenwurm. In: Diese Zeitschr. Bd. XIX. p. 567. 2 A. v. Mossisovics, Kleine Beiträge zur Kenntnis der Anneliden. I. In: Band LXXVI der Sitzungsber. der k. Akademie der Wissensch. Abthlg. I. Juni-Heft. Jahrg. 1877. 3 A. v. Mossısovics, Kleine Beiträge zur Kenntnis der Anneliden. I. 4 VEınovskv, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Anneliden. I. 1879. p. 12. ! ei Über Seoloplos armiger 0. F. Müller. 403 - anneliden beobachtet und abgebildet.‘ So auch bei Aricia foetida Clpr.!. Er bezeichnet dieselben als » Corps bacilliformes«, welche zu mehreren ‘ in Zellen, »Follieules bacillaires«, eingeschlossen seien. Zellen letzterer ' Art habe ich bei Scoloplos armiger nur am Hinterkörper gefunden \ (Fig. I4d). Am Vorderkörper liegen die Stäbchenzellen einzeln in der Protoplasmasubstanz zwischen den großen Hypodermiszellen. Diese sind an beiden Enden zugespitzt (Fig. 115), haben einen körnigen Inhalt und färben sich eben so wie eigentliche Zellkerne intensiv durch Koche- nille-Alaun und Saffranin. Ihre Länge beträgt 0,007 mm, ihr Durch- messer circa 0,0015 mm. Sie besitzen keinen Kern. Am Vorderkörper erscheinen sie in größerer Menge, und hier besonders an den zipfel- föormigen Anhängen der Fußstummel (Fig. 41c). Wir haben es hier viel- leicht mit einzelligen Drüsen zu thun. Als accessorische Bestandtheile der Hypodermis haben wir die Pigmentkörner zu erwähnen, welche meistens zerstreut in wenig ge- ordneter Weise in dieselbe eingebettet sind. Sie haben eine dunkel- gelbe Farbe und sind ungleich groß; ihr Durchmesser beträgt 0,6 bis lu. 2) Das Muskelsystem. Das Muskelsystem ist bei Scoloplos armiger außerordentlich ent- \ wickelt. Es sind Ringmuskeln, Längsmuskeln und dorsoventrale Muskeln ‘zu unterscheiden. Außerdem kommen am Vorderkörper noch so- genannte schräge Muskeln vor, Muskeln, welche von der oberen Partie des Bauchmarkes nach den Fußstummeln, so wie endlich solche, die ‘ von der dorsalen und ventralen Körperfläche nach den Muskeln des Darmes verlaufen. — In ausgezeichneter Weise gestatten Chromsäure- ' Präparate ein Studium der Muskeln von Scoloplos. — Die Ringmuskeln bilden am Vorderkörper eine 0,048—0,025 mm starke Schicht, welche auf die Hypodermis folgt, und auf Querschnitten ' durch den Wurmkörper als dritte Lage erscheint (Fig. 15) ® ‘ Am Hinterkörper ist diese Ringmuskelschicht sehr reducirt, und ' erst bei genauerer Beobachtung bemerkbar. An lebenden Thieren be- merkt man daher nur am Vorderkörper die durch Ringmuskeln bewirk- ten Kontraktionen. Die Ringmuskelfasern liegen in der von ihnen gebildeten Schicht neben einander. Es sind feine homogene Fasern, ' ohne Kern, die sich durch geringere Stärke von den weiter unten zu ' betrachtenden Längsmuskelfasern unterscheiden. Zwischen den ein- 1 E. CraParkpe, Les ann, d. golfe d. Naples. Taf. XX, Fig. 2 C. 2 Ibidem. p. 14. 404 Wilhelm Mau, zelnen Fasern befinden sich Lücken, in welchen Blutgefäße verlaufen (Fig. 10 rm). Die Längsmuskeln erscheinen als vier deutlich ausgeprägte Polster oder Bündel, deren Form und Lage je nach der Leibesregion andere sind. Die nach der Seitenwandung des Körpers hin gelegene Seite dieser Hauptmuskelbündel hebt sich meistens etwas von der Ring- muskelschicht ab. Diese Muskelbündel sind von einer bindegewebe- artigen Scheide umgeben. Zwei Hauptlängsmuskeln ziehen sich an dem Rücken des Thieres hin; zwei andere am Bauche. Erstere sind die dorsalen, letztere die ventralen Hauptlängsmuskeln. Die Größe und Stärke derselben hängt von der Größe des Thieres und der Leibesregion ab. Die dorsalen Längsmuskeln besitzen am Vorderkörper eine Dicke von circa 0,12 mm, am Hinterkörper von circa 0,08 mm. Die ven- tralen Längsmuskeln sind am Vorderkörper circa 0,15 mm dick, am Hinterkörper selbst über 0,2 mm. In der Medianlinie der Bauchseite sind die beiden ventralen Längs- | muskeln durch das Bauchmark und einer unter diesem befindlichen Furche von einander getrennt. Sie legen sich an das Bauchmark an und rücken namentlich am Hinterkörper an diesem weit in die Höhe, so dass nur die mittlere dorsale Fläche des Bauchstranges nicht von ihnen bedeckt wird (Fig. 14 und 15). Die dorsalen Längsmuskel- bündel sind auch in der Medianlinie des Rückens von einander ge- trennt und lassen hier eine Furche frei, in welcher das Rückengefäß verläuft. Die Längsmuskeln reichen in den Kopflappen hinein. Im Kopf- segmente sind sämmtliche Bündel an Umfang und Masse geringer ge- worden. Die beiden dorsalen haben sich einander genähert und bilden ein einziges Bündel (Fig. 13 dim), während die beiden ventralen, 'an der lateralen Körperwand zu jeder Seite der Mundöffnung sich be- findend, durch diese, durch die Schlundkommissuren und durch andere dorsoventral verlaufende Muskeln weit von einander getrennt sind (Fig. 13 vIm). | In den folgenden Segmenten findet nun eine deutliche Trennung der dorsalen Muskelbündel statt, während die im Kopfsegmente noch von einander getrennten und lateral liegenden ventralen Muskeln ein- ander sich nähern und eine wirklich ventrale Lage einnehmen, und zwar zu jeder Seite des Bauchstranges (Fig. 14). Schon in den ersten Seg- menten des Vorderkörpers sind diese Bauchmuskeln die umfangreichsten. Ihr Übergewicht über die dorsalen Bündel nimmt zu, je weiter die Segmente nach hinten liegen, und am Ende des Vorderkörpers, wo, wie wir gesehen haben, die Parapodien und Kiemen dorsalwärts rücken, Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. 405 | folgen ihnen auch die ventralen Längsmuskeln. Da sie aber zugleich ‘ am Bauche verbleiben, so ist an ihnen im Hinterkörper eine ventrale ‘ und laterale Lage zu unterscheiden (Fig. 28). .Mit dem Kleinerwerden der Segmente nach dem After zu, und der lateralen Stellung der Para- , podien und Kiemen an denselben, nehmen die Muskelbündel einerseits ‚ an Stärke wieder ab, und andererseits nehmen ‚die Bauchlängsmuskeln wieder eine mehr ventrale Lage ein, ähnlich wie an den ersten Segmen- ‘ten des Vorderkörpers. Man kann beim Scoloplos die einzelnen Muskelfasern durch mehrere Segmente hindurch verfolgen. Es bleibt aber fraglich, ob sie sich un- ' unterbrochen durch die Länge des ganzen Wurmkörpers hindurch- setzen. Es sind strukturlose, homogene Bänder, die eine Breite von 0,044 mm erreichen können (Fig. 17). Durch Tinktionsmittel färben sie sich schwach. Auf Querschnitten geben sie das Bild eines mehr oder minder verlängerten, an beiden Enden etwas zugespitzten Ovals. Ich habe nichts von einer Scheidung in verschiedenartige Schichten, in Mark und Rinde gesehen, wie sie Leyvıc ! bei Phreoryctes gefunden hat, und welche nach E. Crararkpe ? auch in der Klasse der Polychaeten vorkommt. Dem entsprechend habe ich auch keine Kerne gefunden, wie sie z. B. bei Muskeln von der Gattung Branchiobhdella 3 vor- kommen. Außer diesen Hauptlängsmuskeln muss ich noch andere Längs- muskelfasern erwähnen, welche in spärlicher Weise unmittelbar über dem Bauchmarke, an dessen Neurilemm, zwischen den Ansatzstellen der schrägen Muskeln verlaufen. Auf Querschnitten durch den ganzen ‘Wurm erkennt man deutlich ihre Lage (Fig. 22 Im). Selbst am Schlund- ganglion treten diese cylinderförmigen Muskelfasern noch zu zweien oder dreien auf (Fig. 23 Im). Sie stehen in keinem Zusammenhang mit den ventralen Hauptmuskeln, tragen aber mit diesen dazu bei, die ' Schutzscheide für den Bauchstrang zu vervollständigen. Ich komme jetzt zur Betrachtung der dorsoventralen Muskeln, die sich vertikal durch die Leibeshöhle erstrecken, und so zu jeder Seite des Darmes vom Rücken zum Bauche verlaufen. Zahlreich treten diese dorsoventralen Muskelfasern in den Dissepimenten auf, und tragen somit zu deren Bildung bei. Im Hinterkörper treffen wir sie ausschließ- lich in den Dissepimenten an, und selbst hier spärlich. Am Vorder- > 1 Fr. LEypic, Über Phreoryctes Menkeanus Hoffm. Fig. 8. 2 Les ann. d. golfe d. Naples. p. 46. 3 H. Dorner, Über die Gattung Branchiobdella Odier. In: Diese Zeitschr. Bd. XV. Heft 4. 1865. p. 469. 406 Wilhelm Mau, körper, wo überhaupt die Muskulatur sehr ausgeprägt ist, giebt es dorso- ventrale Muskeln auch zwischen den einzelnen Dissepimenten, und zwar hinter dem Rüssel. Hier, zwischen dem siebenten und zwölften Segmente, haben wir außerdem noch besondere Bänder, welche den Darm an der Körperwandung befestigen (Fig. 15 &). Diese musku- lösen Bänder, welche sich sowohl an der Bauch- als auch an der Rückenseite befinden, lassen je ein Paar Hauptmuskeln unterscheiden, die sich an die Darmmuskulatur anheften. Sie dienen einmal zur Be- festigung des Darmes und andererseits dazu, die Zurückziehung des Rüssels zu reguliren. Endlich haben wir in dieser Gegend des Vorder- körpers noch eine Ringmuskelschicht, welche in der Leibeshöhle zwi- schen Darm und Leibesschlauch sich befindet, und in die sich noch Muskelfasern verlieren, die einerseits vom Rücken, andererseits von dem oberen Theil des Bauchstranges ausgehen (Fig. 15 z). Diese letzt- genannte Muskulatur dient höchst wahrscheinlich dazu, durch einen Druck auf den hinteren Theil des Rüssels, diesen hervorzustülpen. Wie bereits erwähnt, findet sich solche komplieirte Muskulatur nur am Vorderkörper, und auch hier nur hinter dem Rüssel um die Speiseröhre. Vor dem Rüssel treffen wir in der Leibeshöhle außer den dorsoventralen Muskeln der Dissepimente keine besondere Muskulatur an. Auf einem Querschnitte durch den unteren Theil des Mundseg- mentes (Fig. 13) sieht man nur zwei Paar Muskeln. Das eine Paar geht von der dorsalen Körperwand aus, und legt sich an den Darm (r) ; ich deute diese Muskeln als Rückzieher des Munddarmes, resp. des Rüssels. Die beiden anderen Muskeln legen sich um die Schlundkommissuren herum an die Lippen (Fig. 13 k); sie mögen zur Erweiterung der Mund- öffnung dienen. Der Hinterkörper entbehrt einer solchen komplicirten Muskulatur. Hier haben wir nur einzelne Fasern, die in den Dissepimenten ver- laufen, so wie andere, welche von der dorsalen Fläche des Bauchstranges ausgehend, zur Befestigung des Darmes dienen. Es bleibt mir jetzt noch übrig, die Muskulatur der Borsten, so wie eine andere Klasse von Muskeln zu betrachten, welche vom dorsalen Theile des Bauchstranges entspringend, schräg durch die Leibeshöhle und oberhalb der ventralen Längsmuskelbündel verlaufen (Fig. 15 sh, Fig. 14). Ich nenne sie nach dem Vorgange von Mc Intosu schräge Muskeln. Die Muskeln für die Borsten (Fig. 15 bm) sind sehr entwickelt und legen sich strahlenförmig an deren proximales Ende an. Auf Querschnitten erhält man immer Theile dieser strahlenförmigen Muskel- fasern. Sie gehen von der Ringmuskelschicht der Leibeswand aus. Über Seoloplos armiger 0, F. Müller. _ 407 Die schrägen Muskeln legen sich an die laterale Körperwand an, ‘ dort, wo sich die Parapodien befinden. Sie mögen auch zur Bewegung derselben beitragen. Auf einigen Querschnitten durch den Körper von | Scoloplos beobachtete ich an ihrem Ende eine deutliche Theilung in zwei Stränge, von denen. der eine Strang nach dem‘ unteren, der an- dere nach dem oberen Fußstummel ging (Fig. 15). Diese schrägen ' Muskeln habe ich nur im Vorderkörper gefunden. Es scheint als ob derartige schräge Muskeln unter den Anneliden eine allgemeine Verbreitung haben. Ich habe sie bei Aricia norvegica ‘Sars, Nephthys ciliata Müll. und Polyno& cirraia Pall. gefunden, und Me Intosa ! beschreibt ähnliche bei Magelona. Bei Scoloplds armiger finden sich diese schrägen Muskeln auch im " Mundsegment vor (Fig. 13 shm). Hier gehen sie aber seitlich von der ‘Mundöffnung aus, verlaufen zwischen dieser und den Kommissuren des Schlundringes, und inseriren sich an dem oberen Theile der Körper- wandung. Sowohl dorsoventrale als auch Borsten-Muskeln inseriren sich, wie ‚ich deutlich wahrgenommen zu haben meine, nicht immer an der inneren Grenze der Ringmuskelschicht, sondern innerhalb derselben, ‚ an der Grenze der Hypodermis. Auf Längs- und Querschnitien sah ich nämlich die oben genannten Muskelfasern noch zwischen die Fasern der Ringmuskelschicht dringen. Bei stärkerer Vergrößerung bemerkte ich ferner, dass ihr Ende sich nicht selten verzweigte, und dass diese ' Zweige sich zwischen die Ringmuskelfasern verloren. 3) Die Leibeshöhle.. Bekanntlich versteht man unter der Leibeshöhle den Raum zwi- schen dem Leibesschlauch und dem Darm. Sie wird auch bei Scolo- plos durch Dissepimente,, deren Zahl den Segmenten des Wurmes ent- spricht, in einzelne Kammern getheilt. Diese Dissepimente scheinen im Hinterkörper die einzelnen Segmente vollständig von einander ab- zuschließen, denn ich habe niemals bemerkt, dass die Geschlechts- produkte durch die Bewegungen des Leibes oder durch sanften Druck, unter dem Deckglase von einem Segment zum anderen traten. Am Vorderkörper dagegen ist der Abschluss weniger vollständig, denn ich beobachtete, wie in Folge von Kontraktionen des Wurmes feine Körper- chen, die sich zwischen Darm und Leibeswand befanden, durch mehrere Segmente hindurch strömten. 1 W. C. McIntosa, Zur Anatomie von Magelona. 1878. In: Diese Zeitschr. Bd. XXXI. Hft. 3, 4. 408 Wilhelm Mau, Diese einzelnen Dissepimente werden, wie wir schon oben beim Muskelsystem gesehen, zum Theil von Muskelfasern gebildet, welche entweder vom Rücken zum Bauche oder von beiden zum Darm ver- laufen. Außerdem trägt ein kernhaltiges Bindegewebe zu deren Bil- dung bei. Ein derartiges Bindegewebe kleidet die ganze Leibeshöhle aus und dringt sogar zwischen die Fasern der großen Längsmuskel- bündel. E. Crarırkpe ! bezeichnet es, nach dem Vorgange von anderen Forschern, beim Regenwurm als Peritoneum. Es tritt bei Scoloplos armiger in hervorragender Weise in regene- rirten Körpertheilen auf, wo es sich durch viele und große Kerne aus- zeichnet. Es scheint somit, dass es bei der Bildung anderer Gewebe eine wesentliche Rolle spielt. An tingirten Querschnitten durch den Vorderkörper erkennt man deutlich die Zusammensetzung aus polygonalen Zellen, die mit einem Kern versehen sind. In anderen Fällen konnte ich diese zellige Struktur nicht sehen. Hier war es eine homogene, mit feinen Muskelfasern durch- setzte Membran. Färbte ich diese mit Saffranin, so erschienen zerstreut liegende Kerne und zwischen diesen intensiv gefärbte, wahrscheinlich protoplasmaartige Stäbchen, die eine Länge von circa 0,004 mm und eine Dicke von 0,2 u besaßen. Auch zwischen den Längsmuskelfasern, um die Gefäße und um das Bauchmark finden sich Kerne des Bindegewebes: ein Zeichen, dass dieses überall an den Geweben auftritt. Da das Bindegewebe in größerer Menge in der Rüsselgegend bei Scoloplos auftritt, so kann es wohl dazu beitragen, eine Hervorstülpung des Rüssels zu bewirken, indem es bei den Kontraktionen der Körper- wand einen Druck auf den letzteren ausübt. Es befindet sich auch in der Leibeshöhle eine farblose durch- sichtige Flüssigkeit, die von EuLers sogenannte Leibesflüssigkeit. Regel- mäßige Strömungen habe ich nicht wahrgenommen, wohl aber in derselben schwimmende helle Körperchen, welche durch die Kontrak- tionen und Expansionen der Segmente hin und her flottirten. In der Leibeshöhle des Hinterkörpers befinden sich zwischen dem Darme und den Körperwandungen in den einzelnen Segmenten die Geschlechtsprodukte, welche weiter unten besonders betrachtet werden. Eine Kommunikation der Leibeshöhle mit dem umgebenden Me- dium findet nur durch die Segmentalorgane statt. Große Poren, wie ! Histologische Untersuchungen über d. Regenwurm. Diese Zeitschr. Bd. XIX. 1869. p. 577. Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. 409 sie bei landbewohnenden Oligochaeten beschrieben sind, existiren - nicht. k) Die Verdauungsorgane. Am Verdauungstraktus lassen sich mehrere gut unterscheidbare Abschnitte erkennen. Den ersten, vorderen Abschnitt, der bis zum achten oder neunten Segment verläuft, nenne ich Munddarm, dessen . hinterer sehr gefalteter Theil den Rüssel bildet. Den zweiten Abschnitt des Darmkanals bezeichne ich als Speiseröhre. Sie geht bis zum 20. oder 21. Segment. Den dann folgenden Theil des Darmes, der mit dem ‚ After abschließt, nenne ich Magen- oder Hinterdarm. a) Der Munddarm mii dem Rüssel (Fig. 9). Die Mundöffnung befindet sich an der Basis des auf den Kopf- "lappen folgenden Segmentes, das man daher als Mundsegment be- zeichnet.. Sie ist eine von Hautfalten umgebene längliche Spalte, so dass man, wenn man will, eine Ober- und eine ÜUnterlippe unter- scheiden kann. Auf den Mund folgt dann der unbewaffnete Munddarm mit den ı Rüsselfalten. Der die ersten Segmente einnehmende Darmtheil zeigt sich sehr wenig gefaltet. Er liegt lose, ohne weitere Verbindung mit der Leibeswand in der Leibeshöhle.. Aus Querschnitten durch diese Gegend des Wurmkörpers fällt er daher stets heraus. Nur vorn im ersten borstentragenden Segmente treten ein Paar Muskelzüge von der dor- ' salen Körperwand an den Darm, die ich nicht anstehe, als Retraktoren ‘ für letzteren zu bezeichnen (Fig. 13 r). Auf diesen einfachen, aber erweiterungsfähigen eigentlichen Mund- darm folgt dann der Rüssel (Fig. 9 r). Derselbe wird durch eine mehr ' oder minder große Anzahl von Darmfalten gebildet, die, sich an und in einander legend, den Raum von vier bis fünf Segmenten einnehmen und bis zu den Längsmuskelbündeln vollständig ausfüllen. Auch dieser zum Rüssel ausgebildete hintere Theil des Vorder- oder Munddarmes ist nicht durch irgend welche Ligamente an der Körperwand befestigt. Die Farbe des Munddarmes und des Rüssels ist etwas gelblich, was von vielen im Darmepithel auftretenden gelbgefärbten Körnchen her- rührt, welche sich häufig zu Gruppen vereinigt haben. In Bezug auf die feinere Struktur des Vorderdarmes kann man, mit der inneren Wandung beginnend, ein ungefähr 0,03 mm dickes Epithel unterscheiden, das aus dicht an einander liegenden cylinder- förmigen Zellen besteht, und: mit vielen Flimmercilien besetzt ist (Fig. 7). Der Inhalt dieser Zellen besteht aus einer granulirten Substanz 410 Wilhelm Mau, - und aus etwas ovalen Kernen. Letztere zeigen im Innern eine körnige Masse. Sie haben circa 0,005 mm im Durchmesser. Dann folgt eine dieses Epithel umgebende dünne Membran. An manchen Schnitten schien es mir, als ob Ringmuskeln in derselben sich befanden, allein mit voller Gewissheit konnte ich es nicht entscheiden. Als äußere Grenze der Darmwand existirt eine Längsmuskelschicht, auf und in welcher ein äußerst reich verzweigtes Gefäßnetz verläuft, das namentlich deutlich am hervorgestülpten Theil des Rüssels hervor- tritt (Fig. 4 b). Diese Längsmuskulatur ist am vorderen Theil des Mund- darmes sehr wenig ausgeprägt: es sind bier nur einzelne neben einander verlaufende Fasern. Gegen den Mitteldarm oder die Speise- röhre zu, wie ich ihn genannt, wird die Muskulatur stärker, und besteht bereits hier aus mehreren Schichten neben und über einander ver- laufender Längsfasern. Bei der Betrachtung des Muskelsystems und der Leibeshöhle habe ich bereits erwähnt, dass um den Vorderdarm, namentlich um die Rüsselfalten, zwischen diesen und der Körperwand, ein mit Muskelfasern durchsetztes Bindegewebe auftritt. b) Die Speiseröhre (Fig. 9 sp). Auf den Rüssel folgt die Speiseröhre, die man auch als Mitteldarm bezeichnen kann. Sie geht bis zum 20. oder 21. Segment und ver- läuft ohne jene segmentalen Einschnürungen, die für den Magen- oder Hinterdarm charakteristisch sind. Durch seine intensivere gelbe Farbe unterscheidet er sich auch von dem Munddarme. Diese Färbung rührt her von äußerst zahlreichen, gedrängt bei einander liegenden Gruppen von ungleich großen, gelben Körnchen, die eine Größe von 0,3—0,5 u haben. Die Speiseröhre hat keine Einschnürungen, ist aber schwach ge- faltet, was auf Längsschnitten deutlich hervortritt (Fig. 19 d). Außer- dem verläuft an jeder Seite in der ganzen Länge der Speiseröhre eine Falte, welche auf Querschnitten durch diese Gegend des Körpers dem Lumen des Darmes ein charakteristisches Aussehen verleiht (Fig. 10, Fig. 15). In diesen beiden Falten verlaufen zwei Hauptdarmgefäße. In histologischer Beziehung weicht die Speiseröhre nicht sehr von dem Munddarme ab. Wir treffen auch hier jene inneren Wimpereilien, dann ein Darmepithel von der nämlichen Stärke, wie am Vorderkörper. Es besteht aus dicht an einander liegenden schwer isolirbaren groß- kernigen Zellen, welche nach Behandlung mit salpetersaurem Silber- oxyd wie ein aus polygonalen Maschen gebildetes Netz erscheinen. Dann folgt eine deutlich erkennbare, wenn auch sehr feine Ringmuskel- Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. 411 schicht, und endlich eine Längsmuskelschicht , welche die des Vorder- darms an Stärke beträchtlich übertrifft (Fig. 15). In diesen äußeren ‘ Hüllen verlaufen zahlreiche Blutgefäße. Nach dem Magendarme zu ‘ werden die Längsmuskeln spärlicher, bis sie beim Beginne des letzteren ganz verschwinden. Ich habe schon oben erwähnt, dass sich um die eigentliche Darm- ‘ muskulatur noch äußere Ringmuskeln legen (Fig. 15 2). Diese zu- ‘sammen mit dem Bindegewebe und anderen dorsoventralen Muskeln dienen wohl dazu, durch Kontraktionen einen Druck auf den unmittel- bar auf den Rüssel folgenden Theil der Speiseröhre auszuüben, und die ‘ Falten des Rüssels auf diese Weise nach vorn zu schieben. Die Speiseröhre kann nicht aus dem Munde hervorgestülpt werden. ' Sie ist durch besondere, ventral und dorsal liegende Muskeln und durch Bindegewebe an der Leibeswand befestigt. Daher hält es auch immer schwer, diesen Theil des Darmes unversehrt aus dem Körper heraus- zupräpariren. c) Der Magendarm (Fig. 9 mgd). Im 20. oder 21. Körpersegmente beginnt der eigentliche Darm, ' den ich als Magendarm bezeichne. Er charakterisirt sich vor Allem da- , durch, dass er sich enger an die Wandungen der Segmente anlegt, und ‘ daher ein größeres Lumen besitzt, als die vorderen Darmabschnitte, ' und dass er eine der Zahl der Körpersegmente entsprechende Zahl von ' Einschnürungen zeigt. Ferner ist er ausgezeichnet durch eine bei durch- fallendem Lichte dunklere grüne Färbung. Er mündet mit einem von - Falten der Leibeswand umgebenen rundlichen After nach außen. Dort, wo der Magendarm seinen Anfang nimmt und die Speise- röhre in ihn mündet, befindet sich jederseits eine Ausbuchtung des Darmes. Diese paarigen Ausbuchtungen oder Blindsäcke erstrecken sich durch fünf bis sieben weiter nach vorn gelegene Segmente hindurch, ‚ und liegen demnach den Seitenwandungen des hinteren Theiles der ‚ Speiseröhre an (Fig. 9 coe). Dadurch, dass sie auch jene segmentalen ‚, Einschnürungen besitzen, wie der eigentliche Magendarm, wird jeder von ihnen in fünf, resp. sieben Abschnitte oder Kammern getheilt, die von oben und in Längsschnitten betrachtet halbmondförmig und blasen- artig erscheinen. Die Abschnitte kommuniciren mit einander (Fig. 19) und die hintersten Abschnitte münden jederseits von der Speiseröhre ‚ in den vorderen Theil des Hinterdarms (Fig. 19 0). Die Farbe dieser blindsackartigen Organe ist bei durchfallendem ‚ Lichte ein intensives Grün, welches von gruppenweise eingebetieten Körnern herrührt. Weil nun außer ihnen auch noch die Speiseröhre in 412 Wilhelm Mau, der Leibeshöhle verläuft, so ist diese Partie des Wurmes, ungefähr vom 15. bis zum 21. Segmente, stets die dunkelste von allen. Hiervon über- zeugt man sich sofort, wenn man lebende kleinere Thiere nimmt, die durchsichtiger sind, als größere, sie unter ein Deckglas bringt und unter wenig starker Vergrößerung betrachtet. Zugleich sieht man sehr deut- lich die Einmündungsstellen jener Ausbuchtungen in den Magendarm. Noch deutlicher tritt die Kommunikation mit letzterem hervor, wenn man dicke Lateralschnitte durch diese Gegend des Wurmes macht. Die Länge des eigentlichen Magendarmes richtet sich nach der An- zahl der Segmente. Wie schon gesagt, besitzt er ein ‚großes Lumen und segmentale Einschnürungen. Bei durchfallendem Lichte ist er grün. Diese Farbe rührt von Körnern her, welche in regelmäßigen Gruppen an einander gelagert sind (Fig. 19). Querschnitte, Längsschnitte so wie Macerationen jener Blindsäcke und des Magendarmes geben auch hier Aufschluss über den histologi- schen Bau. Die Wandung der Blindsäcke besteht aus einem Epithel von großen cylinderförmigen Zellen, welche sowohl an Länge, als auch an Stärke die Epithelzellen aller anderen Darmabschnitte übertreffen (Fig. 19). Ihre Länge beträgt 0,05 mm, ihre Dicke 0,012 mm. Ihr Inhalt besteht aus einer fein granulirten Substanz, die sich durch die angewandten | Tinktionsmittel nicht färbte. In jeder Zelle, und zwar stets nahe der äußeren Wandung, also an der Peripherie gelegen, befindet sich ein 0,04 mm im Durchmesser haltender Kern, der sich sehr schön färbt. Durch diese Thatsachen erhalten die Wandungen der Blindsäcke ein überaus charakteristisches Ansehen. Auf Quer- und Längsschnitten besitzt die Epithelschicht nämlich einen äußeren schmalen, durch die dicht an einander liegenden großen Zellkerne gebildeten Saum, und einen breiteren, viel helleren, der von dem nach innen gelegenen Theil der Epithelzellen bewirkt wird. Nach außen zu werden die Epithelzellen von einer dünnen struk- turlosen Membran umkleidet, die auch auf den Magendarm übergeht, und dort wie hier von einem reich verzweigten Gefäßnetze überlagert wird. Eine besondere äußere Muskelschicht ist nicht vorhanden. Zer- zupft man die Blindsäcke, nachdem man sie aus kurz vorher durch Chromsäure getödteten Thieren herauspräparirt hat, so zeigen sich ihre Innenwandungen besetzt mit feinen in lebhafter Bewegung befindlichen Wimpercilien. | In den Wandungen des Magendarms trifft man diöselben Bestand-. theile an, wie in seinen Ausbuchtungen: innere Wimpercilien, deren. Bewegung man schon am Afterende lebender Exemplare durch die Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. 413 - Körperwand hindurch sehen kann, ferner ein aus cylinderförmigen - Zellen gebildetes Darmepithel und eine äußere strukturlose Membran. Allein, die Größe der Epithelzellen ist nicht dieselbe, wie bei denen der Blindsäcke. Während sie bei diesen eine Länge von 0,05 mm er- - reichen, besitzen die Zellen des Magendarmes eine solche von nur 0,02 bis 0,03 mm. Auch sind sie dichter zusammengedrängt, und ihr Kern liest nicht so nahe der Peripherie, wie es bei den Epithelzellen der Blindsäcke der Fall ist. Aus diesen Befunden geht hervor, dass die Blindsäcke Ausbuch- tungen des Magendarmes, und dass die Wandungen derselben in ge- ringem Maße modificirte Wandungen des Magendarmes sind. Diese - Modifikation wird wahrscheinlich mit der Übernahme einer besonderen Funktion zusammenhängen. Die Funktion dieser Blindsäcke ist mir nicht bekannt. Doch glaube ich zu der Annahme berechtigt zu sein, dass sie drüsenartiger Natur sind und ein Sekret absondern, das sich in den Magendarm ergießt. - Zu dieser Annahme werde ich veranlasst einmal durch den Umstand, _ dass ich in den Blindsäcken niemals habe Speisereste beobachten können; dass also eine Verdauung und Resorption, wie sie im Magen- darm stattfinden, höchst wahrscheinlich ausgeschlossen ist, und anderer- seits durch die Struktur ihrer Wandungen, welche im Wesentlichen mit der der eigentlichen Darmwandung übereinstimmt, welch’ letztere doch sicherlich, neben der Aufnahme von Nahrungselementen, auch Stoffe für die dating absondern wird !. Ich will noch erwähnen, dass E. CLArarkDE 2 bei kuss Oerstedii Clpr. ein Paar ähnliche Kalkuchitligen des Darmes beschreibt, welche er als ein paariges Goecum bezeichnet. In neuerer Zeit schreibt H. Eısıe?® über das Vorkommen von schwimmblasenähnlichen Organen bei den Sylliden und Hesioniden. Es sind hier paarıge mit dem Darme communicirende Anhänge, die sich blasenförmig erweitern können und Gase enthalten. Wegen des blasenförmigen Aussehens der ebenfalls paarigen Aus- buehtungon des Darmes bei Scoloplos armiger, könnte man auch diese für schwimmblasenähnliche Organe halten. Allein, dieser Annahme widerspricht die Thatsache, dass die Blindschläuche von Scoloplos niemals Gas enthalten, und dass ihre Wandungen nicht kontraktil sind. ! Man vergleiche: E, Prrrıier , Etudes sur P’organisation des Lombriciens ter- ‚restres. In: Arch. de zool. experim. Tome ill. ? Glanures zootomiques parmi les Annelides de Port Vendres. p. 42. Taf. 4. 3 Über das Vorkommen eines schwimmblasenähnlichen Organs bei Anneliden. In: Mitth. a. d. zool. Stat. in Neapel. Bd. II. 3. 1881. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 28 414 Wilhelm Mau, 5) Das Nervensysiem. Wie bei anderen Anneliden kann man auch bei Scoloplos ein Gehirn und ein Bauchmark unterscheiden. Das Gehirn (Fig. 20) besteht aus einem oberen und einem unteren Schlundganglion, die sich theils durch ihre Form, theils durch die An- ordnung ihrer Formelemente von den Ganglien des Bauchmarkes unter- scheiden. Beide Schlundganglien sind mit einander verbunden durch zwei lateral von der Mundöffnung verlaufende Kommissuren. Diese Schlundkommissuren werden eingeschlossen von den schrägen Muskeln und denjenigen Muskeln, die sich nach der Unterlippe be- geben, was deutlich auf Querschnitten durch den unteren Theil des Mundsegmentes hervortritt (Fig. 13 cm). Im Querschnitt geben diese Kommissuren rundliche Bilder, die 0,03—0,04 mm im Durchmesser haben. Gangliöse Anschwellungen habe ich an ihnen nicht gefunden. Das obere Schlundganglion (Fig. 20) befindet sich theils im Kopf- lappen, theils im Mundsegment. Es ist von ovaler Form und mittels | Bindegewebe und muskulöser Elemente an der Körperwand befestigt, Seine Länge beträgt ungefähr 0,2 mm, seine Dicke circa 0,08 bis 0,1 mm. Besondere von ihm ausgehende Nerven vermochte ich nicht zu | entdecken. Das untere Schlundganglion , welches sich unter der Mundöffnung | im ersten borstentragenden Segmente befindet, zeichnet sich vor allen anderen Ganglien des Bauchmarkes durch ein eiwas größeres Volumen und eine abgeplattete Form aus. Daher erscheinen auch Querschnitte durch das untere Schlundganglion als breit ovale Bilder mit einem längeren Durchmesser von 0,18 mm, und einen kürzeren von 0,12 mm. Hingegen sind Querschnitte durch die Bauchganglien fast kreisrund (Fig. 22, 23). Seitlich, etwas dorsalwärts gelegen am unteren Schlund- ganglion, befinden sich die Ausgangsstellen für die Schlundkommissuren (Fig. 23 ac). Der Bauchstrang verläuft median an der Bauchseite des Thieres, und zwar eingeschlossen von verschiedenen Muskeln, nämlich ventral | | von der Ringsmukelschicht, seitlich von den beiden Längsmuskelbün- deln, und an der dorsalen Seite inseriren sich die schrägen Muskeln und es verlaufen noch in seiner Medianlinie besondere Längsmuskelfasern (siehe Muskelsystem). Die Ringmuskelschicht legt sich nicht unmittel-' bar an das Bauchmark an, so dass zwischen beiden eine Furche ent- steht (Fig. 22), in welcher Blutgefäße, Bindegewebe und muskelartige Elemente sich befinden, welch’ letztere immerhin als Stützmuskeln | | Über Sceloplos armiger 0. F, Müller. - 415 fungiren mögen, wie sie VEspovsky! bei der Gattung Enchytraeus be- schreibt. | Eine ähnliche Lagerung zeigt der Bauchstrang von Aricia nor- vegica Sars. Wenn nun Mc Intosn 2 angiebt, dass die Nervenstränge der Ariciiden außerhalb aller Muskellagen liegen und deutlich im Bereiche der Hypodermis, so muss ich behaupten, dass wenigstens Aricia nor- vegica Sars und Scoloplos armiger Müll. davon eine Ausnahme machen. Die Ganglien des Bauchstranges lagern sich dicht an einander, allein die zelligen Elemente der einzelnen verschmelzen nicht mit einander. Das Bauchmark erleidet nämlich eben so wie der Magendarm, durch die Körperdissepimente Einschnürungen, so dass die Ganglien der einzelnen Segmente, wenn auch nur sehr wenig von einander ge- trennt, doch nicht in einer ununterbrochenen Schicht vom unteren Schlundganglion bis zum Körperende verlaufen, wie es in der Familie der oligochaeten Enchytraeiden vorkommt?®. Die einzelnen Ganglien sind durch zwei Längskommissuren mit einander verbunden (Fig. 20a). Die segmentalen Einschnürungen des Bauchstranges werden deutlich auf Längsschnitten wahrgenommen. Da die einzelnen Ganglien kaum merkliche Anschwellungen verursachen, so stellt das Bauchmark ein einfaches, mit den genannten Einschnürungen versehenes walziges Gebilde vor. | Über die Vertheilung der Ganglienzellen und Nervenfasern kann ich Folgendes mittheilen: Am oberen Schlundganglion liegen die Gan- ‘ glienzellen an der dorsalen Seite; in deren Konkavität liegt die Punkt- ‘ substanz, die mit Nervenfibrillen durchsetzt ist (Fig. 18«). Ein feiner Lateralschnitt durch die körnige Punktsubstanz, dort - wo die Schlundkommissuren sich anheften, gab ein dreilappiges Bild | | (Fig. 18). Dasjenige, was ich hier einfach Punktsubstanz genannt habe, ist identisch mit Leypıe’s » fibrillärer Punktsubstanz «. Auf Lateralschnitten durch diese Substanz des oberen Schlundganglions konnte ich selbst bei der stärksten mir zu Gebote stehenden Vergrößerung keine Primi- ' tivnervenfasern entdecken. Die Substanz schien aus feinen Zellen zu ‚ bestehen, die in der Mitte einen dunklen Punkt besaßen. Letzteres beruhte indess auf einer optischen Täuschung. Bei einer Behandlung mit ' Überosmiumsäure (1 Theil Osmiums. : 800 Theilen Wasser) und mit der " Taf. IV. | Mürrer’schen Lösung erkannte ich, dass es keine eigentlichen Zellen, 1 Fr. VEipovskY, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Anneliden. 1. 2 W. C. Mc Intosa, Zur Anatomie von Magelona. p. 54. 3 FR. VEIDOVSKY, 1. c. I. p. 24. 28 * 416 Wilhelm Mau, sondern eine körnige Substanz war. Auf einer großen Zahl von Schnitten durch das obere Schlundganglion habe ich nur wenige deut- liche in der Punkisubstanz verlaufende Fibrillen gesehen. Diese kör- nige Substanz, die eine Dicke von ungefähr 0,06 mm besitzt, färbte sich in keinem Falle, erschien grau und war durch eine feine helle Membran von den Ganglienzellen des Schlundganglions getrennt. Dieses wird von einem homogenen Neurilemm umgeben. Die Zellen in den Bauchganglien bilden einen ventralen Beleg um die graue Punktsubstanz (Fig. 22). Eine Sonderung der ganzen Gan- glienkette in zwei neben einander Herlaufende, wie in anderen Fami- lien von Würmern deutlicher hervortritt, ist, wenn auch nur in sehr geringem Maße, auch bei Scoloplos sichtbar. Auf Querschnitten sieht man nämlich, dass median gelegene Ganglienzellen in die mit Fibril- len durchsetzte Punktsubstanz eindringen (Fig. 22, 23), und so diese letztere in zwei laterale Partien sondern. Diese Sonderung tritt noch deutlicher hervor durch feine Fasern (h), die von diesen Ganglienzellen ‚nach der dorsalen Seite des Bauchmarkes gehen. Macht man sich Längsschnitte vom Bauchmarke und zwar Laieral- schnitte, so sieht man, wie zwei Hauptnervenstränge, bestehend aus) höchst feinen Fasern, die graue Punktsubstanz durchsetzen (Fig. 20«) und zwar in der ganzen Länge des Bauchstranges. | Trotz Anwendung mannigfacher Untersuchungsmethoden ist es mir nicht gelungen, deutlich das Ausgehen von seitlichen Nerven-| strängen in die einzelnen Segmente zur Anschauung zu bringen. Nur | auf einigen Quer- und Längsschnitten glaube ich solche Seitenäste be- merkt zu haben. Auf Querschnitten durch das Bauchmark sah ich von | den oberen lateralen Seiten desselben zwischen den schrägen Muskeln | und den Längsmuskelbündeln (Fig. 22 nf) feine Fasern ausgehen, die, | wie es mir schien, sich in der Leibeshöhle in mehrere feine Zweige | theilten. Sie sind sehr fein, färben sich nicht, wie es die Muskeln thun. ! Die Ganglienzellen des Bauchstranges liegen dicht neben einander und besitzen einen etwas ovalen Kern, der circa 0,006 mm im Durch- | messer hat. | Ich will nicht unterlassen zu erwähnen, dass man auf Quer- schnitten durch das Bauchmark in der dorsalen Partie der Punktsub- stanz eine mehr oder minder runde Lücke erblickt, welche auf das! Vorhandensein eines das Bauchmark durchziehenden Kanales schließen | lässt (Fig. 22 rk). Solche Kanäle scheinen bei Anneliden nicht selten | zu sein. CGLararipe! bezeichnet sie bei Lumbricus als riesige Röhren- | ! E. CLAPAREDE, Histologische Untersuchungen über den Regenwurm. In: Diese | Zeitschr. Bd. XIX. p. 588. | Über Scoloplos armiger 0. F. Müller 417 fasern. Me Intos# !, der sie bei Magelona gefunden hat, nennt sie Neural- kanäle. 6) Das Blutgefäßsystem. Bei Scoloplos armiger nimmt das Blut seinen Weg in vollständig abgeschlossenen, mit eigenen Wandungen versehenen Gefäßen. Laku- näre Bildungen habe ich nicht beobachtet. Wiewohl die schön gelb-. rothe bis rothe Blutflüssigkeit in ausgezeichneter Weise, namentlich an jungen Thieren durchscheint, so ist doch eine Orientirung betrefls des Verlaufes der Blutgefäße und der Cirkulation des Blutes nicht leicht. Außer lebenden Thieren sind in Chromsäure und dann in absolu- tem Alkohol gehärtete Exemplare besonders günstig für die Unter- suchung. Da die Chromsäure weder die Blutigefäßwandungen zerstöri, noch das in den Gefäßen enthaltene Blut auszieht, so geben Quer- schnitte derartig gehärteter Exemplare ein anschauliches Bild von dem ‚ außerordentlich reich verzweigten Gefäßnetze (Fig. 10). Man kann zunächst zwei Hauptlängsgefäße unterscheiden: ein dorsales, Rückengefäß, und ein ventrales, Bauchgefäß. Das Rücken- gefäß (Fig. 15, Fig. 28 dig) liegt dem Magendarm in seiner ganzen Länge unmittelbar an, und durchzieht nur im Vorderkörper frei die Leibes- \ | höhle, vom Beginne des Magendarmes bis zum Mundsegmente. Es liegt ‘in der Medianlinie des Rückens zwischen den beiden dorsalen Längs- muskelbündeln (Fig. 10 dig). Das ventrale Hauptlängsgefäß liegt oberhalb des Bauchmarkes ‘zwischen diesem und dem Darme, und verläuft in seiner ganzen Länge rei in der Leibeshöhle (Fig. 10 vig, Fig. 28). Am Vorder- und Hinter- ‚ende des Wurmes, also im Mund- und Aftersegment, kommuniciren ‚ beide Hauptgefäße mit einander durch feine Zweige. Der Umfang dieser beiden Längsgefäße ist in ibrer ganzen Länge ‚nahezu gleich; nur nach den beiden Enden des Körpers zu verjüngen sie ‚sich etwas. Der Durchmesser beträgt ungefähr 0,06—0,09 ınm ; selbst- ‚verständlich richtet sich derselbe nach dem jeweiligen Gefüllisein der ‚Gefäße und nach der Größe des Wurmes. | Außer diesen beiden Hauptlängsgefäßen laufen zwei Längsgefäße ‚am Magendarm entlang, und zwar jederseits von seiner ventralen ‚Medianlinie, deren Durchmesser nur 0,015 mm beträgt (Fig. 28 vd). ‚An lebenden Thieren sieht ınan meistens nur eins, weil das andere Darmgefäß vollständig vom Bauchgefäß verdeckt wird. Am Verderkörper | 1 W.C.McIntoss, Zur Anatomie von Magelona. p. 53. In: Diese Zeitschr. ‚Bd. XXXI, 3, 4. 418 | Wilhelm Mau, verlaufen diese Darmgefäße in den Falten der Seitenwandungen der Speiseröhre (Fig. 10, 15). Hier verzweigen sie sich nun in zahlreiche Längsstämme, die am Darme verlaufen, namentlich an den Rüsselfalten sich ausbreiten und mit einander anastomosiren. Auf solche Weise bilden sie das überaus entwickelte Gefäßnetz, welches am hervorge- stülpten Rüssel sichtbar wird (Fig. 4). Diese feinen Längsgefäße des Vorderdarmes und der Speiseröhre vereinigen sich mit denjenigen Gefäßbogen , welche vorn das Bauch- und Rückengefäß mit einander verbinden. Von den ventral gelegenen Längsgefäßen des Magendarmes gehen ebenfalls zahlreiche feinere Gefäße ab. Während diese am Vorderdarme und an der Speiseröhre in der Längsrichtung des Darmes verlaufen, steigen sie am Magendarm von den beiden ventralen Längsgefäßen aus- gehend an den Seitenwandungen hinauf. Sie laufen einander parallel und treten mit einander durch Quergefäße in Verbindung, wodurch das Aussehen eines Gitters entsteht (Fig. 25 afg). Sie münden dann in das am Darme verlaufende dorsale Hauptgefäß. Ein Plexus, wie er bei Aphrodita aculeata vorkommt !, ist nicht vorhanden. Auf solche Weise ist eine Kommunikation zwischen Darmgefäßen und Rückengefäß am Hinterkörper hergestellt. Allein, es sind noch andere Kommunikationen vorhanden. Hierher gehören die in jedem Segmente paarig auftretenden Quergefäße, welche vom Bauchgefäße ausgehend , nach mehr oder minder komplicirtem Verlaufe in das große Rückengefäß münden. | Jedes Körpersegment besitzt ein Paar solcher Quergefäße (Fig. 27 q). Dieselben befinden sich unmittelbar hinter den Dissepimenten. Der Verlauf eines solchen Quergefäßes ist nun folgender: Vom Bauchgefäße ausgehend und an der Seitenwandung des Segmentes aufsteigend ver- läuft es bis unterhalb der Parapodien in einfacher Weise. Nachdem es hier einen bedeutenden kontraktilen Zweig zum Längsgefäße des Darmes, und einen anderen zur Versorgung der Leibeswand abgesandt hat, von welch’ letzterem traubig verzweigte kleinere Gefäße abgehen, welche frei in die Leibeshöhle hineinragen und blind enden, verzweigt das Quergefäß sich in den Parapodien und deren Anhängseln. Zwi- schen Kieme und oberem Fußstummel vereinigen sich diese Zweige wieder zu einem größeren Gefäß, das jetzt in die Kieme tritt. In der Kieme bildet es eine Schleife: es laufen zwei Gefäße neben einander her, von welchen das Blut in die Kammern tritt (Fig. 28). Bei seinem ! E. SeLenka, Das Gefäßsystem der Aphrodita aculeata L. Fig. 3.; In: Niederl. Archiv für Zoologie. Bd. II. Heft A. N Über Seoloplos armiger 0, F, Müller. 419 Austritt aus der Kieme schwillt nun das Quergefäß etwas an, biegt dann etwas seitlich nach unten, verläuft unterhalb des Längsmuskel- bündels und mündet in der Mitte zwischen beiden Kiemen des Segmen- tes in das Rückengefäß. Diese queren segmentalen Gefäßschlingen, die Bauch- und Rücken- sefäß mit einander verbinden, sind an den ersten Segmenten des Vorderkörpers weniger mächtig und kontraktil. Dagegen bilden sich die Zweige, die von diesen Quergefäßen nach den Darmgefäßen ab- gehen, in der Gegend der Speiseröhre, in fünf oder sechs auf einander folgenden Segmenten, zu großen förmlich herzartigen, pulsirenden Schläuchen aus (Fig. 27 hz,). Hier bietet nämlich auch die Leibeshöhle Raum für ihre Ausdehnung. Sind diese herzartigen Gefäßschlingen mit Blut gefüllt, so erscheint der Wurmkörper hier schon von außen dunkler geröthet. Sie liegen neben dem Darme (Fig. 10 hz). Ihr Durchmesser kann 0,3 mm betragen. Ähnliche Gefäßschlingen hat CLararipe beim Regenwurm gezeichnet!. Von den Längsgefäßen besitzt nur das dorsale Hauptgefäß eine deutlich ausgesprochene Kontraktilität. Das Bauchgefäß, obgleich er- weiterungsfähig im vorderen Ende des Körpers, scheint derselben zu entbehren. Der Lauf des Blutes (Fig. 27) ist folgender: In dem dorsalen Hauptgefäße läuft es von hinten nach vorn und tritt im Mundsegment in das große Bauchgefäß über, von welchem es in die Quergefäße tritt, und durch diese wieder in das Rückengefäß gelangt. Im Bauchgefäße läuft es demnach von vorn nach hinten. Dasjenige Blut nun, welches aus diesem Bauchgefäße tritt, ergießt sich in jene oben erwähnten verzweigten und verschlungenen Quer- geläße der Segmente. Sein Lauf entspricht dem beschriebenen Ver- laufe dieser Quergefäße: Ein Theil des Blutes geht an der Wandung des Segmentes hinauf zu den Parapodien und Kiemen, und von hier in das Rückengefäß ; ein anderer Theil geht aber nicht erst durch die Parapodien und Kiemen, sondern schon vorher ab in die sehr kontrak- _ tilen und meistens pulsirenden Gefäße (Fig. 27 z) und zu den Längs- ‚gefäßen des Darmes ; während endlich ein dritter Theil zur Ernährung der Wandung der Segmente und der Geschlechtsprodukte in besonderen oben beschriebenen Gefäßzweigen verläuft. Dasjenige Blut, welches zu den Längsgefäßen des Darmes gegangen ist, tritt dann durch die auf- steigenden Darmgefäße (Fig. 25 afg) wieder in das Rückengefäß. Dieser letztere Verlauf findet natürlich nur am Magendarme statt, wo das ! E. CrAPARkDE, Histol. Untersuchungen über den Regenwurm. Taf. XLIV Fig. A, 420 Wilhelm Mau, Rückengefäß unmittelbar dem Darme aufliegt. Am Vorderkörper, wo das Rückengefäß ohne direkte Verbindung mit den Darmgefäßen frei die Leibeshöhle durchzieht, gestalten sich die Verhältnisse etwas anders. Dazu kommt noch, dass sich hier an einer Stelle Gefäße besonders aus- gebildet haben und als herzartige Gefäßschlingen auftreten (Fig. 27 hz,). Diese Gefäßschlingen entsprechen denjenigen kontraktilen Gefäßzweigen der übrigen Segmente, welche von den segmentalen Quergefäßen, vor deren Eintritte in die Parapodien, nach den Längsgefäßen des Darmes gehen. Am Vorderkörper geht nämlich der größte Theil des aus dem Bauchgefäße kommenden Blutes in diese großen pulsirenden Gefäß- schlingen hinein, welche es in die Gefäße des Vorderdarms pumpen. Da nun aber diese Gefäße nicht, wie am Magendarm, aufsteigende sind, sondern in der Längsrichtung am Vorderdarm verlaufen und sich ver- zweigen, so geht das Blut in diesen Längsgefäßen nach vorn zum Mund- segment, und vereinigt sich hier erst mit den Anastomosen von dem dorsalen und ventralen Haupigefäße, um dann wieder in letzterem, dem Bauchgefäße , seinen Weg nach hinten zu nehmen. Auf diese Weise vollzieht sich ein vollkommen geschlossener Kreislauf. Wollte man nach Quarkeriges! die Bezeichnung von arteriellem und venösem Blute einführen, so dürfte das bei Scoloplos seine Schwie- rigkeiten haben, zumal es höchst wahrscheinlich ist, dass neben Kiemen und Parapodien auch der Darmkanal als Respirationsorgan fungirt. Die Blutgefäßwandung besteht aus zwei sehr feinen, unterscheid- baren Membranen (Fig. 24). Die äußere ist eine fein granulirte mit zer- streuten Kernen versehene Haut, während die innere homogen ist, und beim entleerten Gefäß quer gefaltet erscheint (Fig. 24b). Diese beiden Häute würden der Tunica adventitia und der T. intima der Gefäße bei Phreoryctes Menkeanus? entsprechen. Von einer besonderen mittleren, einer Tunica muscularis, wie sie Leypıc in der Rückengefäßwand von Phreoryctes beschreibt, habe ich nichts entdecken können. Das Blut ist eine gelbrothe bis vollkommen rothe Flüssigkeit, in | welcher sich zahlreiche Körperchen befinden, die kugelrund und, wie es bisweilen schien , etwas dunkler gefärbt sind. Diese Blutkörperchen sind von verschiedener Größe: ihr Durchmesser schwankt von 0,003 bis 0,01 mm. 1 A. DE QUATREFAGES, Histoire naturelle des Anneles marins et d’eau douce. | 4865. Tome I. p. 65. 2 Fr. Leypig, Über Phreoryctes Menkeanus Hoffm. In: M. Scauutze’s Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. I, 2, 3. p. 278. Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. 421 7) Die Fortpflanzungsorgane. a) Die Geschlechtsprodukte. Die Species Scoloplos armiger ist, wie die Mehrzahl der Anneliden, getrennten Geschlechts. Zur Zeit, wenn sich die Geschlechtsprodukte bereits entwickelt haben, ist man leicht im Stande, männliche Thiere von weiblichen zu unterscheiden. Wegen des massenweisen Auftretens von weibem Sperma in den Segmenten des Hinterkörpers, erhält das männliche Thier.ein helleres, weißliches Aussehen. Dagegen haben die weiblichen Thiere wegen ihrer, ebenfalls in fast sämmtlichen Segmenten des Hinterkörpers auftretenden, undurchsichtigen , braungelben Eier ein dunkleres Aussehen. Mitte Oktober, wann ich mit meiner Unteruchung begann, waren die Segmente schon mit den Geschlechtsprodukten erfüllt, und Mitte Mai war erst die völlige Reife der letzteren eingetreten. Jetzt, Ende Juni haben die Eier die Leibeshöhle bereits verlassen, und neue sind in Bildung begriffen. Eier und Sperma füllen bei ihrer Reife den ganzen Raum zwischen dem Darme und den Seitenwandungen der Segmente. Wegen des voll- ständigen Abschlusses der Dissepimente vermögen die Geschlechtspro- dukte des einen Segmentes nicht in ein anderes zu dringen. Bisweilen treten schon in den ersten Segmenten, in welchen der Magendarm seinen Anfang nimmt, Geschlechtsprodukte auf. In den meisten von mir beobachteten Fällen geschah es aber erst im 27. bis zum 29. Seg- mente. Von da an konnte ich dieselben in allen weiteren Segmenten, vielleicht mit Ausnahme der zehn letzteren hinteren antrefien. Eine gewöhnliche Erscheinung war es, dass sowohl in den ersten, als auch in den letzten Segmenten, in welchen Geschlechtsprodukte auftraten, die Menge dieser letzteren eine geringere als in den übrigen Segmenten war. Während die Zahl der Eier in diesen 20—40 und noch darüber an jeder Seite des Segmentes betrug, besaßen die ersten und letzten Segmente deren ungefähr zehn ; ja bisweilen traf ich jederseits nur ein Ei in denselben an. Selbstverständlich hängt die Anzahl der Eier über- _ haupt von der Größe des Wurmes ab. Die Eier entstehen in einem Zellgewebe, welches ringsum diejenigen Blutgefäße umgiebt, welche in den Segmenten zwischen Darm- und Körperwandung frei und zwar mit blinden Enden in die Leibeshöhle hineinragen (siehe Blutgefäßsystem). Dieses Zellgewebe umlagerte sehr häufig nicht die äußersten Enden der traubenartig verzweigten Gefäße, _ sondern diese äußersten blinden Enden waren frei, und ließen sehr 422 Wilhelm Mau, deutlich die rothe Farbe des Blutes durchscheinen, während das Blut unter jenem Zelllager nicht sichtbar war. Diese blindendenden Blutgefäß- zweige zeigen charakteristische peristaltische Bewegungen. Von dem Peritoneum, demjenigen Bindegewebe, das die Leibes- wand auskleidet, unterscheidet sich jenes zellige Gewebe, welches die Bildungsstätte der Eier ist, nur dadurch, dass es ein mehr granu- lirtes Aussehen hat. Auch ist es an einigen Stellen gelbbraun pigmen- tirt. Die Zellkerne sind die nämlichen, wie bei dem eigentlichen Peri- toneum. Ich meine überhaupt auf Querschnitten durch den Wurmkörper einen unmittelbaren Zusammenhang mit letzterem wahrgenommen zu haben. Die Bildung der Eier geschieht nun dadurch, dass Zellen des die Blutgefäße umgebenden Gewebes sich emporheben. Das früher granu- lirte Aussehen verschwindet und es erscheint bald die gänzlich durch- sichtige Eizelle mit deutlich abgegrenziem Keimbläschen. Erst dann treten in spärlicher Weise körnige Elemente im Ei auf, womit der Anfang der Dotterbildung gemacht ist. Erst bei völliger Reife trennen sich die Eier von dem Zelllager und damit auch von den Blutgefäßen. Sie können dann durch beson- dere Organe aus der Leibeshöhle treten. Vorher sind sie zu Klumpen zusammengeballt, und wegen ihrer großen Menge, in der sie in den Dissepimenten auftreten, durch gegenseitigen Druck mannigfach ge- formt (Fig. 28). Die Eier sind braungelb, undurchsichtig, und mit einer hellen Membran umgeben. Sie haben 0,15 mm im Durchmesser und sind mit Keimbläschen und Keimfleck versehen. Ihre Dotterelemente sind Körner. Die Eier besitzen im reifen Zustande und isolirt eine kugelige Form. Sie verlassen die Segmente nicht, in denen sie gebildet sind, weil die Disse- pimente sie daran hindern, und flottiren daher nicht in der ganzen Leibeshöhle, wie bei anderen Anneliden, z. B. bei Terebellides Stroemii Sars. Das Sperma tritt in erstaunlicher Menge in den einzelnen Segmen- ten auf. Es tritt bis in die Parapodien hinein. Schon im Herbst, Mitte Oktober, hatten sich bewegliche Spermatozoide entwickelt. Allein ihre Bewegung war langsamer, als bei vollkommen reifen. Außer diesen isolirten Spermatozoiden fanden sich kugelförmige Massen von an einan- der liegenden Spermatozoiden, deren Fäden strahlenförmig hervorragten (Fig. 8a). Endlich waren Samenmutterzellen vorhanden, welche sich auch zu Klumpen an einander gelegt hatten (Fig. 8). Einen Zellkern konnte ich in ihnen nicht beobachten, dagegen eine körnige Masse, die noch deutlicher durch Färbung mit Karmin hervortrat. Über Scoleplos armiger 0. F. Müller. 425 Die Bewegung der reifen Spermatozoide ist eine äußerst lebhafte. Sie besitzen ein 0,0039 mm langes zugespitztes Köpfchen mit einer größten Breite von 0,0016 mm. An dem stumpfen Ende befindet sich der sogenannte Schwanz, ein feiner Faden von einer Länge von 0,0323 mm (Fig. 85). Ähnliche Spermatozoide hat Mc Intosn! bei der Gattung Magelona gefunden, deren Köpfchen er mit einer Spitzkugel vergleicht, welcher Vergleich auch für die bei Scoloplos passend wäre. Derartige Spermatozoide scheinen bei Chaetopoden nicht selten zu sein ?. b) Die Segmentalorgane. Als Ausführungsgänge für Eier und Sperma dienen eigenartig ge- bildete röhrenförmige Organe, deren Außenmündung an der Basis der Rückenseite des unteren Fußstummels liegt (Fig. 28 sg). während die innere Mündung in der Leibeshöhle, in nächster Nähe der Bildungs- stätten der Geschlechtsprodukte, sich befindet. Solche Gebilde kommen paarig in jedem Segmente vor, das Geschlechtsprodukte erzeugt. Wenn sie auch in ihrer Form von den sogenannten Schleifenkanälen oder Seg- mentalorganen anderer Chaetopoden abweichen, so stehe ich doch nicht, an, sie als Homologa der letzteren zu betrachten, und sie daher ebenfalls als Segmentalorgane zu bezeichnen. Es sind röhrenförmige Gebilde, an welchen man keine verschie- denen Abschnitte zu unterscheiden vermag, wie bei den Segmental- organen mancher Oligochaeten3. Die verhältnismäßig dicke, sehr durchsichtige, aus einfachem Epithel gebildete Wandung scheint in engem Zusammenhang mit dem Leibesschlauch zu sein. Es glückte mir trotz vieler Versuche nicht, ein ganzes Segmentalorgan zu isoliren: immer zerriss es, indem Theile der zelligen Wandung an der Seiten- wandung des Segmentes haften blieben. Das ganze Organ ist sehr kurz: es reicht nur eben in die Leibeshöhle hinein. Sowohl die Innen-, als auch die Außenmündung ist etwas erweitert, sonst aber nicht besonders differenzirt. Die innere Mündung ist an ihren äußersten Rändern, eben so wie die Innenwandung der Röhre mit ungefähr 3 bis 6 u langen Flimmercilien besetzt. An der äußeren Mündung, die sich auf einer Papille befindet (Fig. 28), fehlen die Cilien, so dass ! W. C. Mc Intosa, Zur Anatomie von Magelona. 1878. p. 59. 2 LA VALETTE St. GEoreE, Der Hoden. In: Handbuch der Lehre von den Ge- weben, herausgegeben von S. Stricker. Bd. I. Kap. XXIV. p. 529. ® F. VEspovsky, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Anneliden. I. — G. Eısen, On the Oligochaeta, collected during the Swedish expeditions to the arctic resions in 4870, 4875 and 1876. In: K. Sv. Vetensk. Akad. Handlinger. Bd. 15. An, 7. 424 | Wilhelm Mau, sie von außen ohne Weiteres‘ nicht sichtbar sind. Die papillenartige Erhöhung, auf der die Außenmündung des Segmentalorgans sich be- findet, habe ich bei weiblichen Thieren immer entwickelter ge- funden, als bei männlichen. Bei weiblichen Thieren ist sie namentlich zu der Zeit, wenn die Leibeshöhle mit Eiern gefüllt ist, als eine weiße, sich von der dunkleren Körperwandung abhebende Erhöhung, schon mit bloßem Auge oder unter dem Präparirmikroskop deutlich sichtbar. Übt man einen schwachen Druck aus auf ein unter dem Deckgläschen liegendes Segment, so tritt die Erhöhung noch mehr hervor; sie wird tubenartig (Fig. 21 ti) und jetzt sieht man im Innern des Tubus die lebhaft sich bewegenden Wimpercilien. Diese schlagen von innen nach außen. Hiervon habe ich mich überzeugt, indem ich junge, sehr durchscheinende Exemplare unter das Deckglas brachte und bei ziemlich starker Vergrößerung die betreffenden Gegenden des Kör- pers untersuchte. Ich beobachtete auch, dass kleine Körperchen vor den Außenmündungen der Segmentalorgane schwammen und von den Wimpercilien abgestoßen wurden. Die erwähnte grauweiße oder weiße Färbung der die Mündung umgebenden Umwallung wird durch kleine kugelförmige Körper ver- ursacht, die in größeren kugeligen Zellen in den Wandungen des Seg- mentalorganes sich vorfinden. Diese kugelförmigen Zellen (Fig. Aa) haben einen Durchmesser von circa 0,010 mm, die kugeligen Körper- chen von eirca 0,003 mm. (CrAPaArkpeE! hat solche Gebilde ebenfalls in Wandungen von Segmentalorganen gefunden, und zwar bei Theodisca liriostoma Clpr. Dass diese Segmentalorgane bei Scoloplos armiger als Ei-, resp. Samenleiter dienen, kann ich mit voller Überzeugung behaup- ten. Es existiren keine anderen Wege zwischen der Leibeshöhle und dem umgebenden Medium, durch welche die Geschlechisprodukte nach außen gelangen können, als diese Segmentalorgane. Auch habe ich beob- achtet, dass bei einem männlichen Thiere Sperma durch die äußere Öff- ı nung eines Segmentalorganes austrat, und bei Weibchen, welche die meisten Eier schon abgelegt hatten, bemerkte ich, wie die letzten Eier \ aus den Segmentalorganen herauskamen, wenn ich einen sanften Druck auf das unter dem Deckgläschen liegende Thier ausübte. Ob nun die Segmentalorgane bei Scoloplos noch andere Funktionen " zu verrichten haben, vermag ich nicht zu sagen. Ich möchte eine | respiratorische nicht für unmöglich halten. Sperma scheint nicht durch dieselben von außen in die Leibeshöhle der weiblichen Thiere zu treten, 1 E. CLAPAREDE, Hist. nat. d. Ann. du golfe de Naples. p. 344. ee Fig nn > ee Be an Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. 425 denn ich habe niemals eine Entwicklung der Eier in der Leibeshöhle beobachtet. Hier mag die Erwähnung Piatz finden, dass am Vorderkörper, wo keine Segmentalorgane vorkommen, an der Basis der Fußstummel, _ innerhalb der Ringmuskelschicht knäuelförmig zusammengeballte Zellen mit deutlichem Kerne sich vorfinden (Fig. 15 dr). Es scheinen drüsen- förmige Organe zu sein. Besondere von ihnen ausgehende Ausführungs- gänge habe ich nicht entdecken können. Erst die Entwicklungsgeschichte wird uns lehren, ob wir dieselben als Homologa der Segmentalorgane anzusehen haben, ähnlich wie VEıpovsky die Speicheldrüsen der Enchy- traeiden für Homologa der Segmentalorgane hält!. Die Regeneration. Beim Herausnehmen aus den Fanggeräthen werden die meisten Exemplare von Scoloplos armiger verstümmelt, ihnen fehlt gewöhnlich ein mehr oder minder großer Theil des Hinterkörpers. Besonders zu der Zeit, wenn die Segmente strotzend voll sind von Sperma und Eiern, und sich die Leibeswand in großer Spannung befindet, werden die Würmer leicht zerrissen. Einzelne Körpertheile, selbst solche, welche mitten aus dem Körper herausgeschnitten sind, besitzen eine außer- ordentlich große Lebensdauer, und Wurmtheile mit dem vorderen Körperende, vermögen ihren Hinterkörper zu regeneriren. In Bezug auf das Regenerationsvermögen stellte ich in dem Aqua- rium des. Kieler zoologischen Instituts einige Versuche an. Zu dem Zwecke brachte ich verschiedenartige Theile des Wurmkörpers für sich in einzelne Gefäße: einmal Vordertheile ohne After, dann Theile ohne Kopf und ohne After und endlich solche ohne Kopf aber mit After. Von diesen Theilen ergänzten sich nur diejenigen, welche ein Kopfende besaßen, während sämmtliche übrige Wurmitheile zu Grunde gingen. “ Von sechs Exemplaren, drei männlichen und drei weiblichen, von denen ich das hintere Körperende abschnitt, und die ich am 17. Novem- ber 1880 isolirte, waren die Körper in 4!/, Monaten in folgender Weise regenerirt: Bei zwei männlichen Exemplaren, deren Vordertheile die ‘gleiche Anzahl, nämlich 42 Segmente besaßen, waren bei jedem 22 regenerirte Segmente entstanden; das dritte männliche Exemplar, dessen Vordertheil aus 33 Segmenten bestand, hatte 20 regenerirte Segmente erhalten. Bei einem der weiblichen Exemplare, dessen Vorderende aus 40 Segmenten bestand, waren 26 neue Segmente hinzu- 1 Fr. VEIDOVsKY, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Anneliden. |. p. 29. 426 Wilhelm Mau, gekommen; bei einem anderen, dessen Vorderende 63 Segmente hatte, waren 27 regenerirt, und endlich bei einem dritten weiblichen mit einem aus 68 Segmenten bestehenden Vorderkörper waren 24 Segmente regenerirt. h Kiel, im Juli 1881. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVI und XXVII. Alle Figuren beziehen sich auf Scoloplos armiger Müll. Fig. 4. Vorderes Körperende, von der Rückenseite gesehen. Vergrößerung circa A0/A. k, Kiemen; of, obere Fußstummel ; uf, untere Fußstummel. Fig. Aa. Dessgleichen, von der Bauchseite gesehen. m, Mund. Fig. Ab. Dessgleichen, von der Seite. Nach einem in Alkohol getödteten Exem- plar. Vergr. circa 10/1. Fig. 2. Hinteres Körperende, von der Rückenseite gesehen. Vergrößerung eirca 25/1. a, Aftersegment; aö, Analöffnung; ac, Analcirren. l Fig. 2a. Dessgleichen, mit vier Analcirren (ac). Fig. 2b. Dessgleichen, mit zwei gabligen Analeirren, Fig. 3. Die ersten Segmente des Vorderkörpers, von der Bauchseite gesehen. Der Rüssel ist aus dem Munde etwas hervorgestülpt. Nach einem lebenden Exem- plar. Vergr. circa 35/1. kl, Kopflappen ; rf, Lappen des Rüssels. Fig. 3a. Dessgleichen, mit noch mehr hervorgestülptem Rüssel. Vergrößerung eirca 50/1. ; rf, Lappen des Rüssels. Fig. 4. Vollkommen hervorgestülpter Rüssel, mit den Blutgefäßen (d). Von oben gesehen. Vergr. circa 50/1. Fig. 5. Oberer (o) und unterer (w) Fußstummel der ersten Segmente des Vor- | derkörpers. Vergr. circa 30/1. | Fig. 5a. Kieme (k), oberer (0) und unterer Fußstummel (u) des 44. Segmentes des Vorderkörpers. Vergr. circa 20/4. Über Seoloplos armiger 0. F. Müller. 427 Fig. 5b. Dessgleichen vom ersten Segmente des Hinterkörpers. i, cirrenartiges Anhängsel. Vergr. circa 20/1. _ Fig. 6. Gewöhnliche Borste vom Vorderkörper. Seitenansicht. Vergrößerung 300/A. Fig. 6a. Stützborste (Acicula). Vergr. circa 240/A. Fig. 7. Querschnitt eines Theils einer Rüsselfalte aus dem 7. Segmente des Vorderkörpers. Vergr. circa 250/A. e, Darmepithel; mb, Membran ; Im, Längsmuskeln ; b, durchschnittene Blutgefäße. Fig. 7a. Flächenansicht der Epithelzellen des Vorderdarmes, nach Behandlung mit Silbernitrat. Vergr. circa 250/A. Fig. 8. Samenmutterzellen mit ihrem körnigen Inhalte. Vergr. 330/1. Fig. 8a. Spermatozoide, zu einer kugelförmigen Masse zusammengeballt. Ver- srößerung 330/14. Fig. 8b. Einzelne Spermatozoide. Vergr. 700/1. Fig. 9. Vorderende eines in Chromsäure gehärteten Exemplares von der Bauch- seite geöffnet. Es soll namentlich der Verlauf des Verdauungstractus gezeigt wer- den. Zwischen den Dissepimenten (dsp) sind einige dorsoventral oder schräg ver- laufende Muskeln (m) sichtbar. Die muskulösen Bänder, mit welchen die Speiseröhre an der ventralen Körperwand befestigt ist, sind beim Öffnen des Körpers zerstört. Auf die Blutgefäße ist keine Rücksicht genommen. kl, Kopflappen; mö, Mundöffnung; md, Munddarm; r, Rüssel; sp, Speiseröhre; coe, blindsackartige Ausstülpung des Darmes ; mgd, Magendarm. Fig. 40. Querschnitt durch diejenige Gegend des Vorderkörpers, in welcher sich die großen herzartigen Gefäßschlingen finden. Von einem in Chromsäure und in absolutem Alkohol gehärteten, und dann mit Pikrokarmin gefärbten Exemplar. - Vergr. circa 90/1. c, Guticula ; hp, Hypodermis; rm, Ringmuskelschicht ; bm, Borstenmuskeln für die Borsten des oberen Fußstummels; bm,, Borstenmuskeln für die Borsten des unteren Fußstummels; of, oberer Fußstummel ;; uf, unterer Fußstumme] ; dim, dorsale Längsmuskeln ; vlm, ventrale Längsmuskeln ; dvum, dorsoventrale Muskeln; d, Darm; z, Ringmuskeln, die um den Darm verlaufen; sm, schräge Muskeln; Y, Muskeln, die vom oberen Theile des Bauchmarkes ausgehend, sich mit den Ringmuskeln (z) an die äußere Wandung des Darmes legen; 428 Fig. Fig gesehen Fig 14. Querschnitt durch einen Theil der Leibeswand des Vorderkörpers. Vergr. 220/4. Wilhelm Mau, x, untere Muskelbänder; x, obere Muskelbänder; bst, Bauchmark ; ng, Blutgefäß, das unterhalb des Bauchstranges verläuft; vlg, Rückengefäß; | dig, Bauchgefäß; c, Cuticula ; hp, Hypodermis; = | rm, Ringmuskeischicht; sz, Stäbchenzellen. .i4a. Hypodermis eines in Chromsäure gehärteten Exemplars, von oben \ . Vergr. circa 220/1. zw, Intercellularmasse ; sz, Stäbchenzellen; z, Zellkerne. . A4b. Isolirte Stäbehenzellen. Vergr. circa 330/1. Fig. A4c. Fußstummeleirren vom Vorderkörper im optischen Längsschnitt. Ver- größerung circa 250/. i Fig. A1d. Theil der Hypodermis des Hinterkörpers eines lebenden Exemplares, bestehend aus gewöhnlichen Zellen (z) und solchen, die stäbchenförmige Gebilde enthalten (sz). Fig. 42. Cuticula mit Streifen und Porenkanälen, von oben, bei sehr starker en Vergrößerung, gesehen. Fig. 43. Querschnitt durch die untere Partie des Mundsegmentes. Vergröße- \ ae rung circa 90/1. Fig. 14. Querschnitt durch das vierte Segment des Vorderkörpers. Vergröße- rung circa 70/1. | c, Cuticula ; hp, Hypodermis ; rm, Ringmuskelschicht; dig, Rückengefäß; dvm, dorsoventrale Muskeln; dim, dorsale Längsmuskeln ; vlm, ventrale Längsmuskeln ; cm, Schlundkommissuren ; d, Munddarm ; R, Muskeln, welche zur Erweiterung der Mundöffnung dienen; r, Rückzieher des Munddarmes. N b, Borsten vom oberen Fußstummel ; bi, Borsten vom unteren Fußstummel ; bm, Muskeln für die Borsten des oberen Fußstummels; bmy, Muskeln für die Borsten des unteren Fußstummels; osh, obere schräge Muskeln ; ush, untere schräge Muskeln; vlg, ventrales Blutgefäß; BD. Über Scoloplos armiger 0. F, Müller. 499 bst, Bauchstrang, f, Furche unterhalb des Bauchstranges. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 13. Fig. 45. Querschnitt durch das neunte Segment des Vorderkörpers. Vergröße- rung circa 50/4, z, um den Darm befindliche Ringmuskeln ; y, Muskeln, die vom oberen Theile des Bauchmarkes ausgehend, sich mit den Ringmuskeln (z) an die äußere Darmwandung legen ; sh, schräge Muskeln; sm, Stützmuskeln; dr, drüsenartige Gebilde. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 43 und 14. Fig. 16. Querschnitt durch einen Theil der Leibeswand des Hinterkörpers. Vergr. circa 300/A. c, Cuticula; hp, Hypodermis; rm, Ringmuskelschicht,, Im, durchschnittene Längsmuskeln. Fig. 47. Muskelfasern aus einem ventralen Gefäßbündel. Vergrößerung 300/A. Fig. 48. Lateralschnitt durch die körnige Punktsubstanz des oberen Schlund- Sanglions, dort, wo die Ansatzstellen (c) für die beiden Schlundkommissuren sind. Vergr. circa 330/1. Fig. 18a. Querschnitt durch die obere Partie des oberen Schlundganglions. Ver- srößerung 150/1. n, Neurilemm ; 4, Ganglienzellen ; p, körnige Punktsubstanz mit Nervenfibrillen. Fig. 49. Hauptlateralschnitt durch die Seitenwandung des Körpers und des Verdauungstractus des 16. bis 24. Segmentes. Die römischen Zahlen bezeichnen die Segmente. Man sieht, wie die Wandung der blindsackartigen Ausbuchtung des Darmes (coe) eine unmittelbare Fortsetzung einmal der Speiseröhre (d) und dann des Munddarmes (mgd) ist. Vergr. circa 35/1. e, Epithel der Wandung des Blindsackes (coe); 0, Kommunikationsstelle des Blindsackes und des Magendarmes , asp, Körperdissepimente ; / Im, Längsmuskeln; rm, Ringmuskeln; hp, Hypodermis; ce, Cuticula ; d, Speiseröhre; mgd, Magendarm. Fig. 19a. Ein Theil des Epithels des blindsackartigen Organs nach Behandlung mit Silbernitrat. Von oben gesehen. Vergr. 440/1. Fig. 195. Ein Stück vom Magendarme mit gruppenweise angehäuften Körnchen. Fig. 20. Hauptsagittalschnitt durch die ersten Segmente des Vorderkörpers um die Lage und Form der Schlundganglien zu zeigen. Vergr. circa 75/4. schlg, oberes Schlundganglion ; Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXYVI. Bd, 29 430 Wilhelm Mau, sboes, unteres Schlundganglion ; 9 9, 9), Ganglienzellen; p, körnige Punktsubstanz ; md, Mundöffnung ; nf, Nervenfasern. Fig. 20a. Lateralschnitt durch ein Paar Ganglien des Bauchmarkes. Vergröße- rung 75/1. nf, Nervenfasern; g, Ganglienzelien. Fig. 21. Unterer Fußstummel (p) des Hinterkörpers eines Q Exemplars. An seiner Basis die tubenartige Papille, auf der die Öffnung des Segmentalorgans (öf) sich befindet. Vergr. circa 50/4. Fig. 21a. Eine Zelle mit den Kügelchen aus der Seitenwandung des Segmental- organs. Vergr. 700/A. Fig. 22. Querschnitt durch das Bauchmark. Vergr. 285/4. n, Neurilemm, p, Punktsubstanz mit Nervenfibrillen ; h, Fasern, welche von den Ganglienzellen ausgehend, nach dem dorsalen Theil des Bauchmarkes verlaufen ; nf, seitliche Nervenfasern; g, Ganglienzellen; rk, Neuralkanal; Im, Längsmuskeln, auf der dorsalen Seite des Bauchmarkes ver- laufend; vlm, ventrale Längsmuskeln; r, Ringmuskelschicht; hp, Hypodermis; c, Cuticula; st, Stützmuskeln ; f; Furche unterhalb des Bauchstranges ; m, schräge Muskeln. Fig. 23. Querschnitt durch das untere Schlundganglion. Vergrößerung circa 285/A. ac, Ansatzstellen für die Schlundkommissuren. Bezeichnung der übrigen Buchstaben wie in Fig. 22. Fig. 24. Querschnitt durch die Wandung des Bauchgefäßes. Vergrößerung an0o/A. i, innere Haut; a, äußere Haut. Fig. 24a. Längsschnitt durch die Wandung eines Blutgefäßes. i, innere Haut; a, äußere Haut. Fig. 24b. Die quergefalteie innere Haut eines entleerten Blutgefäßes. Vergr. circa A10/A. | Fig. 25. Theil des Rückengefäßes (dg), in das ein großes segmentales Quer- gefäß (sg) so wie feinere vom Längsgefäße des Darmes aufsteigende Blutgefäße (afg) münden. Vergr. 66/1. | Über Seoloplos armiger 0, F. Müller. 431 Fig. 26. Querschnitt durch die mittlere Region des Vorderkörpers, um den Blutlauf zu zeigen. Die Richtung der Pfeile deutet die Richtung des Blutlaufes an. d, dorsale Seite; v, ventrale Seite; dig, Rückengefäß; vlg, Bauchgefäß; !, Lumen des Darmes; hz, pulsirende, herzartige Gefäße, welche von den segmentalen Quer- gefäßen (g) abgehen. Fig. 260. Querschnitt durch den Hinterkörper, um den Blutlauf zu veran- schaulichen. Die Richtung des letzteren wird durch die Richtung der Pfeile an- gedeutet. k, Kiemen. Die Bezeichnung der übrigen Buchstaben wie in Fig. 36. Fig. 27. Darstellung der Blutgefäße der einen Seite des Vorderendes des Körpers. Ein größeres Längsgefäß des Darmes, so wie die queren Gefäße der anderen Körperseite sind nicht sichtbar. Die Richtung der Pfeile deutet die Rich- tung des Blutlaufes an. dkpw, dorsale Körperwand; ddw, dorsale Darmwand ; vdw, ventrale Darmwand; dig, Rückengefäß;; vlg, Bauchgefäß;; an, vordere Anastomosen von Bauch- und Rückengefäß ; di, größeres Längsgefäß am Darme. Am Vorderende des Darmes ver-- zweigt es sich in Längsgefäße, die am Darme nach vorn verlaufen. Am Magendarm rückt es an die ventrale Seite. Von ihm gehen hier die aufsteigenden Darmgefäße (st) zum Rückengefäß (dig); q, segmentale Quergefäße; z, kontraktile, größere Zweige der segmentalen Quergefäße, die in das Längsgefäß (dl) des Darmes gehen; hzı hza hzz3 hzy4 hzs, fünf herzartig erweiterte Gefäße; p, Verzweigungen der segmentalen Quergefäße in den Parapodien; kp, Verzweigungen der segmentalen Quergefäßße in Kiemen und Para- podien. Fig. 28. Querschnitt durch den Hinterkörper eines geschlechtsreifen @ Exem- _ plares. Kiemen (k) und Parapodien (of und of) sind im unverletzten Zustande, von der hinteren Seite, gezeichnet. Daher sieht man an der Basis des unteren Fuß- stummels die papillenartige Erhöhung mit der Außenmündung des Segmental- organs (sg). In den Kiemen (k) erkennt man die Blutgefäße. Vergrößerung circa 40/4. dig, Rückengefäß;; vlg, Bauchgefäß ; dimg, Darmlängsgefäße ; dim, dorsale Längsmuskeln ; vlm, ventrale Längsmuskeln; h, Haut mit der sehr dünnen Ringmuskelschicht ; bm, Borstenmuskeln ; 3 N 432 Wilhelm Mau, Über Scoloplos armiger 0. F. Müller. bst, Bauchstrang; !, Darmlumen; e, Eier; b, Blutgefäße, welche zur Ernährung der Eier dienten. Fig, 299. Ein etwas schematisches Bild von einem Segmentalorgan, dessen äußeres Ende nicht aus der Fußstummelbasis herauspräparirt ist. Vergrößerung circa 30/4. | B Fig. 30. Schnitt durch ein reifes Ei. Vergrößerung circa 90/1. c, Eihülle; d, Dotter; b, Keimbläschen; k, Keimfleck. Vergleichend-embryologische Studien. Von Elias Metschnikoff in Odessa. Mit Tafel XXVII. A) Entodermbildung bei Geryoniden. Bei meinem Bestreben, die Entodermbildung der Coelenteraten mög- lichst vollständig zu erforschen, musste ich vor Allem die Aufmerksam- keit auf die Geryoniden lenken, weil deren embryonale Zellen sich durch besondere Größe auszeichnen und desshalb mit Leichtigkeit unter- sucht werden Können. Ich habe bereits im Jahre 1870 die Embryologie von Carmarina hastata untersucht und dabei festgestellt, dass »das Blastoderm sich bald in zwei Schichten theilt, zwischen denen sich die glasartige Gallertsubstanz anhäuft«!. Im darauf folgenden Jahre unter- suchte For? die Entwicklung der Geryonia (Carmarina) fungiformis, wobei er ebenfalls eine Theilung der Blastula in zwei Keimblätter kon- statiren konnte. Gegen unsere Angaben trat im Jahre 1873 KowaLevsky ? auf, indem er bei Carmarina hastata eine zur Eniodermbildung führende Einstülpung des Blastoderms annahm. Dieser Forscher hat zwar ebenfalls eine Theilung der Blastodermzellen gesehen, nur deutete er sie in einer ganz anderen Weise als For und ich. Ich gebe im Folgenden den bezüglichen Passus aus der in russischer Sprache ge- druckten Abhandlung Kowarzysey's wieder: »Die Segmentation schritt sehr rasch fort, worauf sich ein einschichtiges Blastoderm bildete; das 1 Bulletin de l’Acad. des Sciences de St. Petersbourg. T. XV. 4874. p. 100. ? Jenaische Zeitschrift. Bd. VII. 1873. p. 474. 3 Beobachtungen über die Entwicklung der Coelenteraten, in den Nachrichten der k. Gesellschaft der Liebhaber der Naturwissenschaften, Anthropologie u. Ethno- graphie. Bd. X, Lfg. 2. Moskau 1874. p. 40. 434 Elias Metschnikofl, letztere war aus sehr verlängerten cylindrischen oder, richtiger, ab- gestumpft pyramidalen Zellen zusammengesetzt, welche eine sehr kleine Segmentationshöhle begrenzten. Die Kerne lagen in der Nähe der äuße- ren Enden der Blastodermzellen, deren centralen Theile aus einer sehr durchsichtigen Gallertsubstanz bestanden. Bald darauf konnte man die Abtrennung der äußeren Enden der Zellen von ihren tiefer liegenden Theilen bemerken; aus ersteren bildet sich das peripherische Epithel, während die centralen Segmente in eine fast homogene Gallertmasse zusammenfließen, welche die Segmentationshöhle ausfüllt und die Gallerte der jungen Larven repräsentirt. Auf einem Pol des Embryo stülpen sich die oberflächlichen Zellen ein, um den Magen der Larve zu bilden; erst nachher geschieht eine Verdickung der äußeren Schicht an der oralen Fläche, es wachsen kleine hügelförmige Tentakelanlagen her- aus und es beginnt die Bildung der Schirmhöhle.« Während einige englische Embryologen, wie Rav-LAnkester und BaLrour, sich an die Darstellung von For und mir angeschlossen haben, äußerte Harcker ! seine Zweifel über die von uns beobachtete Delamination, 'wie er über- haupt diesen Process bei der Entodermbildung nicht acceptiren möchte. Ihm folgten seine Schüler, wie Hatsc#ek und die Gebrüder Hrrrwie. Dem ersteren ? »erscheinen die Fälle von Delamination sehr zweifelhaft« und die letzteren 3 verlangen noch der Feststellung, »in wie weit Fälle, in denen sich durch Delamination eine Gastrula entwickeln soll, wirk- lich vorkommen«. Ein solcher Skepticismus konnte einerseits durch die positiven Angaben KowALevsKky’s, wie andererseits durch Mangel un- zweideutiger Beweise in den Darstellungen von For und mir selbst unterstützt werden. Wenn man die Abhandlung For’s konsultirt, so wird man in der That finden, dass seine sonst genauen und ausführ-— lichen Beobachtungen gerade über den Delaminationsprocess sehr mangel- haft sind: die Fig. 9, die einzige, welche diesen Vorgang erläutert, betrifft bereits ein sehr spätes Stadium der Entodermbildung und. giebt nur äußere Zellenkonturen wieder. Der Mangel nach der Natur gemachter Abbildungen wird durch Schemen gedeckt, welchen man keine zu große Beweiskraft zumuthet. Meine im Jahre 1874 gemachten Angaben sind in so fern sicherer, als sie durch eine naturgetreue Abbildung der Dela- mination unterstützt werden, nur fehlen bei mir genauere Mittheilungen i Studien zur Gastraea-Theorie. 1877. p. 267. Anmerkung. 2 Embryonalentwicklung und Knospung der Pedicellina echinata, in dieser Zeit- schrift, Bd. XXIX, p. 525. 3 Die Coelomtheorie, in Jen. Zeitschr., Bd. XV, Hft. 4, p. 124. * Studien über die Entwicklung der Medusen und Siphonophoren, in dieser Zeit- schrift, Bd. XXIV, Hft. 4. 4874, p. 48 und Taf. II, Fig. 6. Vergleichend-embryologische Studien. 435 über die inneren Vorgänge der Entodermzellenbildung, wie überhaupt eine ausführliche Beschreibung dieser wichtigen Erscheinung. Um den in vergleichend-embryologischer Beziehung so wichtigen Delaminationsprocess der Geryoniden auf eine unseren heutigen Forde- rungen mehr entsprechende Basis zu stellen, habe ich während meines Aufenthaltes in der zoologischen Station des Herrn Professor Dourn in Neapel im Jahre 1880 eine specielle Untersuchung an zwei dort vor- kommenden Geryonidenspecies — Carmarina fungiformis Haeck. und Liriope eurybia Haeck. vorgenommen. Ein Weibchen der erstgenannten Art legte am 20. März eine große Anzahl Eier ab, welche nach einiger Zeit sich zu segmentiren anfingen. Am nächsten Morgen konnte man bereits: an mehreren zerklüfteten Eiern den uns interessirenden Process der Entodermbildung wahrnehmen und dabei außer Zweifel stellen, _ dass derselbe eine echte typische Delamination vorstellt. Bei Unter- suchung im Seewasser erschien das Bild ganz ähnlich demjenigen, welches ich in meiner oben citirten Abhandlung beschrieben und ab- gebildet habe. Um eine bessere Einsicht zu. gewinnen, musste man einen Tropfen verdünnter Essigsäure zusetzen, worauf man sofort die nähere Zusammensetzung der Blastomeren erblicken konnte. Die Fig. 1 repräsentirt uns den optischen Durchschnitt durch ein im fünften Sta- dıum der Zerklüftung befindliches Ei, .d. h. durch ein solches, an wel- chem man 32 Blastomeren unterscheiden konnte. An sämmitlichen Zellen kann man deutlich das feingranulirte Ektoplasma von dem großmaschigen Endoplasma unterscheiden ; die meisten Blastomeren sind im Theilungs- processe begriffen, wobei die größere Mehrzahl derselben in tangentialer, die anderen dagegen in radialer Ebene sich vermehren. Die Theilungs- richtung wird am besten durch die Kernspindel bestimmt, wie man es aus der Vergleichung der Zellen «a und 5 (Fig. 1) leicht ersehen kann. Während die radiale Theilung zur Bildung neuer Blastodermelemente führt, hat die tangentiale Theilung die Abtrennung der Ekto- vom Endo- plasma, resp. die Erzeugung erster Entodermelemente zur Folge. An einem und demselben Ei kann: man oft die meisten Theilungsstadien neben einander vereinigt finden, so dass man, mit großer Leichtigkeit die jetzt allgemein angenommene Lehre über die Veränderungen des _ Kernes bestätigen kann. Nach dem Ablaufe der Zellenvermehrung nimmt der Kern oft ganz eigenthümliche gelappte Gestalt an, welche wahr- scheinlich in früherer Zeit als Basis für die damals herrschende Ansicht über Kerntheilung diente. Die Theilung erfolgt nicht ganz, gleichzeitig an sämmtlichen Blasto- meren eines und desselben Eies, was eine nicht unbedeutende Unregel- 436 Elias Metschnikoft, mäßigkeit zur Folge hat und ein gewisses individuelles Gepräge jedem Eie verleiht. Während es ziemlich selten gelingt die Carmarina zum Ablegen ihrer Geschlechtsprodukte zu zwingen, ist nichts leichter als gute ent- wicklungsfähige Eier der kleineren Geryonidenspecies — Liriope eury- bia — zu erhalten. Man braucht nur einige geschlechtsreife Exemplare dieser bei Neapel so häufigen Meduse in ein Gefäß zusammenzubringen, um bereits nach einigen Stunden eine gewisse Anzahl befruchteter Eier am Boden des Glases zu finden. Solche geschlechtsreife Thiere habe ich während der Monate März, April und Mai beobachtet. Als ein für die Untersuchung ungünstiger Umstand ist die große Schnelligkeit der ersten Entwicklungsvorgänge hervorzuheben, so dass die Eier künstlich abge- kühlt werden müssen, um den No der Entwicklung während der Nacht zu verlähgänerfen Der Delaminationsprocess erfolgt bei Liriope auf dieselbe Weise wie bei Carmarina und lässt sich mit einer Klarheit verfolgen, welche nichts zu wünschen übrig lässt. Einige Blastodermzellen wachsen tief in die Furchungshöhle hinein, wobei deren centrale Enden knospenförmig aufgetrieben werden. Bei der Behandlung mit verdünnter Essigsäure treten sofort die Kerne auf, welche oft die bekannte spindelförmige Ge- stalt zeigen (Fig. 2). In der Mitte der Spindel lassen sich die Bürsceutı- schen Körner unterscheiden, so wie überhaupt die ganze Erscheinung mit den gegenwärtigen Ansichten über die Kerntheilung vollkommen harmonirt!. Die optischen Schnitte sind so deutlich und überzeugend, dass es vollkommen nutzlos wäre künstliche Durchschnitte zu verferti- gen. Um aber eine vollständigere Einsicht zu gewinnen, habe ich neben dem Durchschnittsbilde Fig. 2 noch einige Zellen von der Oberfläche in Fig. 3 wiedergegeben und zwar in der Weise, dass die sich delami- nirende Zelle a ins Centrum zu liegen kam. — Nach der Kerntheilung erfolgt die Einschnürung des Zellenprotoplasma, wobei das Ektoplasma fast ausschließlich im peripherischen, das Endoplasma dagegen im cen- tralen Segmente bleibt (Fig. 4). Zwischen beiden bleibt noch ein fein- körniger Verbindungsstrang übrig, welcher noch lange die genetische Beziehung zweier Zellen offenbart (Fig. 5). Die neugebildeten Kerne zeigen verschiedenartige nierenförmige und gelappte Gestalten, welche früher zur Unterstützung der Ansicht über die einfache Kerntheilung dienten. Die neugebildeten Entodermzellen verdrängen allmählich die Segmentationshöhle (Fig. 5), so dass es zur Bildung eines soliden paren- chymatösen Embryo kommt, in welchem die beiden Keimblätter sich i Die Bilder haben die größte Ähnlichkeit mit denen von STRAsBURGER in der | 3. Auflage der »Zellbildung und Zelltheilung« (Jena 4880). Taf. II, Fig. 383—53. Vergleichend-embryologische Studien. 437 durch Lage und Zusammensetzung ihrer Elemente unterscheiden. Es ist noch zu bemerken, dass auch bei Liriope die Delamination eine fort- gesetzte Theilung der Ektodermzellen in radialer Ebene, resp. die Bil- dung neuer Ektodermelemente nicht ausschließt, wie es die Zellen d und e der Fig. 4 beweisen. Die neugebildeten Entodermzellen theilen sich ebenfalls (Fig. 4 f) in zwei. Nach dem Schlusse des Delaminationsprocesses ordnen sich die Entodermzellen in eine vollständige Blase, welche durch die nunmehr sich bildende formlose Gallerte von der Ektodermblase räumlich abge- trennt wird. Es entsteht somit eine Diblastula, welche bereits aus den früheren Arbeiten von For und mir bekannt genug ist. 2) Über einige Stadien der in Carmarina parasitirenden | Cunina (Gunoctantha Haeck.). Nachdem sich die Behauptung von Kowarzvsky über die embolische Entstehung des Entoderms bei Geryoniden als irrthümlich herausstellte, musste ich auch die übrigen. Angaben über die Gastrula der Hydrome- dusen einer Revision unterwerfen. Ich erwähne hier vor Allem die Untersuchungen von Cranicıan über Tubularia mesembryanthemum!, nach welchen das Entoderm sich sehr früh und zwar nach dem Typus einer sog. epibolischen Gastrula ausbildet. Wenn schon eine nähere Einsicht in die Arbeit Cramicran’s an der Richtigkeit seiner Schlussfolgerungen zweifeln lässt?, so giebt es auch positive Angaben, welche die Ento- dermbildung der Tubularien in einem ganz anderen Lichte erscheinen lassen. Weder BıLrour noch KLEINENBERG ® ist es gelungen, die Behaup- tung Cramicran’s über die epibolische Gastrulabildung zu bestätigen und dasselbe kann ich nach eigener Erfahrung sagen. Bei Tubularien, eben so wie bei so vielen anderen Hydroiden, bildet sich zuerst eine solide Morula, welche sich erst später in zwei Keimblätter spaltet. Dieser Schluss geht sowohl aus meinen eigenen Beobachtungen, als auch aus früheren Untersuchungen von KLEINENBERG hervor, welcher die Güte hatte mir eine ganze Serie von Präparaten zu zeigen, an welchen die Delamination der Morula mit bester Klarheit konstatirt werden kann. ! Diese Zeitschr. Bd. XXXIL. 1879. 2 So finde ich, dass die Stadien der Fig. 34 und 35 (Taf. XIX) zu weit von ein- ander verschieden sind um direkt verglichen werden zu können; auch ist die An- gabe über das zweischichtige Ektoderm (Fig. 35), welches später einschichtig werden soll (Fig. 36), an und für sich wenig wahrscheinlich. ® Handbuch d. vergleichenden Embryologie. Bd. I. Jena 1880. Anmerkung 2. p. 448. 438 er Elias Metschnikoff, Auch muss ich mich gegen die Vermuthung Cranscran’si aussprechen, | nach welcher die von mir untersuchte Polyxenia flavescens (Aegineta flavescens oder Salmoneta flavescens von HarckEL) eine epibolische Gastrulation erfahren soll. Ich habe im Jahre 1870 oft beobachtet, wie | sich das gefurchte Ei in eine solide Morula umwandelt, wobei vier | Blastomeren auf kurze Zeit unverändert bleiben um etwas später die ' übrigen nachzuholen; so kommt es, dass die Morula aus ganz gleichen Zellen gebildet wird, welche erst später durch Delamination in zwei " Keimblätter getheilt werden. Ich war nicht im Stande diese Beob- ! achtungen im vorigen Jahre zu wiederholen; dafür aber konnte ich die früheren Entwicklungsstadien von Solmissus albescens Haeck. (Cunina albescens Gegenb.) untersuchen und dabei konstatiren, dass hier eben- | falls eine solide Morula mit einer nachträglichen Delamination vorhanden | ist. Die Zerklüftung und die Delamination bei dieser Meduse haben die ! größte Ähnlichkeit mit entsprechenden Vorgängen bei den Siphono- | phoren. j Nach dem oben Gesagten braucht es kaum hervorgehoben zu wer- | den, dass ich die Ansicht Harerer’s? über die Existenz einer Amphi- | gastrula bei Salmoneta flavescens nicht theilen kann. Das als eine” solche von HaEckEL angenommene Stadium ist nur ein Vorstadium der Morula und ist von dem Momente der Entodermdifferenzirung noch weit 7 entfernt. | Eine weitere Angabe über das Vorhandensein von echter Gastrula | bei Hydromedusen liefert uns ULsanın?®. Nach ihm erscheint die Larve der in Carmarina parasitirenden Cunina in Form einer ovalen Gastrula | mit einem terminalen Blastoporus. Obwohl er die Genese dieser Larven- n form nicht beobachtete, hält er doch für »unzweifelhaft, dass auch hier, hi wie bei der Mehrzahl anderer Thiere, eine Hälfte der einschichtigen | 3 Blase sich in die andere einstülpt« (l. c. p. 7). Usanın hält demnach die betreffende Cuninalarve für eine Archigastrula invaginata.. Als eine Eigenthümlichkeit dieser Larve beschreibt Ursanın, dass »die ganze Höhle, welche vom Entoderm begrenzt wird und durch die Mundöff- | nung nach außen durchbricht, mit einer feinkörnigen, verschieden- Mn 2 1.c. pP. 8338. 2 Das System der Medusen. Erste Hälfte des ersten Theils. Jena 1879. p. 348. In diesem Werke wird mehrmals von der freischwimmenden Gastrula bei Cras- pedoten (p. 7, 149) gesprochen, ohne dass aber diese Angabe durch irgend welche| thatsächlichen Ergebnisse bewiesen wird; es wird mir daher erlaubt sein einst- weilen darüber nicht weiter zu diskutiren. ; 3 O npoucxo’eHniu KyHUHB, IOURYMIMUXCA BB kenyıkb Tepioaune, in Merkcris Oowmecrza Mröurenen Ecrecrzosnania etc. Bd. XXIV. Moskau 4876. 2, \ | Vergleichend-embryologische Studien. 439 artige Vacuolen enthaltenden Masse ausgefüllt ist« (p. 6). Diese Masse, in welcher ULsanın vergeblich nach Zellenkernen suchte und nur in einigen Fällen je einen großen runden Körper auffand,, deutet ULsanın - als eine nutritive Sekretion der Entodermzellen, die runden Körper hält er dagegen für fremde Theile und zwar ahesch nlieh für Überreste der aufgenommenen Nahrung. Das jüngste von mir gefundene Stadium der parasitischen Cunina . (oder Cunoctantha, wie sie jetzt von HAEckEL genannt wird) habe ich auf dem Schirmrande der Carmarina fungiformis aufgefunden. Es sah "dem bloßen Auge als ein kleiner milchweißer Punkt aus und erschien unter dem Mikroskope in Form eines rhizopodenartigen Organismus mit einer rundlichen Kappe (Fig. 7 und 8). Ich konnte sofort erkennen, ' dass die eigenthümliche Larve eine kolossale amöboide Zelle enthält und außerdem mit einer, aus Geißelepithel zusammengesetzten glocken- förmigen Kuppel versehen ist. Die große Zelle sendet eine Anzahl ‚ homogener: Ausläufer aus, von denen viele sich verästeln und platten- förmig ausbreiten. Im Innern des Protoplasmakörpers befindet sich der ‚ große Kern, welcher überhaupt eine große Ähnlichkeit mit der Central- kapsel vieler Radiolarien aufweist; an ihm unterscheidet man eine starke ‚elastische Membran und einen feinkörnigen Inhalt, in welchem sich ‚eigenthümliche röhrenförmige Figuren (Fig. 9 {) befinden. Um den Kern herum ist eine große Anzahl fettartig aussehender Kügelchen vor- handen, welche jedoch niemals in die Pseudopodien eintreten. Die be- schriebene große Zelle, welche den kriechenden Bewegungsapparat der ‚jungen Larve darstellt, ist eben nichts Anderes als die von Ursanın im ‚Innern der »Gastralhöhle« gesehene feinkörnige Masse mit dem rund- ‚lichen Körper. Der letztere ist aber keineswegs eine seltene Erschei- nung, wie ULsanın angiebt, sondern ist ein ganz konstantes Gebilde, ‚welches ich in keinem der von mir untersuchten Exemplare vermisste. ‚In einigen Fällen fand ich aber statt eines großen zwei kleinere Nuclei, ‚wie es auf der Fig. 8 wiedergegeben ist. Solche Ausnahmsfälle sind ‚auch Ursanın nicht entgangen. : Die Untersuchung der »Kappe« stößt ‚ bei lebenden Thieren auf viel größere Schwierigkeiten: man sieht wohl, ‚ dass dieselbe mit einer Schicht hoher Geibelzellen ausgekleidet ist; die ‚inneren Verhältnisse können dagegen nicht mit Sicherheit erforscht wer- ‚den. Darüber wird man erst durch künstlich verfertigte Durchschnitte klar. Um solche, zu erhalten, behandelte ich die Larven mit der | KLEINENBERG’schen Bu chwefelsiuth und färbte, nach vorheriger Be- handlung mit Alkohol , mit dem GRrENACHER’ sahen Boraxkarmin. Nach ‚ einiger Enifärbung in saurem Alkohol und Durchtränkung mit Bergamott- ' öl wurden die Larven in Paraffın eingebettet und mit dem Rasirmesser | | | 440 Elias Metschnikoft, geschnitten. Das Wichtigste, was uns die so erlangten Schnitte lehren, ist das Entoderm (Fig. 9 en), welches in Form eines ziemlich unregel- mäßigen Haufens unter der Geißelepithelschicht (Ektoderm) auftritt. Ein allmählicher Übergang vom Ektoderm zum Entoderm war nicht zu beobachten, dagegen konnte man sehen, dass einige Entodermzellen im Protoplasma der großen Bewegungszelle eingebettet lagen. Die letztere stellt auf den Schnitten einen zapfenförmigen stark hervorragenden Körper ohne Pseudopodien dar, welche offenbar im Augenblick des Todes eingezogen werden. Eben so verschwinden auch die fettartigen Kügelchen,, so dass das gesammte Protoplasma einfach feinkörnig er- scheint. Die morphologische Deutung der kolossalen Zelle lässt sich zur Zeit nicht mit Bestimmtheit angeben, obwohl es wahrscheinlich ist, dass dieselbe eher zum Entoderm gehört. Die weiteren Stadien zeichnen sich durch das Umwachsen der kolos- salen Bewegungszelle durch die Kappe aus, so dass es zur Bildung einer eiförmigen Larve kommt (Fig. 10), welche Ursanın als Ausgangspunkt für seine Annahme der Archigastrula invaginata diente. Nun aber ist die Darstellung dieses Forschers in so fern irrthümlich, als er die Larve mit einem runden terminalen Blastoporus (Mundöffnung) versehen zu sein glaubt, während dieselbe einen die ganze Körperlänge durchsetzen- den feinen Schlitz besitzt (Fig. 10 s). Der letztere, als Folge der An- näherung zweier Kappenseiten, dient nicht etwa zur Aufnahme der Nahrung (wie man aus der Darstellung Ursanın’s schließen könnte), sondern nur zum Ausgange der Pseudopodien, welche vom Protoplasma der nunmehr im Innern der Larve eingeschlossenen kolossalen Zelle ab- gesendet werden. Ich kann folglich die Ansicht Ursanın’s nicht theilen, nach welcher er diese Pseudopodien für Ausläufer der Ektodermzellen hält (l. c. p. 7). Nach Einziehung dieser Kriechorgane: ins Innere der großen Zelle, kann die Larve freischwimmende Bewegungen vollziehen, was das früheste von mir beschriebene Stadium noch nicht zu Stande zu bringen vermochte. Bei weiterer Entwicklung nehmen die Larven stark an Größe zu, wobei sie zugleich auch ihre äußere Gestalt verändern : sie nehmen eine unregelmäßig verlängerte und oft eine eigenthümliche dreieckige Form an (Fig. 11 und 12). Der früher gerade verlaufende Schlitz erscheint nunmehr wellenförmig gebogen und bei den dreieckigen Larven auch verzweigt (Fig. 11 und 12 s), welche Veränderungen wahrscheinlich mit der Nothwendigkeit, eine größere Quantität Pseudopodien auszu- senden, zusammenhängen. Unter solchen Verhältnissen bleibt es un- | möglich den oft verzweigten Durchgangsschlitz der Pseudopodien für ein Homologon des Blastoporus zu halten, zumal unsere Larve keine Vergleichend-embryologische Studien. 441 ‘ Gastralhöhle enthält, sondern mit der kolossalen Bewegungszelle aus- - gefüllt bleibt. Die durch den Körper solcher Larven gemachten Durchschnitte ‚ zeigen (Fig. 13), dass derselbe aus zwei Hauptblättern und der inneren . kolossalen Zelle zusammengesetzt ist. Das Ektoderm ist überall scharf vom Entoderm abgetrennt und besteht aus einer einzigen Schicht ‘ schmaler Geißelzellen (die Geißeln gehen bei der komplicirten Behand- "Jung der Larven verloren); die Vertheilung der Kerne in den letzteren - kann aber leicht zur irrthümlichen Annahme führen, als ob das Ekio- ‘derm zweischichtig wäre (man vergleiche das Ektoderm der Fig. 1%). ‚Die früher haufenweise angeordneten Entodermzellen bilden nunmehr ‚ ebenfalls eine einzige Schicht von Epithelzellen, deren Form zwischen ‚einer cylindrischen bis zur platten variirt. | An solchen Stadien, welche wir jetzt behandeln, kann man bereits ‘den Anfang der Knospenbildung wahrnehmen. So bemerkt man auf dem Längsschnitte Fig. 13 eine starke Verjüngung der beiden Keim- ‚ blätter an dem Orte, wo später die Mundöffnung der ersten Meduse aus- bricht. Später bildet sich an dem Mundpole eine starke Hervorragung, welche uns den Rüssel der ersten Medusenknospe darstellt (Fig. 14 ‚und 15); an ihr betheiligen sich die beiden Keimblätter, wovon das ‚innere eine neugebildete Höhle (überhaupt der erste Hohlraum unseres 'Thieres) — die Rüsselhöhle — auskleidet. Am Boden der letzteren sieht man oft mehrere Zellen, welche bisweilen eine zusammenhängende ‚Schicht bilden (Fig. 14 e) und so den Hohlraum des Rüssels von dem ‚oberen Rande der kolossalen Zelle scheiden. Dies ist die einzige Er- scheinung, welche ich mit der Angabe Ursanin’s über die Spaltung des ‚Entoderms in Zusammenhang bringen kann. Nach meinen Becb- ‚achtungen kann nur Rede von einer Ablösung einiger Entoderm- ‚zellen zur Bildung der erwähnten Scheidewand, nicht aber von einer ‚wirklichen Spaltung des gesammten Entoderms sein. Die Abbildungen ‚Ursanıs’s, auf welche er sich beruft (Fig. 5 und 10 seiner Taf. I), lassen ‚her auf eine künstliche Spaltung schließen , welche als Folge der un- passenden Behandlungsweise der Larven zu betrachten ist. Die Fig. 5 eigt namentlich eine besonders unregelmäßige Anordnung der Ento- ‚dermkerne, wovon einige fast ganz bloßgelegt werden, eine Erschei- aung, welche ich niemals gesehen habe. Die Untauglichkeit der bezüg- ‚ichen Schnitte Ursanıws kann noch durch schlechte Erhaltung des _ ‚Ektoderms bewiesen werden. | Bei der Untersuchung weiter entwickelter Stadien war mein Augen- ‚nerk Dicht auf die bereits bekannten Verhältnisse der Knospenbildung, „;ondern hauptsächlich auf das Schicksal der kolossalen Zelle gerichtet. | | | | 442 Elias Metschnikoff, Nach dem definitiven Festsetzen des proliferirenden Thieres auf der Carmarinenzunge bleibt die betreffende Zelle noch lange Zeit erhalten, | wie man das aus der Fig. 16 ersehen kann. Sie liegt ausgebreitet im | basalen Theile des Thieres und zeigt ihren großen Kern und das Proto- | plasma. Das letztere zeichnet sich jedoch durch das Vorhandensein mehrerer Vacuolen aus, in deren Innerm feine, wie Harnkonkremente aus- sehende Körperchen eingebettet sind. Dies ist vielleicht als erstes Zeichen einer Degeneration anzusehen, welche auf späteren Stadien die ganze Zelle zum Verschwinden bringt. Dieses Bewegungsorgan wird offen- ' bar nach dem Festsetzen des Thieres funktionslos und unterliegt dess- ' halb einer allmählichen Atrophie. Auf ganz fertigen großen Thieren mit reicher Knospenbildung habe ich wenigstens die betreffende Zelle nicht mehr auffinden können. Diese, so wie sämmtliche übrige von mir gewonnenen Thatsachen sprechen gegen die Vermuthung für eine Be- | theiligung der kolossalen Zelle im Processe der Nahrungsaufnahme. Der | letztere erfolgt überhaupt durch Diffusion flüssiger Stoffe, welche offen-! bar nur aus dem Körper des Wirthes abstammen können. Eine Auf-' nahme fester Nahrungskörper findet bei unserem Thiere überhaupt‘ nicht statt, was offenbar gegen die oft ausgesprochene Annahme des” Kommensalismus spricht. Das betreffende knospenbildende Wesen ist! ein echter Parasit, wesshalb es mit vollem Rechte mit dem Namen” Cunoctantha parasitica bezeichnet werden kann. f Offenbar repräsentirt uns die ganze Lebensgeschichte der parasiti-" schen Meduse eine Reihe sekundärer Anpassungserscheinungen, welche gerade mit dem Parasitismus im ursächlichen Zusammenhange stehen dürf- H ten. So ist wahrscheinlich der Generationswechsel unserer Gunoctantha sekundärer Natur und durchaus nicht aus der Metagenese der Hydroiden ableitbar: die ungeschlechtliche Generation wird in unserem Falle durch die Rückbildung der Genitalien neben einer Reihe anderer Organe des Medusenkörpers charakterisirt und entspricht offenbar der die kleiner Knospenähren tragenden jungen Cunina rhododactyla. Zwischen deı ungeschlechtlichen Vermehrung der letztgenannten Art und derjeniger der Cunoctantha parasitica besteht überhaupt eine große Ähnlichkeit | wie ich es noch im Jahre 1872 angedeutet habe!. In beiden Fällen sint es jugendliche, geschlechtlich unreife und der Randkörper entbehrendei 1 Diese Zeitschr. Bd. XXIV. p. 31. Die Ergebnisse meiner Untersuchunge über Cunina rhododactyla haben mich damals veranlasst, die Angaben HAEcKEL über den genetischen Zusammenhang zwischen Carmarina und Cunina in Zweife zu ziehen und die Bildung der Knospenähren auf der Carmarinazunge einer un geschlechtlichen Vermehrurg auf der aboralen Fläche der »Mutterknospe« vel muthungsweise zuzuschreiben. | N | I Er Vergleichend-embryologische Studien. 443 | | Individuen, welche Knospen erzeugen; während nun bei Cunina rhodo- | daetyla die Knospenbildung sehr gering ist und die weitere Entwicklung ‚des proliferirenden Individuums nicht stört, wird das letztere bei ‚ der parasitischen Cunoctantha in seiner Weiterbildung gehemmt durch ‚die so sehr gesteigerte ungeschlechtliche Vermehrung. Es lässt sich ‚somit der Generationswechsel von Gunoctantha parasitica aus dem Ver- " mehrungsmodus der Cunina rhododactyla ungezwungen ableiten. Dieser "Umstand weist aber darauf hin, dass auch die charakteristischen Züge ‚der Larvenbildung des Parasiten sekundärer Natur sein müssen. In der ‚freischwimmenden bilateral-symmetrischen Cunoctanthalarve (Fig. 10) wird man daher kaum eine primäre Larvenform erblicken, zumal für "die Coelenteraten der radiäre oder vielmehr der zweistrahlige Bauplan ‚typisch erscheint. Ohne Blastopor und Gastralhöhle darf sie auch nicht ‚als eine Gastrula in Anspruch genommen werden. Noch eher könnte man das früheste von mir beschriebene Stadium (Fig. 7—9) als eine "Amphiblastula bezeichnen; nur wird die genauere morphologische Deu- ‚tung durch unsere Unwissenheit über den Ursprung der Entodermzellen ‚so wie über die morphologische Rolle der kolossalen Zelle verhindert. "Meine Untersuchungen erlauben mir nur die Schlussfolgerung zu ziehen, ‚dass erstens die von Ursanın bei der parasitischen Cunoctantha an- "gegebene Archigastrula in der Wirklichkeit nicht existirt und zweitens, dass die Entwicklungsgeschichte dieser Meduse eine ganze Reihe sekun- “därer Anpassungserscheinungen aufweist. I Die mitgetheilten Ergebnisse können zur weiteren Bestätigung des fr üher von mir ausgesprochenen Satzes dienen, dass »sich bei den echten ‚Coelenteraten die niederen Formen, ohne ein Eastnlacladium zu durch- ‚laufen , entwickeln«1, welche Angabe mit der Ansicht über das Paren- ‚chymgewebe, als das früheste Stadium des Entoderms, innig verbunden ‚ist. In letzterer Beziehung ist die von mir beschriebene Entoderment- ‚ wicklung bei Liriope interessant, weil wir auch hier ein parenchyma- ‚tisches Stadium auffinden. Barrour? hat sich mir in so fern angeschlossen, als er die Delamination als Regel für niedere Coelenteraten annimmt ‚und auch für wahrscheinlich hält, dass die Verdauungshöble und die ' Mundöffnung erst (in phylogenetischer Beziehung) späteren Ursprungs sind. Die von mir a. a. O. ausgesprochenen Vermuthungen,, welche von einigen Forschern als » Parenchymellatheorie « bezeichnet wurden, stehen i i 1 | ! Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 380, | ® Handb. der vergi. Embryologie. I. p. 172. 444 Elias Metschnikoff, Vergleichend-embryologische Studien. auch mit meinen sonstigen Erfahrungen über die Entwicklungsgeschichte der Coelenteraten im Einklange, worüber ich in der Fortsetzung dieser Studien berichten werde. Odessa, den 7./19. September 1881. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXVIII. Fig. 1. Ein Embryo von Carmarina fungiformis im Begriffe der Entodermbil- dung. Essigsäurepräparat. Vergrößerung Ocular 3 4 System 5 von HARTNAcK. Fig. 2. Ein Embryo von Liriope eurybia im Anfange der Delamination. Essig- säurepräparat. Vergr. 3 + 7. Die unterste Zelle ist nicht detaillirt ausgezeichnet, weil sich ein fremder Gegenstand an dieselbe angeheftet hatte. Fig. 3. Einige Zellen desselben Embryo von der Oberfläche. Die Buchstaben a, b, c bezeichnen auf Fig. 2 und 3 dieselben Zellen. Vergr. 3 +7. Fig. 4. Ein weiteres Stadium der Entodermbildung derselben Medusenspecies. : e, d, Zellen, welche sich in radialer Ebene theilen, f, eine in Vermehrung begriffene Entodermzelle. Essigsäurepräparat. Vergr. 3 +7. Fig. 5. Das parenchymatische Stadium von Liriope im optischen Durchschnitte. Essigsäurepräparat. Vergr.3 +7. Fig. 6. Derselbe Embryo von der Oberfläche. Fig. 7. Das früheste von mir beobachtete Stadium der Cunoctantha parasitica. Vergr. 3 -+ 7. Gezeichnet nach dem lebenden Tbiere. Fig. 8. Ein eben solches Stadium mit zwei Kernen der kolossalen Zelie. Die Larve ist mit Osmiumsäure getödtet und dann mit Pikrokarmin gefärbt worden. Verer. 3 +5. Fig. 9. Ein Durchschnitt durch ein solches Stadium. en, Entoderm, t, röhren- förmige Figuren im Inneren des Kernes. Vergr. 3 + 5. Fig. 10, 44,42. Drei weiterentwickelte Larven derC. parasitica. Nach dem Leben unter 3 + 4 gezeichnet. s, Rinne, durch welche die Pseudopodien austreten. Fig. 43. Ein Längsschnitt durch eine solche Larve. Vergr. 3 + 4. Fig. 44. Querschnitt durch eine weiter entwickelte bereits proliferirende Larve. e, einzelne abgelöste Entodermzellen. Vergr. 3 + 4. Fig. 15. Querschnitt durch ein ähnliches Stadium. Vergr. 3 +4. Fig. 16. Eine bereits mit vielen Knospen versehene rudimentäre geschlechtslose Meduse mit der kolossalen Zelle an der Basis. Vergr. 3 +4. Dimorpha mutans. Eine Mischform von Flagellaten und Heliozoen. Von Dr. August Gruber, Docenten der Zoologie in Freiburg im Br. Mit Tafel XXIX. Unter den Protisten hat die große Gruppe der Flagellaten immer eine sehr unsichere Stellung im System gehabt; denn bald zu den nie- deren Pflanzen gerechnet, bald wieder den Protozoen eingereiht, ist ihr eigentliches Wesen nicht zu befriedigender Klarheit gelangt. Erst in neuerer Zeit sind unsere Kenntnisse hauptsächlich durch die umfassen- den Untersuchungen Sızın’s! derart vermehrt und verbessert worden, dass eine sichere Ansicht darüber ausgesprochen werden kann, an welchen Platz unter den niedersten Organismen die Flagellaten gestellt werden müssen. Ihre pflanzliche Natur wird ihnen genommen, sie treten bestimmt zu den Urthieren ein und zwar weist sie Stein speciell zu den Infusorien, seit er gesehen, dass ihnen nicht nur der Kern und die kontraktile Vacuole, sondern auch ein Mund zukommt. Für eine große Reihe von Formen mag diese Einreihung unter die höheren Protozoen auch ganz berechtigt sein, aber viele giebt es noch, die sich nicht in dieses System fügen lassen und die noch oe zwischen ganz verschiedenen Gruppen von Protozoen und Protophyten hin und her schwanken. Die Bezeichnung Flagellaten muss eben allgemein gefasst werden l ‚, und dann kann sie alle diejenigen niederen Organismen begreifen, ‚ welche Geißeln tragen, während die ihrem Werth nach genau erforsch- ‚ ten Gruppen unter bestimmteren Namen zusammenzufassen sind , also I Sem, Der Organismus der Infusionsthiere. III. Abth. Leipzig 1878. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 30 446 August Gruber, z. B. die mit Mund versehenen, infusorienähnlichen als Geißelinfusorien im engeren Sinn, die Geißeln und Wimpern tragenden, welche kürzlich ' durch R. S. Bern ! genau bekannt geworden, als Cilioflagellaten. In sehr vielen Fällen haben wir die Geißeln nur als accessorische Lokomotionsorgane zu betrachten, nicht als Artcharaktere. Dies bei den SERWALTSDEN Lauen vieler niederer Algen, mancher Rhizopoden und Heliozoen. Es sind hauptsächlich drei Formen der Bewegung, welche sich am Protoplasma der Protozoen und weiterhin auch der Zellen vieler Metazoen zum Zwecke der Lokomotion manifestiren : Das Strömen des Protoplasmas, das Schlagen einzelner langer Fäden oder Geißeln und drittens das Flimmern zahlreicher feiner Wimpern. Fundamentale Unterschiede existiren bekanntlich zwischen diesen Bewe- gungsformen nicht, sie sind ihrer letzten Ursache nach identisch und nur äußerlich ungleich. Sie haben sich aber mehr oder weniger bestimmt von einander gesondert und sind einmal dieser, das andere Mal jener Gruppe von Geschöpfen eigenthümlich geworden. Die Amöboidbewegung, die niederste der drei Lokombotionsarten, zeichnet in erster Linie die Rhizopoden, die Heliozoen und Radiolarien us, die Geißelbewegung die Flagellaten und die Cilienbewegung die Infusorien. Aber scharf ist die Trennung nicht; denn wo es sich um rasche Fortbewegung kleiner Theilstücke handelt tritt auch bei den erst- genannten Gruppen die Geißelbewegung ein, um später der amöboiden Platz zu machen. Ja noch mehr, es können verschiedene Bewegungsformen zugleich an einem Individuum auftreten, so bei den Gilioflagellaten, welche Geißeln und Flimmern besitzen, bei manchen rhizopodenartigen Ge- schöpfen, die sich amöboid und durch Geißeln bewegen?. In diese Kategorie gehört auch der Organismus, den ich hier beschreiben möchte und wenn ich in der Einleitung allbekannte Thatsachen besprochen, so geschah es, um eine Erklärung dafür zu geben, dass ich dieses Geschöpf in unser bestehendes System nicht einreihen kann und um zu zeigen, dass es zu jenen Doppelnaturen unter den Protozoen gehört, die von den bestimmt charakterisirten getrennt werden sollten und die vielleicht später, wenn unsere Kenntnisse noch vollständiger geworden sein wer- den, einen eigenen Platz angewiesen bekommen mögen. 1 R.S. BercH, Der Organismus der Cilioflagellaten. Morphol. Jahrbuch. Bd. VII, 2. 2 Hierher gehören z.B. die von ScHULzE (Arch. für mikr. Anatomie. Bd. XI) be- schriebene Mastigamoeba aspera und ferner manche bei Stein (a. a. O.) abgebildete Formen. | ' Dimorpha mutans. 447 In einem träge fließenden Kanal in meinem väterlichen Garten bei Lindau fand ich einen Organismus, dessen Körperbeschaffenheit meine Aufmerksamkeit erregte und dem ich später, als ich die eigenthümlichen Wandlungen beobachtet, die er durchzumachen im Stande ist, den Namen Dimorpha mutans gegeben habe. Während ich auf der Suche nach anderen Objekten den feinen Satz durchmusterte, welcher sich in einem meiner Aquarien abgelagert, fiel mir einrhizopodenartiges Wesen auf, welches ich für eine Amoeba radiosa mit sehr feinen Fortsätzen oder für ein Heliozoon hielt. Bei Anwendung starker Vergrößerung schien ich meine Annahme bestätigen zu können, als plötzlich das Thier in zitternde Bewegung gerieth und an einer Seite eine lange Geißel sichtbar wurde (Fig. 1). Im nächsten Augenblick streckte sich der Körper, der vorher kreis- runden Umriss hatte, in die Länge, wurde eiförmig, und zugleich be- gannen die Pseudopodien sich zu verkürzen. Das Thier fing an sich von der Stelle zu bewegen und schwamm schließlich rasch durchs Wasser fort, getrieben von zwei langen Geißeln, die vom stumpferen Ende des oval gewordenen Körpers ausgingen (Fig. 2). Nachdem das Thier eine Strecke weit geschwommen war und die Pseudopodien sich bis auf ganz kurze Stümpfchen zurückgezogen hatten, hielt es allmählich in seinem Laufe an, drehte den vorderen Theil des Körpers nach unten, während die Geißeln langsam auf dem Grunde hin und her tasteten (Fig. 3). Piötzlich hörte alle Bewegung auf, der Körper wurde kuglig und von allen Seiten drangen strahlenförmig feine Pseudopodien hervor, sich rasch in die Länge streckend, so dass wieder ein Heliozoon ent- standen war (Fig. 4). Doch schien dieses mit dem gewählten Aufenthalt noch nicht befriedigt, oder ward sonst irgend wie gestört; denn gleich darauf ging die vorhin geschilderte Verwandlung wieder vor sich (Fig. 5) und der Körper wurde während des raschen Dahinschwimmens ganz glatt (Fig. 6). Das Sonnenthierchen hatte sich in ein so vollkommenes Geißelinfusorium verwandelt, dass es schwierig war, dasselbe unter den andern im Wasser befindlichen, mit Flagellen versehenen Organismen zu verfolgen. Nach längerem Umherschwimmen gelangte es schließlich wieder zu ‚ Ruhe, trieb seine Pseudopodien (Fig. 7) und hatte sich in wenigen ' Augenblicken in das reizendste Heliozoon mit einem Strahlenkranz zierlicher Protoplasmafäden umgewandelt (Fig. 8). Dieses Mal blieb ! Auf der 54. Versammlung der Naturforscher und Ärzte in Salzburg habe ich einen kurzen Vortrag über diesen Organismus gehalten, wie aus den Berichten der ' Versammlung zu ersehen ist. 30* 448 August Gruber, es in letzterem Zustande, so lange, bis ich von der Beobachtung ab- gezogen wurde. Schon an diesem ersten Exemplare gelang es mir also gleich die Haupteigenthümlichkeit dieses Wesens zu beobachten, die darin besteht, dass es im Stande ist, von einem Augenblick zum andern ein vollkommen verschiedenes Ansehen anzunehmen, so dass es in dieser Minute den Flagellaten, in jener den Heliozoen zugerechnet werden könnte. Nach- her kamen mir noch ziemlich viele Individuen zu Gesicht, die sich gerade so verhielten, wie das erste und es gelang mir auch zu öfteren Malen willkürlich das Thier aus dem Heliozoen- in den Flagellatenzustand zu zwingen. Es genügt nämlich, dasselbe durch Klopfen auf das Deck- glas so lange zu beunruhigen, bis es sich unbehaglich fühlt, worauf es seine Pseudopodien einzieht und rasch davonschwimmt. Betrachten wir uns den Bau der Dimorpha etwas näher und zwar zunächst den Flagellatenzustand, so wissen wir schon, dass in letzterem die Gestalt eine ziemlich verschiedene sein kann, je nachdem das Thier seine Pseudopodien vollkommen eingezogen hat oder nicht (Fig. 2 und 6). Das Schwimmen ist immer mit einem Rollen um die, Längsachse verbunden, welches die Beobachtung sehr erschwert; trotzdem kann man sich davon überzeugen, dass oft der Rand des Körpers vollkommen glatt ist und dass dann die Dimorpha ganz und gar einer Monadine, etwa Bodo oder einer verwandten gleicht. Der Leib ist dann regelmäßig eiförmig (Fig. 10), viel häufiger aber nach hinten zugespitzt (Fig. 9). Am Vorderende ist das Protoplasma viel heller und rein von Körnchen, in der Mitte dagegen ist es dunkel und neben den feineren Bestand- theilen finden sich immer krystallähnliche, größere lichtbrechende Körperchen. In der hiniersten Spitze sammeln sich alle Nahrungsbe- standtheile an und drängen sich dort wie in einem Sacke zusammen (Fig. 9 Nb). Außer der erwähnten Lagerung hellerer Sarkode am Vorderende ist von einer Schichtenbildung nichts zu bemerken. Ä Geißeln sind stets zwei vorhanden und zwar entspringen dieselben ziemlich nahe an einander am vorderen, abgestumpften Pol. Ihr Schlagen versetzt den Körper in eine drehende Bewegung, manchmal schlägt aber auch nur die eine und die andere wird vom Körper nach- geschleppt (Fig. 2 und 6), wie das auch bei vielen eigentlichen Flagel- laten zu beobachten ist. Von einem Munde konnte ich nichts gewahr werden, eben so wenig war der Kern sichtbar, der von dem dunkeln Protoplasma vollständig verdeckt wurde. Dass ein solcher vorhanden sein muss, wäre an und für sich nicht zu bezweifeln gewesen, hätte ich ihn auch nicht im Helio- Dimorpha mutans. | 449 zoenzustand nachweisen können. Die kontraktile Vacuole ist dagegen sehr gut zu sehen, sie pulsirt ziemlich lebhaft, ist sehr groß und liegt etwa in der vorderen Hälfte des Körpers (Fig. 10 vc). Die Dimorpha ist von keiner euticulären Hülle umgeben, sonst wären die Verhältnisse nicht möglich, die wir jetzt beim Heliozoenzustand derselben zu be- schreiben haben : Wie schon erwähnt treten im Moment, wo das Thier in der Be- wegung aufhört und sich festsetzt, eine ganze Menge von Pseudopodien aus dem nun wieder kugelig erscheinenden Körper hervor. Anfangs sind dieselben kurz und dick und mit dicht auf einander sitzenden kleinen Kügelchen oder Tröpfchen bedeckt (Fig. 11). Strecken sie sich aber in die Länge, und das kann sehr rasch erfolgen, so werden sie zu äußerst zarten Fäden, die zwei- bis dreimal die Länge des gesammten Körpers erreichen können (Fig. 15 und 8). Die Kügelchen sind jetzt weit aus einander gerückt und stehen in gleichmäßigen Abständen eiwa in der Zahl acht dem Scheinfüßchen ent- lang vertheilt. Damit entstehen Pseudopodien , welche genau mit denen mancher Heliozoen übereinstimmen, wie sie z. B. den Gattungen Raphidiophrys, Heterophrys, Acanthocystis und anderen eigenthümlich sind. Gerade bei der letztgenannten Form haben die Pseudopodien durch EnGELMAnN ! eine genauere physiologische Untersuchung erfahren, deren : ich hier erwähnen will. Er beschreibt sie übereinstimmend mit früheren Beobachtern als »äußerst zarte, unverzweigte, im völlig ausgestreckten Zustande den ' Körperdurchmesser bis um das Doppelte, Dreifache, ja noch mehr über- treffende und dann nicht wohl messbar dicke Fasern von verhältnis- mäßig großer Steifheit. Sie strahlen in meist genau radiärer Richtung von der Körperoberfläche aus. Einzelne sehr kleine, stark lichtbrechende ‚ Körnchen pflegen sich an ihnen sehr langsam hin und her zu verschie- ‘ ben, auch wohl einmal an einander vorbei zu ziehen«. Alles stimmt genau auch für Dimorpha, ausgenommen vielleicht der letzte Satz, für ' den ich wenigstens hier keine Beobachtung aufweisen kann. | EnGELMAnN fand nun, dass bei heftigen Erschütterungen, haupt- ' sächlich durch Buktionsstküme, sich die Fäden nicht langsam zurück- ‚ ziehen, sondern plötzlich zusammenzucken, so dass kleine Protoplasma- ı klümpchen entstehen, in welchen die Körnchen dicht zusammenge- ı drängt sind. Er sieht desshalb in den Pseudopodien Analoga der Fibrillen, 1 ENGELMAnN, Über den faserigen Bau der kontraktilen Substanzen etc. Onderz. Physiol. Lab. Utrecht. Deel VI. Afl. 2. St. 4. | | | | | 1 | | D 450 August Gruber, welche in letzter Instanz alle Muskeln höherer Thiere zusammensetzen und nennt sie dem entsprechend Myopodien. Leider kam mir die interessante Arbeit EnGELMANN’S zu spät zu Ge- sicht, als dass ich noch hätte ähnliche Versuche mit Dimorpha anstellen können, immerhin erinnere ich mich das rasche Zusammenziehen der Pseudopodien und das Zusammenstoßen der lichtbrechenden Kügelchen (vgl. Fig. 11) öfters gesehen zu haben und glaube, dass man mit vollem Recht die Fäden der Dimorpha auch als Myopodien bezeichnen darf. Es weist also das morphologische sowohl wie das physiologische Verhalten der Protoplasmafortsätze die Dimorpha entschieden unter die Heliozoen und zwar unter die höher stehenden Formen derselben, im Gegensatz zu jenen, welche ihrem Körperbau und ihrer Bewegungsweise nach den Amöben noch sehr nahe stehen. Noch größer findet man diese Übereinstimmung, wenn man die Dimorpha bei dem Akte der Nahrungsaufnahme zu beobachten Gelegen- heit hat. Es würde zu weit führen, die verschiedenen Angaben aufzuzählen, welche über die Art und Weise des Fressens bei den Heliozoen gemacht worden sind, überdies findet man dieselben sehr vollständig in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs von BürschLı zusammengestellt (8.,9.und 10.Lfg. 1881). Zunächst istanzuführen, dass auch bei Dimorpha den Pseudopodien in ausgesprochenem Maße die Fähigkeit innewohnt, auf kleine Organismen, die sich in ihnen fangen, eine rasch tödtende Wirkung auszuüben, so dass sie von dem Gifte in wenigen Augenblicken absolut gelähmt werden. | | Ferner sah man, dass die Beute dann an den Pseudopodien herab und dem Körper zuglitt; auch dies verhält sich so bei Dimorpha. Schließ- lich ist auch der Vorgang der Aufnahme des Nahrungskörpers in das Protoplasma ganz derselbe, wie er erst neuerdings von Leipy! für eine Reihe von Heliozoen, wie Rhapidiophrys, Acanthocystis, Actinosphaerium beschrieben worden ist. Ich habe den ganzen Process öfters beobachtet und versucht, ihn auf Fig. 12—14 möglichst naturgetreu darzustellen: Ein grünes Körper- chen, wahrscheinlich die Spore einer Alge, hat sich zwischen zwei Pseudopodien gefangen, kaum ist es mit den Körnchen derselben in Be- rührung gekommen, als auch sofort die Bewegung an den beiden Geißeln, die es trägt, aufhört und der Tod eintritt, worauf man esrasch an den Fäden herabgleiten sieht (Fig. 12). Jetzt ist es in die Nähe der Peri- pherie gelangt und es wölbt sich ein breiter Protoplasmafortsatz wie bei I 1 Leipy, Freshwater Rhizopods of North America. Un. St. geolog. survey of | the territories. Vol. 42. Washington 4879. | f v Dimorpha mutans. 451 einer Amöbe hervor (Fig. 13), umfasst die Beute und zieht sie rasch ins Innere der Dimorpha herein (Fig. 14). Zur gleichen Zeit sah ich an demselben Thier gerade an der ent- gegengesetzten Seite eine andere Spore in der nämlichen Weise aufge- nommen werden, ein Beweis, dass nicht etwa irgend eine Körperstelle für die Nahrungsaufnahme prädestinirt ist. Vier Stunden später waren beide grüne Kugeln vollkommen verdaut. Nachdem wir die Pseudopodien einer näheren Betrachtung unter- zogen, müssen wir auf den eigentlichen Körper unser Augenmerk richten: Im Gegensatz zum Flagellatenzustand erscheint die Dimorpha in der Heliozoengestalt als Kugel, beziehungsweise als kreisrunde Scheibe, wenn man sie sich im optischen Querschnitte denkt (Fig. 15), und hat dann einen Durchmesser von ungefähr 0,015 mm. Die ganze Masse be- steht aus einem weichen Protoplasma, dessen wenig feste Konsistenz bei der Nahrungsaufnahme deutlich ersichtlich wird. Die Zusammensetzung ist selbstverständlich keine andere als die im Flagellatenzustand be- schriebene, nur sind hier die Nahrungsballen gleichmäßig durch den ganzen Körper vertheilt (Fig. 15 Nb). An der Peripherie sieht man die kontraktile Vacuole, die ebenfalls in Lage und Art der Entleerung mit demselben Organ bei den Heliozoen \ übereinstimmt (Fig. 15 vc). Auch hier sieht man wie bei der Diastole der Körperrand hügelartig vorgebaucht wird, bis schließlich die Blase ; platzt, und sich nach außen entleert. Was endlich den Kern betrifft, so ist derselbe auch im Heliozoen- zustand leider sehr schwer und in den meisten Fällen überhaupt nicht zu sehen. , Bei all den Exemplaren, welche ich zur Zeichnung verwandt habe, war er unsichtbar und nur bei einem oflenbar nicht lebens- frischen Individuum, bei welchem das Protoplasma sehr hell war, sah man ihn deutlich als rundes mit hellem Hof versehenes Scheibchen. Auch durch Zusatz von Reagentien kann es gelingen den Nucleus als dunklere Stelle in der übrigen Sarkodemasse zur Erscheinung zu bringen. So weit hätte also die Dimorpha alle Merkmale eines echten Helio- zoons und es wäre kein Grund vorhanden, wesshalb man sie nicht in irgend eine der bekannten Gattungen aufnehmen oder derselben wenig- siens anreihen sollte. Ein Umstand aber macht dies unmöglich, nämlich der, dass die Flagellatennatur bei dem Übergang in den Ruhezustand nicht vollständig verloren geht, sondern dass die beiden Geißeln erhalten bleiben. Sie sind zwar oft vom Körper verdeckt oder unter den vielen Pseudopodien 452 August Gruber, verborgen, häufig sieht man sie aber auch recht deutlich neben den anderen Fortsätzen hervortreten (vgl. Fig. 15 Fl). Noch deutlicher tritt die Doppelnatur der Dimorpha hervor , wenn es gelingt, sie durch Ver- schieben des Deckgläschens um 90 Grad zu drehen. Dann erscheint nämlich der Körper nicht rund, sondern mehr in die Länge gezogen ; an dem einen breiteren Ende ist, wie beim Flagellaten- zustand, helleres Protoplasma angesammelt und an ihm sieht man mit aller Deutlichkeit die beiden Geißeln entspringen (Fig. 16). Man erinnert sich, dass bei dem Übergang vom schwimmenden in den ruhenden Zustand die Dimorpha sich mit den Geißeln nach unten festsetzt, und da sich nun der Körper etwas abplatiet und derselbe walzrund ist, so wird er bei der Betrachtung von oben immer als Kugel erscheinen, auch wenn er von der Seite gesehen der Form noch näher steht, die er bei der raschen Bewegung angenommen hatte. Nachdem ich die Morphologie der Dimorpha so weit sichergestellt hatte, war es mir vor Allem darum zu thun, ihre Fortpflanzung kennen zu lernen und zu erfahren, ob dieselbe im Flagellaten- oder im Helio- zoenzustand stattfinde. Leider sind aber die Resultate, die ich in dieser Beziehung erhalten, sehr unbefriedigend und lassen kaum sichere Schlüsse ziehen. Wie es so oft beim Studium der Protozoen der Fall ist, dass man von Zeit zu Zeit auf ziemlich reichliches Material stößt, dasselbe aber allzurasch wieder abnehmen sieht, so war es auch hier. Eine Zeit lang war die Dimorpha in ziemlich vielen Individuen vertreten, und so weit es bei der Kleinheit des Objekts möglich, leicht aufzufinden. Mit einem Male aber war sie verschwunden und trotz Tage langen Suchens im Aquarium und im Freien bekam ich kein Exemplar mehr zu Gesicht. Nur einmal stieß ich auf kleine Organismen, die große Ähnlichkeit mit Dimorpha zu haben schienen, und welche eigenthümliche Verhält- nisse zeigten. Zwei Körper von etwa gleicher Größe hingen durch eine dünne Protoplasmabrücke verbunden an einander, wie wenn sie durch Ah- schnürung aus einem größeren Individuum entstanden wäre (Fig. 17). Das eine Stück war kugelig und an seiner Peripherie traten wenige kleine Fortsätze hervor, die ungefähr wie wenig ausgestreckte Pseudopodien aussahen, das andere dagegen war mehr oval und war an einem Ende mit zwei mehrfach gekrümmten, ganz unbeweglichen Geißeln versehen. An ihm bemerkte man sehr deutlich einen Kern und eine pulsirende Vacuole (Fig. 17 n, vc), während am anderen Individuum nur letztere sichtbar war (ve). Ä Ich verfolgte nun diese beiden Organismen einige Zeit lang und Ib _Dimorpha mutans. 453 bemerkte, wie der Protoplasmastrang, der sie verband, immer dünner wurde, bis er schließlich verschwand und die zwei Stücke nun ge- trennt neben einander lagen. An dem einen hatten sich die Fortsätze vermehrt, das andere war auch kugelig geworden und die Geißeln führten schlagende Bewegungen aus (Fig. 18). Weiteres konnte ich an diesen so wie an wenigen anderen auf dem- selben Stadium befindlichen Exemplaren nicht beobachten. / Es könnte nun sein, dass wir hier den Theilungsvorgang der Dimor- pha vor uns hätten und zwar den letzten Moment, wo die beiden Theil- stücke sich trennen. Die Einschnürung wäre dann in der Weise erfolgt, dass die eine . Hälfte die beiden primitiven Geißeln mitbekommen hätte, während die ‚ andere nach der Theilung wieder neue hätte bilden müssen. Doch wage ich kein sicheres Urtheil auszusprechen , weil die Beobachtungen doch zu wenig umfassend sind!. i Ich muss nach dieser Beschreibung noch einer Form Erwähnung ‘ ihun, die man möglicherweise als mit der Dimorpha identisch auffassen möchte. Sie wurde zunächst von BürscuLı? als »Flagellate. mit nucle- ariaartigem Heliozoenzustand« beschrieben und ungefähr zu derselben Zeit als Ciliophrys infusionum von CIEnKowsk1?, der sie unter die Helio- . zoen stellte. Es ist nicht zu leugnen, dass eine große Ähnlichkeit zwischen der ‘ Dimorpha und dieser Form existirt und dass die Art und Weise, wie ‘ die Giliophrys in den Schwärmerzustand übergeht, ganz dieselbe ist wie bei ersterer, wobei übrigens von CiEnkowsk1i eine Rückkehr zur Heliozoen- form nicht beobachtet worden. BürscuLr's schön ausgeführte Zeich- ‚ nungen stimmen zu den meinigen allerdings nicht (vgl. dort Taf. XII , Fig. 22a und b); denn im Rhizopodenzustand ist der Körper rings in , amöboide Fortsätze ausgezogen, auch soll er der Geißel entbehren, und diese letztere ist im Flagellatenzustand nur in der Einzahl vorhanden. Cienkowskr's Abbildungen lassen sich eher auf die meinigen zu- rückführen ; aber auch an diesen so wie in dem Text zeigen sich manche wichtige Unterschiede, so dass die Übereinstimmung der Ciliophrys mit | I Die Beobachtungen, welche Cıenkowskı über die Fortpflanzung seiner gleich , zu besprechenden Ciliophrys (s. u.) gemacht hat, stimmen in manchen Be- ‚ ziehungen mit dem eben Gesagten überein. Man vergleiche hauptsächlich seine Figur 43 (Archiy für mikr. Anat. Bd. XII). 2 Beiträge zur Kenntnis der Flagellaten und einiger verwandten Organismen. ‚ Diese Zeitschr. Bd. XXX. 3 Über einige Rhizopoden und verwandte Organismen. Archiv für mikr. Anat. ' Bd, XII. 454 | August Gruber, der Dimorpha durchaus nicht sicher steht. Es ist ja auch kein Grund vorhanden, warum nicht zwei und mehr Arten diese Zwischenstufe zwischen Flagellaten und Heliozoen einnehmen sollen. ÜIENKOWSKI, dessen Arbeit in mehrfacher Beziehung von Interesse ist, hat noch eine weitere Heliozoenähnlichkeit seiner Ciliophrys darin gefunden, dass die- selbe ganz analoge Verschmelzungsprocesse eingeht, wie man sie bei Actinophrys und anderen Arien so oft beobachten kann. Wenn wir jetzt noch die systematische Stellung der Dimorpha prüfen wollen, so wird uns, wie ich schon Eingangs sagte, die Über- zeugung aufgedrängt, dass sich dieser Organismus in die bekannten ‚Gruppen der Protozoen nicht einreihen lässt. Wir können ihn aber wohl als Mischform zwischen Heliozoen und Flagellaten bezeichnen, oder, wie ich in der Einleitung sagte, zwei Bewegungsformen des Protoplasmas die Pseudopodienbildung und die Erzeugung schlagender Geißeln sind hier an einem Individuum vereinigt, während sonst jede für sich zum charakteristischen Merkmal weit getrennter Gruppen, der Sonnenthier- chen einerseits und der Geißelinfusorien andererseits geführt haben. Dass aber auch bei den Heliozoen Flagellen auftreten können, hat man an den flagellatenähnlichen Schwärmsprösslingen gesehen, welche bei mehreren Arten beobachtet wurden. Wir stehen hier vor einem ähnlichen Fall wie bei den Acineten und Giliaten. | Die Schwärmer der ersteren gleichen den Infusorien durch ihr ver- schieden gestaltetes Wimperkleid. Die Schwärmer der Heliozoen gleichen durch ihre Geißeln den Flagellaten. Dabei fehlt beiden Arten von Spröss- lingen der Mund, welcher den Ciliaten so wie den höheren Flagellaten zukommt!. Bei den Acineten kann es, wie Herrwie in seiner Arbeit über Podophrya ? als Anmerkung erwähnt, vorkommen, dass ein Thier seine Tentakeln einzieht, sich mit einem lebhaft wogenden Wimperüber- zug bedeckt und hinwegschwärmt, wobei der Körper eine langgestreckte abgeplattete Gestalt annimmt, um aber nach Belieben wieder in den früheren Zustand zurückzukehren. Im Vorhergehenden sahen wir, dass ein Heliozoon seine Pseudopo- dien einzieht und mittels zweier Geißeln fortschwimmt, dass sein Körper ebenfalls eine längliche Form erhält, und dass derselbe eben so jeder- zeit wieder die vorige Gestalt zurückerhalten kann. | Ein Unterschied besteht nur darin, dass jene Podophrya die Wimpern 1 Eine Andeutung eines solchen will Herrwıe bei manchen Acineten-Schwärmern gesehen haben. 2 Morpholog. Jahrbuch. Bd. I. p. 78. Dimorpha mutans. 455 erst neu bildete und wieder verlor, während die Flagellen der Dimorpha immer bestehen bleiben. Dass hier wie dort eine Verwandtschaft zwischen beiden Gruppen besteht, wird somit kaum zu bezweifeln sein, aber hier wie dort frägt es sich auch, wie diese Verwandtschaft zu denken sei; also in unserem Falle: Sind die Rhizopoden die Vorfahren der Flagellaten, oder umge- kehrt, oder liegt beiden eine gemeinsame Stammform zu Grunde? (Die nämlichen Fragen stellte auch Herrwıc für Ciliaten und Acineten.) Ich muss gestehen, dass ich nicht wage ein bestimmtes Urtheil zu fällen, weil die Aufstellung von?Stammbäumen für die Protozoen mir sehr un- sichere Handhaben zu geben scheinen. Es sei mir gestattet, als Beispiel die Theorie anzuführen , welche R. S. Beeren in seinem ganz kürzlich erschienenen vorzüglichen Werk über die Gilioflagellaten 1 ausgeführt hat (p. 272). Er sagt: »Die Flagel- laten stellen eine Ausgangsgruppe dar, aus welcher sich nach verschie- denen Seiten divergirend die Noctiluken, die Rhizopoden, die Gilio- flagellaten und durch diese die Peritrichen (welche letztere die ältesten Ciliaten repräsentiren) phylogenetisch entwickelt haben.« Die letzten Sätze scheinen auch mir sehr plausibel, weniger die ersteren und ich kann Bersn nicht zustimmen, wenn er fortfährt: »Für die Ansicht, dass die Rhizopoden aus Flagellaten entstanden sind, scheinen mir besonders folgende Thatsachen zu sprechen : 4) Die Rhizopoden (sämmtliche hierauf untersuchte Formen der- selben) haben flagellatenähnliche Jugendformen, 2) die Flagellaten laufen, so weit bekannt, kein amöben- oder rhizopodenähnliches Stadium durch, 3) es finden sich Formen, welche einerseits Amöbencharaktere (Pseudopodien), andererseits Flagellateneigenthümlichkeiten (die Geißel) besitzen. Solche Formen sind Podostoma filigerum und CGercomonas.« Was zunächst Punkt 3 betrifft, so glaube ich, dass solche Misch- formen, zu welchen Berc# noch besser die in der Einleitung genannten, von BürscaLı und Schulze beschriebenen gerechnet hätte, eben sowohl als Beweis der gegentheiligen Ansicht verwendet werden können, dass nämlich die Flagellaten von den Rhizopoden abstammen. Gerade die citirte Podostoma, welche in neuerer Zeit auch von Mascı und ÜATTANEO? untersucht worden, scheint viel eher eine Amöbe im Begriff der Flagel- latwerdung, als ein Rhizopod mit Nachklängen aus der Flagellatenzeit zu sein. Die Beweisfähigkeit von Punkt I scheint mir desshalb hinfällig, weil es meiner Ansicht nach bei den Protisten, d. h. bei den einzelligen 1a.a.0. 2 Rendiconto R. Istit. Lomb. 2. IX und Atti d. soc. it. d. sc. natur. 34. 456 August Gruber, Wesen keine Jugendformen giebt. Die Bildung von Sprossen, Schwär- mern oder wie wir sie sonst nennen wollen ist, wie dies schon mannig- fach hervorgehoben wurde, im Grunde nichts Anderes als ein Theilungs- vorgang. Eben so wenig man aber bei der einfachen Zweitheilung sagen kann, die eine der beiden Theilhälften sei die jüngere, eben so wenig kann man dies bei den Theilsprösslingen. Hier täuscht nur die bedeutendere Größendifferenz, während das Wesentliche, das Protoplasma, resp. seine molekulare Zusammensetzung absolut die gleiche ist bei allen Theilstücken, mag man nun das eine die Mutter, die andern die Töchter nennen oder nicht. Mit anderen Worten: bei der Fortpflanzung der Protozoen unter- scheiden wir wohl ein Wachsthum, aber keine Entwicklung; wenn ein Stück sich als Schwärmer ablöst, so kann sein abweichendes Ansehen nicht auf einer Rekapitulation von Eigenthümlichkeiten beruhen, welche die Art früher besessen, in dem Sinne wie wir es bei den Metazoen anzunehmen gewohnt sind — weil der Spross identisch ist mit dem Theil, von welchem er sich gelöst. Zur Erläuterung möchte ich gerade eine Art nennen, welche auch BerGH zur Stütze für seine Theorie gewählt hat, nämlich die Micro- gromia socialis von Herrwiıe!. Dort entsteht der Schwärmer meist durch reguläre Zweitheilung, er hat seinen gleichen Antheil an Protoplasma und hat genau die Hälfte des Kerns erhalten, wie das in der Schale zurückbleibende Stück, kurz beide durch quere Einschnürung entstandene Organismen sind die Hälften des vorherigen ungetheilten , eine kann somit nicht jünger sein als die andere. Wenn wir also trotzdem sehen, dass das auswandernde Stück sich in einen flagellatenähnlichen Körper umgestalten kann, so wird es damit nicht zu einer Jugendform, sondern es beweist nur, dass auch dem Rhizopodenprotoplasma die Fähigkeit innewohnt, Geißeln zu erzeugen, wenn es sich darum handelt eine rasche Lokomotion hervorzurufen, es beweist auch, dass die beiden Gruppen der Wurzelfüßer und der Geißelträger sich nahe stehen, nicht aber dass erstere aus letzterer her- vorgegangen. Es ist auch nicht richtig, dass » sämmtliche hierauf unter- suchte Formen« der Rhizopoden flagellatenähnliche Schwärmer haben, ja gerade bei Microgromia beschreibt Herrwie außer den mit zwei Geißeln versehenen auch »actinophrysartige Keime«, wie er sie nennt, welche sich also mittels Pseudopodien fortbewegen ?. 1 Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. X. Supp!. 2 Um ein anderes Beispiel zu wählen, so sind auch bei Arcella amöbenartige Schwärmer beobachtet worden. Dimorpha mutans. 457 Nach alle dem scheinen mir die drei Momente, die auf eine Ab- stammung der Rhizopoden von Flagellaten hindeuten sollen, als Beweise nicht haltbar zu sein!. Will man sich aber auf Reflexionen über diese Verwandtschaftsverhältnisse einlassen, so scheint es mir natürlicher die Rhizopoden als die älteren Organismen aufzufassen, weil sie in letzter Instanz zu den formlosen Plasmodien, wenn wir so wollen, zum »Ur- schleim« zurück verfolgt werden können und weil dieamöboide Bewegung, die den einfacheren Formen ausschließlich zukommt, doch eine niederer stehende physiologische Leistung ist, als die Geißelbewegung. Freiburg im Br., im Oktober 1881. Erklärung der Abbildungen. [2 Tafel XXIX, Fig. 1—8 stellt die verschiedenen Wandlungen dar, welche ein Exemplar der ‘ Dimorpha mutans während etwa einer Stunde gemacht hat. Fig. A. Die Dimorpha ist eben im Begriff, den Heliozoenzustand zu verlassen, die Pseudopodien sind kurz und eine der Geißeln Fl beginnt zu schlagen. Fig. 2. Sie hat sich in Bewegung gesetzt, der Körper ist in die Länge gezogen, " die Pseudopodien haben sich noch mehr verkürzt; die eine der beiden Geißeln wird . nachgeschleppt. Fig. 3. Sie will sich wieder festsetzen und tastet mit den Geißeln auf dem » Grunde. Fig. 4. Der Ruhezustand ist eingetreten und die Pseudopodien strahlen wieder hervor; vc, die Vacuole. Fig. 5. Gleich darauf werden die Fortsätze wieder eingezogen, die Geißel- bewegung beginnt wieder und Fig. 6 die Dimorpha wird zum Flagellat. Fig. 7. Abermals hat sie sich festgesetzt, die Pseudopodien erscheinen wieder und in | Fig. 8 ist der Heliozoenzustand auf das Vollkommenste erreicht. Fig. 9. Eine Dimorpha im Flagellatenzustand und zwar in der gewöhnlichen ' Gestalt. Am stumpfen Ende sieht man eine Zone helleren Protoplasmas, am hin- teren liegen die Nahrungsbestandtheile zusammengedrängt Nb. Fig. 40. Ein anderes Exemplar von Eiform ; bei ve die kontraktile Vacuole. | Fig. 14. Dasselbe Exemplar mit unvollkommen ausgestreckten Pseudopodien ; man bemerkt an denselben die lichtbrechenden Körnchen dicht zusammengedrängt. Fig. 42—43 stellt das Fressen der Dimorpha dar. Fig. 12. Eine grüne mit zwei Geißeln versehene Spore hat sich in den Pseudo- podien gefangen, war sofort getödtet und gleitet nun dem Körper zu. | Fig. 43. Es wölbt sich ein Protoplasmafortsatz hervor, ergreift die Beute und _ zieht sie herein. ! Punkt 2 widerlegt sich natürlich zugleich mit dem ersten Satz. | | | = 458 August Gruber, Dimorpha mutans. Fig. 44. Die Spore liegt im Inneren und zu gleicher Zeit ist auf der anderen Seite eine zweite aufgenommen worden. Fig. 45. Eine Dimorpha im Heliozoenzustand mit dem Zeichenapparat bei Ver- größerung Harrnack Ocular 3, Objektiv 40 (Immersion) gezeichnet. Die Nahrung im Inneren (braune und grüne Kugeln) ist gleichmäßig vertheilt. vc, die kontraktile Vacuole; FI, die Geißel. Fig. 46. Ein anderes Exemplar von der Seite gesehen. Der Körper erscheint mehr länglich und am stumpferen Ende, wo helleres Protoplasma liegt, sieht man die beiden Geißeln Fl. Fig. 47. Wahrscheinlich der Theilungsvorgang der Dimorpha. Das eine Theil- stück zeigt in unvollkommener Weise die Heliozoengestalt, das andere ist Flagellat. Fl, unbewegliche Geißeln ; n, der Kern; vc, die kontraktile Vacuole; Ps, die Pseudo- podien. Fig. 18. Die beiden Körper haben sich getrennt, am Flagellat bewegen sich die Geißeln, am Heliozoon sind noch mehr Pseudopodien entstanden. Beiträge zur Kenntnis der Amöben. Von Dr. August Gruber, Docenten der Zoologie in Freiburg im Br. Mit Tafel XXX. Bekanntlich hat seiner Zeit AurrkacH !, ausgehend von der Annahme - einer häutigen Umgrenzung als nothwendigem Attribut der Zellen eine ‘ für die damaligen Verhältnisse wohl erklärbare Theorie aufgestellt, wo- nach auch den Amöben als einzelligen Wesen eine hautartige Hülle zu- ‘ komme. Diese Ansicht wurde von späteren Forschern widerlegt und hauptsächlich war es auch GrEEFF ?, der den Beobachtungen AuErBAch’s eine richtigere Deutung zu geben wusste. Mit dem Sturze jener Theorie scheinen aber auch einige Formen von Amöben und manche Erscheinungen ‘an ihrem Sarkodekörper in den Hintergrund getreten zu sein, welche AUERBACH sehr genau erkannt und sehr klar gezeichnet, wenn auch nicht ganz richtig gedeutet hatte. Es handelt sich hier um zwei Amöben, deren Körper von einer doppeltkonturirten feinen Hülle umgeben schien und die unter dem Namen " Amoeba bilimbosa und Amoeba actinophora beschrieben worden waren. Sie wurden später von Hrrrwıc und Lesser ? wieder erwähnt und ‘ für identisch mit ihrem Cochliopodium gehalten, was aber, wie ich später zeigen will, kaum der Fall sein kann. Ähnliche Verhältnisse müssen wir auch für Greerr’s* Gattung Amphi- ‚ zonella annehmen , wie das seine Abbildung der farblosen Art (Fig. 18) | | | | | | deutlich zeigt. Das Vorhandensein einer feinen Lage hellen Protoplasmas um den Amöbenleib, welche von den Pseudopodien erst durchbrochen werden 1 AUERBACH, Über Einzelligkeit der Amöben. Diese Zeitschr. Bd. VII. 2 GREEFF, Über einige in der Erde lebende Amöben und andere Rhizopoden. 3 Hertwıe und Lesser, Über Rhizopoden und ihnen verwandte Organismen. Arch. für mikr. Anat. Bd. X. Suppl. 4 Arch. für. mikr. Anat. Bd. II. 460 August Gruber, muss, scheint mir keine ganz bedeutungslose Erscheinung zu sein und ich hoffe ihr durch Aufführung einer weiteren hierher gehörigen Amöben- form und durch abermalige Untersuchung der Amoeba actinophora AuEr- BAcH’s einiges Interesse abzugewinnen. 1) Amoeba tentaculata nov. spec. Die Amöbe, welche den Gegenstand der nachstehenden Betrachtung bildet, habe ich in dem kleinen Seewasseraquarium des hiesigen Zoologi- schen Institutes gefunden. Das Wasser und die darin befindlichen pflanzlichen und thierischen Organismen stammen größtentheils aus dem Frankfurter Aquarium. Doch habe ich dieses Frühjahr einige Flaschen Meerwasser mit lebendem In- halte von der Küste und aus dem Hafen von Genua mitgebracht und dem anderen beigemischt, so dass ich in keiner Weise im Stande bin, für das hier zu beschreibende Geschöpf die Heimat anzugeben. Die Meeres- protozoen, wenigstens die der Küstenfauna, scheinen aber ziemlich kosmopolitisch zu sein! und man darf somit auch für de Amoeba tentaculata einen weiten Wohnbezirk in unseren Meeren an- nehmen. — Wenn ich Stückchen einer Alge auf dem Objektträger aus- klopfte oder auch etwas von der an der Glaswand angesetzten Kruste abkratzte, fanden sich fast regelmäßig einige Exemplare der Amöbe. Sie stellt ein Klümpchen von sehr verschiedener Größe dar. Die kleinsten Exemplare maßen circa 0,03 mm, die größten dagegen 0,12 mm. Der Körper tritt wegen seines größeren Lichtbrechungsvermögens leuchtend aus dem Wasser hervor, eine Eigenschaft, welche beim Proto- plasma aller Rhizopoden mit einer entsprechend größeren Zähigkeit Hand in Hand geht. Auch hier finden wir die Regel bestätigt; denn das Proto- plasma der Amoeba tentaculata ist in der That eine — gegenüber dem verwandter Geschöpfe — äußerst zähe Masse. Bei schwacher (etwa 80facher) Vergrößerung sieht man keine Be- wegung, keine Formveränderung an dem Thiere sich abspielen und erst, bei Anwendung starker und stärkster Linsen überzeugen wir uns, dass wir eine Amöbe vor uns haben, deren Gestalt in einem fortwährenden,, wenn auch trägen, Wandel begriffen ist. Wir werden elsieh sehen, dass das scheinbar elrnaelns verharrende 1 Ich fand letztes Frühjahr die von mir (diese Zeitschr. Bd. XX VIII) beschrie- bene Cothurnia.operculata im Hafen von Genua, während die früheren Exemplare aus dem Frankfurter Aquarium, also wohl aus nordischen Meeren stammten. In demselben Aquarium war auch die a. a. O. besprochene Cothurnia socialis und diese entdeckte ich erst kürzlich wieder in Menge an Hydrozoenstöckchen , die: von der Ostsee kamen. Beiträge zur Kenntnis der Amöben. 461 Thier auch einer Ortsbewegung fähig ist und in einen — mit starken Linsen — deutlich wahrnehmbaren Fluss gerathen kann. Betrachten wir uns aber zunächst das Geschöpf im ruhenden Zu- stand, in welchem es regelmäßig begriffen ist, wenn man es kurz vorher auf den Objektträger gebracht hat: Die Amöbe hat dann im Wesent- lichen dieselbe Gestalt wie eine Amoeba verrucosa, d.h. der ganze Körper ist wie zusammengeschrumpft und an der Oberfläche von hohen Buckeln und tiefen Falten bedeckt, die langsam ihre Form und Lage ändern. | Im Inneren äußert sich die Lebensthätigkeit des Protoplasmas durch ein Strömen und Zittern der feinen dunklen Körnchen, mit welchen die Sarkode reichlich durchsetzt ist. So weit wäre im Verhalten der Amoeba tentaculata nichts Auf- fallendes zu bemerken und die Verhältnisse würden ganz denen bei der so häufigen und oft beschriebenen A. verrucosa entsprechen. Während wir aber bei letzterer als CGharakteristikum eigentliche Pseudopodienbildung vermissen, sowohl im Ruhezustand wie während des Fließens, so überrascht es uns hier an verschiedenen Stellen des Körpers feine Protoplasmafäden hervortreten zu sehen. Es sind dünne, von oben bis unten gleich breite Fortsätze, welche bald da, bald dort ', vom Körper abstehen und langsam, wie tastend, sich hin- und herbieger, ‚ manchmal sich bogenförmig krümmen, meist aber ziemlich gerade aus- ' gestreckt bleiben. Es fiel mir zuerst auf, dass diese Pseudopodien nicht, ‘ wie bei andern Amöben, fingerförmig, allmählich dünner werdend sich aus dem Protoplasmaleib erhoben, sondern dass ihnen kleine zapfen- förmige Erhebungen des Körpers zur Basis dienten, von welchen sie sich, scharf abgesetzt, erhoben. Waren solche Pseudopodien mit ihren Trägern recht zahlreich vor- handen, so verliehen sie der Amöbe ein sehr eigenes Aussehen, wie ich das auf Fig. 1 darzustellen versucht habe. Es handelte sich nun darum, einen Grund für das eigenthümliche Verhalten der Pseudopodien aufzufinden und dies gelang mir denn auch ‚ bei Anwendung von Immersionssystemen (Harrnack Nr. X oder SEIBERT , homogene Imm.) sehr bald. Es zeigte sich nämlich, dass die ganze Amöbe umgeben ist von einer ‚ feinen Lage dichterer Substanz, also einer hautartigen Rindenschicht, ‚ welche die Peripherie aller Buckel und Fortsätze deutlich doppelt kon- turirt erscheinen lässt. Bei den von Grerrr! beschriebenen, der A. tentaculata ähnlichen, ! Archiv für mikr. Anatomie, Bd. II. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 34 ar 462 August Gruber, in der Erde lebenden Rhizopoden musste schon an eine derartige zähere Rindenschicht gedacht werden und eben so bei der öfter genannten Amoeba verrucosa. Mir gelang es zwar bei letzterer nicht, etwas Ähnliches zu ent- decken, aber Leipy! giebt an: »A striking pecularity of Amoeba verru- cosa is, that the outlines of the body, the pseudopodal expansions, and the wrinkles ofthe surface often appear defined with partial or interrupted double lines, as if the animal were invested with a delicate membrane (Pl. III, Fig. 1, 2, 7, 28, 29)«. — Eine solche Haut oder besser haut- artige Verdickung einer feinen Rindenschicht ist es nun sicher, was wir bei der Amoeba tentaculata vorfinden. Direkt unter dieser festeren Hülle liegt die weiche innere Sarkode- masse! Soll nun ein Pseudopodium ausgetrieben werden, so ist zuerst die Hüllschicht zu durchbrechen. Diese leistet aber einigen Widerstand und wird dessbalb kegelförmig vorgetrieben?. An der Spitze des Kegels bricht eine Öffnung durch und die Sarkode tritt in Form eines dünnen, Fadens hervor. Zur Veranschaulichung dieses Vorgangs diene die Fig. 8, an welcher man deutlich die dünne Rindenschicht (R) des Pseudopodien- kegels bemerkt, ferner in dessen Inneren die Marksubstanz (W), welche an der Spitze als Pseudopodium (P) hervorgetrieben wird. ‘ Sehr deutlich gelang es mir das Einziehen des Scheinfüßchens zu beobachten, worauf manchmal aus demselben Kegel ein neues hervor- trat. Ich glaube auch öfter den Austritt von zwei Pseudopodien zugleich gesehen zu haben. Es haben die Pseudopodienkegel eine ganz konstante Form und ob- gleich sie vollständig wieder verstreichen können, so geschieht das doch nicht immer nach Einziehen des Scheinfüßchens, sondern sehr häufig bleibt die Erhöhung auch nachher noch bestehen und es scheint ein kleiner Krater an der Stelle sich gebildet zu haben, wo die Öffnung für das Pseudopodium gelegen hatte (siehe Fig. 2 %). Einmal fand ich ein Exemplar, an welchem viele Pseudopodienkegel sich befanden, aber alle ohne Fortsätze (Fig. % A); trotzdem blieben die- selben noch ziemlich lange bestehen, ohne sich zu verändern. Ich sagte schon oben, dass die Pseudopodien, welche auf diese Weise entstehen, sich langsam hin und her krümmen, eine Bewegung, die sie mit denen anderer Amöben gemein haben. 1 Leıpy, Freshwater Rhizopods of North Amerika. p. 55. 2 Kegelförmige Erhebungen sind auch bei Podostoma filigerum beschrieben worden. In ihnen soll sich.ja sogar eine Art Mundöffnung befinden, was aber noch. der Bestätigung bedarf. Immerhin könnten sie auf die vorliegenden Gebilde zurück- | führbar sein. Übrigens können wohl auch bei anderen Amöben ähnlich aussehende 7 Vortreibungen entstehen (siehe auch AUERBACH a. a. O. Fig. 15). Beiträge zur Kenntnis der Amöben. 463 Ob sie als Tastorgane funktioniren, oder ob sie dazu bestimmt sind Nahrung herbeizuziehen, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben. Ersteres ist mir aber wahrscheinlicher, denn man findet im Inneren meist Nahrungsbestandtheile, wie Diatomeen, Algen u. s. w., die viel zu groß sind, als dass sie durch die enge Öffnung am Pseudopodienkegel hätten eindringen können!. Jedenfalls ist das Thier im Stande auch trotz der derberen Hüll- schicht feste Bestandtheile in sein Inneres aufzunehmen. Außerdem kennen wir ja ganz nahe verwandte Formen, wie die A. verrucosa, die dieser Organe entbehren und ganz eben solche Nahrungskörper aufnehmen, Einige Male schien es mir als ob durch die Pseudopodien eine langsame Ortsbewegung vermittelt würde, doch nur auf ganz unbedeutende Ent- fernungen. Zum Vorwärtskommen braucht die A. tentaculata keines beson- deren Organes, eben so wenig wie ihre Verwandten, die eine starre - Rindenschicht besitzen. Die Form nämlich, in welcher wir sie bis jetzt betrachtet, bezeichnet ‘ nur den Ruhezustand der Amöbe. Bald sehen wir Bewegung in den starren Klumpen kommen; die Buckel und Falten verstreichen allmählich, die Pseudopodien werden ‚ meistens eingezogen, und mit ihnen die Kegel und nachdem sich die ‚ Oberfläche geglättet, beginnt ein stätiges Fließen in einer Richtung, ganz : in derselben Weise, aber viel langsamer, wie das von A. verrucosa schon länger bekannt ist, wo eine Zeit lang dieses Stadium als besondere Art ‚, unter dem Namen Amoeba quadrilineata aufgefasst wurde. Die Längsfalten, welche zu diesem Namen Veranlassung gegeben haben, und die durch den in einer Richtung wirkenden Zug an der | ‚, zähen Außenschicht hervorgerufen werden, finden sich hier ganz eben ‚so (Fig. 5, 6 und 7). Ihnen entlang sieht man die Körnchen in mehreren Strömen vor- ‚ wärts eilen, während eine helle körnchenfreie Protoplasmamasse in stetem Flusse ihnen vorangleitet. Ein merkwürdiger Umstand ist der, dass oft an dem vorantreiben- den. Theil des Körpers Pseudopodien mit ihren Kegeln erhalten valleı | "und so gewissermaßen als ausgestreckte Fühler wirken können (Fig. 7 Während am hinteren Ende, also dem der vorwärts eilenden ent- gegengesetzten Theile der donpehe Kontur an der Außenschicht deutlich 'erhalten bleibt, verschwimmt er am vorderen ganz (Fig. 6), woraus ‚man schließen muss, dass die erstgenannte Partie des Körpers ihre ! Etwa wie bei Podostoma. 34%* 464 ; August Gruber, Zähigkeit beibehält, während vorn Alles in Fluss geräth, d. h. die leichtflüssigen Bestandtheile sich ansammeln. Trotzdem haben auch diese noch eine bedeutende Dichtigkeit, wie die aus ihnen hervortretenden Pseudopodien und Pseudopodienkegel beweisen, an denen aber keine doppelte Konturirung mehr sichtbar ist. Manchmal scheint eine Zone von hellem Protoplasma den ganzen Körper zu umgeben und dann sieht man die Doppellinien an keiner Stelle mehr. Von einem Kern ist nichts zu bemerken, so lange die Amöbe sich im Ruhezustand befindet und die Falten der Oberfläche den Einblick ins Innere verhindern. Setzt sich aber das Rhizopod in Bewegung, wobei der Körper sich vollkommen abflacht, so wird mit einem Male der Nucleus deutlich sicht- bar (n in zwei Figuren) und zeigt sich als von einem schmalen Saum umgebenes Scheihchen, wie bei den meisten Amöben. Eine kontraktile Vacuole ist nicht vorhanden, also ein neuer Beweis für die noch uner- klärte Thatsache, dass den marinen Rhizopoden diese Gebilde abgehen. 2) Amoeba actinophora Auerb. Das Rhizopod, das hier beschrieben werden soll. ist eine sehr kleine, 0,03—0,04 mm messende Amöbe, die sich in der Umgegend von Lindau ziemlich häufig in allerlei Wasserbehältern vorfand. Sie erregte mein Interesse desshalb, weil sie mit der vorher beobachteten Amoeba tentacu- lata manches Gemeinsame zu haben schien und in der That stellte es sich heraus, dass sie zur Ergänzung und Erläuterung der an jener ge- machten Beobachtungen äußerst günstig war. Ich hatte meine Beobachtungen schon abgeschlossen und die Zeich- nungen, so wie sie hier abgedruckt sind, entworfen, als ich mir erst die Litteratur verschaffen konnte, wobei es sich herausstellte, dass die be- treffende Form keine andere war, als die Amoeba actinophora Aurr- BACH'S!. Ein Vergleich der Figuren dieses Forschers mit den meinigen zeigt, wie sehr wir in den äußeren Merkmalen übereinstimmen, und wenn ich trotzdem meine Zeichnungen reproducirte, so geschah es aus dem Grund, weil sie die Punkte veranschaulichen sollen, in welchen ich von Aunm- pacH abweiche, nämlich das Verhalten der hier uns speeciell interessiren- den äußeren, hautartigen Rindenschicht. Ich gebe dem entsprechend auch die Beschreibung in der Weise, dass sie die Beobachtung so darstellt, wie ich sie damals, unbeeinflusst von schon Bekanntem, gemacht hatte. 1.4.2.0 Beiträge zur Kenntnis der Amöben. 465 Zunächst fiel auch hier auf, dass das Protoplasma deutlich von einem doppelten Kontur umgeben war, und das Thier wie von einer Hülle be- deckt schien. - Die Peripherie war zum größten Theile vollkommen glatt und nur an einer Stelle streckte das Thier eine mehr oder weniger große Anzahl lappiger Pseudopodien aus. Dadurch erhielt die Amöbe täuschend das Ansehen eines thalamophoren Rhizopods mit festanliegendem dünnen Gehäuse, aus dessen Öffnung die Fortsätze hervordrangen. Ein Blick auf Fig. 9 wird dies besser erläutern, als eine ausführ- liche Beschreibung. Das Protoplasma im Inneren stellt in diesem Zu- stand eine ziemlich kompakte Masse dar, in welcher eine Menge größerer, stark lichtbrechender Körnchen liegt. Wenn die Zahl der Pseudopodien eine große ist, so dass ein ganzes Büschel zugleich hervordringt (Fig. 9), so sieht man an der Ausgangs- : stelle von der Rindenzone nichts mehr, sie ist ganz verdrängt. Anders, | wenn nur ganz wenige, zwei oder drei Fortsätze getrieben werden. Dann wird das Verhalten der Randschicht dabei ganz deutlich sichtbar und man findet, dass ganz ähnlich wie bei Amoeba tentaculata die Rinde zu einem Kegel vorgedrängt wird, an dessen Spitze das Pseudo- podium herausdringt. Auch hier wird also der doppelte Kontur dadurch hervorgerufen, dass eine zähere Schicht das Thier umgiebt, welche von - den austretenden Protoplasmafortsätzen erst durchbrochen werden muss (Fig. Ik). Schon bei der vorhin beschriebenen Form aber sahen wir, dass wir ‘ es nicht mit einem persistenten, hautartigen Gebilde zu thun haben, son- dern dass die Rindenschicht beim Fließen des Thieres mit der übrigen Sarkode verschmilzt. Noch viel deutlicher ist das bei der Amoeba actinophora zu beob- achten. { 1 Mit einem Male sieht man nämlich, wie das Thier seine Gestalt ver- ändert, die Pseudopodien werden dabei meist alle eingezogen, der Kör- per verflacht sich, die Rindenzone vergeht und fließt in einen breiten Saum hellen Protoplasmas aus einander, der die dunklere körnchenreiche Masse im Centrum des Thieres umgiebt (Fig. A1 und 12 H). Letztere bleibt oft noch eine Zeit lang ziemlich scharf von dem hya- linen Saum abgehoben (Fig. 17), doch bald verwischt sich die Grenze ganz so wie bei der Bildung eines gewöhnlichen Pseudopodiums (Fig. 12). In diesem Zustand wird dann auch der Nucleus (n) ganz deutlich sicht- bar, in seinem Bau vollkommen mit dem anderer Amöben überein- stimmend. Das Zerfließen der feinen Rindenschicht zum breiten hellen Saum 466 August Gruber, geschieht nicht an allen Punkten gleich rasch, so dass oft ein Theil der Amöbe noch scharf umgrenzt erscheint, während der andere schon von dem blassen Hofe umgeben ist (Fig. 1 RS). Auf Fig. 14 ist z. B. eine Amoeba diffluens dargestellt, deren eine Seite schon ganz ausgeflossen ist, während an der entgegengesetzten Hälfte noch die doppeltkonturirte Hüllschicht erhalten ist, an welcher sogar noch zwei Pseudopodienkegel mit den aus ihnen austretenden Fortsätzen sichtbar sind. In anderer Art instruktiv ist auch die Fig. 15: Dort ist die Rindenschicht eben aus einander geflossen, und an zwei Pseudopodien, die sich erhalten haben, sieht man, dass sie aus demselben hyalinen Protoplasma bestehen, wie der helle Saum, in welchen die vorher von ihnen scharf getrennte Rindenzone (siehe Fig. 14) sich aufgelöst hat. | Im ersteren Zustand wäre also eine Hülle und ein von ihr umschlos- E senes Endoplasma, aus welchem die Pseudopodien hervorgingen, genau zu unterscheiden gewesen, im letzteren sind aber beide wieder in eins verschmolzen. Eben so rasch als sich der breite, kaum sichtbare Saum gebildet hatte, kann sich derselbe wieder zurückziehen; er schrumpft gewissermaßen zusammen, bis wieder die schmale Rindenschicht daraus entsteht. In dieser Weise kann die Amoeba diffluens fortwährend ihren An- blick in der einen oder anderen der angegebenen Weisen vollkommen verändern. Auf welchem Gesetz dieses Vermögen beruht, ist mit voller Bestimmtheit nicht zu sagen, höchst wahrscheinlich sind es aber ver- schiedene Druckverhältnisse, die dabei im Spiele sind. Bei einem an der ganzen Peripherie gleichmäßig wirkenden centripetalen Druck wer- den die flüssigeren Theile des Protoplasmas alle ins Innere gedrängt und nur die schmale hautartige Grenze bleibt übrig. Diese erhält durch den Kontakt mit dem Wasser eine starrere Konsistenz und daher sind sie an den Stellen, wo ;Pseudopodien austreten , von letzteren zur Seite ge- drängt. Lässt der Druck überall nach, so treten die leichtflüssigeren Be- standtheile wieder aus dem Inneren hervor, lösen die erstarrte Rinden- schicht auf und bilden den hellen Saum. Die beste Erläuterung für diese Erklärung des Vorganges bieten die Fälle, wo ein langsames Vorwärtsfließen der Amöbe in einer Richtung erfolgt (Fig. 13). An der vorangleitenden Seite werden die flüssigen Bestandtheile vorangeschoben, hier hat aller Druck nachgelassen, während er an der enigegengesetzten Seite wirkt, wo dem entsprechend auch die Rinden- ko.nturen vollkommen deutlich zu sehen sind. Beiträge zur Kenntnis der Amöben. 467 Auzrsach hatte jenes Zerfließen zu einer Scheibe auch beobachtet, wie seine?Fig. 8 zeigt, dasselbe aber als eine‘ Expansionserscheinung aufgefasst, bei welcher/sich die Zellhaut auch:zu betheiligen hatte; wir wissen aber jetzt, dass eine solche nicht existirt und dass die Hülle nur als eine vorübergehende Koncentration der äußersten }Sarkodeschicht zu erklären ist, und jederzeit sich wieder auflösen kann (vgi. nochmals Fig. 411). Betrachten wir uns noch einige andere hierher gehörige Formen, so wäre zunächst die Amoeba bilimbosa von Aurrsacn zu erwähnen: Ich glaube nicht, dass dieselbe mit der vorhin beschriebenen identisch ist, die sehr klaren Zeichnungen des Entdeckers (Taf. XIX), die Größen- differenz und manche andere Unterschiede sprechen dagegen. Von einem Verschwinden der Rinde wird hier nichts gesagt und dieselbe er- innert mehr an die Verhältnisse wie sie Grerrr (a. a. O.) bei seiner - Amphizonella digitata (Fig. 18) angiebt. Von Interesse ist hauptsächlich auch das Cochliopodium pellucidum von Herrwıc und Lesser 1, das so viel Ähnlichkeit mit der A. actinophora hat, dass, wie gesagt, die Entdecker es mit jener für identisch er- ‘ klärten. Ist nun aber die Beschreibung Hertwie und Lesser’s richtig, und ‚ daran lässt sich bei so genauen Beobachternkaum zweifeln , so ist jetzt ‚ an eine Vereinigung der beiden Arten nicht mehr zu denken. Die Hülle um das Cochliopodium stellt nämlich eine wirkliche * Schale vor, welche »eine zur Oberfläche senkrechte Schraffirung zeigt « und dadurch eine große Ähnlichkeit mit einer Arcellaschale erhält. Ihrer Festigkeit entsprechend könne dieselbe auch nicht von Pseudo- podien durchbrochen werden und habe nur eine weite Öffnung » gegen- , über dem Zellkern« zum Austritt der Protoplasmafortsätze, was ihr ganz das Ansehen einer Monothalamie verleiht (Taf. II, Fig. VII A), wenn man sie von der Seite betrachtet. In dieser Lage entspräche das CGochliopodium dann meiner Figur 9. Merkwürdigerweise tritt aber auch ein Zustand ein und wird von HErT- wic und Lesser auf Fig. VII C sehr deutlich abgebildet, der vollkommen ‚ einer A. actinophora entspricht, wenn die Rindenschicht allerseits zer- flossen ist (Fig. 12). - Herrwie und Lesser erklären sich die Sache so, dass das voll- kommene Verschwinden der Hülle nur vorgetäuscht werde dadurch, ' dass man das Thier hier nicht von der Seite, sondern von oben und hinten sehe, während der helle Saum von der Sarkode herrühre, die ‚ aus der nach unten gelegenen Öffnung ausgeflossen sei. aa 9% Lak ll“ Fig. 7 und 8. 468 August Gruber, Bei A. actinophora verhält es sich jedenfalls nicht so, wie ich glaube mit binlänglicher Deutlichkeit gezeigt zu haben und wie man ohne Weiteres verstehen wird, wenn man meine Fig. 11 betrachtet, wo die Rinde nur noch einige Reste (R) darstellt, die in Fig. 12 schon ganz ver- schwunden sind, oder die Fig. 16, welche dasselbe Exemplar wie Fig. 9 darstellt, das ohne die Lage zu ändern vor meinen Augen die Wandlung einging. Die Ähnlichkeit der A. actinophora mit dem Cochliopodium wird noch erhöht, wenn man sieht, dass die Rinde auch fein punktirt oder gestrichelt erscheint, was mir hauptsächlich bei Zusatz von Osmium- säure aufgefallen ist (Fig. 17). Auch das hyaline Protoplasma scheint dann fein punktirt und es macht den Eindruck, wie wenn die feinsten Körnchen durch die Aufnahme flüssigerer Bestandtheile zwischen sich die Auflösung der Rinde bewirkten. Eine große Ähnlichkeit mit der hier beschriebenen Amöbe hat das in Fig. VIII A von Herrwie und Lesser als zweifelhafte Form dargestellte Rhizopod, wie sich aus einem Vergleich mit meiner Figur 10 ergeben wird. Offenbar ist aber auch bei diesem die (sogar gelblich gefärbte) Hülle viel dicker. Wir können somit eine Vervollkommnung dieses Gebildes konsta- tiren von der Amoeba tentaculata durch die A. actinophora zum Cochlio- podium. Man könnte sich vorstellen, dass durch eine noch gesteigerte Zähigkeit der Rindenzone wir schließlich zu jenen Formen von monotha- lamen Rhizopoden geführt werden, deren Hülle nur eine weiche der Sarkode eng anliegende Haut bildet, die noch so eins ist mit dem Proto- plasmaleib, dass sie alle seine Bewegungen mitmacht und bei der Thei- lung zugleich durchgeschnürt wird. Blicken wir nochmals zurück auf die Erscheinungen, welche uns an den von einer deutlich sichtbaren Rindenzone umgebenen amöben- artigen Rhizopoden entgegentreten, so werden wir in ihnen eine will- kommene Erläuterung finden für Verhältnisse, wie man sie bei anderen Amöben nur erschlossen hatte. Im Sarkodekörper sind flüssigere und weniger flüssige Bestandtheile vorhanden; erstere finden wir an den Stellen, welche eine centrifugale Bewegung verrathen, sei es an den Pseudopodien, sei es an dem voran- eilenden Theil der fließenden Amöben (A. quadrilineata, A. villosa, A. tentaculata u. v. a.). Die schwereren Bestandtheile bleiben zurück und werden nachgeschleppt und wir sehen sie bei manchen wulstförmigen Ausbuchtungen hyalinen Protoplasmas schließlich in diese hineinstürzen. Das Vorpressen der flüssigeren Bestandtheile wird dadurch bewirkt, dass an der entgegengesetzten Seite ein Druck wirkt; dieser äußert sich 1. | Beiträge zur Kenntnis der Amöben. 469 darin, dass die äußerste Protoplasmalage an dieser Stelle durch Wasser- entziehung eine zähere Konsistenz erhält. Letztere dokumentirt sich beim Fließen der Amöben am NHinterende, durch allerlei Fortsätze, Läppchen, Haare u. s. w., die dem Rhizopod oft ein eigenthümliches Ansehen geben und zur Aufstellung besonderer Arten geführt haben !. Die Sarkode wird hier so zäh, dass sie beim Vorwärtseilen der Amöbe — wenn der Ausdruck erlaubt ist— Fäden zieht. Wird die Bewegungsrichtung umgekehrt, so geräth das frühere Hinterende in Fluss und das zäheste Protoplasma findet sich auf der ent- gegengeseizten Seite. Diese Verhältnisse lassen sich eben sowohl an den lappigenPseudopodien studiren, wie auch beim Zurückziehen des Schein- ‘ füßchens, an dessen Oberfläche allerlei Buckel und Falten entstehen. Eine solche zähere Rindenzone ist nun bei den hier betrachteten Formen wirklich zu sehen. Bei gleichmäßig wirkendem centripetalen Druck umgiebt sie die ganze Amöbe wie eine Haut, lässt der Druck all- seitig nach, plattet sich die Amöbe zur Scheibe ab, so löst sich die Rinden- zone auf, und fließt zu einem helleren Saume leichterflüssiger Sarkode aus einander; wirkt der Druck aber nur einseitig, so geht die Auflösung nur an der entgegengesetzten Seite vor sich und es entsteht die Be- wegungsform, welche man das Fließen der Amöbe nennen kann. Bei der Bildung von einzelnen Pseudopodien (vgl. A. tentaculata) sind es nur wenige Stellen, welche jenen Verhältnissen unterworfen sind und dem entsprechend löst sich die zähere Rinde, der hervordrängenden weicheren Sarkode Platz machend, nur an einzelnen Punkten auf. Freiburg im Br., im Oktober 1881. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXX, Fig. 4—8 beziehen sich auf Amoeba tentaculata. Fig. 4. Eine Amoeba tentaculata mit vielen Pseudopodien. Fig. 2. Eine eben solche 0,42 mm lange, bei stärkerer Vergrößerung (HARrTNAcK, Ocular 3, Objektiv 40 Immersion) und mit dem Zeichenapparat gezeichnet. Man ‚sieht die Rindenzone RS, Pseudopodien PS aufihren Kegeln und bei K einen solchen, wo das Pseudopodium wieder zurückgegangen ist (Krater). Fig. 3. Ein Stück einer Amöbe, mit drei Pseudopodien, stark vergrößert. 1 Diese Gebilde wurden kürzlich auch von EnsELmann berücksichtigt (Über den faserigen Bau der kontraktilen Substanzen etc. Onderz. Physiol. Lab. Utrecht. Deel VI. Afl. 2. St. 4). 470 August Gruber, Beiträge zur Kenntnis der Amöben. Fig. 4. Ein Exemplar, an welchem eine Menge Krater (K) zu sehen sind. Fig. 5. Ein solches, wo die Rindenzone sich aufgelöst hat. Fig. 6. Eine fließende! Amoeba tentaculata, an welcher der Kern (n) sehr deut- lich sichtbar ist. Fig. 7. Eine solche, bei der am voranfließenden Theil noch drei Pseudopodien (Ps) erhalten sind. Fig. 8 A. Ein Pseudopodium mit seinem Kegel; M, die weiche Innenmasse; R, die Rinde; P, das Scheinfüßchen. B. Ein solches im Begriff eingezogen zu werden. Fig. 9—17 beziehen sich auf Amoeba actinophora. Fig. 9. Eine A. actinophora mit deutlicher Rinde (RS) und einem Büschel von Pseudopodien an einem Ende (HArrnAck, Oc. 3, Obj. 7). Fig. 10. Eine solche mit wenig Pseudopodien, an welchen man deutlich ge- wahrt, wie sie die Rinde durchbrechen (etwas zu groß gezeichnet im Verbältnis zu den folgenden Figuren). Fig. 14. Dasselbe Exemplar kurze Zeit später. Die Rinde (RS) ist fast überall zerflossen und hat sich in einen hellen Hof (H) verwandelt; n, der in diesem Zu- stand deutlich sichtbare Kern. Fig. 12. Dasselbe mit vollkommen aufgelöster Rinde. vc, kontraktile Vacuolen. Fig. 43. Dasselbe in langsamem Fluss nach der durch den Pfeil angedeuteten Richtung. RS, die wieder neu gebildete Rinde. Fig. 14. Ein anderes Exemplar, an welchem die Rinde sich eben auflöst, an einer Stelle aber noch erhalten ist, zugleich mit zwei Pseudopodien. Fig. 15. Eine Amöbe, an welcher die Rinde geschmolzen ist, ehe zwei Schein- füßchen eingezogen wurden (PS). Dieselben zerfließen gleich darauf. Hier und bei Fig. 16 ist das körnige Protoplasma scharf von der hyalinen Zone getrennt. Dies dauert aber nur wenige Augenblicke, um sich dann wie bei Fig. 12 zu gestalten, Fig. 17. Eine Amöbe, bei welcher die Auflösung der Rinde an einer Seite eben begonnen hatte, mit Osmiumsäure behandelt. Die Rinde (RS) erscheint fein ge- tüpfelt, eben so die hyaline Sarkode; bei n der Nucleus. Zur Naturgeschichte des Dachses. Von 6. Herbst, Professor in Göttingen. Der Dachs scheint nicht oft Gegenstand genauer Beobachtung ge- wesen zu sein. Seine Lebensverhältnisse sind deswegen auch weniger aufgeklärt, als seine Häufigkeit und weite Verbreitung erwarten lassen möchten. Er ist eine absonderliche Tbierart, deren systematische Ein- reihung sogar Meinungsverschiedenheiten begegnet. Der Gangweise nach gehört er zu den Plantigraden, und mit Rücksicht auf die Zähne hat man ' ihn den eigentlichen Raubthieren beigezählt, obgleich ihm mehrere der ‚ diese Ordnung auszeichnenden Körper- und Sinneseigenschaften, die ge- ‚ schmeidige Biegsamkeit des Rückens und Nackens, der große Rachen und weite Schlund, der scharfe, stechende Blick, die rasche Auffassung ‚ und das dreiste, listige Naturell fehlen. Das Weibchen ist furchtsam, ‘ sogar ängstlich, und wenn auch das Männchen sich unerschrockener und widersetzlicher benimmt, so sind doch Beide außer Stand irgend größere ‚ Thiere einzuholen, und auf freiem Felde selbst schwächerer Feinde sich zu erwehren. Der Dachs frisst langsam, kaut Alles mit Bedacht, leckt ‚ nicht mit der Zunge, sondern schlürft und schlabbert wie junge Schweine, ernährt sich von kriechendem Gethier, Würmern, Käfern, Larven, Mäusen, ‚ Fröschen und saftigen Vegetabilien. Liınn£ rechnete ihn zu den Bären, mit welchen er zwar Manches gemein hat, von denselben aber sich mehr- ‚ fach in Gestalt, Körpereinrichtung und Lebensweise unterscheidet. BrEum ‚und andere Neuere haben ihn zur Marderzunft gesetzt, aber es dürfte | schwer sein diese Annahme zu begründen. Es mag mir gestattet sein, einige bisher nicht klar gestellte Verhältnisse . dieser Thierart nach eigenen Beobachtungen zu besprechen. Der Termin der Paarung. | BUFFON und Dausenton! haben diesen Gegenstand überall nicht er- ‚ wähnt; Linn£2 aber nennt als Paarungszeit, jedoch ohne Hinweis auf | darauf bezügliche Beobachtungen, den Monat November oder den Anfang \ Histoire nat. generale et particuliere. Tom. VII. Paris 1758. 4. p.404. Blaireau. 2 C.ALinnt, Systema naturae. Tom.]. Ed.13. c. J. F. Gmenix. Lips. 1788. p. 104. 472 G. Herbst, Decembers, und eben diese Meinung, dass die Begattung des Dachses im Spätherbst erfolgt, hat bis auf die neueste Zeit allgemeine Geltung behal- ten. So verlegt ArLrtum! die Rollzeit des Dachses in den Oktober, BEHLEN? in den November, und Breum® berichtet, dass die Paarung in der Regel Ende November, ausnahmsweise jedoch, zumal bei jungen Thieren, im Februar und März geschieht, obgleich ein Hinblick auf die allgemeinen Lebensverhältnisse jener Thierart Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit sol- cher Angaben hätte erregen müssen. Es würde eine schwer zu erklärende Ausnahme sein, wenn der für die Erhaltung der Art wichtigste Lebensakt bei dem Dachs gerade in dem Jahresabschnitte stattfände, in welchem die schon längst im Sinken begriffene Lebensenergie ihrem niedrigsten Standpunkte entgegengeht. ' Schon 1873 habe ich über den fraglichen Gegenstand eine Beobachtung? veröffentlicht, die aber damals wenig Verbreitung gefunden zu haben scheint, und ich glaube desshalb und weil sie von sachlichem Werth ist, dieselbe hier nochmals vorführen zu dürfen. Ein Landmann aus der benachbarten Ortschaft Holtensen brachte mir am 3. August 1861 eine von ihm einige Stunden zuvor, beim Hervorgehen aus dem Bau, mit der Hand erhaschte, große, anscheinend mehrjährige, unversehrie Dächsin. Diese wurde in einem mit Steinpflaster versehenen, verschließbaren Stall angekettet, und ihr ein Kasten mit Stroh zur Ver- fügung gestellt, welchen als Lager zu benutzen sie sich auch bald herbei- ließ. Regelmäßig verzehrte sie ihr Futter, und das Verhalten war den Herbst und Winter hindurch gleichmäßig ruhig. Ohne äußere Veranlassung aber wurde sie zu Anfang März 1862 unruhig; sie riss das Steinpflaster auf und bahnte sich einen Gang in den Erdboden, welchen sie nur bei Nacht des Futters wegen verließ. Aus Verdruss über die nun eingetretene Be- hinderung der Beobachtung und zum Zweck anatomischer Untersuchung wurde sie am 7. März 1862 mittels Strychnins getödtet. Bei der Besich- tigung des Leichnams fiel der große Umfang des Leibes auf, und die Eröffnung ergab, dass die beiden Hörner der Gebärmutter drei völlig aus- gebildete, zur sofortigen Geburt reife Junge enthielten, welche in einem der nächsten Tage hätten zur Welt kommen müssen. Da nun die Dächsin während der Dauer ihrer Gefangenschaft in genauem Verwahrsam gehalten, I Forstzoologie von BERNARD Aurtum. I. Säugethiere. Berlin 4874. p. 478. 2 Real- und Verbal-Lexikon der Forst- und Jagdkunde. Herausgeg. v. STEPHAN BeaLen. Bd. I. Frankfurt a. M. 4848. p. 425. 3 Illustrirtes Thierleben von A. F. Bresm. Bd. I. Hildburghausen 1864. p- 496. * In der Erwartung zu weiteren Nachforschungen anzuregen, und auch selbst geeignetes Material zu eigenen Untersuchungen zu erhalten, hatte ich im Jahre 4869 dieselbe dem leider inzwischen verstorbenen Forstdirektor BuRkHARDT zu Hannover mitgetheilt, wodurch deren Veröffentlichung sich um weitere vier Jahre verspätete. Die Beobachtung findet sich in: »Ausdem Walde«, Mittheilungen inzwanglosen Heften | vom Forstdirektor H. BurkuArpt. Hannover 4873. p. 199 ff. Zur Naturgeschichte des Dachses. 473 ihre Fresslust stets unverändert geblieben war, Zeichen von Gesundheits- ' störung sich nicht bemerklich gemacht hatten, die Jungen wohlgebildet und ausgetragen waren, und zur normalen Wurfzeit zur Geburt gelangt sein würden, so ist kein Grund vorhanden, die Richtigkeit und Normal- mäßigkeit des Vorganges zu bezweifeln. Die Begattung musste also in den ersten Tagen des Augusts oder schon im Juli stattgefunden haben. Gern hätte ich jene Erfahrung alsbald durch anderweitige Beob- achtungen vervollständigt, allein erst nach langer Unterbrechung bot sich dazu Gelegenheit. Im April 1875 gelangte ich in den Besitz eines jungen _ Dachspaares. Die Thiere wurden gut verpflegt, so dass die Wägung des Männchens im December das Gewicht von 27 Pfund ergab. Das Wachs- thum dauerte auch im nächsten Sommer fort, und erst gegen Ende des ‘ zweiten Jahres hatten die Thiere das Ansehn und Benehmen völlig er- wachsener Dachse erreicht. Über die Paarungsangelegenheit habe ich Folgendes wahrgenommen. Die deutliche Regung des Geschlechtstriebes beginnt schon gegen die ; Mitte des Aprils und äußert sich zuerst, wieauch wohl bei anderen Thieren, ‚ durch Zunahme der Lebhaftigkeit und verstärkte Neigung zum Spielen und gegenseitigen Herumzerren, unter lautem Gekläff des Weibchens; später häufigeres Uriniren des Männchens, Uriniren des Weibchens an bestimm- ‚ten Stellen, unter Aufhebung eines Hinterbeins, gegenseitiges Beriechen ‚der Genitalien, häufiges Andrängen der Hintertheile gegen einander, Hin- ‚neigung des Männchens beim Spielen gelegentlich die Vorderfüße über ‚ den Rücken des Weibchens zu schlagen, und Bestrebungen des Weibchens dasselbe bei dem Männchen auszuführen. Die Zunahme dieser Erschei- ‚nungen an Häufigkeit und Energie von Woche zu Woche lässt über ihre ‚ Zusammengehörigkeit mit der fortschreitenden Entwicklung des innern ‚ Geschlechtsapparates keinen Zweifel. Im Mai wird an dem Weibchen ver- stärkte Wölbung der hinteren Lendenpartie bemerkbar, deren Auffällig- "keit im nächsten Monat noch beträchtlich zunimmt. Zuletzt, und zwar im ‚Juli erscheinen die Ränder der Vagina angeschwollen und der Eingang ‚stark geröthet. In diesem Monat erfolgt die Begattung. Das Männchen er- ‚greift zu diesem Zweck das Nackenfell des Weibchens mit den Zähnen, ‚umklammert den Rücken des letzteren mit den Vorderfüßen, und zerrt ‚es unsanft hin und her. Das Weibchen entzieht sich diesem plumpen Be- ‚nehmen keineswegs, sondern sucht vielmehr durch Anstoßen mit der ‚Schnauze, durch Stellung und Beriechen zu erneuerten Bestrebungen zu -|provoeiren. Die Brunst dauert mehrere Tage und kehrt im übrigen Theil ‚des Jahres nicht wieder zurück. | Genaue Übereinstimmung der Paarungszeit in verschiedenen Jahren | findet nicht statt. In dem Jahre 1876 erfolgte die Begattung, nachdem die } | | 474 6. Herbst, Thiere mehrere Tage unter weithin hörbaren Gekläff und Gebeiße zuge- bracht hatten, gegen Ende des Juli; danach vollständige geschlechtliche Beruhigung, welche in der ganzen Folgezeit des Jahres unverändert blieb. Im Jahre 1877, vom April bis zum Juli die gewöhnlichen mehr und mehr zunehmenden Vorerscheinungen, und der Ranztermin, welcher am 20. Juli eintrat, dauerte bis zum 27.; während des übrigen Jahrestheils aber keine Rückkehr zur Aufregung. Im Jahre 1878 erfolgte die Begattung gleich nach den ersten Tagen des Juli; am 12. war alle geschlechtliche Erregung verschwunden. Im Jahre 1879 wiederholten sich die erwähnten Vorer- scheinungen vom April bis Juni, und vom 14. bis 28. Mai erhielten die Thiere, neben ihrem regelmäßigen Futter, ansehnliche Portionen lebender Maikäfer. Die Begattung geschah vom 9. bis 44. Juli; am 13. undaan den folgenden Tagen erschienen die Thiere schläfrig. Außergewöhnlich waren die Erscheinungen des Jahres 1880. Schon zu Anfang des Februar waren die Thiere besonders zuthunlich gegen einander, sie wälzten sich häufig neben einander auf dem Rücken, liebkosend käuete Eins an des Andern Fell herum; häufiges Uriniren des Weibchens an bestimmten Stellen ge- schah schon um Mitte März; in den ersten Tagen des April deutliche Zeichen zunebmenden Geschlechtstriebes; die Thiere berochen einander, wobei das Weibchen gelegentlich um sich biss; der Dachs suchte beim Spielen das Weibchen aus den Ecken zu treiben, zerrte es auch wobl am Fell hervor, und am 1%. April wurde sogar beobachtet, dass der Dachs beim Beginn des Spielens das Nackenfell des Weibchens ergriff, auf den Rücken sprang und dasselbe eine Zeit lang festhielt, ein Phänomen, welches in früheren Jahren vie vor der eigentlichen Begattung beobachtet worden war, und auch das Anpressen der Hinterkörper wurde von beiden Thieren überaus häufig und energisch ausgeübt, so dass das Haar zu beiden Seiten des Schwanzes rothbraun gefärbt erschien. Vom 10. bis26. Mai wurden, neben der gewöhnlichen Futterportion, lebende Maikäfer, mitunter mehr als zwei Pfund in einem Tage, verabreicht. Der Termin der Begattung trat am 40. Juni ein und dauerte bis zum 15. Noch regelwidriger waren die Vorgänge des folgenden Jahres. Während der Hauptcharakter des Winter- lebens, große Neigung zur Ruhe und verminderte Fresslust, Abweichung von den früheren Jahren nicht erkennen ließ, äußerte sich bei dem Weib- chen der Drang zum Anpressen des Hinterkörpers schon zu Anfang Decem- ber (Dec. 10) 1880, und noch in demselben Monate (Dec. 28) fing das Männchen an, auf den Rücken des Weibchens zu springen, und setzte dieses imJanuar (Jan. 19) und Februar (Febr. 3, 5, 18, 23) 1881 gelegent- lich fort, wobei das Weibchen sich nicht gerade abwehrend verhielt. Sonderbarerweise trat mit dem letztgenannten Tage in jener Beziehung eine Unterbrechung ein, welche durch die Monate März und April bis zum Zur Naturgeschichte des Dachses. 4795 13.Maiandauerte. Die übrigen Zeichen der geschlechtlichen Fortentwick- lung hielten gewöhnlichen Schritt. Der Ranztermin trat am 18. Juni ein und endete am 20. Die erwähnten Äußerungen außergewöhnlicher ge- schlechtlicher Erregung in den Jahren 1880 und 1881 schienen mir mit unregelmäßigen Vorgängen in den Ovarien in Verbindung zu stehen, und es wurde deswegen die Autopsie der Dächsin am 2. Juli vorgenommen, wobei sich ergab, dass die Ovarien röthlichgelb, von gewöhnlicher Größe, Form und Konsistenz waren, eine glatte Oberfläche hatten, Spuren von ge- platzten Eifollikeln und gelbe Körper sich an ihnen nicht vorfanden, und die vorsichtig geöffneten Fallopischen Röhren und Uterushörner Eichen nicht enthielten. Befruchtung hatte also nicht stattgefunden, und die Ab- wesenheit geplatzter Eifollikel und in der Bildung begriffener gelber Körper dürfte als Zeichen gelten, dass die Ovarien sich nicht in dem der Ranz- periode entsprechenden normalen Zustande befunden hatten, und mit Rücksicht hierauf und die auch im Jahre zuvor vorgekommenen Unregel- mäßigkeiten habe ich geglaubt, die Beobachtungen aus den Jahren 1880 und 1881 zur Bestimmung der normalen Ranzzeit nicht in Rechnung bringen zu müssen. Die vorstehende Übersicht lässt erkennen, dass die Geschlechtsregung des Dachses sich regelmäßig im Frühjahr wiederholt, bis zum Juli zunimmt und im Spätherbst gänzlich fehlt, und demnach die bisherige Meinung von der Begattung des Dachses in der späten Jahreszeit auf Irrthum be- ruht hat. Der normale Paarungstermin scheint der Monat Juli und das erste Drittel des August zu sein. Diese Ansicht stützt sich auf das vor- stehend berichtete Verhalten unserer Dachse in den Jahren 1876—1879, und wird direkt durch die von Herrn Scaacut! mitgetheilte Thatsache, dass Herr von Münchnausen auf Schwöbbern vor einigen Jahren im letzten Drittel des Juli auf einem Jagdgange der Begattung eines Dachspaares im freien Walde zuzusehen Gelegenheit gehabt hat, indirekt aber durch unsere an der im August 1861 eingefangenen Dächsin gemachte Erfahrung, und durch das Ergebnis dreier von Herrn Dr. Frızs? über den Zustand der Ovarien, Eileiter und Uterushörner von Dächsinnen in den Monaten Juli ' und August angestellten anatomischen Untersuchungen unterstützt. Ver- 1 Der zoologische Garten. Jahrg. XVIII. Frankf.a.M. 4877. p. 302ff. Aus dem Leben des Dachses. Mitgetheilt von H. ScaAcut in Feldrom. 2 Über d. Fortpfl. von Meles Taxus. Von Dr. S. Frıes. Zool. Anzeiger 1880. Nr. 66. Fries fand in den Ovarien eines am 30. Juli 4879 erlegten Weibchens große frische gelbe Körper und im obern Theile des rechten Uterushorns zwei runde Eichen. Die Ranzperiode war also schon einige Zeit vorüber. Dagegen erhielten die Eierstöcke eines am 6. August 1879 getödteten Weibchens nur große Eifollikel, aber keine gelbe Körper, so dass FrıEs annimmt, die Begattung habe nahe bevorgestanden. Bei dem dritten, am 34. August 1880 geschossenen Weibchen enthielten die Ovarien fünf große, noch nicht völlig geschlossene gelbe Körper, und die beiden Hörner des Uterus drei vollständig freie Eichen, so dass also seitder Begattung schon einige Zeit verflossen war. 4716 6. Herbst, einzelte Abweichungen von der als normal bezeichneten Ranzzeit und irreguläre Geschlechtsregung, wie im Jahre 1881, mögen auch bei dem Dachs im freien Zustande vorkommen, jedoch passen erhebliche Ver- frühungen oder Verspätungen nicht zu den übrigen natürlichen Verhält- nissen des Dachses, und werden deswegen als Anomalien gelten müssen. Die Wurfzeit. Aus dem Entwicklungsstande im Frühjahr ausgegrabener oder ein- gefangener junger Dachse lässt sich oftmals auf den vorangegangenen Ge- burtstermin schließen. Die Mehrzahl solcher Fälle scheint in dieser Hin- sicht auf die späteren Tage des Februars oder das erste Drittel des Monats März hinzuweisen. Die im Jahre 1861/62 von mir verpflegte Dächsin würde zuverlässig, nach Ausweis der am 7. März 1862 vorgenommenen Untersuchung, bis zum 10. März geworfen haben, und der Zustand des am 12. April 1875 mir zugebrachten jungen Dachspaares ließ deutlich er- kennen, dass das Alter der Thiere nicht mehr und nicht weniger als vier bis fünf Wochen betrug. Ich glaube desshalb, dass die Tage des letzten Drittels des Februar bis eiwa zum 10. März der eigentliche und Haupt- termin für das Werfen der Dächsin sind. Eine scharfe Grenze kann nicht gezogen werden; da aber der Winterzustand des Dachses bis zur Mitte des Februars dauert, und die Nahrung sich bei anhaltend niedriger Temperatur dieser Thierart nur spärlich darbietet, werden vereinzelte Fälle sehr frühen Werfens nur als Ausnahme gelten können. Die Tragdauer. Das Zeitmaß vom Ende der normalen allgemeinen Ranzzeit bis zu dem äußersten Termin des Werfens muss in Ermangelung genauer Einzel- beobachtungen als Tragdauer gelten, und ich habe in dem Vorstehenden als recht wahrscheinlich nachzuweisen versucht, dass der Schluss des Ranztermins auf das Ende des ersten Drittels des August fällt und dass der gesetzmäßige Termin des Werfens sich kaum über das Ende des ersten Drittels des Monats März hinaus erstreckt. Die Tragzeit der Dächsin beträgt hiernach sieben Monate oder 240 Tage, und die Beobachtung aus dem Jahre 1864/62 liefert die Bestätigung dieses Resultats. Jene Dächsin hatte zwar den längeren Zeitraum vom Spätnachmittage des 3. August 1861 bis zum Morgen des 7. März 1862, also 216 Tage im Verwahrsam zuge- bracht, allein der scheinbar hierin liegende Widerspruch gleicht sich aus, wenn man Folgendes berücksichtigt. Am 7. März, dem Todestage der Dächsin, wurden die in den Hörnern des Uterus vorhandenen Jungen voll- kommen ausgetragen befunden, so dass die Geburt, von welcher ich ge- sagt habe, dass sie an einem der nächsten Tage hätte erfolgen müssen, mög- licherweise, wenn das Thier am Leben geblieben wäre, auch schon am DE en a bu — BREI BEEBRESEESSEERE SEE EEE r Zur Naturgeschichte des Dachses. 477 7. März eingetreten sein würde. Nimmt man nun an, dass die Dächsin sich gerade zur Zeit der Gefangennahme in ihrer Ranzperiode befunden, und diese letztere erst während der Gefangenhaltung, etwa am 7. oder 8. August 1861, ihr Ende erreichte, so ergiebt sich auch für diesen Fall genau die Tragdauer von 210 Tagen. Eine derartige Voraussetzung liegt aber durchaus nicht jenseits der Grenze der Wahrscheinlichkeit, denn der Anfang Augusis gehört zu derHauptranzzeit, und die Vernachlässigung der gewöhnlichen Vorsicht Seitens jener Dächsin, durch welche ihre Ergreifung mittels der bloßen Hand ermöglicht wurde, lässt annehmen, dass dieselbe in absonderlich heftiger Gemüthserregung befangen gewesen war. Gern hätte ich nun auch den organischen Grund dieser langen Trag- dauer durch Untersuchung einer Anzahl trächtiger Dächsinnen ermittelt, aber es gelang mir nicht das zu diesem Zweck erforderliche Material zu er- halten. Eine im November 1874 durch die Gefälligkeit des Herrn Ober- försters Jasper zu Lamspringe mir zugegangene Dächsin stammte aus dem letzt vorhergegangenen Frühjahr, sie war noch nicht völlig erwachsen, und erwies sich bei der im December vorgenommenen Untersuchung als nicht trächtig. Bessern Erfolg haben die Bemühungen des Herrn Dr. Fries gehabt!. Fries fand im August 1880 bei der nachträglichen Untersuchung der bis dahin in Spiritus aufbewahrten Genitalien eines am 16. Oktober 1878 geschossenen alten Weibchens, in den beiden Ovarien 7 große, zum Theil schon von der Oberfläche zurückgewichene gelbe Körper, und in dem bis dahin intakt gebliebenen rechten Uterushorn ein vollkommen freies Ei von elliptischer Form (große Achse 2,5 mm, kleine Achse 1,8 mm) mit deutlicher Keimblase. Nach diesem glücklichen Funde ist nicht zu verkennen, dass bei der Dächsin das befruchtete Ei nach seinem Übertritt in das Uterushorn zunächst, wie solches vom Reh schon bekannt ist, mehrere Monate in anscheinender Ruhe verharrt, und die Fötalentwick- lung erst nach Beendigung jenes Ruhestadium, wohl gegen Ende des November oder zu Anfang December, beginnt. Da aber die Entdeckung und sichere Unterscheidung der kleinen Eier in den Hörnern des Uterus große Vorsicht , Erfahrung und Anwendung mikroskopischer Hilfsmittel erfordern, so ist nicht zu verwundern, dass jene Eier bei früheren, viel- leicht eiligen Nachforschungen übersehen wurden, und der Irrthum hin- sichtlich des Ranztermins und der Tragdauer mag daraus entsprungen sein. Ob Ähnliches auch bei anderen fleischfressenden Säugethieren vor- kommt, lässt sich für jetzt nicht entscheiden, ganz isolirt dürfte der Dachs wohl nicht stehen, und ist in jener Beziehung vielleicht zunächst an den Bär und den Seehund zu denken. Bär und Dachs sind hinsichtlich der Stimme, der Plumpheit der Bewegungen, des trägen Temperaments, der 1 Fries, a.a.0. p. 4,3. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bad. 32 478 G. Herbst, Neigung zum langen Ruhen und zum Schlummern im Winter, so wie auch der langen Tragdauer, einander ähnlich, und wurden früher zu dem- seiben Geschlecht gerechnet. Nach den neueren Angaben ist die Ranz- zeit des Bärs Mitte Mai, die Wurfzeit Mitte Januar, wobei jedoch der Schluss des Ranztermins nicht berücksichtigt ist. Wenn letzterer aber, wie es wahrscheinlich ist, sich bis in den Juni erstreckt, so haben Bär und Dachs nahebei die gleiche Tragdauer. Hierzu kommt noch, dass ein gleicher Irr- thum über die Ranz- und Tragzeit des Bärs vormals obgewaltet hat, denn Linn#! versetzte die Ranzzeit des braunen Bärs in das Ende des Okto- ber, und giebt dessen Tragdauer zu 112 Tagen an. Ungleich dürftiger ist die Begründung meiner Vermuthung betrefis des Seehundes (Phoca vitulina), denn sie beruht nur auf den Umstän- den, dass auch diese Thierart sich nicht durch besonders regsames Natu- rell auszeichnet, ihre Begattung angeblich im Juli, das Werfen im März oder April statt haben, und also ihre Tragdauer, in Vergleichung zu der mäßigen Körpergröße, ungewöhnlich lang ist. Die erste Jugend und das Schlürfen aus der Tasche. Das mehr erwähnte junge Dachspaar wurde in der Feldmark Holten- sen am 11. April 1875 ausgegraben, und mir am 12., die Dächsin früh am Morgen, das Männchen Abends überbracht. Die Thiere waren 10 bis 1 Zoll lang, sehr kräftig gebaut, das Männchen etwas größer, mit stärkerem Kopf und breiterer Schnauze, am Oberkörper graubraun, Beine und Bauch schwarz, die weiße Zeichnung am Kopfe nur undeut- lich erkennbar, Augen offen, vier kurze Eckzähne im Maule, und das Alter schätzte ich auf —5 Wochen. Sie konnten schon von den Ex- tremitäten einigen Gebrauch machen und gut kriechen. Das zuerst er- haltene Weibchen, in einen Kasten mit Stroh gesetzt, verstand sich in einem rasch hergestellten, von allen Seiten geschlossenen Strohnest zu verbergen, und brummte bei Berührung des Kastens oder Erschütterun- gen des Fußbodens durch Gehen zornig mit bärenartiger Stimme. In der Meinung, das kleine scheue Thier werde trinken, wurde Milch hingesetzt, und der Kasten mit einem Brett bedeckt. Bald darauf ließ sich mehrmals lautes eifriges Schmatzen oder Schlürfen vernehmen, aber beim Nach- sehen zeigte sich das Milchquantum nicht vermindert; die Schlürftöne er- neuerten sich auch noch ferner von Zeit zu Zeit, hörten aber augenblick- lich auf, wenn der Deckel des Kastens berührt wurde. Als nun auch gegen Abend das männliche Dachslein in denselben Kasten gesetzt war, wurde doppeltes Schlürfen gehört, aber die Thiere tranken doch nicht, und es zeigte sich, dass sie zwar die Milch als Nahrung erkannten, aber ! Linse, I. c. p. 100. Coit fine Octobris, uterum gerit 412 diebus. Von Ursus _ | niger aber ist bemerkt: fine Junii coit et initio Januarii parit unum plerumque pullum. | Zur Naturgeschichte des Dachses. 479 gänzlich unmündig waren. Die willkürliche Bewegung der Zunge und des Unterkiefers war so beschränkt, dass es ihnen nicht gelang irgend etwas mit dem Munde zu fassen. Sie blieben desshalb bis zum Nachmit- tage des 45. April ohne Nahrung, während welcher Zeit das Schlürfen in mehr und mehr verlängerten Zeitabständen immer seltener eintrat und im Verhältnis der Dauer des Fasiens und der Abnahme des Körperge- wichts und der Kräfte kürzer und schwächer wurde, aber am vierten Tage kaum noch gehört wurde. Als nun die Thiere genöthigt wurden aus einer mit einem Mundstück aus Kautschuk versehenen Flasche ge- wärmte Milch zu trinken, gingen sie darauf ein, und es gelang dadurch sie am Leben zu erhalten. Gleich nach dem ersten Trinken stellte sich auch das Schlürfen wieder ein, kehrte von da an in Zwischenräumen zu- rück, war aber unmittelbar nach dem Trinken stets am lautesten und an- haltendsten, und es wurde nun bald entdeckt, dass jene Schlürftöne von dem Saugen der Thiere an den Taschen herrührten. War ein Thier aus der Flasche gesättigt und in den Kasten zurückgesetzt, während das andere noch Milch empfing, so legte jenes sofort das Maul an seine Tasche und schlürfte hastig und begierig aus derselben; wurde sodann auch das zweite, inzwischen gesättigte Thier in den Kasten zurückgebracht, so fielen beide augenblicklich einander an; Jedes suchte eiligst des Andern Tasche zu erreichen, und das doppelte Schlürfen begann. Das Taschen- aufsuchen erneuerte sich auch in der Zeit zwischen den Tränkungen, und blieb während der Periode der Ernährung durch Milch unverändert. Am 5. Mai zeigten sich die ersten Schneidezähne, aber erst nach dem Durchbruch sämmtlicher Schneidezähne, Mitte Mai, waren die willkür- lichen Muskeln so weit gekräftigi, dass die Bestrebungen, selbständig zu trinken oder einen Wurm zu fassen, Erfolg hatten. Nun wurde zu ge- mischter Kost übergegangen, aber gleichzeitig hiermit war die Neigung aus der Tasche zu trinken verschwunden, und es ist bemerkenswerth, dass eine Rückkehr zu der früheren Gewohnheit des Schlürfens aus der Tasche oder auch nur ein Zeichen der Erinnerung daran zu keiner Zeit hinterher wahrgenommen worden ist. Das Jahresleben. Der Einfluss der Jahreszeiten und der damit in Verbindung stehen- den atmosphärischen Veränderungen auf den thierischen Organismus tritt bei dem Dachs besonders deutlich hervor, und ein Hinblick auf den peri- odischen Wechsel in dem Leben dieser Thierart erinnert an die Gleich- zeitigkeit ähnlicher Vorgänge in der vegetabilischen Welt. Der Höhepunkt des Lebens des Dachses fällt in den Juli, und bereits am Ende dieses Monats, wo auch schon einzelne enifärbte Blätter den Bäumen entfallen, 33* 480 | 6. Herbst, ist eine Abnahme des innern Wohlbehagens und der fröhlichen Regsam- keit bemerklich, und als sichtbares Zeichen der sich anbahnenden Funk- tionsänderungen nimmt der Haarwechsel, zuerst bei dem Männchen und bald darauf auch bei dem Weibchen, seinen Anfang. In den folgen- den drei Monaten stellt sich die Verminderung der Lebhaftigkeit, der Aufmerksamkeit, der Lust zum Hantieren, überhaupt das Sinken des höhern Nervenlebens noch entschiedener heraus, und die Hinneigung zum Stillleben gewinnt so sehr die Oberhand, dass die Thiere schon in den ersten Nebeltagen des Oktobers, auch bei 13° R., sehr lange in ihrem Lager bleiben, und nach etwaigen Störungen alsbald zu demselben zu- rückkebren, Daneben aber behalten die Verrichtungen des vegetativen Lebens ungestörten Fortgang, Körperumfang und Gewicht nehmen sogar zu. In der letzien Woche des Oktober oder ganz zu Anfang des Novem- ber ist der Haarwechsel vollendet. Wie aber in dem Pflanzenreiche, bei dem Eintritt der dunkeln, rauhen, winterlichen Witterung auch der letzte Rest äußerer Lebenszeichen verschwindet, so erscheint auch das Nerven- leben des Dachses in der zweiten Hälfte des November noch tiefer her- abgedrückt. Die Thiere verharren auffallend lange im Lager, schleichen wräg den Wänden der Behausung entlang, schnüffeln ohne deutlichen Zweck, energielos an den Spalten des Steinpflasters und der Holzwände und erscheinen überhaupt unfroh und wie umnebelten Sinnes. Durch ungewöhnliche Geräusche oder Annäherung unbekannter Personen er- regt ermuntern sie sich zwar sofort, das misstrauische Naturell kommt zum Vorschein, doch bald verfallen sie wieder in Ruhe und scheinbare Gleichgültigkeit. Noch im Lauf des November, spätestens aher um die Mitte December tritt ein neues Moment hinzu, das sympathische Nerven- system wird in Mitleidenschaft gezogen. Der Appetit zeigt sich alterirt und vermindert, früher gern verzehrie Gegenstände, frisch gewaschene Karoiten u. a. m. werden kaum berührt, alles Härtliche im Futter wird zurückgelassen, Kauen und Fressen geschehen langsam; die Thiere gehen an der Futierschale vorbei ohne hinzublicken, kehren wiederholt ins Lager zurück, lassen sich erst nach langem Zögern zu fressen herbei, und ge- nießen auch dann nur die Hälfte oder ein Drittel der frühern Futiermenge; bei Nebelwitterung wird bisweilen jegliche Nahrung zwei oder drei Tage verschmäht, und selbst nach solchem Fasten zeigen sie auch wohl am vierten nur spärlichen Appetit. Der eigentliche Eintritistermin der ver- minderten Fresslust ist die Mitte des December. So war es 1875 und 1876; im folgenden Jahre nahm die Fresslust schon Ende November ab; 1878 war die Witterung bereits im Oktober sehr rauh, und die Vermin- derung des Appetits wurde schon am 5. November beobachtet; 1879 war die Herbstwitterung sehr milde, noch um die Mitte November trieben die Zur Naturgeschichte des Dachses. 481 Sträuche Schösslinge, und die Fresslust zeigte sich erst am 13. December verringert, obgleich am 24. November Schnee gefallen war, das Thermo- meter am 27. Morgens — 43° R. angezeigt und ziemlich kaltes Wetter von da ab fortgedauert hatte; 1880 trat die Verminderung des Appetits gleich nach dem Anfange des December ein. Jene Alteration und Ver- minderung der Fresslust ist aber nicht zufällig, sondern in der Organi- sation jener Thierart begründet und bildet eine besondere Periode des Jahreslebens; einmal eingetreten setzt sie sich durch den December und Januar bis zur Mitte des Februar fort, dem Wendetermin, wo auch die vegetabilische Welt zur Entfaltung neuer Thätigkeit sich anschickt. Die Rückkehr geregelter Fresslust ist, im Verein mit der Wiederzunahme der Regsamkeit, die erste Äußerung des neu gekräftigten Lebens. Im April bahnt sich die Geschlechtsregung an, deren allmähliche Zunahme und Rückwirkung im Mai und Juni dem ganzen Wesen einen Ausdruck er- höhter Energie verleiht. Mit dem nun folgenden Termin der Begattung ist wieder der Höhepunkt des Gesammtlebens erreicht und der Jahres- cyklus des Dachslebens vollbracht. Die Tasche. Die Tasche ist ein sackförmiges Organ zwischen Schwanz und After, hat im Leben und ganz frischen Zustande 21/, Zoll Durchmesser, bis zur ausgehöhlten Mitte ihres Bodens I Zoll Tiefe, kommunicirt nach außen durch ‚eine 11/, Zoll breite Querspalte, deren dick aufgeworfene Ränder mit kur- zen Haaren bedeckt sind. Mittels eines an das Rectum inserirten Muskel- bandes kann die untere äußere Wand willkürlich abwärts gezogen wer- den, wobei die Innenfläche dunkelfleischroth, glänzend, wie mit einem wässerigen Hauch überzogen erscheint. Die Tasche ist sehr blutreich, und in der Ränzzeit schwillt die äußere Wand an, so dass deren unter- ster Theil ein wenig konvex vorragt; der innere Raum ist mit einer Membran ausgekleidet, welche als Fortsetzung der äußern Haut gelten kann, mit vielen kurzen, aber auch längern, flach aufliegenden gelben Haaren besetzt ist, und dicht stehende Öffnungen erkennen lässt, die einem, unter der Haut ausgebreiteten 11/, bis 2 Linien dicken, auf einem ,_ fibrösen Gewebe ruhenden, aus verzweigten Drüsenschläuchen be- stehenden Panniculus glandulosus angehören. Die Membran selbst ist, wie man nach dem Tode sieht, mit einer grau gelblichen Materie von ' salbenartiger Konsistenz bedeckt, welche sich durch Streichen mit dem ı - Finger oder Skalpellstiel entfernen und sammeln lässt, sich an der Luft ı bräunt, auf Papier gestrichen einen fettigen, gelbbraunen Fleck bewirkt, als Häufchen tagelang weich bleibt, über der Flamme verkohlt, ohne sich zu entzünden und ohne einen starken unangenehmen Geruch zu ver- 482 Gi. Herbst, breiten, und nach Acnarp’s! Analyse außer einem geringen Theil Feit, einen animalischen, dem käsigen Theil der Milch, oder der Blutiymphe ähnlichen Stoff enthält. Die bisherigen Ansichten von dem Zweck der Tasche befriedigen nicht; weder Burron’s? allgemeine Angabe, dass der Dachs die aus der Tasche hervorsiekernde Flüssigkeit selbst leckt, noch die Sage, dass der Dachs während der Winterruhe sein Leben durch Aufsaugen von Fett aus der Tasche fristet, noch Warrter’s? Vermuthung, dass das Auflecken der aus der Tasche quillenden Materie die Verstärkung der Geschlechts- regung und der Samenbereitung bezweckt, bedürfen eines näheren Ein- gehens, weil sie auf der irrigen Voraussetzung, dass der erwachsene Dachs an der Tasche leckt, beruhen. Der Zweck der Tasche kann nur mittels der Beachtung und Vergleichung der Vorgänge an ihr während des Lebens in beiden Geschlechtern richtig erkannt werden. Die sonder- bare Erscheinung des Schlürfens an der Tasche beim jungen Dachs ist oben beschrieben, aber auch in der späteren Lebenszeit ist das Verhal- ten jenes Organs nicht minder bemerkenswerth. Beim Aufenthalt der jungen, herangewachsenen Dachse im Freien im Sommer 1875 bot sich oft Gelegenheit zu sehen, dass bald der Eine, bald der Andere sich dem Gefährten näherte, um den eigenen Hinterkör- per, unter straffer Aufrichtung des Schwanzes und auch wohl gleich- zeitiger Aufhebung eines Hinterbeins, an des Andern Hinterkörper zu lehnen, um hiernach mittels Rückwärtsdrängens einen mehr oder. weni- ger energischen Druck auf seinen eignen Körper zu verüben, wobei der Andere sich entweder passiv verhielt, oder auch seinerseits, bei ähnlicher Haltung von Schwanz und Hinterbein, entgegen drängte. Solches An- pressen wurde im Herbst seltener, im Winter bei dem Weibchen fast gar nicht, und bei dem Männchen nur ausnahmsweise und schwach bemerkt, nahm jedoch im folgenden Frühjahr an Häufigkeit und Energie wieder zu, verstärkte sich von Woche zu Woche während der Monate April, Mai und Juni, erreichte im Juli, beim Eintritt der Brunstperiode, die größte Heftigkeit, nahm danach bis zum Winter ab, um im nächsten Jahre den- selben Kursus zu wiederholen. Hinsichtlich der Häufigkeit und Heftigkeit des Anpressens war das Geschlecht nicht ohne Einfluss, das Weibchen stand zu allen Zeiten dem Männchen nach, die Tage kurz vor oder wäh- rend der Brunst ausgenommen. In den Monaten der Geschlechtsregung war der Drang zum Anpressen bei dem Männchen so heftig, dass, falls jene bequemste Stelle nicht zu erreichen war, überhaupt jeder sich darbietende ! Memoire sur le Blaireau, par Mr. WArrter. Memoires de l’Academie Royale des Sciences et Belles-Lettres 4792 et 1793. Berlin 1798. Classe de Philosophie Ex- perimentale. p. 3—22. 2 Burvon, a. a. 0. p. 407. 3 WALTER, a. a. O. u Zur Naturgeschichte des Dachses. 483 Körpertheil, Nacken, Rücken, Bauch, Seitenflächen der Gefährtin, auch selbst fremde, gemeiniglich trockene, saubere Gegenstände, reines Stroh, die Verschlagswände, der Fußboden als Druckobjekte benutzt wurden. Der Zweck jener Anstrengungen war die Entfernung einer flüssigen Materie aus der Tasche des aktiven Thieres, und die jedesmalige Menge der weggedrückten Materie stand zu der aufgewandten Druckenergie in Verhältnis. Im Herbst und Winter war sie gering, im Sommer aber zu Zeiten so ansehnlich, dass die getroffenen Haarstellen mit einer glänzen- den Feuchtigkeit überzogen erschienen, und die betastende Handfläche ganz nass wurde. Der abgesetzte Stoff war so zu sagen geruchlos, schwach grau getrübt, nicht wasserdünn, sich weichlich anfühlend, schlüpfrig, aber nicht klebrig, trocknete an der Luft ziemlich rasch, und erlitt im Herbst und Winter kaum merkliche Änderung der Farbe, im Sommer aber wur- den Körperstellen, welche oft davon berührt wurden, schmutzig gelb- bräunlich, so dass das Weibchen zur Brunstzeit wie mit Thonfarbe be- strichen erschien, und solches war auch bei dem am 3. August 1861 gefangenen Weibchen in recht auffallend hohem Grade der Fall. Der Umstand aber, dass Haarstellen des Männchens, welche besonders häufig undreichlich von der aus der Tasche gepressten Materie benässt werden, die untere Seite des Schwanzes, und die benachbarten Partien der Hinterbeine sich in der Zeit starker Geschlechtserregung sehr gefärbt, in wechseln- der Weise gelbbraun, gelbröthlich, mitunter kirschroth, orangebraun zeigen, was jedoch bei dem Weibchen nie in solchem Grade vorkommt, lässt erkennen, dass die Zusammensetzung jener Materie Veränderungen unterworfen ist. Der Farbstoff haftet jedoch an den Haaren nicht fest, sondern lässt sich durch Klopfen, Streichen, Bürsten entfernen. Die früheren und späteren Vorgänge an der Tasche sind also wesent- lich verschieden. In Betreff der Ersteren hat meine Beobachtung des jungen Dachspaares zwar erst zu Ende der 4. oder 5. Lebenswoche be- gonnen, doch lassen die von da an mehrere Wochen hindurch gemachten, oben mitgetheilten Wahrnehmungen darüber nicht in Zweifel, dass die Tasche zu jener Zeit absondert, und das Abgesonderte verschluckt wird. Die Natur des Sekretes ist mir nicht näher bekannt, aber die Größe der Sekretionsfläche und die häufigen Wiederholungen des Schlürfens machen es wahrscheinlich, dass die Menge desselben nicht unbeträchtlich ist, und aus den übrigen Mitiheilungen ist dreierlei zu bemerken. 1) Die wilde Begierde und die Heftigkeit des Schlürfens nach der jedesmaligen Einführung von Milch in den Magen und die öfiere Wieder- ‚holung des Schlürfens während der Verdauung weisen darauf hin, dass der Zweck des Sekretes zu jener Zeit zu der Lösung und Verdauung der Milchstoffe in Beziehung steht. 484 6. Herbst, Zur Naturgeschichte des Dachses. 2) Die Wiederholung des Schlürfens auch nach beendigier Verdau- ung, und sogar bei tagelangem Fasten erlaubt die Annahme, dass das Sekret auch nahrungswerthige Stoffe enthält, welche dem Verdauungs- apparat zur Läuterung und abermaligen Benutzung zugeführt werden, um theilweise wieder in die Cirkulation zu gelangen und der Ernährung zu dienen. 3) Die auffallende Vorliebe für den Genuss des Sekretes lässt schließen, dass dasselbe von Geschmack angenehm und von heilsamer Wirkung ist. Die Tasche isi also in jener ersten Periode ein wahres Sekretionsor- gan, welches sich aber durch den Mangel eines besonderen Ausführungs- kanals von den übrigen unterscheidet, indem das in der Taschenhöhle gesammelte Sekret durch den komplicirteren Process der Pression,, des Schlürfens und Schluckens dem Ort seiner Bestimmung zugeführt wird. Auch später bleibt die absondernde Thätigkeit der Tasche bestehen, aber der Dachs vermeidet Maul und Nase mit dem,früher so fleißig auf- gesuchten Organ in Berührung zu bringen, und instinktmäßig wird die abgeschiedene Materie in geschickter Weise aus und von dem Körper weg entfernt; die Receptivität der Tasche hat einen Wandel erfahren, und das früher der Absonderung nutzbarer Stoffe gewidmete Gebilde ist in die Reihe der Exkretionsorgane übergetreten. Die mehrjährigen Beob- achtungen haben ergeben, dass die Ausscheidung im Herbst gering, am geringsten im Winter ist, dass sie im Frühjahr mit dem Erwachen des regeren Lebens sich verstärkt, mit der Zunahme der Geschlechtsregung Schritt hält, und im Sommer, zur Zeit der höchsten Lebensenergie, während der Periode des Ranzens, das Maximum erreicht, und bei dem Männchen kopiöser und koncentrirter als bei dem Weibchen ist. Die Be- deutung des in Frage stehenden Gebildes in jener zweiten Lebensperiode lässt sich also dahin präcisiren, dass die Tasche überhaupt ein Hilfsorgan des excernirenden Apparates ist, ganz besonders aber den Zweck hat, gewisse unter dem rückwirkenden Einfluss der Geschlechtsregung auf den Gesammtorganismus unbrauchbar gewordene Stoffe, zu deren Eli- mination die übrigen Exkretionsorgane nicht ausreichen oder nicht ge- eignet sind, aus dem Blute zu entfernen. Die Tasche ist also ein Hilfsorgan, anfänglich für den Process der Verdauung und Ernährung, später ist sie Exkretionsorgan. Göttingen, Mitte Oktober 1881. Eee. = es Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. Von 0. Bütschli, Professor in Heidelberg. Mit Tafel XXXI— XXX. Im Laufe dieses Sommers bemühte ich mich, mir durch eigene Be- ‚ trachtung die so überaus mannigfaltigen Formen der Radiolarien ver- | trauter zu machen, um besser ausgerüstet zur Schilderung dieser inter- ' essanten und wichtigen Abtheilung in meinen »Protozoen« schreiten zu "können. Da ein im Frühjahr unternommener Versuch, in Villafranca bei Nizza eine Reihe der mittelmeerischen Radiolarien lebend zu studiren, \ wegen Materialmangels keine gute Gelegenheit zu einem ausgedehnteren Überblick über den Formenreichthum der Skelettbildung der Abthei- ‚lung bot, so wandte ich mich zum Studium der fossilen, kieseligen Radio- larienreste, die namentlich auf Barbados in so überraschendem Reich- ‚ihum angehäuft sind. Durch die Güte meines verehrten Freundes und "ehemaligen Lehrers, des Herrn Professor K. Zırrer, gelangte ich in den Besitz eines Stückchens Radiolariengestein von Barbados, welches mir "hauptsächlich die hier darzustellenden Studien ermöglichte und wofür ‚ich dem gütigen Geber hiermit noch meinen besten Dank ausspreche. "Eine Anzahl Barbadosformen, und zum Theil sehr schöne, konnte ich "jedoch weiterhin noch in einem sehr reichen Präparat studiren, welches "das zoologische Institut zu Heidelberg einst von CaArPpENnTEr erhalten hatte. | Die große Mannigfaltigkeit der Formen aus den Abtheilungen der -Gyrtida und Zygocyrtida, welche die Radiolarienfauna des Barbados- "igesteins auszeichnet, lenkte natürlich meine Aufmerksamkeit zunächst auf sich, wozu jedoch auch noch weitere Gründe, namentlich die mangel- | hafte Kenntnis zahlreicher dieser Formen, beitrugen. Das Studium 486 0. Bütschli, dieser Abtheilungen führte mich nun bald zu einigen nicht uninteres- santen Resultaten, deren Darstellung den wesentlichsten Inhalt dieser Abhandlung bilden soll. Wenn ich auch die übrigen Familien, welche Vertreter in dem Barbadosgestein aufzuweisen haben, nicht unberück- sichtigt ließ, so sind doch hinsichtlich derselben die Ergebnisse im All- gemeinen weniger wichtig, so dass ich dieselben erst in der Schilderung der Radiolarien für die »Protozoen« zu berücksichtigen gedenke und hier nicht näher auf dieselben eingehe, Die allgemeine Natur meiner Studien, welche ja zum Theil mehr eine Orientirung bezwecken sollten, wird auch, wie bei zwei früheren, in ähnlichem Sinne unternommenen Arbeiten, es entschuldigen, wenn Manches etwas skizzenhaft und un- vollendet erscheint. Auch die der Abhandlung beigegebenen Abbil- dungen, welche zum größeren Theil mit dem Zeichenapparat entworfen sind, müssen aus dem gleichen Gesichtspunkte beurtheilt werden, da auch sie zum Theil etwas skizzenhaft, zum Theil dagegen etwas sche- matisch gehalten sind. Neben den Studien über die Gyrtida und Zygo- cyrtida vom Barbados, welche den Hauptiheil dieser Arbeit bilden, gebe ich in ihr noch die Beschreibung des Skelettes einer lebenden, sehr interessanten Form aus der Gruppe der Phaeodarien, welche ich dieses Frühjahr in der Bucht von Villafranca fischte. I. Über Coelothamnus (?) Davidoffii n. sp., eine neue, durch ihre Größe besonders ausgezeichnete Phaeodarie. Fig. 4 und 2. Wie soeben angedeutet, wurde diese Form im Frühjahr 1881 auf der Oberfläche der Bucht von Villafranca in einem Exemplar geschöpft. Mein damaliger Assistent, Dr. M. von Davıporr, hatte dies ansehnliche Wesen bei einer Ausfahrt beobachtet und mit nach Hause gebracht, ohne natürlich, eben so wenig wie ich, bei der ersten Betrachtung zu wissen, um was es sich handelte. Ich erlaube mir daher, der neuen Form, zu Ehren ihres ersten Finders, den Speciesnamen Davidoffii zu geben. Unsere Phaeodarie ist ein so ansehnliches Wesen, dass sie dem un- bewaffneten Auge sehr wohl bemerkbar ist; sie übertrifft im Gesammt- durchmesser ihres Skelettkörpers sämmtliche bis jetzt bekannten einzel- lebenden Radiolarien, da dieser Durchmesser nicht weniger wie 11/, cm beträgt. Mit unbewaffnetem Auge beobachtet, erscheint der im See- wasser schwimmende Organismus als ein vielstrahliger, aus relativ zarten, glänzenden langen Strahlen (16) zusammengesetzter Stern, “ dessen Strahlen sämmtlich aus einem etwas verdickten Centrum zu ent- _ Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 487 springen scheinen. Diese Strahlen sind Skeletttheile, welche sammt dem Centrum in eine gemeinsame Gallertmasse eingebettet sind. Diese Gallertmasse ist Alles, was ich von den Weichtheilen beobachtet habe. Sei es, dass dieselben nicht mehr wohl erhalten waren, sei es, dass die Größe des Organismus der Beobachtung hinderlich war und auch der Beobachter zu ungeübt (es war die erste Radiolarie, welche ich untersuchte) — genug, ich fand von den Weichtheilen außer dieser - Gallerthülle nichts Deutliches. Im Folgenden werde ich daher wesent- lich eine Beschreibung des recht interessanten Skelettbaues versuchen. Unser Wesen gehört auf Grund seiner Skelettbildung zu der sehr interessanten Ordnung der Phaeoconchia unter den Harcrer'’schen Phaeodarien! und zur Familie der Coelodendrida.. Die Zurechnung ' desselben zu der Gattung Coelothamnus Harcker’s muss vorerst noch etwas zweifelhaft bleiben. Nach einer brieflichen, kurzen Schilderung, welche ich E. Hazcker entwarf, hält derselbe die Zugehörigkeit zu "diesem bis jetzt noch nicht beschriebenen Geschlecht für wahr- scheinlich. Immerhin besitzt unsere Form auch ziemliche Ähnlichkeit mit Coelodendrum. | Der centrale Theil des Skelettes unserer GC. Davidoffii, der oben | schon als verdicktes Centrum gelegentlich erwähnt wurde, setzt sich, “wie dies in der Ordnung der Phaeoconchia überhaupt der Fall ist, aus zwei gegitterten, getrennten Klappen zusammen, von welchen die peri- pherischen Skeletttheile ihren Ausgang nehmen. Hinsichtlich des "Baues dieser Klappen schließt sich unsere Form ziemlich innig an die durch Hascker’s? und Herrwig’s3 Untersuchungen bis jetzt allein näher ‚bekannte Gattung Coelodendrum an, zeigt jedoch einige bemerkens- \werihe Unterschiede von derselben. | Die beiden Klappen stimmen in ihrer Bauweise, wenn auch nicht in ihrer Gestalt, ganz überein, so dass die Schilderung einer derselben ‚genügen wird, während wir später noch einmal auf ihre gegenseitige Lagerung zurückzukommen haben. Jede Klappe besitzt ungefähr die Gestalt einer halben, mäßig ge- "krümmten Kugelschale (Fig. 2 und 4 ß), jedoch glaube ich nicht, dass sie in ihrer Ausdehnung gänzlich die Hälfte einer Kugel erreicht, son- ‚dern nur einem Kugelsegment entspricht; da ich jedoch eine seitliche ‚Ansicht, weil ich das bis jetzt einzige Präparat nicht riskiren wollte, "nicht erlangen konnte, so blieb ich etwas zweifelhaft über diesen, | 1 E. Hasckeı, Über die Phaeodarien, eine neue Gruppe kieselschaliger mariner \Ahizopoden. Sitzungsb. d. Jenaischen Ges. f. Med. u. Nat. Jahrg. 1879. 2 E. HAEcKEL, Die Radiolarien. Berlin 1862. p. 361. 3 R. HERTwIe, Der Organismus der Radiolarien. Jena 1879. p. 93. 488 | “ 0. Bütschli, auch gerade nicht sehr wichtigen Punkt. Auf der Höhe der konvexen Fläche dieser Kugelschale erhebt sich, wie bei Goelodendrum, ein drei- seitiger, hohler Aufsatz, der jedoch keine kegelförmige Erhebung, wie bei Goelodendrum,, darstellt, sondern einen ziemlich flachgedrückten, mäßig hohen, dreiseitigen Kasten; d. h. die der Kugelschale ab- gewendete Außenfläche dieses Kastens ist jedenfalls nur mäßig gewölbt, nicht jedoch kegelförmig erhoben. Eigenthümlich und etwas schwer verständlich ist die Verbindungsweise dieses Aufsatzes mit der Kugel- schale und indem wir zu deren Schilderung übergehen, können wir auch zuerst die specielleren Bildungsverhältnisse der Kugelschale etwas genauer darstellen. Zuvor sei jedoch bemerkt, dass der dreiseitige Auf- satz bei unserer Form eine relativ viel ansehnlichere Größe gegenüber der Kugelschale aufweist wie bei Coelodendrum, indem er der Kugel- schale an Flächenausdehnung nahezu oder völlig gleich kommt; beide Klappen zeigten nämlich hierin einige Verschiedenheiten, wie noch ge- nauer zu erwähnen sein wird (vgl. Fig. 2 und A). Bei der Betrachtung der sog. Kugelschale von der konvexen Fläche bemerkt man leicht, dass dieselbe nicht völlig die Beschaffenheit eines Kugelsegmentes besitzt, sondern dass ihr Rand in einer gewissen Aus- dehnung (etwas mehr als !/, des Gesammtumrisses) zu einer etwa trapez- förmigen Platte auswächst (Fig. 2 und 4 y), so dass die Flächenansicht der Kugelschale, bei Mitberücksichtigung dieses Anhanges, etwa eine löffelförmige wird. Hierdurch wird eine Längsachse in der Gesammitgestalt der Schale bezeichnet, die, wie wir sehen werden, sich auch in der Bildung des übrigen Skelettes ausspricht. Auf diese löffelförmige Schale ist nämlich der dreiseitige Aufsatz so aufgewachsen, dass die Höhenlinie seines gleichschenklig-dreiseitigen Umrisses mit der erwähnten Längs- achse der löffelförmigen Schale parallel gerichtet ist. Während der Um- riss des dreiseitigen Aufsatzes, wie erwähnt, bei der eben beschriebenen Klappe ein gleichschenkliger (siehe Fig. %) ist, ist er dagegen bei der anderen Klappe ein gleichseitiger (siehe Fig. 2). Auch die sog. Kugel- schale ist bei der ersterwähnten Klappe etwas längsgestreckt. Bei dieser beträgt die Gesammtlänge der löffelförmigen Klappe 0,63 mm, bei der anderen 0,609 ,mm; ‘die Höhe des gleichschenklig-dreiseitigen Aufsatzes der ersteren 0,55 mm, die des gleichseitigen der letzteren 0,57 mm. Der? Zusammenhang der Löffelschale und des Aufsatzes gestaltet sich nun folgendermaßen. In der trapezförmigen Verlängerung der Schale bemerkt man ein ansehnliches, nahezu kreisrundes Loch (Figur 2 und 4 «), welches direkt in den Hohlraum des Aufsatzes führt, indem die der trapezförmigen Verlängerung zugewendete oder nach unseren . Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 489 Figuren tiefere Wand des Aufsatzes im Umkreis dieses Loches direkt in die trapezförmige Kiesellamelle umbiegt. Es erscheint daher auch die | trapezförmige Kiesellamelle „, wenn wir uns anders ausdrücken, wie ; eine trichterförmige, nach der Tiefe vorspringende Verlängerung des ; Mündungsrandes. des weiten Loches «. Vor diesem Loch wird dagegen ‚ die tiefere Wand des Aufsatzes in ihrer mittleren Region bis zur Spitze ! von der Wand der Schale selbst gebildet (siehe Fig. 2 und 4 e), welche | in der Ausdehnung dieses Feldes e solid, nicht gegittert durchbrochen erscheint. Dagegen ist die niwerdände Lamelle der Schale wie bei \ Coelodendrum sehr fein porös und zwar nehmen die Poren nach dem ' freien Rand sowohl an Häufigkeit wie an Größe zu, so dass der Rand der Schale von einem äußerst feinen Kieseinetzwerk gebildet wird. Sehr eigenthümlich verhält sich weiterhin der hintere Rand der trapezförmigen Verlängerung der Schale, deren Beziehungen zu dem ' Loch & oben schon angedeutet wurden. Dieser hintere Rand der trapez- | förmigen Platte schlägt sich nämlich in sehr eigenthümlicher Weise nach | oben um und befestigt sich an der Unterfläche der tiefen Wand des dreiseitigen Aufsatzes. So weit ich über dieses Verhalten durch die ' Flächenansicht ins Klare kommen konnte, stellt dasselbe sich etwa in ‚folgender Weise dar. Der gesammte hintere Rand der trapezförmigen ‚ Platte schlägt sich nach oben um und zwar steigt der mittlere Theil (Fig. 2) ziemlich direkt auf, um sich an der tiefen Wand des Auf- " satzes zu befestigen, während die seitlichen Zipfel (0) sich weiter nach ‚hinten geschwungen ausbiegen und sich getrennt von dem mittleren Theil befestigen. | Auch die geschilderte trapezförmige Platte ist zum größten Theil P solid, nur der vorderste Abschnitt und der hintere Umbiegungstheil N heine fein gitterförmig durchlöchert zu sein. Die Wand des dreiseitigen Aufsatzes ist durchaus solid, wie dies nach Herrwıc auch bei Coelo- \ dendrum der Fall ist, während HacckeL denselben für gegitiert er- | klärte. Ganz abweichend von Coelodendrum ist die weite Öffnung «, ‚ welche bei unserer Form einen direkten Zugang zu dem Hohlraum des ı Aufsatzes gestattet, wogegen hei der erstgenannten Gattung der Aufsatz ‚durch die Lamelle der Kugelschale ganz abgeschlossen ist, welche ‚ Lamelle nur von einer Anzahl Poren durchbohrt wird. Wie bei Goelodendrum entspringen nun von den drei Ecken des ‚Aufsatzes röhrige Skeletifortsätze und zwar von jeder Ecke nur eine ‚einzige Röhre, die wie bei Coelodendrum (nach Herrwic) durch eine [er Kiesellamelle gegen den Hohlraum des Aufsatzes ganz abgeschlos- bi ist. | | ' RE | 4 } I | | 490 | 0. Bütschli, Im Gegensatz zu CGoelodendrum ist das Verhalten dieser drei Kieselröhren ein ungleiches, indem die von der vorderen Ecke ent- springende, etwas dünnere Röhre sich abweichend von den beiden anderen weiter entwickelt. Betrachten wir zuerst diese vordere Röhre (Fig. 4 c), so sehen wir, dass dieselbe sich fortgesetzt und ziemlich regelmäßig dichotomisch theilt, indem sie sich gleichzeitig mehr und mehr verdünnt. Die letzten Gabeläste sind sehr zarte, schlanke, an ihren Enden mit zwei oder mehr Ankerhaken besetzte, hohle Kiesel- fäden. Nicht selten trifit es sich, dass die vorletzte dichotomische Spal- tung zu einem ungleichmäßigen Resultate führt, indem von den beiden Gabelästen der eine ungetheilt bleibt und direkt zu einem Ankerfaden wird, während der andere sich noch einmal in zwei Ankerfäden \ gabelt. | In der geschilderten Weise entwickelt sich also aus der Kieselröhre der vorderen Ecke des Aufsatzes ein Röhrenbäumchen, ganz ähnlich denen, welche sich bei Goelodendrum gleichmäßig aus sämmtlichen drei oder mehr Röhren entwickeln; die Ähnlichkeit ist um so größer, als durch Herrwig’s Untersuchungen festgestellt worden ist, dass wenig- stens bei Coelod. ramosissimum Hck. die Endästchen dieser Bäume nicht geöffnet, wie HaEckeL vermuthete, sondern geschlossen und mit einer Anzahl Häkchen bewaffnet sind, die jedenfalls den Ankerhäkchen unserer Form direkt entsprechen. Abweichend von Coelodendrum ist hingegen die Weiterentwicklung der beiden Kieselröhren der Hinterecken des Aufsatzes. Im Prineip zwar entwickeln sich auch diese durch fortgesetzte dichotomische Gabelung weiter, jedoch nicht mehr in gleichmäßiger Ver- zweigung. Jede dieser stärkeren Röhren gabelt sich bald zu zwei gleichen Aströhren erster Ordnung (a!, a?, bi, b2) und diese gleichfalls bald wieder zu je zweien zweiter Ordnung (a3°—.«a° und b>—b$), so dass also aus jeder der beiden Stammröhren vier und zusammen aus dem Aufsatz acht Aströhren zweiter Ordnung hervorgehen. Auch diese Ast- röhren zweiter Ordnung setzen nun die dichotomische Weiterentwicklung fort, in der Weise jedoch, dass bei der folgenden Gabelung die beiden Gabeläste durch beträchtliche Verschiedenheit in der Dicke sich aus- | zeichnen. Der dickere Gabelast (b7) bildet nun, da er die Richtung des Röhrenastes zweiter Ordnung fast genau beibehält , dessen Fortsetzung, | während der dünnere Gabelast (b®), sich regulär dichotomisch weiter- | theilend, zu einem Röhrenbäumchen wird, ähnlich dem, welches wir | vorhin schon aus der Kieselröhre der vorderen Ecke sich entwickeln f sahen. Der eben geschilderte Vorgang der unregelmäßigen Gabelspal- | tung wiederholt sich nun nach einer kurzen Strecke wiederum an dem | . Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 491 diekeren Gabelast 57’ und wieder an dessen dickerem Gabelast, so dass durch die fortdauernde Wiederholung dieses Processes ein sehr ansehn- lich langer (bis 7 mm erreichender) Strahl oder Stamm entsteht, der sich scheinbar als direkte Fortsetzung des Röhrenastes zweiter Ordnung darstellt, thatsächlich jedoch aus den dickeren Gabelstücken der fort- gesetzten dichotomischen Spaltungen hervorgeht. Dies zeigt sich denn _ auch noch darin, dass er nicht vollkommen gerade gestreckt verläuft, | sondern ganz schwach zickzackförmig zwischen den Abgansgsstellen der ' gleich zu erwähnenden Seitenbäumchen verläuft (Fig. 5). | In seiner ganzen Ausdehnung nämlich ist der Strahl besetzt mit | regulär dichotomisch verzweigten Seitenbäumchen, die aus den dünne- | ren Gabelästen hervorgehen und die in ziemlich regelmäßigen, nach | dem Stammende etwas kleiner werdenden Entfernungen angebracht | sind (siehe Fig. 2 und 5 auch 1). In der geschilderten Weise erheben sich also von jedem Aufsatz acht mit Seitenbäumchen besetzte Strahlen, im Gesammten demnach 416, deren ansehnliche Länge schon vorhin betont wurde und die auch | auf Fig. 1 dargestellt sind. Dieselben sind in ziemlich regelmäßigen | Abständen vertheilt; bei der Ansicht, welche in Fig. 1 wiedergegeben ist, und wo ohne Zweifel schon einige Unordnung in die Lagerung der | Strahlen gekommen war, da bei & und y je zwei dicht zusammenge- ‚ klebt erscheinen, sind sieben etwa horizontal gelagert, vier strahlen " nach unten, fünf nach oben aus. | | Die Frage nach der Anordnung der Strahlen bringt uns zurück zu der nach der gegenseitigen Lagerung der beiden Klappen, von welchen dieselben ausstrahlen. Auf Fig. 1, die ohne genauere Kenntnis des Baues der Gentraliheile des Skeleites entworfen wurde, da sich dieser erst nach Trennung der Klappen feststellen ließ, bemerkt man im Cen- ) trum drei neben einander liegende, etwas länglich gestreckte Theile (K , und aa), von welchen ich den mittleren als durch innige Zusammen- lagerung der beiden Kugelschalen gebildet erachte, während a«a die ' beiden Aufsätze in der Profilansicht sind. Bei leiser Berührung mit der Präparirnadel trennten sich die beiden Klappen von einander, so dass ich eine Verwachsung derselben für unwahrscheinlich halte. | Da sie jedoch nur wenig verschoben waren, so ließ sich sicher '' konstatiren, dass die gegenseitige Lage der Klappen zu einander eine ; um 180° verdrehte ist, indem sich ihre ungleichnamigen Enden gegen- ‚ überstehen, jedenfalls auch die geeignetste Anordnung zu einer mög- liehst regulären Anordnung der 16 Strahlen. Einige Worte wären noch beizufügen über die feineren Bauverhält- -, nisse der Strahlen und ihrer Seitenbäumchen. Die Dicke der Strahlen 492 0. Bütschli, verschmächtigt sich allmählich gegen ihre Enden zu (Fig. 5) und die Enden selbst sind wie die Seiten regelmäßig dichotomisch verzweigt. Eben so wie die letzten Röhrenenden der Seitenbäumchen sind auch die des Stammendes zu den uns schon bekannten hohlen Ankerfäden ent- wickelt, so dass demnach jeder Strahl allseitig von einem Wald solcher -Ankerfäden umstarrt wird. Was die Zahl solcher Ankerfäden betrifft, die sich durch fort- gesetzte dichotomische Verästelung aus dem Stamm jedes Seitenbäum- chens erheben, so herrschen hierin ziemliche Schwankungen, man trifft solche mit zwei Gabelungen und vier Ankerfäden bis zu solchen, wo durch fortgesetzte Theilungen die Zahl der Ankerfäden sich zu 20 und mehr erhebt. Da nicht immer nur die Gabelzweige letzter Ordnung sich zu Ankerfäden entwickeln, sondern häufig einer der Äste vorher- gehender Ordnung sich zu einem solchen Faden ausbildet, wie oben schon bemerkt wurde, so sind die Gesammtzahlen der Ankerfäden ver- schiedener Bäumchen keineswegs immer Multipla von zwei, sondern auch z. B. 1, 13 und so fort. Im Allgemeinen weisen die proximalen Seitenbäumchen etwas mehr Ankerfäden auf wie die distalen, sind also reicher verzweigt. Auch die Länge der Ankerfäden ist ziemlich verschieden, als mitt- lere Länge kann etwa 0,25 mm betrachtet werden, jedoch weist ein und dasselbe Bäumchen ziemliche Verschiedenheiten auf und ist nament- lich interessant, dass hier und da einzelne Fäden (siehe Fig. 5) eine sehr viel beträchtlichere Länge erreichen, bis 0,5 mm und mehr, so dass sie wie eine Art Fangfäden aus dem Fadenbusch eines Bäumchens hervor- schießen. Auch die zarten, schlanken Ankerläden sind, wie gesagt, durch- aus hohl, was stärkere Vergrößerung leicht erweist und in ihrer ganzen Ausdehnung mit proximalwärts gerichteten kurzen Stachelchen dicht besetzt (Fig. 3). An ihren Enden schwellen sie etwas an und wachsen hier zu zwei bis vier senkrecht vom Faden entspringenden und mit ihren Spitzen proximalwärts gekrümmten Ankerhäkchen von ziemlicher Größe aus. Diese Ankerhäkchen zeigen an ihren proximalen Rändern eine sehr feine Zähnelung. | Nicht uninteressant erscheint es, dass ähnliche Ankerfäden in neuerer Zeit von R. Herrwıc ! bei einer anderen Phaeodarie, Goelacantha anchorata, gefunden worden sind, wenn auch diese Form wegen ihres sonst sehr abweichenden Skelettbaues zu einer anderen Abtheilung der Phaeodarien gezogen werden muss. 1482 C m m nr en u Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. 493 Hinsichtlich der Bedeutung dieser Ankerfäden, glaube ich, wird wohl zunächst an eine Vorrichtung zum Fang von Beute gedacht wer- den müssen, da der ganze Bau unseres Wesens es nicht wohl ermög- licht, sie als Apparate zur Anheftung zu deuten. Wie gesagt, war es mir leider nicht vergönnt von den Weichtheilen des Goeloth. Davidoffir mehr wie die ungemein ansehnlich entwickelte Gallerte wahrzunehmen. Natürlich kommt es mir in diesem Fall nicht zu, eine Ansicht über die Frage zu äußern, ob die Gallerte auch im lebens- kräftigen Zustand so ansehnlich entwickelt ist, wie bei dem ohne Zweifel abgestorbenen Thier, das mir zur Untersuchung vorlag. Immerhin möchte ich, gestützt auf Herrwıg’s Erfahrungen, das Erstere annehmen. Die ganz wasserklare Gallerte umhüllte das gesammte Skelett (Fig. 1) bis zu den äußersten Spitzen der Strahlen und erhob sich mit jedem Strahl etwas über das Niveau der gemeinsamen Gallertkugel, so dass sie gleichfalls einen strahligen Bau zeigte. Ihre Durchsichtigkeit ist so groß, dass bei der Untersuchung in Seewasser nichts von ihr zu be- merken war; sehr deutlich trat sie jedoch sofort hervor, als das Objekt in Karminlösung eingelegt wurde, da diese nun bis zu ihrer Oberfläche dringen konnte; bei längerem Aufenthalt in Karmin färbte sie sich leb- haft roth. Mit dieser Schilderung glaube ich das Wichtigste, was ich an dem untersuchten Exemplar des Coeloth. Davidoffii zu beobachten vermochte, mitgetheilt zu haben. Die genauere Vergleichung der Gattung wird sich nach Hazcker’s Publikation seiner Phaeodarienuntersuchungen leicht be- werkstelligen lassen; die Art scheint nach seiner Mittheilung nicht im Material des Challenger enthalten zu sein und dürfte jedenfalls im Mittelmeer recht selten sein, da sie sonst, als ansehnliches und auffäl- liges Wesen, von einem der zahlreichen Zoologen, welche sich mit Untersuchungen der pelagischen Fauna dieses Meeres beschäftigt haben, wohl schon bemerkt worden wäre. II. Über den Bau und die gegenseitigen Beziehungen der Acanthodes- mida, Zygocyrtida und der Cyrtida (Cricoidea mh.)!. Zu den formenreichsten Abtheilungen der Radiolarien, bei Berück- sichtigung der fossilen Reste, gehören die Zygocyrtida und Cyrtida. 1 Ich fasse die drei erwähnten Abtheilungen der Monopyleen, da sie eine innig zusammenhängende Gruppe bilden, unter dem Namen »Cricoidea« zusammen. Bezüglich der Citationen im folgenden Theil sei bemerkt, dass, wo nicht besonders etwas Anderes bemerkt ist, bei HAEckEL immer seine Monographie der Radiolarien, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd, 33 494 | 0. Bütschli, HasckeL reihte die Zygocyrtida als einen Tribus unter seine Familie der Gyrtida. Hertwie jedoch erkannte richtig, dass sie nicht in dieser Weise unter die übrigen Cyrtida eingereiht werden dürfen. Da er ihre genetischen Beziehungen zu gewissen Formen der HAEckEL- schen Familie der Acanthodesmida richtig auffand, so stellte er nähere genetische Beziehungen der Zygocyrtida mit den eigentlichen Cyrtida überhaupt in Abrede und reihte die ersteren in die neu um- schriebene Familie der Acanthodesmida ein. Die nachfolgenden Unter- suchungen werden zeigen, dass die von Hareker behaupteten Bezie- hungen der Zygocyrtiida zu den übrigen Cyrtida, im Gegensatz zu Herrwis, wohibegründet sind, dass jedoch die Zygocyrtida sich danach nicht als eine den übrigen Unterabtheilungen der Cyrtida gleichwerthige Gruppe unter dieselben einreihen lassen, sondern, so weit die Unter- suchungen bis jetzt ein Urtheil gestatten, als Zwischenglied zwischen die Acanthodesmida (im revidirten Hazcrer’schen Sinne) und die Cyr- tida eingeschoben werden müssen, d. h., dass die eigentlichen Cyrtida sich aus zygocyrtiden-artigen Formen entwickelt haben. Wenn nun auch die ältere Hazcker'sche Ansicht über die Verwandtschaft der Zyge- cyrtiden zu den eigentlichen Cyrtida gegenüber der neueren Herrwıc- schen ihre Richtigkeit besitzt, so darf doch nicht außer Acht ge- lassen werden, dass Hırcker diese Zusammengehörigkeit mehr mit richtigem Takt geahnt, als mit ausreichenden Gründen erwiesen hat; erst die feineren Strukturverhältnisse, wie sie im Folgenden von mir zu erörtern sein werden, liefern sichere Beweise dieser Zusammen- gehörigkeit. Es ist ein wesentliches Verdienst Herrwıg’s, erwiesen zu haben, dass die typsichen Formen der sog. Acanthodesmida Hazckzr’s mit den Zygocyrtida in sehr inniger genetischer Beziehung stehen, d.h. dass die letzteren sich aus acanthodesmiden-artigen Formen entwickelt haben. In wie fern sich Harckeı auf Grund seiner neueren Radiolarienstudien zu derselben Auffassung neigt, ist bis jetzt nicht zu beurtheilen, nur geht aus einer Mittheilung Hrrrwıg’s hervor!, dass Bazcker die typischen, ring- förmigen Acanthodesmiden jetzt zu einer besonderen Gruppe zusammen- fasst und den noch 18782 betonten Zusammenhang dieser Formen mit den Sponguriden ohne Zweifel aufgegeben hat. bei Herrwis seine Arbeit »Der Organismus der Radiolarien«, bei EHRENBERG Sein Atlas der Radiolarien von Barbados in den Abhandlungen der Berliner Akademie aus dem Jahre 1875 gemeint ist. Die Diagnosen der Eurengere’ schen Radiolarien- arten von Barbados finden sich in Monatsber. der Berliner Akademie. 1873. 1 1.s.c. p. 68. 2 Das Protistenreich. Leipzig 4878. p. 403. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 495 Es ist nun in dieser Mittheilung nicht meine Absicht, die syste- matischen Fragen, welche in diesen drei Gruppen, namentlich aber den eigentlichen Cyrtida, recht verwickelt liegen, ausführlicher darzustellen. Ich werde ja ohnedies bei der Darstellung der Radiolarien im Bronx- schen Lehrbuch hierauf im Zusammenhang einzugehen haben. Es unterliegt kaum einer Frage, dass die Systematik ! der Gyrtida die größ- ten Schwierigkeiten unter den Radiolarienfamilien überhaupt darbietet, theils wegen der mangelhaften Kenntnis zahlreicher Formen, theils wegen der Schwierigkeit: die wirklich systematisch-bedeutsamen Cha- raktere herauszufinden. Dass jedoch die HaEckEL-EnrengErg’sche Syste- matik dieser Gruppe eine durchgreifende Umgestaltung bedarf, hat zum Theil schon Herrwig richtig gefühlt. Die wichtigsten Gesichtspunkte, welche in dieser Frage wohl maßgebend sein dürften, werden auch in dieser Arbeit noch zu betonen sein, im Allgemeinen jedoch beschränke ich mich hier auf eine Darlegung meiner Ansichten über den Zusammen- hang der drei Gruppen und suche diesen Zusammenhang für die zahl- reichen Formen der Cyrtida möglichst ausgiebig zu erweisen, indem ich ‚ die Vertreter derselben auf ihre verwandtschaftlichen Verhältnisse prüfe | und ihre Genesis zu erforschen suche. A. Acanthodesmida. Die Acanthodesmiden umfassen in unserem Sinne die typischen "Gattungen Lithocircus J. M., Zygostephanus Hck. und Acanthodesmia .J.M. (vinculata J. M., non dumetum J. M., welch letztere Form hin- ‘sichtlich ihrer Stellung als zweifelhaft betrachtet werden muss). Dic- 'tyocha Ehhg. und Plagiacantha Clp., welche Harcker gleichfalls zu den ‚ Acanthodesmida zog, wurden schon von Herrwıc als nicht hierher- gehörig ausgeschieden (über letztere Form folgen weiter unten noch ‚einige Bemerkungen). Prismatium Hck. erscheint bis jetzt gleichfalis ‚noch zweifelhaft in seiner Stellung, soll jedoch unten noch kurz be- "trachtet werden. Auch die lithocircus-ähnliche Gattung Mesocena Ehkg. ist bis jetzt noch ziemlich unsicher und gehört wahrscheinlich "in die Nähe von Dictyocha zu den Phaeodarien 2, jedenfalls aber nicht hierher. 1 Unter Systematik ist hier natürlich immer die genealogische Verwandt- schaft verstanden, nicht eine zum Zweck der Bestimmung unternommene künstliche Gruppirung. | 2 Ich glaube mich nämlich überzeugt zu haben, dass die Mesocena triangularis Ehbg. aus dem Tripel Siziliens ein hohles Skelett besitzt. Sie gehört in die nächste Nähe von Dietyocha, wie sich denn auch Dictyocha leicht von der einfacher ge- ' stalteten Mesocena herleiten lässt. Beide gehören also wie R. Herwig zuerst für: Jans 496 0, Bütschli, Die einfachste und ohne Zweifel auch ursprünglichste Gattung der Acanthodesmida ist: Lithocircus J. M., ein einfacher, bestachelter Kieselring von länglich sechsseitiger oder ovaler Gestalt!, in welchem die Gentralkapsel derart aufgehängt ist, dass der eine Pol derselben, der untere, welcher das Porenfeld trägt, dem einen Pol des Ringes zugewendet liegt, welcher Pol sich auch noch durch eine besondere Bildung seiner Bestachelung auszeichnet. Es lässt sich demnach auch schon bei den bis jetzt be- kannten einfachsten Lithocircen ein unterer oder basaler und ein oberer oder apicaler Ring-Pol unterscheiden; dagegen sind bei Herrwic’s Lithoc. annularis die beiden zwischen diesen Polen sich ausspannen- den Ringhälften ganz gleich, der Ring ist zweistrahlig, diphragmatisch nach Haecker’s Terminologie. Dagegen zeigt eine von Herrwıe aufgefundene, dritte Lithocircus- form (L. productus) schon ein sehr wesentlich abweichendes Verhalten, indem die beiden Ringhälften nicht mehr gleich sind, sondern die eine schwächer gekrümmt ist, wie die mehr vorgebauchte andere. Der Ring erscheint dann nicht mehr regelmäßig oval, sondern etwa | Jförmig; die schwächer gekrümmte, vom basalen Pol direkter aufsteigende Hälfte, wollen wir als vordere bezeichnen, die stärker ausgebauchte dagegen als hintere. Der Ring ist jetzt also nicht mehr zweistrahlig, sondern bilateral-symmetrisch (dipleur nach HAcEckEL) mit einer Symmetrieebene, welche mit der Ringebene zusammenfällt. Diese Verhältnisse erforder- ten eine etwas genauere Besprechung, weil sie die größte Wichtigkeit besitzen, d. h. sich von hier aus durch die ganze Reihe der Acanthodes- miden, Zygocyrtiden und Cyrtiden wiederholen, wenn sie auch bis jetzt völlig übersehen wurden. Die Wichtigkeit dieser bilateral-symmetrischen Umgestaltung des Ringes dürfte vielleicht auch wünschenswerth machen, solche bilateral- symmetrischen Lithocircen generisch von den dipleuren zu scheiden und möchte ich dann für dieselben die Gattungsbezeichnung Zygocircus vorschlagen. Auch im Barbadosgestein findet sich ein solcher Zygocircus, der Dictyocha gezeigt hat, zu den Tripyleen Hertwie’s oder den Phaeodarien HaEckEt's. 1 Mir scheinen die Differenzen zwischen dem von J. Mürrer (Abhandl. der Berliner Akademie. 1858. p. 29. Taf. I, Fig. 4) beschriebenen Lithocircus annula- ris und der von Herrwic (l. c. p. 69. Taf. VII, Fig. 5) unter demselben Namen geschilderten Form einstweilen zu groß, um sie, wie Herrwic will, zu einer Ark zusammenzuziehen. _ Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 497 von EHRENBERG nicht beschrieben wurde und der dem Zygocircus productus Hertwig so nahe steht, dass ich ihn damit unbedingt identi- ficiren würde, wenn für den letzteren genaue Maßangaben vorlägen. Die Vertikalachse des Ringes der Barhadosform maß 0,29 mm. An diese einfachsten Zygocircusformen schließt sich sehr innig eine Form an, welche schon von Esurenperg! abgebildet und kurz unter dem Namen Stephanolithis spinescens beschrieben worden ist2. Wir behalten den Enrenserg’schen Namen dieser Form bei und machen dieselbe hiermit zum Typus der Gattung: Stephanolithis. Das Skelett derselben zeigt uns (Fig. 7a) als Grundform zunächst wieder den bilateral-symmetrischen Ring von Zygo- circus mit seiner vorderen vom Basalpol nahezu senkrecht und gerade aufsteigenden Hälfte a und der hinteren stark ausgebuchteten b. Beide Ringhälften tragen eine Anzahl ziemlich ansehnlicher, verzweigter Stacheln, welche symmetrisch, meist paarweise, nach rechts und links von der Symmetrieebene entspringen und die wir hier nicht genauer verfolgen wollen. Eine wichtige Weiterbildung, welche diese Form ' aufweist, findet sich am basalen Pol. Die Bildung desselben geht am ‚ besten aus einer Vergleichung der seitlichen (Fig. 7 a) und der basalen ‚ Ansicht (Fig. 7 b) hervor. Zunächst erhebt sich in der Symmetrieebene des Ringes am basalen ‘ Pol ein unpaarer, medianer Kieselfortsatz c!, der sich an seinem freien Ende zu einer senkrecht zu ihm gestellten, von vorn nach hinten ‚, verlaufenden Leiste (siehe die Fig. 7a und b) auszieht. Je etwas vor und hinter dem Fortsatz c! entspringt vom Kieselring ein schief nach der Basis und nach außeh gerichteter, stachelartiger Fortsatz e und x et, ‚ also symmetrisch zu beiden Seiten des Basaltheils des Ringes je zwei, ‚ von welchen sich die zusammengehörigen beiden hinteren auf gemein- ‚ samem Stamm x vom Ring erheben. i Indem sich e nach hinten, e’ nach vorn wendet, treffen sie jeder- ‚seits in einiger Entfernung von der Symmetrieebene ungefähr unter einem rechten Winkel zusammen und verschmelzen, indem sich an der i Abh, 4875. p. 160. Taf. I, Fig. 29. 2 Die in der Mikrogeologie Taf. XXXVI, Fig. 57 B und C von Barbados und den Nikobaren abgebildeten’ Stephanolithisformen gehören dagegen nicht hierher, sondern sind ohne Zweifel ausgebrochene Mündungstheile echter Cyrtiden, das- selbe gilt auch von der 1875 (Abh.) beschriebenen und abgebildeten St. annularis, wogegen die an gleichem Ort erwähnte und abgebildete St. nodosa von Barbados, die sehr häufig im Barbadosgestein ist, zwar ebenfalls nicht hierher gehört, jedoch hinsichtlich ihrer Bedeutung zweifelhaft erscheint. Ich habe sie jedoch bis jetzt nicht genauer studirt. 498 0. Bütschli, Verschmelzungsstelle ein ansehnlicher, verzweigter Stachel entwickelt, der nach unten und außen verläuft. Der von den vier geschilderten Fortsätzen e und e’ umschlossene, rhombische Raum (siehe Fig. 7 b) wird nun durch die mediane Leiste c! in zwei dreieckige Löcher getheilt, indem sich dieLeiste vorn mit demRingan der Abgangsstelle der Fortsätze e, nach hinten dagegen mit dem Stamm & der Fortsätze e’ verschmelzend ver- einigt. Diese beiden Löcher sowohl, wie namentlich die Leisten e, sind nun von der höchsten morphologischen Bedeutung für sämmtliche höher entwickelte Formen unserer Abtheilung sowohl, wie der Zygocyriiden und Cyrtiden, was hinreichend erläutern wird, warum wir diese wich- tige Weiterbildung des Basalpoles der Stephanolithis spinescens ein- gehend betrachten mussten. Leicht verständlich werden uns nun noch zwei weitere, zu Stepha- nolithis zu rechnende Barbadosformen sein, welche gegenüber der eben geschilderten Art wiederum eine wesentliche Weiterbildung er- kennen lassen. Die erste dieser Formen (Fig. 8 a—c) zeigt uns den Ring mit seinen beiden Hälften «a und 5b sehr deutlich in den drei An- sichten. Von dem Basaltheil dieses Ringes (c) entspringen jederseits direkt die Fortsätze e und e’, welche ganz sicher denen der vorhergehenden Form zu homologisiren sind, jedoch fehlt hier die Entwicklung des medianen Fortsatzes c! der vorhergehenden Form, so dass die Tren- nung der Löcher / direkt durch das zwischen den Fortsätzen e und e’ liegende Basalstück des Ringes geschieht. Eine wichtige Weiterbildung zeigt sich nun aber darin, dass sich zu den zwei Paar Fortsätzen e und e' noch ein drittes vorderes Paar (e2) hinzugesellt, welches von der Um- biegungsstelle des Basaltheils des Ringes in die vordere Hälfte « ent- springt und sich schief nach außen und seitlich entwickelt und sich, nachdem es etwa die Länge von e erreicht hat, mit dem Ende dieses Fortsatzes durch eine bogenförmige Anastomose vereinigt. Dieses neue Fortsatzpaar, welches vielleicht schon in den Stacheln e? der Stephanolithis spinescens angedeutet ist, ruft demnach auf der Basalseite des Ringes die Bildung eines zweiten und zwar größeren Löcherpaares (I) hervor, welches zwischen den Fortsätzen e und e? gelegen ist und als vorderes bezeichnet werden darf. Die Fortsätze e—e? bilden demnach gewisser- maßen eine dem Basaltheil des Ringes angefügte, horizontale, von vier Löchern durchbohrte Scheibe. Diese vier Löcher in ihrer charakteristischen Anordnung und Größe bilden nun ein wichtiges morphologisches Kennzeichen sämmtlicher noch zu beschreibender Formen der Cricoidea. Von sekundärer Wichtigkeit scheint es, dass sich bei der letztbeschriebenen Form, wahrscheinlich nur einseilig, eine Spangenverbindung zwischen dem Ende des Fortsatzes Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. 499 e2 und der Mitte von a hergestellt hat. Auch die Stachelfortsätze aller Kieselstäbe, mit Ausnahme der die vier Löcher umrahmenden Ränder derselben, interessiren uns hier nicht näher. Die eben geschilderte Form, welche EnrEnBERG nicht aufgefunden hat, möge einstweilen den Namen Stephanolithis Müllerin. f. führen. Ganz innig an dieselbe schließt sich die in Fig. 6 ee: abgebildete an, die jedoch trotz der principiellen Übereinstimmung durch die ge- sammten Form-, die relativen Größenverhältnisse der einzelnen Theile und die charakteristische Bestachelung sich als eine eigenthümliche Art erweist. Nicht ohne Interesse ist, dass hier Fortsätze, welche von e? entspringen und sich unter einander und mit dem Ring vereinigen, zur Bildung eines kleinen dritten Paares von Löchern geführt haben, das je- doch ohne wichtige morphologische Bedeutung ist. Diese dritte Form von Stephanolithis möge die Bezeichnung St. Häckelii n. f. führen. Wir wenden uns nun zu einer folgenden Gattung: Acanthodesmia J.M. Von den beiden Arten, welche Mürzer! unter dieser Gattungsbezeichnung beschrieb, lässt sich jedoch nur A. vinculata mit Sicherheit hierher ziehen; die andere, A. dumetum, ist zweifelhafter Stellung. Die ohne Zweifel nicht ganz richtige Beschrei- bung, welche MürLer von Acanthod. vinculata gab, wurde von Herrwis? dahin verbessert, dass sie sich leicht auf unseren Steph. spinescens zu- rückführen lässt. Denkt man sich bei diesem die Stachelfortsätze f, welche nach außen, senkrecht zu dem Ring von den Vereinigungs- punkten der Fortsätze e und e! entspringen, sich sehr verlängern und jederseits bogig bis zum Apicalpol des Ringes herabbiegen und mit diesem verschmelzen, so erhält man einen zweiten, senkrecht auf dem ersten aufgesetzten Ring, wie er für die Acanthodesmia vinculata und für unsere neue Acanthodesmia Hertwigii von Barbados charak- teristisch ist. Für letztere Form (Fig. 9) ist jedoch weiterhin charakteri- stisch, dass bei ihr nicht nur die Basallöcher ], wie es für Ac. vinculata 3. M. zu sein scheint, sondern auch schon die Löcher IJ entwickelt sind; jedoch wäre es nicht unmöglich, dass auch schon bei A. vinculata die beiden Löcherpaare sich finden, das eine Paar aber, welches auch bei A. Hertwigii sehr klein ist (Fig. 9 b, /), übersehen wurde. Den Be- merkungen über die A. Hertwigii habe ich hier für unsere Zwecke nichts Weiteres beizufügen, da die Figuren ihre speciellen Eigenthümlichkeiten hinreichend versinnlichen. Einige Bemerkungen nur noch über die restirenden Gattungen Zygostephanus und Prismatium der Acanthodesmiden. Zygo- I Abh. 4858. p. 30. re. p.7702 500 0. Bütschli, stephanus Hck. ist eine sichere Acanthodesmide, welche sich sehr nahe an Acanthodesmia anschließt, da auch bei ihr auf den primären Ring noch ein sekundärer, und zwar wie bei Acanthodesmia ein senkrecht zur Symmetrieebene des ersteren in die Länge gestreckter, aufgesetzt ist. Wenn Hazcker’s Beschreibung richtig ist, weicht diese Gattung je- doch in einem sehr wichtigen Punkt von Acanthodesmia ab, indem sich nämlich der sekundäre Ring ohne die charakteristische Löcherbildung mit dem Basalpol des primären vereinigen soll. Ist dies richtig, so lässt sich Zygostephanus auch nicht wie Acanthodesmia von Stephanbolithis ableiten, sondern muss sich direkt aus Lithocircus, resp. Zygocircus, entwickelt haben. Indem nun aber die Löcherbildung etwas so charak- teristisches ist und, wie es die drei geschilderten Stephanolithisformen zu erweisen scheinen, der Bildung eines sekundären Ringes vorhergeht, so möchte ich es bis auf eine Neuuntersuchung für möglich halten, dass auch Zygostephanus Mülleri Heck. diese Löcherbildung besitzt; dann wäre aber die Gattung nicht haltbar und fiele mit Acanthodesmia zu- sammen. Sehr zweifelhaft erscheint die Stellung der Hazcrer’schen Gattung Prismatium, welche möglicherweise gar nicht zu den Acanthodesmiden gehört, da namentlich auch der Bau ihrer Gentralkapsel noch unaufge- klärt ist. Immerhin ließe sich daran denken, dass sie sich direkt von lithocireus-ähnlichen Formen herleite, die nur nach der einen Seite die Hälfte eines zweiten senkrecht aufgesetzten Ringes entwickelt hätten, der sich jedoch mit beiden Polen durch zwei Fortsätze e und e’ ver- einigte. Prismatium müsste jedoch auch dann von den eigentlichen Acanthodesmiden geschieden und zu einer besonderen Abtheilung neben diesen erhoben werden. Einige Worte nun noch über die so eigenthümlichen und bis jetzt unter den Monopyleen so isolirt stehenden Plagiacanthiden, mit der ein- zigen Gattung Plagiacantha Clp. Dass diese Gattung verwandtschaftliche Beziehungen zu den hier besprochenen Formen besitzt, dürfte wegen des monopylen Baus ihrer Centralkapsel wohl sicherlich festzuhalten sein, jedoch bieten bei einer eventuellen Vergleichung die Skelettverhältnisse beträchtliche Schwierig- keiten. Immerhin scheint mir eine solche Vergleichung und Zurück- führung der Skelette nicht undurchführbar und ist auch schon von Herrwic in ähnlicher Weise angedeutet worden. Das Skelett der Plagia- canthiden besteht aus drei gleichen Kieselstäben, die in einem Punkt, welcher wegen seiner Lage zur Centralkapsel dem Basalpol der Acan- thodesmiden vergleichbar ist, unter Winkeln von 120° zusammenstoßen und verschmelzen. Vergleichen wir diese Stäbe mit der Bildung des # Ze - Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 501 Basalpols von Stephanolithis, so ließen sie sich wohl den Stäben e nebst dem Anfangsstück der vorderen Ringhälfte (a) vergleichen, da auch diese drei Kieselstäbe nicht nur bei den sie besitzenden Acaniho- desmiden, sondern, wie wir noch sehen werden, fast durchgehend bei den Zygocyrtiden und den Cyriiden unter denselben Winkeln von 120° _ zusammenstoßen und auch häufig, wie bei den Plagiacanthiden, etwas “schief nach dem Apicalpol aufsteigen. Wir müssen, wenn wir die ganze Reihe der Cricoidea durchblicken, über die große Regelmäßigkeit der Vererbung der Stäbe e erstaunen. Wenn wir hieraus zu schließen be- rechtigt sind, dass diese Stäbe, eben so wie der ursprüngliche Ring ab, eine ungemein tiefgehende Bedeutung besitzen, so lässt sich auch ohne zu große Kühnheit daran denken, dass jene drei Stäbe der Cricoidea ‚wohl denen der Plagiacanthiden zu homologisiren seien, d. h. dass sich die letzteren Formen vielleicht von einfachen Stephanolithisgestalten in der Weise herleiten ließen, dass der eigentliche Ring einer weitgehenden Reduktion unterlegen sei, so dass von ihm nur der basale Theil der vor- deren Ringhälfte erhalten geblieben wäre, sammt den beiden Stähen e. (Obgleich sich einer solchen Deutung des Plagiacanthidenskeletts noch ) manche Schwierigkeit entgegenstellen dürfte, so mag ein solcher Ver- such dennoch gewagt werden, indem sich dadurch eine Möglichkeit für ‚das Verständnis dieser Skelette eröffnet, wodurch gleichzeitig die höchst wahrscheinliche Einheitlichkeit der gesammten Monopvleenabtheilung auch in Bezug auf den Skelettbau wesentlich fester begründet würde. "Auch Herrwıc ! hat, wie schon angedeutet, eine derartige Vergleichung ‚in das Bereich der Möglichkeiten gezogen, doch war ihm die große Be- deutung der drei Stäbe für den Bau der Cricoidea nur annähernd be- ‚kannt, so dass er dieser Thatsache auch keinen so großen Werth für das ‚Verständnis der Plagiacanthidenskeletie beilegen konnte. | DEE SER B. Zygocyrtida. a Die Herleitung der Hazcrer’schen Zygocyrtida von den Acanthodes- ‚miden ist schon in ganz richtiger Weise von Herrwie (l. c.) versucht i ‚worden, wenngleich diesem Forscher eine Anzahl wichtiger Punkte, \welche Hierbei in Betracht zu ziehen sind, nicht bekannt waren, da sich \dieselben erst aus dem genauen Sum einer größeren Reihe von ‚Zygocyrtiden ergeben. Herrwıc hat nur das Skelett einer einzigen leben- den Form, der sog. Ceratospyris acuminata Hertw. studirt und kam zu dem Schluss, dass dieselbe sich, wie die Zygocyrtiden überhaupt, in der Weise aus Acanthodesmia entwickelt habe, dass sich zwischen dem SlNeripau26: 502 0. Bütschli, primären und sekundären Ring eine Gitterschale ausspannte, wobei diese Ringe gewissermaßen als Stützen in die Wand der so gebildeten länglichen Schale aufgenommen würden. Da der sekundäre Ring steis senkrecht zu der Ebene des primären in die Länge gezogen ist und sein Längendurchmesser auch stets die beiden Durchmesser des primären Ringes übertrifft, so entsteht eine gegitterte länglich-ovale Schale, deren längster Durchmesser der eben erwähnte Hauptdurchmesser des sekun- dären Ringes ist, deren mittlerer Durchmesser der senkrechten Achse des primären Ringes und deren kleinster Durchmesser der Sagittalachse des Primärringes entspricht. Da weiterhin die beiden Hälften dieser Gitterschale, welche durch die Symmetrieebene des Primärringes ge- schieden werden, sich gewöhnlich beiderseits dieses Ringes etwas über dessen sagittalen Durchmesser aufgebläht erweisen, so erscheint die Zygocyrtidenschale meist in der Symmetrieebene des Primärringes etwas, jedoch fast immer nur sehr wenig eingeschnürt, welche Erscheinung HaeEcKEL auch bei der Benennung und Definition der ganzen Gruppe ver- werthet hat. Wir werden jedoch sehen, dass diese Eigenthümlichkeit durchaus nicht für alle Zygocyrtiden gilt und desshalb auch aus der Charakteristik der Gruppe gestrichen zu werden verdient. Wie oben schon hervorgehoben wurde, bin ich in Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse der Herleitung der Zygocyrtiden von den Acan- thodesmiden derselben Ansicht wie HsrrwıG. Im Speciellen jedoch muss ich mancherlei Besonderes und auch einiges Abweichende betonen, wo- durch aber gleichzeitig die schon nach Herrwıs hohe Wahrscheinlichkeit dieser Ableitung mit wohl unzweifelhafter Sicherheit begründet wird. Erst einiges Genauere über diese Herleitung im ABS hier- auf einige Worte über die Gattungen der Zygocyrtida. Zunächst ist zu betonen, dass die Zygocyrtida sich von solchen For- men der Acanthodesmiden herleiten, welche am Basalpol schon die vier Löcher in der früher geschilderten Weise entwickelt haben, denn die zahlreichen Formen der verschiedenen Gattungen, welche ich zu sehen Gelegenheit hatte, zeichnen sich sämmtlich durch den Besitz dieser vier Löcher am Basalpol aus. Auch sind die Größenverhältnisse und die gegenseitigen Lagerungsverhältnisse der beiden Löcherpaare fast stets genau diejenigen, welche wir auch schon bei Stephanolithis und Acantho- desmia fanden. Es fragt sich nun weiterhin, haben sich die Zygocyrtida von Stephanolithisformen ohne den sekundären Ring oder von Acanthodes- miaformen mit diesem entwickelt. Herrwic hält bekanntlich das Letziere für wahrscheinlich. Ich muss jedoch, wenigstens für eine Anzahl Zygo- cyrtidenformen, das Erstere für richtig halten und neige desshalb über- | | Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 503 haupt zu der Ansicht, dass die Ableitung von stephanolithis-ähnlichen Formen für die gesammten Zygocyrtiden größere Wahrscheinlichkeit hesitzt. Durch Enrensere und Stöar! sind nämlich eine Anzahl, ohne Zweifel sehr primitiver Zygocyrtidenformen bekannt geworden (Ceratospyris pentagona Ehbg. Abh. 1872. Taf. X, Fig. 15. Mnb. 1872. p. 303, auch C. Mülleri Stöhr, Taf. III, Fig. 15), bei welchen, wie mir scheint, nur der primäre Ring ausgebildet ist, ein sekundärer jedoch fehlt, da die beiden jederseits an den primären Ring sich an- lehnenden Schalenhälften aus einer spärlichen Zahl dünner Kieselfäden be- stehen, die zusamnen ein Netzwerk bilden, das weite pentagonale Maschen umschließt. Wie gesagt, scheint mir hier ein sekundärer Ring nicht ausgebildet zu sein. Immerhin ist nicht zu vergessen, dass sowohl EHRENBERG’S wie Stönr’s Abbildungen mangelhaft sind, da sie ohne Kenntnis der principiell wichtigen Momente des Skeletibaues entworfen wurden und dass daher ihre richtige Orientirung nicht ausführbar ist. Noch ein anderer Punkt bestärkt mich in der eben angedeuteten Ansicht. Wie wir sogleich sehen werden, können wir den primären Ring im Skelett der Zygocyrtiden stets noch sehr wohl erkennen, dagegen ist ein sekundärer nie mehr wahrnehmbar, d. h.: er müsste völlig in der Schalenwand aufgegangen sein. Wenn dies nun auch wohl möglich, so möchte man doch auf Grund des Verhaltens des Primärringes vermuthen, dass auch zuweilen der zweite Ring noch erhalten geblieben sein dürfte, wenn er den Urformen der Zygocyrtiden eigenthümlich gewesen wäre. Eine sichere Entscheidung dieser Frage dürfte nur durch das Stu- dium solch primitiver, weitmaschiger Formen möglich sein, wie sie mir leider nicht zu Gebote standen. Es wurde soeben hervorgehoben, dass der Primärring sich bei allen untersuchten Zygocyrtiden noch wohl erhalten zeigt, d. h., dass er entweder gar nicht in die Schalenwand aufgenommen wurde oder doch nur zum kleineren Theil. Das Studium dieses Primärringes führt uns zu Verhältnissen im Skelettbau der Zygocyrtiden, welche bis jetzt ‚ entweder völlig übersehen , oder doch nur ohne Verständnis in einigen ‚ Figuren von EHRENBERG und Stöhr angedeutet worden sind. Um diese Verhältnisse erkennen zu können, muss man die Skelette auf die längste Achse (die wir die Breit- oder Frontalachse nennen wollen) stellen, so dass man die Symmetrieebene der Schale, die natürlich auch die des Primärringes ist, erblickt. In dieser Ansicht sieht man dann, je nach der Durchsichtigkeit des Skelettes in verschiedenem Deutlichkeitsgrade, in der Symmetrieebene der Schale und nach innen von der Schalenwand ! E. Srönur, Die Radiolarienfauna der Tripoli von Grotte. Palaeontographica Bd. XXVI. 1880. p. 1 —124. 504 0. Bütschli, einen Ring ab (Fig. 11 5b, 125,135, 14 b, A7 a), welcher nichts weiter ist, wie der Primärring. Dies geht schon aus seiner Gestalt hervor, die in ihrer asymmetri- schen Bildung uns das Bild des primären Ringes wiederholt, welchen wir bei Zygocircus, Stephanolithis und Acanthodesmia fanden. Die eine Hälfte des Ringes, und zwar die vordere, a, steigt vom Basalpol der Schale ziemlich vertikal (Fig. 13 d und 17 a), oder etwas schief nach vorn geneigt (Fig. 11 b, 42 5b, 14 b) auf; die hintere Hälfte des Ringes dagegen (b) ist stark ausgebaucht, nähert sich daher der hin- teren Schalenwand rasch und steigt meist dicht unter dieser hinlaufend empor. Da sich diese Ringhälfte meist auch ziemlich verdünnt, so ist es häufig nicht mehr möglich gewesen, sie in ihrem oberen Theil gänzlich‘ zu verfolgen und die Geschlossenheit des Ringes nachzuweisen, wie sie z. B. auf Fig. 11 b deutlich zu sehen ist. Ich habe jedoch bei einer ziem- lichen Anzahl untersuchter Formen, die ich nicht abgebildet habe, den geschlossenen Ring beobachtet und die betreffenden Formen nur dess- halb hier nicht wiedergegeben, weil ich von ihnen nur die Skizze dieser Ringebene aufgezeichnet habe. Die senkrecht oder wenig schief aufsteigende Ringhälfte « liegt natürlich weiter entfernt von der vorderen Wand, ja sie kann unter Umständen nahezu mit der Vertikalachse der ganzen Schale zusammen- fallen. | Von den beiden Ringhälften entspringen nach außen gerichtete Ästchen, die in die Schalenwand übergehen und den Ring gewisser- maßen halten. Diese Ästchen laufen zum Theil in der Medianebene selbst, dies scheint mir jedoch der seltenere Fall zu sein, gewöhnlich laufen sie von dem Ring etwas schief nach außen; sie entsprechen den Stacheln, welche wir bei Stephanolithis und Acanthodesmia gewöhnlich paarweise von dem Ring entspringen sahen (Fig. 7, 9). Wenn soeben bemerkt wurde, dass diese Ästchen den Ring zu tragen haben, so ist dies zwar richtig; betrachten wir jedoch die Sache genetisch, so erkennen wir in ihnen die Vermittler der Bildung der eigentlichen äußeren Schale, so weit diese nicht von der gleich zu be- sprechenden vierlöcherigen Basalscheibe ausgeht!, die jedoch ihrerseits selbst wieder das Produkt derartiger Ringfortsätze ist. Indem diese Ringästchen Seitensprossen trieben, bildete sich die erste Anlage der Schale und indem diese Seitensprossen sich verkittend vereinigten, die zusammenhängende Gitterschale, welche daher nach außen von dem Primärring, diesen einschließend, zu liegen kam. 1 Und eventuell auch von einem sekundären Ringe. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 505 Ein interessantes Verhalten der vorderen Ringhälfte « muss hier noch kurz zur Sprache gehracht werden. Dieselbe steigt nämlich bei denjenigen Zygocyrtidenformen, welche einen apicalen Stachel besitzen (Fig. 14 6, 125, 43 b und 17 a), immer direkt zu der Basis dieses Stachels empor und eiebt an diese ein Ästchen ab, welches ohne Zweifel in den Stachel fortwuchs. Die nicht axiale Lage dieser vorderen Ring- hälfte erklärt denn auch, warum dieser Apicalstachel keine. centrale, sondern eine etwas nach vorn verschobene Lage besitzt. Auch auf der Basalansicht sind gewöhnlich die beiden Ringhälften , zu erkennen und da sich in der Beschaffenheit der Basis zuweilen noch , einige Besonderheiten darbieten, so mögen hierüber noch einige Be- merkungen Platz finden. \ Man beobachtet in der Basalansicht stets deutlich die zwei Paar ' Löcher (7 und IT) zu beiden Seiten des Basalstückes des Primärringes. Auch hier sind die vorderen Löcher (IT) durchaus größer wie die hin- , teren (7). Rings um diese beiden Löcherpaare finden sich dann Kleinere, die der umgebenden Schalenwand. Fast stets beobachtet man sehr deutlich die Umbiegungsstelle des Basaltheiles des Primärringes in die vordere, aufsteigende Ringhälfte, in- ‚ dem hier der optische Durchschnitt dieser Ringhälfte dunkel hervortritt, - nämlich zwischen den vorderen Rändern der Löcher /J (Fig. 12a, 13 a, 4% aund 17a, a). AufFig. 13 a una Ai a bemerkt man auch die Ab- ) gangsstelle der hinteren Ringhälfte sehr deutlich zwischen den hinteren - Rändern der Löcher I. Dagegen erkennen wir auf den Basalansichten Fig. 14 a und 17 a ein besonderes Verhalten, welches uns auch noch ‚ später bei den Gyrtiden nicht selten begegnen wird. Hier steigt nämlich der hintere Theil c des basalen Ringabschnittes verhältnismäßig steil von dem Basalpol aus an und trifft daher nicht mehr auf den hinteren Rand ‚ der Löcher /—I, sondern strebt nach einem höher gelegenen Theil der Schalenwand zu. Die Löcher / sind daher hier eigentlich zusammen- - geflossen, ihr Trennungsbalken zieht nicht mehr durch dieselben, son- - dern über ihnen weg. | Diese scheinbare Abweichung dürfte sich jedoch leicht auf die nor- ] male Bildung, wie sie in Figur 13 «a und 12 a gegeben ist, zurückführen - lassen. Die Erscheinung, dass die beiden Löcher / hier zusammengeflossen ‚sind, beruht darauf, dass der hintere Rand der zusammengeflossenen ‚ Löcher eine Neubildung ist und die Art dieser Neubildung lässt sich mit | Hilfe der Figur 7 « wohl leicht verstehen. Auch bei dieser Form steigt der Ringtheil zwischen den beiden , Löchern T rasch an; denken wir uns nun die Leiste c! hier weg, S | } sehbint auch hier c die Löcher / nicht direkt zu theilen, sondern ii | | | B EA ee ar: 506 0. Bütschli, denselben hinzulaufen, da sich die Stäbe e’ durch die Bildung des un- paaren Stammes x über die Ebene von c erhoben haben; wenn nun die hinteren Ränder der Löcher J noch etwas dachartig überhängend über c vorwachsen, so wird der Anschein des Zusammenfließens der Löcher noch größer und dieser Fall dürfte ohne Zweifel bei den Formen wie 1% a und 17 D eingetreten sein. Es giebt daher keine Formen mit drei Löchern, wie sie EHRENBERG zum Theil beschrieb, sondern stets sind vier vorhanden, nur ist der Stab zwischen den Löchern /—I/ zuweilen leicht zu übersehen. Bezüglich der für einen Theil der Zygocyrtiden so charakteristischen Stacheln um die vier Basallöcher kann ich aus meinen Beobachtungen hervorheben, dass drei Mündungsstacheln stets so angebracht sind (Fig. 13 a), dass zwei in die Verlängerung der Fortsätze e fallen, der dritte, vordere dagegen in die des vorderen Endes des basalen Ringab- schnittes. Die drei Stacheln sind demnach in Winkeln von 120° zu ein- ander gestellt. Sechs Stacheln fand ich in zwei Fällen so vertheilt (Fig. 10 a und 12 a), dass zu den drei eben erwähnten noch ein dem vorderen gegenüber stehender hinterer und noch zwei vordere seitliche, symmetrisch zu den beiden hinteren seitlichen, auftreten. Eine genauere Verfolgung der Gesetzmäßigkeit der Stachelanordnung lag außer dem Bereich meiner Zwecke, nur auf einen interessanten Fall möchte ich noch aufmerksam machen, der bei den Zygocyrtiden nach Enrengere’s Beob- achtungen sich zuweilen findet, nämlich den der Entwicklung von nur zwei Basalstacheln; hier sind es, wie auch eine Beobachtung an Cyr- tiden mir zeigte, jedenfalls die beiden hinteren seitlichen Stacheln, die erhalten bleiben. Nachdem ich im Vorstehenden meine Beobachtungen über den Bau der Zygocyrtida im Hinblick auf ihre Genesis und ohne auf die speciellen Eigenthümlichkeiten der untersuchten Formen einzugehen, mitgetheilt habe, möchte ich noch einige Worte über die systematische Eintheilung der Abtheilung hinzufügen. Enrexsere unterschied die Gattungen Dic- tyospyris, Ceratospyris, Petalospyris und Cladospyris, welche auch HaeckzL, jedoch zum Theil modificirt, adoptirte. Dictyospyris.soll sich nach HazckeL ven den drei übrigen Gat- tungen zunächst durch den Mangel der Mündungsstacheln, wie der Stacheln überhaupt unterscheiden. Dies hat jedoch Eurensgere nicht ge- hindert seiner Gattung Dictyospyris auch Formen zuzugesellen, die einen ansehnlichen Stachel aufweisen, der wohl ohne Zweifel als Apical- stachel zu betrachten ist. Es dürfte hieraus folgen, dass EHRENBERG unter den »Appendices«, welche er Dietyospyris absprach, die Mündungs- stacheln verstand. In diesem Enrengerg' schen Sinne lässt sich eine Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 507 Gruppe der Zygocyrtiden zusammenfassen, welche ohne Zweifel die ein- fachsten und ursprünglichsten Formen begreift, zu welcher jedoch auch eine Anzahl Ceratospyrisformen EnrenBerg’s und anderer Forscher ge- zogen werden müssen, nämlich solche, deren Schalenoberfläche mehr oder weniger von kurzen Stacheln bedeckt ist, während die Mündungs- stacheln nicht oder doch nicht stärker wie die übrigen Stacheln ausge- bildet sind. Hieraus folgt dann ferner, dass es wohl gerechtfertigt sein dürfte, mit dieser Gruppe auch solche Formen zu vereinigen, welche die Mündunssstacheln nur ganz schwach angedeutet besitzen. Diese - Untergruppe hat nun aber durchaus keine scharfe Grenze gegen die fol- gende, wie sich denn überhaupt eine scharfe generische Trennung der Zygocyrtida gewiss nicht durchführen lässt. Was EHrENBERG Geratospyris nennt, ergiebt sich am besten aus den Abbildungen der von ihm zu dieser Gruppe gestellten Formen; sehr unsicher dagegen aus seiner Diagnose, wesshalb denn auch HazckeL die EurenBERG’schen CGeratospyren, wegen mangelnder Abbildungen, sehr missverstanden hat. Die Mehrzahl der Enrengerg’schen Geratospyren weist nämlich eine verschiedene Zahl sehr ansehnlicher rundlicher Mün- ' dungsstacheln auf, jedenfalls die »Appendices spinosae simplices« der Eurensere’schen Diagnose. Enrenpere sah in dieser Beschaffenheit der Appendices ohne Zweifel einen sehr wichtigen Charakter, da er bei ‘ seiner Petalospyrisgruppe die blattartig flachgedrückten Stacheln als be- ‚ sonderes Kennzeichen hervorbebt. Hazcxer hat daher, wie gesagt, Eurzsgeng’s Ceratospyren nicht ver- standen, indem er unter Geratospyris mündungsstachellose Formen ver- steht, deren Oberfläche von kurzen Stacheichen bedeckt ist, wie sie | allerdings auch von Enurenserg zum Theil unter Ceratospyris verwiesen wurden, welche wir jedoch oben besser zur Dictyospyrisgruppe verwei- ‘sen zu dürfen glaubten. Hierhin gehört dann auch die einzige Cera- ‚tospyrisform, welche Haırcxer namhaft macht, nämlich die C. borealis BAILEY'S. Auch die Gattung Cladospyris EHurEnBErg’s ist von HarckeL auf Grund der mangelhaften Diagnose Eurensere’s missverstanden worden. Es unterscheiden sich nämlich die von Eurengere hierher gerechneten Forinen nur darin von den Ceratospyrisformen (in unserem Sinne), dass die Mündungsstacheln und der Apicalstachel mit seitlichen Dörnchen | oder verzweigten Ästchen besetzt sind. Harckıı fasste hingegen Clado- spyris analog seiner Ceratospyris auf und sprach ihr also die Mündungs- ‚stacheln ab, ließ dagegen die Oberfläche mit verzweigten Stacheln bedeckt ‘sein !. Ich kann eine Abtrennung der zwei Cladospyrisformen EHRrENBERG'S ! Diese Hazcrer’schen Verwerthungen Enrzngere’scher Diagnosen, welche sich \ H | N) Rh | i I 508 0. Bütschli, von der Ceratospyrisgruppe nicht für gerechtfertigt halten, da die Ver- zierung der Stacheln mit Dörnchen etc. doch nur ein sehr sekundärer Charakter ist. Was schließlich die Petalospyrisgruppe im Sinne EHRENBERG’S betrifft, so ist diese wiederum von Dictyospyris sowohl wie von Cerato- spyris sehr schwer zu sondern, da Eurengere als Charakteristikum für sie die flachgedrückte, blattförmige Bildung der Stacheln um die Mün- dungslöcher bezeichnet, ein Charakter, welcher sowohl zu kurzgestachel- ten Dictyospyren wie zu Geratospyrisformen hinüberleitet. Doch lässt sich wohl eine Gruppe solcher Formen im Gegensatz zu den beiden schon erläuterten Gruppen zusammenfassen, eine Gruppe, welche eben, weil verhältnismäßig zahlreiche Formen zu ihr gehören, eine ge- wisse Bedeutung erlangt. Einen weiteren Charakter dieser Gruppe bil- det die hohe Zahl der Mündungsstacheln, welche etwa 6—24 beträgt und die meist recht ausgesprochene Neigung derselben nach abwärts, nicht nach auswärts zu wachsen; jedoch finden auch diese beiden Eigenthümlichkeiten Anklänge unter den Ceratospyren. Harcxer’s Emendation der Enrengerg’schen Petalospyris ist sehr missrathen; er glaubt eine Unterscheidung auf Grund der Beschaffen- heit der Mündungsstacheln nicht anerkennen zu dürfen und stellt daher auch Ceratospyris radicata E. mit » Appendices spinosae « zu Petalospyris. Dagegen glaubt er jedoch einen anderen bezeichnenden Charakter für Petalospyris aufgefunden zu haben, den nämlich, dass hier eine ein- fache, nicht übergitterte Mündung innerhalb des Kranzes der Mündungs- stachelanhänge sich finde. Er hat selbst eine Petalospyrisform studirt (P. arachnoides Hck.) und gründet daher diesen Charakter auf eigene Anschauung. Dennoch bin ich fest überzeugt, dass derselbe weder für diese, noch für irgend eine andere Zygocyrtidenform Gültigkeit besitzt, sondern dass sich überall die vier charakteristischen Basallöcher, also nach Hazcker’s Terminologie eine übergitterte Mündung, findet. Wie schon Hrrrwıc andeutet I, Jässt sich zu den Zygocyrtiden wohl sicher auch eine von HAzckeL zu den Polycyrtiden gerechnete Form, näm- lich die Gattung Spyridobotrys (mit der einzigen bekannten Art Sp. trinacria Hck.), ziehen. Dieselbe schließt sich zunächst an Dictyospyris an, unterscheidet sich jedoch von dieser dadurch, dass sich der den in gleich missverständlicher Weise noch mehrfach wiederholen, zeigt wohl ge- nügend, wie schwer, wenn nicht unmöglich, es zu bezeichnen ist, die kurzen und oft sehr dunkel gehaltenen Eurrngere’schen Diagnosen ohne Hilfe von Abbildungen zu gebrauchen. Ich werde daher auch im Verlaufe dieser Abhandlung nur durch Abbildungen erläuterte EurENBERG’Sche Formen anführen. 2]. ec. p. 70, Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. 509 Stachel tragende Apicalpol der Schale zu einem etwa kegelförmigen Hütchen, welches sich den beiden Schalenhälften aufsetzt, erhoben hat. Wie die Bildung dieses Aufsatzes vor sich gegangen, lässt sich wohl aus dem Bau der Ceratospyris acuminata Hertw. (siehe b. d. Taf. VII, Fig. 2) erschließen, bei welcher Form die gleiche Bildung angedeutet ist. Es entwickelte sich nämlich dieser Aufsatz dadurch, dass sich der Api- calpol der Schale über dem entsprechenden Pol des Primärringes stark kegelförmig erhob, daher denn auch das Ästchen, welches als Grund- lage des Apicalstachels vom Ring zu der Stachelbasis aufsteigt, eine an- sehnliche Länge erreicht. Dass Spyridobotrys sicher hierher gehört, ergiebt sich auch aus den vier charakteristischen Basallöchern, welche HAEckEL auf der Basalansicht abgebildet hat. Es lässt sich jedenfalls einstweilen für die eigenthümliche Form eine besondere generische Be- zeichnung beibehalten; die Geratospyris acuminata Hertw. dürfte wohl bis auf Weiteres gleichfalls hierher zu ziehen sein. Aus den vorstehenden Erörterungen geht hervor, dass ich eine | Sonderung der bekannten Zygocyrtidenformen in eine Anzahl Gruppen, die schon von EnrEnsere ziemlich richtig angedeutet wurden, im Interesse | der Beschreibung vornehmen möchte, dass ich es jedoch für unmöglich halte, diese Gruppen irgend wie scharf zu trennen und denselben daher | nur einen sehr approximativen Werth zulegen kann. | Ich stelle zum Schluss die bis jetzt durch Abbildungen erläuterten Zygocyrtidenformen in die vorgeschlagenen Gruppen zusammen, muss jedoch nochmals betonen, dass es wohl nicht zu vermeiden war, dass mehrfach nur Analoges zusammengestellt wurde. Dietyospyrisgruppe. a) Formen ohne Mündungsstacheln oder solche an den vorliegenden Abbil- dungen nicht sicher unterscheidbar: D. reticulata E. Ceratospyris pentagona E. u. Stöhr Mülleri Stöhr ? spinulosa E. |] möglicherweise Beziehungen zu Ceratospyris Fibula ? —— ramosa E. } (siehe bei Ceratospyrisgruppe). ——— borealis Bailey. Dictyospyris messanensis J. M. —— Fenestra Ehbg. —— tetrastoma Ehbg. tristoma Ehbg. —— trilobata E. —— Spinulosa E. gigas E. —— tridentata E. Sphaera Bütschli. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 34 \ganz primitive, weitmaschige Formen. 510 0. Bütschli, b) Formen mit deutlichen kurzen Mündungsstacheln; scheinen sowohl nach Ceratospyris wie Petalospyris überzuleiten: Dictyospyris Clathrus E. Petalospyris spinosa Stöhr. Ceratospyris radicata E. Petalospyris seminolum Stöhr. —— Corona Stöhr. Spiridobotrysgruppe. Sp. trinacria Hck. Ceratospyris acuminata Heriw. CGeratospyrisgruppe. Ceratospyris Fibula Ehbg. sehr primitiv, da Schale ganz weitmaschiges Netzwerk, wie bei einfachsten Dictyospyren. —— Heptaceros E. —— longibarba E. —— Echinus E. setigera E. —— articulata E. —— Ateuchus E. —— ocellata E. —— Triceros E. - —— Triomma E. —— clavata Bütschli (siehe Taf. IV, Fig. 43). —— furcata E. Cladospyris tribrachiata E. bibrachiata E. Ceratospyris Dirrhiza E. stylophora E. —— Didiceros E. Petalospyrisgruppe. Ceratospyris turrita E. Petalospyris ophirensis E. —— arachnoides H. —— Diaboliscus E. —— ocellata E. —— foveolata E. —— platyacantha E. —— carinata E. —— Flabellum E. —— Pentas E. —— Argiscus E. —— eupetala E. confluens E. über diese beiden Formen vgl. weiter unten anthocyrtoides Barkeh bei Anthocyrtis. Bevor wir zu der Besprechung der Gyrtida übergehen, will ich. noch versuchen, eine der von mir beobachteten Zygoeyrtidenformen von Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 511 Barbados eiwas genauer zu schildern, da dieselbe in mancher Be- ziehung ein erhöhtes Interesse beansprucht. Dieselbe schließt sich zu- nächst an die Dictyospyrisgruppe an, ich glaube auch, dass sie bei dieser am besten belassen wird, obgleich sie eine Reihe von Eigenthüm- lichkeiten darbietet, welche bei Außerachtlassung der so innigen Ver- knüpfung der Zygocyrtidenformen eine generische Sonderung wohl veranlassen könnten. Diese Form (Fig. 15) reiht sich an die ganz unbestachelten Dictyo- spyren (z. B. Fig. 44 a—b) nahe an, übertrifft dieselben jedoch an Aufblähung der Schale, die hier so ansehnlich ist, dass dieselbe von oben betrachtet ganz kuglig erscheint, etwa den Eindruck einer Helio- sphaera macht; namentlich sind auch der sagittale und frontale Durch- messer der Schale sich gleich. Die Basalseite ist ziemlich abgeflacht (Fig. 15 a), was jedoch nur bei seitlicher Ansicht deutlich hervortritt. Von einer Einschnürung zwischen den beiden Schalenhälften ist durch- ' aus nichts mehr sichtbar. Dagegen treten am Basalpol die vier Löcher ' deutlich hervor, sind jedoch ziemlich gleich groß, auch sind die sie trennenden Stäbe e ziemlich senkrecht auf den Primärring aufgesetzt. | Letzterer ist in der seitlichen Ansicht leicht zu beobachten und ist all- seitig von den Schalenwänden ziemlich entfernt, so dass er mitten in ' der Schalenhöhlung sich befindet und ansehnlich lange, zum Theil ver- , zweigte Äste von ihm entspringen, die sich an die Wände der Schale heften. | Eigenthümlich ist weiter eine die Ränder der Löcher umfassende ‘ dunkle Umrahmung, welche in der Basalansicht hervortritt und von der \ zahlreiche Radiärfortsätze entspringen, die schief im Schaleninnern auf- steigen und sich an die Wandungen anheften. Hiermit steht wohl im \ Zusammenhang, dass der Basaltheil des Ringes, wie die Seitenansicht (Fig. 15 a) zeigt, nicht bis zur Basalebene der Schale, respektive den ' Basallöchern, herabreicht, sondern etwas über derselben verläuft, indem ‚ absteigende Fortsätze von ihm entspringen, die sich zur Basalfläche " der Schale begeben. Leider habe ich versäumt diese eigenthümlichen ‚ Verhältnisse ganz klar zu stellen, glaube jedoch, dass dieselben sich in der " Weise deuten lassen, dass durch Fortsatzbildungen, welche von dem i Basaltheil des eigentlichen Ringes ausgehen, die Löcher über dessen "Niveau erhoben wurden, wie Sulguse auch schon bei der Dictyospyris | | Fig. 14 b hervortritt. \ Jedenfalls bietet unsere Form einige interessante Eigenthümlich- keiten dar und bedarf es schon einer gewissen Aufmerksamkeit, um \ sie nicht mit einer Sphaeroidee zu verwechseln. Ich nenne dieselbe , Dietyospyris Sphaera n. sp. 34 * 512 0. Bütschli, C. Gyrtida!. Der Beweis für die genetische Herleitung der eigentlichen Cyrtida von den Zygocyrtida, welcher hier zum ersten Mal erbracht werden soll, ist leicht zu führen, schwieriger dagegen, zu entscheiden, ob die Cyr- tida einen einheitlichen Ursprung besitzen, oder ob sie polyphyletisch aus zygocyrtiden-artigen Formen hervorgegangen sind. Ich möchte eher das Letztere vermuthen aus Gründen, die im Verlaufe der weiteren Dar- stellung sich ergeben werden. Die größesten Schwierigkeiten verursacht die Aufstellung eines naturgemäßen Systems der zu dieser Abtheilung zu rechnenden Formen. Die Entscheidung über den Werth gewisser Bildungsverhältnisse, ob analog oder homolog, stößt, bei der jetzigen, zum Theil noch sehr un- zureichenden Kenntnis zahlreicher Formen, auf so erhebliche Schwierig- keiten, dass ich an der Durchführbarkeit eines solchen Versuches unter den gegenwärtigen Umständen fast verzweifle und jedes auf der Basis unserer augenblicklichen Kenntnisse aufgebaute System hinsichtlich seiner Natürlichkeit mit sehr zweifelhaften Blicken betrachten muss. Indem ich jedoch den Versuch machen musste, meinerseits eine solche Anord- nung vorzunehmen, so werde ich dieselbe hier zu Grunde legen, resp. erläutern, indem ich die einzelnen Gattungen kurz bespreche. Im Allgemeinen sei hier bemerkt, dass sich die Cyrtida in der Weise aus den Zygocyrtida entwickelt haben, dass sich im Umkreis der vier Basallöcher, also von der Basalfläche der Zygocyrtidenschale, eine ver- schieden gestaltete, durchlöcherte Kieselmembran erhob, welche nichts weiter darstellt, wie die Wand des sog. zweiten Gliedes der Cyrtida, an welches sich dann bei den Harcker’schen Stichocyrtida noch weitere Glieder anschließen. Je ursprüng!icher die Cyrtidenformen sind, desto ansehnlicher ist denn auch das zygocyrtide Köpfchen noch entwickelt und zwar nicht nur relativ zu den sich an dasselbe anschließenden Skeletttheilen späterer Entstehung. Je mehr sich diese letzteren entwickeln, also z. B. stets bei den vielgliedrigen Formen, desto mehr tritt auch im Allgemeinen das Köpfchen zurück. Dieses Köpfchen entspricht demnach stets der einfachen Zygocyrtiden- schale? und weist fast durchaus auch noch den Primärring in derselben 1 Im Sinne HaAEckEr’s, nach Ausschluss der Zygocyrtida. 2 Ich spreche daher im Folgenden von ihm immer unter dem Namen »Köpf- chen« und bezeichne es nicht als erstes Glied, weil es ja wesentlich von den folgenden Gliedern der Cyrtida verschieden ist. Als erstes Glied figurirt daher im Folgenden stets das, was die früheren Autoren als zweites Glied bezeichneten. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. 513 Ausbildung wie bei den Zygocyrtida oder doch noch Theile desselben auf. Weiterhin natürlich auch die vier Basallöcher, welche die Kommuni- kation zwischen dem Hohlraum des Köpfchens und dem folgenden Glied herstellen, wozu jedoch auch noch eine Anzahl gewöhnlicher Poren bei- tragen, die im Umkreis der vier Hauptlöcher die Basalwand des Köpf- chens durchsetzen. Diese vier Basallöcher hat Eur£nsere schon mehrfach abgebildet, ohne jedoch zu einem richtigen Verständnis derselben zu gelangen. Die vier Stäbe, welche die vier Basallöcher scheiden, bilden ge- wissermaßen eine durchbrochene Scheidewand zwischen den zwei ersten Gliedern. Diese Scheidewand hat Harcker schon bei Lithomelissa und Arachnocorys beobachtet, neuerdings wurde sie jedoch von Herrwıc bei einer ziemlichen Reihe von Cyrtiden beobachtet. Obgleich dieser Forscher nichtzumrichtigen Verständnis derselben gelangie, daihm die Vergleichung mit den Zygocyrtida und Acanthodesmida fehlte, erkannte er doch sehr wohl ihre große Bedeutung für die Morphologie der Cyrtida und wurde durch ihr Studium namentlich zu einem sehr wichtigen Schluss bezüg- lich gewisser Monocyrtida Hazekezr’s geführt. Er erkannte nämlich, dass auch bei Carpocanium, einem Vertreter der Monocyrtida, eine solche Scheidewand vorhanden sei und vermuthet das Gleiche auch für eine An- zahl weiterer Monocyrtiden, welche demnach als umgebildete Dicyrtida, bei welchen äußerlich die Scheidung zwischen Köpfchen und ersiem Glied nicht mehr sichtbar ist, zu betrachten seien. Natürlich folgt auch aus der von mir nachzuweisenden Entstehung der Cyrtida aus den Zygocyrtida der gleiche Schluss, nur in viel durchgreifenderer Weise. Es ergiebt sich nämlich aus dieser unbezweifelbaren Ent- stehungsweise der Gyriida, dass Monocyrtida im Harcrer’schen Sinne überhaupt nicht existiren können. Nämlich nicht in dem Sinne, dass diese eingliedrigen Cyrtoidgehäuse die ursprünglichen gewesen seien, aus welchen sich die zweigliedrigen hergeleitet hätten. Wir werden später sehen, dass durch sehr weitgehende Reduktion des Köpfchens Formen hervorgehen können, die thatsächlich den Bau der Monocyrtiden aufweisen, jedoch lassen sich diese Formen allein aus der Verkümme- rung echter Dicyrtiden herleiten. Es giebt daher, wie gesagt, keine Monocyriida im Sinne Haecker’s, und sollten sich noch Formen finden, ' welche den reinen Monocyriidenbau, wie ihn Harckzı z. B. fälschlich für die Gattungen Carpocanium und Gyrtocalpis etc. supponirte, zeigen, so gehören dieselben entweder überhaupt nicht in die Reihe der Cyrtida oder werden sich durch Umbildung von Dicyrtidenformen herleiten lassen (eine solche zweifelhafte Form ist Herrwıg’s Trictyopus). Im Folgenden sollen nun die Hauptformen der Cyriida, theils nach 514 0, Bütschli, eigenen Untersuchungen, theils auf Grundlage der früheren Beobach- tungen einer Besprechung unterzogen werden. Glathrocanium Ehbg. (Mnb. 1860). Von dieser Gattung hat Eurengerg in Abh. 1872, Taf. VII, Fig. 5 und 6 zwei lebende Arten abgebildet, deren Diagnosen sich Mnb. 1872 p. 303 finden. Der Bau derselben zeigt, dass diese Gattung jedenfalls zu den primitivsten Cyr- tida gehört. Sie lässt sich leicht herleiten von einer Ceratospyris mit den drei charakteristischen Hauptmündungsstacheln (Primärstacheln), welche dadurch zur Bildung eines ersten Gliedes geschritten sind, dass sich zwischen den distalen Enden je zweier benachbarter Stacheln eine schmale, durchlöcherte Kieselmembran ausgespannt hat, so dass dem- nach die Bildung eines ersten Gliedes hier sehr unvollständig ge- blieben ist. Dieser Gattung glaube ich eine neue Form anschließen zu müssen, die ich im Barbadosgestein fand und welche in mancher Hinsicht auch schon Beziehungen zu der Gattung Arachnocorys zeigt. Leider ist diese Form nur in einem verstümmelten Exemplar zur Untersuchung ge- kommen, welches jedoch die wichtigsten Bildungsverhältnisse noch wohl beurtheilen lässt (Fig. 18aundb). Der Bau entspricht dem von Clathro- canium mit dem Unterschied, dass hier von der Basalseite des Köpf- chens nicht drei, sondern sechs Stacheln entspringen (Fig. 18 a und b), deren Stellungsverhältnisse genau dieselben sind wie bei einer sechs- stachligen Ceratospyris (vgl. Fig. 12 a). Die sechs Stacheln zeigen in ihren Stellungsverhältnissen die Verschiedenheit, dass die drei primären (0—x?) dicht im Umkreis der vier Basallöcher !, die drei sekundären dagegen (w, y, z) weiter nach außen und mehr apicalwärts ihren Ur- sprung nehmen. Von der reifartigen, durchlöcherten Kieselmembran, welche auch hier die Enden der sechs Stacheln zu einem ersten Gliede ver- band, ist nur das Stück zwischen den Stacheln & und y erhalten, da die übrigen Stacheln dicht bei ihrem Ursprung abgebrochen sind. Auch müssen wegen des verstümmelten Zustandes des Exemplares einige Zweifel über den Grad der Entwicklung, welche die die Stacheln ver- bindende Kieselmembran erreicht, bleiben. Eigenthümlich ist unserer Form weiterhin die nahezu kuglige Ge- staltung, welche das Köpfchen besitzt, so wie das starke Vorspringen der die Löcher umgrenzenden Stäbe, von welchen sich der die hinteren Löcher / trennende Stab c durch seine Dünne auszeichnet, wie wir dies auch bei einer Anzahl Zygocyrtiden schon gesehen haben. Von dem 1 Bei den beiden EurkEngerg’schen Clathrocanien sind wohi nur diese Primär- stacheln entwickelt. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 515 Primärring im Inneren der Höhlung des Köpfchens ließ sich hier mit Sicherheit nicht viel sehen, jedoch gewahrt man auf der Ansicht Fig. 18 a eine dem äußeren Umriss des Köpfchens nahezu parallel ziehende, im Inneren der Köpfchenhöhlung hinlaufende, dunkle Linie, welche doch wohl der schwach entwickelte Ring sein dürfte. Auf dem. Gipfel des Köpfchens erheben sich die Reste dreier schwacher, abgebrochener Stacheln. Ich bezeichne diese Form einstweilen als Glathrocanium Ehren- bergii.n. sp., doch ist nicht ausgeschlossen, dass dieselbe bei näherer Kenntnis vielleicht als Typus einer besonderen Gattung erkannt werden dürfte. | Dietyophimus Ehbg. (Mnb. 1847) schließt sich zunächst an die typischen QGlathrocanien an. Auch hier entspringen vom Köpfchen die drei Primärstacheln, deren proximale Abschnitte von einer durchlöcher- ten Kieselmembran vereinigt sind, welche, indem sie sich direkt mit der Basalfläche des Köpfchens vereinigt, ein erstes Glied von flach-dreiseitig pyramidaler Gestalt bildet, über dessen freien Rand die drei Stacheln mehr oder minder ansehnlich vorspringen. Von durch Abbildungen erläuterten Formen gehören sicher hierher: D. tripus Hck., D. gracilipes Bailey, D. craticula Ehrbg. Letztere Bar- badosform konnte ich studiren und gebe eine Ansicht derselben von der Apicalfläche (Fig. 35). Man bemerkt, dass auch hier die Basalfläche des Köpfchens in gewohnter Weise die vier Löcher zeigt (Scheidewand zwischen Köpfchen und erstem Glied) und weiterhin, dass vom Vorder- ende des die zwei vorderen Löcher (/J) scheidenden Stabes, der ja nichts weiter wie ein Theil des Primärringes ist, ein dünner Stab «a bis , zur Apicalfläche des Köpfchens aufsteigt, welches an dieser Stelle wahr- scheinlich auch einen kurzen Stachel trägt, wie er für die übrigen Dictyo- phimusformen gleichfalls charakteristisch ist!. Dieser aufsteigende Stab « ist nichts weiter wie die uns wohl be- ‚ kannte, vordere Hälfte des Primärringes, während die hintere Hälfte hier ' wahrscheinlich in die Wand des Köpfchens selbst aufgenommen ist. ‚ Interessant ist weiterhin der etwas stachelartig vorspringende Balken & des ersten Gliedes, der ja sammt den Balken x! und x? den drei ı sekundären Mündungsstacheln der Zygocyrtiden entspricht, welche ' Stacheln jedoch hier keine stärkere Entwicklung erreichen. Von weiteren, durch Abbildungen erläuterten Formen möchte ich | noch zur Dietyophimusgruppe ziehen: Lychnocanium arabicum Ehbg., ‚ Halicalyptra Galea Ehbg. (scheinbare Monocyrtide, da hier die Grenze 1 Es war mir nicht möglich‘, diese ansehnliche Form auf die Seite zu drehen, | daher der Mangel in obiger Beschreibung. 516 0. Bütschli, zwischen Köpfchen und erstem Glied äußerlich verwischt)1, und Lithor- nithium Hirundo Ehbg. (Mikrog. Taf. XIX, Fig. 53). Letztere Form zeigt nur zwei Primärstacheln am ersien Glied, was, wenn richtig, nicht er- staunlich, da uns ja eine solche Reduktion der Primärstacheln für manche Ceratospyrisarten bekannt ist. Jedoch sind unsere Kenntnisse dieser Form sehr mangelhaft. Dietyoph.? Pocillum Ehbeg. ist zweifelhaft. Lyehnocanium Ehbe. (Mnb. 1847) ist leicht abzuleiten von Dietyophimus, da sie sich wesentlich nur dadurch von diesem unter- scheidet, dass die Mündungsränder des ersten Gliedes sich zwischen den Ursprüngen der drei meist sehr ansehnlich langen Stacheln hori- zontal einwärts krümmen und die Mündung daher mehr oder weniger stark verengt wird. Das Köpfchen trägt stets einen apicalen Stachel, welcher eine Fortsetzung der vorderen, aufsteigenden Hälfte « des Primärringes darstellt, welchen Ringtheil EnrengeErgG auf seinen Abbildungen mehrfach angedeutet hat. Länge und Richtung der Mündungsstacheln des ersten Gliedes sind ziemlich verschieden. Bei einigen Formen scheinen die- selben sicher auf zwei reducirt zu sein, dagegen findet sich nur eine einzige wohl hierher gehörige Form, welche vier solcher Stacheln auf- weist (L. tetrapodium Ehbg.), wo demnach, wenn nicht etwa eine Ab- normität vorliegt, einer der drei sekundären Stacheln zur Ausbildung gekommen sein muss. Ich glaube, dass kein Grund vorliegt, diese Form generisch abzuscheiden. _Eben so wenig glaube ich, von Lychnocanium solche Formen trennen zu sollen, bei welchen die Mündung ganz geschlossen ist. Schon bei dem L. turgidum ist dieselbe sehr verengt. Ich stelle daher die Lithomelissa ventricosa Ehbg., welche sich ihren übrigen Eigenschaften nach zunächst an diese L. turgidum anschließt, auch zu unserer Gattung. Man kann für solche geschlossenen Formen eventuell eine Untergatiung errichten. Von abgebildeten Formen gehören zu Lychnocanium (in unserem Sinne): L. ventricosum Ehbg., Tribulus Ehbg., falcifera Ehbg., Tri- chopus Ehbg., continuum Ehbg., Tripodium Ehbg., tridentatum E., crassipes E., hamosum E., Cypselus E., carinatum E., Hirundo E., Lucerna E., turgidum E., Tetrapodium E.; geschlossen : Lithomelissa ventricosa E. Lithomelissa Ehbg. (Mnb. 1847) Fig. 21—26. Sehr primitive Form; leitet sich ohne Schwierigkeit von ähnlichen Zygocyrtidenformen ab wie 1 Verhält sich daher eigentlich zu den typischen Dictyophimusformen wie die Angehörigen der später zu besprechenden Gattung Carpocanium zu der Gattung Anthocyrtis; es ließe sich daher eine generische Abtrennung dieser Form von Dictyo- ‚phimus auf Grund derselben Principien, welche zur Abtrennung der Carpocanien von Anthocyrtis führten, wohl rechtfertigen. nn nn nn Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 517 Dictyophimus. Denken wir uns, dass bei Dietyophimus die drei Pri- märstacheln weiter nach innen, d. h. dicht an den Rändern der vier Basallöcher ihren Ursprung nehmen und ziemlich schief nach außen wachsen, und dass weiterhin mehr nach außen von den Basallöchern, in ihrem gesammten Umkreis, sich eine trichterförmig nach unten er- weiterte Kieselmembran, die Wand des ersten Gliedes, erhebt, welche ihrerseits wahrscheinlich gleichfalls aus mehr peripherischen Stachelan- hängen hervorgegangen ist, so erhalten wir eine Form von der Bildung der Gattung Lithomelissa. Bei allen typischen Lithomelissen wachsen die Primärstacheln mehr oder weniger ansehnlich über die Fläche der Gitter- wand des ersten Gliedes hinaus, so dass dieses dicht unter seinem oberen Rand drei schief basalwärts gerichtete Stacheln trägt, welche sich auch noch nach innen durch die Gitterwand hindurch {Fig. 21—25 9, g) verfolgen lassen und sich zu den Stäben e, so wg dem vorderen Theil des Basalstückes des Primärringes begeben. Diese charakteristische Beschaffenheit der Stacheln tritt auf den Abbildungen von fünf Lithomelissen, welche ich dieser Abhandlung bei- füge, sehr deutlich hervor (Fig. 21—25), so dass ich eine genauere Dar- stellung der Verhältnisse hier wohl unterlassen darf. Eine sehr charakteristische und übereinstimmende Bildung verrathen jedoch ferner auch sämmitliche untersuchten Lithomelissen bezüglich der Beschaffenheit der noch erhaltenen Theile des Primärringes, eine Be- schaffenheit, welche vielleicht, wie die feinere Bildung des Köpfchens überhaupt, bei der Feststellung der Verwandtschaftsverhältnisse noch eine wichtige Rolle spielen wird. Bei Betrachtung der Basalfläche des Köpfchens erscheinen die vier Basallöcher stets sehr deutlich und von der bekannten Bildung; der Stab c, welcher die beiden hinteren Löcher (/) scheidet, oder der Anfangstheil der hinteren Hälfte des Primärringes, ist meist sehr dünn und daher leicht zu übersehen. Er steigt, wie die Seitenansicht lehrt, stets sehr scharf und gerade auf, indem er sich zu der hinteren Wand des Köpf- chens begiebt. Am auffallendsten ist dieses starke Aufsteigen des Stabes c bei der L. spongiosa n. sp. (Fig. 25 c). Da, wo sich der Stab an die hintere Köpfehenwand ansetzt, erhebt sich gewöhnlich ein sehr kurzer Stachel, eine Bildung, welche bei der Lith. Ehrenbergi n. sp. nur an- gedeutet ist (Fig. 21 a), sich dagegen bei L. Hertwigi (Fig. 22), Haeckeli (Fig. 23) und spongiosa (Fig. 25) sehr deutlich ausgeprägt findet. Bei anderen Cyrtiden ist dieser Stachel zum Theil sehr entwickelt. Die vordere Ringhälfte steigt als gerader Stab (a) zum Theil nahezu senkrecht auf und zeigt noch die Eigenthümlichkeit, dass bei L. Hert- wigi und spongiosa (Fig. 22 5 und 25 d) die Ursprungsstelle “dieses 518 0. Bütschli, Stabes an der Basalfläche des Köpfchens bis in das Centrum der vier Basallöcher nach hinten gerückt ist. Weiterhin ist der Stab a stets da- durch ausgezeichnet, dass von ihm, in je nach den Arten verschiedener Höhe, zwei seitliche ansehnliche Äste (h) entspringen, welche sich zu den Seitenwandungen des Köpfchens begeben. Am höchsten gelegen ist der Ursprung dieser Äste bei L. spongiosa (Fig. 25 « und 25 b), am tief- sten bei L. Mitra n. sp. (Fig. 24). Wahrscheinlich gesellt sich zu diesen beiden Ästen stets noch ein dritter, welcher in der Sagittalebene nach vorn zu der Vorderwand des Köpfchens läuft und der in Fig. 21 bund 22 b deutlich zu sehen ist; auf Fig. 24 tritt er im optischen Durchschnitt her- vor. Diese drei Ästchen haben genau die Lage der drei Primärstacheln. Der Stab a stützt den, wie es scheint, fast stets entwickelten Apical- stachel und der apicale Theil des Primärringes, welcher die Stäbe « und c verbindet, ist.hier stets in die Wand des Köpfchens selbst auf- genommen. Ein Apicalstachel scheint, wie erwähnt, sehr selten zu fehlen, nur die Lithomelissa thoracites H. entbehrt denselben, scheint aber sicher hierher zu gehören. Das erste Glied scheint durchaus eine Neigung zu besitzen, sich nach unten zu verengern, so dass die Mündung wohl stets etwas zu- sammengezogen erscheint; ich habe nur Exemplare mit verstümmeltem erstem Glied beobachtet, so dass ich über den Grad dieser Verengerung nichts Sicheres mitzutheilen vermag. Ich stehe jedoch nicht an zu der Gattung Lithomelissa auch solche Formen zu ziehen, bei welchen die Mündung ganz geschlossen ist; eine solche Form bilde ich auf Fig. 26 ab. Sie ist wahrscheinlich En tisch mit der Lithomelissa microptera EHRENBERG’s und wird noch dess- halb unser Interesse in Anspruch nehmen, weil sie sehr innige Be- ziehungen zu den sog. Polycyrtida zeigt. Weiterhin habe ich von geschlossenen Formen noch die L. Gapito E. beobachtet, welche durch ihre Größe auffallend ist. Hier gelang es jedoch nicht, das Innere deut- lich aufzuklären, wegen der Dicke der Schalenwände. Ich bemerke zu der Enrengerg’schen Abbildung nur, dass auch ein sehr kurzer Apical- stachel vorhanden ist. Eine Bemerkung hinsichtlich der Stacheln sei hier noch gestattet. Wie wir nämlich fanden, dass der Apicalstachel sich zurückbilden kann, so finden wir auch, dass die drei Primärstacheln sehr rudimentär zu werden vermögen, so bei den abgebildeten L. Mitra n. sp. und L. mi- croptera E. (Fig. 24 und 26), so dass ich nicht anstehe auch der Primär- stacheln entbehrende Formen, welche im Übrigen die Bildung von Litho- melissa zeigen, hierher zu ziehen, so die Lithopera oxystauros E., die Lophophaera Amphora St. (mit Apicalstachel) und die Lithopera amblyo- Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 519 stauros E. (ohne Apicalstachel), bei welchen beiden Enrensere die charakteristische Bildung des Stabes «a wohl beobachtet und gezeich- net hat. | Zu Lithomelissa ziehe ich daher folgende Formen, welche ja eine eventuelle Untertheilung bei verbesserter Kenntnis erfahren können: L. thoracites H., ?Dictyocephalus galeatus E., ?L. mediterranea J.M. (ist noch etwas zweifelhaft) , Lithomelissa Ehrenbergi n. sp. (= Lith. macroptera E. p. p. Taf. III, Fig. 8, 1875), L. macroptera E. (emend. — Ense. 1875, Taf. Il, Fig. 9 und 0), L. Hertwigi.n. sp., L. Haeckeli n. sp. ?(=L. corythium E.), Lith. Amphora St., L. Mitra n. sp., ?L. bicornis E., L. spongiosa n. sp.!, Lithopera oxystauros E. Geschlos- sene Formen: L. Capito E., L. microptera E., Lithopera amblyostaurosE., ?Lithopera oceanica E. Gruppe der Polyceyrtida Hck. Es war mir sehr erfreulich, dass mich meine Studien zu einer sehr einfachen und natürlichen Ab- leitung der auf den ersten Anblick sehr merkwürdigen Polycyrtida ge- führt haben, welche mir dieselben, mit Ausnahme der Enrengerg’schen _ Gattung Botryoeyrtis, verständlich machte. Dieselben zeigen nämlich die innigsten Beziehungen zu Lithomelissa, ja sind mit dieser Gattung durch sehr innige Übergänge verknüpft. Zu dieser Gruppe gehören die drei folgenden Gattungen (Lithobotrys, Botryocampe und Botryocyrtis). | Lithobotrys Ehbg. (Mnb: 1847). Ich bemerke zunächst, dass diese Gattung zusammenfällt mit einer weiteren EurEnBErG’schen, näm- lich Lithocorythium, zu welcher Eurengere irrthümlich solche Exem- plare von Lithobotrys stellte, welche er in der Frontalansicht zu sehen bekam und die er daher für drei- oder mehrgliedrig hielt, während sie ' nur zweigliedrig sind, wie die eigentlichen Lithobotrysformen. Die Er- ' klärung für diese Verhältnisse folgt sogleich. Lithobotrys leitet sich ab \ von Lithomelissa durch starke Entwicklung der zwei Queräste h des Stabes ‚a (Fig. 27 a, b), der hier meist in einer etwas nach hinten geneigten ‚ Richtung aufsteigt. Etwas apicalwärts von der Ursprungsstelle dieser ' Queräste h faltet sich die hintere Wand des Köpfchens quer ein und von dieser queren Einfaltungsstelle springt eine Querlamelle / bis zu dem Stab a insInnere ein und verbindet sich mit diesem. Vielleicht läuft in ' dieser Querlamelle der Primärring von a zur hinteren Köpfchenwand weiter und ist die Fortsetzung des Stabes «a nach dem Apicalstachel nur | ! Diese Form ist sehr ausgezeichnet durch die zahlreichen unregelmäßig ver- "ästelten dornigen Auswüchse der Stacheln, auch das Köpfchen zeigt Neigung zur 1 Bildung solcher Auswüchse. Durch Verschmelzung solcher Auswüchse kommt es stellenweise zur Bildung spongiösen Netzwerks. Es ist jedenfalls interessant, dass auch Cyrtiden zu solch spongiöser Bildung neigen. | | 520 0. Bütschli, ein Ästchen, wie ein solches ja auch bei den übrigen Cyriida gewöhn- lich gefunden wird. Die eben geschilderte Bildung sehen wir auch schon bei der Lithomelissa microptera in ihren Anfängen sehr wohl angedeutet (Fig. 26). Der Stab a bildet sammt den Querfortsätzen h und der Lamelle / nun gewissermaßen eine Scheidewand, welche schief nach hinten geneigt durch das Köpfchen aufsteigt und dasselbe in einen ansehnlicheren vor- deren Theil und einen kleineren hinteren Theil scheidet, von welchen sich der erstere apicalwärts nach hinten zu über den letzteren emporwölbt. Diese Scheidewand (s. Fig. 27 e) ist von vier Löchern durchbrochen, welche paarweis zwischen den Ästen h und der Lamelle ! einerseits und den Stäben e andererseits liegen. Auf der Bildung dieser Scheidewand und der Einfaltung der Hinterwand beruht also die Zweigliederung des Köpf- chens von Lithobotrys. Betrachten wir seine Basalfläche (Fig. 27 a), so zeigt dieselbe genau die Bildung, welche wir von Lithomelissa etc. schon kennen. Die Frontalansicht des Köpfchens (Fig. 27 c) giebt natürlich bei mangelnder Korrektion durch die Seitenansicht leicht zu Irrthümern Ver- anlassung, indem der übergewölbte Theil der vorderen Kammer des Köpfchens für ein besonderes Glied oder das Köpfchen selbst gehalten werden kann. Dies hat denn auch EnrenBerG bei seinen vermeintlichen Lithocorythien gethan, ja Harcker konnte die mangelhafte EurENBERG- sche Abbildung des L. platylophus für wahrscheinlich viergliedrig er- klären ; nach meiner Ansicht ist diese Lithoc. platylophus sehr wahr- scheinlich identisch mit Lithobotrys geminata E. (siehe Fig. 27 c) und die scheinbare Viergliedrigkeit der Frontalansicht erklärt sich dadurch, dass der kurze, knopfförmige Apicalstachel für ein oberstes Glied gehalten werden konnte. Ich beobachtete jedoch auch eine dem abgebildeten L. geminata ganz entsprechende Form, wo sich statt des kurzen Stachels ein hohles, gegittertes Knöpfchen fand, durch welches die Fortsetzung des Stabes a hindurchtrat und zarte Ästchen zu dessen Wandungen abgab. Die meisten Lithobotrysformen haben die drei charakteristischen Stacheln der Lithomelissa verloren, wenigstens treten dieselben am ersten Glied äußerlich nicht mehr hervor. Dagegen existiren die inneren Fort- setzungen derselben noch (Fig. 27 b und c, g) als zarte Stäbe. Jedoch fand ich auch eine der L. geminata E. sehr nahe stehende Form, die sich wesentlich nur dadurch unterschied, dass der kurze Apicalstachel noch zugespitzt war und drei kurze Primärstacheln, ähnlich wie bei Litho- melissa Mitra entwickelt waren. Ich nenne sie L. aculeata n. f. Zu dieser Gattung zähle ich: L. aculeata n. f., L. stiligera E., L. oxylophus E., L. geminata E. (= Lythocorythium platylophus E.), Lythocor. cephalodes E., Lithobotrys Nucula E., Lithob. adspersa E., L. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Gyrtida. 5231 biceps E., L. nasuta E., L. eribrosa E. Zweifelhaft sind L. triloba E. und ornata E. BotryocampeE. (Mnb. 1860) unterscheidet sich jedenfalls von Lithobotrys nur dadurch, dass sich noch ein zweites Glied entwickelt hat, das geschlossen ist wie häufig das einzige bei Lithobotrys. Bei B. hexathalamium ist nach der Abbildung Harcker’s der Grundcharakter des Köpfchens ganz der von Lithobotrys, nur treten auf der Grenze zwischen Köpfchen und erstem Glied noch zwei bruchsackartige Ausbuchtungen der Köpfchenwand auf, so dass dieses sich aus vier Abschnitten zu- sammenzusetzen Scheint. Die eine dieser Ausbuchtungen sah ich auch bei der Lithobotrys aculeata und der zweiten abweichenden Form von Lithob. geminata, die oben erwähnt wurde, angedeutet. Es ist dies die hintere und sie entsteht dadurch, dass die hintere Köpfchenwand sich zwischen dem Ansatz des Stabes c und eines Astes von e ausbuchtet (bei * Fig. 27 b). Die zweite wird wohl eine ähnliche Entstehung haben und beide scheinen mir von sehr sekundärer Bedeutung. Zu Botryocampe sind zu stellen: B. hexathalamium Hck., inflatum Bail. sp. (möglicherweise identisch mit Lithobotrys borealis E., Frontal- _ ansicht) und Lithocorythium Galea E. Botriocyrtis Ehbg. mit den beiden abgebildeten Arten B. Gaput serpentis und quinaria kann ich bis jetzt nicht deuten, da die Abbildun- gen über den Bau des vier- oder fünflappigen Köpfchens nicht sicher ' urtheilen lassen. ArachnocorysHck. Diese Gattung bildet gewissermaßen eine ; Mittelstufe zwischen Dietyophimus und der später zu besprechenden ' Anthocyrtis; die Zahl der Stacheln, welche in die Bildung des ersten ‚ Gliedes eingehen, ist nämlich gegenüber Dictyophimus ansehnlich ver- mehrt. Dennoch sind sie nicht so zahlreich, wie wir sie uns bei Antho- cyrtis zu denken haben. Mit Dictyophimus findet sich die Übereinstim- mung, dass die Stacheln noch in der Wand des ersten Gliedes deutlich als dickere Balken hervortreten. Auch mit der Gattung Clathrocanium ‚ zeigt sich eine gewisse Übereinstimmung, da das Gitterwerk des ersten Gliedes erst eine Strecke weit unterhalb. des Ursprunges der Stacheln ' beginnt, so dass im oberen Abschnitt des ersten Gliedes weite Lücken offen bleiben. Die Scheidewandbildung ist hier schon von Haszceker und di ‚ Herrwie ! beobachtet worden, jedoch auch von Letzterem ohne Zweifel ‚ nicht vollständig, da der sicher nicht fehlende Stab c zwischen den hin- ' ‚teren Löchern nicht beobachtet wurde, daher nur drei statt der vier | Löcher verzeichnet sind. Dass die Gattung Arachnocorys zu den sehr Zuse Kar NIIT, Rio, 2,0, 522 0. Bütsehli, primitiven Cyrtiden gehört, ergiebt sich aus der sehr ansehnlichen Größe des Köpfchens. Was ihre Ableitung betrifft, so halte ich es für das Wahr- scheinlichste, dass sie einen ähnlichen Ursprung besitzt wie Dietyophimus. Eucecryphalus Hck.!. Diese Gattung ist eigenthümlich, da die zu ihr gehörigen Formen Merkmale aufweisen, die wir auf die beiden Gattungen Dietyophimus und Lithomelissa vertheilt sahen. Es ließen sich daher die hierher gehörigen Formen eventuell auch in zwei Gattungen scheiden. Die eine Gruppe der Eucecryphalusformen schließt sich wohl sicher an Dictyophimus nahe an und leitet sich von dieser Gattung da- durch ab, dass die drei Primärstacheln gänzlich in die Wand des sehr ansehnlichen, trichterförmigen ersten Gliedes aufgenommen sind, d.h. über den Mündungsrand nicht vorspringen. Sie lassen sich jedoch als Rippen deutlich durch das erste Glied verfolgen. Hierher sind zu ziehen: Euceer. Schultzei Hck., Eucecr. laevis Hertw., Lamprodiscus Monoceros E. (vielleicht identisch mit der vorhergehenden Herrwie’schen Art) und Lamprodiscus Coscinodiscus E. Die zweite Gruppe umfasst Eucecr. Gegenbauri Hck., Halicalyptra Orci E. und Halicalyptra? cornuta (Bailey) E. Bei der ersteren Form, welche allein durch Haecker und Herrwie besser bekannt ist, treten die drei Primärstacheln wie bei Lithomelissa schon am oberen Rand des ersten Gliedes frei nach außen hervor, betheiligen sich also nicht an der Bildung desselben, was auch aus dessen weiter hexagonaler Maschen- bildung, ohne hervortretende Balken, geschlossen werden muss. Der zygocyrtide Bau des Köpfchens ergiebt sich aus Hrrrwig’s Unter- suchungen zweier zu dieser Gattunggehöriger Formen. Sowohl bei Formen der ersten wie der zweiten Gruppe erhebt sich vom Köpfchen ein schief auf- steigender Stachel, es ist dies der über dem Balken c wie bei Lithomelissa etc. entwickelte Stachel. Ob sich ein echter Apicalstachel gelegentlich auch findet, scheint bis jetzt noch fraglich?. (Gehört Halicalyptra cor- nuta [Bailey] E. hierher, dann sicherlich, denn diese Form besitzt einen sicheren Apicalstachel; sie gehört nach der Bildung des ersten Gliedes zur zweiten Gruppe, jedoch fehlen die drei hervortretenden Primär- stacheln, die vielleicht als rückgebildet zu betrachten sind.) 1 Die EnrEngerg'sche Gattung Lamprodiscus fällt mit Eucecryphalus zusammen. Beide Gattungen wurden gleichzeitig in Monatsber. d. Berliner Akademie 4860 p. 831 (Lamprodiscus) und p. 836 (Eucecryphalus) aufgestellt; da die HAecker’sche Gattung sehr bald darauf ausführlich geschildert wurde, so dürfte der von ihm gewählte Name beizubehalten sein. Sollte es sich nöthig erweisen, die Gattung in die erwähn- ten beiden Gruppen aufzulösen, so ließe sich. wohl der Eur£engErg’sche Name am besten auf die erste, der HAcEcker’sche auf die zweite Gruppe übertragen. 2 Jedoch wird sich ohne Zweifel der Stab a, d. h. die vordere Ringhälfte, noch erhalten haben, welche von Hertwie nicht beobachtet wurde. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 523 Pterocanium Ehbg. (Mnb. 1847) Bütschli emend. Zum Typus dieser Gattung nehme ich das Pterocanium Proserpinae E., welches auch schon Hazcker hierzu erwählte, jedoch, bei mangelnder Abbildung, nicht richtig verstand, da es sich auf das innigste an das Pterocanium Charybdeum J. M. anschließt, das Haecxeı zur Gattung Podocyrtis ziehen wollte. Auf eine eingehendere Besprechung des ziemlich heterogenen Ma- terials, welches EnrEnBErG unter Pterocanium zusammenstellte, gehe ich hier nicht näher ein, da ich darüber weiter unten noch Einiges anzu- führen habe. Pterocanium ist eine Weiterbildung von lychnocanium-ähnlichen Formen, bei welchen die Zusammenziehung der Mündung des ersten Gliedes sehr schwach ausgeprägt ist und sich zwischen den proxi- malen Anfängen der drei Mündungsstacheln die Anlage eines zweiten Gliedes in Gestalt eines meist nur schwach entwickelten durchlöcherten Saumes gebildet hat, der sich gewöhnlich an den Seiten der Stacheln | _ etwas hinabzieht. Zu dieser Gattung sind von abgebildeten Formen sicher zu rechnen : Pteroc. Proserpinae E., Pt. Charybdeum J. M., Lychno- ‚ canium praetextum E., Lychnoc. depressum E.; fraglich, ob hierher ge- ‚ hörig, erscheint mir dagegen das Pteroc. contiguum Ehbg., welches schon Beziehungen zu der Gattung Rhopalocanium zu besitzen scheint, ‚ dagegen gehört hierher oder ist doch höchstens als Untergattung zu be- trachten : Dietyopodium Hck., mit der Art trilobum, die sich von den ‚eigentlichen Pterocanien nur dadurch unterscheiden würde, dass die ‚ Anlage des zweiten Gliedes zwischen je zwei benachbarten Stacheln lappenförmig vorspringt und sich nicht an den Stacheln hinabzieht. Podocyrtis Ehbg. (Mnb. 1847). Zu der Gattung Pterocanium ver- hält sich die jetzt zu besprechende etwa so, wie Lychnocanium zu Dictyo- phimus. Wie sich nämlich bei ea das erste Glied unten ein- ‚schnürt, so bei Podocyrtis das zweite Glied, welches sich aus der Anlage, - welche wir bei Pterocanium fanden, ansehnlich entwickelt hat. Jedoch bleibt diese Zusammenziehung des Mindunessades des zweiten Gliedes bei Podocyrtis im Allgemeinen gering und namentlich sind die typischen drei Mündungsstacheln, welche hier das zweite Glied aufweist, stets am Rand der Mündung selbst angebracht, nicht jedoch etwas außerhalb des- ‚selben wie bei Lychnocanium. | | Wir begesnen hier zum ersten Mal einer entschieden stichocyriiden ‚Form nach Hascrer’s Terminologie. Daher dürfte es gerechtfertigt er- ‚scheinen, an dieser Stelle über die Entstehung der Mehrgliedrigkeit der ‚sog. den einige Worte im Allgemeinen zu bemerken. Ich bin ’ mit EHRENBERG und HarckeL der Ansicht, dass diese Erscheinung in der- selben Weise zu beurtheilen ist wie die Mehrgliedrigkeit der Nodosarien ] \ 524 0. Bütschli, unter den Rhizopoden. Wie sich bei diesen letzteren die einzelnen Kammern, successive an Größe anwachsend, wiederholen, so wiederholt sich auch bei den Stichocyrtiden die Bildung des ersten Gliedes succes- sive. Die Scheidewand zwischen zwei auf einander folgenden Gliedern ist weiter nichts wie die etwas zusammengezogene Mündungsfläche desälteren Gliedes. Diese Scheidewand ist stets sehr schwach entwickelt, springt nur wenig in die Schalenhöhlung vor und umschließt däher eine weite, meist kreisrunde Öffnung, d. h. die ehemalige Mündungsöffnung des älteren Gliedes, die jetzt zur Kommunikationsöffnung zwischen den bei- den auf einander folgenden Gliedern geworden ist. Diese Scheidewand war in den wenigen Fällen, wo ich sie genauer, eben bei Podocyrtis, untersuchte, nicht solid, sondern von Poren durchbrochen, wie die eigentlichen Kammerwände (siehe Fig. 16 und 33); ich muss daher im Allgemeinen Hazckeı Recht geben, welcher die Scheidewand der Sticho- cyrtiden etwa in der Weise schildert, wie sie sich auf Fig. 33 repräsen- tirt. Jedoch will ich auch nicht in Abrede stellen, dass die Scheidewand unter Umständen solid sein kann, wie Herrwıc behauptet, da es ja unter den Di- wie Stichocyrtiden Fälle giebt, wo die Poren gegen die Mündung hin spärlicher werden und schließlich eine ganz porenlose Area um die Mündung sich findet. Der Bau des Köpfchens der Podocyrtis ist ganz der der Zygocyrtida, wofür die Abbildungen Fig. 32—34 Belege beibringen. Bei Betrachtung der Basalfläche des Köpfchens (Fig. 32 5 und 33) sind die vier Paar Löcher sehr deutlich und die vordere aufsteigende Ringhälfte ist im optischen Durchschnitt zu sehen (a). Die seitliche Ansicht (Fig. 32 ce) zeigt, dass der Primärring noch völlig erhalten sein kann, seine vordere Hälfte, der Stab «a, ist es wenigstens stets. Die hintere Hälfte b dagegen ist nicht immer deutlich zu beobachten. Von a und b ausgehende Ästchen begeben sich zur Köpfchenwand und «a stützt stets den Apicalstachel (der keiner Podocyrtis fehlt) und daher auch hier meist nicht genau central liegt. Die Gattung Podocyrtis umfasst eine sehr große Anzahl fossiler Formen, welche sich wohl einigermaßen in gewisse Sektionen gruppiren lassen, welche ich zunächst folgendermaßen arrangiren möchte. a) Für die ursprünglichsten Formen möchte ich solche halten, bei ‚welchen die Poren des zweiten Gliedes die des ersten an Größe nur wenig übertreffen und deren drei Mündungsstacheln mäßig groß und etwa stabförmig sind; hierher zu stellen sind Podocyrtis Rhizodon E., | Argulus E. und Thyrsocyrtis ! Rhizodon E. : ! Die Gattung Thyrsocyrtis E. soll sich wesentlich durch dornigen Apicalstachel Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtid.. 525 b) Hieran schließt sich eine zweite Gruppe, bei welcher das zweite Glied fast kuglig aufgebläht ist und beträchtlich größere Poren besitzt wie das erste. Mündungsstacheln schlank. Hierher P. collaris E. und ventricosa E. | c) Eine dritte Gruppe umschließt Formen von ziemlich kegelförmigem Bau, bei welchen die Poren des zweiten Gliedes die des ersten nur mäßig übertreffen und die Stacheln kurz, stumpf-dreieckig bis lappen- förmig sind. Das untere Ende des zweiten Gliedes zieht sich häufig etwas zusammen und das ganze Glied wird dann bauchig. Eigenthüm- lich sind in dieser Gruppe eine Anzahl Formen, bei welchen das zweite Glied beträchtlich kürzer bleibt wie das erste. Hierher stelle ich: P. attenuata Ehbg., P. Eulophos E., Mitra E., sinuosa E., Argus E., Mi- irella E., papalis E. d) Eine vierte Gruppe schließlich umfasst diejenigen Formen, bei welchen der Gegensatz zwischen den Poren des ersten und zweiten Gliedes sehr scharf ausgesprochen ist, indem die letzteren sehr viel größer sind und kein allmählicher Übergang zwischen diesen beiden Porenformen statt hat. Die Stacheln sind fast stets sehr ansehnlich, von der Länge des zweiten Gliedes und mehr. In dieser Gruppe zeigen sich jedoch Unregelmäßigkeiten, indem sich an der Mündung des zweiten Gliedes noch einige sekundäre Stacheln zu entwickeln vermögen und bei einigen weiteren Formen die Stacheln verkümmern. Hierher stelle ich: P. radicata E., Princeps E., Triacantha E., Schomburski E., aculeata E., cothurnata E., Centriscus E., Pentacantha E., Tetracantha E., bicornis E., Dipus E., parvipes E., Euceros E. Rhopalocanium E. (Mnb. 1847 einschließlich Lithornithium Ehbg. 1847) leitet sich wohl gleichfalls von pterocanium-artigen Formen ab. Indem die gegitterte Schalenwand des zweiten Gliedes nach der Schalenachse und basalwärts geneigt auswächst, bildet sich ein um- gekehrt kegelförmiges oder spitzkugelartiges zweites Glied, dessen Mün- dung sehr verengt oder ganz reducirt ist. Die drei Stacheln dagegen setzen ihr schief nach außen und unten gerichtetes Wachsthum frei fort und werden daher nicht in die Wandung des zweiten Gliedes aufge- nommen. Die Stacheln erheben sich theils vom oberen Rand des zwei- ‚ten Gliedes, theils auf der Grenze beider Glieder und auf beide über- ' greifend. Hierher: Rhopal. ornatum E., Lithornithium Luscinia E., L. | Loxia E. (EHRENBERG zeichnet hier ein kleines drittes Glied, welches mir auszeichnen, ein Charakter, welcher nach meiner Ansicht nicht zur Begründung | einer Gattung Verwerthung finden kann. Die weitere Darstellung wird ergeben, ' wie sich nach meiner Auffassung die Eurengere’schen Thyrsocyrten einreihen | lassen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 35 526 0, Bütschli, nach ähnlichen Formen, die ich gesehen , sehr unwahrscheinlich dünkt. | Die geschlossene Endspitze des zweiten Gliedes setzte sich bei der einen der von mir gesehenen Formen in einen soliden stachelartigen Fortsatz fort, ähnlich den Seitenstacheln. Auch Enrensers deutet diesen Fort- satz auf seiner Figur an), Lithornithium foveolatum E. (bei dieser Form habe ich den zygocyrtiden Bau des Köpfchens sichergestellt ; der Primär- ring ist noch wohl erhalten, ähnlich Fig. 32 c). An diese Gattung schließen sich innigst zwei Barbadosformen an, welche sich durch ihre Viergliedrigkeit auszeichnen: Eurensere’s Ptero- canium Sphinx und Bombus. Pt. Bombus habe ich selbst untersucht; sie besitzt einen kurzen Apicalstachel, den Enrengerg bei beiden Formen nicht zeichnet. Ich halte die Ableitung dieser Formen von Rhopaloca- nium für sicher, es hat sich bei ihnen nur noch ein drittes Glied ent- wickelt und die Stacheln sind etwas weiter herabgerückt, so dass sie auch noch vom zweiten und dritten Glied entspringen, was wohl damit in Zusammenhang steht, dass sowohl das zweite wie dritte Glied keine so starke Zusammenziehung zeigen, wie bei Rhopalocanium, wenn auch die starke Aufblähung des dritten Gliedes bei Bombus, die EHRENBERG zeichnet, bei meiner Form nicht vorhanden war. Will man diese beiden Formen zu einer besonderen Gattung erheben, so würde ich die Be- zeichnung Rhopalocyrtis vorschlagen, halte die Errichtung einer besonderen Gattung jedoch kaum für nöthig. Über die Ableitung der nun zu besprechenden Formen, welche sich im Wesentlichen um die Gattungen Eucyrtidium E., Dictyomitra Zitt.2 (= Lithocampe Hck.) und Lithocampe Ehbg. gruppiren, dürfte es schwer sein, mit Sicherheit ins Klare zu kommen. Es scheint, dass eine Anzahl derselben sich durch Verkümmerung der Stachelbildung aus Podo- eyrtis entwickelt hat; ob dies jedoch für Alle gilt, ist mehr wie zweifel- haft, da genau eben solche Formen sich auch aus der zweigliedrigen Gat- tung Anthocyrtis zu entwickeln vermögen und EnrengergG hat auch solch zweigliedrige Formen mit den hier zu besprechenden drei- und mehr- gliedrigen vereinigt. Auf eine dritte Möglichkeit der Ableitung wird weiter unten bei der Besprechung von Pterocyrtidium hingewiesen wer- den. Alle diese hier zu besprechenden Formen sind also drei- oder mehrgliedrig und mit stachelloser oder doch nur von einigen schwachen Dörnchen besetzter Mündung versehen. 1 EHRENBERG Zeichnet bei Bombus ihren Ursprung auch noch auf den unteren Rand des ersten Gliedes hinauf; ich fand sie bei dieser Form vom unteren Rand. des zweiten und der Seitenfläche des dritten Gliedes entspringen. ? Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XXVII. 4876. p. 75 bis 86. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 5237 Haecxer schied die hier zu besprechenden Formen in zwei Grup- pen, die einen, welche einen Apicalstachel aufweisen, nannte er Eueyr- tidium, die anderen, ohne solchen, Lithocampe. Ich glaube, dass eine solche Eintheilung nicht natürlich ist; der Apicalstachel scheint mir wandelbarer wie die unterscheidenden Charaktere, welche sich aus dem allgemeinen Aufbau unserer Formen ergeben. Auch hat HarckeıL dies Prineip bei anderen Gattungen selbst nicht eingehalten und stachellose mit gestachelten Formen vereinigt. Ich mache daher, wie gesagt, zu- nächst die Grundformen der Gehäuse zu der Grundlage einer Sonderung der so sehr zahlreichen Formen in einer Anzahl Untergruppen. Cycladophoragruppe (Ensc. Mnb. 1847 emend.). Hierher stelle ich eine Anzahl Formen, die einen ziemlich rein kegelförmigen Bau aufweisen, d. h.: bei welchen vom Köpfchen aus erstes und zweites Glied sehr gleichmäßig an Durchmesser zunehmen, so dass die Gesammtegestalt eines Kegels resultirt. An der Mündung besitzt daher auch das Gehäuse den beträchtlichsten Durchmesser. Dieselbe ist durchaus nicht zusammen- gezogen und der Mündungsrand zuweilen mit einer Anzahl sehr kurzer Stachelchen besetzt. Die Poren des zweiten Gliedes sind merklich größer wie die des ersten. Sämmtliche Formen mit Apicalstachel. Diese Gruppe besitzt ganz entschieden Überläufer zu Podocyrtis und zwar zur zweiten Gruppe dieser Gattung. Hierher rechne ich: Podocyrtis ?ampla E., P. Puella sinensis E., P. brevipes E., Aegles E., Eucyrtidium apicu- latum E., Podocyrtis Domina sinensis E., Cycladophora spatiosa E. (hier den zygocyrtiden Bau des Köpfchens konstatirt), ?Eucyrtidium Cervus E., Eucyrtid. Zancleum J. M., CGycladophora discoides E. Thyrsocyrtisgruppe!. Umfasst zunächst typische Formen, bei welchen das erste Glied meist ziemlich kuglig aufgebläht ist, so dass sein größter Durchmesser den oberen Durchmesser des zweiten Gliedes über- ragt. Das zweite Glied besitzt eine langgestreckt trichterförmige sich nach unten etwas erweiternde Gestalt oder ist rein cylindrisch, ohne eine Spur von Verengerung gegen unten zu zeigen. Seine Länge scheint die des zweiten Gliedes stets zu übertreffen. Bei den etwas mehr abweichen- den Formen verliert sich die Aufblähung des ersten Gliedes mehr, bis die Gesammtgestalt eine langgestreckt cylindrische mit mäßig zugespitztem Apicalende wird. Poren der beiden Glieder gleich oder die des zweiten größer. Hierher: Thyrsocyrtis Dyonisia E., Th. Jacchia E., Cycladophora stiligeraE., C. Erinaceus E., C.Gigas E., Thyrsoeyrtis oenophila E., Eu- eyrlidium barbadense E., E. Hillaby E., E. Trachelius E., E. asperum E., ! Ich habe die Bezeichnung Thyrsocyrtis acceptirt, da hierher mehrere Formen dieses EurEngere’schen Geschlechts gehören. Siehe auch oben p. 524 über diese Gattung. = 35 * 528 0, Bütschli, E. microtheca E., E. Panthera E. sp., E. stephanophorum E., E. ceylin- dricum E.!. Eucyrtidiumgruppe. Drei- bis mehrgliedrig. Das letzte Glied verengert sich nach unten allmählich, so dass die Mündung mehr oder weniger zusammengezogen bis ganz geschlossen sein kann. Bei mehr- gliedrigen Formen kann die Verengerung auch schon-an einem der früheren Glieder beginnen und durch eine Anzahl Glieder allmählich fortschreiten. Hierher 1) Dreigliedrige Formen?. Letztes Glied stets das größte. Eucyrtidium sphaerophilum E. (leitet sich wohl sicher von der IV. Po- docyrtisgruppe ab), E. Alauda E., E. elegans E., E. Scolopax E., ?E. eranoides Hck., Thyrsocyrtis Bachabunda E., E. attenuatum E., E. Embolum E., E. Pupa E., E. Armadillo E.; stachellos: E. versipellis, E. gemmatum E., E. Iineatum E. p. p., E. crassiceps E., E. Mon- solfieri E., E. Pirum E., E. eryptocephalum E. Aus dieser Gruppe habe ich bei Euc. excellens E. die Bildung des Köpfchens näher studirt, das hier mancherlei Eigenthümliches zeigt. Der Primärring ist, wie Fig. 31 «a beweist, noch vollständig, jedoch sein apicaler Theil in an- sehnlicher Ausdehnung mit der Köpfchenwand verwachsen. Der Stab « läuft erst schwach schief aufsteigend und biegt dann plötzlich vertikal aufwärts um; an der Umbiegungsstelle entspringen von ihm zwei starke Queräste h (siehe die Ansicht der Basalfläche Fig. 31 b). Der Basaltheil ‘des Ringes steigt schief nach hinten auf und der Stab c ist sehr reducirt. Ich glaube die hier gegebene Deutung des Gesehenen acceptiren zu müssen, obgleich ich nicht verkenne, dass hier der einzige Fall vorliegt, der einige Zweifel zulässt, da nämlich auch der Stab % eventuell als dem e-Stab homolog betrachtet werden könnte. 2) Viergliedrige Formen Eucyrt. lineatum E. p. p., E. platycepha- lus, E. Nereideum E., E. multiseriata E., E. euporum E., Lithocampe compressa Stöhr, E. Nucula E., E. lagenoides St. | 3) Fünfgliedrige Formen: Euc. Errua E., ? Thyrsocyrtis antophora E., ?Euc. Lagena H., Euc. aquilonaris Bailey, E. tumidulum E., E. his- pidum E., E. tornatum E., Litbocampe Meta St., Euc. incrassatum St. 1 Über wahrscheinliche Beziehungen dieser Gruppe zu Anthocyrtis siehe weiter unten bei dieser Gattung. 2 Ich habe die aufgeführten Arten hier nach der Zahl der Glieder geordnet, mehr um einen Überblick über die Mannigfaltigkeit der Gliederbildung zu geben, als um dadurch anzudeuten, dass ich in der Übereinstimmung der Gliederzahl immer natürliche Verwandtschaftsbeziehungen erblickte; ich neige im Gegentheil zu der Ansicht, dass bei genauerer Kenntnis sich natürlichere Beziehungsverhältnisse er- geben werden. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 529 4) Sechsgliedrige Formen: Euc. auritum E., E. australis E., E. hyperboreum Bail., E. infraaculeatum St. 5) Siebengliedrige Formen : ? Euc. macilentum E., E. Raphanus St., ?Euc. anomalum Hck., Dietyomitra ventricosa St., Lithocampe ? Clava Ehbg., Eucyrt. elongatum St., ?Eucyrt. montiparum E., E. acutatum St., Lithocampe fimbriata St., Lith. Radicula E. p. p. 6) Achtgliedrige Formen: Lithocampe subligata St., Lith. eminens St., Eucyrtidium tropezianum J. M. sp., ?Lithocampe (Eucyrt.) punctata Ehbg., ?Eucyrtidium Galea H., ?profundissimum E. 7) Neungliedrige Formen: E. acuminatum E., ?E. demersissi- mum E. Lithostrobusgruppe (mh.). Zu dieser Gruppe stelle ich eine Anzahl von EurenBErc unter Eucyrtidium aufgeführter Formen, welche sich den eigentlichen Eucyrtidien auch aufs innigste anschließen. Sie zeichnen sich durch ihre Vielgliedrigkeit aus (bis neungliedrig beob- achtet), weiterhin jedoch namentlich dadurch, dass die Glieder successive an Durchmesser anwachsen, so dass die Gesammigestalt eine sehr schlank-kegelförmige wird. Ob auch hier schließlich eine Zusammen- ziehung des Mündungsendes sich findet, ist zweifelhaft. Angedeutet ist eine solche nur bei Euc. Argus Ehbg. und zwar erst am vierten oder fünften Glied. Hierher rechne ich : Eucyrt. microporum E., E. Picus E., E. Argus E., E. cuspidatum Bailey, E. articulatum E., E. cornutella E., Dictyomitra costata St. Lithomitragruppe (mh.). Ich halte es nicht für unmöglich, dass sich von der vorhergehenden Gruppe eine Anzahl Formen herleiten, welche Enrengerg gleichfalls unter Eucyrtidium aufführt und als sehr vielgliedrig beschreibt. Die sog. Glieder sind jedoch mit Ausnahme des Köpfchens sehr wenig scharf geschieden und so kurz, dass nur eine ein- zige Porenreihe auf jedes Glied kommt. Sie könnten daher auch als zweigliedrig aufgefasst werden. Die Gestalt ist langgestreckt, nahezu cylindrisch, gegen das Mündungsende sehr wenig zusammengezogen. Ich möchte annehmen, dass es sich hier wirklich um eine Rückbildung der deutlichen Gliederung der vorhergehenden Gruppen handelt, na- mentlich auch desshalb, weil ich bei einer wohl hierher zu rechnen- den Form, dem Eucyrt. pauperum E., zwischen den Querreihen von Poren noch deutliche, wenn auch sehr schwach einspringende Scheide- wände getroffen: habe. Ob natürlich gerade die letzt besprochene Gruppe den Ausgangspunkt bildet, scheint mir noch etwas fraglich, da auch Beziehungen zu der eigentlichen Eucyrtidiumgruppe vorhanden sind. Ich rechne hierher: Eucyrt. pauperum E., E. imbricatum E., Pachyderma E., E. ? obstipum E. und acephalum E. 890 0, Bütschli, Im Anschluss an die Lithomitren bespreche ich hier noch eine von mir studirte Form, das sog. Eucyrtidium biauritum E., welches mit einer zweiten Eurengerg’schen Art, dem Eucyrt. bicorne, eine sehr be- merkenswerthe Gruppe bildet. Über die richtige Stellung dieser Formen bin ich augenblicklich nicht in der Lage ein sicheres Urtheil zu fällen, jedoch kann ich die Vermuthung nicht zurückweisen,, dass sie eventuell von Lithomitra durch noch weitergehende Reduktion der Gliederbildung sich herleiten. Dass bei ihnen Rückbildung im Spiele ist, geht aus der Spärlichkeit und Unregelmäßigkeit der Porenentwicklung hervor (Fig. 38 a). Die Bildung des kaum deutlich abgesetzten Köpfchens er- innert mich weiterhin in einigen Zügen an die des Eucyrtidium pau- perum E., welches ich zu der Lithomitragruppe ziehen musste. Wie jedoch schon hervorgehoben, ist es bis jetzt mehr ein gewisses Fühlen, welches mich veranlasst, unsere Form einstweilen hier ab- zuhandeln. Unsere Form ist nämlich zweigliedrig (Fig. 38 «), was, wie an- gedeutet, möglicherweise auch durch Rückbildung ehemaliger viel- gliedriger Bildung zu Stande gekommen sein kann. Die Poren sind spärlich und unregelmäßig vertheilt. Interessant ist weiterhin die starke Reduktion der die Scheidewand zwischen Köpfchen und folgendem Ab- schnitt bildenden Kieseltheile, so dass dieselbe hier (Fig. 38 d) nur ein sehr zartes, dünnes Kieselkreuz bildet, das sich, wie bekannt, aus den Stäben e und dem Basaltheil des Ringes zusammensetzt. Die vier Basal- löcher sind daher relativ sehr weit. Die vordere Ringhälfte, der Stab a, steigt gerade auf und ist gleichfalls sehr dünn ; über ihm entwickelt sich ein sehr starker Apicalstachel. Dieser ist sehr deutlich dreiblättrig (siehe den optischen Durchschnitt seiner Basis in Fig. 38 d und den seiner Mittelregion in Fig. 38 f). Es beruht diese Dreiblättrigkeit, wie die ähnliche, wenn auch meist nicht so ausgesprochene Bildung des Apicalstachels bei anderen Cyrtiden darauf, dass die Basis des Stachels von drei regulär zusammengestellten Poren durchbrochen wird (Fig. 38 b por), welche sich als drei tiefe Rinnen über die ganze Stachel- länge hin fortsetzen, oder, wenn man sich anders und wohl auch kor- rekter ausdrücken will, darauf, dass sich der Stachel über den drei, unter Winkeln von 120% zusammenstoßenden Scheidewänden dreier benachbarter Poren erhebt (siehe die ganz gleichen Poren und ihre Scheidewände bei dem Stachel & [Fig. 38 e]). Die hintere Ringhälfte, der Stab c, steigt hier ähnlich wie bei Lithomelissa sehr steil an und er- reicht die hintere Wand des Köpfchens etwa in mittlerer Höhe, wo sich ein sehr ansehnlicher, schief aufsteigender Stachel « über ihm erhebt, gleichfalls dreiblättrig und aus derselben Ursache wie der Apicalstachel. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 531 Weiterhin ist der Ring unvollständig. Eine gewisse Übereinstimmung der Köpfchenbildung mit Lithomelissa ist für unsere Form auch auf- fallend, jedoch ist auch das Köpfchen des schon erwähnten Eucyrtid. pauperum der Lithomitragruppe recht ähnlich gebildet. Da unsere Form mancherlei Interessantes bietet, so war eine etwas eingehendere Be- trachtung wohl gerechtfertigt. Pterocyrtidium mh. (Pterocanium E. p. p.). Große Schwierig- keiten bereitet die Ableitung dieser Gruppe. Die hierher gehörigen Formen schließen sich ihrer allgemeinen Bauweise nach sehr innig an die drei- gliedrigen eigentlichen Eucyrtidien an (Fig. 28 und 29), zeichnen sich je- doch dadurch aus, dass vom ersten Glied drei oder auch zwei mäßig lange Stacheln entspringen, welche ihrer Lage nach den Primärstacheln ent- sprechen. Die Schwierigkeit der Herleitung liegt darin, dass wir bei der zweigliedrigen Lithomelissa diese dreiStacheln des ersten Gliedes als einen sehr primitiven Charakter kennen gelernt haben, so dass die Ableitung unserer Formen von Lithomelissa gleichfalls möglich erscheint. Es ließe sich vielleicht für die hier gewählte Herleitung von Eucyrtidium geltend machen, dass die Lithomelissastacheln sich ins Innere der Höhlung des ersten Gliedes bis zu den Basallöchern verfolgen lassen, was hier nicht der Fall zu sein scheint. Wenn wir die hier gewählte Ableitung bei- behalten, so müssen wir uns vorstellen, dass die drei Stacheln von Pteroeyrtidium nicht den eigentlichen drei primären Mündungsstacheln ' entsprechen, die nach unserer Auffassung ja in den Wandungen selbst verlaufen, sondern Stachelbildungen sekundärer Natur sind, welche sich von den in der Wand laufenden. Stacheln nach außen abzweigen !. Ich habe zwei hierher gehörige Formen untersucht, von welchen mir die eine neu scheint (Fig. 28 a—b), ich nenne sie Pterocyrtidium Zitteli.n. f., die zweite ist Pterocanium barbadense Ehbg. Bei beiden ist der zygo- cyrtide Bau des Köpfchens deutlich ausgeprägt. Fig. 28 « zeigt, dass der Primärring sehr wohl erhalten ist. Hierher gehören weiterhin noch: Pterocanium Sabae E. (Eucyrtidium ?carinatum H., damit wahrschein- lich identiseb),, Pteroc. Apis E., ? Pterocanium falciferum St. und ? Pteroc. bibrachiatum St. Zu dieser Gruppe dürfte weiterhin zu ziehen sein: I Sollte sich die schon angedeutete Möglichkeit der näheren Verwandtschaft unserer Pterocyrtidien mit lithomelissa-artigen Formen späterhin bewahrheiten, oder sollte sich vielleicht die auch nicht unmögliche direkte Beziehung derselben zu dietyophimus-artigen Formen ergeben, so wäre hieraus wohl auch ein wichtiger Schluss bezüglich der Herleitung der Eucyrtidien zu ziehen, die dann wohl am besten aus unseren Pterocyrtidien durch Verkümmerung der Stacheln sich her- leiten ließen. Eingehenderes Detailstudium zahlreicher Formen erscheint zur Ent- scheidung dieser Fragen nothwendig. 532 | | 0. Bütschli, Dictyoceras Virchowii Hck., da die Porosität der Stacheln nur ein sekun- därer Charakter ist. Ä LithoperaE. (emend. Bütschli) leitet sich von dreigliedrigen Eu- cyrtidien der ersten Gruppe ab, bei welchen das untere Ende des zwei- ten Gliedes sich sehr verengt und zu einer langen gegitterten Röhre auswächst, die am Ende wohl ohne besondere Mündung ist. Hierher E. fistuligerumE., E. Sipho E. und E. Tubulus E. (angeblich zweigliedrig, was ich für unwahrscheinlich halte). LithochytrisE. (Mnk. 1847). Die Form L. Tripodium lässt sich ableiten von einer Podocyrtis, bei welcher sich die Mündung zwischen den kurzen Mündungsstacheln völlig geschlossen hat. Bei den vier übrigen Formen, L. barbadensis E., Vespertilio E., pyramidalis Eh. und L. pileata E. finden sich an Stelle der drei Stacheln drei diesen wohl ent- sprechende, kegelförmige Auswüchse der Gitterwand des zweiten Glie- des. Von der völligen Geschlossenheit dieser Formen habe ich mich bei L. Vespertilio überzeugt. Ich halte die Zusammengehörigkeit der hier aufgeführten Formen und die versuchte Ableitung für sehr wahr- scheinlich. Anthocyrtis E. (Mnb. 1847). Die Betrachtung dieser Gattung führt uns wieder zu dem Ausgangspunkt der Gyrtiden überhaupt, den Zygocyrtiden, zurück, da ich nämlich glaube, dass dieselbe gesondert von den seither besprochenen Gruppen ihren Ursprung genommen hat. Wenn dies nun auch für Anthocyrtis selbst ziemlich wahrscheinlich zu machen ist, so ist dagegen schwieriger festzustellen, was sich mit Sicherheit an diese Gattung anlehnt, d. h. es ist der weitere Verlauf der mit Anthocyrtis begonnenen Reihe bis jetzt nur schwierig zu über- schauen. Unter den von Enrensere beschriebenen Petalospyrisformen von Barbados findet sich eine Pet. confluens, welche meiner Ansicht nach verräth, wie Dieyrtidenformen in einer weiteren und zwar zu Antho- -cyrtis führenden Weise entstanden sind. Eine sehr ähnliche, jedoch damit wohl nicht identische Form (Fig. 19) habe ich gleichfalls aufge- funden. Bei letzterer wie bei der Pet. confluens E. ist die Anlage eines ersten Gliedes neben dem Köpfchen dadurch zu Stande gekommen, dass die zahlreichen Mündungsstacheln der Petalospyris mit einander zu einer porösen Gitterwand verschmolzen sind. Über den Mündungsrand dieser Wand des ersten Gliedes ragen jedoch die Stacheln noch frei hinaus in Gestalt der bekannten, abgeflacht blattförmigen Gebilde. Über den Bau des Köpfchens dieser Form ist hier wenig zu bemerken, da die Figuren 19 a—b hinreichenden Aufschluss gewähren. 1 Ich glaube, dass die oben kurz besprochene Petalospyris confluens E. so wie Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 533 Betrachten wir uns nun die typischen Formen der Gattung Antho- eyrtis, so erkennen wir in ihnen Dicyrtiden mit mäßig entwickeltem Köpfchen und etwa glockenförmigem erstem Glied, dessen Mündungs- rand sich in eine große Anzahl dicht zusammenstehender Stacheln fort- setzt, welche in ihrer Bildung ganz denen von Petalospyris entsprechen. Die Zahl der Stacheln ist so ansehnlich, dass auf ein bis zwei Poren des Randes je ein Stachel kommt. Solche typische Formen, deren Ableitung mir hinreichend gesichert scheint, sind A. Mespilus E., collaris E., ‘furcata E., hispida E.!. Von A. hispida habe ich in den Abbildungen Fig. 30 ab die Bildung des Köpfchens erläutert, dessen völlig zygo- ‘eyrtiden-ähnlicher Bau deutlich zu erkennen ist. Der Primärring ist "völlig erhalten. An diese typischen Formen schließen sich jedoch solche an, bei welchen sich die Mündungsstacheln verkürzen und die Mündung sich ‚etwas zusammenzieht, so dass die Gestalt des ersten Gliedes mehr urnenförmig bis bauchig wird. Hierher stelle ich: A. serrulata E., lepto- ‘styla E., Grossularia E., ventricosa E., ophirensis E., Ehrenberei St., Thyrsocyrtis reticulata E., A. Zanguebarica E. | Schließlich scheinen die Stacheln völlig schwinden zu können, wenigstens schließt sich am allernächsten hier eine Reihe von Formen ‘an, welche Enrengere unter Eucyrtidium aufführte, nämlich E. subacu- ‘tum, Trochus, pleuracanthus, Fieus und ?Cornutella Cassis2. Eine große | Schwierigkeit liegt nun hier noch vor, nämlich die Möglichkeit, dass sich ‚auch Eueyrtidiumformen aus derartigen Anthocyrtisformen entwickelt haben. Vergleiche hierüber auch das früher Bemerkte.' Eine sichere \ Entscheidung dieser Frage wird sich wohl bei eindringlicherem Studium «der Anthocyrtis- und Eucyrtidiumformen ergeben. Ob sich eine Anzahl zweigliedriger, von EHRENBERG zu Lithopera ge- stellter und fast völlig oder ganz geschlossener Formen hier anschließt, } wie L. Lagena E. (nicht ganz geschlossen nach eigener Beobachtung), "L. Nidus pendulus E., ?L. Gutta E., L. Bacca E.‘und L. Bursella E., | die von mir gefundene Pet. anthocyrtoides E. am besten bei Petalospyris belassen „werden. ' 1 Hierher gehört höchst wahrscheinlich auch die Halycalyptra fimbriata E. Sie soll eine Monocyrtide sein, jedoch rührt dies wohl daher, dass das Köpfchen ab- ‚gebrochen ist. Zwei andere noch abgebildete Halicalyptren (H. virginiana und de- , pressa) sind ganz zweifelhafte, undeutbare Dinge. Die Gattung Halicalyptra E. wird "unter diesen Umständen hinfällig, da die weiterhin noch abgebildeten, einer Deu- i tung fähigen Formen schon zu früher besprochenen Gattungen verwiesen wurden. ) 2 HAECKEL zieht derartige Formen zu der Gattung Lophophaena E., die er in | " einem irrthümlichen Sinn auffasste, was sich aus den ihm noch tnangelnden Abbil- dungen EHRENBERG'S ergiebt. | | | 534 - 0, Bütschli, scheint mir schwer zu beantworten. Dieselben haben eben Beziehungen nach sehr verschiedener Richtung!. CalocyclasE. (Mnb. 1846). Aus Anthocyrtis können sich auch dreigliedrige Formen entwickeln und zwar in derselben Weise, wie sich aus Petalospyris Anthocyrtis hervorbildete, indem nämlich die Mündungs- stacheln zur Bildung eines zweiten Gliedes zusammentreten, das an seinem Mündungsrand die bekannten Anthocyrtisstacheln aufweist. Ein solcher Fall ist eben bei Galocyclas Turris E. gegeben. Es wäre nicht unmöglich, dass eine Anzahl der oben zur Thyrsocyrtisgruppe gestellten Formen hierher gehörten, wie die Gycladophora stiligera, Erinaceus und Gigas Eh.; da jedoch die Beschaffenheit des Mündungsrandes der- selben nicht sicher bekannt ist, so lässt sich dies nur schwer ent- scheiden. Pterocodon Ehbg. (Mnb. 1847). Hierher lassen sich die drei Eurengerg’schen Formen Pt. CGampanella, Campana und davisiana stellen, von welchen nur die zwei ersten sicher zu verstehen sind. Pteroc. Cam- panella ist zweigliedrig und besitzt am oberen Rand des ersten Gliedes zwei Primärstacheln. Die weitere Bildung ist wie bei Anthocyrtis. Pteroc. Campana dagegen ist dreigliedrig; das zweite Glied besitzt die charak- teristischen Mündungsstacheln von Anthocyrtis, das erste Glied trägt am oberen Rand drei kurze Primärstacheln. Diese Gattung scheint mir zu Anthocyrtis die nächsten Beziehungen zu haben und würde sich zu Anthocyrtis verhalten wie Lithomelissa zu Dietyophimus oder wie Ptero- cyrtidium zu Eucyrtidium. | Dietyocephalus Ehbg. (1860). Hierher gehören Formen, welche eigentlich noch primitiverer Natur sind, wie die bis jetzt bekann- ten Arten von Anthocyrtis, da bei ihnen das Köpfchen relativ und that- sächlich viel größer bleibt, wie bei dieser, ein Charakter, welcher große Ursprünglichkeit anzeigt. Einmal dieser Umstand, weiterhin noch die stete Stachellosigkeit des Mündungsrandes des zweiten Gliedes zeichnen diese Formen aus. Auch ein Apicalstachel fehlt, dagegen ist häufig eine unregelmäßige Bestachelung auf dem Köpfchen entwickelt, welche zum Theil an die Harcker’sche Arachnocorys erinnert, mit welcher unsere Formen wohl auch einige Beziehungen haben. Vielleicht leiten sie sich von sehr primitiven anthocyrtis - artigen Formen unter Verkümmerung der Stacheln ab, vielleicht haben sie je- doch auch eine selbständigere Entstehung. Die Gestalt des ersten Gliedes ist entweder ziemlich flach trichter- förmig und dasselbe daher weit geöffnet, so: Lithopera setosa E., 1 So z. B. auch eventuell zu geschlossenen Lithomelissen, deren Primärstacheln reducirt sind. Vgl. oben p. 518. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskeleite, insbesondere der der Oyrtida. 535 | Dietyocephalus hispidus E., Lophophaena Galea Orci Ehbg. (St.), Loph. ‚larvata Ehbg., ?Cornutella spiniceps E.; oder mehr eylindrisch : Loph. ‚Lynx E., Loph. apiculata E.; oder mehr bauchig, mit verengter (? bis geschlossener) Mündung: Dietyoceph. Capito E. und D. obtususE. Eine Barbadosform, welche letzterer sehr nahe steht, oder damit identisch ist, habe ich studirt und bilde sie Fig. 20 a—c ab; die Figuren zeigen die sehr innigen Beziehungen zu den Zygocyrtiden auch ohne genauere Be- schreibung, namentlich ist der Primärring noch ganz vorhanden. Es scheint möglich, dass sich hier eine Anzahl ganz geschlossener ‚zweigliedriger, stachelloser Formen anschließt, die Enrengerg zu Litho- ıpera zog, da sie sich durch sehr große Köpfchen auszeichnen, so L. am- "blyostaurus und oceanica; jedoch macht mir die Bildung ihres Köpfchens ‚den Anschluss an geschlossene Formen von Lithomelissa wahrschein- ‚licher (vgl. hierzu p. 518). | CGarpocanium Ehbg. (Mnb. 1847) scheint sich sicher von antho- :cyrtis-ähnlichen Formen herzuleiten, bei welchen das gar nicht kleine ‘Köpfchen so wenig von dem ersten Glied abgesetzt ist, dass äußerlich ‚Keine Grenze zwischen beiden sichtbar ist, wesshalb diese Formen bis auf Herrwie’s Untersuchungen für Monocyrtiden galten. Der Bau der ‚Scheidewand ist nach der Abbildung Herrwie’s (Taf. VIII, Fig. 8 d) für 'Garpoc. Diadema Hck. der charakteristische mit den vier Löchern; die beiden mittleren Stäbe, welche man in der Seitenansicht (Fig. 8 a) sieht, halte ich für die beiden Ringhälften. Bei der Gattung Carpocani- um im engeren Sinne ist die Mündung stets etwas verengt und wie bei Anthocyrtis in zahlreiche Stacheln verlängert; dieselben sind zum Theil noch sehr ansehnlich, so bei Cryptoprora polyptera E., meist jedoch ziem- lich verkümmert: so Garpocanium coronatum E., Halicalyptra setosa E., ‚Carpoc. Diadema Hck., C. solitarium E., C. Calycothes St., GC. Campa- nula St. | Ganz verkümmert sind sie bei der Gattung GyrtocalpisH., die sich, was die übrige Bauweise betrifft, ganz an Carpocanium anschließt und die ich daher auch von dieser ableiten muss. Hierher Cyrt. Am- 'phora H., C. obliqua H., C. Urna St. | GryptoproraE. emend. (Mnb. 1847) leitet sich von Garpocanium ab wie Calocyclas von Anthocyrtis, indem sich die Stachelbildungen der Mündung zu einem zweiten Gliede vereinigt haben. Hierher nur Cryptopr. ornata E. ' LitharachniumH. (Mnb. 1860) leitet sich wohl von arachno- »orys-ähnlichen Formen ab. Bezeichnend ist die Rückbildung des Köpf- shens zu einem sehr kleinen Gebilde, daher Hazoreı diese Form zu den ‚Monocyrtiden stellte. Jedoch tritt auf der Apicalansicht, welche EurENBERG | | | 536 0. Bütschli, von seinem Carpocanium ? arachnodiscus giebt, welche Form sicher zu Litharachnium gehört, die charakteristische Basalfläche des Köpfchens deutlich hervor. Charakteristisch scheint mir für diese Gruppe weiterhin die viereckige Maschenbildung des ersten Gliedes zu sein, wesshalb ich - damit zwei Enrengerg’sche Cornutellaarten vereinigen möchte, nämlich die Cornut. quadratella und scalaris. Erstere (Fig. 37 a—c) habe ich selbst untersucht und den zygocyrtiden Bau des sehr kleinen Köpfchens festgestellt (siehe die Ansicht der Basalscheidewand Fig. 37 b und die Seitenansicht Fig.37 c). Die vier Löcher sind wohl ausgeprägt. Vom Ring fand ich nur einen Theil der vorderen Hälfte, den Stab c, der schief auf- steigt und da, wo er sich an die Wand des Köpfchens ansetzt, eine kleine Stachelbildung hervorruft. Die beiden hierher gezogenen Cornutellaarten weichen durch ihre gestrecktere Gestalt (namentlich C. scalaris) von dem Litharachnium Tentorium H. etwas ab, jedoch sind einmal davon nur verstüimmelte Exemplare bekannt, andererseits kann hierauf kein beson- derer Werth gelegt werden. Geratocyrtisn.g. Die Gattung Cornutella Ehbg. (Mnb. 1838) umschließt im Sinne EnHrEnsgerg’s, nach Ausscheidung einer Reihe schon erwähnter Formen, noch mindestens zwei ziemlich verschiedene Form- reihen. Die eine derselben, welche ich hier unter neuer Bezeichnung zusammenfasse, wird gebildet von C. Mitra E., C.? cucullaris E., G. am- pliata E. und ? C. circularis E., von welchen ich C. cucullaris und eine wahrscheinlich zu ampliata zu ziehende Form zu studiren Gelegenheit hatte. Diese Formen zeigen in Bezug auf das Köpfchen etwa dieselben Verhältnisse wie Garpocanium und Oyrtocalpis; dasselbe ist nämlich recht ‚ansehnlich, jedoch so wenig abgesetzt vom ersten Glied, dass äußerlich eine monocyrtide Bildung hervortritt (siehe Fig. 36 a und b). Sie leiten sich daher von sehr primitiven Dieyrtiden ab. Diese Ableitung selbst bietet jedoch Schwierigkeiten. Der Bau der vorderen Ringhälfte a mit den starken seitlichen Ästen h, die stark aufsteigende und nicht vollständige hintere Hälfte d, sowie die von den Querstäben e und der vorderen Ring- hälfte absteigenden Äste g, die sich zu dem ersten Glied begeben und welche den Primärstacheln von Lithomelissa entsprechen, lässt bedenken, ob nicht eine Beziehung zu letzterer Form vorhanden. Sicherer Ent- scheid ist jedoch vorerst nicht möglich. CornutellaE. (Sens. mut.). DiezweiteGruppe der Euren- | BERG’Schen Cornutellen umschließt diejenigen Formen, bei welchen gestreckt kegel- bis hornförmig und gegen unten sich zuweilen etwas zusammenziehend. Das Köpfchen trägt wohl stets einen Apicalstachel von " sehr verschiedener Größenentwicklung. Die einzige Form, welche ich | das Köpfchen äußerst verkümmert ist; das erste Glied ist stets sehr lang- | j m Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Oyrtida. 537 aus dieser Gruppe zu studiren vermochte ist Gornutella longiseta E., von welcher ich eine übereinstimmende Form im Barbadosgestein ‘fand. An dem hier noch ziemlich deutlich erkennbaren winzigen Köpf- chen vermochte ich, bei der Betrachtung in den verschiedensten Ansich- ‚ten, nichts mehr von einer Scheidewand oder dem Primärring wahrzu- ‘nehmen, glaube daher auch, dass diese Gebilde hier reducirt oder viel- ‚leicht auch nachträglich resorbirt worden sind. Dennoch zweifle ich nicht ‘an der Ableitung dieser Gruppe von Dieyrtidenformen, da das Köpfchen ‘sich bei zahlreichen hierher gehörigen Formen noch durch eine schwache ‚Anschwellung markirt. Diese Gruppe umschließt also sehr umgebildete Formen, welche sich am weitesten von dem Ausgangspunkt entfernen. In Bezug auf ihre Ableitung von anderen Gyrtidenformen lässt sich sehr "wenig sagen; gewisse, der Mündungsstacheln entbehrende Anthocyrtis- ‚formen könnten einen Ausgangspunkt bilden, doch ist sogar die Möglich- |keit nicht ausgeschlossen, dass von mehrgliedrigen Formen aus, wie von ‘der oben erwähnten Lithomitragruppe, Formen entstanden sind, die einst- weilen hierher zu stellen wären ; so hat schon EurENBERG gewisse Formen zu Eucyrtidium gestellt, Euc. gracile E., E. pusillum, welche ich hier- ‚her ziehen muss. Weiterhin gehören noch hierher Gornutella Trochus E., verrucosa E., profunda E., longiseta E., clathrata E., stylophaena E., (trichostyla E., granulata E., stiligera E., ? Eucyrtidium pygmaeum E., 'Cornutella distenta E., CGornutella ? annulata Bail. Die vorstehende Besprechung der schwierigen Abtheilung der Cyr- 'tida wird zunächst die behauptete Phylogenese derselben wohl unwider- leglich erwiesen haben. Weiterhin ergiebt sich aus der versuchten, wenn auch nur skizzenhaft durchgeführten Begründung und Herleitung natürlicher Untergruppen oder sog. Gattungen dieser Abtheilung, dass ich die Harcrer’sche Eintheilung der Gyrtida in Mono-, Di- und Sticho- eyrtida nicht für natürlich halten kann. In meinem Versuch der Her- leitung der einzelnen Formgruppen liegt zwar schon angedeutet, dass sich zunächst zwei genetische Reihen im Gyrtidenstamm entwickelt zu haben scheinen, die wir als die Dietyophimus- und die Anthocyrtisreihe bezeichnen könnten, doch halte ich die Zeit noch nicht für gekommen, um einen nicht allzukünstlichen Versuch zur Aufstellung umfassender Gruppen zu wagen. Wir mussten im Speciellen eine zu große Anzahl Fragen bis zur größeren Vertiefung unserer thatsächlichen Kenntnisse offen lassen, als dass wir mit einigem Vertrauen uns der Lösung dieser Aufgabe zuwenden dürften, wenn wir mehr als eine ephemere, ge- künstelte Lösung anstreben. Der gesammte Entwicklungsgang der Gruppe der Cricoidea, wie er sich durch das eitigehendere Studium derselben 538 0. Bütschli, ergeben hat, darf aber jedenfalls als ein sehr schöner Beleg für die Wahr- heit der Descendenzlehre bezeichnet werden, und es lässt sich kaum zweifeln, dass noch tiefergehende Studien auch für die noch fraglich gebliebenen Punkte die nöthige Aufklärung bringen werden. In diesem Sinne erlangen dann auch diese Forschungsbestrebungen im Bereiche der mikroskopischen Welt ihre sehr berechtigte Bedeutung. Heidelberg, Oktober 1881. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXI—XXXIII. Fig. 1. Coelothamnus (?) Davidoffii Bütschli. Ganzer Organismus mit Gallert- hülle. Vergr. etwa 5. kaa, die Klappen, von welchen die Strahlen ausgehen; k, die beiden halbkugligen Schalen und aa ihre dreiseitigen Aufsätze. Fig. 2. Eine der Klappen, in der Ansicht auf die konvexe Fläche, mit dem drei- seitigen Aufsatz, von dessen Ecken die Kieselröhren a, b und c entspringen. ß, die Kugelschale mit dem trapezförmigen Ansatz y, welcher von dem Loch «& durch- brochen ist, das in die Höhle des Aufsatzes führt. Fig. 3. Die Enden einiger Ankerfäden von einem der 46 Strahlen, zwei-, drei- und vierstrahlige Anker darstellend. Fig. 4. Die andere Schalenklappe mit einem ansehnlicheren Theil der abgehen- den Kieselröhren. Ansicht‘gleichfalls auf die konvexe Fläche der Schalenklappe, Vergr. 70. Fig. 5. Endstück eines der 16 Strahlen bei stärkerer Vergrößerung (120). In allen folgenden Abbildungen, welche Angehörige der Cricoidea aus dem Barbadosgestein darstellen, ist eine übereinstimmende Bezeichnung der homologen Theile durchgeführt. a, die vordere Hälfte des Primärringes; b, dessen hintere Hälfte; I, das hintere Paar der Basallöcher; II, das vordere Paar dieser Löcher; c, der Übergangstheil zwischen Ringbasis und hinterer Hälfte, welcher die hinteren Basallöcher / scheidet; e, der Stabfortsatz, welcher die Basallöcher I und II der gleichen Seite scheidet; e!, der Stabfortsatz, welcher den Hinterrand der hinteren Basallöcher (7) bildet; e?, der Stabfortsatz, welcher den vorderen Rand der vorderen Löcher (Il) bildet; f, der sekundäre Ring, oder eine diesem entsprechende Anlage; h, ansehnliche Seitenäste, welche im Verlaufe der vorderen Ringhälfte entspringen. Fig. 6. Stephanolithis Haeckeli Bütschli. a, nahezu basale Ansicht, etwas nach hinten geneigte Stellung; b, nahezu Vorderansicht, etwas nach links gedreht. Vergr. 300. Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. 539 Fig. 7. Stephanolithis spinescensE. a, seitliche Ansicht; b, Basalan- ' sicht. Vergr. 300. Fig. 8. Stephanolithis Mülleri Bütschli. a, seitliche Ansicht; b, halb seit- liche, halb basale Ansicht; c, halb seitliche, halb hintere Ansicht. Vergr. ca. 300. Fig. 9. Acanthodesmia Hertwigi Bütschli. a, nahezu Hinteransicht, etwas nach vorn geneigt; b, Basalansicht; c, seitliche Ansicht, der Apex oben (die Basis ist mangelhaft dargestellt). Fig. 40. Dietyospyrisclathrata Ehbg. a, Basalansicht; b, Vorderansicht. Vergr. 300 (nach EHrENBERG berechnet). Fig. 44. Ceratospyris setigera E. a, Basalansicht; Db, seitliche Ansicht. Vergr. 450. | Fig. 412. Wahrscheinlich Geratospyris Triomma E. a, Basalansicht, 5, seitliche Ansicht (die Poren der Schalenwand nicht eingezeichnet). Vergr. circa 300. (Nach EurengerG berechnet.) Fig. 43. Ceratospiris clavata Bütschli. a, Basalansicht; b, seitliche An- sicht; c, Vorderansicht. Vergr. 300. Fig. 14. Wahrscheinlich Dictyospyris Gigas E., wenn nicht besondere . Form. a, Basalansicht, 5, Seitenansicht, Schale im optischen Durchschnitt. Vergr. von a ca. 300. Fig. 15. Dictyospyris Sphaera Bütschli. a, Seitenansicht, Schale nur im optischen Durchschnitt angedeutet; b, Basalansicht. Vergr. von db 300. Fig. 16. Podocyrtis?amplaE. wahrscheinlich (oben zu der Cycladophora- gruppe gezogen). Apicalansicht (Hälfte) zurDemonstration der Scheidewand zwischen erstem und zweitem Glied. Dieselbe war gut sichtbar, da das erste Glied zum größ- ten Theil weggebrochen war. Vergr. 200—250. Fig. 47. Petalospyris ArgiscusE. a, seitliche Ansicht; db, Basalansicht. Vergr. 300. Fig. 48. Clathrocanium (?) Ehrenoergi Bütschli. a, nahezu seitliche An- sicht; b, Apicalansicht. Vergr. von a 450. Fig. 49. Petalospyris anthocyrtoides Bütschli. a, Vorderansicht; D, seitliche Ansicht; ce, Basalansicht. Vergr. 300. | Fig. 20. ?Dictyocephalus obtususE. a, Vorderansicht; b, Seitenansicht (die rechte Seitenwand zerbrochen); c, Basis des Köpfchens. Vergr. von a ca. 300. Fig. 21. Lithomelissa Ehrenbergi Bütschli (= L. macroptera E. p. p. Taf. III, Fig. 8, Abh. 4875). a, Seitenansicht; db, Apicalansicht, nur die Köpfchen- basis genau ausgeführt. Vergr. 300. Fig. 22. Lithomelissa Hertwigi Bütschli. a, nahezu Vorderansicht (Api- calstache] wahrscheinlich abgebrochen); b, Basalansicht (nur die Köpfchenbasis aus- geführt). Vergr. ca. 300. Fig. 33. Lithomelissa Haeckeli Bütschli. a, seitliche Ansicht; Db, Basal- ansicht. Vergr. 300. Fig. 24. L. Mitra Bütschli. Vorderansicht. Vergr. 300. Fig. 25. Lithomelissa spongiosa Bütschli. a, Vorderansicht, etwas nach hinten geneigt; 5b, Apicalansicht (nur die Basalfläche des Köpfchens eingehend aus- geführt. Vergr. 300. c, seitliche Ansicht (schwächer vergrößert und schematisch) . Fig. 26. Lithomelissa micropteraE. (sehr wahrscheinlich). Halbseitliche Ansicht. Vergr. 300. Fig. 27. Lithobetrysgeminata E. a, Basalfläche des Köpfchens; B, seit- liche Ansicht; c, Hinteransicht. Vergr. 300. 540 0. Bütschli, Beitr. zur Kenntn. d. Radiolarienskelette, insbes. der der Oyrtida, Fig. 28. Pterocyrtidium (n.g.) Zitteli Bütschli. «a, Seitenansicht eines Exemplares mit ansehnlichen Primärstacheln, die jedoch bis auf den vorderen ab- gebrochen; b, Apicalansicht eines Exemplares mit weniger entwickelten Stacheln. Nur das Köpfchen näher ausgeführt. Vergr. von Fig. 28 a 300. Fig. 29. Pterocyrtidium (Pterocanium E.)barbadenseEhbge. a, Vorder- ansicht; b, Apicalansicht, nur die Basalfläche des Köpfchens genauer ausgeführt. Vergr. 300. Fig. 30. AnthocyrtishispidaE. a, Basalfläche des Köpfchens, der Apical- stachel (s) ist gleichfalls angedeutet; b, Seitenansicht des Köpfchens. Fig. 39. Eucyrtidium excellens E. Seitenansicht des Köpfchens und ersten Gliedes. Die Poren des ersten Gliedes laufen hier sehr schief von innen und oben nach unten und außen, was bei sich ähnlich verhaltenden, dickwandigen Formen zuweilen eine Wandbildung hervorruft, die EHRENBERG als Schuppig bezeich- nete (so bei gewissen Angehörigen unserer Lithomitragruppe). b, Ansicht der Basal- fläche des Köpfchens. Fig. 32. PodocyrtisPrincepsE. a, Vorderansicht des Köpfchens; d, Api- calansicht desselben; c, Seitenansicht des Köpfchens. Fig. 33. PodocyrtissinuosaE. Apicalansicht. Ausgeführt ist nur die Basal- fläche des Köpfchens, die Scheidewand zwischen dem ersten und zweiten Glied, so wie der optische Durchschnitt des unteren Randes des ersten Gliedes, welcher die Scheidewand trägt. Fig. 34. Podocyrtis aculeata E. a, Skizze der Vorderansicht des Köpf- chens; db, eben solche der Seitenansicht desselben. { Fig. 35. Dictyophimus Craticula E. Apicalansicht. Die Peripherie des ersten Gliedes nicht vollständig dargestellt. Vergr. 300. Fig. 36. Geratocyrtis (Cornutella E.) cucullarisE.sp. a, Apicalansicht; d, Hinteransicht (nur das Köpfchen ausgeführt). Vergr. 300. Fig, 37. Litharachnium (Cornutella E.) quadratella E.sp. a, Hinter- ansicht. Vergr. 300. b, Ansicht der Köpfchenbasis; ce, Seitenansicht des Köpfchens (b und e stärker vergrößert). Fig. 38. Sog. EucyrtidiumbiauritumE. a, Seitenansicht, Vergr. ca. 300. b, Seitenansicht des Köpfchens; c, Vorderansicht des Köpfchens; d, Ansicht der Basal- fläche des Köpfchens; e, Hinteransicht des Köpfchens; f, Querschnitt des Apical- stachels in seiner Mittelregion (d bis f stärker vergrößert). Erwiderung von Dr. phil. D. Sochaczewer. In dem 4. Heft desXXX VI. Bandes dieser Zeitschrift hat Sımrorn gegen meine Annahme, in der Fußdrüse der Schnecken ein Sinnesorean zu sehen, einige Einwände gemacht. Bevor ich auf dieselben eingehe, möchte ich einige allgemeine Bemerkungen über die Methode, wie ein Organ als Geruchsorgan bestimmt werden kann, vorausschicken. Jeder, der sich mit der Untersuchung dieses Organs hei Wirbellosen beschäftigt, wird gestehen, dass es unmöglich ist, aus den vorhandenen Kriterien ein un- umstößlich sicheres Merkmal herauszufinden. Bis jetzt ist noch nicht ein genauer, morphologischer und chemischer Unterschied zwischen den Geruchsnervenfibrillen und den gewöhnlichen, sensiblen Nervenfäserchen erkannt. Auch die physiologische Funktion der Drüsen ist noch nicht festgestellt worden. Nur der Vergleich mit den Organen der Wirbeltbiere giebt uns die geringen Analogien, dass zu dem Sinnesepithel der Nasen- schleimhaut eine besondere zugehörige Drüse gehört. Wenn nun Sımrora es für möglich hält, dass ein feines Nervchen nach dem vorderen Theil der Fußdrüse hinzieht!, so kann gerade dieses Nervenstämmcehen für Geruchsempfindungen empfänglich sein. Wider diese Annahme lässt sich bei den unsicheren Kennzeichen, die uns über die morphologisch-chemischen Unterschiede der Nerven zu Gebote stehen, eben so wenig sagen als für dieselbe. Wenn. ferner Sımroru behauptet, dass die drei Faktoren eines Geruchsorganes, — nämlich das Vorhanden- sein einer Sinneszellenschicht, das Überströmtwerden mit Luft und die ‚Benetzung durch ein aus einer zugehörigen Drüse quellendes Sekret, — sich auf jede Hautstelle der Schnecke, die ein Sinnesepithel trägt, an- I Da ich, mit Arbeiten zu einem Examen beschäftigt, augenblicklich weder Sinn noch Zeit für wissenschaftliche Arbeit habe, so kann ich leıder nicht den direkten ‚ Nachweis einer Nervenleitung zur Fußdrüse liefern. Sehr nahe liegt aber die Ver- muthung, dass die Sinnes- und Drüsenzellen eines so umfangreichen Organs mit Nerven reicilich versorgt sind. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 36 542 D. Sochaczewer, Erwiderung. wenden lassen, so liegt das Hauptgewicht meiner Argumentalion gerade auf der besonderen Drüse, welche zu einem Riechorgan gehört und als welche die Fußdrüse wahrscheinlicherweise in Anspruch genommen werden kann. Der Einwand,. welcher gegen »die Flimmern « der Sinneszellen ge- macht wird, bat darin seinen Grund, dass ich statt Härchen das unge- nauere Wort Flimmern gebraucht habe. Aus dem Text und den Abbil- dungen geht aber zur Genüge hervor, dass ich nicht an lebenden Zellen meine Beobachtung gemacht habe. Die Sinneszellen unterscheiden sich außer durch die Form des Zelienleibes noch durch die Länge und die geringere Anzahl von Härchen von den gewöhnlichen Flimmerepithel- zellen. Wenn endlich Sımrorn meine Experimente nicht für beweiskräftlig hält, so kann ich nicht einsehen, in welch anderer Weise Experimente angestellt werden können, um die Lokalisation des Geruchsorganes zu ermitteln. Wenn keine andere Stelle der Haut sich bei Annäherung des in Terpentin getauchten Stabes empfindlich zeigt, als die Umgegend des Mundes, so kann wohl nicht fraglich bleiben, wohin der Sitz des Ge- ruchsorganes zu verlegen ist. Es liegt mir fern, aus den Einzelheiten, die ich gefunden habe, die bez. Stelle in der Fußdrüse als vollkommen sicher nachgewiesenes Ge- ruchsorgan anzusehen; doch eben so wenig sind die von Sımrorn ge- machten Einwände für mich überzeugend genug, um von meiner An- sicht abzustehen. Erst wenn sicher der morphologische und chemische Unterschied der verschiedenen Nervenfasern, die Bedeutung der Riech- drüse und ihres Sekretes und die Funktion der Sinneszellen festgestellt ist, wird es gelingen, ein Geruchsorgan exakt zu erkennen. Bis zu dieser Zeit, die noch ziemlich ferne liegt, werden Wahrscheinlichkeits- gründe an Stelle positiver Gründe treten müssen. Was meine, p. 24 meiner Dissertation geäußerten Einwände gegen die Lokomotionstheorie Sımrorn’s anbetrifft, so bin ich sehr erfreut, dass er denselben freundliche Beachtung geschenkt hat. Da ich gegen die so außerordentlich sorgfältigen Untersuchungen Sımroru’s ohne eigene Untersuchungen nicht auftreten kann, so genügt mir das Zugeständnis, dass meine Bemerkungen über die extensile Muskelfaser theoretisch richtig ist, wenn auch die Wirklichkeit sich anders verhält. Berlin, 15. Oktober 1881. N U / Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. | | Von | | Dr. J. Brock, | Privatdoc. a. d. Univ. Göttingen und Assist. am zoologischen Institut daselbst. | la Mit Tafel XXXIV—XXXVIL. 1) Über den Bau und die Verwandtschaftsverhältnisse des Genus Rossia Ow. | Das Genus Rossia, welches neuerdings meist mit seinem nächsten , Verwandten Sepiola zu einer besonderen kleinen Familie vereinigt wird, ist anatomisch bis jetzt noch immer sehr mangelhaft bekannt. Was wir | darüber wissen, beschränkt sich auf eine kurze und keineswegs er- sehöpfende Beschreibung Owen’s!, deren Angaben und zum Theil auch ' Abbildungen später in dem Artikel »CGephalopoda« in der Topp’schen | Cyclopaedia aus der Feder desselben Verfassers unverändert reproducirt sind. Aus diesem Wenigen, was wir wissen, geht nun zwar mit großer ‘ Wahrscheinlichkeit hervor?, dass Rossia und Sepiola einen kleinen Seitenzweig des geraden Dekapodenstammes Ommatostrephes - Loligo- Sepia, und zwar mit Rossia als Bindeglied bildet, es lässt sich aber kein Aufschluss darüber gewinnen, wo dieser Seitenzweig an die Haupt- | gruppe anknüpft; oder mit anderen Worten, in welchem Verhältnis die kleine Familie der Sepioladen zu den typischen Myopsiden steht. Der ' Wunsch, diese Frage lösen zu können, ist Veranlassung zu vorliegender kleiner Arbeit geworden, deren Resultate gerade, weil sie in einigen ı Punkten von den erwarteten abweichen, für die vergleichende Anatomie oder Phylogenie der dibranchiaten CGephalopoden nicht ganz ohne Inter- ‚ esse sein dürften. | 1 Sir Joan Ross, Appendix to the narralive of a second voyage in search of a ‚ Northwest passage etc. London 1835. Natural history. XCI—XCIX. 2 Vgl. Brock, Versuch einer Phylogenie der dibranchiaten Cephalopoden. Mor- phologisches Jahrbuch. Bd. VI. 1880. p. 206 Anm., p. 268. | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 37 544 J. Brock, Mit Übergehung der hinlänglich genau bekannten äußeren Form und Schale wende ich mich sogleich zur Muskulatur!, welche einen engen Anschluss an Sepiola nicht verkennen lässt. Wie dort, ist auch hier schon durch Verschmelzung der Retractores capitis und durch stärkere Entwicklung des Diaphragma musculare die sonst noch für die Octopoden so charakteristische muskulöse Leberkapsel entstanden, welche dicht unter dem Kopfknorpel einen allseitig geschlossenen muskulösen Sack bildet, sich aber nach unten zu rasch verdünnt. Die- selbe inserirt, wie gewöhnlich, an dem Kopfknorpel in seinem ganzen Umfange, bekommt aber besonders ventralwärts noch bedeutende Ver- stärkungsbündel von den Basen der Arme, welche schräg nach innen zum Diaphragmaknorpel ziehen, ferner durch Fasern vom Retractor capit. lat., vom inneren unteren Trichterrande und endlich vom Colla- ris, dessen inneres Blatt, wie gewöhnlich, mit der Leberkapsel ver- schmilzt. Nur durch das Bestehen einer knorpligen Nackengelenkver- bindung, welche Sepiola bekanntlich verloren hat, wird das Verhalten der muskulösen Leberkapsel in einigen Punkten modificirt; und zwar schließt sich das Verhalten des Collaris gegenüber der Nackengelenk- verbindung genau an das der typischen Dekapoden an. Der Oollaris bildet mit seinen beiden Blättern nicht wie bei Sepiola einen geschlos- senen, nur ventralwärts durch den Trichter unterbrochenen Ring, son- dern er wird auch in der dorsalen Mittellinie, wie bei den typischen Dekapoden durch den Nackengelenkknorpel unterbrochen (vgl. Brock, l. c. Fig. 5 A, B), dessen Seitenränder in ihrer ganzen Ausdehnung bei- den Collarisblättern zum Ansatz dienen. Da das innere Collarisblatt, wie gewöhnlich, in die muskulöse Leberkapsel umbiegt, so sind an den Seitenrändern des Kopfnackengelenkknorpels muskulöse Leberkapsel und beide Collarisblätter mit einander verschmolzen; es ist aber sehr bemerkenswerth, dass die muskulöse Leberkapsel sich von diesem Knor- pel, noch ehe er verloren gegangen ist, was erst bei Sepiola der Fall, gleichsam schon emancipirt hat. Das Reguläre sollte ja sein, dass ihre dorsalen Fasern, die doch dem Retractor capit. med. der Oegopsi- den entsprechen, die ventrale Fläche des Knorpels in ihrer ganzen Aus- dehnung zur Insertion benutzten. Statt dessen ziehen sie an ihm vor- über, um erst am Kopfknorpel zu inseriren und schicken nur eine Anzahl von Fasern zu den Seitenrändern, wo sie, wie schon gesagt, zugleich mit beiden Collarisblättern zusammenhängen. Die Insertionen der musku- lösen Leberkapsel verhalten sich also so, als ob die Nackengelenkver- bindung gar nicht mehr vorhanden wäre, eine mit Hinblick auf Sepiola, 1 Die untersuchte Art ist Rossia macrosoma d’Orb. von Neapel. Owen unter- suchte R. palpebrosa. we Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 545 | wo dieselbe wirklich verschwunden ist, gewiss nicht uninteressante Thatsache. Einige feine Fasern, welche die Leberkapsel und wahrscheinlich auch das äußere Collarisblatt dicht am unteren Rande des Mantelnacken- knorpels mit dem Mantel verbinden, mögen den bei Sepiola an ähnlicher Stelle sich findenden feinen Muskelbündeln homolog sein (Brock, 1. c. p- 198); endlich ist noch ein schräg medianwärts nach hinten verlaufen- des Muskelbündel zu nennen, welches von der Kopfknorpelinsertion der muskulösen Leberkapsel zu den vorderen Ecken des Kopfnacken- knorpels tritt und nach Belieben als besonderer Muskel aufgefasst wer- den kann oder nicht. Der zuerst von mir aufgefundene Diaphragmaknorpel fehlt auch Rossia nicht; er ist eiförmig und seine Längsachse fällt mit der Quer- achse des Thieres zusammen. In dem Umstande, dass der N. pallialis die muskulöse Leberkapsel in einem einfachen Loch und nicht in einem Schlitz durchbohrt, schließt sich Rossia wieder eng an Sepiola und die Octopoden an. Der M. retract. capit. lat. entspringt wie bei Sepiola neben dem Depress. infundbl., aber ohne gemeinschaftlichen Ursprungskopf; er ist schon sehr schwach und unselbständig, aber noch nicht, wie bei Sepiola, an seiner Rückseite mit dem Mantel verwachsen: Der Depress. infundbl. hat den gewöhnlichen Verlauf; sein Mantelursprung ist sehr breit und erstreckt sich fast längs des ganzen Anheftungsrandes der Kieme. Der M. adduct. pall. med. (Bride anterieure), der schon Owen be- kannt war (l.c. p. XCI), ist noch nicht so stark als bei Sepiola ent- wickelt, da sein hinterer Theil noch häutig und nur von vereinzelten Muskelbündeln durchzogen ist. Er entspringt mit zwei starken Längs- bündeln von den Basen des ventralen Armpaares. von welchem selbst er auch einzelne Verstärkungsbündel bezieht, zieht dann dorsalwärts von den Trichteradduktoren nach hinten, empfängt noch ein Verstär- kungsbündel vom inneren Collarisblatt, welches gerade von der Stelle, wo letzteres mit der muskulösen Leberkapsel verschmilzt, schräg nach innen und hinten zu ihm tritt, endlich noch einige Verstärkungsbündel von der muskulösen Leberkapsel gerade vom unteren Rande des Dia- phragmaknorpels, umfasst das Rectum sphinkterartig und strahlt fächer- förmig in die gegenüber liegende innere Manteloberfläche aus. Ein gut entwickelter Adduct. pall. lat., der wie bei Sepiola und den Octopoden den N. pallialis bei seinem Austin aus der Leberkapsel scheidenartig umhüllt, fehlt hier ebenfalls nicht. Die Adduktoren des Trichters endlich schließen sich in ihrem 37* 546 J. Brock, Verhalten genau an das von Sepiola und Ommatostrephes an; auch ein gut entwickelter Bulbocollaris ist vorhanden. Die dorsale Trichterwand zeigt die für alle Dekapoden charakteristi- schen bogenförmigen Ausschnitte (Brock, 1. c. p. 222); die Trichterklappe ist klein und dem Eingang genähert. Rossia schließt sich also in der Ausbildung der muskulösen Leber- kapsel und dem Auftreten eines Adduct. pall. med. und later. eng an Sepiola und die Octopoden an, während im Verhalten des Collaris und der Trichtermuskulatur der Dekapodentypus noch rein erhalten ge- blieben ist. | Der Mantelschließapparat wurde schon von Owen richtig beschrie- ben; es ist die typische Dekapodenform (vgl. Brock, 1. c. p. 223). In Bezug auf das Nervensystem ist zu bemerken, dass das Gangl. brachiale wie bei den Oegopsiden verlängert ist. Das Gang]. stellatum gleicht sehr dem von Sepia, nur ist der innere Pallialnerv vom äußeren auf eine etwas größere Strecke abgespalten. Rossia bildet also in dieser Hinsicht wieder ein Bindeglied zwischen Sepiola, wo die Abspaltung ganz unterdrückt ist, und den typischen Dekapoden. Die für die Oegop- siden charakteristische Kommissur zwischen den Gang]. stellata fehlt. In Bezug auf das Exkretionssystem verweise ich auf die bezüg- lichen Angaben der Vıezius’schen Arbeit!, nach welchen sich Rossia in diesem Punkt eng an Sepiola anschließt. | Das Verdauungssystem bietet wenig Bemerkenswerthes. Die Radula bildet in so fern einen Übergang zwischen den typischen Dekapoden und Sepiola, als die Mittelplatte wenigstens noch schwach entwickelte Zähne besitzt, welche bei Sepiola dann auch verloren gegangen sind. Die oberen Speicheldrüsen finden sich am Schlundkopf von der oberfläch- lichen Muskelschicht überdeckt in der gewöhnlichen dorsalen Lagerung; sie sind klein, dreieckig und ähneln am meisten denen von Ommato- strephes. Die unteren Speicheldrüsen sind wohl entwickelt, von drei- eckiger Gestalt, und, wie bei den Oegopsiden durch eine schmale mediane Substanzbrücke mit einander verbunden ?, von welcher der einfache un- paare Ausführungsgang abgeht. Die Leber ist, wie schon Owen wusste (l. e. Pl. GC, Fig. 1), nach hinten in zwei Zipfel ausgezogen und wird nicht von Oesophagus und Aorta durchbohrt, welche vielmehr in einer leichten medianen Depression der Dorsalfläche verlaufen. Die Pankreas- anhänge, mit welchen die beiden Gallengänge besetzt sind, erreichen 1 W.J. VigELıus, Über das Exkretionssystem der Cephalopoden. Niederl. Arch. f, Zool. 41880. p. 23. 2 Was Owen entgangen ist, trotzdem er die unteren Speicheldrüsen gesehen hat und kurz beschreibt. Append., p. XCVI. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 547 hier, wie gleichfalls schon Owen richtig bervorhebt (Appendix, p. XCVI, Cyclopaedia, Tom. 4. p. 537), die stärkste Entwicklung unter allen Deka- poden und zeigen reich verästelte Zottenbäumchen. Der Blindsack des Magens ist schwach entwickelt und nicht sehr weit ausgezogen, der erste Magen viel größer und von rundlicher Ge- -stalt. Das spindelförmige sehr große Gangl. splanchnicum findet sich an ‘der gewöhnlichen Stelle. Der Darm ist sehr kurz und macht keinerlei -Windungen; die Analanhänge sind symmetrisch gebaut und ähneln in ihrer blattartigen Gestalt am meisten denen von Loligo, doch sind sie, wie bei Sepia (vgl. Brock, 1. c. Taf. XII, Fig. 11 E) tief in die Rectal- wände eingesenkt. Der Tintenbeutel liegt, wie gewöhnlich, dorsalwärts vom Rectum, ist groß, von birnförmiger Gestalt, und hat einen scharf abgesetzten Ausführungsgang. Das vollständig querliegende Herz und der Ursprung der großen Gefäße zeigt den myopsiden Typus. Die Ao. anterior ist mir zweifelhaft geblieben, die A. genitalis! entspringt aus der vorderen Fläche des Herzens und steigt in weitem Bogen dorsalwärts von der linken Kieme zu der Geschlechtsdrüse hinunter ?. 1 Owen identificirt irrthümlicherweise die den Mantel versorgende A. posterior mit der A. genitalis. Appendix, p. XCVI. 2 Anhangsweise möge beim Cirkulationssystem noch der Milz mit einigen Wor- ten gedacht werden. Eine Milz war früher nur bei den Octopoden bekannt; ich fand sie noch bei Enoploteuthis und Chiroteuthis, aber nicht bei den übrigen Deka- poden auf. Da ich diesem Organ für die Beurtheilung der verwandtschaftlichen Ver- hältnisse einige Wichtigkeit beigelegt hatte, musste die Entdeckung einer Milz bei Thysanoteuthis durch VieELıus (W. J. VıgeLivs, Unters. a. Thysanoteuthis rhombus Trosch. Mittheilungen der zool. Station zu Neapel. Bd. II. 1880. p. 158) und bei Sepia und Loligo durch SpenGEL (J. W.SpEnGEL, Die Geruchsorgane und das Nerven- system der Mollusken. Diese Zeitschrift. Bd. XXXV. 1884. p. 378. Anm.) zu einer erneuten Revision der Sache auffordern, deren Resultate folgende sind. Eine Milz kommt, in der That auch allen-Dekapoden zu (gefunden, resp. bestätigt wurde sie bei Sepia, Loligo, Ommatostrephes, Onychoteuthis , Rossia); aber in wesentlich anderer Lage und Größe, was ihr früheres Übersehen hinreichend entschuldigt. Da die Milz bei den Abtheilungen, bei welchen sie bisher bekannt war (Octopoden und Loligopsiden) frei neben der Kieme liegt und bei Eröffnung der Kiemenhöhle sofort in die Augen fällt, fühlte ich mich nicht veranlasst, da, wo ich sie nicht an der- selben Stelle fand, noch besonders nach ihr zu suchen. Nun ist aber die Milz bei den Ommatostrephiden und den Myopsiden erstens sehr viel schwächer entwickelt und zweitens ganz unter die Kieme gerückt, welche sie ventralwärts zudeckt. Die Octopoden und Loligopsiden unterscheiden sich also von den Ommatostrephiden und Myopsiden nicht durch den Besitz einer Milz schlechthin, wie ich früher annahm, sondern bei der ersten Gruppe ist die Milz wohl entwickelt und liegt frei neben der 548 J. Brock, Die männlichen Geschlechtsorgane schließen sich eng an den Deka- podentypus an. Der geschlechtsreife Hoden ist ein mächtiges rundliches Organ, welches den ganzen Fundus des Eingeweidesackes einnimmt und auf seiner Oberfläche die Abdrücke sämmtlicher Eingeweide der Umgebung zeigt. Auf seiner ventralen Fläche nahe dem unteren Rande gewahrt man eine sehr deutliche »Mündungsgrube«, der die Drüsen- kanälchen von allen Seiten koncentrisch zustreben. Befestigt ist der Hoden, wie gewöhnlich, nur an seinem vorderen Ende durch ein ziem- lich breites ganz hyalines Band, in dem die A. genitalis zum Hoden hin- absteigt und das sich noch ein Stück nach links hinüber auf den ersten Magen fortsetzt. Am Hoden breitet sich dieses Bindegewebsband fächer- formig aus und inserirt an der vorderen Fläche in ihrer ganzen Ausdehnung. Das Vas deferens, welches in einen kreisrunden Knäuel zusammengewunden ist, liegt wie gewöhnlich medianwärts vom Spermatophorensack, und dorsalwärts von der Vesicula sem. und Pro- stata, welche beiden letzteren auch hier in einer besonderen Bauchfells- tasche, nur mit der dorsalen Seite angeheftet, frei liegen. Der verhältnis- mäßig sehr kleine Spermatophorensack ist lang und schmal und an Kaliber sich ziemlich gleich bleibend, an dem einen untersuchten Exemplar war er in der Mitte seines Verlaufs einmal schleifenförmig um seine Längsachse gedreht. Sein vorderer Abschnitt ragt als Penis frei über die Haut des Eingeweidesackes vor, sein hinteres Ende nimmt, wie gewöhnlich, das Vas efferens auf. Die Anzahl der in ihm befindlichen Spermatophoren war nur gering. | Die weiblichen Geschlechtsorgane stehen genau zwischen denen von Loligo und Sepiola in der Mitte. Der Eierstock ist eine etwa viereckige häutige Ausbreitung mit streng ventraler Keimseite, welche nur an ihrer vorderen Spitze durch einen membranösen Strang, den die Genital- gefäße zum Übertritt benutzen, an den Magen geheftet ist, während sonst auch die dorsale Wand vollkommen frei bleibt, wie VieELıus zuerst für Rossia und Sepiola richtig erkannt hat (l. c. p. 22, 24). Auch sonst gleicht der Eierstock von Rossia völlig dem von Sepiola, die Eier bilden keine Bäumchen, sondern entspringen jedes einzeln von der eiertragen- den Fläche; ihre verhältnismäßige Größe entpricht ihrer geringen Anzahl. Über den einzigen linken Eileiter' und seine Drüse ist wenig zu Kieme, während sie bei der zweiten Abtheilung schwach entwickelt und von der Kieme bedeckt ist. 1 Nach der Owzn’schen Zeichnung der @ Geschlechtsorgane von Rossia in der Cyclopaedia. vol. 4. p. 557. Fig. 239 (Kopie in: Description of some new and rare Cephalopoda [Transact. zool. soc. London. vol.II. 4844. Pl. XXI, Fig. 48], nicht wie Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 549 bemerken. Geschlängelt fand ich ihn bei meinen allerdings nicht ge- schlechtsreifen Exemplaren nicht. Seine Mündung, ein Längsschlitz, gleicht mehr der von Loligo; der letzte Abschnitt des Eileiters ragt frei über die Oberfläche des Eingeweidesackes vor. Die Nidamentaldrüsen sind nach dem Myopsidentypus gebaut und lagern, wie schon ViezLıus bemerkt hat (l. e. p. 24) mehr nach hinten, als sonst. Die accessorischen Nidamentaldrüsen sind kleine dreieckige durchscheinende Platten, deren Rand rings um das Mündungsfeld wulstig erhoben ist. Dadurch entsteht eine von vorn nach hinten ziehende längliche Grube, in welcher die Spitze der Nidamentaldrüse ruht — ein Verhältnis, das in der Owen’schen Abbildung schon recht gut wiedergegeben ist. Histologisch bieten die Geschlechtsorgane durchweg nichts Bemerkenswerthes. Ich wende mich jetzt zu einer näheren Erörterung der Verwandt- schaftsverhältnisse des Genus Rossia auf Grund der in Obigem erhaltenen Resultate. Ist auch an der nahen Verwandtschaft der beiden Genera Rossia und Sepiola wohl niemals gezweifelt worden, so lagen doch, wie ich gleich im Eingange erwähnte, ihre Beziehungen zu den typischen . Myopsiden, insbesondere zu Sepia und Loligo keineswegs mit derselben Klarheit zu Tage. Auf die historische Seite dieser Frage näher einzu- gehen, dürfte in einer ausschließlich vergleichend-anatomischen Arbeit um so eher zu unterlassen sein, als wir von berufenerer Seite eine systematische Revision der Sepioladen zu erwarten haben, in welcher jedenfalls auch die historische Seite mit der nöthigen Ausführlichkeit erörtert werden wird !. Die Ansichten, welche man sich nach den bisherigen Kenntnissen des Baues von Rossia über die Verwandtschaftsverhältnisse dieses Genus bilden konnte, habe ich an einer anderen Stelle (Phylog. p. 268) aus einander zu setzen versucht. Ich kam damals zu dem Schluss, dass Sepiola trotz ihrer unstreitig sehr nahen Verwandtschaft mit Loligo in manchen Punkten sich doch mehr Sepia nähere und dass desshalb der Seitenzweig Rossia-Sepiola sich wahrscheinlich zwischen Loligo und ich irrthümlich in meiner Phylog. d. Ceph. p. 253, Anm. 2 angegeben habe, im Appen- dix Sir Joan Ross voyage) war man geradezu zu der Annahme gezwungen, dass der Eileiter, wenn nicht rechts läge, so doch rechts mündete. Ich benutze daher diese Gelegenheit, meine irrthümliche, aber nicht auf eigener Beobachtung, sondern aus- schließlich auf der Owen’schen Zeichnung beruhende Angabe in meiner Phylogen. d. dibranch. Gephalopoden p. 253 hiermit ausdrücklich zurückzunehmen. 1 Vgl. STEENSTRUP: Professor A. S. VerriLr's to nye Cephalopodslaegter: Stheno- teuthis og Lestoteuthis, Bemaerkninger og Berigtigelser. Overs. k. dansk. vidensk. Selskab. Forhand). i. Aaret 1884. p. 23 Anm. 550 J. Brock, Sepia vom geraden Myopsidenstamm losgelöst habe. Diese Annahme stützte sich freilich weit mehr auf die Anatomie von Sepiola, als auf die der noch so mangelhaft bekannten Rossia; aber es war wenigstens aus der Anatomie des letzteren Genus nichts bekannt, was sich mit obiger Ansicht irgend wie unvereinbar gezeigt hätte. Nachdem wir jetzt aber mit der Form besser bekannt geworden sind, welche schon. nach dem Ver- halten der Muskulatur und der knorpligen Schließapparate das un- zweifelhafte Bindeglied zwischen Sepiola und dem geraden Myopsiden- stamm bildet, muss obige früher vollkommen berechtigte Ansicht als unhaltbar bezeichnet werden. Wenn es ohne besondere Gründe so viel als möglich vermieden werden sollte, auf ein Merkmal hin, und wäre es auch noch so charakteristisch, Schlüsse auf Verwandtschaft oder Phylo- genie einzelner Genera oder gar Gruppen zu machen, so muss ich doch in einem Merkmal, wie der Verschmelzung der unteren Speicheldrüsen!, ein Hindernis erblicken, welches eine Ableitung des Seitenzweiges Rossia- Sepiola in dem oben angedeuteten Sinne unmöglich macht. : An einer anderen Stelle habe ich darzulegen versucht (Phylog. p: 265), dass die Oegopsiden und Myopsiden mit Hornschalen vielfach unabhängig von einander aus dem geraden ‚Dibranchiatenstamm, in welchem nur des Endgliedes Sepia wegen gekammerte Kalkschalen an- genommen werden müssten, hervorgegangen sind. Die Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt, war es bis jetzt also das Natürlichste, den Seitenzweig Rossia-Sepiola etwa zwischen Loligo und Sepia vom geraden Dekapodenstamm abgehen zu lassen, so etwa: Sepia A | wu Bossa Sepiola —— Loligo | ——— Ommatostrephes Nun zeigt aber Rossia in dem Besitz von verschmolzenen unteren Speicheldrüsen eine ganz unverkennbare Annäherung an die Oegop- siden, die einzigen von denen dies Merkmal bisher bekannt war. Wollte man die obige Ableitung dennoch festhalten, so müssten sich bei Loligo die unteren Speicheldrüsen getrennt haben, bei Rossia wieder ver- 1 Neben unwichtigeren, wie der Verlängerung des Gangl. brachiale. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. f 551 wachsen sein, um sich bei Sepiola aufs Neue zu trennen. Niemand wird ohne Noth zu einer so unwahrscheinlichen Annahme greifen. Es ist vielmehr — trotzdem wir es nur mit einem Merkmal zu thun haben — der Schluss geradezu geboten, dass sich Rossia-Sepiola nicht zwischen Loligo und Sepia, sondern zwischen Ommatostrephes und Loligo abgezweigt hat. Da aber Rossia in allen übrigen wichtigen Punkten, wie besonders im Verhalten des weiblichen Geschlechtsapparates ganz mit Loligo über- einstimmt, so wird sich Rossia-Sepiola da vom Dekapodenstamm ab- gezweigt haben, wo die meisten Oegopsiden-Eigenthümlichkeiten mit Ausnahme der Verschmelzung der unteren Speicheldrüsen schon gegen die Charaktere der Myopsiden aufgegeben worden waren. Graphisch also etwa so: Sepia j ——— Loligo Ban Zonggsig ein Sepiola —— — Ommatosirephes Erscheint auf diese Weise das Verhältnis von Rossia zum geraden Dekapodenstamm sichergestellt, so ist über das Verhältnis von Sepiola zu Rossia noch viel weniger ein Zweifel erlaubt. Theoretisch wäre die | Möglichkeit zulässig, dass sich Sepiola eben so wie Rossia selbständig vom Dekapodenstamm abgezweigt hätte und dass die große habituelle ‚ und anatomische Ähnlichkeit beider Genera allein auf die große Nähe ‚ beider Abzweigungspunkte zurückzuführen wäre. Es ist indessen leicht, | die Unhaltbarkeit dieser Behauptung zu erweisen: allein die vergleichende Anatomie der Muskulatur und der Schließapparate genügt dazu. Die so eigenthümliche Entwicklung dieses Organsystems bei Sepiola, in wel- chem eine Reihe von specifischen Octopodenzügen (Adduct. pall. med. "und lat., muskulöse Leberkapsel etc.) in einen Dekapodengrundplan ‚eingefügt sind, findet sich ganz eben so auch bei Rossia vor, und es ‚würde der gewichtigsten Gründe zu der Annahme bedürfen, dass eine ganze Reihe von so charakteristischen Merkmalen sich zweimal unab- hängig von einander entwickelt haben sollte. Wenn daher schon diese Übereinstimmung genügt, Sepiola und Rossia in direkte genetische | | | | ! | WR 552 J. Brock, Beziehung zu einander zu bringen, so lässt andererseits eine nähere Würdigung der Verschiedenheiten des Baues zwischen beiden Genera keinen Zweifel, welche Richtung der Entwicklungsgang eingeschlagen hat, nämlich von Rossia zu Sepiola und nicht etwa umgekehrt. Der bei Rossia schon angestrebte Octopodentypus im Bau der Muskulatur ist bei Sepiola durch Aufgabe des Kopfnackengelenkes bei gleichzeitiger Ent- wicklung einer Hautnackenverbindung so viel weiter ausgebildet wor- den, dass wir Sepiola mit Sicherheit als geradlinigen Descendenten von Rossia betrachten dürfen, mit welcher Annahme auch die Entwicklungs- richtung der übrigen Organsysteme nicht in Widerspruch steht. Bei- folgende Tabelle, in welche nur diejenigen Organe aufgenommen sind, welche innerhalb der Reihe eine Weiterentwicklung zeigen, wird die Richtigkeit dieser Behauptung ohne Weiteres erkennen lassen. Ommatostrephes | Rossia Sepiola 4) Kein Adductor pall. Vorhanden Vorhanden med. 2) Bulbocollaris ausgebil- Eben so Eben so det 3) Nackengelenk vorhan- Vorhanden Fehlt, dafür muskulöse den Kopfnackenverbindung 4) Gangl. brachiale ver- Eben so Eben so längert 5) Gangl. stellata durch Kommissur fehlt Eben so Kommissur verbunden 6) N. pallialis mehr oder Zum Zweig des Gangl. ver- Nur noch auf eine kurze minder weit vom Gangl. | Strecke medianwärtsvom kümmert stellatum abgespalten Gangl. abgespalten 7) Obere Speicheldrüsen Eben so Fehlen vorhanden Untere Speicheldrüsen ge- trennt 8) Untere Speicheldrüsen Eben so miteinander verschmol- zen 9) Tintenbeutel birnför- mig, mit größtem Längs- durchmesser, allmäh- lich in den Ausführungs- gang verschmälert 40) Harnsacköffnungen schlitzförmig 44) Eileiter doppelt 42) Accessorische Nidamen- taldrüsen fehlen Eben so, aber Ausführungs-;Mehr oder minder deutlich gang scharf abgesetzt Fleischige Papillen Eileiter einfach, links Vorhanden, aber getrennt dreilappig,größter Durch- messerin der Quere, Aus- führungsgang scharf ab- gesetzt Eben so Eben so Verschmolzen Bei der geringen Anzahl der Formen, mit denen wir es hier zu thun haben und bei dem jetzigen Standpunkt unserer Kenntnisse ihres Baues können die Resultate unserer Untersuchungen über ihre Ver- wandtschaftsverhältnisse wohl als begründet angesehen werden, und es lässt sich daher mit einiger Sicherheit behaupten, dass Rossia-Sepiola Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 553 einen Seitenzweig des geraden Dekapodenstammes bildet, welcher sich zwischen Ommatostrephes und Loligo kurz vor letzterer Form von der Hauptlinie abgelöst hat. Nicht ohne Grund habe ich der Konstatirung dieser Thatsache eine verhältnismäßig große Wichtigkeit beigelegt. Nimmt man nämlich die obige Phylogenie von Rossia und Sepiola in ihren Hauptsachen als be- wiesen an, so ergeben sich bei einer Vergleichung der Differenzirungs- richtung dieses kleinen Seitenzweiges mit der der beiden Hauptzweige, der Dekapoden (welche hier nur in ihren Endgliedern, den Myopsiden in Betracht kommen) und der Octopoden, nicht uninteressante Resul- tate. Es finden sich bei Rossia-Sepiola nämlich ganz eigenthümliche »Parallelentwicklungen«, wenn ich es so nennen darf, mit den Myopsi- den und den Octopoden; es werden in dieser Seitenlinie, welche mit den anderen, besonders den Octopoden, nur auf entlegene gemeinschaft- liche Ausgangspunkte zurückgeführt werden kann, Differenzirungsrich- tungen eingeschlagen, welche in einzelnen Organsystemen sich auf das Wunderbarste mit Differenzirungsrichtungen bei den Octopoden, in anderen mit solchen bei den Myopsiden decken. Über die so charakter- istische und doch so gleichartige Entwicklung der Muskulatur mit gleich- zeitiger Aufgabe der knorpligen Schließapparate, über die Herausbildung der Octopodenform des Gang]. stellat., welche uns in gleicher Weise bei Rossia-Sepiola, wie bei den Octopoden entgegentritt, habe ich mich schon an einem anderen Orte (Phylog. p. 220) ausgesprochen ; die Erweiterung des Gesichtskreises, welche wir durch unsere Untersuchungen an Rossia gewonnen haben, lässt jetzt aber auch eine Parallelentwicklung mit den Myopsiden, besonders mit der Differenzirungsrichtung von Loligo zu Sepia deutlich hervortreten. Von Rossia zu Sepiola, wie von Loligo zu Sepia geben in gleicher Weise die oberen Speicheldrüsen verloren, die acces- sorischen Nidamentaldrüsen verschmelzen, der Ausführungsgang des Tintenbeutels setzt sich scharf ab und die Radula verliert auch in der Mittelplatte die Seitenzähne. Von Ommatostrephes zu Sepia, eben so wie von Rossia zu Sepiola trennen sich die verschmolzenen unteren Speichel- drüsen und wird die Anordnung der Eier im Eierstocke die für Rossia- Sepiola und Sepia (aber auch für den Endpunkt der Octopodenreihe, Eledone) gleich charakteristische. Und endlich ist auch die bei Sepia und Rossia in gleicher Weise vollzogene Verkürzung des inneren Pallial- nerven hier anzureihen, welche Differenzirungsreihe bei Sepiola und den Octopoden in gänzlicher Unterdrückung des letzteren ihr Ende findet (vgl. Phylog. p. 227). Zur besseren Übersicht gebe ich nachfolgende Stammbaumskizze, bei welcher das genealogische Verhältnis der Octo- 994 J. Brock, poden zu den Dekapoden seiner Unsicherheit entsprechend (vgl. Phylog. p. 278) unentschieden gelassen worden ist. Parallelentwicklung mit den Sepia | Verlust der oberen Speicheldrüsen und der Seitenzähne in der Mittelplatte der Radula, Verschmel- zung der accessori- schen Nidamental- drüsen, Myopsiden Ausfüh- | rungsgang des Tin- tenbeutels scharf abgesetzt. ! —Loligo Trennung der unte- renSpeicheldrüsen. Myopsiden Verlust des rechten Eileiters. Auftreten der accessorischen Nidamentaldrüsen. Ausbildung der pa- pillösen Harnsack- öffnungen. Dorsale Befestigung der Ge- schlechtsdrüse. Symmetrie derAnal- anhänge. ı Oegopsiden Dekapoden Verlust der oberen Speicheldrüsen und der Seitenzähne in der Mittelplatte der Radula, Verschmel- zung der accessori- schen Nidamental- drüsen, Ausfüh- rungsgang des Tin- tenbeutels scharf abgesetzt. ——— — Sepiola Trennung der unte- ren Speicheldrüsen, \ Parallelentwicklung mit den Octopoden Verlust der Nacken-; gelenkverbindung. gelenkverbindung, Auftreten einer einer |) Hautnackenverbin- Hautnackenverbin- | dung. Ausbildung dung. Ausbildung eines Gangl. stellat. vom Octopodenty- pus. pus. Rossia Auftreten der mus- kulösen Leberkap- sel, des Adduct. pall. med. und lat. sel, Octopoden 'E Octopod en Verlust der Nacken- | Auftreten | eines Gangl. stellat. |) vom Octopodenty- | Auftreten der mus- kuiösen Leberkap- des Adduct. pall. med. und lat. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 555 Dieser Parallelismus in der Stammesgeschichte eines kleinen Seiten- zweiges mit der von zwei verwandten Hauptlinien verdient, als das vor- nehmste Resultat unserer Untersuchungen, dass wir noch einen Augen- blick bei ihm verweilen. Interessant würde ein solches Zusammentreffen, welches nicht leicht lediglich dem Zufall zugeschrieben werden kann, ' unter allen Umständen bleiben; theoretisch verwerthbar wird es aber für uns erst durch die Stammesgeschichte dieses kleinen Seitenzweiges Rossia-Sepiola, welche mit einer Klarheit vor uns liegt, wie sie bei Pro- blemen dieser Art nur selten erreicht wird. Es lässt sich durch diese verhältnismäßig genaue Kenntnis der Verwandischaftsverhältnisse gleich eine Reihe von Erklärungsversuchen von vorn herein mit Bestimmtheit ausschließen, die sonst jeden Versuch, der Frage auf induktivem Wege näher zu treten, unmöglich gemacht hätten. So vor Allem der Gedanke, dass es sich um direkte Homologie handeln könnte. Sepiola etwa für eine direkte Verwandte der Octopoden auszugeben, wäre ein Missgriff, den sich kein Anatom oder Systematiker bis jetzt hat zu Schulden kommen lassen; aber auch an direkte Beziehungen zu Sepia kann nicht mehr ' gedacht werden, seitdem das Bindeglied Rossia bekannt geworden ist. Wo einer direkten Homologie kein Raum gegeben ist, pflegt man zur Erklärung von morphologisch gleichen Bildungen an die Wirkung der Anpassung an gleiche Verhältnisse zu appelliren, also an eine Kon- vergenzentwicklung im Sinne von O. Scamipt. Gewiss hat genannter Autor vollkommen recht, wenn er solche Konvergenzerscheinungen für sehr viel häufiger hält, als gewöhnlich angenommen wird!. Hier aber kommen wir auch mit dieser Erklärung nicht aus. Hätten wir nur die _ morphologische Übereinstimmung der Reihe Rossia-Sepiola mit den Octopoden, oder nur die Übereinstimmung mit der Loligo-Sepia-Reihe, so müsste bei unserer Unbekanntschaft mit den näheren Lebensverhält- nissen der betreffenden CGephalopoden eine solche Erklärung als die am nächsten liegende unweigerlich adoptirt werden. Was sie aber nicht erklärt, ist dasZusammentreffen von zwei verschiedenen Differenzirungs- richtungen, von denen die eine mit den Myopsiden, die andere mit den Octopoden übereinstimmt, in einem kleinen Seitenzweige der Dekapo- den; in diesem Zusammentreffen liegt aber der Kern der Frage, da es unmöglich einfach als Zufall gedeutet werden kann. Wie ich glaube, lässt sich mit der Annahme einer begrenzten _ Nariationsfähigkeit der Organismen, welche ich schon früher zur Er- ' klärung gewisser auffälliger Erscheinungen in der vergleichenden 1 0. Scumivr, Die Schwämme des Meerbusens von Mexico. Jena 1879. Vor- rede p. 5. 556 | J. Brock, Anatomie der CGephalopoden herangezogen habe, auch hier bis zu einem gewissen Grade ein Verständnis erzielen. Wir müssen in dem Seiten- zweig Rossia-Sepiola ähnliche Entwicklungstendenzen annehmen, wie in den beiden Hauptlinien, den Deka- und den Octopoden. Das Wort » Tendenz« lässt sich, obgleich Missdeutungen ausgesetzt, in diesem Sinne doch kaum durch ein anderes Wort ersetzen, wie es auch von Weismann, dem wir die erste Auseinandersetzung der auch hier ent- wickelten Anschauungen verdanken !, gebraucht worden ist?. In so fern als ein Organismus vermöge der hinter ihm liegenden Stammesgeschichte die Fähigkeit zu bestimmten Variationen in erhöhtem Maße besitzt, zu anderen dagegen ganz eingebüßt hat, und in so fern daher jede Ver- änderung der äußeren Lebensbedingungen nur ganz bestimmte morpho- logische Anpassungen unter allen physiologisch möglichen bei ihm her- vorrufen wird, können wir von einer Tendenz, einer Neigung des Organismus zur Hervorbringung bestimmter Bildungen reden. So müssen wir bei den Dekapoden beispielsweise für die Speichel- drüsen eine viel größere Variabilität annehmen, als für viele andere Organe, die oberen Speicheldrüsen variiren hauptsächlich in Bezug auf Größe bis zum vollständigen Verlust, die unteren in Bezug auf Ver- schmelzung und Trennung; und beide Variationen haben, eben weil sie viel häufiger auftreten, weit mehr Gelegenheit unter günstigen Be- dingungen fixirt zu werden, als andere seltenere. In diesem Sinne kann man von einer Tendenz bei den Dekapoden reden, die oberen Speichel- drüsen aufzugeben und die unteren zu trennen, eben so wie es auch eine Tendenz bei ihnen giebt, die beiden accessorischen Nidamental- drüsen mit einander zu verschmelzen. Diese Betrachtungen lassen sich nun in folgender Weise auf die Erklärung des vorliegenden Problems anwenden. Es muss bei den Di- branchiaten eine sehr alte schon vor ihrer Trennung in Octo- und Deka- poden bestehende Tendenz angenommen werden, unter geeigneten noch unbekannten äußeren Bedingungen die beiden knorpligen Gelenkver- 1 A. WEIsmAnn, Studien zur Descendenztheorie. Il. Leipzig 4876. p. 118 sqq. Übrigens scheint die Überzeugung von einer begrenzten Variationsfähigkeit der Organismen in Folge der ihnen eigenen Konstitution schon weiter verbreitet zu sein. So äußert sich neuerdings KLEINENBERG: Le variazioni che si presentano all’ elezione, non sono indeterminate, ma debbono avere un certo carattere, il quale, se dipende dalle azioni estrinseche, altrettanto dipende dalle condizioni intrinseche fisiologiche e morfologiche d’ ogni particolare forma organica. (Sull’ origine del si- stema nervoso centrale degli Annelidi. Nota del professore N. KLEINENBERG. Mem. R. accad. Lincei Ann. CCLXXVII. ser. 3. cl.d. sc. fis. enat. vol. 40. Roma 4884.) 2 z.B. p. 119. | Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 557 bindungen des Kopfes mit dem Mantel, das Trichter- und das Nacken- gelenk zu Gunsten festerer häutiger und muskulöser Kopfnackenver- bindungen aufzugeben. Diese Tendenz ist nicht weniger als dreimal, oder wenn man eine direkte Verwandtschaft zwischen Octopoden und Loligopsiden annimmt, zweimal, nämlich bei der Octopoden-Loligopsis- und bei der Rossia-Sepiola-Gruppe und zwar in verschiedenen Ab- stufungen realisirt worden, wie ich das an einem anderen Orte (Phylog. p. 220 und 291) ausführlicher aus einander gesetzt habe. Außerdem aber muss eine zweite, sich nur in der Dekapodenreihe geltend machende Tendenz bestehen, die oberen Speicheldrüsen zu reduciren und ganz aufzugeben, die unteren zu trennen, und umgekehrt die accessorischen Nidamentaldrüsen zu einem unpaaren Drüsenkörper zu verschmelzen. So heterogen eine solche Zusammenstellung auch erscheinen mag, die so mit einander verknüpften Änderungen können wenigstens in morpholo- gischer Beziehung nicht bedeutungslos genannt werden, da sie sich zwei- mal unabhängig von einander vollzogen haben, nämlich in der Reihe Rossia-Sepiola und in der Reihe Ommatostrephes-Loligo-Sepia. Ich erkläre also die Parallelen, welche sich in der Differenzirung des kleinen Seitenzweiges Rossia-Sepiola einerseits mit dem in Sepia auslaufenden Hauptstamm der Dekapoden, andererseits mit den Octo- poden finden, aus dem Zusammentrefien von zwei verschiedenen Ent- wicklungstendenzen, von denen die eine außerdem noch in der Loligo- Sepia-Reihe, die andere noch in dem Octopodenstamm zum Ausdruck gekommen ist. Andere gleichfalls mehrmals unabhängig von einander realisirte Entwicklungstendenzen des Gephalopodenstammes habe. ich schon früher in dem Bestreben, die Schale bis zum Verschwinden zu reduciren, und in dem Bestreben, einen Eileiter aufzugeben, gefunden (Phylog. p. 294). Ich will hier nicht länger bei diesen theoretischen Betrachtungen verweilen, weil es vor Allem gilt, die thatsächliche Basis zu erweitern und festzustellen, ob Entwicklungstendenzen in dem hier vertretenen Sinne sich auch anders wo in größerer Häufigkeit nachweisen lassen, mit einem Wort, ob wir es mit einer allgemeinen Erscheinung zu thun haben. Die interessante Thatsache einer Parallelentwicklung in dem kleinen Phylum der Sepioladen mit den Hauptstämmen der Di- branchiaten bleibt aber auf jeden Fall bestehen, mag nun meine Er- _ klärung richtig oder falsch sein, und ich glaube meinen Zweck in vor- stehender kleiner Abhandlung vollkommen erreicht zu haben, wenn solche und ähnliche Vorkommnisse in Zukunft allgemeiner bekannt und beachtet werden sollten. 558 2.) Brock, 2) Über die Geschlechtsorgane der Cephalopoden. Zweiter Beitrag. Die Untersuchungen, welche ich in Folgendem der Öffentlichkeit übergebe, sind bestimmt, eine Ergänzung zu einer meiner früheren Arbeiten! zu bilden. Als ich anfing, die noch so unvollkommen be- kannten Geschlechtsorgane der Cephalopoden einem genaueren Studium zu unterwerfen, hielt ich mich zunächst an die leichter erreichbaren Arten und suchte hier die anatomischen und histologischen Verhältnisse ohne Rücksicht auf Bedeutung der Resultate möglichst gründlich kennen zu lernen; diese Untersuchungen fanden in meiner ersten Publikation einen vorläufigen Abschluss. Bald darauf erhielt ich Gelegenheit, auch Vertreter anderer Abtheilungen, nämlich der Oegopsiden und Philonexi- den zu untersuchen und an ihnen stellte sich bald heraus, dass die bei den bisher untersuchten Arten der Myopsiden und Octepoden vorliegenden Verhältnisse keineswegs als typisch angesehen werden konnten. So weit die neu gewonnenen Resultate eine auch über die engen Grenzen des einen Organsystemes reichende Bedeutung zu haben schienen, sind sie schon an einem anderen Ort? mitgetheilt worden; ich glaube indessen nicht, dass eine zusammenhängende genauere und von Abbildungen be- gleitete Darstellung meiner Befunde dadurch überflüssig wird. So ge- ringes Interesse auch rein deskriptiven anatomischen und histologischen Arbeiten heut zu Tage entgegengebracht zu werden pflegt, fühle ich mich darum doch nicht der Verpflichtung überhoben, für Behauptungen, welche an anderen Orten zu Schlüssen von oft sehr großer Tragweite verwendet worden sind, nachträglich noch die genaueren Nachweise zu liefern. Dass meine Untersuchungen stellenweise große Lücken dar- bieten, war bei einem beschränkten Material und einer oft ungenügenden Erhaltung desselben nicht zu vermeiden, und ist es wohl kaum nöthig, desshalb besonders um Nachsicht zu ersuchen. Übrigens ist mit Rück- sicht darauf die Darstellung der histologischen Verhältnisse streng auf diejenigen Befunde beschränkt worden, für welche ich unter allen Um- ständen eintreten zu können glaube; die dadurch entstandenen Lücken sind principiell von geringer Bedeutung, weil histologisch alle Gephalo- poden eine weitgehende Übereinstimmung zu zeigen scheinen. | 1 Brock, Über die Geschlechisorgane der Cephalopoden. Erster Beitrag. Diese Zeitschr. Bd. XXXIl. 1879. p. 1. 2 Brock, Versuch einer Phylogenie der dibranchiaten Cephalopoden. Morphol. Jahrb. Bd. VI. 1880. p. 485. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. en [BL (de) I. Oegopsiden. A. Männliche Geschlechtsorgane!. Die männlichen Geschlechtsorgane aller von mir untersuchten Oegopsiden wiederholten morphologisch und histologisch so treu die von Loligo her bekannten Verhältnisse, dass ich mir eine nähere Schilderung unter diesen Umständen wohl ersparen kann. Selbst die geringen, hier und da gefundenen Abweichungen ausdrücklich namhaft zu machen, dürfte bei der geringen Zahl und der nicht immer guten Beschaffenheit der untersuchten Exemplare besser unterbleiben, da mir weder für die unbedingte Zuverlässigkeit solcher Resultate, noch für die Konstanz der scheinbar abweichenden Charaktere genügende Bürgschaft vorhanden zu sein scheint. Bei allen untersuchten Arten findet man den Hoden an der ge- wöhnlichen Stelle in der Mittellinie des Thieres in der Visceropericardial- höhle liegen und medianwärts von ihm und dorsalwärts? von den Kiemengefäßen das Packet der ausführenden Geschlechtsorgane. Letztere bestehen, wie gewöhnlich, aus einem in der linken Wand der Viscero- pericardialhöhle liegenden Vas deferens,;, welches dorsalwärts von der Vesicula seminalis in quer ziehenden Windungen nach vorn läuft, um ventralwärts in die Vesicula seminalis umzubiegen. Die Vesicula semi- nalis, welche zusammen mit der Prostata mit Ausnahme einer dorsaler Anheftung ganz frei in einer Bauchfelltasche liegt, besteht, wie bei den Myopsiden aus zwei Theilen, einem dickeren drüsigen Abschnitt, der eine nach links offene Dreiviertelswendung macht und dann in den röhren- förmig gestalteten dünneren zweiten Abschnitt übergeht, welcher den ersten in einem großen nach links offenen Bogen umkreist, bei der Ven- tralansieht dabei die Prostata zudeckt und nach vorn und dorsalwärts ‚zu in das Vas efierens übergeht. Das Letztere, von sich gleich bleiben- '. dem Kaliber, nimmt nahe dem distalen Ende der Vesicula seminalis die | meist bohnenförmige Prostata und ihr gegenüber den ähnlich gestalteten ‚ Prostatablindsack auf, welcher eigenthümlicherweise dorsalwärts von | i Untersucht wurden Exemplare von Ommatostrephes sagittatus d’Orb. Omm. " todarus d’Orb., Onychoteuthis Lichtensteinii Fer., Enoploteuthis Owenii Ver. 2 Für die Orientirung des Cephalopodenkörpers dürfte es sich empfehlen, sich ‚ einzig und allein an die Stellung des schwimmenden Thieres zu halten und die ' noch immer zweifelhaften Homologien der einzelnen Organe mit denen der übrigen | ‚ Mollusken nicht zu berücksichtigen. Ich habe ausnahmslos die ganze Seite, welche ‘von der Kiemenhöhle eingenommen wird, als Ventral-, die entgegengesetzte als | Dorsalfläche bezeichnet, die Richtung nach dem Kopfe zu heißt die vordere, nach dem entgegengesetzten Körnerend> zu die hintere Richtung. ) | Zeitschrift £- wissensch. Zoologie. XXXVI. Bad. 38 | ] 560 J. Brock, den Kiemengefäßen über die Körperoberfläche frei hervorragt. Während seines weiteren, nach hinten gerichteten Verlaufes ist das Vas efferens wie bei Loligo der Wand des Spermatophorensackes dicht angeheftet und mündet etwas vor dessen hinterer Spitze. Die im Einzelnen je nach dem Grad der Geschlechtsreife sehr wechselnde Gestalt des Spermato- phorensackes lässt sich immer auf die auch für Loligo typische Spindel- form zurückführen, an der man in der Geschlechtsreife auch dieselben Theile unterscheiden kann, nämlich ein weiteres trompetenförmiges Mündungsstück, und einen davon nicht scharf geschiedenen weiteren Fundus; letzterer läuft immer in eine schmale fast drehrunde Spitze aus, welche wie bei Loligo immer frei in das Cavum der Visceroperi- cardialhöhle hineinragt. Ein Wulst scheint im Spermatophorensack immer vorhanden zu sein, bei einem geschlechtsreifen Exemplar von Ommatostrephes sagittatus, bei dem auch die bei Sepia konstante Dre- hung des Spermatophorensackes um den Wulst als Spindel nach rechts ausgeprägt war, verdiente er eigentlich diesen nur auf Sepia passenden Namen nicht, sondern wurde nur durch eine hohe schmale Hautfalte ge- bildet, welche wieder mit kleinen sekundären Längsfältchen besetzt war. Die Spermatophoren waren auch hier in größeren Partien schicht- weise angeordnet und ihre Abdrücke hatten auf der sehr verdünnten Wand des Sackes eine zierliche unregelmäßige Längsstreifung erzeugt; neben den Spermatophoren befand sich auch hier noch überall sehr viel freies Sperma !. Die einzige konstante Abweichung, welche auch vergleichend-ana- tomisch nicht ohne Interesse ist, betrifft die Befestigungsweise der Ge- schlechtsdrüse. Es lässt sich der Unterschied, welchen wir gegen die Myopsiden finden, dahin zusammenfassen, dass bei letzteren die Ge- schlechtsdrüse ihrer ganzen Länge nach durch ein sagittales Binde- gewebsseptum an die Medianlinie der dorsalen Wand der Visceroperi- cardialhöhle geheftet ist (Fig. 13 CD), während bei den Oegopsiden (inclu- sive Thysanoteuthis 2) die Geschlechtsdrüse nur an zwei Punkten, ihrem vorderen und hinteren Ende, befestigt ist (Fig. 13 AB)undan diesen beiden Aufhängebändern frei in der Visceropericardialhöhle schwebt. Für eine Schilderung der feineren Verhältnisse empfiehlt es sich jedoch, die beiden Geschlechter gesondert zu betrachten. Die Genitalarterie, über deren Verlauf ich an einem unteren Orte berichtet habe >, läuft in der ventralen Furche zwischen beiden Magen- 1 Vgl. Brock, Geschlechtsorg. Ceph. 1. c. p. 33—34. 2 W.J. ViczLivs, Untersuchungen an Thysanoteulhis rhombus Trosch. Mittheil. zool. Station Neapel. Bd. II. 1880. p. 158. 3 Phylog. dibr. Ceph. p. 248. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 561 abtheilungen abwärts und tritt in einem die Richtung dieser Furche fort- setzenden Bindegewebsstrang in die obere Spitze des Hodens ein. Nach oben bildet dieser Bindegewebsstrang (Fig. 13A, L.s. a) die einzige Be- festigung des Hodens, an der unteren Spitze findet sich ein schmales, sagittal gestelltes Septum (Fig. 13 A, L.s. p), welches die Dorsalfläche des Hodens, an die esin der Mittellinie inserirt, mit der Hinterwand der Viscero- pericardialhöhle und zwar bei Ommatostrephes und Onychoteuthis im Niveau der stärksten Verschmälerung der Schale verbindet. Der Vorder- rand dieses sehr kurzen Septums ist stark halbmondförmig ausgerandet; der Hinterrand fällt, wenigstens beim reifen Hoden nicht mit seinem Hinterende zusammen, sondern wird vielmehr von demselben noch ein Stück überragt (Fig. 13A), trotzdem auch der geschlechtsreife Hoden das Hinterende der Visceropericardialhöhle, die sich bis zum Phragmo- conus erstreckt, nie erreicht. Bei Ommatostrephes vergrößert sich der Hoden, welcher sonst, wie bei allen übrigen Oegopsiden eine gedrungene spindelförmige Gestalt zeigt, gegen die Geschlechtsreife zu so stark und drängt sich so in jeden nur irgend verfügbaren Raum hinein, dass er zu einem ganz unregelmäßig geformten gelappten Gebilde wird, welches auf seiner Oberfläche Abdrücke sämmtlicher benachbarter Organe zeigt. So machen sich unregelmäßige Einschnürungen bemerkbar, welche ihn der Quere nach in mehrere unvollkommen getrennte Lappen zerlegen, und das ursprünglich in der ventralen Mittellinie gelegene Mündungsfeld kann durch unregelmäßiges Wachsthum ganz seitlich verschoben werden; am bemerkenswerthesten sind aber doch die Veränderungen an seinem oberen Ende, weil sie in der Größenzunahme des Eierstockes zur Zeit der Geschlechtsreife ein Analogon finden. Bei Ommatostrephes wenigstens und Onychoteuthis schiebt nämlich der Hoden bei seiner Vergrößerung dorsalwärts und ventralwärts von dem ersten Magen einen Zipfel nach oben. Der erste Magen wird da- durch vom Hoden gleichsam umfasst und kommt so in eine trichter- förmige, in der vorderen Fläche des Hodens ausgehöhlten Grube zu liegen, in deren Grund sich die A. genitalis einsenkt. Bei weiterer Ver- größerung kann dann jeder Zipfel noch einmal der Länge nach in zwei Lappen zerfallen und die beiden rechten Lappen können den Spiral- magen in ähnlicher Weise umfassen, wie die beiden Hauptlappen die _ erste Magenabtheilung. Es ist diese Aushöhlung einer trichter- oder muldenförmigen Vertiefung auf der oberen Fläche der Geschlechtsdrüse, welche zur Aufnahme der ersten oder auch beider Magenabtheilungen bestimmt ist, für die Oegopsiden in hohem Grade charakteristisch und von den Myopsiden bisher in keinem einzigen Falle bekannt geworden. In Bezug auf den histologischen Bau verdient wenigstens ein Fund 38* 562 J. Brock, nähere Erwähnung, nämlich der Bau des Wulstes in der Vesicula seminalis von Enoploteuthis. Derselbe besteht ganz aus zellig-blasi- gem Bindegewebe, welches bei Mollusken eine weite Verbreitung zu besitzen scheint. So weit der Erhaltungszustand ein Urtheil gestattete, schien es hier ganz mit jenem »Schwellgewebe« der Acephalen überein- zustimmen, welches einst die bekannte Kontroverse zwischen KoLLmann und Fremuine veranlasst hat!. Der erste Eindruck war der eines weit- maschigen dünnen Balkenwerkes mit weiten leeren Lücken; bei näherem Zusehen waren aber in diesen vermeintlichenLücken vielfach wandständige runde Kerne zu erkennen und an günstigen Stellen stimmten die Bilder so genau mit Fremmine’schen, z. B. l. c. Taf. XLVII, Fig. 6, Taf. XLIX, Fig. 5 überein, dass ich keinen Anstand nehme, die vermeintlichen Lücken ebenfalls auf großblasige Schleimzellen zu beziehen. Im Übrigen ist dieses Gewebe, wenn auch weniger typisch entwickelt, auch bei den anderen Oegopsiden an gleicher Stelle zu treffen, und dürfte überhaupt nach einer meiner früheren Beobachtungen (Geschlechtsorg. d. Gephalop. 1. Beitrag p. 33) eine weitere Verbreitung bei Gephalopoden besitzen, da die »„Bindegewebslücken«, welche ich an dem angezogenen Ort be- schrieben und abgebildet habe, wohl sicher nichts Anderes, als solche Schleimzellen sind. B. Weibliche Geschlechtsorgane. Die weiblichen Geschlechtsorgane der von mir untersuchten Oegop- siden sind ausnahmslos durch den Besitz paariger symmetrischer Eileiter ausgezeichnet. Nach der Lage derselben, so wie nach dem Vorhanden- sein oder der Abwesenheit von Nidamentaldrüsen zerfallen sie, wie ich das schon an einem anderen Ort (Phylog. dibranch. Ceph. p. 253) an- gedeutet habe, in drei Gruppen, nämlich: I. Nidamentaldrüsen fehlend. Enoploteuthis. II. Nidamentaldrüsen vorhanden. 4) Eileiter ventralwärts von den Kiemen liegend. Ommatostre- phes sagittatus. 2) Eileiter in eine dorsalwärts von den Kiemen liegende en: sackförmige Einstülpung der Körperhaut mündend. Ommatostrephes Todarus, Onychoteuthis, Thysanoteuthis?. 1 KoLımans, Die Bindesubstanz der Acephalen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIIl. 4877. p. 558. — Frennming, Über Bindesubstanz und Gefäßwandung im Schwell- gewebe der Muscheln. Ibid. p. 813. 2 Wenigstens nach meiner Deutung der von VieEivs (l. c. p. 459) ermittelten Thatsachen. Vgl. p. 568. Zur Anatomie und Systematik der Oephalopoden. 563 Über die phylogenetische Bedeutung dieser verschiedenen Typen habe ich mich schon an einem anderen Orte ausgesprochen (Phylog. etc. p 255); wenn hier mit Enoploteuthis der Anfang gemacht wird, so geschieht es nicht, weil der durch diese Gattung repräsentirte Typus nach unserer Auffassung der älteste wäre, sondern weil er durch den Verlust der Nidamentaldrüsen uns den © Geschlechtsapparat in einer Einfachheit zeigt, wie wir es ähnlich nur wieder bei Argonauta antreffen werden. Die © Geschlechtsorgane von Enoploteuthis bestehen nämlich aus einem unpaaren in der Mittellinie gelegenen Eierstock, welcher in Lage ‘und Form von denen der übrigen Oegopsiden nicht abzuweichen scheint und zwei dorsalwärts von den Kiemengefäßen liegenden Eileitern, welche an ihrer Spitze eine verhältnismäßig große herzförmige Drüse durchsetzen. Auch der Bau dieser Drüse ist ein so einfacher, wie er bei den Dekapoden nicht wieder angetroffen wird und nähert sich weit mehr dem Typus der Nidamental-, als demjenigen der Eileiterdrüsen. Wie ich früher gezeigt (Geschlechtsorg. d. CGephal. 1. Beitrag p. 76) besteht die Eileiterdrüse der Myopsiden — und, wie ich jetzt hinzusetzen kann, auch der übrigen Oegopsiden — aus einem geschlossenen elliptischen Ring von Drüsenblättchen (vgl. Geschlechtsorg. d. Cephal. 1. Beitrag etc. Taf. III, Fig. 23), welcher mit dem Eileiter einen dorsalwärts offenen stumpfen Winkel bildet und von ihm etwa im oberen Brennpunkt der Ellipse durchsetzt wird. An diesen Ring schließt sich im distalen Theil des Eileiters eine Doppelreihe von Drüsenblättchen, welche dorsalwärts von der eigentlichen Drüse in einem nach hinten konvexen Halbkreis in einander übergehen. Die Eileiterdrüse von Enoploteuthis (Fig. 17) zeigt nun von alle dem nichts, sondern ist nur aus zwei Reihen ovaler mächtig entwickelter Drüsenblättchen zusammengesetzt, welche auf dem Eileiter ungefähr senkrecht stehen und zu seinen beiden Seiten bilateral symmetrisch an- geordnet sind. Dabei durchsetzt der Eileiter die Drüse aber nicht in ihrem Centrum, sondern läuft an der dorsalen Mittellinie entlang, während sonst beide Drüsenhälften durch eine sagittal stehende Binde- gewebsscheidewand von einander getrennt sind. Nur eine wichtige Eigen- ' thümlichkeit hat die Eileiterdrüse mit der aller übrigen Dibranchiaten ‚gemein, das Verhältnis derDrüsenwandungzum8ileiter. Der Bileiter läuft nämlich noch ein Stück neben der Drüse her, wobei er räumlich streng von ihr geirennt ist (Fig. 17 A), und nimmt das Drüsensekret nicht etwa durch besondere Ausführungsgänge auf, sondern mündet unter Aufgabe seiner Wandungen in ein großes allgemeines Drüsencavum, in welches die Drüsenblättchen mit ihren dorsalen Rändern beiderseits nackt hin- 564 J. Brock, einragen. Der Bau der letzteren scheint ganz mit dem der Drüsenblätt- chen von Loligo übereinzustimmen; der proximalwärts von der Drüse befindliche Theil des Eileiters war bei dem einzigen mir zu Gebote stehenden @ Exemplare sehr dünnhäutig, durch eine große Menge Eier stark ausgedehnt und in eine Anzahl von unregelmäßigen Windungen zusammengelegt, welche der Längsachse des Körpers parallel zogen. Die Eier im Eileiter hatten sich durch gegenseitigen Druck zu scharf polygonalen Gebilden abgeplattet; die innere Eileitermündung (in die Visceropericardialhöhle) bot die gewöhnlichen Verhältnisse. Ein näheres Eingehen auf histologische Details dürfte bei der schlechten Be- schaffenheit meines Materials nicht rathsam erscheinen. An Enoploteuthis reihe ich Ommatostrephes sagittatus?, dessen Geschlechtsapparat sich durch das Hinzutreten von Nidamental- drüsen komplicirt hat. Da aber nach meinem Dafürhalten die Nidamen- taldrüsen hier nicht erworben, sondern umgekehrt von Enoploteuthis erst sekundär verloren worden sind, so würde Ommatostrephes sagitta- tus auf jeden Fall einen älteren Typus des © Geschlechtsapparates, als ihn die Loligopsiden und Octopoden zeigen, repräsentiren; diese Art ver- einigt aber auch sonst noch alle Eigenthümlichkeiten in sich, welche wir für den @ Geschlechtsapparat als die ursprünglichen ansehen müssen, nämlich Duplicität der Eileiter und ventrale Lage derselben in Bezug auf die Kiemengefäße ; Ommatostrephes sagittatus ist daher als derjenige Dibran- chiate anzusehen, welcher uns das ursprüngliche Verhalten des © Ge- schlechtsapparates am reinsten bewahrt hat. Dies im Allgemeinen; in Bezug auf Einzelnheiten wäre Folgendes zu bemerken. ! Eine gute Abbildung eines @ ebenfalls geschlechtsreifen Enoploteuthis hat neuerdings STEENSTRUP gegeben (De Ommatostrephagtige Blaeksprutters indbyrdes Forhold. Overs. kongl. dansk. Vidensk. Selsk. Forhandl. 1880. Tab. II, Fig. 4); doch vgl. wegen der mehrfach irrthümlichen Figurenbezeichnung gerade im Geschlechts- apparat meine Bemerkungen dazu im Zoolog. Anzeiger. Nr. 94. 4881. p. 455. 2 Die Gattung Ommatostrephes ist unlängst von STEENSTRUP (De Ommatostre- phagtige Blaeksprutters indbyrdes Forhold. Kongl. dansk. Vidensk. Selsk. Forhandi. 41880) nach dem Verhalten der Trichtergrube und dem Auftreten von kleinen Saug- scheiben (» Haeftepuder«, »pulvillic) an den Keulen der Fangarme in drei Gattungen zertheilt worden, nämlich Ommatostrephes s. str., Todarodes, zu welchem Omm. Todarus und Illex, zu welchem Omm. sagittatus gerechnet wird. Ohne mich hier in eine Diskussion über die Berechtigung dieser Eintheilung, welche den syste- matischen Takt ihres Autors aufs Neue bewährt, einzulassen, möchte ich doch her- vorheben, dass die anatomischen Unterschiede, insbesondere das verschiedene Ver- halten der Eileiter eine generische Trennung von Omm. Todarus und sagittatus wenigstens unabweisbar machen. Da vorliegende Arbeit rein anatomisch ist, sind die gewohnten Namen in ihr vorläufig noch beibehalten worden. | Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 565 Der Eierstock nimmt, wie gewöhnlich, die größere untere Hälfte der Visceropericardialhöhle ein. Er erstreckt sich als länglich spindel- förmiges Gebilde in der Medianlinie des Thieres ventralwärts von der Schale von der unteren Grenze des Magens bis nahe an das Hinterende des Thieres. Wie schon bei der Besprechung des Hodens erwähnt wurde, zeichnet sich auch der Eierstock der Oegopsiden vor dem der Myopsiden durch seine eigenthümliche Befestigungsweise aus. Es existirt kein dor- sales Ligamentum suspensorium, welches den Eierstock, wie dort, seiner ganzen Länge nach an die Wand der Visceropericardialhöhle heftete, son- dern der Eierstock ist nur an seinem vorderen und hinteren Ende be- festigt und schwebt sonst allseitig frei in der Visceropericardialhöhle. Indem er dadurch seine gesammte Oberfläche dem Ansatz von Eiern darbietet, nimmt er die Gestalt eines hohen schmalen Kegels an, dessen Spitze nach dem Hinterende des Thieres gerichtet ist (Fig. 13 B). Die Achse dieses Kegels wird durch einen Bindegewebsstrang gebildet, in welchen die Eierstocksgefäße verlaufen, und welchem die einzelnen Eierbäumchen radiär und rechtwinklig, wie die Borsten einer Flaschenbürste, aufge- setzt sind. Nur an dem oberen Ende des Eierstocks findet sich eine membranöse Ausbreitung des eiertragenden Parenchyms, die auch bei jungen und unreifen Organen nicht fehlt und es vorzüglich bewirkt, dass der Eiersiock keine Cylinder-, sondern Kegelform besitzt. Durch diese eiertragende Lamelle wird ein zarter membranöser Trichter ge- schaffen, der mit seiner nach hinten gerichteten Spitze der Eierstocks- achse aufgesetzt erscheint und in seiner Höhlung die erste Magenab- theilung aufnimmt. Dadurch, dass diese Membran dorsal weit besser als ventral entwickelt ist, erscheint dieser Trichter von der Bauchfläche wie ausgeschnitten; er ist übrigens allseitig frei und nur längs der Genitalarterie, welche, wie gewöhnlich zwischen beiden Magenabthei- lungen zum Grunde des Trichters hinabzieht, durch einen Bindegewebs- strang an den ersten Magen geheftet. Nur die dem Eierstock zugekehrte äußere Fläche der Trichterwand ist mit Eiern besetzt, während die dem Magen zugekehrie innere stets frei bleibt. Die Membran des Trichters ist selbst bei geschlechtsreifen Eierstöcken sehr zart und vollkommen durchsichtig; gegen den freien Rand zu verlieren sich die Eierbäum- chen auf der Ovarialfläche und machen einzelnen sehr zerstreut stehen- den Eiern Platz. Das hintere Ende des Eierstockes bleibt selbst bei geschlechtsreifen Thieren beträchtlich weit (bei großen Exemplaren I—2 cm) vom hin- teren Ende der Visceropericardialhöhle entfernt, während in der In- volutionsperiode der Abstand verhältnismäßig noch größer ist. Der Eier- stock endigt nicht plötzlich, sondern durch allmähliche Verkleinerung 566 J. Brock, der Eierbäumchen kegelförmig zugespitzt. Das Hinterende des Eier- stocks ist auf doppelte Weise befestigt. Erstens nämlich durch einen Strang (Fig. 13 B), welcher die Fortsetzung seiner Achse bildet und am hinteren blinden Ende der Visceropericardialhöhle inserirt; derselbe ent- hält keine Fortsetzung der Ovarialgefäße mehr, sondern nur ganz un- bedeutende Ästchen, und ist im Übrigen, wie die mikroskopische Unter- suchung lehrt, rein muskulös. Zweitens aber findet sich noch ein sagittal gestelltes medianes unpaares Ligament, welches dieselben Ver- hältnisse, wie beim Hoden darbietet (Fig. 13). Die langen dünnhäutigen Eileiter, deren äußere Mündung etwa in gleichem Niveau mit der Kiemenwurzel liegt, sind eben so oberflächlich, wie die Nidamentaldrüsen der ventralen Wand der Visceropericardial- höhle, wo dieselbe sich vom Magen gegen das Herz heraufzieht, an- geheftet. Ihr distales Ende — etwa von der Eileiterdrüse an gerechnet — springt ein Stückchen weit über die Körperoberfläche frei vor!. Gegen die innere Mündung erweitern sich die Eileiter ampullenförmig; die innere Mündung selbst ist ein etwa dreieckiger Ausschnitt der inneren Wand, während die äußere eine Reihe von Längsfalten in die Wand der Visceropericardialhöhle ausstrahlen lässt. Bei einem geschlechtsreifen Weibchen hatten sich die stark ausgedehnten mit vielen Tausenden von Eiern gefüllten Eileiter in eine Reihe von Windungen gelegt, welche der Querachse des Thieres parallel zogen. Die Eileiterdrüse stimmt in ihrem gröberen Bau vollkommen mit der der Myopsiden überein, ist aber selbst an geschlechtsreifen Thieren verhältnismäßig viel kleiner. Einen ab- weichenden und zwar einfacheren Bau zeigen dagegen die Nidamental- drüsen (vgl. Fig. 2 von Onychoteuthis, wo die Verhältnisse, wie auch bei den übrigen Oegopsiden, ganz die nämlichen sind). Lage und äußere Form ist wie bei Loligo, nur ragen sie hier mit einem weit größeren Stück (oft mit dem ganzen vorderen Drittel) frei über die Körperober- fläche vor und sind dem entsprechend in der dorsalen Mittellinie auch weit tiefer gespalten. Ihre Haupteigenthümlichkeit besteht aber in dem Besitz von zwei Drüsenblättchenreihen, welche rechts und links von der Längsachse stehen und in ein verhältnismäßig weites Drüsencavum nackt hineinragen. Vor allen Dingen gehen aber diese Drüsenblättchenreihen nicht, wie bei den Myopsiden am Hinterende der Drüse bogenförmig in einander über, sondern bleiben vollständig von einander getrennt. Ich muss daher diese Vereinigung beider Drüsenblättchenreihen durch einen Bogen radiär gestellter Blättchen am Hinterende der Drüse bei den Myop- 1 Vgl. die für diese Verhältnisse recht instruktive Abbildung bei STEENSTRUP, l. c. Taf. III, Fig. 1. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 567 siden für eine höhere Differenzirung ansehen, der gegenüber die Oegop- siden, wenn nicht das primäre, so doch ein einfacheres Verhalten be- wahrt haben. Der Bau des Eierstocks und der Nidamentaldrüsen von Ommato- strephes todarus und Onychoteuthis stimmt so genau mit dem der entsprechenden Organe von Ommatostrephes sagittatus überein, dass ‘wir uns ein näheres Eingehen darauf wohl ersparen können. Nur die ganz abweichend gestalteten Eileiter verdienen eine besondere Berück- sichtigung, weil sie in einigen Punkten die bleibenden Verhältnisse der Myopsiden anzubahnen scheinen. Die Lagerung ventralwärts von den Kiemen ist nämlich verlassen worden, der Eileiter ist aber noch nicht dorsalwärts hinter die Kiemengefäße gerückt, wie bei den Myopsiden, sondern mündet in eine dorsal- und lateralwärts von den Kiemenherzen (Fig. 1 c. br.) befindliche Einstülpung der Körperhaut (Fig. I x), eine Art von Blindsack, welcher sich dorsalwärts von der Kiemenwurzel nach außen öffnet. Da der Eileiter an und für sich noch nicht dorsal liegt, durch Dazwischenkunft dieses Blindsackes aber eine dorsale Ausmün- dung gewinnt, so lässt sich der Sachverhalt, wie er hier vorliegt, ganz ungezwungen als eine noch nicht vollzogene Überwanderung des Ei- leiters von der ventralen nach der dorsalen Seite der Kieme auffassen, welche bei Myopsiden, Loligopsiden und Octopoden schon vollzogen ist und also wahrscheinlich mehrmals unabhängig von einander stattgefun- den hat. Auch hier ragt das jenseits der Eileiterdrüse befindliche Stück des Eileiters, das, wie gewöhnlich, mit zwei Reihen Drüsenblättchen besetzt ist (Fig. I od. s’), frei in den hinter den Kiemengefäßen gelegenen Blindsack hinein. Die Eileiterdrüse (Fig. 4 gl.s) zeigt in ihrem gröberen Bau den Myopsidentypus und leitet mit ihrer relativ viel beträchtlicheren Größe ebenfalls zu den Myopsiden, zunächst zu Loligo über. Der proximal- wärts von der Eileiterdrüse liegende Abschnitt ist dagegen ganz eigen- artig entwickelt (Fig. ! od. s): die ampullenförmige Erweiterung, welche - wir am proximalen Ende bei Ommatostrephes sagittatus antrafen, ist hier zu einem geräumigen spindelförmigen Sack geworden, welcher sich ‚erst kurz vor der Eileiterdrüse auf das gewöhnliche Kaliber des Eileiters verschmälert. Die innere Mündung des Eileiters in die Visceropericardial- höhle befindet sich eigenthümlicherweise nicht am proximalen Ende des Bileiters, sondern ist ein weiter, schräg von oben dorsalwärts nach unten ventralwärts ziehender Schlitz an der Grenze des mittleren und unteren Drittels. Der Eileiter hat also nach hinten einen großen Blind- sack entwickelt. 568 J. Brock, Der feinere Bau der © Geschlechtsorgane der Oegopsiden giebt nur zu wenig Bemerkungen Anlass. Der Eierstock zeigte bei den brünstigen Individuen, welche die Eileiter mit Eiern erfüllt hatten, nur ganz junge Eier, an denen noch keine Spur von Faltung wahrzunehmen war. Die secernirenden Eileiter- und Nidamentaldrüsen stimmten in ihrem Bau vollkommen mit Sepiola überein (vgl. Geschlechtsorg. der Cephalop. 4. Beitrag p. 95. Taf. Ill, Fig. 34): ein einschichtiges Drüsenepithel von hohen secernirenden cylindrischen Becherzellen mit basalem Kerne. Während meines Aufenthaltes in Neapel im Winter 4879 —1880 erhielt die zoologische Station ein Q Exemplar des schönen und seltenen Thysanoteuthis rhombus Trosch., welches Herrn VierLius zur Untersuchung überlassen wurde. Nach Beendigung seiner Untersuchungen war Herr VıgzLius so freundlich, mir die herausgeschnittenen Geschlechts- organe zu weiteren Studien zu überlassen. Auf sie beziehen sich folgende Mittheilungen, welche desshalb begreiflicherweise von der Topo- graphie ganz absehen müssen. Indem ich in Bezug auf letztere auf die Vıezius’sche Arbeit! verweise, will ich hier nur noch auf einige für die verwandtschaftlichen Verhältnisse nicht unwichtige Punkte aufmerksam machen, welche von ViezLius nicht scharf genug hervorgehoben wor- den sind. Während nämlich Thysanoteuthis in allen Hauptpunkten (Duplieität der Eileiter, Mangel der accessorischen Nidamentaldrüsen, Bau und Be- festigungsweise des Eierstocks) den Oegopsidentypus der © Geschlechts- organe repräsentirt, findet doch in einer Hinsicht ein interessanter Über- gang zu den Myopsiden statt. Der Eierstock ist nämlich, wie bei allen Oegopsiden nur an seinem vorderen und hinteren Pol befestigt, schwebi im Übrigen aber frei in der Visceropericardialhöhle; dagegen fehlt ihm wieder, wie allen Myopsiden, jene membranöse tutenförmige Ausbrei- tung am vorderen Pol, welche die erste Magenabtheilung in sich auf- nimmt und für Ommatostrephes und Onychoteuthis so charakteristisch ist. In Bezug auf die Mündung der Eileiter dürfte sich Thysanoteuthis noch am ersten anOmmatostrephes todarus und Onychoteuthisanschließen, denn ich stehe nicht an, besonders mit Hinblick auf den beigegebenen Holzschnitt (ViezLius, 1. c. Fig. 3, p. 159), die »sackförmige blinde Ein- stülpung« von ViczLivs, »welche sich bis zur Mitte des verengerten Theiles des Ausführungsganges ausdehnt«, für das Homologon jener Tasche zu halten, in welche bei Ommatostrephes todarus und Onycho- teuthis die Eileiter münden (vgl. Fig. 3). 1 Mittheil. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. II. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 569 Indem ich jetzt zu meinen eigenen Beobachtungen übergehe, mache ich zunächst auf einige Besonderheiten des Eierstockes aufmerksam. Die überaus zahlreichen, reich verzweigten Eierbäumchen, welche ihn bil- deten, zeigten in der ganzen hinteren Hälfte und den Seitentheilen der oberen ein eigenthümliches zartes transparentes flaumfederartiges Aus- sehen. Die mikroskopische Untersuchung löste das Räthsel: sämmtliche Eikapseln waren geborsten und hatten ihren Inhalt entleert, nur spar- sam fanden sich zwischen ihnen ganz junge Eier. Auch in dem intak- ten Theile des Eierstockes waren die — übrigens auffallend lang ge- stielten — Eier noch so jung, dass die eigenthümliche Faltenbildung noch vollkommen fehlte, selbst die Umwachsung des Follikelepithels vom stumpfen zum spitzen Pol war bei den meisten noch nicht vollendet. Die Eileiter (Fig. 3) beginnen, wie bei Ommatostrephes todarus und Onychoteuthis mit einer Ampulle (Fig. 5 od. pr), welche indessen länger und schmäler, als bei den genannten Arten ist und auch keinen Blindsack zeigt, sondern die Mündung in die Visceropericardialhöhle (Fig. 3 od. pr’) an ihrem proximalen Ende hat. Die Ampulle verschmä- lert sich zu einem eben so langen drehrunden engen Kanal, welcher unvermittelt in die Eileiterdrüse eintritt. Letztere (Fig. 3 gl) zeigt den gewöhnlichen Dekapodenbau, ist aber sehr ausgezeichnet durch die ver- hältnismäßig außerordentliche Länge des distalwärts von der Drüse liegenden Theiles (Fig. 3 gl’); derselbe, welcher, wie gewöhnlich, mit zwei sich gegenüber stehenden Drüsenblättchenreihen ausgestattet ist, . besitzt eine größere Länge, als der ganze proximale Theil des Eileiters. Die Wand des Eileiters ist rein bindegewebig und in der Ampulle an ihrer | ‚ inneren Oberfläche mit spärlichen niedrigen Längsfalten ausgestattet; das Epithel des nicht drüsigen Theiles ist ein geschichtetes (fimmern- des?) Gylinderepithel. Die Nidamentaldrüsen sind vollkommen nach dem Oegopsidentypus ‚gebaut; ihre histologische Untersuchung (vgl. Fig. 4) ergab entsprechend ‚ dem Zustande des Eierstockes eine solche Involution, wie sie mir über- , haupt bei Gephalopoden noch nicht vorgekommen ist. Das ganze Drüsen- ' epithel war auf eine Schicht von kleinen kubischen großkernigen , Zellen redueirt, welche in streng einschichtiger Anordnung die Drüsen- ‚ blättchen überzogen. 570 J. Brock, II. Philonexiden. A. Männliche Geschlechtsorgane. Philonexis (Tremoctopus) CGarenae Ver.!. Unter den im vorliegenden Aufsatz behandelten Arten ist Tremoc- topus Carenae? die einzige, deren Geschlechtsorgane schon früher und sogar mehrfach Gegenstand der Untersuchung gewesen sind. An- lass dazu bot zunächst die Feststellung der wahren Natur des Hectoco- tylus, welche bekanntlich Anfangs der funfziger Jahre durch H. MüLLer und durch Verany und Vogt erfolgte; denn außer durch den Nachweis einer Übereinstimmung im Bau zwischen den Hectocotylen und den übrigen Armen konnte die irrthümliche Deutung der Hectocotylen als Zwergmännchen der betreffenden Species nicht besser widerlegt werden, als durch den Nachweis von männlichen Geschlechtsorganen bei den Individuen, welche Hectocotyli erzeugten. Während aber H. Mütter bei der ZT Argonauta — hauptsächlich wohl ihrer relativen Seltenheit und großen Kleinheit wegen, die einer Zergliederung kaum zu bewälti- gende Schwierigkeiten entgegengesetzt haben würde — sich auf den Nachweis eines Hodens und reifer Spermatozoen beschränkte, lieferte Vocr an dem größeren Tremoctopus Garenae zum ersten Mal eine ge- nauere Beschreibung der männlichen Geschlechtsorgane, freilich ohne auf einen näheren Vergleich mit denen anderer Cephalopoden, welchen seine theilweise sehr abweichenden Befunde doch nahe genug gelegt hätten, näher einzugehen. Bei dem Interesse, das die Hectocotylen noch immer für sich in Anspruch nahmen, ließ eine Nachuntersuchung nicht lange auf sich warten. Bereits nach zwei Jahren wies LEUcKART das i Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass von Tremoctopus Carenae nur das Männchen bekannt ist. 2 Gegenüber der jetzt allgemein üblichen sinnlosen Schreibweise Philonexis Carena muss daran erinnert werden, dass VERANY diese Art als Octopus Carenae einem seiner Freunde, einem Cavaliere Carena widmete (J. B. VErAnY, Memoire sur six nouvelles especes de CGephalopodes trouves dans la Mediterranee. Mem. acad. Torino. 2ser. tom. A. 4839. p. 94). In allen späteren Publikationen (z. B. in den Mollusques mediterranes, der gleich zu erwähnenden gemeinschaftlichen Arbeit mit Vogr) schreibt aber VErANY selbst konsequent »Carena« und hat dadurch wohl zur Verbreitung dieser falschen Schreibweise nicht wenig beigetragen. STEEN- strup schreibt in allen seinen mir bekannten Publikationen richtig »Carenae«. 3 H. MÜLLER, Über das Männchen von Argonauta Argo und die Hectocotylen Diese Zeitschr. Bd. IV. 4853. p. A. 4 J. B. Verany et C. Vosr, M&moire sur les Hectocotyles et les mäles de quel- ques Cephalopodes. Ann. sc. nat. (3.) zool. XVII. 1852. Zur Anatomie und Systematik der Oephalopoden. 571 Irrthümliche in mehreren Angaben Vocr's nach1, und zwar besonders in denjenigen, welche im Fall ihrer Richtigkeit einen unversöhnbaren Gegensatz zwischen unserer Species und den übrigen Gephalopoden ge- bildet hätten ?; aber der wirklich bestehende Gegensatz, die Anwesenheit zweier verschieden gebauter Vasa deff. blieb auch ihm eigenthümlicher- weise verborgen. Eine nähere Besprechung beider Arbeiten wird am besten in die nachfolgende Beschreibung verflochten werden : sehen wir jetzt zu, wie sich die g' Geschlechtsorgane von Tremoctopus Carenae, eines der größten Räthsel, welches die gesammte CGephalopodenmorpho- logie bietet, eigentlich verhalten. Wie gewöhnlich, nehmen die Geschlechtsorgane den ganzen Fundus ; und fast die ganze linke Seite des Eingeweidesackes ein, wobei ihre Ausdehnung im Einzelnen je nach dem Grad der Geschlechtsreife in außerordentlich weiten Grenzen wechselt. Schon die oberflächlichste Beobachtung lehrt drei Theile unterscheiden, welche sofort nach Ab- tragung der chromatophorenhaltigen Haut des Eingeweidesackes ins Auge fallen, nämlich in der rechten Hälfte des Fundus der Hoden in eigener Kapsel, in der linken das Packet der ausführenden Geschlechts- organe, in engerem Sinne ebenfalls in eigener Kapsel (» cornue « Vor, l. c. p.465 sqq.) und in der linken Hälfte des Körpers vor dem Fundus den Spermatophorensack (» bouteille « Vogr, 1. c. p. 16%). Die Gestalt des geschlechtsreifen Hodens, welcher sich hier mehr oder minder weit dorsalwärts vom rechten Harnsack nach vorn ausdehnt, ist bei allen Cephalopoden nach meinen Erfahrungen keine konstante, und so auch hier nicht (vgl. Leuckarr, 1. c. p. 96). Die eichelförmige Gestalt, welche ihm Voer (l. c. P!. VIII, Fig. 22) und Levckarr (l. c. Taf. II, Fig. 22) geben, wurde von mir nur in der Minderzahl der Fälle angetroffen. Auch hier liegt der Hoden mit Ausnahme einer vorderen dorsalen Anheftungsstelle, welche von den Gefäßen zum Übertritt be- nutzt wird, vollkommen frei in seiner Kapsel. Am entgegengesetzten Ende (bei der Eichelform am spitzen Pol) findet sich eine mehr oder minder ausgeprägte »Mündungsgrube«, nach welcher zu die Hodenkanälchen alle strahlenförmig konvergiren; der Bau des Hodens weicht also in ' nichts von dem der übrigen Cephalopoden ab. Von den beiden Vasa deff., welche die Hodenkapsel durch Vermittelung einer Vesicula semi- nalis mit dem Spermatophorensack in Verbindung setzen (Fig. 5 VdI, II), ' ist das eine nach Bau und Lage dem einzigen der übrigen Cephalopoden t Die Hectocotylie von Octopus Carenae. Zool. Untersuchungen. Heft 3. Gießen 4854. p. 95. 2 Wie z. B. der angebliche Mangel eines jeden Zusammenhanges zwischen dem Vas deferens und den übrigen ausführenden Geschlechtsorganen. 572 J. Brock, ganz unzweifelhaft homolog, während das andere nicht nur als solches, sondern auch seinem Bau nach bis jetzt allein dasteht. Wir werden diese beiden Vasa deff., da sich über die Unterschiede in ihren Funk- tionen auch nicht die geringste Vermuthung äußern lässt, einfach als erstes (Fig. 5 Vd I) und zweites (Fig. 5 Vd II) bezeichnen. Wie schon gesagt, liegen die ausführenden Geschlechtsorgane, näm- lich die beiden Vasa eff., die Vesicula seminalis und die Prostata in einer (von Vocr als » cornue« bezeichneten) Bauchfellstasche, welche die linke Hälfte des Fundus einnimmt und bei der Ventralansicht mehr oder min- der weit vom linken Harnsack verdeckt wird, bei starker Entwicklung der in ihr enthaltenen Organe sich aber auch unter ihm hervordrängen kann. In dieser Bauchfellstasche liegen die ausführenden Geschlechts- organe größtentheils frei, nur rechts seitlich und vorn, wo sie an die Hodenkapsel grenzen, ihrer Bauchfellstasche dorsal angeheftet. Es sind das Vesicula seminalis und erstes Vas deferens, welche während ihres ganzen Verlaufes mit der Wand der Bauchfellstasche (— und zwar das Vas deferens in seinem proximalen Abschnitte mit der ventralen Wand —) verbunden bleiben, während sonst alle übrigen Organe, welche ihren Inhalt bilden, vollkommen frei liegen und nur durch Bindegewebe lose mit einander vereinigt sind (LzeuckArT, l. c. p. 95, Voer, l. c. p. 169). Das zweite Vas deferens ist mit der Prostata (Fig. 5 Pr) innig verflochten und letztere, wie schon Vogt richtig bemerkt hat (. c. p-. 169), am blinden Ende spiralig aufgerollt. Nach Vocr (l. c. p. 167) ist der aus der Verflechtung der Prostata mit dem zweiten Vas deferens gebildete Strang während des Lebens in beständiger Bewegung und die ganze Bauchfellstasche selbst von einem »liquide visqueux« erfüllt. Doch gehen wir jetzt auf die Einzelheiten ein. Das erste Vas deferens (Fig. 5 VYd I) entspringt (Fig. 5 Vd I’) von der Scheidewand zwischen Hodenkapsel und Kapsel der ausführenden Geschlechtsorgane ziemlich weit nach rechts und ventralwärts, tritt dann auf die ventrale Wand der Kapsel der ausführenden Geschlechts- organe über und umkreist am Grunde derselben mit ihrer Wand immer fest verwachsen die übrigen ausführenden Geschlechtsorgane in einem großen dorsalwärts offenen Bogen, wendet sich dann dorsalwärts und nach rechts und geht an der dorsalen Kapselwand links von der Ampulle des zweiten Vas deferens (Fig. 5 A v d) plötzlich in die Vesicula seminalis über. Dieses erste Vas deferens, ein verhältnismäßig weiter dünnhäu- tiger Gang, lässt sich wohl zweifellos mit dem von Leuerarr (l. c. p. 95) beschriebenen flimmernden Gang identificiren, der sich in den rechten Harnsack öffnen sollte; der wahre Zusammenhang mit der Vesicula Zur Anatomie und Systematik der Oephalopoden. De seminalis ist LEUCKART entgangen !. Vogr kennt dieses erste Vas deferens gar nicht, doch halte ich es mit LruckArr für sehr wahrscheinlich, dass sein flimmerndes ».Vas efferens « (Vosr, ].c.p. 167), welches nach länge- rem Verlaufe frei in die Kapsel der ausführenden Geschlechtsorgane münden soll, nichts weiter als das proximale abgerissene Stück des ersten Vas deferens ist. . Die Vesicula seminalis (Fig. 5 Vs), welche, wie gewöhnlich bei den Cephalopoden nicht die gerade Fortsetzung des Vas deferens bildet, son- dern an dessen Eintrittsstelle proximalwärts einen kleinen Blindsack (Fig. 5 Vs‘) entwickelt, zieht an der dorsalen Wand der Genitalkapsel hinter dem Herzen und dem linken Harnsack nach vorn und links, nimmt erst das zweite Vas deferens und dann die Prostata auf (Fig. 5 Pr) und trifft gerade dorsalwärts von den linken Kiemengefäßen auf die vor- dere Spitze des Spermatophorensackes. Ihre Verbindung mit dem letz- teren soll uns später beschäftigen ; hier habe ich zunächst mit Bezug auf meine Vorgänger zu bemerken, dass bei Vocr die Vesicula seminalis als die » espece de reservoir commun, qui se trouve a l’entr&e de la cornue« sich wiederfindet, dass aber ihre sonstigen Verhältnisse durchaus ver- kannt sind (l. c. p. 169, Pl. VIII, Fig. 225). Leuckart beschreibt die Vesicula seminalis richtig und bildet sie auch sehr kenntlich ab (Taf. II, Fig. 22); der feine Faden, in welchen er ihr hinteres Ende sich ausziehen lässt, dürfte wohl ohne Zweifel ein Stück des ersten Vas deferens sein, das an seiner Verbindungsstelle mit der Hodenkapsel abgerissen wurde. Das zweite Vas deferens (Fig. 5 Vd II) entspringt aus der Hoden- kapsel ebenfalls an der Scheidewand zwischen Hoden- und Genitalkapsel etwas mehr nach oben und dorsalwärts, als das erste. Die merkwürdige ampullenförmige Erweiterung, mit der es beginnt (Fig. 5 A.v.d) und die der Scheidewand von vorn nach hinten mit ihrer Längsachse fest anliegt, konnte weder Vogt (vorifice en trompette«, »renflement en poire«, l. c. p. 168), noch LeuckArr verborgen bleiben. Doch erkannte nur der letztere den Zusammenhang mit der Hodenkapsel richtig, während Vosr irrthümlicherweise sein Vas deferens mit der Ampulle frei in die Genital- kapsel münden lässt. Auch von dem gestielten kugelförmigen Anhang ! Hauptsächlich durch diese Angabe verführt, glaubte ich, bevor ich Philonexis Carenae selbst untersucht hatte, diesen flimmernden Gang als Wasserkanal deuten zu müssen (Brock, Geschlechtsorg. d. Cephalop. p. 54). Von wirklichen Wasser- kanälen habe ich trotz eifrigsten Suchens nie etwas finden können (Brock, Phylog. d. dibranch. Cephalop. p. 223) und da ihre Abwesenheit bei dem nächstverwandten Genus Argonauta jetzt auch von VicELius (W. J. VieELius, Über das Exkretions- system der Cephalopoden. Niederl. Archiv für Zool. 4880. p. 47) bestätigt worden ist, so darf man wohl annehmen, dass die Wasserkanäle Philonexis und Argonauta wirklich fehlen. 574 J. Brock, (»boule vesiculaire parfaitement arrondie«, ibid. p. 468), welchen Vosr an der Ampulle beschreibt und zeichnet, haben weder Leuckarr (l. c. p. 96, Anm. 2) noch ich etwas finden können. Die Ampulle verschmälert sich plötzlich in einen Anfangs engen, später allmählich sich erweiternden, sehr langen Kanal, welcher in die Vesicula seminalis kurz vor ihrem distalen Ende und unmittelbar proximalwärts von der Prostata mündet. Letztere (Fig. 5 Pr), Voert’s » glande accessoire«, 1. c. p. 169) ist sehr lang, aber sonst vollkommen nach dem Octopodentypus gebaut; sie verbreitert sich an ihrem blinden Ende beträchtlich und ist spiralig eingerollt. An der Stelle, wo die Vesicula seminalis auf die vordere Spitze des Spermatophorensackes trifft, verschmälert sie sich plötzlich zu dem Vas efferens (Fig. 5 Ve), welches Vosr gänzlich entgangen ist, während es LsuckArt als »Ductus ejaculatorius« gut beschreibt und abbildet (1. c. p- 97). Dadurch, dass das Vas efferens sofort an die dorsale Seite des Spermatophorensackes tritt, erhält es eine schon von Leuckarr bemerkte knieförmige Biegung; sein weiterer Verlauf wird erst nach einer Schil- derung des Spermatophorensackes (Fig. 5 Sp) recht verständlich werden können. Lage und Bau dieses Organs bieten nämlich nächst dem Vorhanden- sein eines zweiten Vas deferens die größte Abweichung vom normalen Verhalten. Denn erstens liegt der länglich ovale, bisweilen mehr birn- förmige Spermatophorensack größtentheils ventralwärts von den linken Kiemengefäßen und biegt sich nur mit einem kleinen vordersten Ab- schnitt dorsalwärts über dieselben hinweg, so dass der Spermatophoren- sack an den Kiemengefäßen aufgehängt ist, wie ein Stück Wäsche an einer Leine. Befindet sich die einzige enorm lange Spermatophore! im Spermato- phorensack aufgerollt, so ist derselbe stark ausgedehnt und die Wände so dünn und leicht zerreißlich, dass sich die feineren morphologischen Verhältnisse nicht leicht eruiren lassen. Besser gelingt das an einem noch leeren Spermatophorensack, dessen Wände dick, undurchsichtig und stark muskulös sind. Hier bemerkt man zunächst mit Leichtigkeit etwas unter dem oberen Rande die Mündung (Fig. 5 Sp’) in Gestalt eines halbmondförmigen oder länglichen, von wulstigen Rändern um- gebenen Spaltes. Dann aber findet man ferner an der rechten Seite des Fundus und mehr ventralwärts gelegen eine eigenthümliche ampullen- föormige Erweiterung (Fig. 5 A), welche sich nach vorn in ein Röhrchen auszieht. Leider war ich bei der Beschränktheit meines Materials und der Schwierigkeit der Untersuchung nicht im Stande, die näheren Ver- 1 Vgl. LeucKART, ]. c.p. 98, Anm. 2. Ich fand die Spermatophore an einem Spiritusexemplar über 4 Meter lang. Zur Anatomie und Systematik der Oephalopoden. 575 hältnisse dieser eigenthümlichen Ampulle, welche sowohl Leucrarr als ' auch Vosr übersehen haben, mit wünschenswerther Sicherheit festzu- stellen. Doch ist — wie Schnittreihen ergeben — so viel gewiss, dass das Vas efferens, nachdem es, immer fest durch Bindegewebe an die dorsale Seite des Spermatophorensackes geheftet, an demselben herab- gelaufen und mit ihm auf die ventrale Seite der Kiemengefäße über- getreten ist, nicht in den Spermatophorensack unmittelbar, sondern zunächst in den Fundus der Ampulle mündet!. Ferner glaube ich — ebenfalls auf Schnittreihen gestützt — dafür eintreten zu können, dass das Röhrchen, in welches die Ampulle sich auszieht, nicht blind ge- schlossen ist, sondern mit einer feinen Öffnung nach außen mündet (Fig. 5 A’); aber ich vermag nichts darüber auszusagen, mit welcher Körperhöhle dann das Röhrchen in Verbindung steht. In Bezug auf den histologischen Bau werde ich mich, da ich aus- schließlich an Spiritusmaterial und nicht immer gut erhaltenem arbeitete, auf das Nöthigste beschränken. An allen von mir untersuchten Thieren war der Hoden geschlechtsreif und stimmte auch in seinem feineren Bau | mit dem aller übrigen Octopoden überein; höchstens, dass mir das sonst auf ein Minimum redueirte interstitielle Bindegewebe zwischen den Drüsenkanälchen etwas stärker entwickelt schien. Die ausführenden | Geschlechtsorgane besitzen durchweg stark muskulöse Wände, stimmen also darin mit allen übrigen Octopoden überein, und auch darin erweist ‚sich Philonexis als ein echter Octopode, dass sich an der Vesicula semi- ‚ nalis nicht zwei verschiedene drüsige Abschnitte, wie bei den Octopoden ‚ unterscheiden lassen. Die Wand des ersten Vas deferens wird von einer dünnen Ring- muskellage gebildet, von welcher spärliche Längsfalten in das Lumen hineinragen. Das Epithel ist ein einschichtiges hohes, nach Leuckarr flimmerndes Cylinderepithel mit basalen Kernen. Die mit stark musku- ‚lösen Wänden versehene Vesicula seminalis zeigt nur in dem kleinen ‚Blindsack, der proximalwärts über die Einmündung des Vas deferens hinausragt, schwache Andeutungen des drüsigen Baues, welches den ‚ersten Abschnitt der Vesicula seminalis der Dekapoden charakterisirt. ‚Bald geht dieses »drüsige Maschenwerk « in ein System dicht gedrängter ‚unregelmäßig stehender steiler Längsfalten über, von denen die größeren ‚auch baumförmig verzweigt sind. Diese Längsfalten charakterisiren ‚den ganzen übrigen Abschnitt der Vesicula seminalis; von dem schnecken- mis eingerollten Wulst, welcher sonst aehchmelas hier angetroffen 4 | ! An der Figur 5 ist das letzte Stück des Vas efferens und seine Mündung in ‚die Ampulle nicht zu sehen, weil bei der Ventralansicht, welche Fig, 5 darstellt, die | Ampulle das dorsal von ihr gelegene Vas efferens verdeckt. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 39 F ————— een un a on 576 J. Brock, wird und für die Bildung der Spermatophoren Wichtigkeit zu besitzen scheint, ist hier keine Spur zu entdecken. Das Epithel der Vesicula seminalis ist durchaus einschichtig; es scheinen aber secernirende cylin- drische Becherzellen, ähnlich wie in den Nidamentaldrüsen von Sepiola zu sein. Wenigstens zeigten sie neben einem ovalen grundständigen Kerne die dafür charakteristischen Vacuolen und die sich in Karmin etc. lebhaft färbenden Körnchen, welche auch, in einer Art von geronnenem Zeilsekret verbacken, in ungeheurer Menge das ganze Lumen des Kanals erfüllten. Während ich in dem eigentlichen Vas deferens und der Vesicula seminalis trotz ihrer Kommunikation mit der Hodenkapsel niemals etwas von Sperma oder einer in Bildung begrifienen Spermatophore habe finden können, sind in der Ampulle des zweiten Vas deferens regelmäßig srößere oder geringere Spermamassen anzutreffen. LzruckArr glaubte im Hinblick auf die mächtig entwickelte Muskulatur ihrer Wände in der Ampulie eine Art Saugwerk erblieken zu müssen: eine interessante Beobachtung, die ich einmal anzustellen Gelegenheit hatte, scheint für die Richtigkeit dieser Vermuthung zu sprechen. Bei einem meiner Exem- plare nämlich setzte die mächtige Samenmasse im Inneren der Ampulle sich in einen starken Strang fort, der nur aus verklebten Spermatozoen bestand und in das Mündungsfeld des Hodens eindrang. Die Festigkeit dieses Stranges war so groß, dass er sammt den angrenzenden Theilen des Hodens und der Ampulle bequem in Querschnitte zerlegt werden konnte. Ich halte die Entstehung eines solchen Stranges nur für mög- lich, wenn man annimmt, dass die Ampulle an das Mündungsfeld des Hodens angedrückt und auf das in ihm angehäufte Sperma eine Saug- bewegung ausgeübt werden kann. Diese Annahme wird auch noch durch den Umstand unterstützt, dass ich in einem Falle von sehr starker Samenanhäufung in der Ampulle die Samenmassen so stark spiralig zu- sammengedreht fand, wie dies nur durch sehr energische peristaltische ° Bewegungen möglich erscheint. Die innere Oberfläche der Ampulle ist in dichte, sehr hohe und schmale, radiär gestellte Längsfalten erhoben, welche wieder mit Neben- fältchen besetzt sein können und so in einander eingreifen, dass das Lumen des Kanals dadurch fast verlegt wird. Es entsteht so auf Quer- schnitten ein ganz ähnliches Bild, wie ich es (Geschlechtsorg. d. Ceph. Taf. I, Fig. 7) von dem Vas deferens von Eledone gezeichnet habe. Ist die Ampulle stark mit Sperma gefüllt, so erscheinen die Falten in einer dem Verhalten der übrigen Cephalopoden analogen Weise an die Wand angedrückt und bedeutend verkürzt; die Nebenfältchen sind dann ganz verstrichen. Das Epithel ist ein einschichtiges hohes Cylinderepithel mit | | Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 577 basalen Kernen, in dem — wie ich gegen Voer il. c. p. 168) hervor- heben muss — selbst an meinen Präparaten die Flimmern stellenweise noch ausgezeichnet deutlich erhalten waren. Wo die Ampulle sich zu einem ziemlich engen Kanal verschmälert, verschwinden die Falten der inneren Wand; dieselbe erscheint Anfangs ganz glatt. Bald aber tritt eine schmale Längsfalte auf, weiche sich zu einem starken, auf Querschnitten keulenförmigen Wulst ausbreitet. Im weiteren Verlauf wird dieser Wulst wieder schmäler und zuletzt zu einer sehr hohen dünnen Falte, welche das ganze zweite Vas deferens bis kurz vor seiner Mündung durchzieht. Kurz vor derselben wird sie wieder breiter und erscheint zuletzt als ein ganz niedriger auf schmalem Stiele sitzender fächerförmig ausgebreiteter Vorsprung, welcher auf seiner breiten Fläche mit sekundären Längsfältchen besetzt ist. Der feinere Bau der Prostata deckt sich so mit dem der übrigen Octopoden, dass ich ganz auf die von mir für Eledone (Geschlechtsorg. d. Cephal. p. 60) gegebene Beschreibung verweisen kann. Derselbe ist übrigens auch schon von Vocr in seinen Grundzügen richtig erkannt worden {l. c. p. 169), nur dass die Unterscheidung eines besonderen Ausführungsganges von einer besonderen Drüse meiner Meinung nach thatsächlich nicht durchgeführt werden kann; Vogr giebt ja auch selbst zu, dass beide wenigstens »pour la structure intime« keinen wesent- lichen Unterschied zeigen. Dagegen hat Vogt die sogar sehr stark eni- wickelte Längsfalte — hier eher als Wulst zu bezeichnen — übersehen, welche die äußerste distale Strecke der Drüse, wie bei Eledone, charak- terisirt. Übrigens mündet das zweite Vas deferens und die Prostata nicht \ getrennt in die Vesicula seminalis, sondern beide fließen zu einem kurzen gemeinschaitlichen Gang zusammen, welcher mit dem distalen Endstück der Vesicula seminalis innig verbunden, demselben auf Quer- schnitten als schmale halbmondförmige Spalte anliegt, bevor er in die Vesicula mündet. Das Vas efierens betrachten wir am besten gemeinschaftlich mit dem Spermatophorensack. Von letzterem ließen nur diejenigen Exemplare eine genauere Untersuchung mittels Schnittreihen zu, bei welchen die Spermatophore noch nicht in den Spermatophorensack eingetreten war ‚ (vel. p. 57%). In diesen Fällen war die Wand außerordentlich stark muskulös, und bestand aus einer starken Schicht von Längsmuskeln, | welche durch Bindegewebe, wie gewöhnlich, in Bündel abgetheilt waren ; auf diese Längsmuskelschicht folgte nach innen noch eine dünne Ring- , muskellage. Die innere Oberfläche des Spermatophorensackes zeigte sich ‚in zahlreiche feine niedrige, hier und da auch sekundär verzweigte Längsfältchen erhoben; von einem Gebilde, welches dem so charakteristi- 395 578 J. Brock, schen Wulst der Dekapoden an die Seite gestellt werden könnte, war keine Spur zu finden. Das Epithel war nur noch in Resten erhalten und scheint danach zu urtheilen, ein einschichtiges Gylinderepithel zu sein. Das Vas efferens hat in seiner Wand ebenfalls eine starke Längs- muskelschicht entwickelt; eine Reihe von Längsfalten seiner inneren Oberfläche, welche von einem einschichtigen (limmernden?) Cylinder- epithel ausgekleidet wird, lassen sein Lumen auf Querschnitten stern- förmig erscheinen. Das Vas efferens tritt sehr bald an den Spermato- phorensack heran und nähert sich ihm bis zur Verschmelzung der Muskelwände beider Organe. Auf diese Weise kommt das Vas efferens, das so eigentlich schon einen Theil der Wand des Spermatophorensackes bildet, zwischen letzteren und die Ampulle zu liegen, so dass auf Quer- schnitten im Niveau der Ampulle dann drei Lumina erscheinen, zu äußerst das des Spermatophorensackes, dann das des Vas efferens und endlich das der Ampulle. Der Hals der Ampulle, welcher durch Längs- falten seiner inneren Oberfläche im Querschnitt ebenfalls sternförmig erscheint, ist vollkommen frei, während weiter nach unten ihre Wände mit der des Spermatophorensackes verschmelzen. Das Vas efferens öfinet sich in den Fundus der Ampulle und die Ampulle selbst kommunicirt an ihrem Grunde wieder mit dem Spermatophorensack. Aus dieser Darstellung geht wohl zur Genüge hervor, dass die männlichen Geschlechtsorgane des Philonexis Carenae Ver. einen durch- aus abweichenden, ja in vieler Beziehung überaus räthselhaften Bau besitzen. Außer vielen Abweichungen von geringerem Interesse sind es zwei Punkte von wirklich fundamentaler Bedeutung, durch welche Philonexis Carenae bis jetzt ganz isolirt dasteht, nämlich die doppelten Vasa deferentia und die doppelte Mündung des Spermatophorensackes. Die durchaus asymmetrische Lage der ausführenden Geschlechtsorgane und der völlig verschiedene Bau der beiden Vasa deferentia lässt auch nicht entfernt die Möglichkeit zu, dass uns in Philonexis Carenae das ursprüngliche Verhalten bewahrt geblieben sei und dass für den männ- lichen Geschlechtsapparat der Gephalopoden ursprünglich Duplieität der Leitungswege angenommen werden müsse, wie ich es für den weiblichen nachzuweisen versucht habel. So viel ist wohl sicher, dass diese hoch- gradigen Abweichungen im Bau der Geschlechtsorgane in irgend einem causalen Zusammenhang mit der Bildung einer einzigen enorm langen Spermatophore und der Erzeugung eines sich ablösenden Hektocotylus stehen; das ist aber auch Alles, was wir darüber wissen und es wäre daher vollkommen zwecklos, über die morphologische Bedeutung der ersten beiden Eigenthümlichkeiten noch irgend welche Betrachtungen 1 Vers. Phylog. Ceph. p. 254. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 579 anzustellen, so lange nicht das Dunkel gelichtet sein wird, in welches das größte Räthsel der Cephalopodenbiologie, die Hektocotylisation, für uns noch immer gehüllt ist. B. Weibliche Geschlechtsorgane. 1) Argonauta ArgoLl. Abgesehen von einigen vielfach irrthümlichen Angaben von Owen ! ist die einzige in der Litteratur vorhandene Beschreibung der Geschlechts- organe der Q Argonauta die von P. v. Benepen?. Dieselbe ist sehr knapp gehalten, aber bis auf das vollkommene Übersehen der Eileiterdrüse kor- rekt ; die beigegebenen Abbildungen zeichnen sich durch große Treue aus. Eigenthümlich ist, dass nach van BEnEDEN’s, ViezLius’® und meinen Erfah- rungen zu urtheilen, ein nicht brünstiges Argonautaweibchen bis jetzt überhaupt noch nicht zur Beobachtung gelangt zu sein scheint. In allen bisher bekannten Fällen und auch bei meinen Exemplaren nahm der mächtig entwickelte Eierstock den ganzen Fundus des Eingeweidesackes ein und waren die langen geschlängelten Eileiter (was allerdings VısELius nicht ausdrücklich angiebt) fast in ihrem ganzen Verlauf mit Eiern voll- gepfropft. Der Typus der © Geschlechtsorgane von Argonauta ist der ein- fachste und niedrigste unter den Octopoden und nächst Enoploteuthis auch unter den Dibranchiaten überhaupt: ein Eierstock und zwei Ei- leiter, welche eine einfache Drüse durchsetzen. Der Eierstock ist ein mächtiger geschlossener dünnhäutiger Sack mit querer Längsachse, welcher, ursprünglich wohl im Fundus gelegen, bei der Ventralansicht den größten Theil des Eingeweidesackes einnimmt und die übrigen Ein- geweide gegen den Kopf zurückdrängt. Die Eileiter entspringen in der Mittellinie der ventralen Wand etwas nach hinten zu mit einem kurzen gemeinschaftlichen Endstück (Fig. 6 od), theilen sich dann und durchsetzen jeder eine flaschenförmige Drüse (Fig. 6 gl), welche aber nicht in der geraden Verlängerung des Eileiters liegt, sondern auf denselben zurückgekrümmt erscheint. In ihrem wei- teren Verlauf bilden dann die Eileiter eine beträchtliche Anzahl von regelmäßigen schräg von vorn nach hinten ziehenden Windungen, die die ganze Ventralfläche des Eierstocks zudecken können (v. BENEDEN, l. c. Pl. V, Fig. 1), treten dann sehr weit seitlich nach außen von den 1 In Topn’s Cyclopaedia of anatomy and physiology. Vol. 4. London 4836 und Description of some new and rare Cephalopoda Transact. zool. soc. London 1844. 1. 2 P. van BENEDEN, Memoire sur l’Argonauta. Nouv. mem. de l’acad. roy. de Bruxelles. vol. XI. 1883. 3 1.20: P. 47. 580 J. Brock, Kiemenherzen unter den Kiemengefäßen durch, nähern sich im geraden Verlauf wieder mehr der Mittellinie und münden weit nach vorn etwa in halber Höhe der Kiemen zu beiden Seiten der Mittellinie am inneren Rande des Depressor infundibuli (vgl. v. Beneven, 1. c. Pl. nie. Die sonst auch durch nichts ausgezeichneten Endstücke der Eileiter springen nicht über die Körperoberfläche vor, vielmehr liegt ihre Mün- dung eher in einer leichten Vertiefung. Bei der Eröffnung des Eierstockes findet man die ganze dorsale, obere, untere und seitlichen Wände mit Eiern besetzt, so dass nur die ventrale Fläche, von welcher auch das unpaare Anfangsstück der Ei- leiter entspringt, frei bleibt. Die Anordnung der Eier macht uns mit einem Typus bekannt, der nur von den Philonexiden vertreten wird: es finden sich nämlich ungefähr 50 überaus reich verzweigte Bierbäum- chen, von denen jedes im Bau den einzigen großen Eierbaum von Octo- pus wiederholt (vgl. Fig. 10 von Tremoctop. violaceus, wo die gleichen Verhältnisse vorliegen). Die Eierstockswand ist, wie bei den Octopoden, muskulös, aber immer von sehr geringer Stärke; ihre Innenfläche ist, so weit sie nicht Eier trägt, in zahlreiche feine parallele Falten erhoben und von einem einschichtigen hohen Cylinderepithel bekleidet. In Bezug auf den Bau der Eier selbst und die Entwicklung ihrer eigenthümlichen Falten habe ich keine neuen Beobachtungen beizu- bringen; dagegen treten einige Verhältnisse der Eikapseln und des Fol- likelepithels hier klarer, als bei den übrigen Gephalopoden zu Tage. Erstens nämlich ließ sich hier mit ausgezeichneter Deutlichkeit an jünge- ren Eiern beobachten, wie das Follikelepithel das Ei vom stumpfen zum spitzen Pol allmählich umwächst; ich habe diesen bereits früher von mir angegebenen Modus der Follikelbildung (Geschlechtsorg. d. Gephalop. 1. Beitrag p. 80) darum auch jetzt durch einige Abbildungen (Fig. 9 und 7) veranschaulicht. Bei den jüngsten Zellen (Fig. 9 01, 02, 0%) fin- den wir nur wenige Zellen am stumpfen (dem Stiel zugekehrten) Eipol, meist als Doppelreihe angeordnet; von hier aus wird dann allmählich eine Zellschicht nach dem spitzen Pol vorgeschoben und während dieses Vorganges erleiden auch die Zellen am stumpfen Pol eine derartige Ver- schiebung, dass bei vollendeter Umwachsung die Doppelschicht am stumpfen Pol verschwunden ist und das ganze Follikelepithel einschichtig erscheint. Am stumpfen Pol finden sich dann die Zellen cylindrisch, dicht gedrängt und radiär gestellt (Fig. 7 a), während sie nach dem spitzen Pol zu allmählich weiter aus einander rücken und eine tangen- tiale Stellung einnehmen, und es scheint lange zu dauern, bis das Fol- likelepithel an der ganzen Eiperipherie gleichmäßiges Ansehen und gleichmäßige radiäre Stellung erlangt hat. Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 584 Zweitens war aber hier auch das Außenepithel der Eikapsel (Fig. 7 5) mit großer Deutlichkeit zu demonstriren. Hinreichend feine Längs- und Querschnitie von Jungen Eiern machen es fast unzweifelhaft, doch will ich, bevor nicht die Zellgrenzen an frischem Material mittels Silber dargestellt sind, seine Existenz nicht mit unumstößlicher Sicher- heit hinstellen. Jedenfalls sieht man regelmäßig gestellte oblonge Kerne der Eikapsel aufliegen und sich auch auf den Stiel fortsetzen, welche durch ihre Lage auf der Eikapsel und ihre regelmäßige Stellung sich von den Bindegewebszellen der Eikapsel deutlich unterscheiden. Ein überaus schwieriges Problem, welches noch immer seiner Lösung harrt, ist die Genese der Eier, der Eikapsel und des Follikel- enithels. Gleich allen meinen Vorgängern konnte ich mich früher von der Annahme eines bindegewebigen Ursprunges der Eier in der Tiefe des Stromas nicht losmachen (Geschlechtsorg. der Gephalop. 1. Beitrag p. 78); es war das eine Vorstellung, welche die Verhältnisse der er- wachsenen Gebilde und besonders der Eikapsel außerordentlich nahe legten, die Eikapsel wäre in diesem Fall als Ausstülpung der freien Eierstocksoberlläche durch die aus der Tiefe des Stromas andrängenden Eier entstanden zu denken. Nach meinen an Argorauta und Tremoctopus viol. gewonnenen Er- fahrungen glaube ich eine solche Annahme, welche auch nach Analogie zu schließen, wenig Wahrscheinlichkeit für sich’hätte, vollständig von der Hand weisen zu dürfen. Viel schwieriger aber sind positive An- gaben. Die feineren und feinsten Verzweigungen des baumförmigen Eierstocksstromas zeigen sich nämlich allseitig so dicht mit älteren und jüngeren Eiern besetzt, dass von einem Epithel, welches dem Keim- epithel anderer Thierklassen vergleichbar wäre, hier nicht die Rede sein kann (vgl. Fig. 9). In diesem Mangel einer deutlich als solchen erkenn- baren Matrix liegt eben die Schwierigkeit, über die Herkunft der jungen Eier zu irgend einer sicheren Entscheidung zu gelangen; die Eier in allen möglichen Größenverhältnissen bilden eben selbst das Keimepithel. Wenn ich jetzt wenigstens für einen epithelialen Ursprung der Eier mit Bestimmtheit eintrete, so stütze ich mich erstens auf den gänzliche Mangel von zelligen Elementen im Bindegewebe des Stromas, welche mit ‚der Oogenese in Verbindung zu bringen wären und zweitens auf die feine- ren Verhältnisse des die Stromaverzweigungen überziehenden Epithels. Das letztere zeigt sich nämlich folgendermaßen zusammengesetzt. Zunächst in die Augen fallen die größeren deutlich gestielten Eier, welche mittels ihrer Stiele über das Niveau der übrigen zelligen Elemente vor- springen (Fig. 9 0°). Zweitens finden sich jüngere nicht gestielte Eier, meist in größeren oder kleineren Gruppen bei einander liegend J. Brock, (Fig. 9 0102). Drittens endlich sind zwischen den jüngeren Eiern Zellhaufen oder, da die Zellgrenzen nicht deutlich sind, vielleicht vielkernige Zellen, deren Kerne durch ihre Kleinheit auch von denen der jüngsten deutlich unterschieden werden können und deren Kerne durchweg das schöne Kerngerüst zeigen, welches dem »ruhenden « Kern eigenthümlich und gerade in den jungen Geschlechtszellen, Eiern, sowohl wie Spermatogonien, jetzt bei den verschiedensten Thier- Klassen nachgewiesen ist (Fig. 9 b)!. Ich stehe nicht an, diese viel- kernigen Zellen ?, welche vollkommen den Spermatogemmen im Hoden der Wirbelthiere (bis auf die geringere Anzahl der Kerne) gleichen, für Abkömmlinge des ursprünglichen Keimepithels zu erklären und sie mit der Oogenese in Verbindung zu bringen; ob indessen eine solche viel- kernige Zelle in Theilstücke zerfällt, die sämmtlich zu Eiern werden, oder was ich für wahrscheinlicher halte, das Material zu einem Ei und seinem Follikelepithel liefern, darüber kann ich keine bestimmten Aus- sagen machen, eben so wie ich auch über die Genese der Kapselmem- bran nicht habe ins Klare kommen können. Die Eileiter zeigen an Stellen, welche nicht gerade von Eiern passirt werden, eine dicke ganz aus kreisförmigen Muskelfasern gebildete Wand und ein enges Lumen, welches letztere durch die vielen kurzen und dicken Längsfalten der inneren Oberfläche auf Querschnitten sternförmig erscheint. Der Durchtritt der Eier bewirkt eine starke Ausweitung des Lumens unter Verdünnung der Wand, wobei auch die Längsfalten stark verkürzt und an die Wand angedrückt werden. Das Epithel ist ein einschichtiges (flimmerndes?) Cylinderepithel. Die Eileiterdrüse von Argonauta besitzt den einfachsten Bau unter allen darauf hin bekannten Cephalopoden, lässt aber die dieser Klasse eigenen Züge schon scharf hervortreten. Als solche nenne ich vor Allem die schräge Stellung der Drüse zum Eileiter, welcher von ihr nicht recht-, sondern schiefwinklig durchbohrt wird, und das Aufgeben der eigenen Wände von Seiten des Eileiters, da wo er mit den Ausführungs- gängen der Drüse zusammenfließt. Argonauta eigen ist die Lage der Eh ! Die »charakteristische reticuläre Struktur«, wie ULıanın sagt (Zool. Anzeiger. 1881. Nr. 92. p. 473). Vgl. außerdem Freuning, Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. II. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Vol. XVII. 1880. p. 152 und Brock, Über die Geschlechtsorgane einiger Muraenoiden. Mittheil. a. d. Zool. Stat. zu Neapel. Bd. II. 1880. p. 427. Anm. 4. Die »grob granulirten« Kerne der früheren Autoren sind nichts weiter als Kerne mit schön ausgeprägten Gerüsten, wie sie nach Behandlung mit Reagentien erscheinen, welche für die Erhaltung der Kernstruktur ungeeignet sind. 2 Welche ich nachträglich übrigens auch an dem Eierstock von Onychoteuthis aufgefunden habe. Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 583 Ausführungsgänge zur Drüse, welche bis nahe an ihr proximales Ende zurückgerückt sind (vgl. Fig. 14 A). Der Eileiter erscheint auf diese Weise auf Querschnitien von einem Ring von Drüsenhohlräumen umgeben, welche nur an einer einzigen Stelle, den proximalen Drüsenenden, mit ihm in Verbindung stehen. Hervorzuheben ist endlich auch das Fehlen der großen Samenreservoirs, welche sonst für die Philonexiden charak- teristisch zu sein scheinen (vgl. p. 585). Die ganze Drüse besteht daher nur aus einer Anzahl länglicher, im Querschnitt ovaler Säckchen, deren Längsachse der des Eileiters parallel läuft. Die Anzahl der Säckchen wechselt, da durch das Auftreten von Längsscheidewänden ein Säckchen in seiner unteren Hälfte oft noch nach- träglich in zwei getheilt wird, sie beträgt an meinen Exemplaren zwischen funfzehn und zwanzig. Bemerkenswerth ist, dass in derselben nirgends die sonst bei Gephalopoden so verbreitete Faltenbildung oder Entwick- lung eines drüsigen Maschenwerkes in der Wand stattfindet; es fehlt ab- solut jede Einrichtung, welche auf eine Vergrößerung der secernirenden Fläche abzielte. Kurz vor dem proximalen blinden Ende tritt von jedem Drüsensäckchen ein Ausführungsgang ab, der radiär nach innen und schräg distalwärts auf den Eileiter zuläuft und in ihn mündet. Unmittel- bar distalwärts von der Mündung dieser Ausführungsgänge verliert der Eileiter plötzlich seine bisherigen stark entwickelten bindegewebigen Wände (Fig. 14A, ov’) und mündet in ein viel weiteres und dünnwan- digeres Cavum, den distalen Theil des Eileiters (Fig. 14 A, ov). Das Drüsenepithel zeigt, so weit mir nach meinen durchgängig nicht gut erhaltenen Präparaten ein Urtheil möglich ist, eine merkwürdige Ähn- lichkeit mit dem Eileiterdrüsen- oder Nidamentaldrüsenepithel von Loligo. Auch hier scheint ein ursprüngliches geschichtetes flimmerndes Gylinder- epithel sich in der Weise umzuwandeln, dass zwei Zellschichten gebildet werden, eine untere von langen stäbchenförmigen Zellen mit basalen Kernen und einer oder seltener mehreren großen Vacuolen in der oberen Zelilhälfte, zwischen welchen sich von oben her bedeutend sparsamer keilförmig zugespitzte Zellen einschieben (Fig. 8). Ob die letztere Schicht, wie beiLoligo, Sepiola ete. hier auch schließlich abgestoßen wird, vermag ich nicht zu sagen; ich möchte es aber desshalb nicht glauben, ' weil sie noch erhalten waren, als das Epithel schon so stark wucherte, dass das ganze Lumen der Drüsen von abgestoßenen Zellen und ihrem Detritus dicht erfüllt war. 2) Tremoctopus violaceus delle Ch. Die weiblichen Geschlechtsorgane beider von mir untersuchten Philonexiden, der Tremoctopus violaceus und catenulatus weichen in 584 J. Brock, mehrfacher Hinsicht stark von denen der Octepodiden in engerem Sinne ab; es wird aber später der Nachweis angetreten werden, dass diese Abweichungen entsprechend der Stellung dieser kleinen interessanten Familie sich ungezwungen als niedrigere Differenzirungsstufen des all- gemeinen Bauplanes auffassen lassen. Wie ausnahmslos bei den Octo- poden fehlen auch hier Nidamentaldrüsen oder accessorische Nidamental- drüsen vollkommen und die weiblichen Geschlechtsorgane beschränken sich auf einen Eiersteck und zwei Eileiter, weiche je eine mächtig ent- wickelte Eileiterdrüse durchsetzen. Der Eierstock liegt durehschnittlich weit mehr dorsalwärts, als bei den Octopodiden und hat ventralwärts von sich nicht nur den mächtigen Magen, welcher den ganzen Fundus ausfüllt, sondern auch die Harn- säcke. Es ist ein sehr dünnbäutiger durchscheinender Sack von ovaler Gestalt, nach unten etwas zugespitzt, dessen Längsachse mit der Quer- achse des Thieres \Frontalebene) zusammenfällt. Die beiden — eigen- thümlicherweise asymmelrisch entwickelten — Eileiter (Fig. 10 od) ent- springen mit einem kurzen gemeinschaftlichen Stamm (Fig. 10 od’) von der unteren Fläche des Eierstockes. Der rechte, dessen proximalwärts von.der Eileiterdrüse liegendes Stück bedeutend länger, als das ent- sprechende des linken ist, zieht zuerst schräg nach außen und hinten ventralwärts über den (hier sehr langen) Mitteldarm hinweg, biegt dann plötzlich nach vorn in die mächtige Eileiterdrüse um, aus welcher er mit einem sehr viel stärkeren Kaliber hervorgeht (vgl. Fig. 10 od.d), zwischen Rectum und rechtem Kiemenherzanhang in der Wand des rechten Harnsackes unter den Kiemengefäßen durchzieht und ungefähr an der Grenze des hinteren Drittels zwischen den Kiemengefäßen und dem unteren Trichterrand mündet. Der linke Eileiter (Fig. 40 od. s) ver- läuft ganz ähnlich, nur ist das proximalwärts von der Eileiterdrüse liegende Stück entsprechend kürzer, weil es nicht von dem Darm ge- kreuzt wird, und der ganze EBierstock liegt dem Darm lateralwärts un- mittelbar an. Die Mündungen der Eileiter springen, wie bei Argonauta, nicht über die Oberfläche des Eingeweidesackes vor und sind so weiß seitlich gerückt, dass sie vom Depressor infundibuli verdeckt werden und bei Eröffnung der Mantelhöhle nicht gesehen werden können. Auch die beiden Wasserkanäle (Fig. 10 Ag) sind, wie ich gegen Vıeerius! bemerken muss, nicht ganz symmetrisch entwickelt, denn auch bier ist der linke etwas kürzer, als der rechte. Hervorzuheben ist, dass sie in ihrem Verlauf eine vollständige Unabhängigkeit von den Eileiter: behaupten (vgl. Brock, Phylog.d. Cephalop. p.233, Vıerrivs, l. c.p. 46). Sie entspringen zu beiden Seiten des gemeinsamen Eileiterstammes weit 1. c.p..0: 4 Hu M, | | Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 585 von einander getrennt etwa an der Grenze der dorsalen und der Seiten- flächen des Eierstockes mit erweiterter Mündung; der rechte tritt in einem nach hinten konvexen Bogen ventralwärts über den Mitieldarm hinweg an den Eileiter, zieht quer über ihn lateralwärts und gelangt an der lateralen Seite des Eileiters an die hier sehr dünnbäutige und weite Kiemenherzanhangskapsel, mit deren faschenförmig ausgezogener Harn- sackmündung er in der für die Octopoden typischen Weise zusammen- fließt. Der Verlauf des linken kürzeren Wasserkanals ist ganz ähnlich. So weit die Wasserkanäle lateralwärts dem Eileiter anliegen, sind sie durch Bindegewebe innig mit einem feinen Nerven vereinigt, welcher vom Kiemenganglion herabläuft, um sich auf der Eileiterdrüse zu ver- zweigen. Während der Bau des Eierstockes in allen Punkten mit dem von Argonauta übereinstimmt, nimmt der Eileiter in desto höherem Grade unser Interesse in Anspruch. Wir finden nicht nur die von Argonauta her bekannte Eileiterdrüse wieder, sondern davon getrennt am distalen Ende des Eileiters noch eine zweite, und die erste Eileiterdrüse hat gegen Argonauta in so fern eine Weiterentwicklung erfahren, als sie mit mächtigen Samenreservoiren versehen auftritt. Letztere werden ganz gelegentlich einmal von H. Mürzzr erwähnt (diese Zeitschrift. Bd. IV. 1852), sonst aber scheint der Eileiter von Tremoctopus violaceus noch niemals genauer untersucht worden zu sein. Die neu hinzugekommene » distale« Drüse ist noch wenig entwickelt und eigentlich nur eine starke dıüsige Verdickung der Wände. In das Lumen des BEileiters springen radiär gestellte Längsfalten vor, welche wieder mit sekundären besetzt sind: diese Falten verbinden sich aurch Querbrücken mit einander und so entsteht ein spongiöses Maschenwerk, ein System von kleinen Hohlräumen, welche unter sich und mit den centralen Lumen des Eileiters in Verbindung siehen. Der Eileiter, dessen Lumen auch dann noch durch radiär vorspringende Falten verengt wird, ist also allseitig von einem Ring von Drüsensubstanz umgeben, auf welche nach außen die eigentliche hauptsächlich aus eirkulär angeord- neten glatten Muskelfasern bestehende Wand Iolgt. Diese distale! und die eigentliche Eileiterdrüse werden durch ' einen bedeutend erweiterten Eileiterabschnitt von einander getrennt, ‚ dessen Wände keinerlei drüsige Struktur zeigen und an denen selbst die nie fehlenden Längsfalten auf ein bescheidenes Maß reducirt sind. 1 Fig.44B, gi’. Man vergleiche übrizens diese schemalische Figur, welche aber , be) ex») ko) $) ' genau nach Querschnittreihen konstruirt ist, bei der ganzen folgenden Beschreibune. Die distale Drüse ist roth, die eigentliche (proximale) Eileiterdrüse blau, das Ei- leiterepithel schwarz gehalten. 586 \ J. Brock, Nur gegen die Mündung der proximalen Drüse zeigen sich letztere wie- der mehr entwickelt und nehmen im Querschnitt eine sehr charakteristi- sche fächerlörmige Gestalt an, indem sie selbst zwar niedrig bleiben, aber mit einer Anzahl hoher strahlenförmig angeordneter sekundärer Fältchen dicht besetzt sind. Dass die proximale Eileiterdrüse der einzigen Eileiterdrüse der Ar- gonauta homolog ist, darüber kann im Hinblick auf ihre Struktur und ihr Verhältnis zum Eileiter kein Zweifel obwalten. Auch sie besteht aus etwa zwanzig vollkommen von einander getrennten, radiär um den Ei- leiter gestellten Drüsensäckchen , welche auch vollkommen getrennt von einander in den Eileiter münden, und an dieser Mündungsstelle (Fig. 14 B) verliert das proximalwärts von der Drüse liegende Stück des Eileiters seine bisherigen Wände, um mit den Ausführungsgängen der Drüse zu- sammen in einen viel weiteren Gang, den distalwärts von der Drüse liegenden Eileiter zu münden. Dieses Verhalten, welches nicht nur für alle Octopoden,, sondern in etwas modificirter Form auch für die Deka- poden Geltung besitzt, giebt uns auch das Recht, die untere (proximale) Drüse des Tremoct. violac. für das Homologon zunächst der einzigen Drüse der Argonauta zu erklären; in wie fern auch der Dekapoden und der höheren Octopoden wird später zu erörtern sein. Sonst zeigt sich diese Drüse gegen Argonauta noch darin höher differenzirt, dass die dort glatten Wände hier eine starke Oberflächenvergrößerung durch Falten- bildung zeigen (Fig. 11 gl), welche das Lumen eben so sehr verengt, als sie die secernirende Fläche vergrößert und hin und wieder sogar durch Bildung von Querbrücken zur Formation eines drüsigen Maschenwerkes Veranlassung giebt. Am meisten ausgezeichnet vor allen Dibranchiaten ist indessen Tremoctop. violaceus durch seine eigenthümlichen Samenreservoire, wahre Receptacula seminis. Es sind dies ebenfalls radiär gestellte geräumige Säcke mit ganz glatter, nicht gefalteter Oberfläche (Fig. 14B, Fig. Il r.s), welche sich zwischen den Eileiter und die Drüse einschieben,, so dass man auf Querschnitten durch die ganze Drüse an geeigneten Stellen (Fig. 11) ein sehr zierliches Bild erhält. Zu innerst der sternförmige Querschnitt des Eileiters, nach außen in zwei koncentrischen Kreisen erst die Querschnitte der Samenreservoirs (Fig. 14 r. s) und dann die der Drüsen. An ihrem distalen Ende fließen die Reservoirs mit den Drüsen zu einem gemeinschaftlichen weiten Ausführungsgange zusammen (Fig. 14 gl‘), proximalwärts überragen sie weit die Eileiterdrüsen und wachsen hier zu einem ganz beträchtlichen Umfange an. Ihre Bestim- mung wird durch die ganz enormen Samenmassen, welche ich bei der Mehrzahi meiner Exemplare in ihnen finde, hinreichend verständlich, Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 587 und mit Rücksicht darauf, dass die den Eileiter passirenden Eier doch schon befruchtet sein müssen, bevor sie sich mit der Hülle umgeben, die doch sicher von der Eileiterdrüse geliefert wird, erscheint die ge- meinsame Eileitermündung für sie und die Eileiterdrüse ja vollkommen zweckmäßig; wie aber die Spermatozoen den Weg gerade in diese Re- ceptacula seminis finden und wodurch es bewirkt wird, dass sie sich nie in die Eileiterdrüse oder den proximalen Theil des Eileiters ver- irren, darauf müssen wir eine Antwort vorläufig noch schuldig bleiben. Die Zahl der Receptacula entspricht genau der der Drüsensäckchen (Fig. 14), doch wird ihre Anfangs regelmäßige radiäre Anordnung mehr proximalwärts nach ihren blinden Enden zu eine unregelmäßigere. In- dem sie bei der bedeutenden Volumsvergrößerung trotz des Ver- schwindens der Drüse nicht mehr Raum genug für eine regelmäßige Stellung finden, schieben sie sich so in einander, dass zwei unregei- mäßige koncentrische Kreise um den Eileiter entstehen. Proximalwärts endigen die Samenreservoirs, wie gesagt, blind, doch nicht alle in gleicher Höhe, denn besonders die dem inneren Kreise angehörigen sind kürzer, der durch ihr Verschwinden frei gewordene Raum wird aber (auf Querschnittreihen) sofort von den äußeren Samenreservoirs ein- ‚genommen, welche also an ihrem blinden proximalen Ende die größte . Ausdehnung besitzen. In Bezug auf die Drüse selbst lehren übrigens Querschnittreihen mit der größten Deutlichkeit, dass sie, wie bei allen Dibranchiaten nicht recht-, sondern schiefwinklig vom Eileiter durch- bohrt wird. In Bezug auf den letzteren ist noch die Beschreibung seines proxi- malen Stückes von dem Punkte der Vereinigung mit den Ausführungs- ' gängen der Eileiterdrüse bis zur Eierstocksmündung nachzutragen. Der , kurze gemeinschaftliche unpaare Eileiter (Fig. 10 od’) ist weit, im Quer- | \ | i \ | | | | schnitt oval, fast linsenförmig und an beiden Längsseiten mit dichige- , drängten hohen Längsfalten besetzt, welche wiederum beiderseits dicht , mit sekundären stumpfen und niedrigen Längsfalten ausgestattet sind. Mit der Trennung beider Eileiter ist eine so regelmäßige Anordnung ‚ nicht mehr nachweisbar, doch sind auch diese so reich mit baumförmig ‚ verästelten, in einander eingreifenden Längsfalten ausgestattet, dass das Lumen im Querschnitt auf eine komplicirte sternförmige Figur reducirt erscheint. Mit dem Eintritt in die Drüse wird der Eileiter bis zu seiner Mündung in das distale Eileiterstück immer enger und seine Falten ‚ immer einfacher; letztere reduciren sich zuletzt auf drei bis vier niedrige breite Falten, die eben so genau in einander eingreifen, so dass das Ei- leiterlumen im Querschnitt die Form eines drei- bis vierstrahligen Sterns annimmt. J. Brosk, It (0) (08) Das Epithel des Eileiters und der distalen Drüse ist ein schönes hohes einschichtiges Cylinderepithel mit basalen Kernen, welches wenig- stens im Eileiter bestimmt flimmert; das der proximalen Eileiterdrüse ist niedriger, etwa kubisch zu nennen, aber ebenfalls einschichtig. Das der Receptacula seminis besteht wieder aus längeren Elementen, welche im oberen (distalen) Theil durchaus einschichtig angeordnet sind. In den Blindsäcken der Receptacula scheint eine Art von drüsiger Sekretion stattzufinden ; wenigstens war das Epithel stellenweise mehrschichtig und ganze Zellenreihen fanden sich abgehoben frei in der Samenmasse liegen — also wohl Wucherung und Abstoßung der Epithelien. Die in den Receptacula befindlichen Spermatozoen waren zu größeren oder kleineren Bündeln verklebt, welche radiär angeordnet waren, und zwar so, dass die Schwänze nach innen, die Köpfe nach außen gerichtet waren. Letztere standen in so engem Kontakt mit den Epithelialzellen, dass sie dieselben auf Schnitten verdeckten und undeutlich machten, ja stellenweise zwischen sie einzudringen schienen. Die Wand des Eileiters und der Drüse ist vorwiegend muskulös, und zwar ist die Anordnung der Muskelelemente eine ringförmige. Nur an der distalen Mündung sind denselben zu innerst auch Längsfaserzüge beigemischt, welche aber von der Haut des Eingeweidesackes stammen dürften. Weiter proximalwärts macht sich eine wohl durchweg vor- handene dünne bindegewebige Basalmembran bemerkbar; auch die Falten sind aus Bindegewebe gebildet, welches oft den ausgeprägien Typus des zellig-blasigen Bindegewebes zeigt. Das Gewebe, welches in der proximalen Eileiterdrüse den Eileiter umgiebt, ist aus Schnitt- präparaten, die mir ausschließlich zu Gebote standen, allein nicht sicher zu deuten. Ich betrachte es als Bindegewebe, dem regellos nach allen Seiten verlaufende Muskelzüge beigemischt sind, nur in der unmittel- baren Umgebung des Eileiters macht sich eine größere Anhäufung von Ringfasern bemerkbar. 3) Parasira (Tremoctopus) catenulata Steenstrp.i. Während diese Species in vielen Punkten ein Übergangsglied zwi- schen den Philonexiden und den Octopodiden bildet (vgl. Phylog. der 1 Tremoetopus catenulatus Fer. wurde schon 4860 von Sızznstrup (Vidensk. Meddel. naturhist. Foren. Kjebenhavn 4860. p. 333) als eigenes Genus unter dem Namen Parasira abgetrennt. In der That machen die anatomischen Unterschiede segen Tremoctopus violaceus (vgl. Phylog. der Cephalop. Tabelle p. 282, 283), ins- besondere der Bau des Q Geschlechtsapparates die generische Trennung unabweis- ich. Nicht einverstanden kann ich mich dagegen mit STEENSTRUP erklären, wenn er an demselben Orte Parasira für nächstverwandt mit Argonauta erklärt und beide Zur Anatomie und Systematik der Öephalopoden. 589 Cephalop. p. 281) schließt sie sich im Bau der Geschlechisorgane im All- gemeinen zwar eng an die Philonexiden as, ist aber ın einigen Punkten auch ganz eigenartig entwickelt. In dem selbständigen Verlauf der Wasserkanäle und der schwachen Muskulatur der Eierstockswand zeigt sich Parasira als echter Philonexide, in der außerordentlichen Länge der Eileiter und dem Bau der Eileiterdrüse weicht sie dagegen von allen bekannten Arten ab. Der Eierstock (Fig. 12 ov) ist von ovaler Gestalt, verhältnismäßig klein und zartwandig, und liegt, wie bei den Philonexiden, mehr dorsalwärts Genera in einer kleinen Subfamilie vereinigt. Es geschieht (wenigstens nach der auf die Beschaffenheit des Hectocotylus gegründeten Familiendiasnose) vorzüglich auf die unbewiesene und durch mich (Phylog. d. Cephalop. p. 2841 Anm.) direkt wider- legte Annahme, dass Philonexis Carenae Ver. das 5 von Parasira catenulata ist. Bei der jetzigen Lage unserer Kenntnisse zeigt sich Parasira noch am meisten mit Tremoctopus violaceus d. Ch. verwandt (Wassergefäßsystem, Muskulatur etc.), mit welchem ihn näher zusammenzubringen aber die Hectocotylisation von Tremoc- topus und der Bau des © Geschlechtsapparates und das Lebendiggebären von Para- sira verbieten. Es ist überkaupti nichi anzunehmen, dass das unbekannte 5 von Parasira einen freien sich ablösenden Hectocotylus besitzt, da meines Wissens wenigstens noch niemals ein © mit einem Hectocotylus in der Mantelhöhle bekannt geworden ist, und dochgbildet Parasira an einigen Stellen des Mittelmeeres keine allzuseltene Erscheinung. Nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse dürfte sich daher folgende Eintheilung der Philonexiden am meisten empfehlen: 1. Subfamilie. Hectocotyliferae. & mit freiem sich ablösenden Hectocotylus. a) Philonexidae s. str. Hectocotylus ohne Hautfransen. Wassergefäßsystem fehlend. Argonauta L. Philonexis d’Orb. b) Tremoctopodidae. Hectocotylus mit Hautfransen. Wassergefäßsystem vorhanden. Tremoctopus deile Ch. 2 sutlie, Parasiridae. Freier Hectocotylus nicht bekannt, wahrschein- lich nicht vorhanden. © mit sehr langen Eileitern, lebendig deßärehd! Parasira. Auf diese Weise würde eine ähnliche Vertheilung der Philonexis-Arten unter Tremoctopus und Philonexis zu Stande kommen, wie sie GrAy versucht (Catalogue of Moilusca in the collection of the British Museum. vol. 4. London 4849. p. 24 bis 27) und STEENsSTRUP früher selbst befürwortet hat (Hectocotylus dannelsen etc. Deutsche Übersetzung im Arch. f. Naturgesch. 1856. p. 245 Anm.). Mit der Resti- tution des RArınzsque’schen Genus Ocythoe für Parasira, weil RArınesque unter Ocy- ihoe nicht, wie bisher allgemein irrthümlich angenommen wurde, Argonauta, son- dern Parasira verstanden haben soll (Stzeenstrupr, Ommatostr. Blaekspr. p. 32), kann ich mich nicht befreunden. Dagegen verdient die leider ganz kurze Notiz in der- selben Schrift, dass die Eier von Parasira sich in den Eileitern entwickeln (StREN- STRUP, 1. c. p. 34, p. 37 Anm.), Parasira also der einzige lebendig gebärende Cepha- lopode ist, die vollste Beachlung. 990 J. Brock, im Fundus des Eingeweidesackes, so dass er ventralwärts größtentheils vom Magen bedeckt wird. Die Eileiter (Fig. 12 od), welche an einem mittelgroßen Exemplare die Länge von 20 cm erreichen, sind in viele unregelmäßige Windungen zusammengelegt, die durch Bindegewebe zu- sammengehalten werden, und bilden so zwei kompakte Packete zu bei- den Seiten des Eierstockes, welche ventralwärts größtentheils von den Harnsäcken bedeckt werden. Sie entspringen mit einem kurzen ge- meinschaftlichen Stamm (Fig. 12 od”) etwa an der Grenze zwischen hin- terer und dorsaler Fläche des Eierstockes. Die Eierstockmündung des unpaaren Eileiters ist der der höheren Octopoden sehr ähnlich; sie ist von einem kreisförmigen, fleischig verdickten Wulste umgeben, von dem sehr feine und eng gestellte Falten radiär ausstrahlen. Der kurze un- paare Stamm spaltet sich bald in zwei etwas dünnere drehrunde Ei- leiter (Fig. 12, od. d, od. s), welche darauf eine spindelförmige etwa dop- pelt so lange als breite Drüse durchsetzen (Fig. 12 gl.d, gl.s). In ihrem weiteren Verlauf bleiben sich die Eileiter an Kaliber gleich bis kurz vor der Mündung, wo sie zu etwas stärkerem Umfange anschwellen. Die distale Mündung der Eileiter selbst liegt hinter den Kiemengefäßen etwas median- und ventralwärts von den Harnsackpapillen;; sie ist von wulsti- gen fleischig verdickten Rändern begrenzt und springt kaum über die Oberfläche des Eingeweidesackes vor (Fig. 12 od. d', od.s'). | Die beiden Wasserkanäle (Fig. 12 ag) entspringen vom Eierstock mit stark erweiterten Mündungen zu beiden Seiten der unpaaren Eileiter- mündung. Der linke geht erst gerade nach hinten, Kreuzt sich dann mit dem Oviduct seiner Seite, indem er dorsalwärts unter ihm durch- tritt, so dass dieser wie an einer Schleife an ihm aufgehängt ist, zieht dann schräg nach vorn und lateralwärts, verbreitert sich wieder etwas und fließt in gewohnter Weise mit dem flaschenförmigen Hals der hier noch weiten und zarten Kiemenherzanhangskapsel zusammen. Die eiertragende Fläche, mindestens zwei Drittel der gesammten inneren Eierstocksoberfläche, ist wie gewöhnlich die dorsale und vor- dere. Die Anordnung der Eier ist nicht uninteressant. Es finden sich über 1 Dutzend große reich verzweigte Eierbäumchen, welche von einer Reihe sehr viel kleinerer, die Abstufungen aller möglichen Größenver- hältnisse bieten, kreisförmig umzogen werden. Die A. genitalis, welche, wie gewöhnlich, direkt aus dem Herzen kommt, tritt etwa in das Centrum der eiertragenden Fläche ein. Die histologische Untersuchung des Eierstockes ergiebt gegen Ar- gonauta und Tremoctopus violaceus keine wesentlichen Abweichungen. Beim Eileiter zeigt sich zunächst, dass die Volumszunahme an seinem distalen Ende zum größten Theil auf einer Verdickung der Wände, Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 91 jedenfalls aber nicht auf einer drüsigen Entwicklung derselben beruht. Eine »distale« Eileiterdrüse, wie bei Tremoctopus violaceus ist also hier nicht vorhanden. Das Lumen des Oviducts, welches einer langgestreckten Ellipse gleicht, liegt in Folge ungleicher Verdickung der Wand Anfangs excen- trisch. Die innere Oberfläche ist mit einer Reihe von radiär gestellten Längsfalten besetzt, welche selten gegabelt sind oder noch sekundäre Fältchen tragen. In dem proximalwärts von der Eileiterdrüse liegenden Theil ist die Wand rein bindegewebig und in den Fältchen kommt das zellig-blasige Bindegewebe oft sehr schön zur Beobachtung; doch treten an der Peripherie Muskelzüge auf, die sich in allen Richtungen kreuzen, und je weiter proximalwärts, desto mehr ins Innere vordringen und auch Bündel in die Falten hineinschicken. Gegen die Drüse hin ist der Eileiter zu äußerst von einer mächtigen Ringmuskelschicht umgeben, auf die nach innen Lagen von Längsmuskeln folgen. Das Epithel des distalwärts von der Eileiterdrüse liegenden Oviductabschnittes ist ein einschichtiges hohes flimmerndes Cylinderepithel. Die Eileiterdrüse (Fig. 12 gl) zeigt gegen Tremoctopus violaceus einen etwas komplicirteren Bau, dessen Verständnis erst durch Zurückfüh- rung auf die einfacheren Verhältnisse dieser Species möglich wird. Auch hier besteht die Drüse aus einer Anzahl um den Eileiter als cen- trale Achse radiär gestellier Taschen, welche gegen einander abge- schlossen sind ; auch hier öffnet sich der Eileiter gemeinschaftlich mit den Ausführungsgängen der Drüsenfächer in ein gemeinschaftliches Cavum, den distalwärts von der Drüse liegenden Eileiterabschnitt (Fig. 140, ov). Fanden wir nun bei Tremoctopus violaceus zwischen Drüse und Eileiter eine Reihe von ebenfalls radiär gestellten Blindsäcken, welche ' gemeinschaftlich mit den Eileiterdrüsen münden, so finden wir hier ' zwischen Drüse und Eileiter nicht weniger als zwei Reihen von radiär ge- stellten blindsackförmigen Anhängen, welche mittels eines kurzen gemein- ' schaftlichen Ausführungsganges in die Ausführungsgänge der Eileiter- ' drüse münden (Fig. 120, r.s, gl). Man hat also an gewissen Stellen der Drüse auf Querschnitten (Fig. 15) das zierliche Bild von nicht weniger als drei koncentrischen Kreisen von radiär gestellten Hohlräumen, ‚ welche den Querschnitt des Eileiters als Mittelpunkt umgeben. Die , distalwärts sehr verschiedene Länge dieser drei Kreise von Blindsäcken | ist genügend deutlich aus dem schematischen Längsschnitt (Fig. 14 C) | ersichtlich. | Die Deutung dieser Gebilde ist nicht leicht. Die histologische Unter- ‚ suchung zeigt zunächst, dass die beiden äußeren Kreise von Blindsäcken Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. \ 40 592 J. Brock, (Fig. 15.B, gl, gl’) in ihrem Bau eben so übereinstimmen, wie sie sich von dem innersten unterscheiden. Der innerste Kreis (Fig. 15 B, r.s) zeigt gar keine Faltenbildung seiner Wände und ein geschichtetes flimmerndes Cylinderepithel, die Drüsensäckchen, welche die beiden äußersten Kreise bilden, zeigen eine, wenn auch geringentwickelte Faltenbildung ihrer peri- pherischen Wände (die radialen bleiben frei) und ein kleinzelliges etwa kubisches nicht flimmerndes geschichtetes Epithel. Die beiden äußeren Kreise von Drüsensäckchen gehören also ihrem Bau nach zusammen, und das giebt uns einen Fingerzeig zu ihrer Deutung. Wenn nämlich einer von den drei vorhandenen Kreisen von Blind- säcken den Receptacula seminis von Tremoctopus homolog ist, so kann es nach Lage und Bau nur der innerste (Fig. 45B, r.s) sein!. Dann würden also die beiden äußeren Kreise der einzigen Eileiterdrüse von Tremoctopus homolog sein, wir würden statt eines Kranzes von Drüsen- säckchen hier deren zwei haben. Octopus und Eledone bilden eine überraschende Bestätigung dieser Deutung (Geschlechtsorg. d. Gephalop. 1. Beitrag. p. 101 sqq., Fig. 24). Hier finden wir, wie ich zuerst nachgewiesen habe, die scheinbar ein- fache Eileiterdrüse aus zwei wohlentwickelten Drüsen zusammenge- setzt, welche, wie bei Parasira, vollkommen von einander getrennt sind und nur mit ihren Ausführungsgängen zusammenfließen. Diese Drüsen entsprechen den beiden Drüsen von Parasira, bei welcher die Erkennung des wahren Sachverhaltes nur durch die geringe Entwicklung der secer- nirenden Oberfläche erschwert wird, welche die Drüsen äußerlich als solche schwer kenntlich macht ; doch haben wir ja einen noch niedrigeren Zustand bei Argonauta in dem Mangel jeglicher Oberflächenvergrößerung kennen gelernt, während Tremoctopus sich in diesem Punkt allerdings höher organisirt zeigt. So stimmt die phylogenetische Stellung der Eileiterdrüse von Para- sira überraschend mit der phylogenetischen Stellung der Species über- haupt. Parasira ist ein Mittelglied zwischen Tremoctopus und den Octopodiden und eben so die Eileiterdrüse, welche noch die Samen- reservoire von Tremoctopus besitzt, die den Octopodiden schon fehlen, und dabei doch schon wieder mit der doppelten Eileiterdrüse der Octo- podiden ausgestattet ist, während Tremoctopus nur eine einfache auf- zuweisen hat. Ob die doppelte Eileiterdrüse von Parasira und den Octopodiden durch Zusammentritt der am distalen Eileiterende von Tremoctopus ent- wickelten (Fig. 14 .B, gl”) mit der ursprünglichen Eileiterdrüse entstanden i Wenngleich ich in ihnen bei den beiden untersuchten Exemplaren von Para- sira niemals Spermatozoen gefunden habe. Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 5953 ist, wie ich früher annahm, oder, was mir jetzt wahrscheinlicher ist, durch Theilung der letzteren, darüber lässt sich auf der Basis der vor- liegenden Thatsachen noch keine Entscheidung treffen. Der Eileiter erweitert sich gegen das distale Ende der Drüse be- deutend und erhält reichlich baumförmig verzweigte Längsfalten. Das Epithel wird geschichtet und Flimmern sind an ihm nicht mehr zu bemerken. Das Stroma der Eileiterdrüse zeigt dieselben Verhältnisse wie bei Tremoctopus; ein homogenes Bindegewebe, das zahlreiche Muskel- fasern durchziehen, welche um den Eileiter sich zu einer Ringmuskel- schicht anhäufen, zwischen den Drüsensäckchen und den Samenreser- voiren mehr radiär verlaufen. III. Allgemeines. 1) Die Eileiterdrüse. Trotz des gewonnenen weiteren Gesichtskreises ist es doch noch nicht möglich, ein für den Bau der Eileiterdrüse aller Gephalopoden gültiges Schema aufzustellen. Dazu müsste die Eileiterdrüse von Nauti- lus, über die wir so gut wie nichts wissen, besser bekannt sein, dann aber müsste auch die Untersuchung der anscheinend sehr abweichend gebauten Eileiterdrüse von Enoploteuthis genauere Resultate ergeben haben, als es die Untersuchung des einen mangelhaft konservirten Exemplares zuließ. So viel können wir aber doch mit Sicherheit aus- sagen, dass die Eileiterdrüsen aller übrigen Arten homologe Gebilde sind, sie stimmen abgesehen von ihrer Lage bei allen sonstigen Ver- schiedenheiten in drei höchst charakteristischen Merkmalen mit einander überein. Nämlich dass 1) die secernirenden Hohlräume radiär um den Eileiter gestellt sind (vgl. hierzu, wie zu Folgendem, die schematischen Figuren A44—17), 2) dass die Drüse mit ihrem größten Querschnitt nicht recht-, sondern schiefwinklig zum Eileiter steht, 3) dass der Ei- leiter nicht als solcher die Ausführungsgänge der Eileiterdrüse aufnimmt, sondern gemeinschaftlich mit den Drüsenausführungsgängen in einen weiteren Kanal mündet, den distalwärts von der Drüse gelegenen Ei- leiterabschnitt, %) dass die Ausführungsgänge (Octopoden) oder Kom- munikationen (Dekapoden) der Drüse mit dem distalen Eileiterabschnitt sich nie am distalen Ende der Drüse finden, sondern immer mehr oder weniger weit proximalwärts zurückgeschoben sind, so dass das distale Ende der Drüse blind geschlossen ist. Innerhalb dieser durch obige gemeinsame Merkmale zusammen- gehaltenen Gruppe stehen sich aber nun Octopoden und Dekapoden scharf 40% 594 J, Brock, gegenüber. Bei den Octopoden haben wir in der Eileiterdrüse eine An- zahl radiär gestellter drüsiger Säckchen, in welchen die nöthige Größe der secernirenden Oberfläche durch reiche Buchten- und Faltenbildung der Wand erreicht wird; bei den Dekapoden eine sehr viel größere An- zahl feiner, dicht und regelmäßig gestellter Drüsenblättchen, bei denen dafür aber jede Oberflächenvergrößerung fehlt oder nur in geringem Maße und in genau gesetzmäßiger Anordnung (Sepia) stattfindet. Bei den Octopoden münden die Drüsensäckchen durch besondere kurze Ausführungsgänge in den distalen Eileiterabschnitt, bei den Dekapoden kann man von Ausführungsgängen nicht sprechen; der proximale Ei- leiterabschnitt (Fig. 16 00’) mündet frei in ein centrales Cavum, aus wel- chem dann der distale Abschnitt des Eileiters hervorgeht und mit welchem alle Theile der Drüse in offener Kommunikation stehen. Von beiden Typen ist wahrscheinlich der der Dekapoden als der höher differenzirte anzusehen; dafür spricht der bedeutende Fortschritt in der Ausprägung der charakteristischen Gephalopodeneigenthümlichkeiten, wie vor Allem das Aufgehen von Eileiter und Drüse zusammen in einen großen ge- meinschaftlichen Hohlraum, dessen direkte Fortsetzung der distale Ei- leiterabschnitt ist. Unter den Octopoden steht Argonauta, deren Drüse (Fig. 14 A, 154) fast das oben dargelegte Schema repräsentirt, bei Weitem am niedrigsten und auch am niedrigsten von allen darauf hin bekannten Cephalopoden überhaupt. Eine Reihe von radiär gestellten Drüsensäckchen mit sehr weit proximalwärts zurückgeschobenen Ausführungsgängen, noch ohne jede Oberflächenvergrößerung, das ist eigentlich Alles. Dagegen zeigt Tremoctopus (Fig. 15.B) einen bedeutenden Fortschritt. Erstens sind die Drüsensäckchen (Fig. 15 B, gl’), deren Ausführungsgänge bedeutend weiter distalwärts verschoben sind, durch reiche Oberflächen- vergrößerung wirklich drüsig entwickelt, weiter haben sie kolossale Samenreservoire entwickelt (Fig. 153, r.s), welche in ihre Ausführungs- gänge münden. Eine zweite Drüse ist an der distalen Mündung des Eileiters aufgetreten (Fig. 15 B, gl"); sie zeigt aber geringe Selbständigkeit und ist eigentlich nur eine drüsige Verdickung der Eileiterwand. Diese Drüse ist höchst wahrscheinlich auf Tremoctopus allein beschränkt. Parasira (Fig. 140, 45B) steht in so fern hinter Tremoctopus zu- rück, als die Vergrößerung der secernirenden Oberfläche in den Drüsen geringfügig ist, wenn auch nicht ganz fehlend, wie bei Argonauta. Auch die Samenreservoire sind schwächer entwickelt‘, als bei Tremociopus, dagegen finden wir bemerkenswertherweise statt einer Eileiterdrüse, wie bisher, deren zwei vor, welche wahrscheinlich durch Theilung aus der einen bisherigen hervorgegangen sind. Zur Anatomie und Systematik der Gephalopoden. 595 Octopus und Eledone endlich bekunden in jeder Beziehung die höchste Differenzirungsstufe. Die Receptacula seminis sind aufgegeben worden, die doppelte Eileiterdrüse von Parasira aber in genau derselben Lage (Fig. 14 D) beibehalten und weiter entwickelt worden. Beide Drüsen zeigen sich nämlich nicht nur mit der reichsten Oberflächenvergrößerung und Buchtenbildung — also drüsiger Entwicklung ihrer Wände — aus- gestattet, sondern bei der distalen Drüse ist auch der radiäre Bau durch Verschmelzung der einzelnen Drüsensäckchen verwischt (Fig. 150, gl) und nur noch in der Anordnung der Ausführungsgänge erhalten. Das ist die höchste Differenzirungsstufe, die wir bei Cephalopoden überhaupt kennen. Die Differenzirungsreihe der Eileiterdrüse der Octopoden ist daher folgende: 1. Stufe. Drüse aus einer Reihe von radiär um den Eileiter angeordne- ten Blindsäcken bestehend, ohne jede Oberflächenvergrößerung der secernirenden Fläche. — Argonauta (Fig. 14A, 15A). 2, Stufe. Drüse durch reichliche Vergrößerung der secernirenden Fläche gut entwickelt, zwischen Drüse und Eileiter hat sich ein Kranz von stark entwickelten Receptacula seminis eingeschoben. — Tremocto- pus violaceus (Fig. 14B, 11). 3. Stufe. Die Receptacula seminis sind noch vorhanden, wenngleich be- deutend geringer entwickelt als bei Tremoctopus, dagegen hat sich zwischen Receptacula seminis und der ursprünglichen Drüse eine neue zweite eingeschoben, die drüsige Entwicklung der Wände beider Drüsen ist nur gering. — Parasira catenulata (Fig. 140, 15B). 4. Stufe. Die Receptacula seminis sind ganz verloren gegangen, beide Eileiterdrüsen dagegen, die ursprüngliche und die von Parasira neu erworbene beibehalten und sehr stark drüsig entwickelt. Bei der distalen Drüse ist die drüsige Entwicklung sogar so weit gegangen, dass sie zu einer Verschmelzung der Drüsensäckchen unter einander geführt hat. — Octopus, Eledone (Fig. 14D, 150). ) So erhalten wir also für die Eileiterdrüse eine Differenzirungs- | reihe Argonauta - Tremoctopus violaceus - Parasira (Trem.) catenulata- Octopus und Eledone, welche auf das schönste und genaueste mit den , Differenzirungsreihen auch anderer Organsysteme (Muskulatur, Wasser- gefäßsystem etc., vgl. Phylog. Tabelle p. 282) übereinstimmt. | Im Gegensatz zu der mannigfaltigen Gestaltung der Eileiterdrüse bei den Octopodiden ist ihr Bau bei den Dekapoden (Fig. 16) ein sehr , einförmiger. Eine Weiterbildung gegen die Octopoden, welche die 596 J. Brock, Dekapoden scharf charakterisirt, ist die Ausstattung des immer (mit Aus- nahme von Thysanoteuthis) verhältnismäßig sehr kurzen distalen Ei- leiterabschnittes mit zwei Reihen von Drüsenblättchen, die dort, wo sie an die Drüse grenzen, durch.einen Halbkreis von Drüsenblättchen in ein- ander übergehen (Fig. 16 ov, x). Sonst aber sind die Eileiterdrüsen bei den verschiedenen Species eigentlich nur in Bezug auf ihre.relative Größe von einander verschieden. Bei Weitem am größten sind sie bei Loligo, am kleinsten bei Ommatostrephes; Thysanoteuthis (Fig. 3) ist durch die ungemeine Entwicklung des distalen Eileiterabschnittes ausgezeichnet. Die Eileiterdrüse von Enoploteuthis (Fig. 17) weicht darin funda- mental von der aller übrigen Cephalopoden ab, dass die secernirenden Elemente sich zu beiden Seiten des Eileiters befinden und noch nicht radiär um denselben angeordnet sind. Möglicherweise haben wir hier ein sehr primitives Verhalten vor uns, wie es mit dem des übrigen © Geschlechtsapparates (Mangel der Nidamentaldrüsen!) im Einklang stehen würde. So lange aber dies Faktum so isolirt dasteht, als es bis jetzt der Fall ist, wird man gut thun, sich weiterer theoretischer Erörterungen darüber noch zu enthalten. 2) Die sogenannten Wasserkanäle und die Visceropericardialhöhle. Im Jahre 1839 entdeckte Kronn 1 bei Eledone die von ihm so genann- ten » Wasserkanäle«; lange, dünne drehrunde Kanäle, welche die Kapsel der Geschlechtsdrüse mit den Harnsäcken in offene Verbindung setzen, indem sie dicht unter den papillenförmigen äußeren Mündungen der Harnsäcke (Ureteren) mit dem flaschenförmig verlängerten Halse der Kiemenherzanhangskapsel zusammenfließen und durch diesen mit dem Harnsack kommuniciren (vgl. Geschlechtsorg. der Gephalop. 1. Beitrag. Taf. IV, Fig. 36, 37). Dies interessante anatomische Faktum fand aber leider keineswegs die verdiente Beachtung. Kein einziger der nach- folgenden Untersucher hat es unternommen, auf den Kroun’schen An- gaben weiterzubauen, und so konnte es dahin kommen, dass in der letzten umfassenden Darstellung der Gephalopodenanatomie von KErEr- STEIN in Bronw’s »Klassen und Ordnungen des Thierreichs« die Wasser- kanäle der Octopoden gänzlich ignorirt wurden. Als ich vor einigen Jahren anfing, mich mit diesen Verhältnissen näher zu befassen, konnte ich nicht nur die Kronn’schen Angaben im vollsten Umfange bestätigen, sondern es glückte mir auch, ein ähnliches Verhalten bei den Dekapoden nachzuweisen. Ich fand in dem Harnsack 1 Über das wasserführende System einiger Cephalopoden. Mürn. Arch. 4839. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 597 der Dekapoden (Sepia, Loligo, Sepiola) dicht unter den Harnsackpapillen ganz ähnliche Mündungen auf, wie die der Wasserkanäle bei den Octo- poden und es gelang mir der Nachweis, dass man durch diese Mün- dungen jederseits in einen rasch sich erweiternden Raum gelangt, welcher direkt mit der Kapsel des Kiemenherzens und der Geschlechts- drüse kommunicirt. Im Übrigen aber war ich in der Erkenntnis dieser Verhältnisse weniger glücklich, weil ich durch die große Ähnlichkeit in Lage und Gestalt der Harnsackmündungen des Wassergefäßsystems zwischen Octopoden und Dekapoden verführt, bei meinen Untersuchungen von der vorgefassten Meinung ausging, dass es sich bei den Dekapoden ebenfalls um kanalartige Bildungen handeln müsste. So war es ViGELIuUs vorbehalten, nachzuweisen (l. c.), dass bei den Dekapoden gar keine gesonderte Genitalkapsel existirt, sondern die Geschlechtsdrüse zu- sammen mit dem Herzen und einem Theil des Magens in einer weiten Höhle liegt, welche außerdem mit der Kiemenherzkapsel und durch die von mir entdeckten flaschenförmigen Mündungen auch mit den Harn- säcken kommunicirt. VıseLius nannte diese Höhle passend die Viscero- pericardialhöhle. Waren so die Thatsachen richtig erkannt, so ließ eine Deutung der- selben zunächst noch auf sich warten. Die Ähnlichkeit der Harnsack- mündungen bei Octopoden und Dekapoden war doch zu groß, um jegliche Verwandtschaft zwischen Visceropericardialhöhle und Wasserkanälen kurzweg zu leugnen, einer direkten Homologisirung standen aber wo- möglich noch größere Unterschiede entgegen; hier war es die Kapsel der Geschlechtsdrüse, welche durch lange enge dickwandige Kanäle mit den Harnsäcken kommunicirt, dort die Visceropericardialhöhle mit ihrem heterogenen Inhalt und den kurzen, weiten, dünnhäutigen Harnsack- mündungen. VıiseLius (Exkretionssyst. d. Gephalop. p. 58) leugnet eine Homologie geradezu und will nur »phylogenetische Beziehungen«, die Abstammung von einer gemeinschaftlichen Urform gelten lassen, v. Inering ! betonte dem gegenüber wieder eine nähere Verwandtschaft, ohne indessen für seine Auffassung neue Gründe beizubringen. Und doch ist die Lösung so schwer nicht. Vor allen Dingen muss man sich aber darüber klar werden, dass die beiden Dinge, welche mit einander verglichen werden sollen, nämlich die Visceropericardialhöhle der Dekapoden und die Genitalkapsel der Octopoden gar nicht so ver- schieden sind, wie es den Anschein hat?. Wenn, wie ich nachgewiesen 1 H.v. IuErıng, Über die Verwandtschaftsverhältnisse der Cephalopoden. Diese Zeitschrift. XXXV. 4880. 2 Was VisELius merkwürdigerweise entging. Er hat diesen Punkt mit in seine Diskussion gezogen, beharrt aber darauf, dass Visceropericardialhöhle der Deka- >98 J. Brock, habe (Geschlechtsorg. d. Cephalop. 1. Beitrag. p. 15), bei der 5! Sepia der Hoden aus der Visceropericardialhöhle herausgetreten ist und sein Sekret durch einen kurzen Ausführungsgang in sie entleert, so giebt uns das einen deutlichen Fingerzeig, wie wir uns die Umwandlung der Visceropericardialhöhle der Dekapoden in die Genitalkapsel der Octo- poden zu denken haben, nämlich durch Austritt sämmtlicher in ihr ent- haltenen Eingeweide, mit Ausnahme der Geschlechtsdrüse. Die Geni- talkapselder Octopoden ist daher die reducirte Viscero- pericardialhöhle der Dekapodenund ihr direkthomolog!. Für den Hoden der Octopoden und seine Kapsel dürfte die Sache wohl klar sein, da hier die Verhältnisse sonst dieselben , wie bei den Dekapoden sind. Nicht so beim Eierstock : gerade dessen abweichendes Verhalten hätte schon längst zu einer näheren Prüfung und zur Ent- deckung der wahren Sachlage führen können. Schon eine oberflächliche Vergleichung eines Dekapodeneierstockes mit dem eines Octopus oder einer Eledone hätte genügt zu zeigen, dass beides unmöglich schlechthin homologe Organe sein können. Bei den Dekapoden ein baumförmig reich verästeltes Organ, an der Dorsalwand der Visceropericardialhöhle in verschiedener Ausdehnung befestigt, bei den Octopoden ein geschlos- sener Sack mit dicken muskulösen Wänden, der bei der Eröffnung an seiner Dorsalwand ein eiertragendes Parenchym befestigt zeigt, welches vollkommen mit dem Eierstock der Dekapoden übereinstimmt. Wo kommt nun dieser muskulöse Sack her? Eine befriedigende Antwort darauf wäre früher eben so schwer zu geben gewesen, als sie nach obigen Reflexionen einfach ist. Der Sack ist die Wand der ehe- maligen Visceropericardialhöhle, welche nach Austritt sämmt- licherEingeweide mit Ausnahme des Eierstockes sich fleischig verdickt hat. Von dem sogenannten Eierstock der Octopoden ist daher nur das eier- tragende Parenchym dem Eierstock der Dekapoden homolog, die Eier- stockswand dagegen der Genitalkapsel der g! Octopoden oder der redu- cirten Visceropericardialhöhle der Dekapoden. Eine Mittelstellung nehmen auch hier wieder die Philonexiden ein, bei denen die fleischige Ver- diekung der Eierstockswand noch sehr geringfügig ist. Eine besondere Besprechung erfordern noch die Wasserkanäle. poden und Genitalkapsel der Octopoden nichts mit einander zu thun haben, eben so wie er auch irrigerweise annimmt, dass eine Genitalkapsel den @ Octopoden fehle (1°°C2P.609: 1 Es gereicht mir zur großen Genugthuung, hier konstatiren zu können, dass Herr Dr. GrOBBEN, wie ein persönlicher Gedankenaustausch über dies Thema bei Gelegenheit der Salzburger Naturforscherversammlung ergab, unabhängig von mir genau zu derselben Auffassung gekommen ist. . Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 599 Wenn immer mehr Eingeweide aus der Visceropericardialhöhle austraten, musste die so verkleinerte Höhle, da die austretenden Eingeweide ge- 'rade ihre vordere Hälfte einnahmen (Magen , Herz etc.) und beim Aus- "tritt ihre Lage nicht noihwendig zu ändern brauchten, dadurch von den äußeren Harnsackmündungen, den Ureteren, abgedrängt werden. ImFall also die Kommunikationen mit den Harnsäcken erhalten blieben, mussten sie sich zu immer längeren und dünneren Kanälen ausziehen, aus denen dann durch eine ähnliche muskulöse Verdickung der Wände, wie bei dem Eierstock der Octopoden, die langen, dünnen dickwandigen Wasser- kanäle derselben hervorgehen konnten. Die Wasserkanäle der Octopodensind daher Theile der Visceropericardialhöhle. Die enge Beziehung zu den Eileitern, welche der Verlauf der Wasser- kanäle bei den Octopodiden zeigt, konnte nur so lange befremden, als man die Verhältnisse bei der niedrigeren Octopodengruppe, den Philo- nexiden, noch nicht kannte. Bei letzteren (Tremoctopus und Parasira) verlaufen die Wasserkanäle noch ganz unabhängig von den Eileitern und zeigen so deutlich, dass das Verhalten der Octopodiden als eine (unwesentliche) sekundäre höhereDifferenzirung aufgefasst werden muss. Eine zweite eben so unwesentliche Differenzirung, welche aber schon die Philonexiden zeigen, hat an der Harnsackmündung Platz ge- griffen. Die Kiemenherzkapsel, welche bei den Dekapoden das Kiemen- herz mit seinem Anhange enthält und mit der Visceropericardialhöhle kommunicirte, hat sich bei den Octopoden in zwei Kapseln getheilt, von ' denen die eine, welche das Kiemenherz enthält, vollkommen abgeschlos- sen ist, während die Kommunikation mit der Visceropericardialhöhle auf die hier selbständige Kapsel des Kiemenherzanhanges übergegangen ‚ ist. Nur ist es nicht die Visceropericardialhöhle s. str., mit welcher die | Kiemenherzanhangskapseln kommuniciren, denn eine solche giebt es | ja bei den Octopoden nicht, sondern die Wasserkanäle, mit deren Mün- | dung in die Harnsäcke dicht unter den Ureteren sie mit einem flaschen- | förmig verlängerten Halse zusammenfließen. So ist das Verhalten der \ Kiemenherzanhangskapsel zum Wasserkanal ihrer Seite ein schlagender | Beweis für die Behauptung, dass die Wasserkanäle der Octopoden Theilen " der Visceropericardialhöhle der Dekapoden homolog sind und zwar ‚können wir uns auf Grund dieser Thatsache weiter dahin aussprechen, ‚dass die Wasserkanäle der Octopoden dem vorderen, die 'Genitalkapsel derselben dem hinteren Abschnitt der ‚Visceropericardialhöhle der Dekapoden entspricht. Argonauta und Philonexis Carenae endlich, welche auch sonst des ‚Räthselhaften so viel bieten, sind die einzigen bekannten Dibranchiaten, welche die Beziehung der Visceropericardialhöhle (Genitalkapsel) zu den 600 Der Hoden ist aus der Vis- ceropericardialhöhle ausge- treten und entleert sein Se- kret durch einen besonderen Ausführungsgang in die- selbe. Sepiad J. Brock, Kommunikationen d. Viscero- pericardialhöhle mit dem Harnsack zu engen schlitz- förmigen Öffnungen gewor- den, welche noch nahe bei den Ureteren münden, aber doch deutlich von ihnen ge- trennt sind. Myopsiden ! Pericardialhöhle hat nicht nur Herz und große Gefäße, son- dern auch Theile desDarmes, Magens und Geschlechts- drüse in sich aufgenommen (Visceropericardialhöhle). Sie kommunieirt nicht mehr mit der Kiemenhöhle, son- dern mit den Harnsäcken, aber dieKommunikationsöff- nungen sind weite Schlitze, welche mitden Ureteren fast zusammenfließen. Oegopsiden | Pericardialhöhlle, die aber auch mit der. Bauchfells- tasche kommunicirt, in wel- cher Magen und Geschlechts- drüse liegen, durch zwei dichtnebendenUrete- ren liegende Schlitze sich in die Kiemenhöhle öffnend. Nautilus Kiemenherzanhangskapsel u. Wände der Visceropericar- dialhöhle beim Q@ fleischig verdickt, mit dem in ihr ent- haltenen Eierstock schein- bar ein selbständiges Einge- weidebildend. Wasserkanäle dicht neben den Eileitern entspringend und in der pro- ximalen Hälfte ihres Ver- laufesihnen dichtanliegend. Octopus, Eledone | Alle Eingeweide mit Aus- nahme der Geschlechtsdrüse sind aus der Visceropericar- dialhöhle ausgetreten, wel- che dadurch zur Kapsel der Geschlechtsdrüse geworden ist. Kommunikationen mit den Harnsäcken dadurch zu langen dünnen Kanälen aus- gezogen, welche aber auch nicht mehr mit den Harn- säcken direktkommuniciren, sondern mit der flaschenför- mig zugespitzten Kapsel des Kiemenherzanhanges zu ei- ner gemeinschaftlichenMün- dung zusammenfließen. Ge- nitalkapselwand noch dünn- häutig, eben so Kiemenherz- anhangskapselnoch weitund dünnhäutig; Wasserkanäle nach Ursprung und Verlauf von Eileitern noch ganz un- abhängig. Parasira catenul. Tremoctopus violaec. | DENE TON Die Wasserkanäle sind vol) kommen verloren gegangen: die Visceropericardialhöhle (Genitalkapsel) also von den Harnsäcken vollkommen ab- geschlossen. Argonauta Philonexis Carenae . Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 601 Harnsäcken völlig aufgegeben haben, indem bei ihnen nach meiner für Argonauta von VıeeLius (Excretionssyst. der Gephalop. p. 47) be- stätigten Entdeckung die Wasserkanäle ganz vermisst werden (Phylog. d. Gephalop. p. 232). Argonauta und Philonexis vertreten daher die höchste Differenzirungsstufe der Pericardialhöhle, welche überhaupt er- reicht wird. Auf Grund dieser Erscheinungen und der ViezLivs’schen Angaben für Nautilus und die Oegopsiden (Excretionssyst. d. Gephalop. p. 30, 47), denen ich auch in Bezug auf die Deutungen vollkommen beistimme, lässt sich für die Visceropericardialhöhle jetzt folgende Stammesgeschichte aufstellen, welche ich der Kürze wegen gleich in Stammbaumform beige- fügt habe. Da auch für dies eine Organsystem der Ort der Abzweigung der Octopoden vom geraden Dibranchiatenstamm zweifelhaft gelassen werden muss, ist die muthmaßliche Stelle mit einem Fragezeichen ver- sehen worden. Wie man sieht, deckt sich der Stammbaum dieses einen Organ- systemes bis auf Einzelnheiten mit dem der Dibranchiaten überhaupt, wie er in meiner Phylogenie der dib. Gephalopoden durchgeführt wor- den ist. Nautilus und die Oegopsiden stehen auch hier wieder am An- fang, Sepia und die Octopodiden am Ende der Differenzirungsreihe. Aber abgesehen von diesem theoretischen Interesse dürfte auch bei strenger Beschränkung auf die ermittelten Thatsachen die Behauptung nicht zu gewagt erscheinen, dass das Wassergefäßsystem jetzt im Lauf weniger Jahre zu einem der am besten bekannten Organsysteme der Gephalopo- den geworden ist. 3) Über einige neue oder wenig bekannte Cephalopoden | der Göttinger Sammlung. a) Tremoctopus ocellatus.n. sp. Das vorliegende Exemplar (Taf. XXX VII, Fig. 1, 2) hat etwa die Größe von Philonexis Carenae Ver., dagegen den Habitus von Tremoctopus violaceus delle Ch., insbesondere theilt es mit dieser Art die leicht konische Zuspitzung des hinteren Körperendes. Die Arme ordnen sich nach der Länge: 1,2, 4,3. Das ventrale Armpaar ist ungefähr so lang, das zweite etwas länger als der Körper, das dorsale drei- bis viermal so lang, doch lässt sich dessen Länge nicht genau bestimmen, da die Spitze nicht un- verletzt ist. Stellung und Form der Saugnäpfe wie bei Tremoctopus violaceus. | Umbrella sehr verschieden entwickelt: zwischen dem ventralen Armpaar nur ein schwaches Velum, beiderseits nach oben allmählich in die Arme verschmälert; zwischen dem dritten und vierten Armpaare 602° er stärker entwickelt und etwa bis zur Grenze des unteren Drittels des vierten, der unteren Hälfte des dritten Armpaares reichend, gegen das vierte Paar scharf abgesetzt, gegen das dritte ganz allmählich nach der Außenseite der Arme zu verschmälert; zwischen dem dritten und zwei- ten Armpaar ebenfalls schwach entwickelt, gegen das zweite scharf ab- gesetzt, gegen das dritte bis auf die Hälfte seiner Länge allmählich ver- schmälert. Zwischen dem ersten und zweiten Armpaare ist das Velum wieder stark entwickelt; es reicht fast bis zur Grenze der unteren Hälfte des zweiten Armpaares, um sich dann ganz allmählich bis zur Spitze zu verschmälern, am ersten Armpaar erstreckt es sich in der weiter unten näher zu beschreibenden Weise fast bis zur Spitze; das Velum endlich zwischen dem dorsalen Armpaar reicht nicht ganz so hoch, wie zwischen dem ersten und zweiten, setzt sich aber stark verschmälert fast bis auf die Spitze fort. Das erste Armpaar verliert nämlich sehr bald seine Saug- näpfe und verschmälert sich zu ganz dünnen Strängen, welche eine gleichmäßige Dicke von circa | mm beibehalten. Auf.diese Stränge setzt sich beiderseits das Velum in ebenfalls gleichmäßiger Breite von etwa 0,5 cm fort, und endet erst 1—4!/, cm unter der Spitze mit gerade abgeschnittenem Rande, nicht allmählich in die Spitze verschmä- lert. Höchst charakteristisch für diese Velarfortsätze sind vielfache Faltungen und Kräuselungen, stellenweise kommt es sogar zu richtigen beutelfürmigen Aussackungen. Die Spitzen der distal- wärts vom Velum liegenden freien Endstücke der Rückenarme waren leider beiderseits verletzt; da das vorhandene Stück nur eine ganz ge- ringe Verjüngung zeigt, so lässt sich annehmen, dass das verloren ge- gangene Bruchstück (in der Figur mit punktirten Konturen hypothetisch ergänzt) von nicht unbeträchtlicher Länge war. Die Wasserporen finden sich in derselben Anzahl und Lage wie bei Tremoctopus violaceus, nur lagen die dorsalen der Basis des ersten Armpaares ganz nahe gerückt und etwas nach außen von denselben. In der Mantelhöhle des einzigen Exemplares steckten nicht weniger als drei Hectocotylen, welche, so weit sie sichtbar waren, alle Charak- tere des Hectocotylus Tremoctopodis zeigten. Die Färbung des in Alkohol konservirten Thieres ist eine sehr cha- rakteristische, die Grundfarbe des Eingeweidesackes ist hell bräunlich gelb, die Grundfarbe des ersten und zweiten Armpaares und des Rückens durch dichte Chromatophorenanhäufungen sehr viel dunkler mit einem Stich ins Purpurne. Die Farbe der Chromätophoren ist hell- und dunkel- braun, purpur und indigblau; dorsalwärts von den Augen finden sich zwei auf Anhäufung von Chromatophoren letzterer Art zurückzuführende Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 603 dunkle bläulich-braune Flecke (Fig. 2), nach innen von diesen zwei schöne, scharf gezeichnete Augenflecke, auf welche ich den Species- namen gegründet habe. Den Dorsalrand des Mantels schmücken drei kreisrunde verwaschene helle Flecke, von denen der mittlere am deut- lichsten ausgeprägt ist. Die Velareinfassung des dorsalen Armpaares ist hell en ganz transparent und sehr zierlich mit hell- und dunkel-kastanien- (vandyk) braunen Chromatophoren getüpfelt, welche sich zu beiden Seiten des Armes zu zwei dunkelbraunen Längsstreifen verdichten. In demselben finden sich in unregelmäßigen Abständen sehr dunkle, fast schwarzbraune spindelförmige Flecke, von einem schmalen hellen Hofe umgeben, welche mit ihrer Längsachse der des Armes parallel ziehen. Vereinzelt sind diese Flecke auch in den Velarfortsätzen des dritten Armpaares zu be- merken. Obgleich dieser Beschreibung nur ein Exemplar zu Grunde liegt, sind die ungemeine Länge der Rückenarme und ihres Velums und die beiden dorsalen Augenflecke doch so charakteristische Merkmale, dass es sich zweifellos um eine neue Species handelt. Das einzige in der Göttinger zoologischen Sammlung befindliche Exemplar wurde 4879 von Professor KLEINENBERG in Messina erbeutet, von ihm Herrn Dr. SpENnGEL und von diesem der Göttinger Sammlung zum Geschenk gemacht. b) Octopus pictus.n. sp. Eingeweidesack des einzigen Alkoholexemplares (Taf. XXX VII, Fig. 3) wenig länger als breit, von schlaffer Konsistenz. Reihenfolge der Arme nach ihrer Länge, welche aber wenig differirt und auch gegen die Körper- länge unbeträchtlich genannt werden muss: 3, 2, 4, 1. Das fast gleich lange zweite und dritte Armpaar erreicht nicht ganz die doppelte Länge des Körpers. Arme nach der Spitze zu allmählich verjüngt. Saugnäpfe in zwei regelmäßig alternirenden Reihen, nach oben zu allmählich an Größe abnehmend. Die ersten drei bis vier Saugnäpfe kleiner als die folgenden und in einer Reihe angeordnet. Umbrella gleichmäßig, aber sehr schwach entwickelt. Augencirren fehlen. Bauch- und Innenseite der Arme schmutzighell ockergelb, Rücken- und Außenseite der Arme dunkler, ziemlich regelmäßig mit großen am Rande verwaschenen schwärzlich braunenFlecken besetzt, welche im Centrum einenschwarzenRingzeigen, der sich von dem braunen Grunde scharf abhebt. Unter der Lupe lösen sich die dunklen Flecke in Chromatophorenanhäufungen auf, und man sieht zu- gleich, dass die Ringe tiefer gelegen sind und durch sie hindurchschim- mern, also wohl auf ein fixes Pigment in den tieferen Lagen der Outis 604 - d. Brock, zurückzuführen sind. Auf den Armen fehlen die Ringe in den braunen Flecken. Die Färbung dieser Species ist somit so charakteristisch, dass sie mit keiner anderen der bereits bekannten verwechselt werden kann. Das einzige leider defekte Exemplar befindet sich in der Göttinger Samm- lung und wurde 1864 von dem von Kererstein (Klassen und Ordnungen d. Thierr. Bd. III. p. 1310) erwähnten Dr. Schütte in Sydney geschenkt. c) Loligo Bleekeri Keferstein. Von dieser Art ist außer einer Abbildung der Schale in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, Bd. III, Taf. 127, Fig. 14 und einer Beschreibung und Abbildung des hectocotylisirten Armes, ibid. p. 1402, Taf. 122, Fig. 10 von ihrem Autor eine Diagnose niemals veröffentlicht worden. Ich glaube daher der Gephalopodensystematik einen kleinen Dienst zu erweisen, wenn ich eine solche nach dem ein- zigen in der Göttinger Sammlung aufbewahrten Originalexemplar noch nachträglich gebe. Seitenflügel der Schale langgestreckt, nahe bis zum vorderen Ende der Rhachis reichend und nicht flügelförmig verbreitert, sondern nach vorn und hinten ganz allmählich verschmä- lert, nicht breiter als die breite deutlich gekielte Rhachis, welche vorn stumpf lanzettförmig zugespitzt isı und nicht, wie KErERSTEIN zeichnet, abgerundet ist, nach hinten in der gewöhnlichen Weise in eine lang- gestreckte Spitze ausläuft. Die ganze Schale erhält dadurch eine lan- zettförmige Gestalt, durch welche sie sich scharf von der flügel- förmigen aller übrigen Loligoniden unterscheidet. Rumpf langgestreckt, nach hinten zu allmählich konisch verschmä- lert, Hinterende abgestumpft. Flossen breit dreieckig, vorn nicht ganz bis zum vorderen Körperdrittel reichend, nach hinten weit langsamer verschmälert, als nach vorn, so dass der hintere Flossenrand viel länger ist; erreichen aber nicht das Hinterende des Körpers, sondern enden i cm vor demselben. Sitzende Arme etwa von 1/, der Körperlänge, unter einander nur mit unbedeutenden Längsunterschieden, dick, fein pfriemförmig zugespitzt. Saugnäpfe groß, nach der Spitze zu allmählich kleiner werdend, in zwei alternirenden Reihen angeordnet, die äußersten Saug- näpfe nur noch in einer Reihe; die Saugnäpfe reichen nicht ganz bis zur Spitze. | Fangarme etwa noch einmal so lang, als die sitzenden. Ihre Keule kaum angeschwollen, mit schmaler Schwimmhaut versehen und mit zwei unregelmäßiger gestellten Reihen von Saugnäpfen besetzt. er Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 605 Saugnäpfe weit kleiner als an den sitzenden Armen, nehmen nach der Spitze zu an Größe ab und werden fast mikroskopisch klein, scheinen aber bis zur Spitze zu reichen. Saugnäpfe durchgängig lang gestielt, an den sitzenden Armen nach der Basis zu dreieckig verbreitert, an den Fangarmen gleichmäßig dünn und nur etwas an der Basis verbreitert. Hornringe der Saugnäpfe schief abgeschnitten, mit zehn stumpfen Zähnen an dem höheren Rande, von denen die inneren die höchsten sind, der niedrigere glatt. An den Fangarmen Zähne niedriger und schmäler, als an den sitzenden Armen, bei denen die äußeren fast qua- dratisch werden. Membrana buccalis mit sieben Ligamenten an die Arme geheftet und dem entsprechend in sieben lange konisch zugespitzte Zipfel ausgezogen, welche dicht mit zwei Reihen von kleinen Saugnäpfen bedeckt sind. Von der ursprünglichen Färbung ist nur noch ein dunklerer Rücken- streifen zu erkennen. Loligo Bleekeri ist demnach eine wohl charakterisirte Species, aus- gezeichnet durch die pfriemförmige Zuspitzung der sitzenden Arme, die geringe Ausbildung der Keule der Fangarme und die gleichmäßige Klein- heit ihrer Saugnäpfe, vor Allem aber durch die lanzettförmige Schale. Länge des einzigen Exemplares mit ausgestreckten Tentakeln 33 cm, der Schale 21 cm. Länge der Fangarme 14 cm, Breite (an der Stelle der größten Breite der Flossen gemessen) 9 cm. Nach der Kererstein’schen Originaletiquette stammt das Exemplar aus Japan und gelangte durch BLerker in die hiesige Sammlung. d) Cranchia Reinhardtii Steenstrp. Von dieser schönen und sehr charakteristischen Art befindet sich ein wohl erhaltenes Exemplar im Göttinger Museum (aus dem südatlan- tischen Ocean), von dem ich aus zwei Gründen hier eine (vergrößerte) Abbildung gebe (Fig. &). Erstens nämlich finden sich Reste einer recht bemerkenswerthen Zeichnung, welche an den der Steenstrup’schen Beschreibung ! zu ‘Grunde liegenden Exemplaren nicht mehr erhalten gewesen zu sein scheint, da STEENSTRUP nichts davon erwähnt. Diese Zeichnung tritt am Rumpfe und an den Fangarmen und zwar an beiden Orten völlig 1 J. STEENSTRUP, Overblik over de Kjabenhavns Museer opbevarede Blaeksprut- ter fra det aabne Hav. Overs. k. dansk. Vidensk. Selsk. Forh. 1861. p. 76. Auf- gestellt und kurz charakterisirt wurde die Art schon in: Hectocotylsdannelsen hos Octopodsslaegterne Argonauta og Tremoctopus. Kgl. vidensk. Selsk. Skr. 5. Raekke naturw. mathem. Afd. 4. Bind. 1856. p. 200. Anm. 1. 606 J. Brock, verschieden auf. An den Fangarmen besteht sie in einer Reihe breiter hellbrauner Querstreifen, welche die Rückseite derselben bedecken, an dem Rumpfe in einer Anzahl über den ganzen Eingeweidesack zer- streuter runder oder ovaler hellbrauner Flecke mit einem weißen kreisrunden Fleck in ihrem Inneren, der immer excentrisch liegt, oft aber so sehr, dass der umgebende dunkle Ring auf einen Halbmond reducirt erscheint. Da die Farbe der Flecke im Leben jedenfalls eine viel dunklere war, ja sehr wohl schwarz gewesen sein kann, so liegt die Vermuthung nahe, dass CGranchia Reinhardtii mit der leider ganz ungenügend nur durch eine ähnliche Zeichnung charakterisirten Gr. maculata Leach.! identisch ist. Gewissheit darüber wäre freilich nur durch Vergleichung des im British Museum befindlichen Leacn’schen Originalexemplares zu erlangen. Außer dieser Zeichnung hat das in Rede stehende Exemplar aber noch eine bisher noch nicht erwähnte Eigenthümlichkeit aufzuweisen, nämlich eine ziemlich tiefe Furche in der Mittellinie der äußeren ven- tralen Trichteroberfläche, welche sich aber nicht bis zur Trichteröffnung erstreckt (Fig. 4 inf’). Auch ein Exemplar von Cranchia scabra zeigte diese Rigenthümlichkeit, wenn auch viel weniger ausgesprochen. Um eine Deutung dieses Befundes zu geben, hätte eine eingehendere Zergliede- rung vorgenommen werden müssen; ich will daher davon absehen und nur die Vermuthung aussprechen, dass es sich hier vielleicht um eine Naht handelt, in welcher die sonst vollkommen verstrichene Schließungs- stelle der beiden Trichterhälften sichtbar persistirt. Ist diese Deutung richtig, so hätten wir hier ein bedeutend niedrigeres Verhalten, als bei den übrigen Dibranchiaten vor uns und damit eine Bestätigung meines auf anderem Wege gewonnenen Resultates?, dass die Loligopsiden, denen ja Cranchia unzweifelhaft zuzurechnen, resp. sehr nahe verwandt ist®, als phylogenetisch alte Formen betrachtet werden müssen. Göttingen, den 29. November 1881. ! »Granchia sacco laevi, pulcherrime nigro maculato, maculis ovazis distanti- bus.« (Nach p’Orzıcny, Cephalop. p. 224.) Die Knorpelstreifen könnten sehr wohl übersehen sein. Jedenfalls ist es zu bedauern, dass Gray, dem das — wenn auch defekte — Lracn’sche Originalexemplar zu Gebote stand, keine genauere Diagnose davon gegeben, sondern sich mit einer wörtlichen Übersetzung der Leaca#’schen begnügt hat. (Gray, Catalogue of the Mollusca in the collection of the British Mu- seum. P. I. London 14849. p. 38.) 2 Vgl. Brock, Morphol. Jahrb. Bd. 6. 1880. p. 287. 3 Wie STEENsTRUP überzeugend nachgewiesen hat (Overblik Blaekspr. Kjeben- havns Museer etc.). Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 607 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXIV, Fig. 4. Onychoteuthis Lichtensteinii @ natürliche Größe, von der Ventralseite geöffnet, um die Q Geschlechtsorgane zu zeigen. Mit Ausnahme letzterer, der Kiemen (br) und des linken Kiemenherzens (c. br) sind alle übrigen Organe entfernt, resp. nicht dargestellt. Über dem Eierstock (0v) ist die Wand der Visceropericardial- höhle weggenommen, links ist sie geschont und lässt den linken Eileiter (od. s) durch- schimmern. Der rechte Eileiter wird durch das Ovarium verdeckt, auch die rechte Nidamentaldrüse erscheint schon in starker perspektivischer Verkürzung. Lateral- wärts von der Kieme erscheint die Tasche &, in welche der Eileiter (od. s’) mündet. gl. s, Eileiterdrüse. Fig. 2. Nidamentaldrüse von Onychoteuthis Lichtensteinii in der Mittellinie der Dorsalseite aufgeschnitten und aus einander geklappt. Natürliche Größe, Fig. 3. Eileiter von Thysanoteuthis rhombus Trosch. von der Ventralseite. Na- türliche Größe. od.pr’, proximale (Visceropericardial-) Mündung; od.pr, proximalwärts von der Drüse liegender Eileiterabschnitt ; gl, Eileiterdrüse ; od.d, distalwärts von der Drüse liegender Abschnitt des Eileiters; od. d’, distale (äußere) Eileitermündung, Fig. 4. Schnitt durch einige Drüsenlamellen der Nidamentaldrüse von Thysano- teuthis. Stark vergrößert. a, bindegewebige Wand der Drüse; b, Stratum der Drüsenlamellen. Fig. 5. & Geschlechtsorgane von Philonexis Carenae Ver. präparirt und aus einander gelegt. Starke Lupenvergrößerung. it, Hode; c.t, Hodenkapsel ; v.d.l, erstes Vas deferens; - v.d.1’, Mündung desselben in die Hodenkapsel] ; v.d.II, zweites Vas deferens; A.v.d, Ampulle desselben ; v.5, Vesicula seminalis; v.s’, Blindsack derselben ; Pr, Prostata ; v.e, Vas efferens; Sp, Spermatophorensack ; Sp’, Mündung des Spermatophorensackes; A, Ampulle desselben; A’, Mündung der Ampulle nach außen. Fig. 6. Weibliche Geschlechtsorgane von Argonauta Argo L., herauspräparirt. Lupenvergrößerung. ov, Ovarium; od, gemeinsamer Stamm der Ovidukte; gl. d, rechte) gl.s, linke J Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 4A Eileiterdrüse;; 608 J. Brock, od.d, rechter od. s, linker od. d’ od. s’ Fig. 7. Ein junges Eierstocksei von Argonauta, das noch keine Faltenbildung zeigt, und an dem das Follikelepithel (a) seine Umwachsung vom stumpfen zum spitzen Pol gerade vollendet hat, im Längsschnitt. Stark vergrößert. c, Stiel des Eies; b, Kapselepithel; N, Nucleus (Keimbläschen); Nc, Nucleolen (Keimflecke). Fig. 8. Theil eines Querschnittes der Eileiterdrüse von Argonauta, einer Stelle entnommen, wo mehrere Drüsensäckchen zusammenstoßen. Stark vergrößert. h Eileiter; \ deren äußere Mündungen. Tafel XXXV, Fig. 9. Feinstes Ästchen eines Eierstockbäumchens von Argonauta im Längs- schnitt getroffen. Stark vergrößert. Die jüngsten Eier (01) noch ungestielt, im Keim- epithel liegend, die älteren (02, 0°) schon gestielt, aber nur bei einem (0%) auch der Stiel im Längsschnitt getroffen. Die Kapsel bei allen, so weit erkennbar, gebildet, Umwachsung des Follikelepithels noch nirgends vollendet, von Faltenbildung noch keine Spur. b, vielkernige Zellen (Kerne mit Kerngerüsten), die zu der Eibildung in Beziehung stehen ; a, Stroma; v, Blutgefäße. Fig. 40. Weibliche Geschlechtsorgane von Tremoctopus violaceus delle Ch., her- auspräparirt und aus einander gelegt. Ventralansicht. Ovarium von der Ventralseite aufgeschnitten und etwas um die Querachse nach vorn gedreht. Lupenvergr. ov, Ovarium;; od, gemeinschaftliches Anfangsstück der Eileiter ; od.d, rechter| _. . od.s, linker alas od. d’ 0d.s’ rs.d, rechtes rs. Ss, linkes gl. d, rechte gl. s, linke aq.d, rechter aq. s, linker | Fig. 44. Schnitt durch die Eileiterdrüse von Tremoctopus violaceus delle Ch. in der Ebene, deren Projektion auf den in Fig. 44 B dargestellten Längsschnitt die Linie xx veranschaulicht. Schwach vergrößert. od, Ovidukt; r.s, Receptacula seminis mit Samenmassen, bei d zu Ausführungsgängen verlängert, welche auf diesem Schnitt aber den Eileiter nicht mehr erreichen; gl, Fächer der Eileiterdrüse;; bei gl’ mit den Receptacula seminis sich ver- einigend. distale Mündungen derselben; } Receptaculum seminis ; h Eileiterdrüse ; Wasserkanal. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. 609 Fig. 12. Weibliche Geschlechtsorgane von Parasira catenulata (F6r.) Steenstr., präparirt und ausgebreitet. Ventralansicht. Ovarium (ev) um die Querachse nach vorn gerollt. Natürliche Größe. ov, Ovarium; od”, gemeinsames Anfangsstück der Ovidukte; od.d, rechter ! 0d. ® linker } ONIGDkt; od.d’ od. s’ gl.d, rechte gl. s, linke aq.d, rechter aq.s, linker ihre distalen Mündungen; h Eileiterdrüse ; } Wasserkanal. Tafel XXXVI. Fig. 13 A—D. Schematische Sagittalschnitte durch die hintere Körperhälfte von Dekapoden, um die verschiedene Befestigung der Geschlechtsdrüse bei den beiden Ordnungen derselben zu zeigen. Der Pfeil bezeichnet die Richtung von hinten nach vorn. Geschlechtsdrüse blau, A. genitalis roth. Die Buchstabenbezeichnung ist nur bei A durchgeführt, weil die Verhältnisse der übrigen Figuren genau dieselben sind. D, Dorsalfläche ; P, Mantel; C.dbr, Kiemenhöhle; C.vp, Visceropericardialhöhle; T, Schale; Ph, Phragmoconus; Vi, Magen (natürlich in einer anderen Ebene, als die Genitalarterie liegend zu denken); L.s.a, vorderes Aufhängeband der Geschlechtsdrüse (Ligam. suspensor. ant.); L.s.p, hinteres Aufhängeband; In C und D bedeutet Z.s Aufhängeband der Geschlechtsdrüse. Fig. 144—D. Schematische Längsschnitte durch die Eileiterdrüsen verschie- dener Octopoden. Der Pfeil bezeichnet die Richtung vom Eierstock nach außen, also den Weg, welchen die Eier nehmen. Eileiterepithel schwarz, proximale (bei Argonauta und Tremoctopus einzige) Drüse gl’ hellblau, Receptacula seminis r.s dunkelblau, distale Eileiterdrüse gl rosa. Die an der distalen Mündung des Eileiters von Tremoctopus entwickelte Drüse gl’ ist zwar auch rosa gehalten, ihre Homologie mit den Drüsen gl von Parasira und Octopus aber zweifelhaft. Vgl. darüber den Text. &—%, Projektionen der Querschnittebenen Fig.45, bei Fig. 14 B von Fig. 41. ov’, proximaler] _..... ov, distaler } Eileiterabschnitt. Fig. 45 A—C. Schematische Querschnitte durch die Eileiterdrüsen verschie- dener Octopoden an den in Fig. 44 mit &—& bezeichneten Stellen. Buchstaben und Kolorit wie in Figur 44. 2 Fig. 16. Schematische Ansichten der Eileiterdrüse eines Dekapoden (außer Enoploteuthis). A, Sagittalschnitt, B, Dorsal-, C, Ventralansicht, Richtung des Pfeiles wie in Fig. 44. 0v’, proximaler Oviduktabschnitt; | 41% 610 J. Brock, Zur Anatomie und Systematik der Oephalopoden. ov, distaler, mit einer Doppelreihe von Drüsenblättchen ausgestattet, welche proximalwärts in einem bei x durchschnittenen Halbkreise in einander übergehen ; gl, Eileiterdrüse. Fig. 47. Schematischer Quer- (4) und Längsschnitt (B) der Eileiterdrüse von Enoploteuthis. Richtung des Pfeiles wie in Fig. 44. 5 ov, Ovidukt; gl, Eileiterdrüse; x—x, Projektion des Querschnittes A. Tafel XXXVII. Fig. A. Tremoctopus ocellatus n. sp. von der Ventralseite. Natürliche Größe. P.ag, Wasserporen ; Hect. I—III, die drei in der Mantelhöhle steckenden Hectocotylen. Die defekten Spitzen des dorsalen Armpaares sind hypothetisch mit punktirten Konturen ergänzt, die römischen Zahlen bedeuten hier, wie in allen folgenden Figuren die Reihenfolge der Arme nach der üblichen Zählmethode. Fig. 2. Tremoctopus ocellatus. Kopf und obere Körperhälfte von der Dorsal- seite, um die beiden Augenflecke zu zeigen. Natürliche Größe. Fig. 3. Octopus pictus n. sp. Dorsalansicht etwas nach rechts gedreht. Natür- liche Größe. Zwei dem Original fehlende Arme in Konturen ergänzt. oc, rechtes Auge. Fig. 4. Cranchia Reinhardtii Steenstrp. von der Ventralseite. Lupenvergröße- rung. Der Strich rechts daneben veranschaulicht die natürliche Größe. Cp, Kopf; inf, Trichter ; inf', Grube in der Mittellinie der ventralen Trichterwand (vgl. Text p. 606); y, Stellen, an denen der Mantel am Trichter adhärirt; &, die von STEENSTRUP (Overblik etc. p. 77) näher beschriebenen Knorpel- leisten. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verknüpften Organe bei den Beutelthieren. Von Oscar Katz aus Göttingen. Mit Tafel XXXVIN—XL. Einleitung. Im Folgenden sind die Ergebnisse einer Untersuchung über die Bauchdecke und die mit ihr verknüpften Organe bei einer Reihe von Beutelthieren niedergelegt. Der Plan dieser Untersuchung ist folgender: Ich betrachte zunächst die Bauchdecke mit Rücksicht auf die Linea alba und die in ihr etwa vorkommenden nabelnarbenähnlichen Gebilde. Es folgt sodann eine möglichst gedrängte Darlegung der Verhältnisse des als Marsupium oder Beutel, genauer gesagt, des als Beutelfalten bekannten, neomeletischen Zwecken dienenden Theiles des abdominalen Integumen- tes bei den Weibchen ; zu gleicher Zeit aber müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, ob es auch bei den männlichen Beutlern integumen- tale Bildungen giebt, die sich als die Homologa der Beutelfalten der weiblichen Individuen ausweisen. In einem nächsten Kapitel soll zur Sprache kommen, was, so weit dies nicht bereits geschehen, von dem bei letzteren durch die genannten Hautfalten in enge Grenzen ein- geschlossenen Apparat der Zitzen und der Milchdrüsen erwähnenswerth erscheint, und werden wir daneben wiederum etwaige, bei den Männ- chen sich einstellende, homologe Gebilde mit anzugeben haben. Was vom Scrotum derselben auszusagen ist, gehört für sich an eine besondere Stelle. Hiernach wende ich mich zu einer Besprechung der in der Dicke der Bauchmuskeln gelegenen, den Marsupialia wie den Monotremata so sehr eigenthümlichen Knochenstücke, der sog. Beutelknochen oder Ossa marsupialia, und behandle dann mehr oder weniger speciell die Bauch- muskulatur selbst, welche, wie wir später gehörigen Ortes sehen werden, zwar schon mehrfach bearbeitet, aber theilweise verschieden und wider- sprechend gedeutet worden ist. Ein letzter Abschnitt hat zum Gegenstand 612 Oscar Katz, seines Inhaltes das Verhalten der Harnblase , vor Allem ihrer Ligamente und der in diesen anzutreffenden Einlagerungen. Es ist eine derartige Untersuchung an Beutelthieren bis jetzt noch nicht angestellt worden, sie ist aber angezeigt, da sie uns Aufschlüsse über einzelne wichtige, noch dunkle Punkte aus der Embryologie jener zu geben vermag. — Was die einschlägige Litteratur anbetrifft, so stammt der reich- haltigste Theil derselben, der aber in so fern, als vorliegende Arbeit mehrere getrennt zu haltende Kapitel umfasst, in diesen seine nähere Berücksichtigung finden wird, aus dem Ende des vorigen und den ersten vier oder fünf Decennien dieses Jahrhunderts. Sie fand ihre Haupt- vertreter in vorzugsweise französischen und englischen Autoren, in Vıco-p’Azyk, GEOFFROY ST. HıLaıre, H. pe BLAINVILLE, MECKEL, R. Owen, W. VroLik, G. Guvier, Eypoux und LAurEnT u. a. Doch ungeachtet der vielen schönen Resultate, zu welchen eingehendere Untersuchungen der genannten wie noch anderer Forscher an Beutelthieren bereits geführt haben, ist unsere Kenntnis von einzelnen, wie insbesondere den im Vor- stehenden kurz angedeuteten Organen jener merkwürdigen Gruppe von Säugern eine lückenhafte. Das mag seinen Grund einmal in dem Um- stande haben, dass das Material, um welches es sich hier handelt, ein relativ seltenes und nicht Jedem so leicht zugänglich ist, wozu ferner kommt, dass die jetzigen sichereren Methoden der Untersuchung — dar- unter steht in erster Reihe die Schnittmethode — in Bezug auf diesen Gegenstand kaum zur Anwendung gebracht worden sind. Verzeichnis der citirten Werke‘: 4. H. oe BLAINviLLE, Sur les Organes femelles de la generation, et le Foetus des animaux didelphes. Bulletin des Sciences, par la Societe Philomatique de Paris. 4848. p. 25—28. 3. A. Brass, Beitr. zur Kenntnis d. weiblichen Urogenitalsystemes d. Marsupialen. Inaug.-Dissert. Leipzig 1880. 3. G. Cuvier, Lecons d’Anatomie comparee. a) Tome I. Paris Ang. — b) Tome VIII. Ed. 2. 1846. 4. —— et LaurıLLarp, Anatomie comparee. Recueil de planches de myologie. Tome II fol. Pl. 175ff. mit erläuterndem Text in Tome I. 4*, DUYERNoY, Bulletin des Sciences par la Soc. philomat. de Paris. Tomelil. A841. Nr. 84. Pl. XIX, Fig. 44. Der Text dazu stand mir nicht zur Verfügung. 5. Eypoux et LAURENT, Recherches anatomiques et zoologiques sur les Mammiferes marsupiaux. Voyage autour du Monde sur la Favorite, par LAPLAcE. Tome V. Paris 4839. p. 47—495. Pl. I—V. Paris 1836. 6. W. H. FLower, Introduction to the Osteology of the Mammalia. London 1870. 7a. GEGENBAUR, Über den Ausschluss des Schambeins von der Pfanne des Hüft- gelenkes. Morphologisches Jahrbuch. Bd. II, 1876. p. 2381. 1 Die Citate werden im Texte unter den vorgesetzten Nummern erfolgen. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 613 7b. GEGENBAUR, Besprechung. Morphol. Jahrb. Bd. V. 4879. p. 528. 8.. GIEBEL, Säugethiere. Leipzig 4859. 9. E. Home, Some Observations on the Mode of Generation of the Kangaroo, with a particular Description of the Organs themselves. Philos. Transact. Roy. Soc. London 4795. Part II. p. 224—238. Tab. XVII—XXI. 40. G. M. Hunpary, Observations in Myologie. Cambridge and London 1872. 44. Huxıey, Manual of the Anatomy of vertebrated Animals. London 4871. 43a. —— On the Characters of the Pelvis in the Mammalia, and the Conclusions respecting the Origin of Mammals which may be based on them. Proceed. Roy. Soc. of London. Vol. XXVIll. p. 395—405. Pl. 8. 42b. —— On the Epipubis in the Dog and Fox. Nature. Vol. XXI. London and New York 1880. No. 537. p. 362. 43. Levpıe, Zur Anatomie d. männl. Geschlechtsorgane und Analdrüsen d. Säuge- thiere. Diese Zeitschr. Bd. II. 4850. p. 24. 44, MECKEL, System der vergl. Anatomie. a).2. Theil. 2. Abth. Halle 4825. — b) 3. Theil. Halle 4828. 45. Ca. D. Meıss, On the reproduction of Didelphis Virginiana. Proceed. Americ. Philosoph. Soc. Vol. III. Philadelphia 4843. p. 327—329. 46. J. MorcAan, A Description of the Mammary Organs of the Kangaroo. Transact. Linn. Soc. London. Vol. XVI. a) PartI. 4829. p. 64—84. Tab. I—VIII. — b) Part III. 4833, p. 455 bis 463. Tab. XXVI. 47. R. Owen, On the Generation of the Marsupial Animals, with a Description of the Impregnated Uterus of the Kangaroo. Philos. Transact. Roy. Soc. London, Part II. 4834. p. 333—364. Pl. VI, VII. 48. —— Exhibition of a Foetal Kangaroo, proving the existence of an Allantois. Proceed. Zool. Soc. London. Part V. 4837.. p. 82, 83. 49. —— On the Rudimental Marsupial Bones in the Thylacinus. Ibid.4843. Part XI. p. 148, 449. 20. —— Anatomy of Vertebrates. Vol. II, Mammals. London 4868. 34. —— Artikel »Marsupialia« in: Topp’s Cyclopaedia of Anatomy and Physiology. | Vol. III. 22. RıTGEN, Über einige Eigenthümlichkeiten im Bau der Beutelthiere. HEusınger’s Zeitschr. f. d. organ. Physik. Eisenach 4828. p. 374—377. Taf. XVII. 23. G. SAınt-Hitaıre, Dissertation sur les Animaux a Bourse. Magasin encyclope- dique par MırL.ın. Tome 3. Paris 4796. p. 445—472. 24. —— Memoire sur la generation des Animaux a bourse et le developpement de leur foetus. Auszug in: Annales des Sc. natur. Tome I. Paris 1824. p- 392 —408, 25. —— Artikel »Marsupiaux« in: Dictionnaire de Sciences natur. Tome 29. 1823. 36. A. ScHNEIDER, Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. Berlin 4879. 27. SEILER, Einige Bemerkungen über die erste Geburt des Känguruh-Embryo und seine Ernährung in dem Beutel. Oxen’s Isis. Bd. XXI. Leipzig 1828. p. 475. 28. E. Tyson, The Anatomy of an Opossum. Philos. Transact. Vol. XX. London 1698. p. 105164. Mit 2 Tafeln. 614 Oscar Katz, 29. Vıca-p’Azyr, Encyclopedie methodique. Systeme anatomique. Tomell. Paris 1792. Die auf den Text bezüglichen Abbildungen lagen mir nicht vor. 30. W. VrorLık, Ontleed- en natuurkundige aanteekeningen over den grooten Kan- guroo (Macropus major Shaw). Tijdschrift voor Natuurlijke Geschiedenis en Physiologie. Deel 3. Amsterd. 1836. p. 291—356. PI. XI, X. Die Untersuchung der oben aufgeführten Organe des Beutelthier- leibes geschah im zoologisch-zootomischen Institut der Universität Göt- tingen, wo mir Herr Professor Enters, dem ich an dieser Stelle nicht allein dafür, sondern auch für das dem Zustandekommen der Arbeit gewidmete stete Interesse nochmals meinen aufrichtigsten Dank aus- spreche, ein reichhaltiges Material bereitwilligst zur Verfügung stellte. Dasselbe bestand in einer Anzahl von in Weingeist konservirten, ver- schiedenen Altersstadien angehörigen Individuen meist neuholländischer Arten, die dem hiesigen Museum fast ohne Ausnahme von Herrn Dr. med. Schütte in Sydney nach und nach zugeschickt worden waren. Die genauen Altersangaben, mit denen die jungen Thiere versehen- waren, stammen von Herrn G. Krerrr daselbst; seine Angaben stützen sich meistens auf die unmittelbare Beobachtung der in Gefangenschaft geborenen Thiere. Daneben kam mir sehr zu statten, die Untersuchung auf mehrere erwachsene Beutelthier-Weibchen auszudehnen, welche im Hamburger zoologischen Garten starben und gleich hierher geschickt wurden. Es waren dies: Macropus rufus, Macropus major, Halmaturus ualabatus, Halmaturus Bennetti, Didelphys virginiana, Didelphys Azarae und Phalangista vulpina (zwei Exemplare). Die auf Schnitten zu untersuchenden jungen Thiere oder Theile der- selben wurden fast sämmtlich mit der Grenacuer’schen schwach alkoho- lischen Karmin-Borax-Lösung gefärbt, was je nach der Beschaffenheit, der Größe und Konsistenz der Objekte verschieden lange Zeit erforderte. Um eine gute Kernfärbung zu erzielen, brachte ich dieselben auf einige Zeit in mit koncentrirter Salzsäure schwach versetzten 70—80°/, Alkohol, darauf erst nochmals in 80°%,, dann in 90°, und zuletzt in absoluten Alkohol. Zum Aufhellen derselben diente Bergamottöl, zum Einbetten ein Gemisch von ungefähr vier Theilen Paraffin und einem Theil Vaseline, welches in einer Porzellanschale über einer schwachen Gasflamme in Fluss gehalten wurde und in welchem die Präparate erst längere Zeit liegen bleiben mussten, bis sie von demselben gehörig durchtränkt waren. In den meisten Fällen empfahl es sich außerdem, die zu schneidenden Gegenstände vorher noch in eine Mischung von Terpentin und Vaseline zu bringen, die leicht in sie eindrang. Die Quer- oder Längsschnitte wurden vermittelst eines, von SPEnGEL verbesserten RıvET- Leiser’schen Schlittenmikrotoms angefertigt, die in und noch an denselben Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 615 befindliche Einschlussmasse durch Terpentin-Kreosot entfernt, worauf sie schließlich in Kolophoniumlack verwahrt wurden. Ich beginne die Betrachtung der Bauchdecke der Beutelthiere mit einigen Bemerkungen über die Linea alba und in ihr etwa vorhandene, an die Nabelnarbe der placentalen Säuge- thiere erinnernde Gebilde. Das einzige merkwürdige Verhalten der Linea alba an und für sich bestand darin, dass sie bei einzelnen, ganz jungen Individuen, wie Halmaturus Thetidis, Phalangista vulpina, Belideus breviceps, nicht un- beträchtliche Dimensionen zeigte. Sie beschränkte sich nicht bloß auf die rein abdominale Partie der Ventralfläche des Körpers, sondern setzte sich auch noch über das Ende des Brustbeins mehr oder weniger weit auf die Thoracalregion fort, wo sie spitz endigte. So betrug ihre Ge- sammtlänge bei einem eine Woche alten männlichen Exemplar von Hal- maturus Thetidis, das von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel längs der dorsalen Mittellinie (im Bogen) gemessen 4,9 cm groß war, und bei einem eben so alten und ungefähr eben so großen Weibchen derselben Art nahezu I cm, bei einem 2,5 cm (direkte Entfernung vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel) großen Weibchen von Phalangista vulpina aus der zweiten Woche 1,5 cm, bei zwei eine Woche alten Individuen von Beli- deus breviceps von 12 mm Größe (gerade so gemessen) etwa 5 mm. Dabei ließ sie eine ziemlich erhebliche Breite erkennen, die sich nicht überall gleich blieb, sondern in der Mitte des Bauches ansehnlicher war als vorn und hinten. Dieselbe betrug beispielsweise bei dem genannten jungen Phalangista vulpina- Weibchen an der unmittelbar über der Beutelanlage gelegenen Stelle der Bauchfläche circa 0,35 mm, während sich in der Brustgegend eine bloß halb so viel betragende Breite für sie ergab. Auch soll nicht unerwähnt bleiben , dass bei wenigen Formen, wie den angeführten Exemplaren von Halmaturus Thetidis, die Linea’ alba in ihrer größten hintern Erstreckung sich schwach leistenförmig erhob und solchergestalt auf die spätere dorsale Wand des noch wenig entwickelten Marsupium {bei Weibchen) überging, das dadurch gewisser- maben als in zwei seitliche, symmetrisch gleiche Hälften getheilt er- schien. Es ist dieser Befund der Linea alba bei jungen Beutlern — ältere und erwachsene Thiere zeigen mit Bezug darauf nichts Besonderes — ein Umstand, der wohl eine gewisse Beachtung verdient, da, so viel mir bekannt, die Embryonen von placentalen Säugern etwas Derartiges nicht aufzuweisen haben. 616 Oscar Katz Mit Rücksicht auf die Frage nach der Existenz eines » Hautnabels« bei alten oder jungen Beutelthierindividuen sind, abgesehen von einem Paar durch R. Owen bekannt gewordenerFälle (Nr. 17, Plate VII, Fig. 5, 6; er spricht da von »a small linear ridge« auf dem abdominalen Integu- ment, vgl. op. cit. p. 347), die Resultate einer darauf gerichteten Unter- suchung, so weit bekannt, stets im verneinenden Sinne ausgefallen (s. z. B. Homs, Nr. 9, p. 233; Brainvitze, Nr. A, p. 27, beschränkt sich darauf zu sagen, dass an jungen Beutlern äußerlich keine Spur eines Nabels zu sehen gewesen sei; Meıcs, Nr. 15, p. 329). Mit Ausnahme zweier sehr junger, gleich zu besprechender Individuen, habe auch ich bei keinem der zur Untersuchung herangezogenen Beutelthiere, von vollständig ausgebildeten bis zu ganz kleinen hinab, weder auf der äußeren, noch auf der inneren Bauchdeckenwand eine Stelle konstatiren können, die sich auf einen Nabel oder die Rudimente eines solchen hätte zurückführen lassen. Die Fig. 17 stellt die innere Ansicht der Bauch- decke eines ausgewachsenen Weibchens von Macropus rufus dar. Das Ligamentum vesicae medium (vm), von welchem im letzten Theil der Arbeit die Rede sein wird, war, wie an allen übrigen Punkten, so auch in seinem vordersten Ende (e) — der kleine Zipfel (z) unter diesem hat nichts zu bedeuten — nur locker mit der Linea alba, genauer gesagt, mit der Fascia transversalis verknüpft, deren Fasern (Fi), von hinten und seitlich nach vorn verlaufend und sich dabei mit denen des Musc. transversus abdominis (Ta, hier sehnig) kreuzend, längs der Mitte der Linea alba zusammenstießen, ohne dass diese irgend wo eine Störung, eine Richtungsänderung in ihren sie zusammensetzenden Bindegewebsfasern erfahren hätte. Die von verschiedenen jungen Thieren [so Perameles nasuta (?), zwei Wochen alt (s. p. 623), Phalangista vulpina, eben so (s. p. 621), Didel- phys murina (?) (s. p. 624)] angefertigten successiven Querschnittsserien überzeugten mich ebenfalls davon, dass keine der Nabelnarbe der höher organisirten monodelphen Säugethiere vergleichbare Bildung, sei es an der Außen- oder Innenfläche, oder sei es in der Dicke der Bauchdecke vorhanden war. | Ich verwies vorhin auf zwei sehr junge Individuen, die von allen andern abwichen. Es waren dies ein einige Tage altes, vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel in gerader Linie 18 mm messendes Weibchen von Phalangista vulpina und jene beiden, schon oben erwähnten, sehr kleinen Exemplare von Belideus breviceps!. Auf der äußeren Abdominalfläche, 1 Eine bloße, äußerliche Prüfung dieser und des erst genannten ergab noch keinen absolut sicheren Aufschluss über das Geschlecht derselben. Wie successive Durchschnitte zeigten, war, wie angegeben, das Junge von Phalangista vulpina ein Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 617 in der Mitte der Linea alba, bei letzteren etwa 2,6 mm, bei jenem ein wenig weiter von der Schwanzwurzel entfernt, fiel sogleich ein schon mit unbewaffnetem Auge gut unterscheidbarer, elliptischer Fleck von bräunlicher Farbe auf, der bei Phalangista vulpina 0,6 mm lang und ungefähr halb so breit, bei Belideus breviceps (Fig. 8 c) 0,4 mm lang und ungefähr halb so breit war. Diese, ohne Zweifel nabelnarbenähn- liche Stelle lag, wie gesagt, mitten in der Linea alba (Fig. 8 la), die hier aus zwei, jene dicht begrenzenden Theilen oder Schenkeln, mit je 0,14 mm Breite (bei Phalangista vulpina ein wenig mehr), bestand. In der Mitte der so beschaffenen Stelle — und das war erst bei Lupenver- größerung zu sehen — verlief in dem einen wie in dem andern Falle der Länge nach eine dunklere Linie, welche sich noch etwas über die Enden jener Stelle fortsetzte (vgl. Fig. 8). — Ich breche hier ab und werde auf die histologische Beschaffenheit derselben später, bei Gelegenheit der Besprechung der Harnblase und deren Ligamente zurückkommen. Beutelfalten. Behufs Darlegung der specielleren Verhältnisse der einen Beutel oder ein Marsupium konstituirenden Hautfalten durchgehe ich in systematischer Reihenfolge eine bestimmte Anzabl von Arten, von deren manchen die hiesige zoologische Sammlung einen nicht unbedeutenden Individuen- reichthum besitzt. Dasyurus viverrinus. a) Qd. Bei einem eine Woche alten weiblichen Thier! dieser Art, das von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel längs der dorsalen Mittellinie 4,156 cm maß?, war der Beutel bereits angelegt, in Form von zwei Weibchen und eins der zwei Exemplare von Belideus breviceps ein Männchen. Das andere wurde auf Schnitten nicht untersucht. 1 Die Ausdrucksweise »Fötus« oder »Embryo « für den jungen Beutler während seines Aufenthaltes im Beutel ist eben so wie »Mammarfötus«, im Gegensatz zu » Uterinfötus« (Owen, EypDoux und LAURENT) zu verwerfen, da ein Thier, welches sich schon außerhalb seiner Ei- oder Embryonalhüllen befindet, kein Fötus oder Em- bryo mehr sein kann. Ca. D. Mezıcs bemerkt ganz zutreffend (Nr. 15, p. 327): »The terms foetus and embryo cannot properly be applied to the young of the didelphis while in the pouch; since, when first placed in the marsupium, the young Opossum is endowed with all the attributes of a mammiferous quadruped in the full enjoy- ment ofa real warm-blooded respiratory and digestive existence. None of the au- thors on this subject appear to have investigated the state of the early young and the most vague and incorrect notions still prevail as to their condition.« 2 Ich habe fast alle jungen Thiere bis zu einer gewissen Größe vermittelst eines Fadens längs der dorsalen Mittellinie (im Bogen) von der Schnauze bis zur Schwanz- 618 Oscar Katz, schwachen, seitlichen, symmetrisch zu der Medianlinie des Bauches liegenden Falten des Integumentes, welche 1 mm weit von einander ab- standen. Zwei Individuen aus der zweiten Woche, 4,7 cm (!) groß, zeigten etwas weiter entwickelte Beutelfalten, deren mittlere Entfernung von einander 1,4 mm betrug. Bei einem andern jungen, 4,4 cm (!) großen, also zwischen dem erst- und dem letztgenannten stehenden, Weibchen war eine nach hinten herumlaufende, halbkreisförmige Beutelfalte vor- handen. \ Bei drei Exemplaren aus der dritten Woche, von 5,6 cm (!) Größe, traten die Falten, — welche, das braucht wohl kaum gesagt zu werden, hier wie in den betrachteten Fällen in ihrer Lage auf der Abdominal- fläche den definitiven Marsupialfalten vollkommen entsprechen —, wenn auch noch immer unansehnlich, so doch schon schärfer hervor; sie bildeten einen fast kreisrunden, 1,5 mm breiten, unentwickelten Beutel. Ein zwei Monate altes, 9,9 cm (!) großes Weibchen ließ außer zwei seitlichen, 3,5 mm von einander abstehenden Hautfalten, welche die dorsale, d. h. die Milchdrüsen- mit den Zitzenanlagen (an der Zahl sechs) tragende Wand des Marsupium noch wenig bedeckten, eine quere, hin- tere erkennen, die von den nach abwärts auslaufenden Enden jener noch umfasst wurde. Bei einem 25 cm großen erwachsenen Weibchen von Dasyurus viverrinus war der Beutel ungewöhnlich stark entwickelt (Fig. 10). In demselben befanden sich noch vier Junge (in der Zeichnung sind nur drei abgebildet), die 3 cm (!) groß waren und mit andern, dem Alter nach genau bekannten, jungen Dasyuri verglichen, bloß einige Tage alt sein konnten. Von einer äußerlichen Untersuchung derselben glaubte ich, da sie nicht besonders konservirt waren, absehen zu dürfen. Doch habe ich die hintere Körperpartie von einem der noch am besten er- haltenen auf Querschnitten untersucht, von welchen später die Rede sein wird. Der Beutel des Mutterthieres zeigte also, wie erwähnt, eine starke Ausbildung und bestand in seinem ventralen Blatt aus einer ringsum gehenden Hautfalte (Fig. 10 m), die vorn und seitlich eine durchschnitt- liche Breite von 15 mm, hinten dagegen nur eine solche von 414,5 mm aufwies. Man kann desshalb sagen, dass die Mündung dieses Beutels ventralwärts und mehr nach hinten als nach vorn gerichtet ist, womit wurzel gemessen. Um Wiederholungen zu vermeiden, soll, wenn dies geschehen ist, ein (!) hinzugesetzt werden. Ein Fehlen dieses Zeichens bedeutet, dass die Längenmaße der betr. Individuen auf die geradlinige Entfernung vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel sich beziehen. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 619 auch das Verhalten der geräumigen Beuteltasche bei dem Dasyurus viverrinus nahe verwandten Thylacinus übereinstimmt (Owen, Nr. 20, p. 774). Der Durchmesser des bei gestrecktem Körper und mäßig ge- spreizten Beinen des Thieres kreisförmig geordneten Beutels betrug 3,5 cm. | Bei einem andern erwachsenen, 26 cm großen Weibchen, dessen hinteres Körperende von der Bauchfläche in Fig. 11 dargestellt ist, be- schränkte sich das Marsupium auf eine kreisförmige, 5 cm im Durch- messer der durch eine massige Entwicklung des Milchdrüsenapparates (M) sehr hervortretenden dorsalen Wand jenes von einander entfernte Hauifalte (m). Die Breite (Höhe) derselben betrug vorn weniger als hin- ten und an den Seiten, war aber im Ganzen so gering, dass man von einer » Beuteltasche«, einem Blindsack, hier unmöglich reden kann. Zwei andere, 27 cm große, sehr muskulöse weibliche Exemplare von Dasyurus viverrinus var. Maugei (Fig. 9) besaßen bezüglich des Ver- haltens ihres Beutels die Eigenthümlichkeit, dass derselbe einen nach vorn vertieften, also mit der Öffnung nach hinten gerichteten, wenig geräumigen Blindsack darstellte, indem die Hautfalte (m) bloß um den vordern Rand der Milchdrüsenfläche in einem Bogen herumlief und höchstens 6 mm breit war. Ein letztes ausgewachsenes, 25 cm großes Weibchen derselben Varietät zeigte nur die Andeutung einer vorderen, bogenförmigen Beutel- falte. Die dorsale Wand dieses rudimentären Beutels mit den sechs kleinen Zitzen lag desshalb ganz frei zu Tage. b) g.. Bei einem, aus dem Marsupium seiner Mutter genommenen, sehr jungen Exemplar von Dasyurus viverrinus (s. oben) von 3 cm (!) Körper- länge, befand sich in der Region des Beutels der weiblichen Thiere eine kleine, grübchenförmige Einziehung des Integumentes, die von dem sitzenden, in der Medianlinie ein wenig eingefurchten Scrotum ein- genommen wurde (vgl. Fig. 23). Eine derartige, als Anzeichen einer unentwickelten Beutelfalte zu deutende, wenn auch schwache, ringförmige Erhebung oder flache De- pression des abdominalen Integumentes, welche das Scrotum rings um- gab, beobachtete man des Weiteren bei vier eine Woche alten, 4,4 cm (!) großen, männlichen Individuen, bei einem 4,8 cm (!) großen aus der zweiten Woche und vier andern aus der dritten Woche von resp. 4,8 (!), 5,2 (!) (2) und 5,6 cm {!) Größe. Bei vier halbwüchsigen Männchen der genannten Art, nämlich: 4) einem drei Monate alten, 10,4 oder 16,2 cm (!\ großen, 620 Oscar Katz, 2) einem eben so alten, 10,1 cm oder 15,5 cm (!) großen (1 und 2: schwarze Varietät), 3) einem eben so alten, 10,7 cm oder 17,8 cm (!) großen und 4) einem etwa vier Monate alten von 11,7 cm oder 19,8 cm (!) Größe | - konstatirte ich ebenfalls rudimentäre Beutelfalten, d. h. eine, bei dem einen mehr, bei dem andern weniger regelmäßige und scharf hervor- tretende, durch eine Faltung der Haut bewirkte Vertiefung, welche aus ihrer Mitte den breiten und kurzen Stiel des Scrotum hervorgehen lieh. Alte, erwachsene Männchen von Dasyurus viverrinus zeigten keine Marsupialfalten. Acrobata pygmaea. au. Ein vier Monate altes, 4,9 cm (!) großes Weibchen dieser Art (Fig. I und 2) bietet uns ein Marsupium dar, welches zwei seitliche, nach hinten gelegene Blindsäcke besitzt, die durch ein medianes, longi- tudinales Septum (Fig. 2 /\), den Vereinigungspunkt der beiden längs über die hintere Bauchfläche sich hinziehenden Marsupialfalten (m), von einander geschieden werden. Bei einem jungen Exemplar von 4,1 cm Größe sind diese Falten nach hinten schon mehr abgerundet. Die Öffnung des Beutels ist kleiner geworden, die beiden hinteren Blindsäcke haben sich merklich vergrößert. Bei einem erwachsenen, 6 cm großen Weibchen fand ich den die Mündung des Beutels begrenzenden freien Rand der Hautfalten wulstig aufgetrieben und in quere Falten gelegt. Hinten, in der ventralen Mittel- linie, setzten sich jene in eine, in die dorsale Wand des Marsupium über- gehende, 3 mm hohe, longitudinale Lamelle fort, die wieder zwei nach hinten vertiefte Blindsäcke von einander trennte. Ein letztes erwachsenes Weibchen von 5,8 cm Größe ließ Beutel- falten bloß vorn und zu beiden Seiten einer 1,4 cm langen und 1,9 cm breiten, wegen beträchtlicher Entwicklung der Milchdrüsen hervorge- wölbten Partie des abdominalen Integumentes sehen, während sie nach hinten so gut wie ganz verstrichen waren. Genanntes Thier verhielt sich in dieser Beziehung wie das oben beschriebene und in Fig. 11 abge- gebildete Exemplar von Dasyurus viverrinus. b) Q'. Ein etwa vier Monate altes, 4,8 cm (!) großes, männliches Indivi- duum von Acrobata pygmaea (Fig. 3 und 4) besaß in der hintern Bauch- region zwei seitliche, longitudinale Hautfalten (m), die den Marsupialfalten Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 621 des entsprechenden Weibchens (vgl. Fig. 1 und 2) gleichzusetzen sind. Zwischen ihnen liegt das Scrotum (s), von dem später Einiges auszu- sagen ist. Bei einem andern, 5 cm (!) großen Männchen der nämlichen Art (Fig. 5 und 6), waren die Beutelfalten auf zwei kleine, schräg von vorn und der Seite nach der hintern Grenze des Scrotum (s) verlaufende Haut- erhebungen (m) beschränkt. Bei einem andern halbwüchsigen Männchen bemerkte man zwei deutliche, zu den Seiten des Hodensackes sich nach abwärts erstreckende Hautfalten, die auf den Rand einer bei vier erwachsenen Thieren aus- schließlich beobachteten, das mehr oder weniger voluminöse und buschig behaarte Scrotum in die Mitte nehmenden Einbuchtung des Abdomens flach ausliefen. Phalangista vulpina. a) ©. Ein sehr kleines, bloß 18 mm großes, einige Tage altes Exemplar von Phalangista vulpina, welches ich auf successiven Querschnitten als Weibchen bestimmte, ließ noch keine Spur einer Beutelanlage erkennen. Einer in der Linea alba gelegenen, bräunlich erscheinenden Stelle der Bauchfläche ist schon p. 617 gedacht worden. Die mikroskopische Betrachtung einer Querschnittsserie durch ein 2,5 cm großes Weibchen derselben Art aus der zweiten Woche zeigte, was schon makroskopisch, wenn auch nicht so gut, sichtbar war, da eine die äußerliche Untersuchung ein wenig störende Verletzung der Epidermis bestand, die Anlage des Beutels als eine 1,5 mm lange, drei- eckige, mit der Basis nach vorn, mit der Spitze nach hinten gewendete, Depression des Bauchintegumentes, die durch die Erhebung zweier nach dieser Richtung hin konvergirender Hautfalten zu Stande gekommen war. In der Mittellinie der dorsalen Wand dieses primitiven Marsupium verlief der Länge nach eine niedrige, dasselbe zweitheilig erscheinen lassende Scheidewand, welche in ihm auf diese Weise zwei seitliche Blindsäcke andeutete, in deren jedem je zwei hinter einander angeord- nete Milchdrüsenanlagen sich befanden. Bei einem vierwöchentlichen , 6,8 cm großen Individuum traf ich einen noch weit, und zwar nach vorn geöffneten Beutel mit geringem Lumen. Eine Zweitheilung war allerdings nicht ausgeprägt, doch immerhin die Andeutung einer medianen, hinteren Hautleiste nicht zu verkennen. Fünf halbwüchsige Weibchen von verschiedener Größe besaßen 622 | ni Oscar Katz, einen aus zwei seitlichen , nach hinten gelegenen Blindsäcken bestehen- den Beutel. Ein aus dem Hamburger zoologischen Garten stammendes, 33,5 cm großes, erwachsenes Phalangista vulpina-Weibchen zeigte ein Marsupium, das nach vorn sich öffnete und einen unpaaren, medianen und nicht sehr geräumigen Blindsack darstellte. Ich erwähne dieses Thier hier besonders desshalb, weil ein anderes ebendaher kommendes, erwachsenes Weibchen ! zwar wie jenes zwei an der gewöhnlichen Stelle liegende, in Hautvertiefungen, die sog. Zitzenscheiden, eingesenkte Zitzen aufwies, aber keine Spur von Beutel- falten, die, so ist man anzunehmen genöthigt, sich ausgeglichen haben mussten. Über die Ursache dieser Erscheinung wage ich jedoch keine Entscheidung zu treffen. b) d.. Bei drei jungen Männchen, einem zwei-, einem drei- und einem vierwöchentlichen von resp. 4,9 (!), 9 (!) und 44 cm (!) Körperlänge waren rudimentäre Beutelfalten kaum vorhanden; doch durfte man eine geringe Einziehung des Integumentes, in welcher das ungestielte Scro- tum des erst genannten Jungen saß, dafür ansehen. Es lagen mir ferner noch acht junge, darunter schon halb erwach- sene Männchen von Phalangista vulpina vor, die bezüglich der Anlage von Beutelfalten nichts erkennen ließen. Belideus breviceps (und B. notatus). Zwei bloß 1,2 cm (2,5 cm [!]) große, eine Woche alte, sehr zierliche Junge von Belideus breviceps (Fig. 8) boten ihrem Äußeren nach keine Kennzeichen dar, die eine sichere Entscheidung über das Geschlecht der- selben hätten ermöglichen können. Beutelfalten waren hier noch eben so wenig wie bei dem p. 621 erwähnten jüngsten Individuum von Phalan- gista vulpina angelegt. In Betreff des Verhaltens einer bei diesen Jungen, von denen sich eins auf nachträglich durch dasselbe geführten Quer- schnitten als Männchen erwies, in der Linea alba vorhandenen, nabel- narbenähnlichen Stelle (vgl. Fig. 8 c) muss ich auf p. 617 verweisen. a) ©. | ... Bei einem 3 cm (!) und einem 3,7 cm (!) großen Weibchen von Belideus breviceps aus der zweiten Woche war das Marsupium angedeutet 1 Dasselbe war während der Pfingstferien 4884. hier angekommen und, da ich um diese Zeit gerade nicht anwesend war, sogleich in WIcKERSHEIMER’Sche Flüssigkeit gelegt worden. Ich konnte später mit Leichtigkeit alle Haare am Bauche desselben wegnehmen, so dass mir eine vollständig glatte Fläche zu Gesicht kam. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 623 durch eine längliche, von der, wie bei andern ganz jungen Individuen, lang hervorgestülpten und mit der schwach eingeschnittenen Spitze nach vorn gerichteten Qlitoris ganz bedeckten Hautvertiefung, über die nichts Besonderes weiter auszusagen ist. Drei ausgewachsene Weibchen derselben Art besaßen einen aus zwei mehr oder weniger tiefen, nach hinten blind endigenden Taschen zusammengesetzten Beutel. Bei einem ebenfalls ausgebildeten Weibchen von Belideus notatus (Fig. 13), — von B. breviceps leicht durch die weiße Schwanzspitze zu unterscheiden — traten nicht nur zwei nach hinten sich erstreckende Blindsäcke (f,) auf, welche je zwei Zitzen beherbergten (Pm), sondern es zeigten sich überdies noch zwei andere, schmalere, mit ihrem blinden Ende nach vorn gelegene (%), die mit jenen in freier Kommunikation standen und keine Zitzen einschlossen. Drei andere weibliche Exemplare von Belideus notatus, ein junges und zwei erwachsene, verhielten sich wie die oben genannten drei Beli- deus breviceps. b) g.. Von jungen Männchen stand mir, außer dem bereits erwähnten, welches der Anlage von Beutelfalten entbehrte, ein 4,6 cm (!) großes Exemplar von Belideus breviceps aus der dritten Woche zu Gebote. Dasselbe hatte ein rudimentäres Marsupium in Form einer schwachen Depression des Integumentes, die von dem dicht am Bauche liegenden Scrotum eingenommen wurde. Erwachsene Männchen von Belideus notatus habe ich auf Beutel- falten vergeblich untersucht. Petaurista taguanoides. Bei einem zwei bis drei Wochen alten, 4 cm (6,6 cm [!j) großen weiblichen Thier dieser Art war das Marsupium noch oberflächlich, mit weiter Mündung versehen, da die Hautfalten eine noch geringe Entwick- lung zeigten. Ein halbwüchsiges Weibchen von 17 cm Größe und ein aus- gewachsenes, zu dem dieses Junge gehörte, besaßen einen gewöhnlichen, nach vorn geöffneten Beutelblindsack. Männliche Individuen von Petaurista taguanoides lagen mir nicht vor. Perameles. a). ©. Zwei zweiwöchentliche Weibchen von Perameles nasuta (obesula?), welche von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel in direkter Entfernung Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 42 624 | Oscar Katz, 4 cm maßen, boten rücksichtlich ihres Marsupium, das die Gestalt einer kurzen und schmalen, mit ihrer flachen, 4 mm langen Öffnung schwanz- wärts gerichteten Tasche hatte, ähnliche Verhältnisse dar, wie sie von Eypoux und Laurent (Nr.5, p.51f., Pl. 3, Fig. 6) angegeben worden sind. Bei einem halbwüchsigen Weibchen von Perameles sp. und einem ausgewachsenen von Perameles obesula öffnete sich das unverhältnis- mäßig hier mehr, dort weniger geräumige Marsupium nach hinten, gegen den After hin. b) gt. Bei zwei zweiwöchentlichen, 4 cm großen (s. oben) Männchen von Perameles nasuta (obesula?) (Fig. 7) beobachtete ich eine der Beutel- falte entsprechende integumentale Falte (m), welche in einem Bogen vorn um das Scrotum (s) herum und zu beiden Seiten desselben nach hinten flach auslief. Abgesehen von einem andern, zwei Monate alten, von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel in gerader Linie 7 cm großen Exemplar von Perameles nasuta, welches aber der Beutelfalten entbehrte, standen mir weitere männliche Individuen dieser oder einer andern Perameles-Art nicht zur Verfügung. Halmaturus Thetidis. a) D©. Bei einem ungefähr eine Woche alten, 4,7 cm (!) großen Weibchen von Halmaturus Thetidis bezeichneten die Anlage des Beutels zwei schwache, 2,2 mm lange, seitliche Hautduplicaturen, welche von vorn und der Seite kommend, schräg nach hinten und der Medianlinie des Bauches zusammenliefen. Bei einem vierwöchentlichen, 8,3 cm (!) großen Weibchen derselben Art bildeten die Beutelfalten einen kleinen und schmalen, nach vorn noch weit geöffneten Blindsack. Mehrere halbwüchsige Individuen zeigten einen dem bekannten Zustande desselben bei erwachsenen Halmaturusarten entsprechend an- geordneten Beutel. bh) g'. Verschiedene junge Männchen von Halmaturus Thetidis, ein ein- wöchentliches, 4,9 cm (!) großes, ein zwei- bis dreiwöchentliches, 7 cm (!) großes, ein vierwöchentliches, 8,3 cm (!) großes und mehrere halbwüchsige Exemplare ließen hinsichtlich des Vorhandenseins von Marsupialfalten nichts wahrnehmen. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 625 Didelphys. | a) Q. Ein junges, 4,7 cm (!) großes Weibchen von Didelphys murina (?) ermangelte noch der Anlage von seitlichen Beutelfalten, wie sie bei einem alten, ausgebildeten Weibchen sich fanden. Drei 3,7 cm (5,8 cm [!]) große Weibchen einer brasilianischen Di- delphysart besaßen eine hufeisenförmig nach hinten herumlaufende Beutelfalte, welche aber den größten Theil der die 11 Zitzenanlagen tragenden dorsalen Wand des Beutels noch nicht bedeckte. Von zwei andern halbwüchsigen , 9,5 cm großen weiblichen Indi- viduen ist über denselben außer dessen weiterer Entwicklung nichts zu berichten. b) g'. Bei zwei 4,7 cm (!) großen Männchen von Didelphys murina (?) fehlten Rudimente von Beutelfalten. Bei drei 3,7 cm (5,8 cm [!]) großen Männchen einer brasilianischen Didelphys (wie oben) bemerkte man auf der Bauchfläche vor dem Scrotum, etwa 3,4 mm von der Basis desselben entfernt, dicht neben der ventralen Mittellinie und symmetrisch zu der- selben, zwei niedrige, 2 mm, in einem Falle bloß 4 mm lange, longi- tudinale und nach hinten konvergirende Hautfalten, welche wohl zweifelsohne Andeutungen von Beutelfalten sind. Auf der medianen Seite und mehr nach dem freien Rande derselben hin (Mitte der Länge dieser) saß je eine 0,2 mm breite, rudimentäre Zitze, auf welche ich nachher zurückzukommen habe. Bei vier halbwüchsigen , 9,5 cm großen Männchen derselben: Art waren die erwähnten Falten des abdominalen Integumentes geschwunden, die zwei Zitzenrudimente dagegen beibehalten. Nach dieser Übersicht über das speciellere Verhalten der Beutel- falten oder allgemein des Beutels bei einer Reihe von verschiedenalte- rigen Marsupialen ! sei mir gestattet, etwas Allgemeines hinzuzufügen. Dasselbe bezieht sich einmal auf die Art und Weise der Mündungs- richtung des Beutels, wobei wir die männlichen Thiere ganz außer Acht lassen und bloß die weiblichen einer Betrachtung unterwerfen. Sehen wir von jungen Individuen ab, bei denen der Beutel, wenn überhaupt schon angelegt, in seiner Öffnung noch keine deutlich 1 Ich habe mich auf die Vorführung der in verschiedenen Entwicklungsstufen | vorhanden gewesenen Individuen beschränkt und es für unnöthig gehalten, eine Reihe anderer, zumal meist ausgewachsener, amerikanischer wie neuholländischer Formen in die Beschreibung mit aufzunehmen. 42% 626 Oscar Katz, prononcirte Richtung besitzt, so finden wir bei allen den Beutlern, die auf Bäumen herumklettern können (Phalangistidae und Didelphyidae) und solchen, bei denen die aufrechte Stellung des Körpers, d. h. das Stützen desselben durch die Hinterbeine (und den Schwanz), gewöhnlich ist (Macropodidae), ein Marsupium, welches, entweder nur einen einzigen Blindsack (der bei Weitem häufigste Fall) oder zwei Blindsäcke (Belideus breviceps und notatus) darstellend, nach hinten, gegen das Becken hin vertieft, nach vorn hin also geöffnet ist!. Die Richtung der Beutelmündung nach hinten, die Vertiefung des Blindsackes also nach vorn, ist allgemein bei sämmtlichen Perameles- arten mit Ausnahme von Perameles (Macrotis) lagotis (Giesen, Nr. 8, p. 720) vorhanden und scheint nach Eypoux und Laurent (Nr. 5, p. 56) »in Beziehung zu der beträchtlichen Höhe des Hinterleibes dieses Thieres (Perameles) zu stehen, welches, auf seinen vier Füßen sich stützend, eine geringere Höhe des Kopfes als des Sacrum haben und sich springend fortbewegen muss«. GIEBEL sagt (l. c.): »Ihre starken Krallen befähigen sie zum Höhlengraben und ihre verlängerten Hinterbeine zum Hüpfen und Springen.« Danach scheint auch wirklich die Annahme nicht un- gerechtfertigt, dass diese Anordnung der die Jungen doch bis zu einem gewissen Grad der Reife vollständig umschließenden Beuteltasche (vgl. p. 624) auf einer reinen Anpassung an die Lokomotion der betreffenden Thiere beruht. Dieser Fall steht nicht einzig unter den Beutlern da. Es ist bekannt, dass auch Choeropus ecaudatus aus dem südlichen Australien einen mit der Öffnung gegen den After hin gewendeten Beutel besitzt (Owen, Nr. 20, p. 771; Gmeser, Nr. 8, p. 723). Owen sagt das Gleiche von Thylacinus aus (Nr. 20, p. 774, 774), was wir auch bei Dasyurus viver- rinus (s. p. 618 und 619, Fig. 9 und 10) zu konstatiren Gelegenheit fan- den. Ich nehme daher keinen Anstand, die nämliche Beschaffenheit des Beutels in dieser Hinsicht wie bei Perameles (s. p. 624) auch bei diesen drei Formen, welche wie Perameles am Boden leben, in Harmonie mit der durch eine größere Höhe des Hinterkörpers bedingten Lokomotion derselben zu bringen. In der hiesigen Sammlung befindet sich ferner ein in Weingeist konservirtes , isolirtes Marsupium, noch im Zusammenhang mit einem Theil der Bauchmuskulatur und den ungemein entwickelten Beutel- knochen. Dasselbe war sehr geräumig. Es gehörte dem Koala, Phascol- arctos cinereus, an, da ich ein in ihm befindliches, an einer langen Zitze 1 Die beiden vorderen Blindsäcke bei Belideus notatus (s. p. 623, Fig. 13 %) können unberücksichtigt bleiben, da sie keine Zitzen und Milchdrüsen beherbergen, also nicht die neomeletische Bedeutung der beiden hinteren Taschen besitzen. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 627 befestigtes, junges Männchen von 14 cm Größe als solchen bestimmte. Und, merkwürdig genug, diese Beuteltasche öffnete sich nach hinten, merkwürdig desshalb, weil bei allen kletternden Marsupialen (ich erinnere an Didelphys, Phalangista, Belideus), wie auch der Koala eins ist, ein kopfwärts gerichtetes Marsupium vorkommt. Dass letzteres bei der in Rede stehenden Art immer so angetroffen wird, d. h. schwanzwärts mündend, ist mir nicht bekannt. Möglicherweise besteht hier eine Ano- malie, denn mit der kletternden Lebensweise dieses Beutlers verträgt sich das angedeutete Verhalten des Beutels wohl schwerlich. Sodann mögen einige allgemeine, auf die Verhältnisse in der Aus- dehnung des Beutellumens bezügliche, Bemerkungen hier Platz finden. Dieselben haben sich mir auf Grund besonders der Befunde bei er- wachsenen Weibchen von Dasyurus viverrinus ergeben, und muss ich etwas vorwegnehmen, was eigentlich erst im nächsten Paragraphen er- wähnt werden sollte. Wir haben gesehen, dass das durch seitliche und quere Hautffalten, die später zu einem Ganzen zusammenfließen, angelegte Marsupium von Dasyurus viverrinus, zur Zeit, wo Junge vorhanden sind, eine weite, ventralwärts und zwar mehr nach hinten als nach vorn geöffnete Tasche bildet (vgl. p. 618 und 619, Fig. 10), deren freier, die Mündung begrenzender Rand sich vollständig über jenen zu schließen vermag. In einer von Herrn G. Krerrt aus Sydney an Herrn Professor EnLers ge- richteten und mir von diesem zur freien Benutzung freundlichst über- lassenen brieflichen Mittheilung befindet sich in Bezug auf Dasyurus viverrinus unter Anderem die Stelle, » dass die sechs Zitzen der Weib- chen sich in einer Höhlung (Beuteltasche) bei der Geburt befinden und je älter die Jungen werden, mehr hervortreten und im vierten Monate ° dicke Euter bilden«, deren Größenverhältnisse er in einer dem Texte beigegebenen, naturgetreuen Skizze wiedergiebt. »Schon im zweiten Monate,« fährt Krerrt fort, »werden die Jungen der Mutter lästig und sie kriechen dann, noch immer blind, im Stroh umher ...«. Aus diesen Daten geht zur Genüge hervor, dass mit der vorschreitenden Ausbildung der Jungen oder, was gleichbedeutend damit ist, mit der größeren und massigeren Entwicklung der Milchdrüsen eine Reduktion, ein fast gänz- liches Verstreichen der bei der Geburt der Jungen und noch einige Zeit nachher so sehr ansehnlichen Beutelfalten Hand in Hand geht. Diesen Zustand des fast völligen Geschwundenseins der Beutelfalten habe ich bei dem p. 619 beschriebenen und in Fig. 41 abgebildeten Dasyurus viverrinus-Weibchen gefunden, nur dass hier nicht, wie Krerrr in seiner Zeichnung angiebt, alle sechs, sondern nur drei Zitzen anzeigten (vgl. Fig. 14), dass sie eben so vielen Jungen zum Saugen gedient hatten. 628 Oscar Katz, Was die zwei auf p. 619 genannten Individuen vorerwähnter Art be- trifft, welche einen unansehnlichen Beutel mit einem nach vorn sich erstreckenden, wenig ausgedehnten Blindsack besaßen (vgl. Fig. 9), und das andere dort zuletzt aufgeführte (p. 619), bei welchem dieser bloß in Spuren vorhanden war, so glaube ich vielleicht annehmen zu können, dass sie, als schon geboren habend, die Lactationsperiode hin- ter sich hatten, in welchem Stadium der Beutel ein so beschaffenes Aus- sehen wohl zeigen mag. Es ist wohl kaum in Abrede zu stellen, dass auch bei allen andern multiparen Beutelthieren (mit vollkommener Beuteltasche), d.h. solchen, die mehr als zwei Junge auf einmal zur Welt bringen, die Sache sich ähnlich wie bei Dasyurus viverrinus verhält, zumal ich mich noch bei Acrobata pygmaea (s. p. 620) von dem starken Zurückgehen der Mar- supialfalten auf Kosten einer mächtigeren Entwicklung der Milchdrüsen und der Zitzen (drei von im Ganzen vier) überzeugen konnte. Anders ist es dagegen bei den uniparen Beutlern, wie Macropus und Phascolarctos, bei denen das Wachsthum, die Volumvermehrung des Beutelblindsackes in direktem Verhältnis zu dem Entwicklungszustand der jungen Thiere steht. Ohne Zweifel ist auch wohl bei biparen Beutelthieren, wie den Petauristen (Owen, Nr. 20, p. 770), der Beutel einer größeren Ausdehnung fähig, um die Jungen längere Zeit, als dies bei Dasyurus viverrinus u. a. der Fall ist, fassen zu können. Es erübrigt noch etwas Anderes hervorzuheben. Wie in speciellen Angaben gezeigt, bestehen Beutelfalten, welche die Marsupialia so sehr charakterisiren, nicht allein bei den weiblichen Thieren, sondern — eine ziemlich allgemeine Erscheinung — auch bei jungen männlichen Indi- viduen, wenn auch nur in Rudimenten, sei es nun, dass dieselben eine flache Einziehung des Integumentes repräsentiren, in deren Mitte das Scrotum liegt (Dasyurus, Perameles, Belideus, Phalangista), oder sei es, dass zwei seitliche Hautfalten dieses begrenzen (Acrobata pygmaea). Auch sind wohl die bei jungen Didelphys-Männchen vor dem Scrotum gelegenen kleinen Falten des Integumentes dahin zu rechnen. Durch Owen wissen wir ferner (Nr. 20, p. 774), dass auch beim männlichen (und zwar erwachsenen) Thylacinus ein rudimentäres Marsupium beibehalten ist, »in form of a broad triangular depression or shallow inverted fold of the abdominal integument, from the middle of which the peduncle of the scrotum is continued«!. Es ist nun nicht wahrscheinlich, dass der 1 Diese Thatsachen beweisen allein schon, dass von einer Homologie zwischen dem Beutel der Weibchen und dem Hodensack der Männchen, wie sie H. DE BLAIN- VILLE (Nr. 4,p.28; Nr.5,p. 64), doch mit einer gewissen Einschränkung anzunehmen | | Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn, Organe bei den Beutelthieren, 629 Beutel, in gleicher Weise wie bei den Weibchen, den Männchen mit- gegeben, dann aber zurückgebildet sei. Wir werden das Ursprünglichere wohl bei ersteren zu suchen haben, von denen dasselbe auf letztere ver- erbt ist, zumal es, wie bekannt, auch unter den Weibchen Formen giebt (Didelphys), welche bloß seitliche, also unvollkommene und keine Taschenbildung hervorrufende Beutelfalten besitzen. Zitzen und Milchdrüsen. Das Verhalten dieser bei den verschiedenen weiblichen Beutlern in so mancherlei Gestaltungen uns entgegentretenden Gebilde ist im All- gemeinen bekannt und sind die betreffenden Angaben darüber bei Owen (Nr. 20, p. 768ff.), Guvier, (Nr. 3b, p. 609), Eypoux und Laurent (Nr. 5, p. 20 ff.), Morcan (Nr. 16), GieserL (Nr. 8) u. a. nachzusehen. Doch bleibt immer noch Einiges hinzuzusetzen. Was zunächst die Anordnung der Zitzen oder der Anlagen dieser auf dem durch die Beutelfalten abgegrenzten Bezirk der Bauchoberfläche anlangt, so gestaltet sich dieselbe verhältnismäßig am einfachsten bei den neuholländischen Arten, wo fast ausnahmslos nur paarige Zitzen, in größerer oder geringerer Anzahl und in verschiedener Stellung zu der ventralen Mittellinie, vorkommen. So zeigt beispielsweise Dasyurus viverrinus sechs Zitzen, die zu je drei jederseits in zwei leicht lateral- wärtis gebogenen, longitudinalen Reihen symmetrisch zu jener angeord- net sind. Bei mehreren Weibchen von Belideus breviceps und Belideus notatus, deren Beutel nicht einfach, sondern durch eine mediane Scheide- wand in zwei nach hinten vertiefte, mehr oder weniger weite Blindsäcke getheilt war (vgl. p. 623), fanden sich in einem jeden von diesen je zwei, in einer von median hinten nach seitlich vorn verlaufenden Linie geordnete Zitzen (vgl. Fig. 13 Pm), die bei den meisten der genannten Formen sich dem unmittelbaren Anblick entzogen, da sie in Vertiefungen der Haut, in die sog. Zitzenscheiden eingesenkt waren. Letzterer Er- scheinung, der man allgemein bei jugendlichen Beutlerweibchen und erwachsenen, die noch nicht geboren haben, begegnet, ist des Näheren von Owen (Nr. 20, p. 769), Eypoux und Laurent (Nr. 5) gedacht wor- den, so dass ich darauf nicht weiter einzugehen brauche. Ich bemerkte vorhin, bei den neuholländischen Arten fänden sich paarige Zitzen fast ausnahmslos. Denn bei einem ausgewachsenen Weib- chen von Perameles obesula und einem halbwüchsigen ebensolchen von Perameles spec. (vgl. p. 624), deren Marsupium, wie erwähnt, schwanz- wäris geöffnet war, lagen im Innern dieses acht in einer Ellipse geordnete bereit ist, unmöglich die Rede sein kann (vgl. im Übrigen Eypovx und LAURENT, Nr. 5. De l’appareil mammaire des marsupiaux et de la bouche de leurs petits). 630 Oscar Katz, Zitzen, so zwar, dass zwei unpaare, eine vorderste und eine hinterste, in die Medianlinie des Bauches fielen, während die anderen, paarigen, zu je drei seitlich von derselben angebracht waren. Der sehr beträcht- lichen Ausbildung des vordersien Paares bei dem zuerst genannten Individuum nach zu urtheilen, musste dasselbe Junge gesäugt haben, als oder kurz bevor es getödtet wurde. Dieser Befund der Unpaarigkeit der Zitzen bei Peramelesarten führt uns hinüber zu den Erscheinungen, welche die Hauptmasse der Re- präsentanten der amerikanischen Gattung Didelphys, mit vollkommenem Beutel oder ohne solchen hinsichtlich der Vertheilung der Zitzen auf der Bauchfläche darbietet. Betrachte ich, um ein Beispiel herauszugreifen, weibliche Exemplare von Didelphys murina (?) mit bloß seitlichen Beutel- falten, so finde ich im Ganzen 11 Zitzen, die in der Weise angeordnet sind, das von neun, als hinteren zu bezeichnenden, acht in einer Kreis- linie, zu je vier auf jeder Seite, symmetrisch zur ventralen Mittellinie liegen, während die neunte und größte den Mittelpunkt jenes Kreises in letzterer bildet. Die zwei übrigen, vorderen sind wieder paarig. Diese, in der Einzahl vorhandene, unpaare Warze ist für die meisten Didelphys- arten, von denen ich beispielsweise noch D. virginiana und D. dorsigera nenne, sehr charakteristisch, während sie anderen, wie D. opossum, fehlen kann. Wie verhält sich nun die zu derselben gehörige Milchdrüse? Auf succesiven Querschnitten, welche ich von der Bauchdecke eines jungen, 4,7 cm (!) großen Weibchens von Didelphys murina (?) (s. p. 625) an- fertigte, konnte man beobachten, dass die als einfache Einstülpung der Schleimschicht der Epidermis erscheinende, unier der medianen Warze befindliche Milchdrüsenanlage zwar nicht länger, aber doch breiter als die übrigen war (größte Breite jener 0,16 mm, dieser 0,13 mm) und, der Länge nach durchschnitten, sich wie eine mit einem kleineren, mittleren und zwei größeren, seitlichen Ausläufern versehene Figur aus- nahm. So unwahrscheinlich nun die unpaare Anlage der betreffenden Milchdrüse und Zitze von Haus aus ist, — und das gilt in gleicher Weise für den von Perameles notirten Fall —, so möchte ich doch nicht be- haupten, dass das soeben angedeutete Verhalten eine ursprüngliche Paarigkeit derselben schon beweise. Das wird erst möglich sein, wenn man genügend junge Thiere auf Schnitten untersucht. Im Anschluss hieran sei gleich eine weitere Eigenthümlichkeit des in Rede stehenden jungen Didelphys murina-Weibchens zur Kenntnis gebracht. Dieselbe bestand darin, dass in einem Theil des Unterhaut- bindegewebes der Bauchdecke sich zwei besondere, longitudinale und symmetrische Lamellen hervorthaten (Fig. 20 a), die aus stärkeren, hin ‚Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 631 und her gewundenen Bindegewebsfasern zusammengesetzt waren, von der Linea alba ausgingen und in schräger Richtung beiderseits gegen die Cutis ausstrahlten. Man erkannte sie zuerst als zwei deutlich isolirte Bindegewebszüge etwa auf der Höhe der Durchschnitte durch das vor- letzte Milchdrüsenpaar, wo sie an der Linea alba einen fast rechten Winkel bildeten. In ihrem Verlauf nach vorn gaben sie an die dichte, bindegewebige Umhüllung der unpaaren, medianen Milchdrüsenanlage einige Zweige ab, flachten sich nun je weiter nach vorn, desto mehr ab, d. h. traten (auf die Querschnitte bezogen) in immer größeren Abhstän- den von einander an die Cutis hinan. Sie waren noch eine kurze Strecke jenseits der beiden vordersten Milchdrüsenrudimente (Fig. 20 d), die sie (a) ganz trafen, als flache, dünne Stränge (auf den Querschnitten) zu ver- folgen, bildeten dann zusammen eine einzige horizontale Linie (oder Fläche) und hörten schließlich ganz auf. Diese sehnigen Lamellen im Unterhautbindegewebe eines Theiles der Bauchdecke von Didelphys sind desshalb einer näheren Beachtung nicht unwerth, weil sie bei keinem neuholländischen Beutler auf Quer- schnitten angetroffen wurden. Ihre morphologische Bedeutung wird keine große sein, zumal sie sich, wie gezeigt, auf einen kleinen inte- gumentalen Theil der Bauchregion beschränken und zu den Muskeln oder den sog. Beutelknochen in keiner Beziehung stehen. Vom physio- logischen Gesichtspunkte betrachtet, kann man sie als Stützpunkte für die vordere Partie des Milchdrüsenareales und gewissermaßen als Stell- vertreter des später zu behandelnden sog. Musc. cremaster auffassen, welcher an die mittlere und an die beiden vordersten Milchdrüsenanlagen- keine Fasern schickt. — Die Präparation an einem erwachsenen Weibchen von Didelphys murina (?) mit Bezug auf jene Bindegewebslamellen ergab nichts Genaues und Querschnitte durch die Bauchdecke desselben habe ich nicht gefertigt. Doch will ich hier im Voraus erwähnen, dass ein junges Männchen derselben Art (Größe %,7 cm [!]) Ähnliches zeigte, worauf ich nachher kurz zurückkomme. Das erste Auftreten der Zitzen ist bei den verschiedenen Arten an- gehörigen Individuen der Zeit nach sehr verschieden. So fand ich bei einem eine Woche alten Weibchen von Dasyurus viverrinus (s. p. 617) bereits drei Paar hufeisenförmig angeordnete Zitzenanlagen (von den rudimentären Beutelfalten eingeschlossen), während bei einem eben so alten weiblichen Halmaturus Thetidis (s. p. 624), bei zwei zweiwöchent- lichen Weibchen von Perameles nasuta (obesula?) (s. p. 623), ferner bei einem einige Tage alten Weibchen von Phalangista vulpina, einem solchen aus der zweiten Woche von derselben Art (s. p. 621) und zwei eben so 632 Oscar Katz, alten von Belideus breviceps (s. p. 622) noch keine Zitzen zu erkennen waren. Ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Erscheinen dieser und dem der Marsupialfalten bleibt ausgeschlossen, da ich einerseits bei den erwähnten Individuen letztere angelegt fand, ohne dass dieses von jenen auszusagen gewesen wäre, und andererseits Zitzen bei dem schon mehr- fach erwähnten, jungen Didelphys murina (?)- Weibchen ziemlich ent- wickelt sah, ohne dass seitliche Beutelfalten aufgetreten waren. Es ist ferner bei den Beutlern keineswegs durchgreifende Regel, dass die Zahl der Zitzen mit der Zahl der angelegten Mammae überein- stimmt. Dafür bietet uns Phalangista vulpina ein Beispiel. Successive Durchschnitte durch ein 41,8 cm großes, einige Tage altes, dann durch ein 2,5 cm großes, in der zweiten Woche befindliches Weibchen dieser Art (s. p. 621) ergaben das Vorhandensein von vier einfachen Milch- drüsenanlagen, von denen die beiden nach hinten gelegenen größer (bei erstgenanntem Exemplar 0,24 mm lang) waren und der ventralen Mittel- linie näher lagen als die beiden vorderen, etwas weiter von einander ent- fernten, die nur etwa halb so groß waren und dabei eine weniger dichte Bindegewebsumhüllung besaßen als jene. Zitzen fehlten noch in dem einen wie in dem anderen Falle. Man sollte nun eigentlich erwarten, dass dieselben später, der Zahl der Drüsenanlagen gemäß, in der Vier- zahl erscheinen würden. Statt dessen habe ich bei einer Reihe von Weibchen, einem vierwöchentlichen von 6,8 cm Größe, mehreren halb- wüchsigen und endlich zwei ausgewachsenen (s. p. 624 und 622) immer nur zwei Zitzen konstatiren können, welche, in ihren Scheiden verbor- gen, bei den vorletzt genannten Individuen zu je einer im Grunde der hier beobachteten paarigen Beutelblindsäcke (s. p. 621) sich befanden. Es ist desshalb wahrscheinlich, dass zwei weitere Zitzen gar nicht zur Ent- wicklung gelangen und auch wohl die beiden vorderen Milchdrüsen, denen sie zweifelsohne entsprechen würden, obwohl angelegt, doch frühzeitig zurückgebildet werden. Zu einer Betrachtung der hier einschlägigen Verhältnisse bei den männlichen Beutlern mich wendend, muss ich, um zunächst bei den neuholländischen stehen zu bleiben, bemerken, dass es mir bei keinem der von ihnen zur Untersuchung gelangten, weder bei alten, noch bei jungen bis zu jüngsten Individuen hinab, gelingen wollte, Zitzen oder die Rudimente von solchen zu entdecken. Ein 4,6 cm (!) großes Männchen von Belideus breviceps aus der dritten Woche (s. p. 623) zeigte allerdings, und zwar am Scheitel des Scrotum, in der Medianlinie, ein kleines, wenig hervorspringendes, flach papillares Gebilde, dessen Basis bloß wenige Zehntel Millimeter im Durchmesser betrug. Schnitte Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 633 durch die Kuppe des Scrotum lehrten jedoch, dass dieses Höckerchen mit keiner Milchdrüsenanlage oder Andeutung einer solchen in Verbin- dung stand, dass es vielmehr als unbedeutende, epidermale Wucherung mit einem, auch in dem das Innere des Scrotum erfüllenden dichten Bindegewebe noch vorhandenen Rest eines die Verschmelzungsfläche der beiden Scrotumhälften andeutenden Faserzuges in Zusammenhang ge- bracht werden dürfte. — Ferner fanden sich am Scrotum eines zwei Monate alten Männchens von Perameles nasuta (s. p. 624) auf der Ober- fläche an verschiedenen, nicht näher zu bezeichnenden Stellen, in un- regelmäßiger Anordnung, kleine, rundliche und längliche Vertiefungen, die sich auf dorso-ventralen Schnitten durch die Kuppe des Scrotum als auf mechanischem Wege hervorgebrachte Eindrücke erwiesen. Wie nun so einerseits jegliche Spur von Milchdrüsenwarzen bei neuholländischen Beutlermännchen fehlte, so zeigten andererseits suc- cessive Querschnitte durch die Bauchdecke incl. Scrotum eines zwei- wöchentlichen Männchens von Perameles nasuta (obesula?) (vgl. p. 624, Fig. 7) was hier folgt. Es war nämlich beiderseits der Basis des Scro- tum (Fig. 24 s), an der Umbiegung der p. 624 erwähnten Marsupialfalte (Fig. 24 B ist das innere Blatt derselben) nach abwärts, also im Grunde des Spaltes zwischen dieser und jener, die Schleimschicht der Epidermis bedeutend verdickt (d,), den Eindruck einer zapfenförmigen Einziehung (auf dem Querschnitt) hervorrufend. Auf Schnitten, welche das Scero- tum in seiner hinteren Fläche getroffen (Fig. 24 stellt einen solchen dar), fand ich diese Einstülpung zu 0,198—0,238 mm Länge und 0,143 mm Breite. Diese Verdiekungen des Rete Malpighii erstreckten sich, wie an- gedeutet, von hinten her dem Verlauf der rudimentären Beutelfalten folgend, in einer jederseitigen Länge von circa 2,2 mm um das vordere Ende der Scrotalbasis herum, wo die auf dem Durchschnitt jetzt un- paarig erscheinende Einstülpung 0,277 mm lang war. Fraglich ist nun, was mit einem derartigen Vorkommnis anzufangen sei. Es ist möglicher- weise der Ausdruck einer rein lokalen Wucherung. Zieht man aber in Erwägung, dass besagte Epithelanhäufungen an einem Orte liegen, wo bei Weibchen die Milchdrüsenanlagen sich finden, ferner, dass sie, wie diese, eine stärkere bindegewebige Umhüllung (Fig. 24 c) als z. B. be- nachbarte Haaranlagen besitzen, so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlos- sen, dass wir es hier mit wirklichen Milchdrüsenrudimenten zu thun haben, die nur in so fern von anderen abwichen, als sie eine kontinuir- liche, bogenförmig angeordnete Reihe darstellen. Zwar fand ich auf Quer- und Längsschnitten durch das Stück Bauchintegument mit dem an einem dünnen Stiele hängenden Scrotum eines halbwüchsigen Pera- meles nasuta-Männchens in der Umgebung dieses Scrotum keine 634 Oscar Katz, bemerkenswerthen Verdickungen der Schleimschicht der Epidermis, die man etwa als Reste von Milchdrüsen hätte auffassen können. Sollte es aber zu Recht bestehen, dass der Befund bei jenem jungen Perameles auf solche hinweist, so müssten wir annehmen, dass dieselben, wenn schon Anfangs vorhanden, doch frühzeitig verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Sehen wir uns nach männlichen Individuen amerikanischer Didel- phys-Species um, so treten uns andere Verhältnisse entgegen. Eypoux und Laurent haben bereits bei jungen Männchen von Didelphys virgini- ana vor dem Scrotum, an einer von zwei Falten der Bauchhaut begrenz- ten Stelle ein Paar, bei einem erwachsenen Männchen der nämlichen Art fünf Milchdrüsenwarzen beobachtet und dieses Vorkommen inNr. 5, p. 38 und 39 beschrieben und (von den Jungen) abgebildet (Pl. I, Fig. 1, 2 und 3). Ich kann diesen Fällen andere hinzufügen. Bei der Durchmusterung von successiven Querschnitten durch ein mittleres Längsstück der Bauchdecke eines mit einem anderen gleich großen schon früher erwähnten jungen Männchens von Didelphys murina (?) (s. p. 625) sah man nahezu 4 mm vom Ende des Brustbeins entfernt und symmetrisch zur ventralen Mittellinie zwei Zitzenanlagen — bei der Betrachtung der Bauchoberfläche mit der Lupe waren dieselben. weniger deutlich gewesen — und unter ihnen je eine 0,156 mm lange und in ihrem größten Querdurchmesser 0,1 mm breite Einstülpung des Rete Malpighii der Epidermis, also die Anlagen von Mammae, welche | den beiden vordersten der elf bei dem gleich großen Weibchen (s. p. 625, Fig. 20 d) der Lage nach entsprechen. Sie waren, wie gewöhnlich bei jenen, von einer koncentrischen Schicht dichteren Bindegewebes um- geben, an die sich, besonders an deren mediane Seite, andere Binde- gewebsfibrillen begaben. Diese wurden ihrerseits wiederum von zick- zackförmig gebogenen, sehnigen Fasern verstärkt, welche sich als die Ausläufer zweier, von der Linea alba aus das Unterhautbindegewebe schräg durchsetzender, bindegewebiger Platten oder Lamellen erwiesen, deren Homologa wir oben bei den entsprechenden Weibchen beschrieben haben (vgl. p. 630 und 634). Außer jenen beiden Milchdrüsen- und Zitzenanlagen bei dem in Frage stehenden Didelphys-Männchen habeich andere mehr weder auf der Bauchfläche, noch auf dem Scrotum oder an der Basis desselben be- merken können. Sodann ließen, wie schon p. 625 kurz angegeben, mehrere junge Männchen einer brasilianischen Didelphys-Art vor dem Scrotum, rechts und links neben der Medianlinie des Bauches zwei Warzen erkennen, die bei drei Individuen von 5,8 cm (!) Länge 0,2 mm breit waren; an Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beuteithieren. 635 der Innenseite und mehr nach dem freien Rande hin von zwei kleinen, longitudinalen Hautfalten lagen und an Lage und Größe den beiden vor- dersten Warzen von gleichalterigen Weibchen (s. p. 625) genau ent- sprachen. Ihre Entfernung vom After betrug in dem einen wie in dem andern Falle durchschnittlich 7 mm. Bei vier anderen, 9,5 cm großen Männchen derselben Art (s. p. 625) bemerkte man noch die Spuren von Zitzen mehr oder weniger deutlich. Diese hatten denselben Abstand (2®—2,3 cm) vom After wie die beiden ersten von den Beutelfalten noch mit eingeschlossenen bei gleich großen weiblichen Thieren (s. p. 625). Sonst sind mir weder bei diesen halb- wüchsigen, noch den genannten jüngeren Männchen andere Zitzenrudi- mente aufgefallen. Scrotum. Von einer Beschreibung der verschiedenen Verhältnisse des Scrotum bei erwachsenen Beutelthieren glaube ich absehen zu können, da wir Belehrung darüber in systematischen und anderen Werken finden. Nur auf einzelne Beobachtungen sei hier kurz hingewiesen. Was einmal die Entwicklung des Scrotum der männlichen Beutler betrifft, so lässt sich nach dem, was mir an jüngsten Individuen zu Ge- bote stand, sagen, dass dieselbe zwar im Allgemeinen, wie bei den monodelphen Säugern, von paarigen, symmetrisch zur Medianlinie des Bauches angeordneten Stücken aus erfolgt. Aber diese liegen von An- fang an dicht neben einander, in topographischer Hinsicht an einem für das fertig gebildete Scrotum durchaus schon gleichwerthigen Orte, vor der Geschlechtsöffnung. Ein 4,9 cm (!) großes, eine Woche altes Männchen von Halmaturus Thetidis (s. p. 624) zeigte die Anlage des Scrotum als zwei je 0,7 mm lange und 0,5 mm breite Auftreibungen des Integumentes, die aber fast ein Ganzes bildeten, da sie bloß durch eine sehr seichte, der ventralen Mittellinie entsprechende Längsfurche von einander getrennt waren. Ähnliches bekam man bei einem 1,2 cm (2,5 cm [!]) großen, ein- wöchentlichen Belideus breviceps (p. 622) auf successiven Durch- schnitten durch die hintere Körperpartie desselben zu Gesicht, nur mit dem Unterschied, dass die betreffenden Wucherungen oder Faltungen des Integumentes weniger entwickelt waren. Alle anderen jungen, dar- auf hin betrachteten Individuen — man kann noch ein 3 cm (!) großes Männchen von Dasyurus viverrinus (p. 619) ausnehmen, dessen Scrotum längs der Medianlinie eine schwache als der Ausdruck einer ursprüng- lichen bilateralen Symmetrie erscheinende Einbuchtung aufwies (vgl. Fig. 23), und Acrobata pygmaea, auf welche ich unten zu reden komme 636 Oscar Katz, — besaßen ein Scrotum, dem man es äußerlich nicht mehr ansah, dass es einmal aus zwei Theilen bestanden hatte. Eine Längsnaht, eine Raphe, war auch an dem die Hoden noch nicht enthaltenden, abgerundeten Scrotum bei ganz jungen Individuen nicht sichtbar. Eben so ließen Querschnitte durch dieses, welches, nebenbei gesagt, mit der Anlage desselben bei placentalen Säugethieren darin übereinstimmt, dass es eine kompakte Masse darstellte, deren Inneres (d. i. der Zwischenraum der Hautfalte) von einem weichen, schleimig-gallertigen Gewebe erfüllt wurde (von dem sog. Gubernaculum Hunteri und Fasern des sog. Musc. cremaster wird später die Rede sein), nur noch geringe Spuren einer Raphe-Bildung wahrnehmen. Sind nun in ein so vorgebildetes Scrotum die Hoden hinabgestiegen, was bei den verschiedenen Arten zu verschiedenen Zeiten, doch wohl niemals vor Ablauf der zweiten Woche ihres marsupialen Lebens statt- findet, so besteht in jenem Anfangs eine noch ziemlich breite, dem ur- sprünglichen dichten Bindegewebe des Scrotalwulstes angehörende Scheidewand, die sich aber, je größer die Hoden werden, desto mehr verringert und bei ausgewachsenen Thieren, z. B. Dasyurus viverrinus, auf eine dünne Lamelle zwischen jenen reducirt sind. Eine meines Wissens noch nicht bekannte Eigenthümlichkeit bot. sich in dem Verhalten des Scrotum bei einigen Beutlern. Betrachtet man von Acrobata pygmaea beispielsweise ein etwa viermonatliches Männ- chen, welches rudimentäre Beutelfalten aufweist (s. p. 620, Fig. 3und 4; ein anderes ist in Fig. 5 und 6 gezeichnet), so zeigt sich ein herzförmiges Scrotum (s) mit einer auf der ventralen Oberfläche nicht ganz bis zur Spitze desselben reichenden, schwachen Furche (r), welche es in zwei seitliche symmetrische Theile theilt, in denen die mit ihrer Längsachse von me- dian hinten nach vorn divergirenden Hoden Platz nehmen. Das so be- schaffene Scrotum liegt vorn unmittelbar dem Bauche auf; die Verbindung seiner hinteren Partie mit diesem vermittelte — worauf es mir besonders zu sagen ankommt — ein niedriges, longitudinal in der ventralen Mittel- linie verlaufendes Frenulum, das bei /, Fig. 6, von der Kante dargestellt ist. Ein ähnliches Gebilde habe ich bei jungen Männchen von Didel- phys (aus Brasilien) und einem ausgewachsenen von Didelphys opossum gefunden. | Die Beutelknochen. Mit dem von Alters hergebrachten, aber unpassenden Namen der Beutelknochen oder Ossa marsupialia, unpassend desshalb, weil sie, wie bereits viele Andere überzeugend nachgewiesen haben, in gar keiner näheren Beziehung zu dem Beutel stehen und bei beiden Geschlechtern Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren, 637 in gleicher Ausbildung, auch bei den Monotremen existiren, bezeichnet man bekanntermaßen zwei vor dem Schambein, in der Dicke der Bauch- decke gelegene Knochenstücke, die jedoch bei Thylacinus, dem größten aller lebenden Beutler, nach R. Owen (Nr. 19, p. 148.) bloß durch kleine abgeplattete Faserknorpel, in deren Centrum in einem Falle einige Knochenpartikelchen eingelagert waren, repräsentirt werden. Bezüglich der Frage nach der eigentlichen morphologischen Bedeu- tung der Beutelknochen sind verschiedene Ansichten laut geworden. Nach Eypoux und Laurent (Nr. 5, p. 100 ff.) ist das os marsupiale ein »os tendinien«, ein Knochen, der die Stelle eines Theiles der Sehne des äußeren schiefen Bauchmuskels, und zwar derjenigen, welche den »in- neren Pfeiler« des äußeren Leistenringes bildet, vertrete. »Il faut encore bien etablir (op. eit. p. 102) que tel os, tenant lieu d’une portion de tendon, n'est point un tendon ossifiE semblable a ceux des oiseaux, et qu’on ne peut le comparer qu’aux ossicules des poissons, tenant aussi lieu de tendons. Les ossicules et les os marsupiaux, comme os ten- diniens, sont primordialement osseux, et different, sous ce rapport, des tendons ossifies, qui sont primordialement fibreux.« R. Owen (Nr. 21, p. 283) und W. H. Frower (Nr. 6, p. 294) halten die Beutelknochen indessen für Ossifikationen in der inneren Sehne des Muscul. obliq. abdom. ext. und stellen sie in die Kategorie der Sesambeine; auch Huxtey (Nr. 11, p. 38) hat sie für Ossifikationen der Sehne des genann- ten Bauchmuskels erklärt. Es hat sich nun in neuerer Zeit GEGEnBAUR (Nr. 7a) dahin geäußert, dass man die Beutelknochen nicht für bloße Verknöcherungen von Sehnen halten dürfe. »Mag auch das Verhalten dieser Skeletiheile am ausge- bildeten Thiere diese Deutung stützen,« sagt er am angezogenen Orte, »so widerspricht ihr doch der Befund bei Embryonen. Solche habe ich von Didelphys auf diese Theile untersucht und eine knorpelige Grund- lage gefunden. Die mit dem Schambein artikulirende Partie der Beutel- knochen war vollständig knorplig, und dieser Knorpel setzte sich vor- wärts unter bedeutender Verjüngung in einen aus Knochenlamellen bestehenden, ihn scheidenartig umfassenden Beleg fort, an welchen die ' Sehne des genannten Bauchmuskels (Obligq. ext.) sich befestigte. Die Verknöcherung war somit eine oberflächliche, perichondrale, sie war es, welche die Beziehung des Skelettheiles zur Sehne vermittelte, woran ‚ der darunter befindliche Knorpel unbetheiligt war. Da der Knorpel nicht ‚ etwa bloß an der Artikulationsstelle des Knochens mit dem Schambein ‚ vorhanden war, wo er sich im ausgebildeten Zustande des Skeleitheiles noch findet, sondern sich unter einer knöchernen Scheide weiter empor | streckte, kann das Verhältnis nicht mit jenen Befunden identifieirt 635 Oscar Katz, werden, wo an einer primären Ossifikation, an einem Skeletgebilde, das durchaus keine knorpelige Anlage besitzt, allmählich Knorpelgewebe da hinzutritt, wo der Knochen mit anderen Skelettheilen Artikulationen eingeht. In diesen Fällen ist die Ossifikation das zuerst Auftretende, Knorpel das Hinzukommende. Dagegen muss in unserem Falle der Knor- pel wegen seiner Ausdehnung als das Primäre, die oberflächliche Ossi- fikationsschicht als das Sekundäre beurtheilt werden. Geht nun auch von dieser letzten das Wachsthum des Skeletstückes in die Länge aus, so dass in späteren Stadien es den Anschein gewinnt, als ob der ganze Knochen oder doch sein größter Theil auf diese Art entstanden sei, so ist bei Beurtheilung dieses Verhaltens eben doch jenes frühe Stadium mit in Betracht zu ziehen, und daraus ergiebt sich, dass den Beutel- knochen eine selbständige knorpelige Grundlage zukommt. Diese re- präsentirteinen besonderen Skelettheil, der vor dem Scham- bein gelegen, durch Beziehungen zum äußeren schrägen Bauchmuskel sich nach vorn zu vermittelst hinzutretender Knochenlamellen bedeuten- der in die Länge erstreckt.« Im Anschluss an diese Angaben Gesensaur's über das morphologische Verhalten der Ossa marsupialia gebe ich hier das Resultat eigener, wenn auch wenig ausgedehnter Beobachtungen, angestellt an Individuen aus verschiedenen Entwicklungsstadien. | Hinsichtlich der Genese der in Rede stehenden Knochengebilde kann ich mich mit der Auffassung GEGENnBAur’s, welcher ihnen eine knorpe- lige Grundlage und eine oberflächliche, perichondrale Ossifikation zu- schreibt, im Allgemeinen für einverstanden erklären. Ich habe zunächst die Beutelknochen einiger junger Beutler, die nicht über 2,5 cm und nicht unter 1,2 cm (vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel in gerader Richtung gemessen) groß waren (Phalangista vulpina, Dasyurus viver- rinus, Belideus breviceps), auf den successiven Querschnitten durch die hintere Körperpartie dieser untersucht und gefunden, dass sie hier voll- ständig aus gewöhnlichem, hyalinem Knorpel bestanden, der schon im Großen und Ganzen die Form der definitiven Knochen besaß. Die Länge dieser Knorpelstücke betrug bei einem 2,5 cm großen weiblichen Exem- plar von Phalangista vulpina aus der zweiten Woche (p. 621) etwas über 4 mm, bei einem Weibchen derselben Art von einigen Tagen und 1,8 cm Größe (p. 621) circa 0,64 mm, bei einem eben so alten männlichen Dasyurus viverrinus (p. 618, 619) 0,7 mm und bei einem einwöchent- lichen männlichen Belideus breviceps (p. 622, Fig. 8) bloß 0,25 mm. - Um dieselben war eine starke Perichondriumschicht vorhanden (pe, Fig. 22 und 23), die verschiedenen, zum Theil beträchtlich entwickelten Muskeln zum Ansatzpunkte diente (vgl. Fig. 21, 22 und 23). Sie Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 639 verhielten sich in dieser Beziehung schon genau so wie die ausgebildeten Beutelknochen, an denen die nämlichen Muskeln, vor Allem Pyramidalis, Rectus abdom. und Obliq. ext. abdom. theilweise entspringen. Be- sagte Beutelknorpel, wenn mir dieser Ausdruck einmal gestattet ist, waren, wie bereits anders erwähnt, noch an keiner Stelle ossificirt. Durchmusterte man aber der Reihe nach die beispielsweise durch das 2,5 cm große Phalangista vulpina-Weibchen gelegten Schnitte, so konnte einem nicht entgehen, dass sie, die Knorpel, eine mittlere Partie auf- wiesen, wo die zelligen Elemente des Knorpelgewebes nicht mehr gleich- mäßig und dicht an einander lagen, wie am vorderen und hinteren Ende jener, sondern sich zu Gruppen zusammengethan hatten und so jene säulenförmige Anordnung hervorriefen, welche dem im Anlauf begriffenen Verknöcherungsprocess voranzugehen pflegt. Bei einem zweiwöchentlichen, von der Schnauze bis zur Schwanz- wurzel, direkt gemessen, 4 cm großen Männchen von Perameles nasuta (obesula?) (s.p. 624, Fig. 7; ein eben sogroßes Weibchen zeigte dasselbe), dessen Bauchdecke in eine Serie von Querschnitten zerlegt wurde, stellten die Beutelknochenanlagen schlanke, circa 2 mm lange Knorpelstäbe dar, die bereits in der Ossifikation begriffen waren. Ein 0,7 mm langes, mitt- leres Stück derselben besaß eine dünne, oberflächliche Knochenschicht, die aber nicht, wie eine Scheide, die betreffende Knorpelpartie rings umgab, sondern sich auf die laterale und mediane Seite dieser be- schränkte, was der Beachtung nicht unwerth erscheint, da wir finden, dass es die Stellen am Beutelknorpel sind, welche zur Anheftung ge- wisser Bauchmuskeln dienen. Dahin gehört nämlich einmal der Musc. pyramidalis, der, wie wir später des Ausführlicheren sehen werden, vom ganzen inneren Rande, sei es nun der noch knorpeligen oder schon knöchernen Beutelknochen entspringt, das andere Mal der äußere und der innere schräge Bauchmuskel, welche (der letztere nicht bei allen Beutlern) sich auf die laterale Seite derselben mit einem Theile ihrer Fasern begeben. Wir finden also, das ist nicht zu verkennen, bezüglich des ersten Auftretens einer peripheren Ossifikationsschicht wohl eine Bevorzugung derjenigen Theile der Beutelknorpel, welche in der Richtung der An- satzpunkte der genannten Bauchmuskeln liegen, von Muskeln, die neben dem M. rectus abdom. und dem M. pectineus (inserirt sich beständig, ‚aber nur zum Theil lateralwärts an der Basis der Beutelknochen) die- selben Beziehungen zu den angelegten, wie zu den ganz fertig gebildeten ‚Beutelknochen besitzen. Ich kann es aber demnach nicht für zutreffend ‚erachten, wenn GEGENBAUR meint, dass das Verhältnis dieser Knochen zu ‚dem äußeren schiefen Bauchmuskel, auf den er sich allein bezieht, erst von Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 43 640 Oscar Katz, einer Ossifikation derselben abhängig sei, welche, so sagt er, »die Be- ziehung des Skelettheiles zur Sehne (des M. obliq. abd. ext.) vermittele, woran der Knorpel unbetheiligt sei «. Des Weiteren habe ich mehrere junge männliche Individuen von Phalangista vulpina und ein solches von Didelphys murina (?) zur Unter- suchung herangezogen und die Ossifikation der Ossa marsupialia erheb- lich vorgeschritten gefunden. So war beispielsweise bei einem vier- wöchentlichen, 7,% cm großen Jungen von Phalangista vulpina schon mehr als die Hälfte der 4,8 mm langen Beutelknochenanlagen in den knöchernen Zustand übergegangen, während das Schambein noch kaum zu ossificiren begann. Besagter Knochen bildete einen gestreckten, rings- um geschlossenen, nach der Mitte verschmälerten, hinten mehr, vorn weniger breiten Hohlcylinder, dessen Inneres nicht mehr von Knorpel- massen, sondern schon von markhaltigen Räumen durchzogen war. Die Bildung neuer Knochensubstanz durch Osteoblasten, das Wachsthum des Knochens in die Länge, ging aus von zwei den Enden desselben epiphysen- artig aufgesetzten Knorpelstücken, einem hinteren breiteren, welches mit dem Schambein durch ein Ligament zusammenhing, und einem vorde- ren, schmaleren, welches sich eichelartig zuspitzte. Die Verknöcherung schritt aber nicht einfach in der Weise fort, dass sich an die bereits vor- handenen Knochenlamellen nach vorn und hinten neue, oberflächliche Belegstücke anreihten, sondern sie drang, wie Quer- und Längsschnitte ergaben, durch die Dicke des Knorpels hindurch, das Bild eines un- regelmäßig schwammigen Balkengerüstes hervorrufend. So fand ich es auch bei einem jungen Männchen von Didelphys murina (?), das in ge- rader Linie vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel 3 cm, von der Schnauze bis ebendahin längs der dorsalen Mittellinie 4,7 cm groß war. — Ich erwähne diesen Fall besonders desshalb, weil GeGEnBAUR von den ihm zur Untersuchung vorgelegen habenden Didelphys-Jungen (er nennt sie Embryonen) aussagt — wie groß oder wie alt sie etwa waren, giebt er nicht an —, dass mit Ausnahme einer basalen, mit dem Schambein artikulirenden! Partie des Beutelknorpels dieser ganz mit einer oberfläch- 1 Die Verbindung der Beutelknochen mit dem Becken geschieht, wie ich mich wiederholt, besonders auf Flächenschnitten , zu überzeugen Gelegenheit hatte, ver- ; mittelst eines straffen Bandes, das den bei den verschiedenen Arten verschieden breiten Abstand zwischen dem Schambein und dem verbreiterten Basalstück des Beutelknochens ausfüllt. Sie ist keine eigentliche Gelenkverbindung, durch Gelenk- kopf und Gelenkhöhle, wenn es auch zuweilen den Anschein einer solchen gewinnt, wie z.B. beiMacropus major, wo das knopfförmig verdickte, mediane Ende der Beutel- knochenbasis dem Symphysentheil des vorderen Schambeinrandes sehr nahe ge- rückt ist. } Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 641 lichen Ossifikationsschicht bedeckt war, die ihn von vorn her scheiden- föormig umfasste. Unter so bewandten Umständen — was ich, wie gezeigt, nicht kon- statiren konnte — mag GEGENBAUR im Rechte sein, wenn er das Längen- wachsthum des auf knorpliger Grundlage entstehenden Skeletgebildes der Thätigkeit des erst hinzukommenden, sekundären Knochens über weist. Auf Grund dieser knorpligen Anlage der Beutelknochen nun ist GEGENBAUR der Meinung, dass denselben die Bedeutung eines besonderen Skelettheiles zukomme, das vor dem Schambein gelegen, die Auslegung des Beckens zu kompliciren und der Beurtheilung des morphologischen Charakters desselben eine andere Richtung zu geben bestimmt sei. Die Sache gestaltet sich vielleicht aber doch noch anders, wenn wir das Verhältnis der Beutelknochen zu dem nachher ausführlicher zu er- örternden Musc. pyramidalis näher ins Auge fassen, einem Muskel, dessen von GEGENBAUR mit keinem Worte Erwähnung geschieht und auf dessen merkwürdige Beziehungen zu jenen bis jetzt allgemein viel zu wenig Gewicht gelegt worden ist. Es hat sich nämlich bei einer vergleichen- den Betrachtung der betreffenden Verhältnisse bei einer Reihe verschie- dener Beutelthierarten die interessante Thatsache herausgestellt, dass die Beutelknochen mit den sog. Pyramidalismuskeln stets eng verknüpft sind, so zwar, dass die Entwicklung dieser mit der Entwicklung jener (oder umgekehrt) Hand in Hand geht!. Wir finden die Beutelknochen, deren innerer Rand stets seiner ganzen Ausdehnung nach Anheftungs- punkte für den Musc. pyramidalis bietet, sehr ansehnlich ausgebildet, wenn dieser es ist (Monotremen und die meisten Marsupialen); sind die Knochen aber klein und unansehnlich, wie bei Belideus breviceps, bei welchem sie kleiner noch als bei Myrmecobius sind, welcher nach Owen’s Angabe (Nr. 19, p. 149) die kleinsten Beutelknochen (12,7 mm lang) haben sollte, während sie hier nur 2,5 mm lange und 0,8 mm breite Knochenplättchen darstellten, so sind auch die Pyramiden- muskeln (siehe unten) schwach entwickelt. Es ist zu bedauern, dass über das Verhalten der in Rede stehenden Muskeln bei dem in mancher ' Hinsicht so eigenthümlichen Thylacinus cynocephalus (Harrisii), dem größten aller lebenden Beutelthiere, nichts Näheres bekannt geworden ‚ ist, aus dem Grunde, weil bei ihm, Owen zufolge (Nr. 19), statt der | Beutelknochen bloß Beutelfaserknorpel vorkommen, deren Länge 6, | deren Breite 3—% und deren Dicke 11/, (engl.) Linien beträgt. Ich glaube ‚ aber nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, dass entsprechend dem ! Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass bereits R. Owen (Nr. 49, p. 449) und ı G.M. Humpary (Nr. 40, p. 424, Fußnote 4) diesen Punkt, wenn auch nur andeu- tungsweise, berührt haben. 43° 642 Oscar Katz, entweder primitiven oder rückgebildeten Zustande dieser Repräsentan- ten von Beutelknochen, welche nach der Angabe des genannten Autors als verdickte Theile des inneren, sehnigen Pfeilers des Muse. obliq. abdom. ext. erscheinen, das Aussehen des Musc. pyramidalis sich ge- stalten wird. ; Fügen wir zu dieser Thatsache des Abhängigkeitsverhältnisses, der intimen Beziehungen zwischen Pyramidalismuskel und Beutelknochen bei den aplacentalen Säugern hinzu, dass bei anderen Wirbelthieren, wo derartige Knochen bis jetzt mit Sicherheit nicht nachgewiesen sind !, der Pyramidalis, wenn überhaupt vorhanden, auf ein Minimum reducirt ist und eine nur untergeordnete Rolle spielt, so liegt der Gedanke nahe, sie, die Beutelknochen, für einen Theil dieses Muskels selbst, genauer gesagt, für die Ossifikation einer hinteren, sehnigen Partie desselben zu halten. Bleibt nicht der äußere schiefe Bauchmuskel, den, wie oben er- wähnt, Eypoux und LaurENT, OwEn, FLower und Huxızy als Grundlage für die Beutelknochen ansehen (die drei letzteren weichen, ‚wie ange- geben, in der Auffassung derselben von ersteren etwas ab), bestehen, auch wenn solche gänzlich fehlen? So unwahrscheinlich es also ist, dass dieselben Verknöcherungen in der Sehne des Musc. oblig. ext. darstellen, so wahrscheinlich ist es, dass sie zum Muse. pyramidalis gehören, in einer Sehne dieses, in das System der geraden Bauchmuskeln fallen- den Muskels gebildete Knochen sind. Diese Deutung erhält noch eine besondere Stütze dadurch, dass in den Fällen, wo außerordentlich starke Pyramidalmuskeln vorlagen, wie bei Dasyurus viverrinus, Phalangista und sehr ausgezeichnet bei Macropusarten, die Beutelknochen sich über ihr vorderes Ende hinaus mit einer mehr oder weniger langen und kräf- tigen Sehne schräg oder steil medianwärts nach vorn gegen die Linea alba hin fortsetzten, die sie aber niemals erreichte. Bei Dasyurus viver- rinus (Fig. 18 s), wo Pyramidalisfasern strahlenförmig von ihr aus- gingen, fand ich sie ungleich weniger entwickelt als bei Macropus rufus, wo sie lang und dick war und sich aufihrem Wege nach vorn in mehrere, parallel mit einander verlaufende Theile spaltete. Es ist das dieselbe Sehne, von der J. Morcan angiebt (Nr. 16a, p. 70, Tab. 6), dass sie den vordern Rectus, d. h. den Pyramidalis in zwei Theile zerlege, dass »this tendon extends through the centre of the muscle, the fibres of which are continued to the point of its insertion in a double penniform order«. 1 Auf eine Darstellung der verschiedenen alten und zum Theil sehr sonder- . baren Ansichten, welche mit Bezug hierauf in der Litteratur vorliegen, kann ich mich hier nicht einlassen, da sie meist auf Spekulationen beruhen und so keinen Werth haben. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 643 Auch W. Vrorık (Nr. 30, p. 324) beschreibt sie von Macropus major als »rolronde pees« und bildet sie ab (Tab. XI), nur mit dem Unterschiede, dass er, wie später zu zeigen, den zu ihr gehörigen Muskel, von dem ein Theil seiner Fasern sich nach Art der Äste des Schaftes einer Feder an sie ansetzen, nicht als Pyramidalis, sondern als Rectus betrachtet. Bei Didelphys, welche Gattung verhältnismäßig stärkere Beutel- knochen als die genannten besitzt, ist mir eine solche Sehne nicht begeg- net. Phascolaretos einereus, welchem von allen Beutlern die mächtigsten Beutelknochen zukommen, stand mir in keinem vollständigen, erwach- senen Individuum zur Verfügung. Ein junges, 14 cm großes Männchen dieser Art zeigte wenigstens keine sehnige Verlängerung jener Knochen nach innen und vorn. Auf Grund dieser Gesichtspunkte hin, d. h. um es kurz zu wieder- holen, einmal der nahen Vergeselischaftung zwischen Beutelknochen und Pyramidalis, dessen Existenz 'als selbständiger Muskel abhängt von der Existenz jener, und umgekehrt, das andere Mal nicht weniger des Um- standes, dass da, wo ungemein entwickelte Pyramidales vorkommen, die betreffenden Knochen in eine mehr oder weniger ansehnliche Sehne auslaufen, an der sich ein Theil der Muskelfasern, als am Knochen selbst keinen Platz mehr findend, befestigt, kann’ man es also aussprechen, dass die Beutelknochen Össifikationen in einer hinteren, sehnig gedach- ten Partie des Musc. pyramidalis sind, von der entweder ein vorderes Stück als Sehne bestehen bleiben kann oder nicht. Dabei wäre nur dar- auf hinzuweisen, dass wir es hier mit keiner typischen Sehnenver- knöcherung zu thun haben, sondern mit einer von der gewöhnlichen etwas abweichenden, in so fern als analog der Art und Weise des Ent- stehens der Kniescheibe und dann der Processus uncinati (Rippenhaken) der Vögel, in der Ontogenie der Beutelknochen ein knorpeliges Stadium einbegrifien ist, von dem, abgesehen von Thylacinus, wo dieser Zustand sich erhält oller die Folge einer Reduktion ist, die Entwicklung zu dem definitiven Knochen vor sich geht. Sehen wir nun auch andere Muskeln, und zwar die Musculi: rectus abd., obligq. abdom. ext. und int. (dieser bei einigen Formen) und pec- tineus in Beziehung zu den Ossa marsupialia treten, so darf uns das als eine wenig bedeutsame Erscheinung nicht weiter Wunder nehmen. Wie nun der Pyramidalis — darüber besteht wohl kein Zweifel, wenn ihn auch Braivirze (Nr. I, p. 27), doch unrichtigerweise, für einen medianwärts gelegenen Theil des inneren schrägen Bauchmuskels ‚ ansieht — dem System der geraden Bauchmuskeln angehört, also ' Muskeln, welche durch den Besitz von mehr oder weniger zahlreichen sehnigen Inskriptionen ausgezeichnet sind, so kann man auch wohl das 644 Oscar Katz, Os marsupiale als eine solche auffassen und wie bereits Mecker (Nr. Aka, p. 437) u. a. angedeutet haben, es den sog. Bauchrippen, den ossificir- ten queren Sehnenstreifen des M. rectus abdom. bei den Crocodilen an die Seite stellen. Es liegt nicht im Bereich meiner Aufgabe, an dieser Stelle den Beutelknochen der Aplacentalia homologen Gebilden bei anderen Wirbel- thieren nachzuforschen. Aus einem neueren Aufsatz von Huxıezy (Nr. 12a) will ich hervorheben, dass derselbe, in der Verfolgung anderer nicht hierher gehörender Dinge, Repräsentanten der Beutelknochen durch den ganzen Wirbelthiertypus hindurch, von den Amphibien an, mit Aus- nahme der Aves, der fossilen Ornithosceliden und der monodelphen Säuge- thiere! anzunehmen bereit ist. Alle derartigen, vor oder auf dem Vorder- rand des Schambeins liegende Hartgebilde bezeichnet er als » Epipubis «. Er ist besonders bestrebt, die (allgemeine) Homologie des Processus oder der Cartilago ypsiloides der Urodelen, speciell von Salamandra macu- losa, welches Gebilde Ducis bereits als » Beutelknorpel« aufgeführt habe (vgl. auch Meckeı, Archiv für die deutsche Physiologie. Bd. VI. 1820. p. 452), durchzuführen und zwar thut er dies an der Hand einer genauen Vergleichung der Beziehungen, welche die Muskulatur zu den in Rede stehenden »Epipubes« hat. Wenn er nun auch sagt (Nr. 12a, p. 403), dass »The homology of the epipubis (von Salamandra) with the marsupial bones is determined by the essential identity of the relations of the two to the tendons of the external oblique muscles«, so ist doch meines Er- achtens in erster Reihe Rücksicht auf das Verhalten des Musc. pyramidalis zu nehmen, welcher, wie Huxıry angiebt (Nr. 12a, p. 402, Pl. 8, Fig. 13), in ähnlicher Weise wie bei den Monotremen (und Beutlern) von den Beutelknochen (l. c. Fig. 44), von den inneren Rändern der Äste des »Epipubis« entspringt und so die Homologie zwischen diesem und jenen viel eher begründen kann. — Die Beutelknochen haben, wie schon Eingangs dieser Darstellung angedeutet, ihren Namen, den man vorläufig noch beibehalten mag, be- ! Wie ich aus einer Stelle in seinem Manual of the Anatomy of vertebrated Animals, 4874, p. 447, ersehe, scheint ihm dennoch ein beim Hunde vor dem Vor- derrand des Schambeins vorkommender und Beziehungen zu Muskeln besitzender, dreieckiger Faserknorpel den Beutelknochen oder Beutelknorpel der Monotremen und Marsupialen darzustellen. Nach einer mir später zu Gesicht gekommenen neueren Angabe von HuxLEY (Nr. 42b), besteht jene, beim/Hund und beim Fuchs beobachtete, dreieckige Platte nicht, wie anfänglich (Nr. 44, p. 447) behauptet, aus Faserknorpel, sondern voll- ständig aus faserigem Bindegewebe. Diese bindegewebige Platte — das » epipubic ligament« genannt — entspricht dann nach Huxıey genau dem basalen Theil des Beutelknochens bei Phalangista vulpina. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 645 kanntlich dem Umstande zu verdanken, dass man sie sich als Stützen für den Beutel dachte (daher auch Janitores marsupii nach Tyson, Nr. 28, p. 117). Diese wie die andere Ansicht, dass sie dazu beitragen sollten, die Faeces und die Frucht auszutreiben (daher Ossa nisoria oder Drängbeine nach Rırczn, Nr. 22, p. 376), kann als eine längst abge- thane Sache betrachtet werden. Es lässt sich aber hören, wenn Owen meint, dass dieselben in beiden Geschlechtern dazu dienten, die Kraft der sog. Cremaster-Muskeln, welche sich um sie winden, zu vermehren, dass sie ferner bei den Weibchen die Baucheingeweide vor dem Druck schützen sollten, den die im Beutel befindlichen Jungen ausübten, und besonders wenn diese, schon ziemlich groß, gelegentlich in jenen zurück- kehrten (Nr. 47, p. 334; Nr. 20, p. 769). W. Vrouık bringt die Beutel- knochen einfach mit der Muskelanheftung in Verbindung (Nr. 30, p. 325). Bauchmuskulatur. Die Myologie einiger weniger Didelphys-Arten findet sich zuerst in übersichtlicher Zusammenstellung bei VıcQg-D’Azyr in seinem unter Nr.29 eitirten Werke. Nähere Angaben über sie treffen wir ferner in den ver- gleichend-anatomischen Handbüchern von Mezcker (Nr. 14 b), Owen (Nr.20) und Guvırr (Nr. 3b), von welchem Letzteren die vortrefllichen, die ge- sammte Myologie einiger amerikanischer und neuholländischer Beutel- thiere darstellenden Abbildungen (Nr. #4, Didelphys cancrivora und mar- supialis, Phalangista cavifrons, Macropus minor und Macropus major; die auf diesen Beutler bezüglichen rühren jedoch von LauriLLarn her) noch besonders zu erwähnen sind. Beiträge zur Kenntnis der Bauchmuskeln der Marsupialia enthalten sodann Abhandlungen von J. Morcan (Nr. 16a), E. Home (Nr. 9), G. Saınt-Hırame (Nr. 25), Rıreen (Nr. 22), W. VroLık (Nr. 30) u. a. Diese Forscher hatten zum Gegenstand ihrer Untersuchungen in den allermeisten Fällen weibliche und nur ausgewachsene Indivi- duen, während männliche nur selten in Bezug auf die Bauchmuskulatur zerlegt worden sind. So finden wir in den Guvier’schen Tafeln (Nr. %) unter den dort abgebildeten, auf fünf verschiedene Arten sich vertheilen- den Thieren, nicht ein männliches vertreten. Mir ward nun die Aufgabe, ‚die Bauehmuskulatur einer Reihe von Beutlern beiderlei Geschlechts aufs ‘Neue zu untersuchen. Dazu dienten mir, neben den schon in der Ein- ‚leitung genannten frischen weiblichen Thieren, von denen ich aber nur ‚Macropus rufus darauf hin vollständig auspräparirte, in Weingeist kon- servirte Exemplare, nämlich: Perameles nasuta, ohne Haut und mit ‚theilweise fortgenommenen Bauchmuskeln ; Perameles obesula © adult. ; ‚Dasyurus viverrinus Q und gi adult.; Phalangista sp. © adult., große Ä australische Art (Varietät?) mit durchgehends gelblich-weißer Behaarung; 646 Oscar Katz, Phalangista vulpina g' Juv.; Belideus breviceps @ und g' adult.; Didel- phys opossum gt adult.; Halmaturus Thetidis © juv. — Sehr instruktive Bilder ergaben auch manche Durchschnitte, welche ich von mehreren jungen Beutelthierindividuen anfertigte. Hautmuskel. Um mit den weiblichen Thieren zu beginnen, so kann gleich vor- ausgeschickt werden, dass der wegen Anpassung an den Beutel der- selben modificirte abdominale Hautmuskel (Musc. subcutaneus abdom., sog. Panniculus carnosus) von Vıcg-D’Azyr (Nr. 29, p. 200 £.), J. MorGan (Nr. 16a, p. 68, Tab. 4), R. Owen (Nr. 20, p. 770) und Cuvier (Nr. 4, einige Figuren) im Ganzen richtig beschrieben resp. abgebildet ist. Ich kann desshalb einerseits die Angaben dieser Autoren mehr oder weniger bestätigen, andererseits kann ich noch neue hinzufügen. Bei allen mit einer Beuteltasche versehenen Individuen (solche mit bloßen seitlichen Hautfalten habe ich weiter nicht untersucht) sieht der Musc. subcutaneus abdom. im Dienste dieses Apparates und ist dem- nach sehr ansehnlich entwickelt. Am einfachsten gestaltete er sich bei einem ausgewachsenen Dasyurus viverrinus, wo die Kreisförmig ange- ordnete Beutelfalte auf Kosten einer massigen Milchdrüsenentwicklung größtentheils verstrichen war. Er bestand hier nämlich nur aus dünnen, quergestreiften Fasern, die in der Inguinalgegend quer von der einen Seite zur andern verliefen, die die Milchdrüsen tragende Fläche der Haut oder des Marsupium überhaupt ganz frei ließen und sich dann, je mehr nach vorn, in desto steilerer Richtung gegen die Medianlinie des Bauches begaben. — Bei Perameles obesula, dessen geräumiger Beutel sich nach hinten öffnete (s. p. 624), entsprangen am hinteren Ende der Schambeinfuge zwei kräftige Hautmuskelbündel (Fig. 14 c; man kann sie auch als ein Ganzes auffassen), die sich nach vorn zwischen die bei- den Lamellen der Beutelduplikatur hineinbegaben und, an Breite zu- nehmend, in einem Bogen jederseits um den freien Rand der besagten Hautfalte herumliefen, bis sie am vorderen Theile derselben in der ven- tralen Mittellinie zusammenstießen und sich kreuzend noch darüber hin- aus an die Seiten des Bauches sich erstreckten. Das ist der Schließ- muskel des Beutels, der Sphincter marsupii. Daneben fand ich andere, seitlich entspringende Fasern (Fig. 4% c,), die schräg nach vorn und me- dianwärts gerichtet waren und parallel mit den relativen Hälften des Sphinktermuskels verliefen, von dessen vorderer Partie sie nicht zu trennen waren. Die dorsale Wand des Beutels entbehrte des quer- gestreiften Hautmuskels. — Bei Macropus rufus, Halmaturus Thetidis, Phalangista sp. verhielt sich der Sphincter marsupii so, wie ihn LAuURILLARD Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 647 vom Riesenkänguruh dargestellt hat (Nr. A, Pl. 191 et 192, Fig. 2). Die Fasern entstanden am hinteren Körperende zu beiden Seiten der Sym- physis ossium pubis, nahmen jederseits gleich Anfangs einen schrägen Verlauf medianwärts und nach vorn, wobei sie einander kreuzten, und besaßen zu der ventralen Wand des Beutels, der Hautfalte, dieselben Beziehungen wie bei Perameles obesula. Die dorsale Wand desselben, die Milchdrüsenfläche, war wie immer frei von quergesireiften, sub- cutanen Muskelfasern. Über den Hautmuskel des Abdomens der Beutelthiermännchen finde ich in der Litteratur keine Angaben. Ich kann über sein Verhalten bei einigen von mir präparirten Individuen Folgendes aussagen : | Bei Dasyurus viverrinus var. Maugei bestand er aus dünnen, blass- röthlichen Fasern, die von den Seiten des Bauches kommend schräg nach vorn verliefen und die Medianlinie dieses unter einem Winkel von etwa 60% trafen. Es folgte dann schwanzwärts eine 2 cm lange Muskelpartie mit spärlichen Fasern, die in einem ziemlich mächtigen Panniculus adi- posus eingebettet waren. Bei genauer Präparation konnte man sehen, dass diese, je weiter nach hinten, desto stärker nach der ventralen Mittellinie hin divergirten, gerade wie es beim entsprechenden Weib- chen der Fall war. Die Grenze dieses Hautmuskels nach hinten be- zeichnete eine quer über die Bauchfläche hinweggehende Faser, an der Stelle gelegen, von welcher der Stiel des Scrotum sich erhob, in das also keine Fasern hineingeschickt wurden. — Auch bei dem halbwüchsi- gen Exemplar von Phalangista vulpina, bei Belideus breviceps und Didelphys opossum konnte ich konstatiren, dass eine mittlere Stelle des _ Integumentes, wo das Scrotum sich absetzte, einen quergesireiften Mus- kel nicht aufzuweisen hatte. — Bei Belideüs breviceps fand ich ihn in der Weise angeordnet, dass die Fasern in der Mitte des Bauches quer verliefen, weiter nach hinten, ohne sich zu kreuzen, von der Median- linie desselben nach den Seiten hin ausstrahlten, um schließlich in einem schwachen, der Richtung der Beutelknochen folgenden Bogen sich an die Aftergegend zu begeben. Musculus pyramidalis. Es ist nöthig, auf die Anatomie des M. pyramidalis, als eines zwar schon mehrfach beschriebenen und abgebildeten, aber einer erneuten Untersuchung sehr bedürftigen Muskels etwas näher einzugehen, zumal über dessen Verhalten nicht unerheblich von einander abweichende Angaben gemacht worden sind. Tyson (Nr. 28, p. 418; nennt ihn wegen seiner Gestalt beim Opos- sum Triangularis), VicQ- A (Nr. 29, p. 204), Mecxgr (Nr.14b,p.457f.), 648 Oscar Katz, Morsan (Nr. 16a, p. 70f., Tab. 6), Cuvier (Nr. 3b, p. 61kf.; Nr. 4, Pl. 475, Fig. 1; Pl. 176, Fig. 3; Pl. 177, Fig. 2; Pl. 178, Fig. 4; Pl. 479, Fig. 4; Pl. 493, 494), Owen (Nr. 20, p. 10, Fig. 4) u. a., auf der einen Seite, stimmen in ihren Äußerungen über die Pyramidalesmuskeln bei den Beutelthieren der Hauptsache nach überein. Sie entspringen nach ihnen vom ganzen inneren oder medianen Rande der Beutelknochen, werden Anfangs, d. h. am hinteren Ende dieser, aus queren, dann weiter nach vorn aus schrägen Fasern gebildet, die durch eine mediane, der Linea alba entsprechende sehnige Linie mit einander verbunden sind. MEckEL sagt außerdem noch (l. c.), dass sie, wie beim Schnabel- thier, ungewöhnlich stark entwickelt seien, die ganze Länge des Unter- leibes einnehmen, selbst breiter als die geraden Bauchmuskeln seien (was ich nicht bezeugen kann) und bis zum Brustbein reichen, ohne sich jedoch daran zu heften. Auf einige andere, von den übrigen nicht be- rührten Punkte Betrefis des Pyramidalis bei einem Känguruh macht Morsan (l. c.) aufmerksam.: Er beschreibt ihn folgendermaßen: »Der vordere oder kleinere (gerade) Bauchmuskel,« wie er den Pyramidalis bezeichnet, »inserirt sich durch eine runde Sehne an dem oberen Ende des Beutelknochens. Diese Sehne erstreckt sich durch das Centrum des Muskels, dessen Fasern sich bis zur Spitze ihrer Insertion in einer dop- pelten federförmigen Anordnung verfolgen lassen. Auf der äußeren Seite dieser Sehne endigen die Muskelfasern an der Spitze ihrer Insertion, während diejenigen, welche der inneren Seite der Sehne angeheitet sind, zusammenhängen mit einer anderen Lage Muskelfasern, welche von der ganzen Ausdehnung der konkaven, vorderen Oberfläche des Knochens von seinem oberen Ende bis zu seiner Basis entsteht, indem sie quer nach innen geht, um sich in der hinteren Oberfläche der Sehne (Fascie) des äußeren schiefen Bauchmuskels längs der Linea alba einzufügen. Dieser quere Muskel kann als ein Theil des vorderen Rectus angesehen werden, mit welchem er verbunden ist, und hat keine Verbindung mit dem entsprechenden auf der anderen Seite, ausgenommen durch. die Vermittelung der Sehne der beiden schiefen Bauchmuskeln, da ja eine sehnige Scheidewand hinter der Linea alba zwischen dem Punkte ihrer Insertion eingeschoben ist.« Er betont letzteres desshalb, weil nach Home (Nr. 9, p. 234) die betreffenden Muskeln eine Schlinge bilden soll- ten, welche die Mammae unterstützten. Ich komme auf Morsan’s Angaben nachher wieder zurück und will erst mit einigen Worten der Beschreibung und Abbildung gedenken, die W. Vrouık (Nr. 30, p. 322£., Pl. XI), gegenüber allen Anderen, vom Pyramidalis eines Känguruh (Macropus major) gegeben hat. Nach der Beobachtung dieses Forschers soll »derselbe ein schmales, aber langes Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 649 Muskelbündel darstellen, welches mit einer breiteren Basis am oberen (vorderen) Rand der Schambeinfuge entspringt, durch die Aponeurose des geraden Bauchmuskels bedeckt wird, sich mit dem gleichnamigen der anderen Seite des Körpers durch einen Sehnenstreifen verbindet, nach oben (vorn) schmal zuläuft und ungefähr auf der Mitte der Vorder- wand des Bauches mit dem geraden Bauchmuskel verschmilzt«. Als solchen nimmt Vrotik einen Muskel in Anspruch, der seiner genauen Beschreibung und Abbildung zufolge (Nr. 30, p. 320f., Pl. XI) nichts Anderes als der von den übrigen Autoren als Pyramidalis oder vorderer Rectus beschriebene Muskel ist. Er kommt zu dem Schlusse, dass der gerade Bauchmuskel (und der äußere schiefe) sich allein mit dem Os marsupiale verbinden, während das Eigenthümliche des Pyramidal- muskels nur in dessen Anheftung und Länge bestehen solle. Abgesehen von dieser letzteren Eigenschaft verhielte sich der Muskel nach VroLık gerade wie beim Menschen, wo er ebenfalls an der Schambeinfuge ent- steht und an der Innenfläche des vorderen Blattes der Scheide in der Medianlinie endigt. Meine über den Pyramidalis, bei erwachsenen Thieren auf dem Wege der Präparation mit dem Scalpell, bei ganz jungen Thieren auf Querschnitten angestellten Beobachtungen bewiesen mir nun einerseits das Unzulängliche und Unrichtige der in dieser Form einzig und allein dastehenden Vrouie’schen Auffassung, andererseits konnten sie aber auch nicht immer die Angaben der übrigen Autoren bestätigen. Der Musc. pyramidalis zeigte bei den verschiedenen von mir unter- suchten Formen ein verschiedenes, doch bei weiblichen und männlichen Individuen derselben Art ein ganz übereinkommendes Verhalten. Bei Belideus breviceps — der einfachste Fall —, wo die Beutel- knochen, wie auf p- 641 erwähnt, sehr wenig entwickelt waren, erwies er sich als ein schwacher, dünner und schmaler Muskel, welcher mit fleischigen Fasern ausschließlich vom inneren Rande der genannten Knochen entsprang (seine größte Breite, am vorderen Ende dieser, be- trug 3 mm) und spitz gegen die Linea alba hin nach vorn zulief, wo er sich längs dieser zusammen mit dem der anderen Seite inserirte. — In Querschnitten durch einen achttägigen Belideus breviceps (s. p. 622, ‚Fig. 8) konnte ich dasselbe nachweisen. | In den bei Weitem meisten Fällen jedoch, wo mir Individuen mit ‚stark ausgebildeten Beutelknochen vorlagen (Macropus, Dasyurus, Phalan- | gista, Perameles, Didelphys; vgl. auch p. 644), fand ich den Pyramidalis ‚sehr ansehnlich entwickelt. Ich möchte die Gestalt desselben bei den ‚genannten, mit Ausnahme des letzteren, wo sie ausgesprochen dreieckig ‚war, wie bei Belideus, als die eines Keunsraleloenansen: bezeichnen, 650 | Oscar Katz, das sich längs des Bauches weit nach vorn erstreckt. Die eine und zwar die hintere Schrägseite wird durch den medianen Rand des Beutel- knochens dargestellt (Om in Fig. 25, wo man eine hintere Partie des Pyramidalis von Dasyurus viverrinus g! sieht), von dem ein großer Theil des Muskels immer, sei es sehnig oder fleischig, entsteht und mit seinen Fasern gegen die Linea alba, wo sie sich inseriren, einen Verlauf nimmt, wie er von Mecker (l. c.), Owen (l. c.) u. a. bereits beschrieben und auch aus Fig. 25 ersichtlich ist. Von der in dieser Figur des Weiteren gezeichneten Sehne s, welche, von der Spitze der Beutelknochen aus- gehend, einem gegen die Linea alba hin strahlenförmig divergirenden Bündel von Pyramidalisfasern zum Befestigungspunkt dient, ist, wie auch von einer homologen bei anderen Beutlern, bereits bei Besprechung der Beutelknochen auf p. 642 u. 643 die Rede gewesen. — Eine und zwar die laterale Parallelseite (! in Fig. 25) wird gebildet durch ‚den lateralen Rand der den Musc. rectus abd. (und den M. pyramidalis selbst) über- ziehenden Fascie (g) des M. obliquus abdom. ext. (Oae), an der, wie in der Figur angedeutet, eine Anzahl von Fasern entspringt, die parallel zu einander und steil medianwärts an die Linea alba sich begeben. — Als die andere, vordere Schrägseite kann die Muskelfaser angesehen werden, welche als die vorderste der soeben erwähnten von der Sehne des äuße- ren schiefen Bauchmuskels aus in steiler Richtung an die Linea alba zieht. — Diese (la) ist selbstverständlich die vierte, noch übrig bleibende (die zweite Parallelseite) des Antiparallelogramms, welche beiden Muskeln als gemeinschaftliche Insertionslinie dient. Was vom Pyramidalis sonst noch bemerkenswerth erscheint, ins- besondere, was dessen specielleres Verhalten zu den Beutelknochen be- trifft, findet sich in dem auf diese bezüglichen Kapitel p. 639ff. ab- gehandelt. Nach innen von dem Muse. pyramidalis liegt als der zweite gerade Bauchmuskel der Musc. rectus abdominis, der bei den Beutelthieren eine außerordentliche Stärke und Länge be- sitzt, worauf MeckeL (Nr. 4b, p. 450) u. a. schon hingewiesen haben. Er entsprang bei dem größeren Theil der von mir präparirten Indivi- duen mit einem medianen Kopf fleischig von dem inneren Rande eines hinteren Stückes der Beutelknochen, welches bei Macropus rufus, Hal- maturus Thetidis und Phalangista etwa 1/,, bei Dasyurus viverrinus etwa !/, der ganzen Länge jener betrug. Der andere, meist größere, laterale Kopf des Rectus spaltete sich von jenem auf der bezeichneten Stelle an den Beutelknochen ab, zog unter diesen hinweg und begab Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 651 sich sehnig an den medianen Rand des vorderen Schambeinastes. — ‘ Bei Belideus breviceps entsprang der Rectus, anstatt zweiköpfig wie bei jenen zu sein, in seiner Totalität vom Schambein. Es ist wohl kaum nöthig, auf sein sonstiges Verhalten weiter ein- ' zugehen, da sich hinreichende Angaben darüber bei Owen (Nr. 20, p. 10), Meexer (l. c.), Morean (Nr. 16a, p. 70, Tab. 7) und mehrere sehr über- sichtliche Abbildungen bei Cuvier, resp. LaurıLLarD (Nr. 4) finden. Ich muss nur nochmals bemerken, {dass ich mich vergebens danach umge- ‘ sehen habe, einen Rectus zu finden, wie ihn Vroı (Nr. 30, p. 320 f., ; Pl. XI) bei Macropus major gesehen haben will. Ich konnte mich bei ' eben derselben Art, einem erwachsenen Weibchen, davon überzeugen, \ dass er hier, wie bei allen Beutlern, ein von dem ihn bedeckenden ‘ Pyramidalis deutlich gesonderter, sehr dicker und breiter Muskel war, dessen Charakter als Rectus nicht angezweifelt werden kann. Die schiefen Bauchmuskeln, ‚ der M. obliquus abdominis externus und internus, so wie der M. trans- versus abdominis sind von GuvIer (Nr. 4, verschiedene Figuren), Owen ‘ (Nr. 20, p. 8£f.), Mecxer (Nr. A4b, p. 446) und Vrorık (Nr. 30, p. 319 und 323) schon genügend behandelt worden, so dass ich mich eines ‚ specielleren Eingehens auf dieselben enthalte, zumal auch das Nöthige von ihnen bei der Beschreibung des Musc. cremaster mit zur Sprache ‚ kommt. | Was die Beziehungen derselben zu den geraden Bauchmuskeln, dem . Pyramidalis und dem Rectus, anlangt, so ist der gewöhnliche Fall wohl ‚der, dass sich der M. obliq. abd. ext. nur über den Pyramidalis und | natürlich über die von diesem nicht bedeckten Theile des Reetus mit ' einem Sehnenblatt fortsetzt (Macropus, Dasyurus, Phalangista, Didelphys), wogegen ich ein Auslaufen des M. obliq. ext. in zwei Sehnenlamellen, ‚von denen sich die eine, die innere, zwischen Rectus und Pyramidalis ‚einschiebt und die andere, oberflächliche, den letzteren überzieht, ‚eigentlich nur bei Perameles beobachtet habe. — Der M. oblig. abd. int. ‚setzt sich ventral- und medianwärts in eine breite Fascie fort, die zu- ‚sammen mit einem meist fleischig bleibenden und nur hinten sehnig ‚werdenden Theil des M. transversus abd. das hintere (dorsale) Blatt der ‚Scheide für die geraden Bauchmuskeln bildet. Musc. cremaster. | Mit diesem der menschlichen Anatomie entlehnten Namen, der auch ‚vorläufig beibehalten werden mag, ist ein den Beutlern, und zwar in ‚beiden Geschlechtern stark entwickelter, sehr eigenthümlicher Muskel | 652 Oscar Katz, bezeichnet, dessen Verhalten bei erwachsenen Thieren, zumal bei weib- lichen, im Großen und Ganzen übereinstimmend und richtig beschrieben ist, über den aber noch mehr, als dies bereits geschehen, ausgesagt werden kann. Tyson, der ihn zuerst erwähnte (Nr. 28, p. 148), nannte ihn »Troch- leator«, weil er über die Ossa marsupialia gleich wie über eine Rolle »Trochlea« oder »Pully«) liefe, und schrieb ihm den Nutzen zu, das Lumen des Beutels auszudehnen und dessen Gewicht besser zu unter- stützen, wenn das Thier (das Opossum), den Kopf nach unten gekehrt, an einem Baumasthinge. Duvernoy (Nr. 4*) gab von dem Cremaster eines Didelphysweibchens die erste Abbildung, welche ihn richtig darstellt, wie er aus dem äußeren Leistenring hervorkommt und sich vermittelst einiger Zacken auf den Milchdrüsen ausbreitet. Er gebraucht für ihn, Ursprung und Insertion berücksichtigend, den Namen »ileo-marsupialis«, das wäre Hüftbein-Beutel-Muskel (nicht gut gewählt), während SEILER (Nr. 27, p. 476) die Bezeichnungsweise » Hüftbein-Brustdrüsen-Muskel « (und mit Recht) für zutreffender hält. Mehr oder minder eingehend be- handelt wird er. dann von Bramvirze (Nr. 4, p. 26), Rırcen (Nr. 22, p. 373f., Taf. XVII), Seiter (l. c.), Morcan (Nr. 46a, p. 69 und 72, Tab. 5), Vrorık (Nr. 30, p. 349, Pl. XT), Guvıer (Nr. 3b, p. 615; Nr. %, Pl. 476, Fig. 2 und 3 [Guvier]; Pl. 193, 19% [LaueıtLarn]), Owen (Nr. 20, p. 10, Fig. 4 und p. 769), und muss ich Betreffs der Abbil- dungen bemerken, dass sich dieselben ausschließlich auf den Gremaster von weiblichen Individuen beziehen. Während genannte Autoren mit unbedeutenden Differenzen in der Beschreibung des Verlaufs, des Ursprungs und der Insertion des in Frage stehenden Muskels übereinstimmen, gehen ihre Ansichten über dessen physiologische Bedeutung aus einander. Rırsrn und BLAINVILLE sehen, wie Tyson, seine Hauptfunktion darin, dass er das Marsupium stützt und, wie ersterer außerdem noch meint, öffnet, indem er sich kontrahirt. Dieses letztere glaubt auch Cvvıer, der ihm überdies den Nutzen zu- schreibt, den Beutel der Vulva zu nähern, um den Eintritt der neu- geborenen Jungen in diesen zu erleichtern. Owen, der ihn einmal aus- drücklich als »compressor muscle « bezeichnet (Nr. 20, p. 769), SEILER und Morcan aber schließen aus der Insertion des Cremaster auf der die Milchdrüsen tragenden dorsalen Wand des Beutels, aus seinem Hin- weglaufen über die Ossa marsupialia und seinem Faserverlauf über- haupt, dass er berufen sei, einen Druck auf die Milchdrüsen auszuüben, um so die ernährende Flüssigkeit den an den Zitzen fest anhängenden Jungen zuzuführen, die, so sagen sie weiter, in der ersten Zeit ihres Aufenthaltes im Beutel, oder, ganz allgemein, in der ersten Zeit ihres Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 653 Daseins das Geschäft des Saugens unmöglich übernehmen könnten. Im männlichen Geschlecht soll nach Owen der Gremaster, außer zum Zu- sammenpressen der Hoden während des Paarungsaktes, auch noch dazu dienen, dieselben bei diesem Vorgang in den stets wegsam bleibenden Scheidenkanal zurückzuziehen, was durch das Vorhandensein der Beutelknochen, über die sich der Muskel wie über eine »Pulley« winde, wesentlich unterstützt würde. Wenden wir uns nun zu einer Darstellung der speciellen Verhält- nisse des M. cremaster selbst. Derselbe ist bei ausgebildeten Thieren beiderlei Geschlechts — und ich spreche zunächst nur von solchen — ein sehr entwickelter Muskel (Cr in Fig. 25 und 26 von Dasyurus viver- rinus gi), von dem in erster Linie sein weit nach vorn liegender Ur- sprung hervorzuheben ist. Sowohl bei den Männchen, als auch bei den Weibchen entspringt er mit einer kurzen, kräftigen Sehne vom ventralen Rande des bei den verschiedenen Arten mehr oder weniger lang ge- streckten Os ilii (Fig. 26 J), vor der Symphysis sacro-iliaca. Man kann ihn nach dem Vorgange von Owen (Nr. 20, p. 10) als eine Abzweigung vom Musc. transversus abdom. betrachten, zumal auch oft ein Theil seiner Fasern direkt von diesem sich abspaltet. Er verläuft anfänglich parallel, dann schräg zu der Richtung der Transversusfasern, zwischen dem inneren und äußeren schiefen Bauchmuskel auf der einen und der häutigen Auskleidung der Bauchhöhle auf der anderen Seite, in der Leistengrube nach abwärts, tritt in den sehr ansehnlich entwickelten Leistenkanal ein und verlässt denselben etwa auf der Höhe des vorderen Theiles der Beutelknochen. Bei allen von mir präparirten Weibchen be- gab er sich, — und ich bestätige damit nur die Angaben der Autoren —, an Breite stetig zunehmend, schräg medianwärts und nach vorn über die Beutelknochen hinweg an die dorsale Wand des Marsupium, wo er sich mit der Masse seiner Fasern auf den Milchdrüsen vertheilte. — Eine Eigenthümlichkeit des Gremaster, abgesehen von dessen über- aus erheblicher Stärke, zeigte sich bei einem ausgewachsenen Weibchen von Dasyurus viverrinus (Fig. 12). Nachdem derselbe (Cr) in seinem ‚ Verlauf nach ‘vorn über das Ende genannter Knochen hinaus war, ging ‚ er mit dem größten Theil seiner Fasern auf den medianen Bezirk des ‚ beträchtlich entwickelten Milchdrüsenapparates (s. die Figur) und trat, quer über diesen verlaufend, mit dem entsprechenden der anderen Seite N in eine innige Verbindung, derartig, dass man hätte glauben können, nicht zwei, sondern einen einzigen Muskel vor sich zu haben. Ähnlich verhielt es sich bei einem erwachsenen Weibchen von Didelphys vir- ' giniana. Diese Anordnung der Cremasteren auf den Milchdrüsen lässt es 654 | Oscar Katz, wohl als ausgemacht erscheinen, dass die Stillung der Jungen, wenig- stens in der ersten Zeit ihrer Existenz, in ursächlichem Zusammenhang mit der Funktion jener Muskeln steht, deren Kontraktion einen energi- schen Druck auf die Drüsen bewirken und daher die Milch geradezu herauspressen muss. > Bei den männlichen Beutlern mit sitzendem Scrotum verläuft der Cremaster wie bei den Weibchen. Er begiebt sich, das Vas deferens rinnenförmig umhüllend, in das Innere des Scrotum, wo er meist auf die laterale, weniger auf die mediane Seite der Tunica vaginalis propria des Hodens ausstrahlt. Bei ausgewachsenen Männchen mit hängendem Hodensack, beispielsweise bei Dasyurus viverrinus (Fig. 25 und 26), traten die Gremastermuskeln (Cr, in Wirklichkeit länger, als hier dar- gestellt) im Stiele jenes (2) dicht an einander (b) und setzten sich in dieser Weise auch auf den Anfangstheil der nur durch eine dünne Scheidewand von einander getrennten Hoden fort, wo ihre Insertion auf der Tunica vaginalis propria, unter einer braun pigmentirten Bindegewebsschicht (vgl. Leyoig, Nr. 13, p. 24), aus Fig. 26 ersichtlich ist. Es besteht also hier etwas Ähnliches wie beim weiblichen Thier, wo die Muskeln an den Milchdrüsen, dem Orte ihrer Insertion, ein zusammenhängendes Ganzes zu bilden schienen. | | An den Cremaster begab sich, nicht weit von seinem Ursprung ent- fernt, bei Dasyurus viverrinus, Phalangista und Belideus breviceps, in beiden Geschlechtern, ein über den Muse. iliopsoas (Ips, Fig. 26) hin- weglaufender starker Nerv, Nerv. spermaticus (sp), der nicht mit einem Plexus lumbalis zusammenhing, sondern sich von einem aus dem Inter- vertebralloch des zweiten und dritten, bei einem Männchen von Didelphys opossum aus dem des ersten und zweiten Lendenwirbels kommenden, selbständigen Spinalnerven ventralwärts abzweigte. Auf dem Cre- master, an den er auch wohl einzelne Ästchen abgab, der aber allgemein besonders und zwar mit den schiefen Bauchmuskeln zugleich innervirt wird (vgl. Fig. 26 m), entlang ziehend, drang er bei den Weibchen in die Masse der Milchdrüsen ein, während er sich bei den Männchen auf der Tunica vaginalis propria testis vertheilte und auch wohl sicher in den Hoden selbst feine Zweige schickte. — Bei Halmaturus ualabatus © wurde der Nerv. spermaticus zwar auf derselben Höhe abgegeben, der- selbe bestand aber gleich bei seinem Ursprung aus zwei Stämmen, die auf dem Cremaster anastomosirten und in den Milchdrüsenläppchen endigten. — Bei Macropus rufus Q und Macropus major Q war eine größere Selbständigkeit der bei vorigem gemeinschaftlich entspringenden beiden Stämme des Nerv. spermaticus in so fern vorhanden, als sie sich hier auf zwei gesonderte Ursprungsstellen vertheilten, von denen die Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 655 ‘ eine zwischen den Querfortsätzen des dritten und vierten, die andere zwischen denen des vierten und fünften Lendenwirbels lag. | Wie_ sieht es mit dem M. cremaster bei ganz jungen Beutel- ‚ thieren aus? Die von verschiedenen sehr kleinen, männlichen und weiblichen Individuen angefertigten Querschnittsserien ergaben schon hier wie dort . seine Existenz in Form eines gestreckten, bandförmigen Muskelbündels, ‘ welches, wenn man die verschiedenen, auf den Schnitten von ihm er- haltenen Bilder zu einem Ganzen kombinirte, von dem M. transversus ‘ abd. auszugehen schien, den Leistenkanal durchbrach und sich dicht ‚ am lateralen Rande der Beutelknochenanlagen vorbei nach abwärts be- gab. Betrachte ich, um zunächst sein weiteres Verhalten bei den weib- lichen Jungen zu kennzeichnen, die durch die Bauchregion eines einige Tage alten, 1,8 cm großen Phalangista vulpina- Weibchens {s. p. 621) ; gelegten successiven Querschnitte, so zeigt einer von ihnen (Fig. 21 u. 22) die Endpartie des CGremaster tangential getroffen (Cr). Derselbe führt ‘uns an dieser Stelle, d. h. im Unterhautbindegewebe, einen Zug von dicht gehäuften Kernen vor. Er inserirt sich an der die Milchdrüsen- anlagen (d) rings umgebenden Schicht von dichterem Bindegewebe ‚ (Fig. 22 c), wobei aber zu bemerken ist, dass er hauptsächlich an den mittleren und den inneren, weniger an den lateralen Theil des letzteren ‚ ausstrahlt. — Bei einem 2,5 cm großen Weibchen der nämlichen Art (s. p. 624), mit größer gewordenen Milchdrüsenanlagen, erschien der - Endabschnitt des Gremaster nicht mehr als ein Zug von Kernen, sondern es ließ sich schon eine Anzahl hier und da zersireuter Durchschnitte ‚von quergestreiften, zu kleinen Bündeln vereinigten, Muskelfasern er- ‚kennen. Zu einer Betrachtung des Cremaster bei jungen, männlichen Indi- - viduen übergehend, so finde ich ihn bei einem sehr jungen, 3 cın großen ‚(von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel längs des Rückens im Bogen 1 gemessen) Dasyurus viverrinus (s. p. 619), bei dem die Hoden noch in - der Bauchhöhle lagen, schon beträchtlich entwickelt. Wie in der Fig. 23, ‚die einen ihn der Länge nach treffenden, etwas schrägen Durchschnitt ‚darstellt, hinreichend deutlich sein wird, legt er sich, als unmittelbare - Fortsetzung des queren Bauchmuskels (Ta) nach hinten erscheinend, um ‚einen mit der Leibeshöhle kommunicirenden und sich scrotalwärts er- streckenden Spalt (pv), den wir der Terminologie der Embryologen \ zufolge als Scheidenfortsatz des Peritoneum (Processus vaginalis peri- ‚tonei) bezeichnen können. Weiter nach abwärts geht der Gremaster in “ Es scheinbar in jenem Peritonealkanal gelegenen, bindegewebigen ‚Strang (f) über, der, sonst wohl Gubernaculum Hunteri genannt, in das Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 44 656 Oscar Katz, Innere des Scrotum (s) ausstrahlt und hier doch offenbar nichts weiter ist als ein Theil des dasselbe von Anfang an erfüllenden Bindegewebes. Je länger und breiter nun.der genannte Peritonealspalt wird, desto mehr schreitet auch das Wachsthum des Gremaster vorwärts, so dass er um die Zeit, wo die Hoden noch im Leistenkanal stecken (Fig. 24, von Perameles nasuta [obesula?]), schon einen ansehnlichen Muskel dar- stellt, welcher an der lateralen Seite des Processus vaginalis peritonei (pv), des späteren freien Blattes der Tunica vaginalis propria, bis ins Scrotum hinab sich erstreckt, während auf der medianen, der late- ralen Fläche der jetzt noch ziemlich breiten scrotalen Scheidewand (}) entsprechenden Seite derselben seine muskulösen Fasern nicht so weit herabgehen (m). Wir haben also, um das Gesagte kurz zusammenzufassen, gefun- den, dass der im einen wie im anderen Geschlecht schon frühzeitig ent- wickelte M. cremaster, von einer gleichen Ursprungsstelle ausgehend, im gleichen Verlauf beide Mal an Bindegewebe ausstrahlte, welches bei den Männchen das Innere der Anlage des Scrotum erfüllte, bei den Weibchen in dichter, koncentrischer Schichtung die Anlagen der Milch- drüsen umgab. Der Gremaster ist, wie gezeigt, ein Theil des M. transversus abdom. Wenn nun nach der von ScHnEIDeEr (Nr. 26, p. 109) herrührenden, von GEGENBAUR (Nr. 7b, p. 528) allerdings beanstandeten Anschauungsweise dieser Muskel, zusammen mit den Muskeln des Darmes, der Kiemen und der Kiefer, zu den Visceralmuskeln (im Gegensatz zu den Parietalmuskeln) gehört, d. h. zu solchen, die »an der Außenfläche des Darmblattes und an der Außenfläche des Peritonealsackes entstehen«, so ist damit ein visceraler Muskel auch der Cremaster, der, vom queren Bauchmuskel gleich an dessen Ursprung vom llium sich abspaltend, an der Außen- fläche einer sich von der Bauchhöhle aus nach abwärts durch den Leistenkanal fortsetzenden peritonealen Ausstülpung sich weiter ent- wickelt. Diese Beziehungen des M. cremaster zu Aussackungen des Peritoneum habe ich nun zwar bei den mir zur Untersuchung vorgelegen habenden weiblichen Individuen nicht konstatiren können; es ist aber Grund vorhanden anzunehmen, dass sein erstes Auftreten auch bei diesen im Anschluss an einen peritonealen Kanal (Diverticulum oder Canalis Nuckii der menschlichen Anatomie) erfolgt sei, der als fernerhin be- deutungslos frühzeitig rückgebildet sei. Wir können desshalb sagen, dass wir im Cremaster der männlichen Thiere ursprünglicheren Ver- hältnissen begegnen, von denen sich diejenigen bei weiblichen Thieren ableiten lassen, in so fern, als er dort immer und überall seinen primi- tiven Zustand sich bewahrt, während er hier, denselben bald aufgebend, Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 657 durch Beziehungen zu anderen ihm erwachsenden Aufgaben modifieirt erscheint. | So weit bekannt, findet sich ein Gremaster überhaupt nicht ent- "wickelt bei solchen Säugern, deren Hoden zeitlebens in der Bauchhöhle ‚ bleiben, bei denen kein Leistenring und damit keine Fortsetzung jener in diesen vorhanden ist. Ich habe ein erwachsenes Exemplar von Echidna hystrix daraufhin präparirt und keinen CGremaster gefunden. Bei placentalen Säugethiermännchen, wo, im Gegensatz zu den Monotremata und den wenigen anderen, wahren »Mammalia testiconda« ‘ eine peritoneale Ausstülpung gebildet ist, durch welche die Hoden in das Scrotum hinabsteigen, ist nach dem Bekannten das Verhalten des Cremaster, abgesehen von einigen nicht wesentlichen Punkten, an das- | jenige bei den Beutlern im Großen und Ganzen anzuschließen. Die Anatomie des Menschen lehrt, dass beim Weibe zwei den Cre- masteren des Mannes entsprechende Bänder, die sog. Ligamenta teretia - uteri, in ihrem lateralwärts gerichteten Verlauf vom Uterus nach unten ‚ den Leistenkanal durchsetzen und mit dem größten Theil ihrer Fasern, außer in den Mons Veneris, in die Labia. majora pudendi, also in dem Scerotum des Mannes homologe Gebilde, ausstrahlen. Es ist nachge- ' wiesen, dass das runde Mutterband in frühen Entwicklungsstadien, ganz wie das sog. Leitband des Hodens (Gubernaculum Hunteri) inc). ., Fasern des Cremastermuskels, in den Leistenkanal hinein von einer ‚Aussackung des Peritoneum (hier im besonderen Falle Diverticulum s. ı Canalis Nuckii genannt) begleitet wird, welcher Fortsatz ausnahmsweise ‚auch bei erwachsenen Individuen beeken bleiben kann. Vergleichen wir hiermit den Befund bei weiblichen Beutelthieren, | so tritt uns die bemerkenswerthe Erscheinung entgegen, dass der von | uns als solcher in Anspruch genommene und näher geschilderte M. cre- 5 master, wie übereinstimmend sein Verhalten auch sonst mit dem Ligam. ‚teres uteri sein mag, zumal, wie gesagt, wir auch dort ein fötales Diverii- | culum Nuckii annehmen Kane mit der ganzen Masse seiner Fasern ‚an einem von Beutelfalten en die Milchdrüsen enthaltenden aum des Integumentes und nicht etwa an Labia majora ähnlichen rganen endigt, die überhaupt gar nicht angelegt werden. Harnblase. Über eine Darlegung der Verhältnisse der Harnblase an und für sich, 'so auch ihrer Dimensionen bei ausgewachsenen Beutlern kann ich rasch ‚hinweggehen, da sie sich hierin eng an die placentalen Säuger anschließen. Ich habe von einigen frisch zur Untersuchung gelangten weiblichen ‚Individuen die Blase gemessen und sie im prall gefüllten Zustande 44 * ne ne nn 658 Oscar Katz, beispielsweise bei einem ausgebildeten Halmaturus ualabatus 9 em, bei einem eben solchen, 33,5 cm großen Exemplar von Phalangista vulpina k cm lang gefunden !. Bei mehreren halbwüchsigen und jüngeren, in Weingeist konservir- ten Thieren, wie Halmaturus ualabatus, Phascolarctos cinereus, Phalan- gista vulpina und Didelphys fand ich die mehr oder weniger geschrumpfte Harnblase sehr beträchtlich entwickelt und mit ihrem gewöhnlich etwas zugeschärften Scheitel — bei alten Individuen war dieser stets abge- rundet — weit nach vorn in die Leibeshöhle hineinragen. So war sie in dem Zustande, wie sie mir vorlag, bei einem 20,5 cm großen Weib- chen von Halmaturus ualabatus 4 cm, bei einem 14 cm großen Männ- chen von Phascolarctos cinereus 2,2 cm, bei einem 15,6 cm großen Weibchen von Phalangista vulpina 1,9 cm, bei zwei 14,6 cm großen Exemplaren (g'! und ©) derselben Art 1,5 cm lang?. Bei verschiedenen ganz jungen Individuen, deren hintere Körper- partie, oder bloß deren Bauchdecke incl. Harnblase in successive Quer- schnitte von bestimmier Dicke zerlegt wurde, war sie mit Ausnahme von einem zweiwöchentlichen Männchen von Phalangista vulpina (siehe p- 622), wo sie einen weit ausgedehnten, dünnwandigen und gefalteten Sack darstellte, den ich auf sehr vielen Schnitten verfolgen konnte — bis zum vorderen Ende der Blase wurde das Präparat nicht geschnit- ten —, zusammengefallen, ihre Schleimhaut in Falten hin und her gelegt. In diesem Zustande betrug die Gesammtlänge der mit einem etwas zu- gespitzten Scheitel versehenen Blase bei einem 2,5 cm großen Phalan- gista vulpina-Weibchen aus der zweiten Woche (s. p. 621) circa 2,5 mm, bei einem 48 mm großen, einige Tage alten Weibchen derselben Art (l. c.) 1,5 mm, bei einem eben so alten männlichen Dasyurus viverrinus (s. p. 619) 4,1 mm, bei einem einwöchentlichen, 12 mm großen Männ- chen von Belideus breviceps (s. p. 622) 1,6 mm. Es haben diese Angaben über die Längenausdehnung der Harnblase bei verschiedenalterigen Individuen in so fern ein gewisses Interesse, als sie uns gestatten, eine annähernde Vergleichung der Größe derselben mit der des Gesammtkörpers des Thieres in jedem einzelnen Falle anzu- stellen. Ziehen wir in Rechnung, dass die Harnblase der jungen Thiere nur in dem angedeuteten veränderten Zustande gemessen werden konnte, so folgt, dass das Verhältnis derselben zu jenem nicht in allen 1 Das Verhältnis der Länge der Blase zu der Gesammtlänge von Phalangista vulpina ist also rund 4:8. 2 Die Länge der geschrumpften Blase dieser Jungen von Phalangista vulpina verhält sich also zu der Gesammtlänge der Thiere ebenfalls wie 1:8. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 659 Fällen das gleiche bleibt!, sondern wechselt, je nachdem wir es mit ausgebildeten Individuen oder nicht solchen zu thun haben. Und zwar stellt sich heraus, dass im Allgemeinen bei Jungen eine relativ größere Harnblase als bei Alten vorhanden ist. Ligamente der Harnblase. Die Ligamente der Harnblase sind von A. Brass (Nr. 2, p. 21) be- schrieben und abgebildet worden. Bezüglich des Verhaltens der als Ligamenta vesicae lateralia funktionirenden, :von ihm als Ligamenta vaginarum anteriora et posteriora aufgeführten breiten Peritonealfalten muss ich, abgesehen von den in ihnen verlaufenden Blasenarterien, deren Beschreibung weiter unten folgt, auf die Arbeit von Brass ver- weisen. Dagegen soll das als Ligamentum vesicae medium zu bezeich- nende Band als solches einer näheren Betrachtung hier unterzogen werden. Ich habe zunächst eine Anzahl erwachsener, sowohl frischer, wie in Weingeist aufbewahrter Beutelthiere auf dieses Ligamentum vesicae medium untersucht und, außer einigen unwesentlichen, die Insertion desselben an der Blase betreffenden Einzelheiten, eine übereinstimmende Beschaffenheit konstatiren können. Es ging von einem, hier mehr, dort weniger nach vorn verschobenen Punkte in der Mittellinie der inneren Bauchwand aus, von einer Stelle, die, wie früher (p. 646) gezeigt, keine Spur einer Nabelnarbe aufwies. Es verlief dann, an Breite all- mählich zunehmend, längs der Medianlinie des Bauches nach abwärts auf die ventrale Fläche der Harnblase und erstreckte sich als solches entweder bis fast an den Scheitel derselben (Macropus rufus, Fig. 16 und 17 vm; Halmaturus Bennetti, Halmaturus ualabatus), oder es erhob sich etwas weiter von jenem entfernt (Phalangista vulpina, Dasyurus viverrinus), während es sich bei Macropus major, Perameles nasuta var. aurita etwa von der Mitte des Blasenkörpers und bei Didelphys Azarae und Didelphys virginiana noch weiter nach hinten von diesem absetzte. Das so beschaffene Ligament- stellte nichts weiter dar als eine dünne, bindegewebige Platte (Duplicatur) des parietalen Blaties des Peritoneum. Man konnte sich schon bei einer bloßen makroskopischen Betrachtung leicht davon überzeugen, dass sich an keiner Stelle der- selben, weder in der Gegend der: Blase, die rundum vollständig ab- geschlossen war, noch in der Mitte, noch an der Bauchwand selbst, noch an irgend einer anderen Stelle, eine strangförmige Verdickung oder bloß ! Die ganz jungen, auf successiven Querschnitten untersuchten Thiere lasse ich hierbei außer Acht, da bei ihnen die Messung der Blase, besonders wegen der etwas verschobenen, gewöhnlichen Lage derselben nur ungenau ausfallen konnte. 660 Oscar Katz, einzelne verdickte Punkte vorfanden, welche als die Reste einer em- bryonalen Allantois, eines Urachus, oder von Nabelgefäßen hätten ge- deutet werden können. Auch vermochte eine zur Kontrolle angestellte mikroskopische Untersuchung von.kleinen, hier und da dem Ligamentum vesic. med. entnommenen Stücken (bei Macropus major, Didelphys Azarae) auf Querschnitten und Flächenansichten das Fehlen von urachalen Ele- menten und von obliterirten Gefäßen nur bestätigen. Einem kleinen, 3,5 mm langen Divertikel, welches bei Macropus rufus (Fig. 17 z) in derselben Entfernung von dem vordersten Ende (e) des in der Zeichnung im collabirten Zustände dargestellten Ligam. vesic. med. (vum) an diesem vorkam, konnte keine weitere Bedeutung vindicirt werden. Das Aussehen besagten Ligamentes bei ausgewachsenen Thieren war wie bei jüngeren, wie den oben bereits genannten und anderen. Es gelang mir auch hier nicht, sei es makroskopisch oder mikro- skopisch, Rudimente eines Urachus und von Umbilicalgefäßen nachzu- weisen. Nicht anders war es bei ganz jungen, höchstens zwei Wochen alten Individuen, deren bereits oben gedacht worden ist. Beim größeren Theil derselben erhob sich das Ligam. vesic. med. als dünne, peritoneale Lamelle (Falte) von der ventralen Fläche der Blase, ohne eine Fortsetzung dieser nach vorn in sich einzuschließen. & Bei zwei sehr jungen, schon oft erwähnten Beutlern, einem einige Tage alten Weibchen von Phalangista vulpina von 48 mm Größe und einem einwöchentlichen Männchen von Belideus breviceps von 12 mm Größe, lag die Blasenspitze, im Gegensatz zu der der anderen, wo sie frei in die Leibeshöhle ragte, dicht an der inneren Fläche der Bauchdecke am Peritoneum, welches an dieser Stelle strangförmig verdickt war und sich solchergestalt noch eine Strecke weit in der ventralen Mittel- linie nach vorn verfolgen ließ. Nun habe ich früher (p. 617) von diesen beiden Individuen eine in der Linea alba befindliche dunklere Stelle be- schrieben, die den Eindruck einer Nabelnarbe machte. Betrachte ich an Phalangista vulpina von den successiven Querschnitten durch die frag- liche, 0,6 mm lange Stelle beispielsweise einen, der etwa die Mitte der- selben getroffen hat und 0,5 mm vom Blasenscheitel entfernt liegt — dieser befindet sich daher etwas hinter jener — (Fig. 48 und 19), so sehe ich, dass das Peritoneum (pe), welches wie ein Kegel mitten gegen die Bauchhöhle vorspringt (auf den Querschnitt bezogen), sich in einen circa 0,12 mm breiten Strang durch die Mittellinie der Bauchdecke nach außen fortsetzt, jedoch nicht bis zur Epidermis reicht. Diese ist in der i Von dieser Verdickung rührte wohl hauptsächlich die dunklere Färbung der Stelle her. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 661 geradlinigen Verlängerung desselben erheblich verdünnt (b, Fig. 18 und 19), welche Verdünnung durch eine flache, 0,13 mm breite und 0,045 mm tiefe Ausbuchtung des Rete Malpighii zu Stande gebracht wird!. In dem genannten bindegewebigen Strang bemerkt man neben wenig Grundsubstanz viele platte, rundliche, ovale oder polygonale und zu- weilen mit 'Ausläufern versehene Zellen (Fig. 19 c), von denen die meisten in der Mitte, weniger nach innen und den Seiten angehäuft sind. Von den ovalen habe ich einige gemessen und deren Länge zu 0,043 mm, deren Breite zu 0,01 mm gefunden. Die Zellen enthalten ziemlich große, mehr oder weniger rundliche Kerne mit durchschnittlich 0,0034 mm Durchmesser. Das ganze Aussehen dieser Stelle, das Überwiegen und die Be- schaffenheit ihrer zelligen Elemente, ferner auch der Umstand, dass das zu beiden Seiten derselben liegende, der Linea alba entsprechende Bindegewebe (Fig. 19 v) in der Richtung seiner Faserzüge gestört er- scheint, berechtigen uns zu dem Ausspruche, dass wir es hier mit einer Art Nabelnarbe zu thun haben, die sich aber von dem Hautnabel der placentalen Säugethiere in sehr ausgesprochener Weise dadurch unter- scheidet, dass jegliche Anzeichen für das Vorhandengewesensein einer embryonalen, bei oder vor der Geburt von der Bauchoberfläche abge- schnürten Allantois vermisst wurden. Dass die großen Zellen, wie man sie durch den ganzen, nabelnarbenähnlichen Fleck antraf, nicht etwa Epithelzellen seien und als solche auf die epitheliale Auskleidung einer Allantois, einen Urachus, zurückgeführt werden können, wird einmal dadurch bewiesen, dass sich derartige Zellen, wenn auch nur spärliche, weiter hinauf an der inneren Seite des Peritoneum nachweisen ließen, wo keine »Nabelnarbe« mehr war. Dann steht dem die Thatsache ent- gegen, dass man in dem Querschnitt, welcher in der Kuppe der Blase noch eben das Epithel derselben mit den sehr großen Zellkernen ge- troffen hat — dasselbe schließt also hier vollständig ab — neben diesem in der peritonealen Bekleidung der Blase, hier und da und meist am Rande andere Zellen mit weniger großen Kernen fand, welche ganz den Charakter jener oben erwähnten Zellen besaßen. Bei dem genannten Belideus breviceps war die »Nabelnarbe« nicht mehr so stark ausge- prägt. Die großen Zellen waren geschwunden. Ganz im Einklange mit diesen Befunden bei Beutlern der ver- schiedensten Entwicklungsstufen, d. h. um es zu rekapituliren, mit dem _ Mangel eines eigentlichen Urachus oder der Fortsetzung des Epithel- 1 Als der Ausdruck dieser Verdünnung erwies sich bei Betrachtung der Bauchoberfläche eine in der erwähnten Stelle median und longitudinal verlaufende Linie (vgl. p. 647). 662 Oscar Katz, schlauches der Harnblase in das Ligamentum vesicae medium und dem Mangel von obliterirten Umbilicalgefäßen, steht die Anordnung der Vesicalarterien, auf welche ich jetzt einzugehen habe. Um das Verhalten der Vesicalarterien an erwachsenen Thieren recht anschaulich zu machen, wurden dieselben an mehreren frischen Indivi- duen mit farbigen Massen injicirt, sei es nun, dass dieses von der Aorta abdominalis oder von ihnen selbst aus geschah. Die Harnblase selbst, welche leer, zusammengeschrumpft und meist in die Tiefe der Beckenhöhle hineingezogen war, wurde mit einer beliebigen Flüssigkeit, gewöhnlich mit Alkohol, von einem Ureter aus wieder aufgefüllt. Als Ausgangspunkt für eine Darstellung der Verhältnisse der Blasen- arterien, insbesondere der Arteria vesicalis superior (umbilicalis) an er- wachsenen Beutlern wähle ich Macropus rufus ©. Von der Arteria hypogastrica s. iliaca interna (Fig. 15 H), welche nach der Abzweigung der starken Arteriae crurales s. iliacae externae (Cr) von der Aorta abdominalis (4) von der an Kaliber erheblich verminder- ten geradlinigen Fortsetzung dieser nach hinten (A,) abgegeben wurde, entsprang eine als Arteria vesicalis superior (richtiger anterior) oder der Kürze halber als Arteria umbilicalis zu bezeichnende Arterie (w)!, welche sich an den freien Rand einer das Ligamentum vesicae medium der placentalen Säugethiere funktionell vertretenden breiten Peritonealfalte (Fig. 16 vl) begab, mit dieser eine Strecke weit nach abwärts ging und dann nach vorn zur Harnblase umbog (Fig. 16 und 17). Sie verlief, an den Körper und Scheitel derselben reichliche, theilweise anastomosirende Zweige abgebend, in einem schwachen Bogen seitlich am vorderen Theil derselben nach aufwärts und war bis zu einem, dem Anfang des Liga- mentum vesicae medium (VYm) entsprechenden, von dem ganz abge- rundeten Scheitel der Blase ein klein wenig nach hinten auf die ventrale Fläche gerückten Punkte zu verfolgen, wo sie sich mit der gleichnamigen der anderen Seite unter Bildung eines rechten Winkels vereinigte (Fig. 17). - Es ist nun zu betonen, dass sich die beiden Arterien weder als obliterirte noch als noch wegsame Stämme oder bloß als gemeinsamer Stamm in i In der Abbildung, welche Owen (Nr. 20, p. 540) von der Bauchaorta und ihren Ästen bei einem Macropus giebt, findet sich eine, auf dem vorderen Theil der Blase sich verästelnde, mit p bezeichnete Arterie, die er von der Caudalarterie © entspringen lässt. Eine Erklärung im Texte ist nicht vorhanden. Dem Verlauf der genannten Arterie auf der Blase nach zu urtheilen, ist es die A. vesicalis superior (umbilicalis). Ich muss aber bemerken, dass ich diese oder die A. vesicalis inferior nie von der Art. caudalis abgegeben fand. Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 663 das Ligam. vesic. med. und mit diesem auf die innere Bauchdecken- wandung fortsetzten. Die an diesem Ligament emporsteigenden Ästchen stammten, wie in Fig. 15 ersichtlich, größtentheils von einer zweiten Blasenarterie, der A. vesicalis inferior (richtiger posterior) (Fig. 16 und 17 Vij), welche sich von einer stärkeren, aus der Hypogastrica kommen- den und zu den inneren Genitalien gehenden abzweigte, den hinteren Theil der Blase versorgte und mit den Vesicales superiores (umbilicales) anastomosirte3 Wiederholte Untersuchungen an verschiedenen anderen erwachsenen Weibchen haben, abgesehen von geringen Abweichungen im Verlauf der Vesicalarterien, stets zu demselben Resultate geführt. Halmaturus Bennetti stimmte ganz mit Macropus rufus überein ; nur verliefen die Arteriae vesicales superiores parallel zu einander und mehr auf der dor- salen Fläche der Blase bis zum Scheitel derselben. Bei Halmaturus ualabatus, wo die Schenkel- und Beckenarterien zwar nach einander, aber dicht zusammen aus der Bauchaorta entsprangen, bemerkte ich keine Vereinigung der Stämme der Umbilicalarterien auf dem Blasen- scheitel. Bei einem ausgewachsenen Exemplar von Phalangista vulpina, wo die Schenkel- und Beckenarterien eine Strecke weit hinter einander, aber unsymmetrisch, die rechten tiefer als die linken, von der Bauch- aorta abgegeben wurden, variirten die Umbilicalarterien auf beiden Seiten ein wenig. Die linke, 3,5 mm von dem Ursprung der A. hypo- gastrica mehr ventralwärts als seitlich von dieser entstehend,, spaltete sich bei ihrem Übergang auf die Blase in zwei gleich starke Äste, von denen der eine, am Rande des Ligam. vesic. lat. entlang, an die Seite jener geht, während der andere, etwas weiter abwärts gelegene, wieder- um in zwei sekundäre Zweige zerfällt, von denen der eine sich dorsal- wärts wendet und sich auf den Scheidenkanälen verzweigt, der andere, vordere auf den Körper der Blase übergeht. Die rechte, ebenfalls ven- tral, aber gleich am Ursprungstheil der A. hypogastrica abgegeben (was mit sich bringt, dass trotz des verschieden hohen Ursprungs dieser beiden, die Vesicales superiores [Umbilicales} von gleicher iHöhe aus- gehen), spaltete sich ebenfalls bald in zwei Äste; der eine verlief aber gleich dorsalwärts auf die Scheidenkanäle, der andere, sich später noch mehrfach dichotomisch theilend, auf die Blase. Bei Didelphys virginiana, wo die Schenkel- und :Beckenarterien, wie bei den monodelphen Säugethieren, sich als die Theile eines ge- meinschaftlichen, auf der Höhe der Iliosacralverbindung von der Bauch- aorta abgegebenen Stammes (Iliaca communis) darstellten, /entsprangen die Vesicales superiores (Umbilicales), wie bei den anderen, aus der 664 Oscar Katz, Hypogastrica, verzweigten sich auf der Blase und gingen auf dem Schei- tel dieser mit ihren Stämmen nicht in einander über. Die Untersuchung der Arteriae vesicales superiores an halbwüchsi- gen und ganz jungen Thieren konnte das Resultat derselben an aus- gewachsenen nur bestätigen. Wie hier, so wollte es mir auch dort nicht gelingen, weder in den Plicae vesicae laterales, die als solche die Blasenspitze gar nicht erreichten, noch in der Plica vesieae media, welche niemals ganz bis zu dieser verlief, obliterirte Nabelgefäße zu entdecken. Die beiden Arteriae vesicales superiores begaben sich dem Verlauf der Plicae vesicae laterales fülgenm nur bis zum Blasen- scheitel. Wie ich mich ferner schon durch ee lanholte Präparationen an eı- wachsenen und halbwüchsigen Beutlern von dem konstanten Fehlen eines bei den placentalen Säugern unter dem Namen des Ligamentum teres bekannten, aus der Nabelgegend nach der Leber und in das Liga- mentum suspensorium derselben sich fortsetzenden bindegewebigen Stranges, der obliterirten Nabelvene, überzeugt hatte, so konnte ich das Nichtvorhandensein einer solchen auch bei den jüngsten Individuen; welche mir zu Gebote standen, konstatiren. Es ist daher wohl dieses Hebionden wegen allein schon gerechtfertigt, wenn man mit Owen (Nr. 417, p. 342), der dasselbe sah, die Bildung einer Placenta durch Ausbreitung der Umbilical- oder Nabelarterien auf dem Chorion von vorn herein für unwahrscheinlich hält. Vergleiche ich im Übrigen das Resultat meiner Untersuchungen mit demjenigen, zu welchem Owen bei verschiedenen von ihm an Beutel- ihieren angestellten Untersuchungen gelangte, so mag es auf den ersten Blick scheinen, als wenn sich beide gerade gegenüber ständen. Owen sagt uns allerdings (Nr. 47, p. 238 Fußnote), dass er bei sehr kleinen Beutelthieren (Petaurus pygmaeus, Phalangista) einen Urachus, bei einem ungefähr 1% Tage alten Känguruh die Reste eines solchen und von Umbilical- oder Vesicalarterien entdeckt habe. : Allein so viel ich aus seiner Beschreibung und den beigegebenen Abbildungen ersehe (Nr. 47, Pl. VI), kann ich nicht anders glauben, als dass es sich zwi- schen seinen und meinen Befunden weniger um eine Differenz in der Thatsache, als vielmehr um eine solche in den Worten handelt. Die Ausdrucksweise »Urachus« für den vorderen, zugespitzten Theil der Harnblase, den auch ich, wie erwähnt, dicht an eine Stelle in der Mittellinie der inneren Bauchfläche angeheftet fand, welche Stelle aber mit dem beschriebenen nabelnarbenähnlichen Gebilde nichts zu thun hatte, ist in so fern nicht gut gewählt, als man dadurch leicht versucht werden könnte anzunehmen, dass, wie bei den Mammalia placentalia, Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 665 zu einer bestimmten Zeit des embryonalen Lebens die Harnblase, d. h. der epitheliale Schlauch derselben (Urachus) durch den Nabel hindurch mit einem außerhalb der Leibeshöhle gelegenen Sacke, der eigentlichen Allantois, kommunicirt hätte, welche letztere dann mit dem Schließen der Bauchdecke abgeschnürt worden wäre. Gegen eine solche Auffassung spricht einmal der Umstand, dass die oberen (vorderen) Vesicalarterien (gewöhnlich Umbilicalen genannt) und das Epithel der Harnblase auf der Kuppe derselben vollständig aufhörten und dass ich in der » Nabel- narbe« von zwei sehr jungen Thieren (Phalangista vulpina und Belideus breviceps, siehe oben) weder die Reste eines Urachus, etwa in Form einzelner Kerngebilde, noch von Umbilicalgefäßen nachweisen konnte, wie denn auch Owen nichts Näheres über die »Nabelnarbe« der von ihm präparirten jungen Individuen angiebt. Das andere Mal steht dieselbe im Widerstreit mit der Aussage Owen’s (Nr. 18, p. 83; Nr. 20, p. 720) von der Allantois bei einem von der Schnauze bis zur Schwanz wurzel in gerader Richtung 10 (engl.) Linien messenden Fötus von Macropus major, laut welcher dieselbe, abgesehen davon, dass sie in jedem Theile ihres Umfanges frei von jeder Anheftung an das CGhorion und damit an den Uterus war, eine gewisse geringe Größe (sie war nur !/; so groß wie der Dottersack) nicht überschreite und anscheinend keine andere Funktion besäße als, wie bei den Batrachiern, zu einem Receptaculum für den Harn zu dienen. Wir können desshalb nach alle dem nicht umhin anzunehmen, dass in der Entwicklung der Beutelthiere die Allantois als solche ganz in die Bauch- resp. Beckenhöhle aufgenommen wird, um, mit dem fort- schreitenden Wachsthum des Thieres absolut, aber nicht relativ an Größe zunehmend, zeitlebens als Harnblase zu fungiren. Die auf der- selben sich verbreitenden, im Vorstehenden als Arteriae vesicales supe- riores oder umbilicales bezeichneten Arterien sind’ demnach noch immer die allantoidischen Arterien, welche bei den placentalen Säugethieren während des embryonalen Lebens das Blut durch den Nabel zur Placenta führen und nach der Geburt von diesem bis zur Blase zu den Ligamenta vesicae lateralia obliteriren. Resum& der hauptsächlichen Resultate der vor- stehenden Untersuchung: 1) Die für das weibliche Geschlecht der Marsupialia charakteristi- schen Beutelfalten finden sich in Rudimenten auch bei männlichen Indi- viduen, die, abgesehen von Thylacinus, bei welchem ein rudimentäres Marsupium zeitlebens beibehalten ist (Owen), ein gewisses jugendliches Alter nicht überschritten haben (Acrobata pygmaea, Dasyurus viverrinus, 666 Oscar Katz, En Belideus breviceps, Perameles, Didelphys). Ihr Vorhandensein bei diesen und bei Thylacinus ist als ein von den Weibchen auf sie vererbter Zu- stand anzusehen. 2) Das vor dem Penis gelegene Scrotum der Beutler legt sich, wie bei Monodelphen, aus paarigen Stücken an. — Labia tajol fehlen dem äußeren weiblichen Geschlechtsapparat. 3) Anlagen von Milchdrüsen und Zitzen sind auch bei jungen männ- lichen Thieren gegeben; doch ist ihr Vorkommen bei Männchen neu- holländischer Arten zweifelhaft. | k) Die sog. Beutelknochen sind Ossifikationen in einer Sehne des bei den Beutelthieren proportional der Ausbildung jener Knochen ent- wickelten Musculus pyramidalis. 5) Der zum System des Musc. transversus abdom. gehörige Musc. cremaster hat sich beim Weibchen mit der Reduktion eines Ganalis Nuckii zu einem vorzugsweise in den Dienst der Neomelie gezogenen Muskel, einem M. compressor der Milchdrüsen herausgebildet. Beim Männchen sind seine ursprünglichen Beziehungen zu einer Aussackung des Peritoneum (Processus vaginalis) erhalten. 6) Die Nabelnarbe der Beutelthiere, welche sehr frühzeitig ver- schwindet, ist, eben so wie das Ligamentum vesicae medium (Plica vesic. media), vollständig frei von Elementen des Urachus und der Umbilicalgefäße. 7) Die Arteria umbilicalis der menschlichen Anatomie besteht bei den Beutlern dauernd in ganzer Ausdehnung wegsam und bildet eine Arteria vesicalis superior, die mithin mehr ist als die in der menschlichen Anatomie so bezeichnete Schlagader. 8) Die Harnblase der Beutelthiere stellt die ganze embryonale Allan- tois der Placentarthiere dar; zwischen den Harnblasen beider Gruppen besteht also eine inkomplete Homologie. Die häufig diskutirte Frage über das Verhältnis der Aplacentalia zu den Placentalia erhält aus diesen Ergebnissen keine bestimmte Ent- scheidung. Es ist zunächst durchaus nicht ersichtlich, dass die Entwicklung derOssa marsupialia irgend einen Zusammenhang mit den neomeletischen Apparaten und Verrichtungen der Aplacentalia habe, und es liegt kein Anzeichen vor, dass der bei den Placentalia vorhandene Musculus pyra- midalis aus einer Rückbildung des gleichen Muskels der Aplacentalia hervorgegangen und mit seiner Rückbildung ein Schwund der Beuiel- knochen erfolgt sei: Andererseits wird auch der Fund eines Beutelthieres ohne Beutelknochen jetzt wenig Überraschendes haben. Ein wohl angenommener aber durch nichts bewiesener Zusammen- Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren. 667 hang der Placentalia mit den Aplacentalia so, dass die ersteren aus den letzteren hervorgegangen seien, stößt ja auf die großen Schwierigkeiten, dass es unverständlich bleibt, durch welche Vorgänge etwa die Entwick- lung einer Placentareinrichtung erfolgt sei, welche, einmal erworben, den Besitz der Beuteltasche unnöthig gemacht und damit in Wegfall ge- bracht hätte. Lässt man aber die Möglichkeit einer Entwicklung der Placentalia aus den Aplacentalia zu, so ist der durch die Lage des Scro- tum und das Fehlen des Perineum bedingte Unterschied zwischen beiden Gruppen eher verständlich; man würde sich vorzustellen haben, dass die ursprünglich paarige Anlage des Scrotum vor der Urogenitalöffnung durch eine Verschiebung derselben und des Genitalhöckers in der Richtung von hinten nach vorn unter gleichzeitiger Bildung eines Perineum zu- nächst eine Trennung der Scrotalhälften herbeigeführt habe und diese damit eine solche Lagerung zum Urogenitalsinus und Genitalhöcker er- halten hätten, wie sie die Labia majora im weiblichen Geschlecht jetzt besitzen und gleichsam konservirt haben. Das zugegeben, ist eine Wieder- vereinigung der getrennten Scrotalhälften hinter dem Genitalhöcker auf dem entstandenen Perineum leicht zu verstehen. Kann eine solche Ver- schiebung etwa mit den Vorgängen in Zusammenhang gebracht werden, durch welche die Harnblase oder die Allantois zur Placentarbildung ge- bracht wurde? Es scheint dieser Weg der Ausbildung eher annehmbar als jener andere, dass der Anstoß der Verschiebung vom Scrotum ausgegangen sei. Aber die ganze Spekulation fußt auf der Annahme einer Abstam- mung der Placentalia von den Aplacentalia, und eine solche muss zur Zeit noch durch andere Thatsachen belegt werden, als die sind, über welche wir jetzt verfügen. Die Lösung des Problems erfolgt vielleicht einfacher durch die Annahme, dass die besonderen Arten der Brutpflege, welche wir bei den jetzigen Säugern als marsupiale und placentare kennen, unabhängig von einander sich entwickelt haben oder ausgebildet wurden, dass also die Träger beider Arten der Neomelie ihre Verwandt- schaft in einem gemeinsamen, in dieser Beziehung indifferenten Vor- fahren besitzen. Ob als ein solcher ein Thier von der Beschaffenheit der Monotremata anzusehen ist, darf damit noch nicht behauptet werden. Göttingen, im Januar 1882. 668 Oscar Katz, Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXVIII. Fig. 4. Ein vier Monate altes Weibchen von Acrobata pygmaea. Nat. Größe. m, Beutelfalten ; a, Erhebung mit dem After; 0, gemeinsame Öffnung von zwei, in der cl, Clitoris, in ihre Scheide eingezogen und Zeichnung nicht mit “dargestellten, hin- nur mit der Spitze hervorsehend. teren Blindsäcken; Fig. 2. Die Beutelfalten desselben Thieres. Vergr. 3/4. l,, vorderer, hervorspringender Theil der longitudinglen Scheidewand; die beiden Beutelblindsäcketrennenden m, o, a und cl wie vorhin. Fig. 3. Ein eben so altes Männchen von Acrobata pygmaea. Nat. Größe. s, Scrotum; a, After; m, rudimentäre Beutelfalten ; p, Penis, eingezogen. Fig. 4. Beutelfalten und Scrotum desselben Thieres. Vergr. 3/1. r, Furche auf dem Scrotum; f, Samenstrang; a,p wie oben. Fig. 5. Ein anderes, etwas größeres Männchen derselben Art. Nat. Größe. m, rudimentäre Beutelfalten ; p,f, wie oben. Fig. 6. Beutelfalten und Scrotum desselben 'Thieres. Vergr. 2/1. Das Scrotum (s) ist nach vorn hinüberge- nal verlaufende Frenulum / zu zei- zogen, um das median und longitudi- gen; p, f wie oben. Fig.7. Ein zwei WochenaltesMännchen von Perameles nasuta(obesula?). Nat.Gr. m, rudimentäre Beutelfalte; s, Scrotum ; p, Penis. Fig. 8.. Ein eine Woche altes Exemplar von Belideus breviceps (Geschlecht nach dem Außeren unbestimmt). Vergr. 3/1. la, Linea alba ; c, »Nabelnarbe«; de, äußeres Genitale. Fig. 9. Hintere Körperpartie eines erwachsenen Weibchens von Dasyurus viver- rinus var. Maugei. Nat. Größe. m, Beutelfalte ; Pm, Zitzen, vier größere hintere und zwei g9, Grenze derselben nach vorn; kleinere vordere; a, After. Fig. 10. Hintere Körperpartie eines anderen erwachsenen Weibchens von Dasyu- rus viverrinus, von der Bauchfläche in halbseitlicher Ansicht. Nat. Größe. m, Beutelfalte ; Pm, Zitzen; J, drei junge Thiere; c, Schwanz. Fig. 44. Hintere Körperpartie eines anderen erwachsenen Weibchens von Dasyu- rus viverrinus. Nat. Größe. m, Beutelfalte ; apparat mit sechs Zitzen; M, der stark prominirende Milchdrüsen- a, After. Fig. 12. Ansicht des Musculus eremaster (Cr) von einem anderen erwachsenen Weibchen von Dasyurus viverrinus. Nat.Gr. Das Integument (£) ist mit dem Muskel nach hinten herabgezogen, so dass man auf die innere Fläche dieses sieht. M, Milchdrüsen, größtentheils von den Om, Beutelknochen; Cremasterfasern bedeckt, unter wel- Py, Muse. pyramidalis; chen sie hervorschimmern;; La, Linea alba. Ae, äußerer Leistenring ; Fig. 13. Hintere Körperpartie eines erwachsenen Weibchens von Belideus no- tatus. Nat. Größe. ü, hintere, Pm, die vier Zitzen (eben so); i9, vordere Beutelblindsäcke (schema- a, After; tisch); c, Schwanz. Tafel XXXIX. Fig. 44. Ansicht des abdominalen Hautmuskels eines erwachsenen Weibchens von Perameles obesula. Nat. Gr. Das Integument ist bei b aufgeschnitten und nach der linken Seite über die nach hinten gerichtete Öffnung des Marsupium geschlagen. c, Sphincter marsupii; c,, andere Hautmuskelfasern. - Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verkn. Organe bei den Beutelthieren.. 669 Fig. 45. Die Aorta abdominalis von einem erwachsenen Weibchen von Macro- pus rufus. 2/3 nat. Größe. A und A,, Aorta abdominalis ; u, Art. vesicalis superior (umbilicalis); Cr, Arteria cruralis; vi, Art. vesicalis inferior (z. Th.); H, Art. hypogastrica;; sp, Art. spermatica. C, Art. caudalis; Fig. 46. Rechtsseitige Ansicht der Harnblase (im gefüllten Zustande) mit ihren Arterien von demselben Beutelthier. Nat. Größe. Der größte, laterale Theil des rechten Os pubis bei %k und k, herausgesägt. Vu, Harnblase; u, Art. vesicalis superior (umbilicalis) der S, Scheitel derselben ; rechten, %, die der linken Seite; vm, Ligamentum vesicae medium (Plica vi,, Art. vesicalis inferior; vesicae media); h, medianer Rand des Foramen obtura- vl, Ligamenta vesicae lateralia (Plicae tum. vesicae laterales); Fig. 47. Hintere Körperpartie desselben Thieres, von innen. 2/3 nat. Größe. Die Bauchdecke B ist bei a aufgeschnitten, nach hinten emporgehoben und senkrecht zur Längsachse des Körpers gestellt. Der Rumpf, welcher bei R quer durchgeschnit- ten ist, stellt sich in der Verkürzung dar, da man von vorn her schräg gegen den- selben und gerade auf den Scheitel der Harnblase Vu sieht. vm, Ligamentum vesicae medium, im zu- A, Or, H, sp wie in Fig. 45; sammengefallenen Zustande gezeichnet; ur, Ureier; z, kleines Divertikel an demselben; Ov, Ovarium; e, Ende desselben ; O0, Querschnitt der Aorta; la, Linea alba; W, Wirbelkörper; Ta, Muse. transversus abdom. (Sehne); D, Dornfortsatz; Ft, Fascia transversalis ; u, vi, wie in Fig. 46; Fig. 18—24. In diesen bedeutet: A, Medullarrohr. e, Epidermis; Om, Beutelknochen ; pe, Perichondrium ; c, dichtes Bindegewebe; D, Darmdurchschnitte; u, Unterhautbindegewebe ; Rn, Nieren; d, Milchdrüsenanlagen ; do, Eileiter ; Cr, Musc. cremaster; w, Wirbelkörper; Py, M. pyramidalis ; M, Medullarrohr ; R, M. rectus abdom. ; la, Linea alba; Oae, M. obliq. abd. ext. ; s, Scrotum; Oai, M. obligq. abd. int. ; f, bindegewebiger Strang (Gubernaculum Ta, M. transversus abd.; Hunteri). Fig. 48. Querschnitt durch die mittlere Bauchregion eines sehr jungen Weib- chens von Phalangista vulpina (vgl. Fig. 24). Vergr. 10/1. C, »Nabelnarbe«; b, Verdünnung der Epidermis; pe, Peritoneum; L, Leber; Ov, Ovarium; Fig. 49. Die Stelle der »Nabelnarbe« des vorigen Querschnittes. Vergr. 450/4. z, große und verschieden gestaltete Binde- eg, Arteriae epigastricae (mitihren Venen); gewebszellen mit ziemlich großen », angeschnittene Venen; Kernen; pe, b wie in Fig. 48. Tafel XL, Fig. 20. Querschnitt durch die Bauchdecke (Höhe der beiden vordersten Milch- drüsenanlagen) eines von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel längs der dorsalen Mittellinie 4,7 cm großen Weibchens von Didelphys murina(?). Vergr. 25/4. a, Querschnitte zweier Sehnenlamellen, welche von der Linea alba aus das Unterhautbindegewebe eines Theiles der Bauchdecke durchsetzen ; h, Haaranlagen;; i, innere Bauchfläche. Fig. 21. Querschnitt durch das hintere Körperende eines einige Tage alten Weibchens von Phalangista vulpina, das vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel in ge- rader Linie 18 mm maß. Vergr. 10/1. Der Musc. cremaster (Cr) etwas schematisirt. A, Aorta abdominalis; Vu, Harnblase ; P, Pfanne. 670 Oscar Katz, Zur Kenntnis d. Bauchdecke u. d. mit ihr verkn. Org. bei d. Beutelthieren. Fig. 22. Ein kleines Stück aus vorigem Querschnitt, die Milchdrüsenanlage (d), die Cremasterausstrahlung (Kerne) etc. enthaltend. Vergr. 55/4. v, angeschnittenes Blutgefäß; i wie in Fig. 20. Fig. 23. Mittleres Stück eines etwas schrägen Querschnittes durch die hintere Köperpartie eines jungen männlichen Dasyurus viverrinus, der von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel längs der dorsalen Mittellinie gemessen 3cm groß war. Ver- größerung 34/1. pv, Scheidenfortsatz des Peritoneum; r, Enddarm ; &;, Schenkelmuskulatur ; Ips, Musc. iliopsoas ; U, Anfang der Urethra; J, Hium; b, Querfortsätze des ersten Sacralwirbels; p, Drüsendurchschnitte (Prostata); 9, Spinalganglion. vd, Vas deferens; ur, Ureter ; Fig. 24. Querschnitt durch die hintere Fläche des Scrotum und die im Leisten- kanal steckenden Hoden bei einem zweiwöchentlichen, von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel in direkter Entfernung 4 cm großen Männchen von Perameles na- suta (obesula?). Vergr. 20/4. (Vgl. Fig. 7.) B, rudimentäre Beutelfalte (inneres d,, Verdickung (Einstülpung) der Schleim- Blatt); schicht der Epidermis; i, Hoden; m, mediane Seite des Musc. cremaster; l, Scheidewand des Scrotum. Fig. 25. Hintere Körperpartie eines erwachsenen Männchens von Dasyurus viverrinus, von der Bauchseite. In nat. Größe. Das Integument (7) ist bis zur Spitze des Scrotum (3) in der Medianlinie gespalten und nach beiden Seiten zurückpräpa- rirt. Die Fascie des Musc. obliquus abdom. ext. (Oae) ist auf der rechten Seite er- halten (g), auf der linken weggenommen, so dass der Musc. pyramidalis (Py) zum Vorschein kommt. ' Cr, Musc. cremaster, verkürzt dargestellt; 2, lateraler Rand des Musc. pyramidalis; b, Vereinigung der Cremasteren im Stiel la, Linea alba; des Scerotum (2), d, Schambeinfuge; t, Hoden; i, Musc. gracilis; p, braun pigmentirteBindegewebsschicht, Ah, Musc. pectineus, sich theilweise an die nach außen von der Tunica vaginalis Basis der Beutelknochen setzend; propria testis; vd, Vas deferens; a, Ligamentum Poupartii; e, Nerven und Gefäße, aus dem Schenkel- c, Leistenring; ring kommend; Om, Beutelknochen; Oai, hinterer, fleischiger Rand des Musc. s, eine von der Spitze der Beutelknochen obliq. abdom. int. ausgehende Sehne; f, Schenkelmuskulatur. Fig. 26. Darstellung des Ursprungs und der Insertion des Musc, cremaster (Cr) bei demselben Individuum. In nat. Größe. Die schiefen Bauchmuskeln der linken Seite von der vorderen Ecke des Leistenringes an in einer schräg nach vorn und. seitlich gehenden Linie aufgeschnitten, dazu ein querer Schnitt gemacht und die Lappen nach links, beziehungsweise rechts hinübergeschlagen (2 und 5, Schnitt- ränder). Die häutige Auskleidung der inneren Bauchdeckenwand entfernt; die Sehne des Musc. obliqg. abdom. int. bis auf eine schmale Brücke (Oa:) zur Seite präparirt. Die beiden Hoden von einander getrennt; der rechte um einen Winkel von 900 nach der rechten Seite gedreht, um die Ausbreitung des Musc. cremaster auf der medianen, planen Fläche jenes zu zeigen. Der linke auch etwas nach rechts hinübergeneigt, um die Ausstrahlung des Musc. cremaster auf der lateralen, gewölbten Fläche des Hodens darzustellen. J, vorderes Ende des Os ilii; Ta, Musc. transversus abdominis; Ips, Muse. iliopsoas; sp, Nervus spermaticus; k, Anfangstheil desselben, r, hinterer Theil der Niere; ur, Ureter; m, Cremasternerv; n, Nebenhoden; 1, 2, Om, vd, b wie in Fig. 25. Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. Von Dr. Richard Rössler aus Freiberg. Mit Tafel XLI und XLIl. Einleitung. Den ersten Anstoß zu den vorliegenden Untersuchungen gab mir das bereits von Trevıranus beobachtete Vorkommen von Eiern auf dem Hoden von Phalangium und der Umstand, dass dieser Forscher eben so wenig wie die später sich mit der Anatomie der Phalangiden beschäf- igenden Zoologen sich genügende Aufklärung über diese Abnormität verschaffen konnten. Bei den in Folge dessen von mir vorgenommenen Zergliederungen von Phalangiden und dem Studium der einschlagenden Literatur gelangte ich nun aber bald zu der Überzeugung, dass viele Verhältnisse, sowohl in anatomischer, als in histologischer Beziehung noch einer een deren Untersuchung bedurften, zumal mir zu jener Zeit die Arbeiten von Pıatzau (42) und Brane (15), so wie die vorläufigen Mittheilungen von DE Graar (13) und Loman (14) noch nicht bekannt waren. Ich untersuchte Individuen folgender Arten: Megabunus corniger Meade, Phalangium parietinum de Eben Opilio albescens Koch, Leiobunus rotundus Latr;, Leiobunus longipes (Koch), ‚Cerastoma cornutum Koch, die ich nach der Monographie von Mrape (20) und dem Arachnidenwerke von Hann und Kocn (18) bestimmte. | Bei der Determination, nur mit Zugrundelegung dieser Schriften, stößt | man jedoch oft auf Schwierigkeiten, da die äußeren Merkmale, nach ‚ denen allein hier die Eintheilung erfolgt ist, nicht konstant sind, vielmehr Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 45 672 Richard Rössler, oft nicht unbeträchtlich variiren. Daraus erklärt sich auch die Erschei- nung, dass ven den verschiedenen Systematikern oft Männchen und Weibchen einer Species und deren junge Thiere, die in Farbe und Zeich- nung meist mit den ausgewachsenen differiren, mit verschiedenen Namen belegt wurden. Eine wesentliche Vereinfachung wird die Bestimmung durch Berück- sichtigung der inneren Theile, namentlich der Begattungswerkzeuge er- fahren, die bei den verschiedenen Species leicht in die Augen fallende Unterschiede erkennen lassen. Hierbei kommt noch der Umstand in Betracht, dass, wenigstens bei lebenden Thieren, ein leichter Druck auf das Abdomen ein Vorstrecken des Geschlechtsapparates bewirkt und so eine weitere umständliche Prüfung erspart. Vorzügliche Dienste bei der Untersuchung leistete mir die Schnitt- methode, die besonders die Einsicht in den anatomischen Bau des Thieres wesentlich fördert und erleichtert. Wenn es auch vieler und zeitrauben- der Versuche bedurfte, ehe es mir glückte in allen Theilen vollständige Schnitte zu erhalten, so bin ich doch endlich und zwar auf ziemlich ein- fache Weise zum Ziele gelangt. Die besten Resultate erzielt man durch folgende Behandiungsweise der Objekte. Man tödtet die Thiere in kochendem Wasser und lässt durch mehrmaliges Aufwallen das Eiweiß in den Geweben koaguliren, bringt sie dann in 70° Alkohol und aus diesem in 90% und endlich in absoluten, bis alles Wasser aus dem Thiere entfernt ist. Sodann bettet man die Objekte in Seife ein. Ein zweimaliges Schmelzen und Wieder- erstarrenlassen mit der Seife genügt, um sie vollständig von dieser durchdringen zu lassen. Zum Färben der Schnitte, das auf dem Ob- jektträger erfolgen muss, wenn man vollständige Präparate erlangen will, bedient man sich am besten eines in absolutem Alkohol gelösten Färbemittels, da die Behandlung mit wässerigen Tinkturen und das da- durch bedingte öftere Auswaschen mit Wasser die Objekte zerstört. Ich habe auch versucht in Paraffin einzubetten, meist jedoch keine vollstän- - digen Schnitte erzielt, da die Gewebe und namentlich die äußere Chitin- haut, in Folge der Behandlung mit Terpentin oder Nelkenöl, fast stets zu spröde wurden. Als meine Untersuchungen bereits zum größten Theil abgeschlossen waren, gelangte die Arbeit Loman’s, »Bijdrage tot de Anatomie der Phalan- giden« in meine Hände, und durch dieselbe erhielt ich auch Kenntnis von den Untersuchungen von Branc (15). Obgleich meine Beobachtungen völlig unabhängig von denen obengenannter Autoren angestellt wurden, bin ich in mancher Hinsicht zu denselben Resultaten gelangt, insonder- heit wie Loman. Andererseits werfen sie aber auch einiges Licht auf die Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 673 Beschaffenheit von Organen, deren feinerer anatomischer Bau sich nur auf Dünnschnitten genügend studiren lässt, welcher Methode sich meine Vorgänger nur in Bezug auf einzelne Theile bedient zu haben scheinen. Von den Arbeiten, auf die ich bei meinen Untersuchungen un lich zurückgegriffen habe, seien folgende erwähnt: a) Anatomischen Irhalts. . Trevıranus, Abhandlungen über den inneren Bau der ungeflügelten Insekten. Vermischte Schriften. Bd. I. 4846, . Rampoar, Abhandlung über die Verdauungswerkzeuge der Insekten. 4809 bis Asa. TuLk, Upon the Anatomy of Phalangium Opilio. Ann. of Nat. Hist. 4843. 4. Lussock, Notes on the generative organs in the Annulosa. Philos. Transactions 4861. Kroan, Über zwei Drüsensäcke im Cephalothorax der Phalangiden. Archiv für Naturgesch. 1867. —— Zur näheren Kenntnis der männlichen Zeugungsorgane von Phalangium. Archiv für Naturgesch. 1865. 6. LEvpie, Über das Nervensystem der Afterspinne. MüLLer’s Archiv. 1862. 45. . v. Wırrica, Die Entstehung des Arachnideneies im Eierstock. MütLer's Archiv. 1849, Carus, Über die Entwicklung des Spinneneies. Diese Zeitschrift. 1850. Lupwig, Über die Eibildung im Thierreiche. 4874. . LevckArt, Bau und Entwicklungsgeschichte der Pentastomen. 4860. —— and WAGNER, Semen. Cyclopaedia of Anatomy and Physiology. Vol. IV. . GEGENBAUR, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. . PrATEAU, Sur les phenome£nes de la digestion et sur la structure de l’appareil digestif chez les Phalangides. 4876. . DE GRAAF, Beiträge zur Kenntnis des anatomischen Baues der Geschlechtsorgane bei den Phalangiden. Zool. Anzeiger. 1880. Nr. 47. Loman, Beiträge zur Kenntnis des anatomischen Baues der Geschlechtsorgane bei den Phalangiden. Zool. Anzeiger. 4880. Nr. 49. Bijdrage tot de Anatomie der Phalangiden. 4881. Braxc, Anatomie et Physiologie del’Appareil sexuel mäle des Phalangides. 1880. b) Systematische Schriften. . LATREILLE, Histoire naturelle des Fourmis. 1802. . HERMANN, Memoire apterologique. 1804. . Hans und Koch, Die Arachniden, getreu nach der Natur abgebildet und be- schrieben. 4834—4849. . Menge, Über die Lebensweise der Afterspinnen. Schriften der Danziger Gesell- schaft. 14850. . MEADE, Monograph on the British species of Phalangiidae. Annals of Nat. Hist. 1855. 45* 674 Ä Richard Rössler, Die ersten Untersuchungen über die Afterspinne stellte zu Anfang dieses Jahrhunderts Larrrıte (16) an. Er beschränkte sich jedoch in der Hauptsache auf die Beschreibung äußerer Theile, wie der Fress- werkzeuge, der Stigmen, deren er vier zählte; auch gab er Notizen über die Geschlechtswerkzeuge unserer Thiere. Nach ihm lieferte Ramvonr (2) in seiner Abhandlung über die Ver- dauungswerkzeuge der Insekten eine Beschreibung und Abbildung des Darmkanales von Phalangium Opilio. | Die ersten ausführlichen Untersuchungen des anatomischen Baues der Phalangiden verdanken wir Trevirants (1), der die inneren Organe mit großer Genauigkeit beschrieb, im Bezug auf die männlichen Ge- schlechtsorgane jedoch irriger Ansicht war, da er die accessorischen Drüsenbüschel des Penis für Hodenschläuche hielt. Erst 30 Jahre später wurden die Untersuchungen über die After- spinnen von Turk (3) wieder aufgenommen, der eine ausführliche Ana- tomie dieser Tbieregab, die namentlich in Hinsicht auf dieMundwerkzeuge an Genauigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Im Bezug auf die männlichen Geschlechtsorgane und die Anzahl der Augen stimmt er jedoch noch völlig mit TrEvıranus überein. Die auf diese folgenden Arbeiten sind geringeren Umfangs und be- handeln nur die Anatomie einzelner Theile. So giebt Leynig (6) eine detaillirte Beschreibung des Nervensystems und der inneren Skeletplatte. Luspock (4) weist nach, dass das im Abdomen gelegene, bereits von Trevıranus bemerkte Z-förmige Organ der Hoden ist. Kronn (5) ver- öffentlicht ausführliche Untersuchungen über den männlichen Ge- schlechtsapparat und seine accessorischen Drüsen, auch erwähnt er das Vorkommen von Eiern auf dem Hoden. In einer zweiten Abhandlung erklärt er die seither für Augen gehaltenen, kleinen Organe an den Seitenrändern des Gephalothorax für Drüsen. Prarzau (12) behandelt in eingehender Weise die Anatomie und Physiologie des Verdauungs- apparates und der Marricar’schen Gefäße. | DE GraArF (13) und Loman (14) geben vorläufige Mittheilungen über den Bau der Geschlechtsorgane, letzterer weist das Vorhandensein von Receptacula seminis im Ovipositor nach. Branc (45) veröffentlicht, namentlich in Bezug auf die Keimdrüse, ausführliche Untersuchungen über die Anatomie und Physiologie des männlichen Geschlechtsappa- rates. Endlich behandelt Loman (14) in seinen Bijdrage den Verdauungs- trakt und die Geschlechtsorgane der Phalangiden und giebt schätzens- werthe Aufschlüsse über den Verlauf und die Struktur der Marpisnr'schen Gefäße. Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. ‚675 Darmkanal. Der Verdauungsapparat der Phalangiden setzt sich aus drei leicht unterscheidbaren Abschnitten zusammen : Einem vorderen, ziemlich engen Munddarm, einem centralen, sehr geräumigen Mitteldarm, in den eine große Anzahl Blindsäcke einmünden, und einem etwas kleineren Enddarm, der durch eine enge Röhre auf der Bauchseite des Thieres nach außen mündet. a) Munddarm. Prarzau unterscheidet an ihm drei Abschnitte: »Une sorte de pha- rynx, une portion oesophagienne proprement dite, relativement £troite, mais flexible au lieu d’avoir comme chez les Araneides des parois rigides, une partie terminale renfl&e, faisant songer a un jabot, mais trop peu volumineuse pour meriter ce nom.« Ihre Struktur beschreibt er folgender- maßen: »Les pareis transparentes comprennent une couche musculaire, une mernbrane propre, une couche £pitheliale, une cuticule interne.« Mit diesen Beobachtungen stimme ich vollständig überein. Die ziem- lich geräumige Mundhöhle, die fast durchgängig mit feinen Haaren aus- gekleidet ist, setzt sich bis an die Basis des von Turk als Labrum be- zeichneten Abschnittes fort, wo sie in einen engen, fast senkrecht aufsteigenden Kanal, den Pharynx, übergeht, der ungefähr in seiner Mitte eine leichte Einschnürung erkennen lässt. Die Guticula dieses Theiles zeigt sechs, von PrATEau »nervures longitudinales« genannte Ver- diekungen, die sich im Epipharynx zu dicken, dunkel pigmentirten Chitinplatten verbreitern, die nach dem Labrum zu schmäler werden (Phalang. pariet.). Diese Leisten tragen an ihrer äußeren Seite zahl- reiche, in Reihen angeordnete Erhebungen, an deren zerfaserte Aus- Jäufer sich die Erweiterungsmuskeln des Pharynx anheften, welche ihrerseits an dem, diesen ganzen Abschnitt kreisföormig umgebenden Chitinwall, einer Rückwärtsverlängerung des Epipharynx, inserirt sind (siehe Fig. 1). Die Kontraktion des Pharynx wird durch eine Lage kräftig quer- gestreifter Ringmuskeln bewirkt, die sich zwischen den oben erwähnten ‚äußeren Erhebungen der Längsleisten hindurchziehen. Auf diesen, das Kaugeschäft besorgenden Abschnitt folgt der zweite, seiner Länge nach größte Theil des Munddarms, der eigentliche Oeso- -phagus, der das centrale Nervensystem durchsetzt und mit einer leichten Anschwellung schließlich in den Mitteldarm übergeht. Er ist nur in seinem ersten Verlaufe mit einer Ringmuskelschicht bekleidet, die nach dem Gehirn zu immer schwächer wird und schließlich ganz verschwindet, 676 Richard Rössler, um durch eine dünne Längsmuskellage ersetzt zu werden. Sein Lumen, das fast stets konstant bleibt, auch: beim Passiren durch das Nerven- system, wird durch sechs Längsfalten, die aus einer glashellen Cuticula mit darunter liegender Zellenschicht bestehen, fast ganz ausgefüllt (siehe Fig. 2). Diese Falten, eine Fortsetzung der Leisten des Pharynx, er- reichen ihre stärkste Entwicklung in dem angeschwollenen Endabschnitt des Oesophagus, dessen Tunica propria sich nach außen auf sich selbst zurückschlägt und schließlich in die des Mitteldarms übergeht. Auf Schnitten entdeckte ich unterhalb des Oesophagus, vor seiner Durchbohrung des Nervensystems, einen größeren Komplex und zu seinen Seiten je einen kleineren von großen, runden Zellen mit deutlichem Kern und Spiralfaden, die ich für einzellige Drüsen halte. Sie würden den Speicheldrüsen, wie sie Leypis von den Insekten beschreibt, an die Seite zu stellen sein. Freilich muss ich den direkten Beweis dafür schuldig bleiben, da ich aus Mangel an frischem Material auf das Stu- dium ihres feineren Baues verzichten musste; ich behalte mir jedoch weitere Mittheilungen darüber vor. Als indirekter Beweis für das Vor- handensein von Speicheldrüsen kann die Thatsache gelten, dass man in der Mundhöhle und am Munde der Phalangiden oft große Tropfen einer wasserhellen, sauer reagirenden Flüssigkeit antrifft, die höchst wahr- scheinlich durch obige Drüsen secernirt sein dürfte. b) Mitteldarm. Der mittelste Abschnitt des Verdauungsapparates besteht aus einer ziemlich geräumigen, birnförmigen Tasche, die seitlich und oben von einer großen Zahl Blindsäcke bedeckt ist. Er ist in allen seinen Theilen mit einem Fettkörper bekleidet, der an der Unterseite des Mitteldarmes seine größte Stärke erreicht, auf den Blindsäcken aber am schwächsten entwickelt ist; außerdem ist seine Außenfläche von einem reich ver- zweigten Tracheennetze umsponnen. Die Blindsäcke münden durch fünf seitliche und eine vordere Öffnung jederseits (also im Ganzen durch zwölf) in den Centralkanal ein. Prarrav zählt nur sechs, Loman hingegen acht Öffnungen : auf Längsschnitten konnte ich jedoch deutlich die oben angegebene Zahl beobachten. Die Blindsäcke oder Coeca, die alle 30 die nämliche Struktur auf- weisen, entbehren vollständig einer umhüllenden Muskelschicht. Sie bestehen aus einer dünnen Fettlage, einer Tunica propria und einem Epithel, von dem Pıatzau folgende Beschreibung giebt: »G’est un &pi- thelium de la categorie des epitheliums cylindriques, compose de grosses cellules les unes cylindriques a proprement parler, les autres tout & fait en massues a pedicule &troit, avec tous les passages entre ces deux Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 677 etats; celles de ces cellules qui se detachent prenant imme&diatement la forme spherique. La membrane cellulaire est d’une delicatesse excessive et se rompt pour les moindres causes; j’ai assiste a la rupture spontanee des cellules repandant leur contenu de protoplasme et de granules. La cavite des coecums contient un liquide oü floitent de nombreuses cellules epitheliales detachees et une fine poussiere de gouttelettes grais- seuses et de granulations provenant de la rupture des cellules.« Zu denselben Resultaten haben auch meine Beobachtungen geführt, die außer an frischen Exemplaren auch an Schnitten angestellt wurden. Die jüngsten Zellen sind die niedrigsten und sitzen noch mit breiter Basis auf. Sie entbehren vollständig der Fetitropfen, sind jedoch bereits mit granulirtem Protoplasma versehen. Wachsen sie, so füllen sie sich mit Fettkugeln, nehmen cylindrisch-kolbenförmige Gestalt an und schnüren sich an der Basis ein; sie sind dann, vorzüglich an ihren Enden, voll- gepfropft mit Granulationen. Zellen ohne jedes gekörnelte Protoplasma konnte ich bei aus- gewachsenen Thieren nicht entdecken, eben so wenig die braunen, mas- sigen Konkretionen, die Prareau im Blindsackepithel bei einigen Indi- viduen konstatirt hat. Dieser Forscher begeht jedoch einen entschiedenen Irrthum, wenn er den Blindsäcken eine, auf dem Querschnitt sternförmig erscheinende Gestalt vindicirt, denn die Tunica propria derselben ist ohne die geringste Faltung. PrarEau hat sich durch das kolbenförmige Epithel täuschen lassen, das in manchen Coeca eine so bedeutende Höhe erreicht, dass es das Lumen derselben fast vollständig ausfüllt (siehe Fig. &). Der Mitteldarm, dessen Tunica propria von einem Fettkörper mit darunter liegender, doppelter Muskelschicht bedeckt wird, ist ebenfalls mit einem Cylinderepithel ausgekleidet, das Prarrau mit folgenden Worten beschreibt: »La surface interne de l’intestin moyen est velout&e, ‘ ordinairement blanche ou d’un blanc jaunätre; le microscope y montre un bel Epithelium de petites cellules cylindriques affectant quelque peu l’aspect de massues; elles sont reunis par touffes, sont fortement char- 'gees de globules incolores ou jaunätres d’une grande finesse, et con- ‚ tiennent un noyau clair decelable par l’acide acetique.« | Die Epithelzellen sind jedoch nicht alle von gleicher Größe, wie auch Loman bemerkt hat. Man beobachtet kleine mit dunkelkörnigem Proto- plasma und größere, sich etwas nach innen vorwölbende, mit kugelig zusammengeballten, gelbbraunen Konkretionen, die der Innenfläche des 678 Richard Rössler; Mitteldarmes das gesprenkelte Aussehen verleihen. Alle sitzen jedoch der Tunica propria mit breiter Basis auf. | Die Zellen des Mitteldarmes lösen sich auch auf, wie die der Blind- säcke, jedoch in viel geringerer Anzahl und, wie mir scheint, viel sel- tener. Sie schnüren sich jedoch nicht ab, sondern die Zellmembran zerreißt und entleert ihren Inhalt; darunter bemerkt man bereits wieder die junge Zelle mit ihrer Membran (siehe Fig. 6). Was die Formirung der Exkrementpatronen und ihre Umhüllung mit einer geschichteten Membran anbetrifft, so erfolgen diese bereits in dem letzten Abschnitt des Mitteldarmes, wovon ich mich auf Schnitten mit Bestimmtheit habe überzeugen können. Ich muss in dieser Hinsicht Prarzau beipflichten, entgegen der Meinung Loman’s, der dem Mitteldarm ‘eine derartige Funktion abspricht und sie dem Enddarm überweist. c) Enddarm. Der Enddarm ist ein ziemlich geräumiger, dünnwandiger Sack, der an Größe dem Mitteldarm wenig nachsteht. Unter dem sehr unbedeuten- den Fettkörper liegt eine kräftig entwickelte Muskelhülle, die aus kon- tinuirlichen Ringmuskelfasern und dieselben rechtwinkelig kreuzenden Längsmuskelfasern besteht. Letztere verlaufen entweder einzeln oder sind zu zweien oder dreien aggregirt, auch sind sie auf der Unterseite des Darmes etwas dichter angehäuft. Unter der Muskelhülle findet sich eine zarte Tunica propria, die auf ihrer Innenfläche mit einem klein- zelligen Cylinderepithel ausgestattet ist, das eine durchschnittliche Höhe von 0,13 mm erreicht. Diese Epithelzellen, deren Protoplasma sich als außerordentlich feinkörnig erweist, sind eben so zu Gruppen (touffes) vereinigt, wie die Zellen des Mitteldarmes, nur sind sie sehr eng an ein- ander gedrängt und in Folge dessen im frischen Zustand wenig deutlich. Der Enddarm steigt schief nach abwärts und liegt mit seinem vorderen Abschnitt über dem Mitteldarm, mit dem er durch einen ziemlich engen Kanal verbunden ist. Dieser Kanal wird dadurch gebildet, dass sich die Wandungen des Mittel- und Enddarmes in schräger Richtung nach innen einstülpen und sich gegenseitig so weit nähern, dass nur diese schmale, übrigens sehr dehnbare Öffnung übrig bleibt. Der Ausführungsgang des Enddarms, der rings von Bindegewebe umgeben ist, senkt sich erst lothrecht und dann in schräger Richtung nach abwärts und ist in seinem ‘oberen Abschnitt mit einer kräftigen Ringmuskulatur und darüber liegenden Längsfasern ausgestattet. Der andere Theil wird durch eine Einstülpung der äußeren Haut gebildet und weist in Folge dessen starke Chitinwandungen auf. Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 679 Malpighi’sche Gefäße. AufderRückenseite unserer Thiere finden sich zwischen den kleinen, vorderen Blindsäcken zu beiden Seiten der mittleren Herzkammer, zwei eine Schlinge bildende Röhren, die sich schließlich zwischen den seit- lichen Coeca verlieren. Sie waren von Trevıranus für Gallengefäße, von Tuık sogar für Speicheldrüsen angesehen worden, ohne dass es jedoch diesen beiden Forschern gelungen wäre, sie in ihrem ganzen Verlaufe frei zu legen und bis zu ihrer Ausmündunssstelle zu verfolgen. Prateau, der dieselben einer erneuten Untersuchung unterwarf, erklärte sie für Marrienrssche Gefäße, zumal sie seiner Meinung nach auf der Grenze zwischen Mittel- und Enddarm in den Verdauungsapparat einmünden, also einen analogen Verlauf nehmen sollten, wie die Sekretionsorgane der Insekten und Araneiden. Nun glückte es mir aber nie bei der Durchmusterung von Quer- schnitten in der Nähe des, von Pratsau als Ausmündunssstelle bezeich- neten Ortes, Durchschnitte durch die Marpienurschen Gefäße zu ent- decken, sondern erst weiter vorn bemerkte ich solche zu beiden Seiten des Honscn: und noch weiter nach dem Cephalothorax zu, zwischen den seitlichen Blindsäcken , eine größere Anzahl derselben dicht neben ein- ander, was auf eine Verknäuelung der Röhren schließen ließ. Diese Beobachtung bestimmte mich, den Verlauf der Marrıenrschen Gefäße einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, die mir denn schließ- lich auch die Überzeugung verschaffte, dass dieselben gar nicht in den Darmkanal einmünden, sondern in zwei auf der Bauchseite des Thieres gelegene häultige Säcke. Zu meiner Freude fand ich meine Beenden in der gegen Ende Oktober dieses Jahres veröffentlichten Arbeit von Loman (14), der eine ausführliche Beschreibung der Exkretionsorgane der Phalangiden giebt, vollständig bestätigt. Die Säcke liegen, wie bereits erwähnt, auf der Bauchseite unterhalb der seitlichen Blinddärme; an der Innenseite stets von dem Haupt- ‚ tracheenstamm begleitet, während sie außen von einem zelligen Organ bedeckt werden, auf das ich unten noch einmal zurückkommen werde. ‚ Die Säcke schmiegen sich innig an die sie umgebenden Organe an ‚ und zeigen in Folge dessen längsgefaltiete Wandungen (siehe Fig. 7 "und 8). Sie beginnen zwischen den vierten und dritten Hüftgliedern und , setzen sich vorn in einen Ausführungsgang fort von geringerem Durch- | messer, der stets von den nämlichen, bereits oben bezeichneten Organen ; begleitet, bis in die Nähe der Stinkdrüse im Gephalothorax zu verfolgen 680 ' Richard Rössler, war, wo er sich nach den Mundwerkzeugen herabsenkte, un: dort wahr- scheinlich nach außen zu münden. Im Bezug auf die Eruirung der Aus- mündungsstelle bin ich leider nicht viel glücklicher gewesen als Loman, der den Gang bis in die Nähe des centralen Nervensystems verfolgen konnte, wo er sich zwischen den vielen, dort zusammentreffenden Muskelfasern verlor. Was den feineren Bau der Marrienr'schen Gefäße und der Säcke anbetrifft, so stimme ich vollständig mit Loman überein, bis auf das Vorhandensein von Kernen in der Tunica propria, das mir fraglich er- scheint. Sollte er vielleicht die Kerne der randständigen Epithelzellen, die in Folge der Dünne der Zellenlagen allerdings schmal und langge- streckt erscheinen, als zur Tunica propria gehörig betrachtet haben? Die Marpicurschen Röhren, deren Durchmesser zwischen 0,06 und 0,17 mm schwankt, besteben aus einer ziemlich resistenten Membrana propria von 0,045 mm Dicke, die mit einer Schicht secernirender Zellen ausgekleidet ist, deren Höhe 0,016 mm beträgt. Es sind regelmäßig polyedrische Zellen, und zwar meist fünf- oder sechsseitig, von im Mittel 0,085 mm Größe, mit körnigem Protoplasma und ziemlich großen (0,015 bis 0,03 mm), grob granulirten Kernen. Diese Epithelzellen secerniren eine Flüssigkeit, die in den Röhren zu einer gelblichgrünen, körnigen Masse eintrocknet (auf Schnitten gut sichtbar). Die Säcke, die bei Phal. pariet. z. B. 3,6 mm lang sind, bei einer größten Breite von 4 mm, besitzen im Mlesmeinen dee Struktur wie die Röhren, nur ist die Tunica propria viel zarter und die Zellen- schicht dünner. Die Zellen messen nur 0,026—0,04 mm, ihre Kerne 0,009—0,014 mm. Sie sind zuweilen mit außerordentlich kleinen, länglichen Körperchen angefüllt, die im auffallenden Licht weiß er- scheinen und eine zitternde Bewegung zeigen. Einige Male fand ich im äußersten, kolbigen Ende des Sackes einen weißen, flockigen Inhalt, der sich bei näherer Untersuchung aus den oben erwähnten kleinen Körper- chen zusammengesetzt ergab. Dieselben müssen also auf irgend eine Weise aus dem Protoplasma der Epithelzellen, das sie zu erzeugen scheint, in das Lumen der Säcke gelangen. Loman fand letztere zu- weilen mit einer wässerigen Flüssigkeit angefüllt, die beim Eintrocknen an der Luft kleine Krystalle zurückließ. Die Präparation der Marrisurschen Säcke erfolgt am besten von der Bauchseite aus, und zwar entfernt man zuerst die untere Chitindecke des dritten und vierten Hüftgliedes und ihre Muskelbündel und legt den Haupttracheenstamm bloß, an dessen Außenseite sie sich hinziehen. Meist sind ihre Wandungen schlaff und liegen platt auf einander; zuweilen Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 681 trifft man sie jedoch auch mit einer Flüssigkeit angefüllt, so dass sie keulenförmige Gestalt annehmen und unschwer in die Augen fallen. Ihr histologischer Bau wird deutlich, wenn man dem Wasser, in welchem man sie untersucht, einige Tropfen von der Augenflüssigkeit des Frosches zusetzt. Die Zellkerne treten dann gut hervor und auch die Zellgrenzen sind, mit scharfen Konturen allerdings nur in den Kanälen, -wohl zu erkennen. Geschlechtsorgane. Die männlichen und die weiblichen Geschlechtsorgane lassen sich ihrer Anlage nach auf einen gemeinsamen Plan zurückführen, der namentlich bei sehr jungen Thieren noch deutlich hervortritt. Sie be- stehen aus einer unpaaren, keimbereitenden Drüse von halbkreisförmiger Gestalt, die frei in der Leibeshöhle liegt und nur von einem reich ver- zweigten Tracheennetz umsponnen ist. Sie wird auf der Oberseite von dem Verdauungstrakt, unten von Bindegewebe bedeckt und setzt sich mit ihren, nach vorn gebogenen Enden in einen paarigen Leitungsappa- rat fort, der sich jedoch zu einem unpaaren Stück vereinigt und schließ- lich in der Medianlinie des Bauches, bei beiden Geschlechtern an der Grenze zwischen Gephalothorax und Abdomen, nach außen mündet. Das Endstück dieses unpaaren Leitungsapparates steht mit einem Begattungsorgan in Verbindung, in dessen vorderen Abschnitt ein paar accessorischer Drüsenbüschel einmünden. Beim Männchen besteht das- selbe aus einem stabförmigen Penis, beim Weibchen aus einem cylin- drischen Ovipositor mit Vagina, die jederseits mit einer Samentasche ausgestattet ist. Sie werden durch zwei Nervenstämme versorgt, die aus der Brustganglienmasse entspringen, in deren Nähe sie zu zwei Ganglien anschwellen. Ein zweites Ganglienpaar versorgt die Keim- drüse und den Leitungsapparat. Die männlichen Organe setzen sich zusammen aus einem unpaaren Hoden mit doppelten Vasa efferentia, einem unpaaren Vas deferens mit Propulsionsorgan und dem Begattungsglied mit einem Drüsenpaar. Der Hoden ist ein einfaches, schlauchförmiges Gebilde von weißer ' Farbe, zuweilen mit Senussitiiern das, reichlich von Tracheen um- | | | l | | sponnen, frei in der Leibeshöhle Icen Seine Länge beträgt ungefähr 4 mm bei einer durchschnittlichen Breite von 0,4 mm; er ist auch zur Zeit der Geschlechtsreife nicht sonderlich neseinellen: Die erste Beschreibung seines histologischen Baues gab Kronn (5), während in neuerer Zeit Branc (15) ausführliche Untersuchungen dar- 682 | Richard Rössler, über veröffentlichte, denen ich Folgendes entlehne: Der Hoden wird von einer zarten Tunica propria bedeckt, die aus regelmäßig polygonalen Pflasterepithelzellen zusammengesetzt ist. Unmittelbar darunter liegt das Keimlager (&pithelium germinatif), das aus polygonalen, zu Gruppen vereinigten Epithelzellen (cellules de reserve ou cellules folliculaires) und dazwischenliegenden, kleineren, runden Zellen {cellules-meres ou spermatoblastes) besteht. Der Kern der Mutterzellen theilt sich bei der Entwicklung in 2, 4 etc. Theile, um die sich das Protoplasma gruppirt und so neue Zellen (cellules-filles) bildet, die zu 20 bis. 30 in ihrer ova- len Cyste eingeschlossen liegen. Ihre Kerne sind sehr groß und haben einen kleinen, glänzenden Nucleolus. Der Kerninhalt ballt sich nun zu- sammen und formt ein hufeisenförmiges Gebilde, das nach und nach in acht Theile zerbricht, um die sich nach Resorption der Kernmembran das Protoplasma der Tochterzelle gruppirt und neue Zellen bildet, die Branc cellules spermatiques nennt. Diese werden schließlich zu Spermatozoen und gelangen nach dem Bersten der Membran der Mutter- zelle in den Hoden und die Vasa efferentia. Die Spermatozoen sind nach Branc 0,003 mm große, Fi runde Zellen mit linsenförmigem Kern, lötren er jede eigene Bewegung abspricht. Ich glaube jedoch, ihnen eine (moleculare?) Bewegung vin- diciren zu müssen. Sie wird namentlich deutlich an Stellen, wo die Samenelemente nicht so dicht gedrängt liegen und sich gegenseitig an der Bewegung hindern. Sprengt man z. B. die Wandung des Vas defe- rens und lässt die Spermatozoen in die umgebende Untersuchungs- flüssigkeit heraustreten, so nimmt man deutlich eine zitternde Bewegung war. Es würde sich auch sonst schwer erklären lassen, wie sie ohne eine solche die ziemlich langen und stark geknäuelten Vasa efferentia, die eines jeden Muskelbelags entbehren, passiren könnten. Der Kern der Spermatozoen scheint mir mehr eine kahnförmige als eine biconvexe Gestalt zu besitzen. Was das Vorkommen von Eiern auf dem Testis betrifft, das Brane als einen hermaphroditisme rudimentaire bezeichnet, so glaube ich, in Übereinstimmung mit Loman, dasselbe eher für eine pathologische Er- scheinung erklären zu müssen. Von circa 60 Individuen aller Ent- wicklungsstadien, die ich darauf hin untersughte, fand ich nur bei zweien Eier auf dem Hoden, und zwar bei einem Phalangium parietinum und einem Opilio albescens. Dieses außerordentlich seltene Vorkommen ‘spricht doch sicher dafür, dass man es hier mit einer Abnormität und nicht mit einer hemispkseifischen Ausbildung der Keimdrüse zu thun hat. - Vasa efferentia. Die beiden Enden des Hodens nehmen plötzlich Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 633 an Durchmesser ab und setzen sich in zwei feine Kanäle, Vasa efferentia fort, die eine kurze Strecke geradeaus verlaufen, dann, den Haupt- tracheenstamm von außen nach innen umwindend, sich nach der Me- dianlinie des Körpers hinziehen, wo sie sich zu einem dichten Knäuel zusammenballen und sich schließlich zu dem unpaaren, ebenfalls noch geknäuelten Vas deferens vereinigen. Dieser Knäuel, der innig mit den accessorischen Drüsenbüscheln des Penis, so wie mit Tracheen und Bindegewebe verwebt ist, liegt auf der Oberseite des Penis an dessen vorderem Ende. Er ist es, der von älteren Forschern, wie TREVIRANUS, Turk, für den Hoden gehalten wurde. Was die histologische Struktur der Vasa efferentia anbetrifft, so be- stehen sie aus einer Tunica propria, die aus polygonalen Pflasterepithel- zellen! von 0,02—0,03 mm Größe zusammengesetzt ist, und einem darunter liegenden Cylinderepithelium. Die Zellen des letzteren sind im Knäuel etwas größer, als in der Nähe des Hodens und erscheinen als große Gebilde (0,026—0,055 mm) von fast runder Gestalt mit bläschen- förmigem Kern (0,007—0,018 mm), die durch gegenseitigen Druck etwas \ abgeplattet sind. Das Protoplasma erscheint leicht getrübt, aber nicht granulirt. Das Lumen der Vasa efferentia im Knäuel und des Vas deferens ist bei geschlechisreifen Thieren von einer großen Anzahl runder Zellen er- ‘ füllt, die den Samenelementen beigemischt sind und deren Größe zwi- schen 0,045 und 0,03 mm schwanki. Sie sind mit hellen, runden Tropfen angefüllt, die in den kleinen Zellen am größten, in den großen ‚ Zellen dagegen am zahlreichsten, aber kleinsten erscheinen. Ob und wie diese Zellen mit dem Gylinderepithel in Verbindung zu bringen ‚sind, wage ich nicht zu entscheiden. Wahrscheinlich dienen die in ihnen enthaltenen Tropfen, die nach dem Bersten der Zellmembran sich ‚ dem Sperma beimischen, als Ernährungsflüssigkeit desselben. | Die Vasa efferentia vereinigen sich, wie bereits bemerkt, zu einem | ‚Vas deferens, das aus dem Knäuel Heranileetenid: sich längs des Penis Einzieht und kurz vor dem Eintritt in denselben zu einem eigenthüm- - lichen, walzenförmigen Organ anschwillt, auf das ich unten noch einmal zurückkommen werde. Dieser letzte Theil des Vas deferens, der bei - Phalangium parietinum und Megabunus corniger etwas anschwillt, ist mit einer Ringmuskelschicht versehen, die nach dem obigen Organ zu ‚stärker wird und unmittelbar vor diesem auf eine Länge von 0,7 mm "von einer zweiten Muskelschicht unterlagert ist, die sich aus ungefähr Aaeuın Faserbündeln von 0,04 mm Stärke zusammensetzt und unmittel- ‚ar der Tunica propria aufliegt. | 1 ef. Branc, 1. c. 684 Richard Rössler, Propulsionsorgan. Das oben erwähnte, walzenförmige Gebilde, das bei den verschiedenen Species eine differente Gestalt und Größe zeigt, besteht aus einer dicken Muscularis, die von starken, kräftig quer- gestreiften Fasern gebildet wird, einer Tunica propria mit darunter liegendem Epithelium, das eine dicke Chitinschicht secernirt hat, und ist nichts als ein modificirter Abschnitt des Vas deferens. Die Tunica propria des letzteren erweitert sich beim Eintritt in dieses Organ spindelförmig und verengert ihr Lumen dann wieder, so dass es am vorderen Ende des Bulbus sein Minimum erreicht. Die Epi- thelschicht, die im Vas deferens eine Höhe! von 0,04 mm hatte, wird niedriger (0,03 mm) und zu einer chitinogenen. Ihre Zellen liegen außerordentlich dicht an einander gedrängt und sind nur 0,006 mm groß. Sie haben eine Chitinschicht von 0,045 mm Dicke secernirt, die ein Lumen von 0,023 mm einschließt, das also bedeutend geringer ist, als das des vorhergehenden Theiles des Vas deferens (mit 0,14 mm Weite). Die Chitinschicht füllt den, von der Tunica und dem Epithel beschriebenen, spindelförmigen Raum vollständig aus, ohne jedoch selbst einen solchen einzuschließen, denn ihre inneren Wandungen ver- laufen geradlinig. Nur bei Leiobunus findet sich eine becherförmige Auftreibung des Lumens, auch ist bei dieser Gattung die aan. Zellenlage vollständig rückgäbilden Bei seinem Austritt aus diesem walzenförmigen Organ wird das Vas deferens nur von einem sehr dünnen Kanal (0,005 mm) gebildet, der den Penis in seiner ganzen Länge durchsetzt und an der Spitze der Eichel, resp. des an ihr befindlichen Hakens, nach außen mündet. Dieser enge Kanal, der als Ductus ejaculatorius bezeichnet wird, ist mit einer Chitinschicht ausgekleidet, während die chitinogene Membran meist rückgebildet ist und nur noch in der Eichel als solche zu er- kennen ist, wo sie eine Stärke von 0,005 mm aufweist (Phal. pariet.). Was nun die physiologische Funktion des walzenförmigen Abschnit- tes des Vas deferens anbetrifft, so weist die Entwicklung seiner Muscu- laris doch sicher darauf hin, dass sie bestimmt ist, eine Masse fortzu- bewegen. Erwägt man ferner, dass das enge Lumen des Ductus ejaculatorius der Fortbewegung des Sperma ziemliche Hindernisse in den Weg legt, so wird man wohl nicht irren, wenn man diesen Apparat als einen Bulbus ejaculatorius, als Propulsionsorgan in Anspruch nimmt, der durch seine Kontraktion das Sperma durch den Ductus nach außen befördert. | | Der Penis, der von der Sternalplatte bedeckt, auf der. Bauchseite ‘ Die Maße sind von Phal. pariet. entnommen. Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 685 des Körpers liegt, besteht aus zwei Theilen, einem Peniskörper und einer beweglich damit verbundenen Eichel. Beide sind von fester, zäher Beschaffenheit und ziemlicher Widerstandsfähigkeit und bestehen aus Chitin. Der Peniskörper ist stabförmig, schwach nach aufwärts ge- bogen und am hinteren Ende verdickt. Nach vorn zu wird er jedoch schmäler und ist auf der oberen, meist abgeplatteten Seite zuweilen mit einer Rinne versehen, die nach vorn zu verläuft und in eine Firste übergeht (Phal. pariet.). Hinten findet sich auf der Oberseite ein run- der Ausschnitt in der Wandung, durch den das Vas deferens in den Penis eintritt. Merkwürdigerweise ist diese Öffnung bei den Leiobunus- arten der Bauchseite zugekehrt. Das vordere Ende des Peniskörpers ist gewöhnlich schwach ver- ‘ diekt und bei einigen Arten mit einem Plattenapparat ausgestattet, der jedoch auch fehlen kann (Megabunus corniger). Der Peniskörper ist von ‚ gelber Farbe und im Allgemeinen pigmentlos, nur bei Opilio albescens ist das vordere verdickte Ende sehr dunkel gefärbt. Die Chitinwandung desselben, die an der Basis am schwächsten ist, wird nach vorn zu all- mählich stärker und ist durchgängig von äußerst feinen Kanälchen durchbohrt, die senkrecht zur Wandung verlaufen. Von Abstand zu Abstand stößt man auf Kanäle mit weiterem Lumen, welche die Chitin- membran in schräger Richtung durchsetzen und mit deutlicher, runder Öffnung auf der Oberfläche derselben ausmünden. Sie scheinen mir als Poren zu funktioniren. Die chitinogene Matrix des Peniskörpers ist voll- ständig rückgebildet. Die Eichel ist ein seitlich komprimirtes, mit kolbiger Basis ver- sehenes Organ mit theilweise sehr starken Wandungen, das mit Hilfe ‚ eines Charniergelenkes dem Peniskörper beweglich eingefügt ist. Sie ist mit einem dunkel pigmentirten, ebenfalls beweglichen Haken ausge- ‚ stattet, an dessen Spitze der Ductus ejaculatorius, der Peniskörper und ‚ Eichel durchsetzt, nach außen mündet. Im Zustande der Ruhe ist die Eichel nach der Oberseite des Peniskörpers hin zurückgeschlagen. Sie kann jedoch vermittelst eines kräftigen, an der Basis und den Seiten- ‚rändern des ‚Penis inserirten Muskels aufgerichtet werden. Dieser Mus- 'kel verjüngt sich nach vorn zu und geht in eine starke Sehne über, die, auf der Bauchseite des Peniskörpers hinstreichend, vorn nach Kalten tritt und den Kopf der Eichel von oben Kann sie umfasst. Dass ‚sich Fasern. dieses Muskels an der Wandung des Ductus ejaculatorius ‚inseriren sollen, wie BLanc meint, kommt mir doch etwas unwahrschein- "lich vor. Ein wesentlich. anderer Bau und andere Verbindungsweise zwi- schen Penis und Eichel findet sich bei dem Genus Leiobunus. Hier 686 | Richard Rössler, erscheint die Eichel als einfache Verlängerung des Peniskörpers, die an der Basis nur schwach verdickt ist, so dass sie die Gestalt eines Lanzen- eisens annimmt (Leiob. rot.), oder sie ist schwach nach der Bauchseite geschwungen (Leiob. longipes). Ein eigentliches Charniergelenk fehlt, jedoch sind die Wandungen auf der, der Insertion der Sehne entgegen- gesetzten Seite nicht kontinuirlich, sondern zeigen eine leichte Ein- knickung. Auf jeden Fall gestattet diese Art der Verbindung der Eichel nur sehr unbedeutende Exkursionen. Auch fehlt bei den Leiobunusarten der bewegliche, dunkel pigmentirte Haken; hier zieht sich die Eichel in eine einfache Spitze aus. Die Wandungen der Eichel weisen dieselben schief verlaufenden Kanälchen auf, wie die des Peniskörpers, nur stehen dieselben mehr in regelmäßiger Anordnung und auch dichter bei einander. In der Nähe der Eichelspitze finden sich jederseits zwei farblose Borsten mit breiter Tuberkel, die nach Loman beim Coitus ein zu weites Eindringen des Penis in den weiblichen Apparat verhindern sollen. In seltenen Fällen sind die Platten, die bei Phal. pariet. z. B. den vorderen Theil des Peniskörpers bedecken, auf die Eichel translocirt, wie bei Opilio albescens (Fig. 9). Auf dem Penis der Leiobunusarten befindet sich ein eigenthümlicher Apparat, der sich von der Mitte desselben bis zur Eichel hin erstreckt. Er besteht aus zwei in der Medianlinie auf der Unterseite des Penis zu- sammenstoßenden Taschen, deren Wände aus Chitin bestehen. Diese Wandungen sind auf der Rückenseite des Penis mit diesem in Verbin- dung, beschreiben, allmählich schwächer werdend, einen Bogen nach der Bauchseite hin, wo sie sich in mehrere Längsfalten legen und schließ- lich in sich selbst zurücklaufen (siehe Querschnitte Fig. 10 und A). Diese Taschen sind in den meisten Fällen mit gelblichen Konkretionen gefüllt, die das Licht ziemlich stark brechen (in konservirtem Zustand). Branc, der diesen eigenthümlichen Apparat auch gesehen hat, hält ihn für eine accessorische Drüse des Penis und schreibt seinem Inhalt eine eiweißartige Konstitution zu. Ich kann mich jedoch mit dieser Ansicht Branc’s nicht befreunden, da meiner Meinung nach zum Nachweis einer Drüse noch mehr gehört, als die. bloße Anwesenheit einer eiweißartigen Masse innerhalb einer Chitinmembran, und ich auch auf Schnitten nie die Spur eines Epithels entdecken konnte. | Ich betrachte diese Taschen einfach als Reservoir für das Sekret der accessorischen Penisdrüsen, auf die ich unten noch einmal zurückkommen _ werde, und diegerade bei Leiobunus außerordentlich stark entwickelt sind. Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 687 Zum Zwecke der Befestigung und zum Schutze ist das männliche Kopulationsorgan von einer doppelten Scheide umhüllt. Die innere Penisscheide besteht aus einer lederartigen Chitinmembran, die mit der Basis des Peniskörpers so verwachsen ist, dass man sie als eine, auf sich selbst zurückgeschlagene Fortsetzung desselben betrachten kann. Sie wird im Allgemeinen seitlich von zwei Chitinstäben gestützt, die am hinteren Ende des Penis ihren Ursprung nehmen, nach vorn zu stärker, sodann jedoch wieder schwächer werden und sich schließlich hakenartig nach außen umbiegen, um sich an den Seitenrändern der Sternalplatte zu inseriren. Zwischen diesen beiden Chitinstäben spannt sich nun auf der Ober- und Unterseite des Penis eine Membran von wechselnder Stärke aus, die dem Penis zuweilen glatt anliegt, meist jedoch in die komplicirtesten und mannigfachsten Längsfalten gelegt ist, die sich für die Beschreibung mit Worten nicht eignen, in deren Bau jedoch die beigefügten Zeich- nungen von Querschnitten einen deutlichen Einblick gewähren. Auf der Unterseite ist diese Membran mit dem vorderen Rand der Sternalplatte verschmolzen, oben endet sie mit einem freien Rand, über den die Eichel in der Ruhelage zurückgeschlagen ist. Die Form und Zahl der oben erwähnten Chitinstäbe erleidet bei den verschiedenen Species bedeutende Veränderungen. Bei Megabunus corniger sind sie am stärksten entwickelt und zwar haben sie hier eine ' rinnenförmige Gestalt. Bei Opilio albescens erscheinen sie ziemlich schwach, liegen jedoch noch zu Seiten des Penis, während sie bei Leio- bunus rotundus unter denselben hinabrücken und sich auch hinsichtlich ihrer Stärke wenig von der Chitinmembran selbst unterscheiden. Bei ' Phalangium parietinum sind sie plattenförmig und in der Dreizahl vor- ‚ handen; die dritte Platte, die den Penis von oben bedeckt, verläuft ‚ jedoch nach vorn. Textur der Membran siehe Fig. 17. | Diese innere Chitinhülle wird von einer zweiten, äußeren Scheide bedeckt, die von allen bisherigen Beobachtern übersehen worden ist. Sie zeigt im Wesentlichen dieselben Konturen, wie erstere, nur sind ‚ dieselben einfacher und weniger mannigfaltig. Sie besteht aus Binde- '' gewebe und ist unten mit der Basis des Penis verschmolzen, vorn endet sie eben so wie die darunter liegende Chitinhülle, nur wird sie außer- dem durch zwei seitliche Muskelbündel festgehalten, die sich an den 1 | Seitenrändern der Sternalplatte inseriren. Vielleicht ist sie die rück- ‚gebildete chitinogene Membran der darunter liegenden Chitinschicht. I Eine dritte, wenigstens theilweise Umhüllung des Penis, die jedoch nicht mehr als Scheide in Anspruch zu nehmen ist, wird durch eine ‚Muskelschicht hervorgebracht, die sich aus zalilesichön: kräftig quer- Zeitschrift f wissensch. Zoologie. XXXVI. Bd. 46 688 Richard Rössler, gestreiften Längsmuskelfasern zusammensetzt. Dieselben inseriren sich an der Basis des Penis an den Chitinstäben der inneren Scheide und bestehen gewissermaßen aus zwei Rinnen, die sich von den Seiten her | um den Penis herumliegen und in der Medianlinie zusammenstoßen. Nachdem diese Fasern auf der hinteren Hälfte des Penis geradeaus ver- laufen sind, divergiren sie plötzlich nach außen und vereinigen sich zu zwei separaten Muskeln, die sich an den Seiten der Sternalplatte dicht hinter den Befestigungsmuskeln der äußeren Penisscheide inseriren. Einige wenige Faserbündel divergiren jedoch nicht mit, sondern laufen geradeaus und fixiren sich in der Nähe der oben erwähnten Chitinhaken. Diese Muskeln sind bereits von BrLanc und mit Recht als Protraktoren in Anspruch genommen worden. | Wenn man bedenkt, dass die Chitinstäbe in der Penisscheide dem | Umstülpen derselben, das doch bei der Expulsion des Penis nothwendiger- weise erfolgen muss, ein bedeutendes Hindernis entgegensetzen, und wenn man weiter erwägt, dass die Kontraktion der schwachen Haut- muskulatur, die eine Verengerung der Leibeshöhle und so einen von hinten nach vorn auf den Penis wirkenden Druck herbeiführt, kaum im ! Stande ist, den vorliegenden Widerstand zu überwinden, so hat es | sicher seine Berechtigung, wenn die obigen Muskeln als Protraktoren ! bezeichnet werden. | Eine etwas andere Befestigung, als die eben beschriebene, weisen ' die Protraktoren bei Leiobunus auf; hier inseriren sich dieselben an einer nach innen eingeschlagenen Falte der inneren Chitinscheide (siehe Fig. 12). Von Bıanc ist diese Falte, die allerdings von oben gesehen, wie ein S-förmig geschwungener Stab erscheint, als allgemein vorhan- den hingestellt worden. Sie kommt jedoch nur den Leiobunusarten zu und fehlt z. B. bei Phalangium parietinum vollständig. i Die Fasern der Protraktormuskeln stehen in Verbindung mit denen | | der Retraktoren, die sich, wie bekannt, am vorletzten Abdominalsegment | inseriren. Was die Kopulation, die ich übrigens oft gesehen habe, und die dadurch bedingte Lagenveränderung der Begattungsorgane und Scheiden betrifft, so kann ich dieselbe füglich übergehen, da sie bereits oft be- N schrieben worden ist. | Die accessorischen Drüsen, die in den vorderen Abschnitt der Penis- I" scheide einmünden und von deren Bau-Kronn (5) eine genaue Beschrei- bung geliefert hat, zeigen bei den einzelnen, von mir untersuchten Arten | dieselbe Struktur; nur hei Leiobunus konnte ich, auch im Hauptgang, keinen Spiralfaden entdecken. Vom Centralgang zweigen sich hier außerordentlich zahlreiche Nebenkanälchen in die Zellenschicht ab, die Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 689 ihrerseits selten und dann nur sehr kurze Ausläufer entsenden. Ich halte diese Drüsen für Schmierdrüsen, deren Sekret die den Penis um- hüllende Chitinscheide und ihre Stäbe geschmeidig zu erhalten hat, "damit dieselben der Umstülpung bei der Kopulation nicht zu großen Widerstand entgegenstellen. Systematisches. Unter dieser Rubrik werde ich eine kurze Beschreibung des Penis, der Eichel und des Propulsionsorgans geben, da dieselben zum Theil gute Anhaltepunkte für die Determination liefern. a) Phalangium parietinum de Geer. Penis schwach aufwärts gebogen, Oberseite eingedrückt bis flach konkav. Die Platten an der Spitze des Peniskörpers sind sehr stark kon- kav und mit den nach oben gebogenen Seitenrändern desselben ver- wachsen (siehe Querschnitt Fig. 18). Länge des Penis —4,5 mm. Eichel an der Spitze seitlich komprimirt. Die Sehne theilt sich bei der Insertion in zwei Äste. Länge 0,55 mm. Propulsionsorgan Wazenforigi nach dem Penis zu schwach anschwellend. Länge 1,2 mm. | b) Megabunus corniger Meade. Penis flaschenförmig, hinten kolbig angeschwollen, jedoch schnell an Durchmesser abnehmend. Ohne Ausschnitt an der Basis. Spitze des Peniskörpers ohne Platten (Querschnitt siehe Fig. 13). Länge des Penis 3 mm. Eichel lang und schmal, Oberseite schwach konkav, untere kon- vex; Haken halb so lang als die Eichel. Länge 0,55 mm. Propulsionsorgan wurstförmig ohne zugespitzte Enden, nach dem Penis zu etwas schwächer. Länge I mm, größte Breite 0,3 mm. c) Opilio albescens Koch. Scheint eine Varietät von Phalangium urnigerum Meade zu sein. Penis drehrund, nach vorn sich abplattend (eirund). Basis m:it doppeltem Ausschnitt. Vorderes Ende des Peniskör BD verdickt und dunkel pigmentirt. Länge 3,7—4 mm. Eichel oben plan, Unterseite schwach konkav, nach der Spitze zu nur wenig an Höhe abnehmend. Mit zwei Chitinbacken ausgestattet, die sich an der Rückenseite der Eichel inseriren, über die Seitenflächen Jer- selben herumschlagen und noch über sie hinausragen. Sie sind durch eine Anzahl in einem Punkte zusammenlaufender Chitinstäbe gestei® (siehe Fig. 9). Länge der Eichel 0,58 mm. 46* 690 Richard Rössler, Propulsionsorgan nach dem Penis zu sich verjüngend. Die kugelige Auftreibung der Chitinschicht außen zerfasert. Länge 1,4 mm, größte Breite 0,65 mm. Penisscheiden sehr einfach gebaut, platt auf einander liegend (Fig. 16). d) Leiobunus rotundus Latr. . Penis speerförmig, von oben und unten zusammengedrückt, mit geradlinig verlaufenden Seitenrändern. Ausschnitt der Basis dem Bauche zugekehrt. Länge 3,3 mm incl. Eichel. Eichel geradlinige Fortsetzung des Penis, ähnlich dem Eisen einer Lanze, zieht sich in eine einfache Spitze aus, also ohne Haken. Propulsionsorgan außerordentlich lang gestreckt, nach dem Penis zu sich verjüngend. Länge 2 mm. e) Leiobunus longipes. Von Kocn Phalangium longipes genannt. Penis schwach gebogen mit flachem Ausschnitt an der Basis, der dem Bauche zugekehrt ist. Länge des Penis mit Eichel 4 mm. Eichel mit mehrmals geschwungenen Konturen, schwach nach abwärts gebogen, zieht sich in eine geradeaus verlaufende Spitze aus. Länge 0,75 mm. Propulsionsorgan langgestreckt wie bei Leiob. rot., jedoch dicker. Länge 2 mm. f)l Gerastoma cornutum Koch. Penis sehr kräftig, hinten kolbig verdickt, schwach gebogen. Das vordere Drittel bedeutend dünner, die Wandung erleidet dort auf der Oberseite eine plötzliche Einbiegung. Länge 4,5 mm. Eichel. Oberseite plan, untere sehr stark konvex mit dicken Wan- dungen. Länge 0,75 mm, größte Breite 0,24 mm. Propulsionsorgan dünn walzenförmig, nach dem Penis zu sich verjüngend. Länge 1,6 mm. Die weiblichen Organe nehmen dieselbe Lage im Körper des Thieres ein, wie die männlichen. Sie bestehen aus einem Ovarium mit paarigen Ovidukien, einem un- paaren Uterus mit Scheide, deren Endabschnitt mit einer als Ovipositor fungirenden Chitinhülle umgeben und mit paarigen Samentaschen und zwei accessorischen Drüsenbüscheln ausgerüstet ist. Das Ovarium, von hufeisenförmiger Gestalt, liegt auf der Unterseite des Leibes, frei im Abdomen. Es wird oben von der Verdauungskavität, Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 691 auf der Unterseite von Bindegewebe bedeckt und den Retraktoren des Ovipositor überbrückt. Im unausgebildeten Zustande ist es eine zarte, weiße, reich von Tracheen umsponnene Röhre, deren Wandung von einer strukturlosen Membrana propria gebildet wird, welche innen mit einem Epithelium ausgekleidet ist. Die Zellen desselben sind scharf konturirt und zeigen je nach ihrer Entwicklung verschiedene Größe; die kleinsten, die ich maß, waren 0,016 mm groß mit einem Kern von 0,005 mm. Einen Muskelbelag von Quer- und Längsmuskelfasern, wie ihn Loman auf der Tunica propria sehr junger Thiere beobachtet hat, habe ich nicht entdecken können. Eben so wenig konnte ich eine zweite, dem Keimepithel ähnliche, aber von ihm verschiedene Zellenlage zwischen letzterem und der Tunica propria auffinden. Im reifen Zustande, bei ausgebildeten Thieren, erscheint das Ova- rium mit einer beträchtlichen Anzahl Follikel besetzt, große und kleine bunt durch einander. Diese Follikel, die als Ausstülpungen der Tunica propria zu betrachten sind, enthalten alle ein mehr oder weniger ent- wickeltes Ei. Die größten derselben finden sich an den Seitenrändern des Ovariums, wesshalb dasselbe auch ein abgeplattet bandartiges Aus- sehen erhält. Ich maß bei einem ausgewachsenen Phalangium parieti- num einen Eierstock von 42 mm Länge, bei einer durchschnittlichen Breite von 0,75 mm. Die Eier gelangen noch ziemlich klein in den Uterus, wo sie ihre Ausbildung und definitive Größe erreichen. Die Entwicklung derselben erfolgt aus den Epithelzellen, die dem- nach als Eizellen zu betrachten sind, und hängt innig mit der Bildung der Foilikel zusammen. Den genetischen Zusammenhang zwischen dem in dem Follikel enthaltenen Eikeim und der ursprünglichen Epithel- zelle habe ich leider nicht aufklären können; jedoch scheint mir der Eintritt in den Follikel ziemlich spät zu erfolgen, nachdem die Entwick- lung der Epithelzelle bereits weit vorgeschritten ist, denn selbst in den kleinsten follikulären Ausstülpungen war ein deutliches Keimbläschen mit Kernkörperchen zu erkennen. Das Bläschen ist von einer eiweiß- artigen Substanz umgeben, die an der Peripherie desselben körnig ge- trübt erscheint. Bei Opilio albescens enthielt fast jedes Ei, bereits in einem frühen Stadium der Entwicklung, mehrere Keimflecke und zwar bis acht, von denen zwei oder drei sich durch besondere Größe auszeichneten. Der Follikel sammt Inhalt wächst nun und nimmt oblonge Gestalt an, bis auch schließlich die Bildung einer Eihaut, wie mir scheint, von 692 Richard Rössler, außen her, erfolgt. Bei den am weitesten entwickelten Eiern tritt das Keimbläschen sehr zurück, um so mehr hebt sich aber der mit stark lichtbrechendem Inhalt erfüllte Keimfleck hervor. Einen Dotterkern konnte ich, eben so wenig wie Loman, weder in ‘den Eiern des Ovariums, noch in denen des Testis entdecken. Über die Art und Weise wie die reifen Eier aus dem Follikel in das Lumen des Ovariums und den Ovidukt gelangen, wage ich mir. kein Urtheil zu fällen. Für die Phalangiden scheint mir jedoch die Ansicht Leuckarr's, nach der die reifen Eier durch Kontraktion der Follikelwandungen all- mählich in das Lumen des Ovariums gedrückt werden, vor der von Carus den Vorzug zu verdienen, da das Ovarium einer zweiten Hülle entbehrt. Ein einziges Mal beobachtete ich ein Ovarium von Opilio albescens, das von einer zweiten, mit sich rechtwinklig kreuzenden Muskelfasern ausgestatteten Membran umhüllt war, jedoch stand die- selbe nicht in direktem Zusammenhang mit den Ovidukten. Das Ovarium setzt sich nicht unmittelbar in die Eileiter fort, son- dern entsendet jederseits zwei Röhren von geringerem Querschnitt, welche noch ganz denselben Bau zeigen, wie das Ovarium, meist jedoch der Besetzung mit Eiern entbehren. Sie zeigen den nämlichen Verlauf, wie die Ausführungsgänge des Hodens, setzen sich also eine Strecke lang in gerader Richtung fort, steigen dann schief nach aufwärts, den Haupt- tracheenstamm von außen nach innen umwindend, und ziehen sich schließlich nach der Medianlinie des Körpers hin, wo sie sich zu einem unpaaren Kanal vereinigen, dessen erster Abschnitt als Uterus aus- gebildet ist. Re Noch von Turk wurde das Ovarium als ein kreisförmiges, in sich selbst zurücklaufendes Organ beschrieben, aus dessen vorderem Theile der Uterus als doppelter Sack entspränge. Die mikroskopische Unter- suchung des Ringes lehrt jedoch sehr bald, dass das Ovarıum nur die hintere Hälfte desselben einnimmt, während der vordere aus den oben beschriebenen Röhren besteht, die also bereits als Ausführungsgänge zu betrachten sind. | Ungefähr in der Mitte derselben tritt eine, nach den Ovidukten zu immer stärker werdende Ringmuskelschicht auf, die aus sehr feinen, sich öfters kreuzenden Fasern (0,006 mm Durchmesser) zusammengesetzt ist. Diese Fasern erreichen auf den eigentlichen Ovidukten, also dem Theil des Ringes, der zwischen den Haupttracheenstämmen und dem Uterus liegt, ihre Hauptentwicklung und größte Stärke (0,021—0,03 mm Durch- messer). Sie bedecken hier eine Längsfaserschicht, die der Tunica pro- pria der Ovidukte unmittelbar aufliegt. Letztere ist mit einem sehr hohen Cylinderepithel (0,7—0,9 mm) ausgekleidet. Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 693 Während die Eier im Ovarıum nur mit einer dünnen Dotterhaut ausgestattet sind, besitzen sie im Uterus bereits eine zweite Hülle, ein Chorion, das, wie auch Loman hervorhebt, von den Epithelzellen des Oviduktes abgeschieden wird. Der Uterus, bei unausgebildeten Weibchen nur als eine leichte Auftreibung des Oviduktes bemerkbar, ist zur Zeit der Turgescenz mit Eiern vollgepfropft und in Folge dessen mächtig angeschwollen, so dass die Leibeshöhle, welche vermöge der in der Bauchhaut angebrachten Falten einer großen Erweiterung fähig ist, eine beträchtliche Vergrößerung ihres Volumens erfährt. Der Druck auf die umliegenden Organe ist dann so groß, dass z.B. der Verdauungsapparat auf ein Minimum von Raum reducirt wird. Der Uterus ist mit einer kräftigen Ringmuskelschicht und darunter liegenden Längsfasern ausgestattet und an seiner Innenfläche mit einem Epitbel versehen, das die nämlichen Zellen producirt, wie ich sie bereits oben aus dem Vas deferens beschrieben habe. Die Vagina, ein langer Kanal mit kräftig muskulösen Wandungen, verbindet den Uterus mit der Geschlechtsöffnung und ist an seinem Endabschnitt mit einem System von Chitinringen umgeben, das als Ovi- positor funktionirt. Die Muskularis dieser Scheide, die sich aus feinen Ringmuskelfasern und darunter liegenden, einzelnen Längsfasern zusammensetzt, umhüllt in einer Dicke von 0,4 mm eine Tunica propria von 0,007 mm Durch- messer, die mit einem Epithelium ausgekleidet ist. Die Zellen des letz- teren, das mehr den Eindruck eines Platten- als den eines Gylinder- epithels macht, messen zwischen 0,009 und 0,017 mm. Der Ovipositor liegt im Ruhezustande, in seinen Scheiden ein- geschlossen, in der Medianlinie auf der Unterseite des Körpers und wird von der Sternalplatte bedeckt, durch deren Wandung er bei manchen Arten in Folge seiner dunklen Pigmentirung hindurchschimmert. Er erscheint auf Querschnitten flach eirund und setzt sich aus einem System von Chitinringen zusammen, die durch Einstülpung aus einer ursprünglich planen Chitinhülle hervorgegangen sind, welche der Ovipositor sehr junger Thiere noch deutlich zeigt. Die einzelnen Ringe stecken wie die Röhren eines Fernrohres in einander und sind durch dünnere, nach innen eingeschlagene Chitinstreifen verbunden. Jeder Ring ist mit einer Reihe langer Borsten ausgerüstet, die nach der Basis des Ovipositors zu, welche sehr undeutlich segmentirt erscheint, an Größe und Zahl abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Die Chitinsegmente sind bei den meisten Arten, außer bei Megab. corniger und Leiob. rotundus, dunkel pigmentirt, während die Verbindungsstreifen 694 Richard Rössler, derselben farblos erscheinen. Vorn endet der Ovipositor mit zwei Klappen, die wie die Backen einer Zange gegen einander beweglich sind. Jede derselben setzt sich aus drei Gliedern zusammen und trägt an ihrem vorderen Ende an der Außenseite ein als Bürste beschriebenes Organ, das beim Eierlegen als Tastapparat fungirt und mit den Nerven, die den Ovipositor versorgen, in Verbindung steht. Loman erwähnt darüber Folgendes: »Binnen in den leghoor laten zich deze zenuwdraden licht vervol- gen tot in de Kleppen, waar zij eene kleine cellige aanzwelling vormen, die aan ieder borstelhaar eene fijne zenuw afgeeft. Ook het gadeslaan van een levend dier bij het eierleggen brengt ons tot de overtuiging, dat te top van den legboor werkelijk als tastorgan wordt gebruikt.« Innen sind die Chitinringe mit einer kräftigen, aus parallel ver- laufenden Längsfasern sich zusammensetzenden Muskellage ausgekleidet, die sich von der Basis des Ovipositors bis ins erste Furcalglied erstreckt. Die beiden letzten Gabelglieder entbehren der Muskeln und sind von einer großblasigen Bindegewebsmasse erfüllt. Unter dieser Muskelhülle liegt die Vagina, die noch den nämlichen, bereits beschriebenen Bau zeigt und sich bis zur Basis der Furca fort- setzt. Hier bildet sie eine Art Vulva, die aus vier länglichen, konvex nach innen gewölbten und in eine Spitze auslaufenden Klappen besteht, die von der Basis des letzten Ovipositorgliedes bis an das Ende des ersten Furcalgliedes sich erstrecken. Dieselben setzen sich aus zwei Schichten zusammen, einer inneren, glashellen und ziemlich widerstands- fähigen Membran, der eine zweite Schicht innig angelagert ist (Matrix derselben ?). Diese Auskleidung des vorderen Vaginaabschnittes verhindert bei der Kopulation eine Verletzung desselben durch den spitzen und steifen Haken der männlichen Eichel. Zu beiden Seiten münden in die Vulva die, bei den verschiedenen Species so different gestalteten und brauchbare Artunterschiede ab- werfenden Receptacula seminis ein, und zwar gewöhnlich an der Basis des ersten Furcalgliedes. Bei Megabunus corniger, wo die Samentaschen eine, im Verhältnis zu denen anderer Arten enorme Länge erreichen (0,5 mm), enden sie bereits an der Basis des letzten Basalgliedes (ich nenne Basalglieder die Ringe des Ovipositor im Gegensatz zu den Fur- calgliedern). Bei den Leiobunusarten, die in so vielen Beziehungen von Phalangium abweichen, liegen die Klappen der Vulva sowohl, wie die Receptacula seminis viel tiefer im Ovipositor. Sie reichen nur bis an das letzte Basale, wo auch die Samentaschen ausmünden. Aus diesem Grunde ist Leiobunus auch mit einer schmalen, eine gerade Fortsetzung Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 695 des Peniskörpers bildenden Eichel versehen, die ein tieferes Eindringen des Penis in das weibliche Organ gestattet. Die Vulva ist außer der Längsmuskulatur, die sich bis auf die Klappen fortsetzt, auch noch mit einem, von keinem meiner Vorgänger beobachteten Ringmuskel ausgestattet, der auch die, der Ausmündungs- stelle zunächst gelegenen Abschnitte der Samentaschen umfasst. Auf die physiologische Funktion dieses Muskels werde ich weiter unten, bei Besprechung der die Eibefruchtung begleitenden Vorgänge zurückkommen. Der Ovipositor ist, wie der Penis, von zwei Scheiden umschlossen, die bei allen Arten wesentlich denselben Bau aufweisen. Die innere Scheide besteht aus einer bindegewebigen (?), struk- turlosen Membran, die in außerordentlich viele und äußerst feine Quer- fältchen (d. h. Falten parallel der Querachse des Ovipositor) und in eine geringere Anzahl größerer Längsfalten gelegt ist. Die Membran ist farb- los und mit vielen Querreihen kleiner Dörnchen besetzt. Dieselben stehen in regelmäßigen Abständen sowohl in seitlicher, als in Längs- richtung und zwar so, dass die der hinteren Reihe auf die Mitte des Intervalls zwischen den Dörnchen der Vorderreihe eingerichtet sind. In Folge dieser Anordnung fallen die Dörnchen der ihrer Zahl nach gera- den und die der ungeraden Reihen in eine Linie, parallel der Längs- achse des Ovipositor. Sie sind auf eigenthümliche Weise an der Bindegewebsmembran befestigt. Ihre Basis setzt sich nämlich nach beiden Seiten und nach vorn in geschwungene Anhänge fort, deren Enden auf der Membran fixirt sind. Im Zustande der Ruhe sind diese dreizackigen Klammern kontrahirt und die Membran desshalb in Längs- und Querfalten gelegt, und zwar entspricht die Zahl der Querfalten der Anzahl der Dörnchen- reihen, welche die Scheide aufweist, und die der Längsfalten der An- zahl der Dörnchen, welche auf einer Querreihe angebracht sind. In der Ruhelage nimmt desshalb stets ein Dörnchen den Gipfelpunkt einer jeden Falte ein, auch rücken dieselben in Folge der Kontraktion von vorn nach hinten nahe auf einander und dann fallen, wie bereits erwähnt, die Dörnchen der alternirenden Querreihen in eine gerade Linie. Die Membran erscheint dann wegen der vielen Falten und der dichten Lage der Dörnchen sehr dunkel, wird sie aber ausgedehnt, so erweist sie sich farblos. Ihre Textur bedingt auch ihre immense Dehnbarkeit, die ein Ausziehen auf mehr als ihre doppelte Länge ermöglicht. Hört jedoch die Spannung auf, so kehrt die Scheide plötzlich in ihre alte Lage zurück. Im Zustande der Ruhe sind die Dörnchen nach innen und vorn 696 Richard Rössler, gerichtet, bei der Propulsion natürlich nach der entgegengesetzten Seite und Richtung. Die Scheide ist eine unmittelbare Fortsetzung der Chi- tinringe des Ovipositor und nach außen auf diesen zurückgeschlagen, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man den Övipositor mit der Pincette aus der Geschlechtsöffnung herauszieht und so eine künst- liche Umstülpung bewirkt. Der vordere Theil der Scheide entbehrt der Dörnchen, die fast in einer geraden Linie abschneiden, und ist mit seinen Rändern mit der Unterlippe und dem vorderen Rande der Sternal- platte verwachsen. Seitlich setzt sie sich vorn in je eine Sehne fort, an welche sich ein Bündel kräftig quergestreifter Muskeln inserirt, das am Integument des ersten Abdominalsegmentes festgehelfiet ist. Die zweite, äußere Scheide ist muskulöser Natur und besteht aus zwei Schichten, einer unteren von Bindegewebe und einer oberen, die sich aus Längsmuskelfasern zusammensetzt. Der unteren Schicht, die im Mittel eine Stärke von 0,022 mm aufweist, sind parallel verlaufende, sehr feine Muskelfasern eingelagert, welche die Längsfasern des oberen Stratums senkrecht kreuzen. Sie sind jedoch nicht zu parallelen Faser- bündeln aggregirt, sondern bilden eine kontinuirliche Lage. Die Längsmuskelfasern der äußeren Schicht sind alle unter einander und auch mit der Längsachse des Ovipositor gleichlaufend, auch stehen sie mit der die Ghitinringe auskleidenden Längsmuskulatur in unmittel- barer Verbindung. In der Nähe des vorderen Endes des Ovipositor divergiren dies. Muskelfasern nach außen und vereinigen sich zu den Protraktoren, die an den Seitenrändern der Sternalplatte, unmittelbar hinter dem An- heftungspunkt des Muskels der inneren Scheide inserirt sind. Vorn sind die Enden der äußeren Scheide ebenfalls mit der Unter- lippe und dem Rande der Sternalplatte verwachsen, während sie sich hinten nach innen auf sich selbst zurückschlagen und mit der Basis des Ovipositors in Verbindung stehen. Eben daselbst inseriren sich auch die Retraktoren der Legeröhre, deren Fasern theilweise mit denen der Protraktoren verschmolzen sind. Die Protraktoren sind bei den verschiedenen Species von verschie- dener Stärke; bei Phal. pariet. und bei Megab. corniger z. B. ziemlich schwach, bei Leiobunus rotundus sehr kräftig entwickelt. Eben so schwankt der Ort ihres Fixirungspunktes im Bezug auf den Ovipositor. Er liegt bei Phal. pariet. nahe dem vorderen Ende der Legeröhre, bei Leiobunus rotundus in ihrer Mitte. Die Ausstülpung des Ovipositor wird bewirkt durch die Protraktoren und die Kontraktion der Hautmuskulatur. Letztere muss dabei mitwir- ken, da die Protraktoren, die, wie Loman sehr richtig bemerkt, den ersten Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 697 Theil der Expulsion besorgen, also den Ovipositor aus der Ruhelage bringen, mit nach außen gebracht werden und so nicht allein die voll- ständige Ausstülpung zu Stande bringen können. Loman irrt jedoch, wenn er meint, dass die Hautmuskulatur allein die Legeröhre nicht aus der Ruhelage zu bringen vermöge, denn man wird doch nicht behaupten können, dass bei einer künstlich hervorgebrachten Expulsion, die durch einen leichten Druck auf das Abdomen erfolgt, das Thier seine Protrak- toren mit in Thätigkeit setze. Bei einer Ausstülpung, wie sie zum Zwecke der Eiablage erfolgt, liegt der eigentliche Ovipositor, dessen vordere Ringe stark gereckt sind, voran. Dann folgen die umgestülpten Scheiden und zwar so, dass die ursprünglich innen liegende, widerstandsfähige Scheide jetzt die äußere ist und so die darunterliegende muskulöse Hülle vor Beschädigungen schützt. Erstere erleidet die stärkste Dehnung in dem der Sternallippe zunächst gelegenen Theile. Sie erscheint desshalb farblos und durch- sichtig, so dass man die Retraktoren,, die auch mit nach außen gebracht werden, als zwei feine, weiße Fäden hindurchschimmern sieht. Das Thier führt mit seinem ausgestülpten Ovipositor die mannig- faltigsten und komplicirtesten Bewegungen aus und sucht mit seinen als Tastapparate fungirenden Bürsten die für die Eiablage günstigsten Plätze aus. Die Eier werden einzeln oder auch haufenweise, meist ziemlich tief in die Erde gelegt, wohin sich das Weibchen mit Hilfe seines durch die elastische Membran vor Verletzung geschützten Legebohrers Zugang verschafft. Was nun endlich die Befruchtung der Eier anbetrifft, so stimme ich nicht ganz mit Loman überein, sondern schließe mich mehr der Ansicht von Branc an. Denn obgleich die Eier bei ihrer Passage durch die Vagina bereits mit einem Chorion versehen sind, so ist dasselbe doch nicht hart, wie LomAan meint, sondern noch sehr elastisch, wovon man sich bei Beob- achtung eines Eier legenden Weibchens leicht überzeugen kann. Das Ei nimmt nämlich beim Durchgleiten durch die Vagina und den Ovi- positor eine sehr lang-ovale Gestalt an, was doch ohne eine bedeutende Elasticität seiner Wandungen nicht möglich wäre. Passirt es dann die Ausmündungsgänge der beiden Receptacula seminis, so tritt aus diesen durch Kontraktion der sie theilweise umfassenden Ringmuskulatur (siehe oben) und vielleicht auch durch den Druck der gepressten Chitinringe, Sperma heraus, durchbohrt mit Hilfe der ihm eigenen Bewegung das . elastische und sicher leicht permeable Chorion des Eies und die Be- fruchtung ist perfekt. Eine Mikropyle, deren Vorhandensein Loman vermuthet, konnte ich 698 Richard Rössler, _ nicht entdecken, auch ist die Gegenwart einer solchen nicht nothwendig und erscheint unwahrscheinlich, da das Ei in jeder beliebigen Achsen- stellung die Vagina passiren kann; dann ist die Annahme einer großen Anzahl von Mikropylen erforderlich, wenn stets eine solche direkt an der Ausmündungsstelle der Samentaschen vorbeigleiten soll. Die accessorischen Drüsen, die in den vorderen Abschnitt der Ovi- positorscheiden einmünden, sind schwächer entwickelt als beim Männ- chen, zeigen aber sonst denselben Bau. Systematischoes. Die Länge der Ovipositoren und mit ihr auch die Anzahl der sie zusammensetzenden Ringe ist nicht konstant bei den einzelnen Arten. a) Phalangium parietinum de Geer. Ovipositor rinnenförmig, sehr dunkel pigmentirt. Die Ringe er- scheinen stark nach vorn gewölbt, diejenigen zunächst der Basis sehr undeutlich konturirt und schwach gefärbt. Länge 5—5,5 mm /incl. Furca). : Furca kurz und gedrungen. Länge 0,74 mm. Samentaschen schlauchförmig: 0,24 mm lang. b) Megabunus corniger Meade. Ovipositor nicht pigmentirt, mit breiter Furca, deren letztes Glied die doppelte Länge der vorhergehenden zeigt. | Länge des Ovipositors in toto 41/, mm, Länge der Furca 0,6 mm. Samentaschen schlauchförmig, sehr lang: 0,5 mm. Fig. 19. c) Opilio albescens Koch. Nur der vordere Theil des Ovipositor ist durchgehend pigmentirt, die hinteren Ringe nur am unteren Rande. Länge 6,3—6,5 mm. Samentasche mit Ausbuchtungen (siehe Fig. 20). Länge 0,26 mm. (Nach der Form der Receptacula und auch nach der Zeichnung der Männchen halte ich das Opilio albescens für eine Varietät von Phalan- gium urnigerum Meade.) d) Leiobunus rotundusLatr. Ovipositor nicht pigmentirt, mit kurzen Borsten, nach vorn konisch verlaufend. Länge 3—3,2 mm. Furca schlank mit hohen Bürsten, deren Borsten farblos sind. Länge 0,74 mm. | Samentaschen kurz, von birnförmiger Gestalt. 0,125 mm. Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. 699 e) Leiobunus longipes (Koch). Ovipositor von brauner Farbe. Der nach innen geschlagene Theil der äußeren Scheide sehr lang. Länge 5—5,4 mm. Furca schlank und schmal mit sehr langen Borsten. Bürste hoch mit kurzen Tastborsten. Länge 0,7 mm. Samentaschen wie bei Leiob. rot. Länge 0,14 mm. Die beiden Drüsen an den Seitenrändern des Cephalothorax, die Kronn (5) ausführlich beschreibt, über deren Funktion er aber keine Vermuthung ausspricht, werden von Loman nach Analogie der Gony- leptiden!, als Stinkdrüsen in Anspruch genommen. Als Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung habe ich hinzuzufügen, dass Opilio albescens einen eigenthümlichen, fast aromatisch zu nennenden Geruch verbreitet, den ich diesen Drüsen, deren Ausführungsgang übrigens mit einem Spiralfaden versehen ist, zuschreibe, zumal ich Hautdrüsen bei ihnen nieht habe entdecken können. Die Nerven, die nach mehreren Beob- achtern diese Thorakaldrüsen versorgen sollen, entspringen seitlich aus dem Brustganglion als ziemlich kräftige Stränge. Sie stehen jedoch mit denselben in gar keinem Zusammenhang, sondern setzen sich in das zweite Beinpaar fort, das wie bekannt, in ergiebigster Weise als Tast- apparat gebraucht wird. Die innere Skeletplatte, noch von Tuık als ein Theil des Nerven- systems beschrieben, wurde zuerst von LeypıG (8) ihrer wahren Natur nach erkannt und als Insertionsfläche für eine große Anzahl von Muskeln hingestellt. Im Bezug auf die Lage dieser Platte, die mir eher aus einem modifieirten (verkalkten) Bindegewebe zu bestehen scheint, als aus Chitin, ist jenem Forscher doch ein kleiner Irrthum unterlaufen. Ihr Mittelstück liegt nämlich nicht unter der Bauchganglienmasse, sondern auf der hinteren Schiefendfläche derselben. Das bereits oben (p. 679) anlässlich der Beschreibung der MarricHI- schen Säcke erwähnte Organ wird von einer dünnen Membran begrenzt und setzt sich aus polygonalen Zellen zusammen, die einen länglichen, zuweilen zackigen Kern aufweisen. Die größeren, randständigen Zellen haben homogenes, die mehr nach der Mitte zu gelegenen dagegen fein granulirtes Protoplasma. Dieses Organ, dasreichlich mit Tracheenenden versehen ist, beginnt in der Nähe der Stigmen und zieht sich unterhalb der seitlichen Blinddärme an der Außenseite der Marpicurschen Säcke hin. In der Nähe der hin- teren Ausläufer der inneren Skeletplatte theilt es sich in einen kräftigen 1 Siehe Serensen, Om Bygningen af Gonyleptiderne. — Naturhist. Tidsskrift 1879. 700 Richard Rössler, oberen und einen unteren Ast. Ersterer behält seine Lage unter dem Blindsack bei und lässt sich bis in das erste Hüftglied verfolgen, der andere senkt sich nach abwärts, der Geschlechtsöffnung zu, in deren Nähe er endet. Ob dieses Gebilde ein specifisches Organ sei, wage ich nicht zu ent- scheiden, eben so wenig vermag ich über seine eventuelle physiologische Funktion eine Vermuthung auszusprechen. i Appendix. Über zwei neue Gregarinenformen. Der Darmkanal und vorzüglich die Blindsäcke der Phalangiden wer- den von Parasiten bewohnt, und zwar meist von Gregarinen. Einmal fand ich auch einen Nematoden, der mir aber entschlüpfte, ehe ich Zeit hatte, ihn näher zu untersuchen. Die Gregarinen, die ich antraf, lassen sich vielleicht den Steın’schen Genera Actinocephalus und Stylorhynchus unterordnen, obgleich sie noch andere, diesen Gattungen nicht zuge- schriebene Eigenthümlichkeiten aufweisen. Die eine Species, die ich Actinocephalus fissidens benannt habe (Fig. 21), zeigt am Kopf zwölf gespaltene Hakenpaare und zwischen je zweien dieser Paare einen ein- fachen, stachelförmigen Dorn. Dieandere Art,Stylorhynchuscaudatus (Fig. 22), besitzt einen gestielten Kopf, der mit zwölf Erhebungen oder Leisten versehen ist, die über den Rand desselben hinausragen und sich theilen (Fig. 22 b\. Diese Form ist außerdem mit einem dünnen, schwanz- artigen Anhang versehen, der durch keine Scheidewand von dem eigent- lichen Körper getrennt ist, jedoch auch keine einspringenden Konturen zeigt, die auf einen verstümmelten Zustand schließen ließen. Die Länge der ersten Form beträgt 2—3 mm, die der zweiten 2—2,5 mm excl. des schwanzförmigen Anhanges von 2—3 mm. Diese Gregarinen liegen Kopf an Kopf gedrängt, bündelweise in den Blindsäcken, an deren Wandungen sie sich vermittels ihrer Hakenappa- rate befestigt haben. Zuweilen treten sie so massenhaft auf, dass sie den Tod ihrer Wirthe herbeiführen. ' Leipzig, Ende Oktober 1881. ER Beiträge zur Anatomie der Phalangiden, 701 Erklärung der Abbildungen. Tafel XLI und XLII. Fig. 1. Schnitt durch den abwärtssteigenden Pharynx. Phalangium parie- tinum. > 54. i. c, innere Chitinauskleidung ; a.c, äußerer Chitinwall (Epipharynx); r, Ringmuskulatur; s, Septum. e, Erweiterungsmuskeln; Fig. 2. Schnitt durch den Oesophagus innerhalb des Nervensystems. Phalan- gium pariet. >< 54. ‘. c, innere Cuticula; a. m, äußere Muskelhülle. ma, Matrix derselben ; Fig. 3. Längsschnitt durch den Munddarm und das centrale Nervensystem. Phalang. pariet. > 40. s, Septum; P, Pharynx; ep, Epipharynx; Oe, Oesophagus; l, Labrum; Mad, Mitteldarm ; o.k, Oberkiefer ; B. G, Bauchganglion ; u.k, Unterkiefer; -T. G@, Thorakalganglion ; lab, Labium; Sp, Speicheldrüsen; si, Sternum; P.D, Penisdrüse ; M, Mundhöhle; Ch, Mittelstück der inneren Chitinplatte. Fig. 4. Querschnitt durch den Blinddarm und Enddarm. Phalangium pariet. x 54. b, Blinddarm; l.m, Längsmuskulatur; Ed, Enddarm; f. k, Fettkörper; T.p, Tunica propria ; z, sich ablösende Zelle des Blinddarmes. r.m, Ringmuskulatur ; Fig. 5. Querschnitt durch den Mitteldarm. Phalang. pariet. >< 54. Bezeichnung wie bei Fig, 4. Fig. 6. Sich ablösende Zelle des Mitteldarmes. Fig. 7. Querschnitt durch Phalang. pariet. >25. Q@. | db, Blinddarm e, Eier; | Md, Mitteldarm; ov, Ovarium; lc, Herz; 2.0, zelliges Organ; m.g, Marpicarsche Gefäße ; f. k, Fettkörper; m. s, Marpiscar'sche Säcke ; op, Ovipositor; ‚ h.t, Haupttracheenstamm ; m, Muskeln. | 0, Ovidukt; Fig. 8. Querschnitt durch Opilio albescens. ©. >< 25. b, Blinddarm ; N, Nervensystem ; | St.d, Stinkdrüse; n.o, Nervus opticus; ‚2.0, zelliges Organ; au, Auge; m.s, Marricarscher Sack ; op, Ovipositor; t, Tracheen; bi, Bindegewebe; Oe, Oesophagus; m, Muskeln. 702 Richard Rössler, Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. Fig. 9. Endstück des Penis und Eichel von Opilio albescens. = 54. d, Ductus ejaculatorius; s, Sehne. Fig. 40 und 44. Querschnitte durch den Penis von Leiobunus rotundus. >< 122. pk, Peniskörper ; p.a, Plattenapparat. Fig. 42. Querschnitt durch den Penis und seine Scheiden. Leiobunus rotun- dus. > 122. », Penis; i.ch, innere Chitinhülle; d, Ductus ejaculatorius; a.sch, äußere Scheide; n, Nerven; p.m, Protraktormuskeln. t, Tracheen;; Fig. 43. Querschnitt durch den Penis und seine Scheiden von Megabunus cor- niger. >< 122. ch. s, Chitinstab; s, Sehne. Fig. 44 und 45. Querschnitt durch den Penis und seine Scheide. Phalangium parietinum. >< 54. P, Propulsionsorgan, Fig. 416. Dasselbe. Opilio albescens. >< 54. Fig. 47. Struktur der Chitinhülle des Penis. Leiobunus rotundus. >< 380. Fig. 48. Querschnitt durch den Penis mit Platten. Phalangium pariet. >< 450. Fig. 49. Samentasche von Megabunus corniger. >< 200. Fig. 20. Samentasche von Opilio albescens. >< 200. Fig. 21. Actinocephalus fissidens. >< 25. b, Kopf desselben, vergrößert und von oben gesehen, 22. Stylorhynchus caudatus. >< 25. b, Kopf desselben, vergrößert. Fig Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Zieh. Anst.r Werner .e&Wouer, Sparks Zeitschrift WSS. Zoologie. Bd. XWIZ. Kr ran derpzg. ALNIZ Faß il. ischrit f£ wiss Zoologie. bä. ui nel. 2er; Zi Anst # Werner & Winter, Franklurb@/l) Velıy Wil Engelmann, Dapzig. Tun: N PS ; N p Zeitschrift fwiss. Zool.Bd.XMI. | I nic Tarı AGruber,del Verlag v Wilhelm Engelmann, Leipzig. 1 Lith .J.A.Hofmanıt, Würzburg { | ee = ee RE SNNN, ® Serlas v. Wilhelm Eng elmann in Leip ziß. I By) Sa Ai N $ a zn Andre ee Zetschrit f moiss. Zoologie. Ba. KO Zu Anse Herma deRönter, Frasare Ba Fi f PIrs Zeilsohrift [miss Zoologie. Bl. KLW7 Taf. VI. n ig 35. Fig. 40: Fig. 5%: lo f - dB Anz x ea \ Verl ylilh, Enyelmann, Leipzig, ' SA ’s 2 Een ER De an) Ka A,H Ba 40005 BR, 2 Fig. & Tertschrilt K wiss. Zool. bad AT. erlag yon Wh. Engelmann in Leipzig. “ © Zalsehrif Kreis. Zoologie. Bd. .MIXIT. Eee = = II OLE | | ll e Tirk Arası.n. Werner & Hirder, Frankie ade je NN? £ss. Zoologie Bd. KENT. SOC DOSE Verlwlilk Engelmannleipzug, 2 Zuth-Arst werner &Möreer Eon m Iyestongrel: on, Verl, v. Wil Engelmann, Feinzig, ZulAnsun Werzser eliineer, Franll a Be ’ Zootogte Ba - ulschri/E IIPLSS. Fig. 19. NUN N INN NN NROITRRIRERRRRUU Zieh Anst.vlernerk ia ıgelmann, Leipzi Verlao x Wilk.En —_- (hias. Se - Tr. olf. hr ie (om. ir. H. — (hras —E Ba 7 ——_(om.hane A PD. ___Chias. er b.cin, 2» A nt. | kspa (2) 6G.int. t Nase I | I | I \ Bulb. old, Sec VeINB: N NV. asc. Bull | NXs Sr } EEE \Com. Bulb.olf m“ (hias “Chias. "Tab. ein. | (zZ) E Bulb.olf, — Bulb.olf. | : Nina br. unt a Zeitschrift £ wiss. Zoologie BAATAM. . bi Taf. AV, Mayser ägl. Verlag y. Wer. Engelmann 2.2eipzig. Druo® vw M. Gembsen, München. N Zeitschrift £ miss. Zoologie Bd. e EN Taf 1. SER) | I \ a Mayser dd, Verlas ve Wein. Engelmann &bevpzig. Drucr v.M. Gembser, Minöhen. Z "ala RE u i 2 1% eitschrift f. wiss. Doologre BaKIAM. Taf ae EIER ar Bu. Druck v: M. Gemaser, Miuchen. Mmszer del. Be = e z Zn — en nee ER Zeitschrift £ wiss. Zoologie BdALLM. Taf. XVII. I ___ Mauser dpb, NURULUE: NR. moR: SuNTH. N Nee NEN. % Se. SF. NR .dors t HE MY gan. uk &) Sugeh NIIT... vmA 30. Mg Su pest- N.U.post. Verlag yı Wılh, Engelmann. 2.Iheipzia, Druck ı HM Gemoser Märchen 4 “ N - y } h h R 14 R DS Bar } n 2 [Er 5 R by 5 ENINT, &/h Ä N N } RR, , RN v N } n S x 2 3 gan 5 N SR | MUch N ar { A DR F \ = N T h x \ Br Yor ’ R e, “ T n Hs I v Y B R “ Br ; AN? x \ = N ns NEs2N Hr BONN { N al y 4 a N u ‘ DRS h s e i * 2 ' Ä ! ö y \ y - ' ; - Y h ‘ R \ r ! r 3% = Y " ” I i 5 > } 2 h > . \ \ MOB: ) Y 7 N} £ Y h x ) HR ) = n N ’ 7 e Y \ N BR j ) ! 1 \ \ 1 Kann S Fl . en 2 5; RN Y; 6 {' \ N ink 1 hs R h | i R 3 e s SE SE Me ala , {E , lm } Re Ras 3 N ; N, { N r h „ kr RR N AT ’ ) ‘ 7 RN NER Hg) Y } N a: Var J u aller, Di > B at \ R ' Ne Be N h 5 \ H3 ER 2 Dres „ \ - r ; NEN \ N in y \ y ) 1 2 N R \ 5 - Ne x \ = \ y \ f ' HEN ü LUN Fe IK. ) VuRcR | t ; j ” f v {I a en [N 2 IN w 7 ” hi ai Ken 7 ö PAR x { } “ = x [ { 1 N en ver \ Ir 1 EN r a br y er \ ü 2, j ui (ve, Rn) \ = f H }) ö N % A S ’ SUN ‚ r H \ } BE 3 \ } N { Zeitschrift £ wıss. Loologre Ba.AIMM. Taf. XIX. Mh GER - Yuızer 32. Verlag # Walh Engelmann z.Lerpzig. f Druck v. M- Gemoser, München. VRN T x 1 \ 2 N Ri u) RO n) F war S| N X h ER ei - h N, h \ E N Eh) « & ) Ye h N W dan « 5 b une © j y N N VEERorn Rene a ß 3 n “ F n h } \ ' er] en x al 5 4 1 ’ 3 a, fi 2 $ 3 Dr { ) ' % % i AR Nee N} Mr r y > Y N m) h x D | 7 \ ). \ j\ t PAIN 3 5 N w VA NL h it ” \ N x kurt a ? 2 ' p ) J Ri n ; N ! ni { \ x | : } n h \ \ un \ I {a 7 A 2 \ He } “ 1 n LER SL S 1 i f or, l A } j ) N \ $ us ! j} “x ") Ä I ; \ Yen, EN \ j - N > En Just a = j x U \ , f N all h ” S) : t Y ae EN ö ES: or \ a a9) h T DR NN ! u 4 4 vg Ä Zeitschrift £ miss. Zoologie BdALAM. | Taf. .; 1 Mauser Be. Verlag v Weln. Engelmann 2leıpzig. Druck v. M. Gemaser München. — 2. ze £ - bh = si ee ee ft f miss. Zoologie BaAIAM. Verlag y. Wein. Engelmann. v.Leipzig. Druck v, Mi Gemaser, Mönchen. un ae we tele; N en I Mayser dei Verlag v: Welh. Engelmann ileipzia. 3 Druck v U. Geomaser, München. Anne ar = or RE Ä Deitschruft f wiss. Zoologre BdAHM. EN end; lat. o1nkı+ bar Ir. e. ah Tal ink-+ % & ER. Mazser del. Verlag v. Welh. Engelmazı. 2 leipzig. Druck v. M- Gemoser, München = N N D3 “ Y Du . x EEE E ER N el ' IETÄNG, 1 Br Zeitschr. F. wiss. Zool. Bd. XXX. > - N RE SR Nas, \\ Teip zig. ! " Tar. XXV. Tith.Anst mE. A.Funke Leip 218. | Verlag von Wilh..Engelmann in Eool. Bd._LXIVI. __—n NOTEN PREMIER VE STTER VER URN U TO NER UT VER FRE SLOT RUNGEN: SZ GG SEHTTOG. BRLIBTNTT VRTTER VaOR SVEN ORTE KR FAST [TEA 2 SEN TORE LORD SP LATE. "ERDE Sen Bent EG DR RAR WERT RT m PT Dr Sm N TREND = MEET RE TEE EURE IRRE UN REDE ZEN SEEN BEREELEESGSENGER -SRENENEL AERGREISDNE EDEHENRETL AEBRETTERBENGEN B KESRERST B —- - - . 2 P 5 - - - ee em Z PIger e - + Bm m zu n Eu un ’ Vene eh u te N unit En BR ” vn nf Wn A In HIN I Wap! Ins Verlag vo. Wilh. Engelmann, Zeipzig. Be 1. wiss Zul. Da NT. Zeitschr. (.wiss. Zool. BA.XXAVT. Taf. XNIN. En % FL. "05580, 5 KERIZ reed? Pa I / A.6Gruber del. Verlag v. Wilhelm Engelmann ın Leipzig. —— Lith.J.A. Hofmann ‚Würzburg nn, Würzburg. Blar.ARX weigert 72 5 20 wiege Bean Verlag v. Wilhelm Engelmann in Leipzig: .Zool. BA.XXXV. iss. how Zeitschrift f va5s Zoologie Ba MAN. Sarlr #2 KLEE a Do ae KR aa ”s Int % Sl 0709 0 9o0 EL Zeitschrift £ wiss. Zool. Bd_XXAW. | ..0d.d. > ...0d.d. SL Fig. >. a & : SHE Zen TER ae Zt BER | *# ek, wi He we , ; u as es 25: EIS ©: ne en | : \ Gare | werner Od DE. (RE “ ar * 5 | \ v P| ® A N IR Irene od. pr i v " Fig 7 ee; - Verlag um Wil Engelmann, Beipztg; Lith Anst»4 Müllzs El IRC3 RR Zertschrifl, / muss Zoot Da XXX vn ; Tafel XXXV. Fig. 10. s | } > Fig.12. Luth Anstv a Müller, Goltingen Autor del, Verlag von Wilh_Engelmz: ek RI S Zeitschrift £ 155. Zool. Id. XXXVI. 2 15a. Fig.16. 1 u Depepstden 8 22 Argomauzta. Argonauto Dekapoden. Tremoctopus | | Tafel XXXVI. Fi 14D. Parasıra Dean Cafenırlata. . / h Hledore violaceus. Fi. BB. : S Fig. 16. [2-3 Octopus Parasiro Mledone. z catenılata. Lich.Anst.@ Müller, Göttingen. Dr SR Y . Y T B y ‘ it MR; 1 & ) “ . = { { a TEN S P « Y N J Nee R LH \ ea 5% ö \ 1 =; No h r 5 ; \ A N FE * Sr PR TER ITEUN. / RR JUNE TPRRRRRN. Mann, ge Tremoctopus ecellatus n. sp. | ; j} } f ri pr Be and LINE VTUCK vw u WA FELLOr. AL KIT 2 Zoolog: v2 a nf ne .. le R TE a a da ” er ” BE NE ns Be nn Se di ge miss Zoolog, Bd. NNAZ. —— — SAALE a BIETER LE 4 1095. 20010 Ba KK. er e na uk 277771 Li O0 > ‚009 & Rössler del ———— Lith AnstvWernerWintzl Winter, Frankfurt aM Litku Werner & Wilh. Engelmann, Leipzig. men SEP ELEUN Bm 102 zeBn Zeitschrift für | wiSSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE | herausgegeben | Carl Theodor v. Siebold, } Professor an der Universität zu München, und | Albert v. Kölliker, | 1; Professor an der Universität zu Würzburg, unter der Redaktion von Ernst Ehlers, | N et sechsunddresrissis Mit 9 Tafeln und 10 Holzschnitten. | 2 Erstes Heft. LEIPZIG, m Verlag von Wilhelm Engelmann. 1831. | Ausgegeben den 19. August 1881. Inhalt. e Seite | Über die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyclostoma elegans und der einheimischen Schnecken überhaupt. Von H. Simroth. (Mit Taf: I u..9 Holzsehnitten). „0... 2. 1 Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. Von Ph. Stöhr. (Mit Pat: Il-u.r ll.) 22.2.8 are ne 68 Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. Von A. Gruber (Mit Far. IV u. Vol hr. een Se A 104 Über die Entwicklung der Neritina fluviatilis Müll. Von F. Blochmann. (Mit Taf. VI bis VIEL u..einem Holzschnitt,, na 125 Über die Allantois des Menschen. Von W. Krause. (Mit Taf. IX)... 15 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. | Neuer Verlag von Theobald Grieben in Berlin. Ornithologische Briefe. Blätter der Erinnerung an seine Freunde, gesammelt von E. F. von Homeyer. 6 Mark. Wissenschaftliche Mittheilungen von Bädeker, C. L. Brehm, Gaetke, von Homeyer, Kjärbölling, Landbeck, v. Loebenstein, Max Prinz von Wied, Naumann, Radde, Ratzeburg, Thienemann, Tobias, Zander, Zittwitz etc. Bücher - Ankauf! Grössere und kleinere Sammlungen, sowie einzelne grosse Werke sucht zu guten Preisen Glogau Sohn, Hamburg, 23 Burstah. VERLAG von F. C. W. VOGEL m LEIPZIG. Soeben erschien : Hermann’s Physiologie. VI. Band. 2. Theil. Physiologie der Zeugung von i = Prof. V. Hensen in Kiel. Mit 48 Abbildungen. — Preis 8 Mark. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Fauna und Flora des Golfes von Neapel und der angrenzenden Meeresabschnitte herausgegeben von der Zoologischen Station zu Neapel. I. Monographie: Otenophorae von Dr. Carl Chun. Mit 18 Tafeln in Lithographie und 22 Holzschnitten. gr. 4. 1880. Ladenpreis 75 #. Il. Monographie: Fierasfer von Prof. Emery. Mit 9 Tafeln in Lithographie u. 10 Holzschnitten. — gr. 4. 1880. Ladenpreis 25 MW. Ill. Monographie: Pantopoda von Dr. A. Dohrn. Mit 15 Tafeln in Lithographie. Ladenpreis 4 60. IV. Monographie: Die Corallinenalgen von Prof. Graf zu Solms. Mit 3 Tafeln in Lithographie. Ladenpreis 4 12. Im Laufe des Jahres 1881 wird erscheinen: V. Dr. Spengel, Monographie des Balanoglossus. Mit ca. 10 Tafeln. Subseriptionspreis für sämmtliche erscheinende Monographien jährlich 50 #. Man abonnirt für mindestens drei Jahre beim Verleger oder beim Herausgeber. Soeben ist erschienen: Über einige canarische Anneliden | von Prof. Dr. Paul Langerhans. (Nova Acta der Kaiserl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher. Band XLII. No. 3.) Mit 2 Tafeln. 245029. Üher Cansalität in den Naturwissenschafien. REDE gehalten bei der Übergabe des Prorectorats der Albertus- Universität zu Königsberg. Von Professor Dr. H. Weber. 8. 60.9. Tages-Ordnung 54. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte für den 17. bis 24. September. 1881 zu Salzburg. Sonnabend, .den.17. September, Abends: Gesellige Vereinigung im Curhause. Sonntag, den 18. September, Morgens 10 Uhr: Erste allgemeine Sitzung in der Aula academica. 1. Eröffnung der. Versammlung durch den ersten Geschäftsführer Dr. W. || Güntner. 2. Begrüßung von Seiten der Behörden. 3. Geheimrath von Pettenkofer-München: »Der Boden und sein Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen.« Nachmittags 3 Uhr: Besuch der beliebtesten Aussichtspunkte in der unmittelbaren Umgebung der Stadt: Mönchsberg mit der Festung »Hohen Salzburg« und Kapuzinerbers. Abends 7 Uhr: Gartenfest in den Curhaus- Anlagen. Montag, den 19. September, Morgens 8 Uhr: Constituirung der einzelnen Sectionen in den Sitzungslocalitäten im neuen Schulgebäude md darauf folgende Sections-Sitzungen. Nachmittags: Sections- Sitzungen, eventuell Ausflüge in die nächste Um- sebung: Fürstenbrunn, Aigen, Hellbrunn und Maria Plain. Abends 7 Uhr: Concert in den Mirabell-Localitäten. Dienstag, den 20. September, Morgens 8 Uhr: Sections- Sitzungen. Mittags 12 Uhr 30 Minuten: Ausflug per Bahn nach Reichenhall. _ Mittwoch, den 21. September, Morgens 83 Uhr: Zweite allgemeine Sitzung. 1. Vortrag des Geheimen Hofrathes Weismann-Freiburg i. B. »Thema vorbehalten.« 2. Erledigung geschäftlicher Fragen und Wahl des Versammlungsortes für die nächstjährige 55. Versammlung. 3. Regierungsrath Meynert-Wien: »Gesetzmäßigkeit des menschlichen Denkens und Handelns.« Nachmittags: Sections-Sitzungen. Abends 7 Uhr: Concert und Reunion im ÜCurhause. Donnerstag, den 22. September, Morgens 8 Uhr: Ausflug per Bahn nach Zell am See für.den ganzen Tag. Freitag, den 23. September, Morgens 8 Uhr: Sections-Sitzungen. Mittags 1 Uhr: Gemeinschaftliches Mittagessen. Nachmittags: Ausflüge in die Umgebung. Abends 7 Uhr: Promenadenmusik im Curhause. Sonnabend, den 24. September, Morgens 10 Uhr: Dritte allgemeine Sitzung. 1. Geschäftliche Mittheilungen. 2. Regierungsrath Ritter von Oppolzer-Wien: »Ist das Newton’sche Attractionsgesetz zur Erklärung der Bewegungen der Himmelskörper ausreichend und hat man Veranlassung, dasselbe nur als Näherungs- ausdruck zu bezeichnen.« 3. Regierungsrath Mach-Prag: »Der naturwissenschaftliche Unterricht.« Abends 7 Uhr: Abschiedsgruß mit Liedertafel im Curhause. -INNNNTNNNN Die specielle Ausführung‘ der vorstehenden Tageseintheilung wird durch das Tageblatt unter der Rubrik, Tagesordnung bekannt gemacht. Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE herausgegeben Carl Anesünn V. Srpnold, Profes n der Universität zu Mün und Albert v. Kölliker, Professor an der Universität zu Würzburg, unter der Redaktion von MEHR ne Zweites Heft. Mit 14 Tafeln und 23 Holzschnitten. LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1831. Ausgegeben den 1 . November 1881. Inhalt. Zur Entwicklungsgeschichte des Ophiurenskelettes. Von H. Ludwig. x (Mit Taf. Xu. XI und Holzschn), RS 22 ne 181 Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipunculus nudus L. Von J.-Andreae. Nit KafaxXIEu. Xu)... 0.00 een 201 Vergleichend anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische mit besonderer Berücksichtigung der Cyprinoiden. Von P. Mayser. (Mit Bat. »XIV—XXUr u: 1. Holzschn.). 22.2: vg EN ee 259 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sichern Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung _ der Herstellungskosten. | Novität | von Th. Grieben’s Verlag (L. Fernau) in Leipzig: Die Wanderungen der Vögel. Mit Rücksicht auf die Züge der Säugethiere, Fische und Insekten. : Von E. F. von Homeyer. 8.0. Enthält die Beobachtungen und Forschungen, die der berühmte Verfasser während mehr als eines halben Jahrhunderts gemacht hat. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische Von Ludw. Stieda, Professor a. d. Universität Dorpat. Mit 2 Tafeln. gr.8. 1868. 2 M. EHE Inne ei, g Pu N BE a Pen) Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Craniologische Studien Reinhold Hensel. (Nova Acta der Kaiserl. Leop.-Carol.-Deutschen Akademie der Naturforscher. Band XLII. Nr. 3.) | 3 Mit S Dateln.. gr. 4. 1881. 4212 \ Zoologische Studien von Dr. Emil Selenka, Professor in Erlangen. 1. Heft: Befruchtung des Eies von Toxopneustes variegatus. Ein Beitrag zur Lehre von der Befruchtung und Eifurchung. Mit 3 Tafeln. 4. 1878, M 4. 2, Heft: Zur Entwickelungsgeschichte der Seeplanarien. Ein Beitrag zur ve | blätterlehre und Descendenztheorie. Mit 7 Tafeln und 2? Holzschni 15188: 27020: Über den Bau und die Entwickelung Cordylophora Lacustris (Allmann). Von F. E. Schulze, Professor der Zoologie in Graz. Mit 6 Kupfertafeln. gr. 4. 1871. 8. Das Genus Myzostoma (F. S. Leuckart) 3 von ar Dr. Ludwig Graff, 3 Docent der Zoologie an der Königl. Bayer. Central - Forstanstalt Aschaffenburg. ii Mit 11 Tafeln. Fol. 1877. 4 25. | Morpholozische Studien an Behinodermen I. Band. Mit 23 Tafeln und 5 Holzachnisten. sr. 8. 1877—79. #14. E | II. Band. 1. Heft. Mit 7 Tafeln und 2 Holzschnitten. gr. 8. 1880. 4. Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE herausgegeben von Carl Theodor v. Siebold, Professor an der Universität zu München, und Albert v. Kölliker, Professor an der Universität zu Würzburg, unter der Redaktion von Ernst Ehlers, Professor an der Universität zu Göttingen. Sechsunddreissigster Band. Drittes Heft. Mit 10 Tafeln und 1 Holzschnitt. LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann. 18581. Ausgegeben den 30. December 1881. Inhalt. Über den Bau der vögelbewohnenden Sarcoptiden (Dermaleichidae). Von G. Haller. (Mit Tat. XXIV-XXV u 1 Holzschn) 2. 2 222.5 367 Über Scoloplos armiger O. F. Müller. Beitrag zur Kenntnis der Anatomie und Histologie der Anneliden. Von W. Mau. (Mit Taf. XXVI—-XXVI.) 389 Vergleichend-embryologische Studien. Von E. Metschnikoff. (Mit Taf. NAVHL. a 08.0 en ee ea 433 Dimorpha mutans. Eine Mischform von Flagellaten und Heliozoen. Von A. Gruber. «Mit Da axBpvoe u me Sn eat 445 Beiträge zur Kenntnis der Amöben. Von A. Gruber. (Mit Taf. XXX.. 459 Zur Naturgesehichte des Dachses,. Von & Herbst 2 2 u 471 Beiträge zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. Von ©. Bütsehla. (Mit Tas RRRIZIRXRUEF I 485 Eirwiderung. Von>D.Sochaczewer. 2 2 .n 0 ae 541 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Uuzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der » Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. Verlag von PAUL PAREY in Berlin. Soeben erschien vollständig: Allgemeine Zoologie oder Grundgesetze des thierischen Baus und Lebens. ; Von Dr. H. Alexander Pagenstecher, Professor an der Universität Heidelberg. Vier Bände. Mit 847 in den Text gedruckten Holzschnitten. Preis 50 4. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Biologische Probleme zugleich als Versuch einer rationellen Hthik. Von Ww. H. Rolph. or. 8. 1881. 43. Abriss der Zoologie für Studirende, Ärzte und Lehrer Dr. A. Brass. Mit 182 Holzschnitten. gr. 8. 1881. 6.4. Zoologischer Jahresbericht für 1880. Herausgegeben von der Zoologischen Station zu Neapel, Redigirt von, Prof. J. Viet. Carus in Leipzig.! 1. Abtheilung: Allgemeines bis Vermes. Mit Register. gr. S. 1881. 10.4. Embryoloeische dindien am Inseklen Elias Metschnikoft. (Abdruck aus Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, XYVI. Band.) Mit 10 Tafeln. gr. 8. 1866. .%8. Embryologie des Scorpions Dr. Elias Metschnikoff. (Abdruck aus Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. XXI. Band.) Mit 4 Tafeln. gr. 8. 1870. X 2.40. Über zwei Süsswasser-Calaniden von August Gruber. Mit 2 Tafeln, gr 8. 1878. 42. Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. Zeitschrift | WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE herausgegeben von Carl Theodor v. Siebold, Professor an der Universität zu München, und Albert v. Kölliker, Professor an der Universität zu Würzburg, unter der Redaktion von Ernst Ehlers, Professor an der Universität zu Göttingen. Sechsunddreissigster Band. Viertes Heft. Mit 9 Tafeln. LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1882. Ausgegeben den 12. Mari 1882. Inhalt. Zur Anatomie und Systematik der Cephalopoden. Von J. Brock. (Mit . Tat ,AXXIVEXXRRVIN) 0 ae ee ee 543 Zur Kenntnis der Bauchdecke und der mit ihr verknüpften Organe bei den Beutelthieren. Von OÖ. Katz. (Mit Taf. XXXVIU—XL.)..... 611 Beiträge zur Anatomie der Phalangiden. Von R. Rössler. (Mit Taf. NIT und XLIL) zul... ee ee 671 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers ın Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind ‚auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Siebold. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der » Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine größere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: Handbuch der Vergleichenden Embryologie von Francis M. Balfour, M.A., F.R.S. Fellow and lecturer of Trily, College, Cembzidee Mit Bewilligung des Verfassers aus dem Englischen übersetzt von Dr. B. Vetter, a. 0. Professor am Polytechnikum in Dresden. | Zweiter Band. Mit 429 Holzschnitten. Preis 18 4. Preis des vollständigen Werkes 33 4. Das natürliche System der Elasmobranchier auf Grundlage des Baues und der Entwicklung ihrer Wirbelsäule. Eine morphologische und paläontologische Studie von C. Hasse, 0.ö. Professor der menschlichen u. vergl. Anatomie an der Universität Breslau. Unter Mitwirkung der Herren Assistenten Prosector Dr. G. Born, Dr. B. STRASSER und Dr.. PH. STÖHR. Besonderer Theil. 1. Lieferung. Mit 12 Tafeln. Preis 20 .@. RN ne; a2 5 Fr N NN RE Bo Van igee En et prfhhege TRETEN er EEE: SEA Ta 2.3, Hateria)) N EEE ee er A SEELEN DETIERREEIE FR Re, v5 EN N Be ve Be N AN ar ee In unserem Verlage erscheint: Der Naturforscher. Wochenblatt zur Verbreitung der Fortschritte in den Naturwissenschaßen. Herausgegeben von Ir. Wilhelm Sklarek. Wöchentlich 1—1!/a Bogen in 40. Preis vierteljährlich 4 4. Die nunmehr im XV. Jahrgang erscheinende Zeitschrift hat bei Allen die sich mit Naturwissenschaften beschäftigen, großen Beifall gefunden. Probenummern sind durch jede Buchhandlung zu erhalten. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung Harrwitz & Gossmann. Berlin S. W. N. 6. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung, Marburg. Soeben erschien complet in vierter Auflage: Olaus, C., Grundzüge der Zoologie. Zum wissenschaftlichen Gebrauche. 2 Bände. 85 Bogen. gr. 8. br. M 20. — Früher erschien: Claus, C., Kleines Lehrbuch der Zoologie. Zum Gebrauche an Universitäten und höheren Lehranstalten. 1880. 561/32 Bogen. gr. 8. br. A 9. 50 RVYVYVYVYVYVVVVVVVVVVV J. Scheible’s Antiquariat in Stuttgart. Wir kaufen zu angemessenen Baarpreisen stets ganze Bi- bliotheken wie auch einzelne werthvollere Werke; solche aus dem Gebiete der Naturwissenschaften und Mathematik besonders be- vorzugt. Von den Fachkatalogen unseres 500000 Bände umfas- senden Antiquariats-Lagers stehen die Cataloge 137: Naturwissen- schaften (Zoologie und Botanik), 142: Französische Litteratur auf Verlangen gratis und franco zu Diensten. Williams & Norgate, 14 Henrietta Street, Covent-Garden, InTz ‘suchen zu kaufen und bitten um Offerten: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie von Siebold und Kölliker. Band 1—24 oder complett. Redigirt unter Verantwortlichkeit von Prof. E. Ehlers in Göttingen. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. : % N { v YA f RR . “ } 5 \ 1 | j ) N as } IE Mr ee en Lebe) y S “ I » . ; - . rennen nun wen 5 Ar re A Eee Ente & Hr ; ran Here et 2 s ee ae RE, * ae ara nat nn une ach $ HE W EEE a NZ : 5 Bet , a ER FETT VER STIE N ren sera f Seren Arne ee a ERREICHEN EL N Aue % ar ee laralateter=]e ee br} PRERFRLUAHECHTICH 9) e “ ren een e, Irre EICH HERR ee % P Sr en N, anna Te Lean een ee ei Sunhlietr en. 7er , . ee Fi ee et re ESENOSCH IE DEICHLIL HELEN ae 2 Kr BAR ET) ea lee Para 7 3 hjareLd BTnIenE Bi FTe ee 7a A ... are mann Be . . et Point SPEFSPNCH Er .urdier Ne Verst? et I elmieie mai, > a2} eh rer PURE BEN EA eher tem De BEN : Ft ee BSR [> Er STeietehel & Pe FCICze dik nennen Pieie + Lyart Paphc he EL HPA rare RAN ARTE LH LS Y Dre ? aut Es eher & Y EI) EHEN